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Die unausprechliche Tat: Vergewaltigung von Männern

 

Es war nie mehr als ein Flüstern. Als Frauengruppen nach dem Bosnien-Krieg forderten, Massenvergewaltigungen endlich als Kriegsverbrechen zu ahnden (statt sie wie bisher als „normale Kollateralschäden“ zu bedauern), da machten auch Gerüchte über vergewaltigte Männer die Runde. Aber niemand wagte, laut darüber zu reden.
„Um Himmels willen, seien Sie still“, bat flehentlich die Mitarbeiterin eines Frauenzentrums im Kosovo, als ich kurz nach Kriegsende 1999 nach männlichen Opfern sexueller Gewalt fragte. „Viele“, sagte sie schließlich, als wir wieder im Auto saßen, und uns niemand hören könnte. „Viele von denen, die in serbischen Gefängnissen waren.“ Aber niemand, absolut niemand könne darüber reden. Schon gar nicht die Betroffenen selbst.

Jetzt hat Jeffrey Gettleman, Afrika-Korrespondent der New York Times, im Ostkongo mehrere Männer getroffen, die mutig oder verzweifelt genug waren, über das zu sprechen, was ihnen angetan wurde: einer von ihnen, Kazungu Ziwa, ein 53 jähriger Tierpfleger wurde vor mehreren Wochen von Bewaffneten nachts in seiner Hütte überfallen und vergewaltigt. „Allein der Gedanke an das, was mir passiert ist“, sagt Ziwa, bringe ihn an den Rande der Erschöpfung. Ziwa und einige andere Männer waren nicht nur bereit, über ihr Schicksal zu reden, sondern ließen sich auch fotografieren.

Vergewaltigung ist das einzige Verbrechen, bei dem die Scham der Tat am Opfer, nicht am Täter hängen bleibt. Gerade deshalb funktioniert sexuelle Gewalt so gut als Waffe im Krieg. Frauen werden nach einer Vergewaltigung oftmals von ihren Männern verstoßen, womit nicht nur das Leben des Opfers, sondern das einer ganzen Familie, eines ganzen Dorfes zerstört werden kann. Mit dem sozialen Tod des Frau verschwindet immer auch eine Mutter, eine Bäuerin – und damit auch die Versorgerin einer ganzen Gruppe.

Auch Ziwa weiss, dass ihn seine Familie und Nachbarn nun ächten. In ihren Augen ist er zum „Buschweib“ geworden. Bei der Vergewaltigung von Frauen besteht die soziale Erniedrigung darin, sie – und damit die Ehre der Gemeinschaft – zu „beschmutzen“ und zu „schänden“. Bei vergewaltigten Männern besteht sie darin, dass sie zu Frauen „degradiert“ werden.

Sexuelle Kriegsgewalt gegen Männer ist inzwischen gerichtskundig. Das UN-Jugoslawien-Tribunal in Den Haag hat mehrere Fälle in Anklageschriften dokumentiert. Aber niemand hat je verläßliche Angaben oder Schätzungen über die Anzahl männlicher Opfer in Bosnien und im Kosovo liefern können. Zu groß ist das Tabu, zu groß die Angst der Betroffenen, darüber zu reden.

Im Kongo sind Zahlenangaben noch schwerer zu verifizieren. Hilfsorganisationen berichten einhellig, dass im Zuge der Militäroperationen gegen die Hutu-Milizen der FDLR die Zahl der Vergewaltigungen durch alle Konfliktparteien dramatisch gestiegen ist. Etwa zehn Prozent der Fälle betreffe Männer, meldet die American Bar Association, die amerikanische Anwaltskammer, die in Goma, der Hauptstadt der Provinz Nordkivu, eine juristische Beratungsstelle aufgebaut hat. Doch gezielte Hilfsangebote für männliche Opfer gibt es bislang keine.