Jeder Mensch, der mehr als 24 Stunden in Banja Luka verbringt, wird das Gefühl haben, dass die Welt wie er sie kannte in Wahrheit nicht existiert und dass alles, was er bisher im Leben gelernt hat, was man ihm beigebracht und was er geglaubt hat, eine Art Sinnestäuschung ist. Gewiss, die Sonne scheint auch in Banja Luka, und es regnet hier, es stürmt und windet, es kann auch windstill sein, heiß und schwül; der Himmel ist auch über Banja Luka blau, Menschen leben in Häusern, Tiere in den Ställen, Autos fahren auf den Straßen und in den Bäumen zwitschern die Vögel.
Alles das sieht und hört man, so wie man Tatsachen nun mal sehen und hören kann, doch Tatsachen sind hier nur Fassaden, zu dem einzigen Zweck errichtet, etwas zu verbergen.
Wenn Sie eine Tatsache in Banja Luka sehen, dann misstrauen Sie ihr sofort! Das ist eine Grundregel für die Bürger dieser Stadt.
Da gab es zum Beispiel mitten in der Stadt diesen Park, oder sagen wir: die Leute kannten ihn als Park. Im Volksmund hieß er Picin-Park, was ein bisschen derb ausdrücken wollte, dass sich an diesem Ort die Liebespaare zu treffen pflegten, über viele Jahrzehnten gingen die Verliebten hier spazieren, hielten Händchen, küssten sich und nur Gott und die Liebespaare wissen, was sonst noch alles geschah. Die Stadtregierung nun wollte in diesem Park einen gewaltigen Bürokomplex bauen.
Als sich Protest regte, hieß es sinngemäß von Seiten der Regierung: „Ihr wollt einen Park verteidigen? Das ist ein wichtiges Anliegen. Wir verstehen euch! Wir sind auf eurer Seite! Die Sache ist nur: Das ist gar kein Park! Das war nie ein Park!“
Das hat freilich viele Bürger Banja Lukas verwirrt, denn die meisten waren irgendwann im Laufe ihres Lebens schon mal im Picin-Park gewesen und sie hatten das Gefühl, dass sie wirklich Bäume gesehen hatten, auf dem Gras gelegen und auf Bänken gesessen hatten, also, dass sie in einem Park gewesen waren. Auch an die frische Luft können sie sich noch erinnern, an das prickelnde Gefühl in der Nase.
„Aber nein! Ihr täuscht euch. Lasst euch von den Tatsachen nicht verwirren. Da ist kein Park!“ – das blieb die Botschaft der Stadtregierung, und sie baute dort, wo angeblich nie ein Park war, ein großes, hohes, hässliches Bürogebäude.
Das Volk von Banja Luka nun steht der Regierung in nichts nach und behauptet, es handle sich bei dieser Hässlichkeit gar nicht um ein Gebäude, sondern um etwas anderes, nämlich um eine gigantische Waschmaschine für schmutziges Geld. Der Bauherr sei auch gar kein Bauherr, sondern ein Chauffeur des Präsidenten gewesen, einer seiner Günstlinge. Aber wie das eben so ist in Banja Luka: Tatsachen gelten nichts.
Die Sache mit dem Picin-Park liegt schon ein paar Jahre zurück, bald schon wird sie vergessen sein. Bald wird keiner glauben, dass es wirklich je einen Park dieses Namens mitten in Banja Luka gegeben hatte.
„Seht ihr“, wird dann die Regierung sagen, „selbst das Volk kann sich nicht mehr erinnern, dass es hier je einen Park gegeben hat. Und das Volk hat immer Recht!“
Banja Luka kann also verwirrend sein. Darum ist es ratsam, sich etwas zu suchen, woran man sich festhalten kann, etwas Unbestreitbares.
Wer in die Stadt kommt, sollte schnell Stift und Papier zur Hand nehmen und folgende unwiderlegbaren Tatsachen niederschreiben:
Banja Luka ist die Hauptstadt der Republika Srpksa.
Diese serbische Republik ist ein Teil von Bosnien-Herzegowina.
Der Präsident der Republika Srpska heißt Milorad Dodik.
Alles andere ist eine Behauptung.