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Theaterdonner von München

Das Schönste an der Münchner Sicherheitskonferenz ist ihr theatralischer Kern. Die Konferenz ähnelt in gewisser Weise den Oscar-Festivitäten Hollywoods: Es trifft sich alles, was in der Sicherheitspolitik Rang und Namen hat, allerdings werden in München keine Preise für besondere Verdienste um die filmische Kunst verliehen. Trotzdem gibt es meist einen unbestrittenen Star in München – und es ist auffallend, dass dieser Star immer die Rolle des Bösewicht einnimmt.   2007 nahm der damalige russische Präsident, Wladimir Putin, diese Rolle ein, indem er eine scharfe antiwestliche Rede hielt, die  an die Zeiten des Kalten Krieges erinnerte.  2003 war es der damalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, der kurz vor dem Ausbruch des Irak-Krieges dem Deutschen Joschka Fischer auf seinen Satz hin: „I am not convinced!“  eine versteinerte Miene entgegen hielt.

Und in diesem Jahr war es Manuchehr Mottaki – der iranische Außenminister.  Erst kam er überraschend – das führte zum ersten (kleinen) Medienhype – dann packte er doch nur alte Vorschläge aus – das führte zum zweiten (größeren) Medienhype. Als dann Irans Präsident Machmud Achmadinedschad, entgegen Mottakis in München geäußerten Vorschlägen, bekannt gab, dass Iran sein Uran auf knapp 20 Prozent anreichern würde, da brach der dritte (große) Mediensturm rund um die Münchner Sicherheitskonferenz los.

Hat sich der Theaterdonner gelegt, wird man einen altbekannten Konflikt erkennen. Iran besteht auf seinem Recht,  Uran anzureichern, der UN _-Sicherheitsrat misstraut jedoch den Absichten des Regimes in Teheran und verdächtigt es, eine Atombombe bauen zu wollen. Darum hat der Sicherheitsrat in mehreren Runden Sanktionen beschlossen, um Iran zu einer stärkeren Kooperation mit der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien zu zwingen. Iran verweigert sich nicht vollkommen – aber gibt im Kern nicht nach. Darum wird jetzt von weiteren Sanktionen geredet.

Das Getöse von München erweckte freilich den Eindruck, als habe Iran nun endgültig und für immer eine rote Linie überschritten. Dem ist nicht so. Ein rote Linie hätte Iran erst dann überschritten, wenn es wirklich eine Atombombe in den Händen hielte. Bisher gibt es dafür nur viele Verdachtsmomente, aber keine konkreten, handfeste Beweisen. Und bis dahin wird man sich  in beharrlicher, druckvoller Diplomatie üben müssen. Ein andere Alternative gibt es nicht.

 

Urlaub

Bis zum 9.02. wird es hier keine neuen Einträge gebe. Bist dahin ist Urlaub

 

Rückzug. Welcher Rückzug?

US–Präsident Barack Obama hat den Beginn es Rückzuges aus Afghanistan für 2011 angekündigt. Die Bundesregierung hat sich diesem Plan dankbar und schnell angeschlossen. Es gibt nur einen Haken: Wenn es überhaupt zum Rückzug kommt, dann wird er sich über Jahre hinziehen.

Dazu empfehle ich folgendes Interview mit General Petraeus – dem Kommander der US-Truppen in Afghanistan und Irak.

 

Zu kurz gesprungen

Ohne Sicherheit kein Wiederaufbau – auf dieser Einsicht beruht die „neue“ Afghanistan-Strategie der Nato.  Darum wird sie jetzt mehr Soldaten schicken, mehr Ausbilder und mehr Geld. Das ist nicht neu.  Seit Beginn des Einsatzes in Afghanistan im Herbst 2001 wird gesagt : Die Afghanen brauchen vor allem Sicherheit, um ihr Land wieder aufbauen zu können. Und seit Beginn des Einsatzes war die Antwort immer dieselbe: mehr Soldaten, mehr Ausbilder, mehr Geld. Die Nato wird bald 120.000 Soldaten in Afghanistan stationiert haben. Begonnen hat sie mit ein paar tausend. Sicherer ist das Land deshalb nicht geworden. Warum soll also jetzt funktionieren, was acht Jahre lang nicht funktioniert hat?

