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Pakistans Anti-Präsident

Es ist leicht, über Pakistans Präsidenten Asif Ali Zardari herzuziehen.
Und es ist auch richtig, ihn zu kritisieren. Zardari ist nämlich ein
unglaublich schlechter Präsident, ja, er ist sogar ein Mann, der sich für
sein eigenes Land nicht interessiert. Während Millionen vor den Fluten
flüchteten, tourte er durch Europa, so, als sei gar nichts geschehen. Jetzt
sagt er bei einer Pressekonferenz in Islamabad: „Ich glaube nicht, dass sich
Pakistan jemals vollständig erholt, aber wir werden vorankommen.“

Selbst wenn er Recht haben sollte, als Präsident darf er das nicht sagen, denn
so nimmt er den Menschen in ihrer Not auch noch das letzte: die Hoffnung.

Man könnte also weiter über Zardari schimpfen. Irgendwann aber wird man
damit durch sein und nichts ist danach erklärt. Das ist schade. Denn
Zardari eignet sich sehr wohl, um Pakistan zu verstehen. Die politische
Tragödie dieses Landes spiegelt sich nämlich in seiner Person wider.

Zardari ist im Jahr 2008 nur deshalb Präsident geworden, weil seine Frau –
Benazir Bhutto – ein paar Monate vor den Wahlen einem Attentat zum Opfer
fiel. Ein politischer Mord stand also am Anfang seiner Karriere. Niemand
erwartete von Zardari, dass er ein guter Präsident werden würde, doch gab es
keinen anderen Kandidaten, der die Lücke nach Bhuttos Tod hätte füllen
können.

Die Pakistaner wählten Bhuttos Partei, die Pakistans Peoples Party (PPP), im
Winter 2008 mit großer Mehrheit. Dieser Wahl waren monatelange
Massenproteste auf der Straße und ein jahrelanger politischer Kampf gegen
das Regime des Generals Pervez Musharraf vorausgegangen. Zardari wurde auf
einen Tsunami der Demokratie ins Amt gespült, doch er wusste damit wenig
anzufangen.

Wie auch? Er ist ein Mann, der sich sein Leben lang damit beschäftigte,
Reichtümer anzuhäufen – häufig wohl auf illegalem Weg. Recht? Gesetz?
Verantwortung? Pflicht? Das ist nicht Zardaris Sache. Sie war es nie. Er war
immer schon der Anti-Staat. Als es dem pakistanische Volk nach vielen
Entbehrungen endlich gelungen war, den Staat von den Generälen wieder zu
erobern, bekamen sie ausgerechnet einen Mann wie diesen zum Präsidenten. Das
ist wahrlich tragisch.

 

Ein harter Schlag

Heute morgen haben Attentäter ein Gästehaus in Kabul attackiert. Dabei kamen neuen Menschen ums Leben, darunter sechs Mitarbeiter der UN. Vom Standpunkt der Taliban ist es eine Erfolg. Sie haben gezeigt, dass sie mitten im Herzen der Haupstadt Kabul zuschlagen können, in dem Stadtviertel Shar-e-Now, das von afghanischen Sicherheitskräften schwer bewacht wird.

Polizei22
Militärpolizist im Kabuler Viertel Shar-e-Now@Ulrich Ladurner, Kabul Oktober 2009

 

Die Attentäter habe mit der UN eine „weiches“  Ziel getroffen. Nach diesem Anschlag wird die UN sich noch weiter hinter Schutzmauern zurückziehen. Die Distanz zu der afghanischen Zivilbevölkerung wird weiter wachsen.

 

Schwere Zeiten

Die Ereignisse in Afghanistan überschlagen sich. Da ist es gut, einen Augenblick inne zu halten, und sich zu vergegenwärtigen, was allein in den vergangenen Tagen passiert ist. Am Donnerstag, den 3. September, wurden Bilder von einer „Sex-Party“ in der US-Botschaft in Kabul öffentlich und brachten die Regierung in Washington in Verlegenheit.  Am selben Tag schickte der Oberfehlshaber der  Natotruppen, General Stanley McChrystal, einen Bericht nach Washington. Darin wird offenbar eine neue Afghanistanstrategie entworfen, die noch mehr Truppen benötigt. Im Zentrum dieser Strategie steht der Schutz der afghanischen Bevölkerung, vor den Taliban aber auch vor Nato-Soldaten, insbesondere vor Luftangriffen. In der Nacht zum Freitag, den 5. September, forderte die deutsche Bundeswehr Luftunterstützung an. Zwischen 50 und 125 Menschen sollen gestorben sein, davon viele Zivilisten. Gleichzeitig werden immer noch die Wählerstimmen der Präsidentschaftswahlen vom 20. August ausgezählt – wobei immer massiver Wahlfälschungen zu erkennen sind.

