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Kopieren wird belohnt

 

Das Nieman Journalism Lab, ein Journalismus-Forschungsprojekt der Havard Universität, hat Online-Berichterstattung unter die Lupe genommen. Anhand der Nachrichten über den Hackerangriff auf Google in China haben die Wissenschaftler überprüft, wie viele eigene Artikel zu diesem Thema erschienen sind und wie oft Journalisten voneinander abgeschrieben hatten. Als „eigene Recherche“ galt dabei schon, wenn ein zusätzlicher Fakt etwa in Form eines Original-Zitats im Text enthalten war. Insgesamt analysierten die Forscher 121 Artikel von der New York Times über AFP bis zur Gadget-Seite Gizmodo.

Obwohl das Kriterium nicht besonders anspruchsvoll definiert war, enthielten nur elf Prozent der Nachrichten auf Google News „eigene Recherche“. Von den insgesamt dreizehn zumindest anrecherchierten Versionen kamen acht von der klassischen Presse, vier von Agenturen und eines von einem Online-Medium. Die anderen Kollegen hatten mehr oder weniger voneinander abgeschrieben.

Nur sechs Prozent gar hatten eine eigene, originale Fassung zu den Geschehnissen verfasst. Das waren die New York Times, die Washington Post, the das Wall Street Journal, der britische Guardian, die Tech News World, die Agentur Bloomberg, die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua und die chinesische Global Times.

Und auch Google News bewies bei der Nachrichtenauswahl einen nur bedingt funktionierenden Such-Algorithmus: Zwar wurden Duplikate aussortiert und die wirklich eigenen Geschichten mit höheren Plätzen auf der News-Seite belohnt. Dabei aber fiel eine laut den Havard-Forschern gute und selbst recherchierte Geschichte durch die Raster. Die der Financial Times. Möglicherweise eine Strafe dafür, dass die Seite inzwischen hinter einer Paywall versteckt wurde, also kostenpflichtig ist.

Was für eine Verschwendung. Von 121 Reportern investierten 100 ihre Energie einzig, um die gleiche Geschichte noch einmal zu erzählen, obwohl es ein Link zu der Urpsrungs-Story auch getan hätte.

Ein Link allein jedoch widerspricht der Logik der Medienbranche. Ihre Währung ist Aufmerksamkeit. Durch das Abschreiben profitieren andere Medien von der Aufmerksamkeit, die eine ursprünglich beispielsweise von der New York Times ausgegrabene Geschichte bringt. Das funktioniert, solange es ein gegenseitiges Geben und Nehmen ist. Problematisch dagegen wird es, wenn Recherche nicht mehr ausreichend belohnt wird und vor allem der profitiert, der seine wenigen Redakteure nur noch zum Abschreiben kommandiert. Und wenn diejenigen, die von der Aufmerksamkeit für andere partizipieren, nicht einmal ihren Anteil zurückgeben wollen: Immerhin war ein weiteres Ergebnis der Untersuchung, dass sieben Prozent der Redaktionen darauf verzichteten, die Quelle zu nennen, an der sie sich bedienten. Das ist ziemlich undankbar.