Weil man, so die Antwort, endlich begriffen habe, dass man nur mit den Afghanen und nicht gegen sie das Ziel erreichen könne. Deshalb soll es keine Luftangriffe mehr geben, deshalb sollen mehr Soldaten engeren Kontakt mit der Bevölkerung garantieren und ihr Vertrauen gewinnen. Das klingt gut, doch fußt die ganze Strategie auf einen zu engen Sicherheitsbegriff.

In den Augen der Nato sind die Afghanen sicher, wenn sie nicht von Nato-Flugzeugen bombardiert oder von Taliban terrorisiert werden.  Das trifft sicherlich zu. Doch die Reaktionen auf den Luftangriff von Kundus haben gezeigt, dass für Afghanen Bomben nicht per se schlecht sind. Die Empörung über die Toten von Kundus war in Deutschland zu Recht groß, doch unter den Afghanen gab es viele, die meinten, solange es die richtigen –nämlich die Taliban – treffe, sei gegen ein Bombardement nichts einzuwenden.

Luftangriffe bei denen Zivilisten ums Leben kommen hat es in den vergangenen Jahren viele gegeben. Sie haben dem Ansehen der Nato enorm geschadet. Keine Frage. Doch für viele Afghanen spielen Nato–Bombardements in ihrem Alltagsleben keine große Rolle. Natürlich fühlen sie sich sicherer, wenn es keine gibt. Doch ihr Gefühl ungeschützt zu sein, speist sich aus einer ganz andern Quelle: der allgegenwärtigen Korruption.  Tatsächlich werden Afghanen auf Schritt und Tritt von den Vertretern ihrer Regierung ausgenommen.  Wann auch immer sie in Kontakt mit dem Staatsapparat treten, müssen sie Schmiergelder zahlen.  Für das, was den Afghanen geschieht, ist Korruption nicht das richtige Wort. Man sollte von systematischer Räuberei reden.  Niemand schützt sie davor. Auch nicht die Nato – im Gegenteil, sie stützt nach Kräften eine korrupte Regierung.  Wie sollen die Afghanen den Beteuerungen aus den Staatskanzleien des Westens glauben?

Natürlich, Korruption kann man nicht über Nacht beseitigen. Es ist eine langwierige, schwierige Aufgabe mit ungewissem Ausgang. Doch es ist eine Sache, diesen Kampf zu verlieren, es ist eine andere Sache, ihn gar nicht geführt zu haben. Die Nato muss sich vorwerfen lassen, es gar  nicht einmal versucht zu haben.

 

Die neue Strategie

Die Afghanistan-Strategie der Bundesregierung lässt sich kurz zusammenfassen: Mehr Soldaten, mehr ziviler Aufbau, Angebote für Taliban-Aussteiger, ein Datum für den Beginn des Abzugs (2011), ein Datum für die Übergabe der Verantwortung an die afghanischen Regierung (2014).

Was ist daran neu?

Die beiden Termine (2011 und  2014) und die 50 Millionen Dollar, welche die Bundesregierung für Aussteigerprogramme ausgeben will. Die Programme gibt es freilich schon länger.  Deutschland macht jetzt nur mit.

Der Versuch, die Taliban abzuwerben, ist das zentrale Stück der gesamten Strategie. Denn jeder, ob General oder Politiker, ist sich darin einig , dass der Konflikt nicht militärisch gewonnen werden kann. Darum geht es nur politisch. Oder anders: Man muss die Taliban für sich gewinnen. Der pakistanische Journalist und Talibanexperte, Achmed Rashid, legt in einem Artikel der jüngsten Ausgabe der New York Review of Books detailliert dar, was es seiner Meinung alles bräuchte, um die Taliban zu überzeugen.  Ohne auf die Validität der einzelnen Punkte Raschids einzugehen, ist zu sagen, dass auch er glaubt,  man könne einen großen Teil der Taliban überzeugen, die Seiten zu wechseln. Ob das zutrifft, sei dahingestellt. Interessant ist, wen Raschid als Quelle für diese seine Grundannahme zitiert: den Nato Oberfehlshaber Stanley McChrystal und den Afghanistan-Beauftragten der US-Regierung Richard Holbrooke. Beides sind sicher nicht unabhängige Experten. Holbrooke sagte im Brustton der Überzeugung, dass nur fünf Prozent der Taliban unverbesserliche Hardliner sind und  alle anderen gewinnen könne.

