Der Mord an dem kongolesischen Menschenrechtler Floribert Chebeya hat in Kinshasa ein politisches Erdbeben ausgelöst.Wie Radio Okapi und andere Medien melden, wurde John Numbi, Generalinspekteur der Polizei und einer der mächtigsten Männer im Land, am Samstag von seinem Posten suspendiert und unter Hausarrest gestellt. Die Entscheidung traf der Nationale Sicherheitsrat des Landes unter Vorsitz von Präsident Joseph Kabila. Angeblich soll der Leiter des polizeilichen Geheimdinestes eine Tatbeteiligung gestanden und dabei auch Numbi belastet haben.
Damit reagiert Kabila offenbar auch auf den massiven internationalen Druck seitens der UN, der EU und zahlreicher Menschenrechtsorganisationen, die eine unabhängige Untersuchung des Falles gefordert hatten. In den vergangenen Jahren sind mehrere prominente Menschenrechtler und Journalisten im Kongo ermordet worden. Keiner der Fälle wurde bislang aufgeklärt. Allerdings hat es noch nie einen so lauten internationalen Aufschrei gegeben wie nach dem Tod von Chebeya.
Bereits am Freitag waren in Kinshasa mehrere Polizistcn festgenommen worden – just an dem Tag also, als auch das amerikanische Außenministerium eine unabhängige Untersuchung unter Aufsicht der UN gefordert und angeboten hatte, forensische Experten aus den USA in den Kongo zu entsenden. Auch UN-Generalskretär Ban Ki Moon hatte sich bestürzt über Chebeyas Tod geäußert.
Chebeya, Direktor der Menschenrechtsorganisation Voix des Sans-Voix (VSV), war am Mittwoch morgen tot in seinem Auto am Stadtrand von Kinshasa aufgefunden worden. Sein Fahrer Fidele Bazana wird weiterhin vermisst. Am Dienstag nachmittag war Chebeya zu einem Treffen mit Numbi einbestellt worden, das aber offenbar nicht stattgefunden hat. Danach war der Telefonkontakt zu Chebeya abgebrochen.
Numbi galt bislang als „bewaffneter Arm“ Kabilas. Ihm wird Organisationstalent bei der Reform des Polizeiapparats, absolute Loyalität zum Präsidenten und absolute Skrupellosigkeit bescheinigt. Numbi war bislang der Mann, der die Feinde seines Chefs entweder ausschaltete – oder mit ihnen verhandelte. (In seiner Eigenschaft als Generalinspekteur der Polizei war er übrigens auch der Mann, der mit der europäischen Polizeimission im Kongo EUPOL verhandelte.)
Als im Frühjahr 2008 eine religiöse Bewegung in der Provinz Bas Congo mit zum Teil gewalttätigen Demonstrationen mehr politische Autonomie forderte, wurden nach einem Treffen zwischen Kabila, Numbi und dem damaligen Innenminister Kalume schwer bewaffnete Polizeieinheiten entsandt, die die Bewegung zerschlugen und mehrere hundert Menschen töteten.
Es war wiederum Numbi, der Ende 2008 maßgeblich jenen historischen Deal mit dem Erzfeind Ruanda aushandelte: Kigali stellte damals seine Unterstützung für den kongolesischen Tutsi-Rebellen Laurent Nkunda ein, Kinshasa erlaubte dafür den Einzug ruandischer Truppen auf kongolesisches Gebiet, um gegen die Hutu-Rebellen der FDLR vorzugehen. Die daraus resultierenden Militäroperationen führten zu einer Schwächung der FDLR – allerdings um den Preis vieler Opfer in der Zivilbevölkerung.
Ob und wie Numbi für den Mord an Floribert Chebeya verantwortlich ist, ist noch nicht klar. Aber man darf wohl davon ausgehen, dass der Polizeichef den Menschenrechtler für einen „Feind des Präsidenten“ gehalten hat. Und „Kabilas Feinde“, so erklärte es ein internationaler Beobachter dem Magazin Jeune Afrique, „sind auch Numbis Feinde.“
Die Frage ist nun, ob Kabila seinen engen Vertrauten wirklich aus dem Verkehr ziehen oder nur kurzzeitig aus der Schusslinie nehmen will. Die internationale Empörung über Chebeyas Tod kommt dem Machtzirkel um Kabila so kurz vor den großen Feiern zum 50. Jahrestag der Unabhängigkeit am 30. Juni jedenfalls sehr ungelegen.
Mitarbeiter von VSV sowie der UN durften den Leichnam Chebeyas inzwischen kurz sehen. Nach ihren Aussagen fanden sich Blutspuren in Mund, Ohren und Nase, sowie eine Beule an der Stirn und Schwellungen am Hals. Das Leichentuch abzunehmen, um den ganzen Körper zu sehen, wurde ihnen verboten. Womöglich ist Chebeya erwürgt worden.
55 Menschenrechtsorganisationen, angeführt von amnesty international, Human Rights Watch und VSV haben in einem offenen Brief den kongolesischen Präsidenten aufgefordert, eine unabhängige Untersuchungskommission aus kongolesischen und internationalen Experten zusammenzustellen. Die Organisationen fordern außerdem nachdrücklich, den Familienangehörigen von Chebeya und Bazana sowie potenziellen Zeugen Schutz durch die UN-Mission zu gewähren.