Wie kommt Holbrooke zu dieser Überzeugung?

Selbst wenn man sie teilte, wollte man doch gerne wissen, auf welche Fakten sie gestützt wird. Da Afghanistan kein Land ist, in dem sich Männer wie Holbrooke frei bewegen können, muss man annehmen, dass er die Geheimdienste seine wichtigsten Informationslieferanten sind.  Deren Arbeit aber ist selbst in den Augen des US-Militärs äußerst schlecht. In einem Bericht kam General Michael Flynn zu dem Schluss, dass die Geheimdienste nach „acht Jahren Krieg ahnungslos, ignorant und ohne jeden Kontakt mit den Einheimischen sind“

Die Bundesregierung sollte das zu denken geben, nun da sie 50 Millionen ausgeben will, um aus Taliban Partner zu machen.

 

Die Illusion des Geldes

Guido Westerwelle will die Taliban bezahlen, damit sie aufhören Taliban zu sein. Wenn das der Beitrag Deutschlands zur Afghanistan-Konferenz  ist, dann kann man nur mit dem Kopf schütteln. Die Regierung in Kabul versucht seit Jahren die Taliban-Kämpfer für sich zu gewinnen, in dem sie ihnen Jobs, Posten, Einfluss und Geld anbietet. Im übrigen finden diese Angebote den Segen der USA. Besonders erfolgreich war das bisher nicht. Warum? Weil die „andere Seite“, sprich die Taliban-Führer und al-Qaida, mehr zahlen können als der Westen. Das jedenfalls ist die Erklärung die uns dafür gegeben wird, dass es offenbar doch nicht so leicht ist, einen Taliban zu kaufen.  Es sei, so  die Überzeugung im Westen, alles eine Frage des Preises.

Was aber, wenn das nicht stimmte? Was aber, wenn viele junge Taliban  kämpften, weil sie glauben ihr Land von einem fremden, „ungläubigen“ Besatzer befreien zu müssen? Was, wenn sie es aus Überzeugung tun, oder um Rache zu nehmen für ihre durch die Hand der Nato umgekommen Verwandten?

Ist es so abwegig, das zu denken. Offensichtlich. Im Westen hat sich ein Bild des Afghanen durchgesetzt, der zwar nicht käuflich sei, aber immerhin zu mieten. Das ist das Bild eines Menschen, der für Geld – wenn auch nur für Zeit – bereit ist, (fast) alles zu tun. So sehen „wir“ inzwischen „den“ Afghanen. Darauf haben wir ihn reduziert. Ein Freiheitskämpfer kann so einer nicht sein.

So sieht es wohl  auch Westerwelle. Deswegen zückt er die Scheckkarte. Wer sich dann nicht kaufen lassen will,  wird schnell zum „unverbesserlichen Radikalen“ erklärt. Und da er die Sprache des Geldes nicht versteht, muss man eben die Waffen sprechen lassen.  Darin besteht scheinbar die ganze Afghanistan-Strategie.

Ihre Auswirkungen würden verheerend sein. Was nämlich Westerwelle sagt, kommt in Afghanistan folgendermaßen an: Du musst nur kräftig herumballern, dann kriegst du Geld. Was der Betreffende mit diesem Geld macht, das wird Westerwelle nicht prüfen können. Es würde ihm nicht einmal auffallen, wenn das Geld dazu verwendet würde, gegen die Nato zu kämpfen.

 

Die Dimension des Problems

Am 28. Januar wird in London eine große Afghanistan-Konferenz stattfinden. Dort wird wieder viel die Rede sein von allen möglichen Strategieen – und am Ende wird man sich vielleicht für eine entscheiden. Sicher ist das allerdings nicht, denn die Verwirrung und Uneinigkeit unter den Geberländern ist gr0ß. Nur über eines scheint Konsens zu herrschen: Dass es möglich sei, Afghanistan für den Westen zu „retten“, wenn man nur die richtigen Hebel in Gang setzte. Das ist eine Illusion, denn es gibt den zentralen Maschineraum nicht, den man nur richtig bedienen müsste, damit Afghanistan auf gutem Weg kommt.  Es gibt viele kleine Stellen, an denen es zu intervenieren lohnt, an denen man mit relativ wenig Aufwand viel bewirken kann. Viele Nichtregierungsorganisationen machen das seit Jahren vor.  Von ihrem Beispiel könnte man lernen.

Stattdessen aber scheint der Westen auf den großen Hammer zu setzten – auf das Militär. Wie groß dieser Hammer ist, kann man in Zahlen ausdrücken.  US-Präsident Barack Obama hat den Kongreß um 33 Milliarden zusätzliche Dollar gebeten, um den Krieg in Afghanistan zu finanzieren. Damit werden die Gesamtausgaben für den Krieg im Irak und in Afghanistan auf 159 Milliarden Dollar steigen. Um die Dimension klar zu machen: Das ist ziemlich genau die Hälfte der Summe, die alle Staaten der Welt zusammen, außer den USA, jährlich für ihre Verteidigung ausgeben.

Um die wirklichen Probleme Afghanistans zu begreifen, sollten diese astronomischen Ausgaben für den Krieg in Verbindung mit dem Alltagsleben der Afghanen gebracht werden. Auch diese lässt sich in Zahlen ausdrücken. Das selbst erwirtschaftete Budget der Regierung beläuft sich auf rund 600 Millionen Dollar, davon werden 22 Millionen Dollar allein dafür ausgegeben, den Präsidenten des Landes Hamid Karzai zu schützen. Die Afghanen selbst gaben in den letzten 12 Monaten nach einer Studie der UN 2,5 Milliarden Dollar  für Schmiergelder aus. Durschnittlich musste jeder Afghane 160 Dollar im Jahr ausgeben, um jemanden zu schmieren. Das durchschnittliche Jahreseinkommen der Afghanen beträgt 425 Dollar.

 

Warum Deutschland und die Nato scheitert

In der morgigen Ausgabe der ZEIT ist eine Interview mit dem ehemaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier zu lesen, das ich mit meinem Kollegen Peter Dausend geführt habe. Das Thema: Afghanistan. Steinmeier versucht einen schwierigen Spagat zwischen der politischen Verantwortung für den Einsatz und der zunehmend abzugswilligen Öffentlichkeit. Steinmeier sagt , dass der ursprüngliche Plan, der auf der Petersberger Konferenz 2002 für Afghanistan entworfen worden war, zu „ambitioniert“ gewesen sei. Das ist ein bemerkenswerte Aussage.

Tatsächlich wunschte ich mir, dass ein Historiker rekonstruiert, was zwischen den Attentaten vom 11. September 2001 und er Petersberger Konferenz, die am 27.11. 2001 begann und am 5. Dezember 2001 endete, geschehen ist. Es ließe sich eine Geschichte darüber schreiben, wie Deutschland in diesen Einsatz rutschte, der sich bald als Krieg herausstelte.

Warum ich glaube, dass Deutschland und die Nato keinen Erfolg haben, das können Sie hier lesen.

 

Karzai, der Elegante

Der afghanische Präsident Hamid Karzai hat keinen gut Ruf – das war vor nicht zu langer Zeit mal anders. Seine Erscheinung beeindruckte die westlichen Modemagazine. Auf der von Esquire veröffentlichten  Liste der „bestangezogenen Männer der Welt“ landete Karzai 2007 auf Platz 10. Das wird ihm gefallen haben. Afghanische Männer präsentieren sich nämlich erfahrungsgemäß sehr gerne der Öffentlichkeit:

 

Käßmann und ihre Kritiker

Tom Koenigs, Grünen-Politiker und früherer UN-Chef in Afghanistan,  widerspricht der evangelischen Bischöf Margot Käßmann in Sachen Afghanistan. Käßmann hatten den Krieg in Afghanistan verurteilt . Koenig schreibt nun auf ZEIT online: „Ernsthafter Friedenswille allein reicht leider nicht immer. Auch die Taliban werden sich nicht nur durch gute Worte oder finanziellen Sanktionen, wie sie Frau Käßmann fordert, vom Morden abhalten lassen.“

Was Königs zu erwähnen vergißt: Es ist offizielle Politik der Regierung in Kabul mit den Taliban „gute Worte“ zu wechseln, um sie in den politischen Prozess zu integrieren; es ist auch inoffizielle Politik der Nato „gute Worte“ mit den Taliban zu wechseln, um den Krieg zu beenden.

Käßmann hatte in ihre Predigt in mangelnde Kreativität in der Friedenspolitik angemahnt.