 

Mehr Soldaten

Soldat, Afghanistan
Truppenübungsplatz in Bamiyan @ulrich Ladurner, Bamiyan, Afghanistan, 2007

Us-Präsident Barack Obama hat den Afghanistankrieg zu seinem Krieg gemacht. Er nennt ihn einen „war of necessity“, im Gegensatz zu Irakkrieg, der für ihn ein „war of choice“ ist. Eine seiner ersten außenpolitischen Amtshandlungen bestand folgerichtig darin, 17.000 zusätzliche Soldaten nach Afghanistan zu schicken. Das ist gerade mal drei Monate her. Jetzt fordert Admiral Mullen, der höchste Militär der USA, eine weitere Aufstockung der Truppen. Der Befehlshaber der Nato-Truppen in Afghanistan, Stanley McChristal, wird in wenigen Tagen einen neuen Bericht vorlegen. Es wird erwartet, dass er noch mal 17.000 Truppen für Afghanistan anfordert wird. Obama wird sie ihm nicht verwehren, zu sehr hat diesen Krieg zu seinem eigenen gemacht . Der US–Präsident wird sich also weiter in einen Sumpf hineinbegeben, in dem er zu versinken droht. Auch Zeitschriften, die den Krieg befürworten, sehen inzwischen Parallelen zum Vietnamkrieg.

Das betrifft auch die Deutschen. Die Forderung nach mehr Truppen soll Berlin schon erreicht haben – noch ist Wahlkampf, und wollen die Parteien nicht über Afghanistan reden. Doch nach geschlagener Wahl wird es ernst. Deutschland wird endlich darüber diskutieren müssen, was es in Afghanistan eigentlich erreichen will und kann.

Einen zentralen Baustein in der Afghanistanstrategie des Westens nimmt der Aufbau einer schlagkräftigen Armee (Afghan National Army; ANA) ein. Das gezeigte Bild stammt von einem Truppenübungsplatz der ANA im zentralen Hochland.

 

Zeit zum Rückzug

Der Westen stößt in Afghanistan an seine Grenzen: Militärisch, politisch und kulturell. Er sollte seine Truppen abziehen….weiterlesen bei Zeit online

 

Afghanistans Armee

Immer wieder und immer drängender stellt sich die Frage, wie lange die Nato mit ihren Soldaten in Afghanistan bleiben sollen. 40 Jahre – das ist bisher der Rekord unter den vielen Schätzungen zur Dauer des Afghanistaneinsatzes. Keine deutscher Politiker will sich auf eine Jahreszahl einlassen. Die Kanzlerin spricht gebetsmühlenartig von selbstragender Sicherheit in Afghanistan. Mit anderen Worten: Wenn Afghanistan einmal über eine effiziente Polizei und eine schlagkräftige Armee verfügen wird, dann könnte man abziehen. Wann das sein wird? Darauf gibt es keine Antwort.

Über die Qualität afghanischer Soldaten schrieb Mortimer Durand 1893, der das Land besuchte: „It need hardly be said that, from an Englisch point of view, Afghan troops are not smart. If you speak to an officer, the men within hearing will freely join in the conversation. When escorting you along the road, men will fall out as they please to chat with a friend or to say their prayers. A guard, if taken by surprise, would often turn out and present arms with their rifles still in their covers. The sentries would fall into various easy and picturesque attitudes, putting down their rifles, if it was cold, to warm their hands over a fire, or, in the Jalalabad valley when the sun was hot, slinging rifles over their backs and opening an umbrealls. Nevertheless, the Afghan troops, so far as I could judge, seemed to be very good material: they are strong an healthy, and I should say capable of enduring great privations“ (zitiert aus. Sir H.M- Durand, to W. J. Cunningham, Foreign Departmenet, Calcutta, the 20th December 1893)

zur Illustration der vom imperialen Dukuts getragenen Beschreibung Durands:

Parlamentswache
Parlamentswache in Kabul @Ulrich Ladurner, Kabul, Juli 2006

Soldat auf dem Weg nach Bamiyan
Checkpoint auf dem Weg nach Bamiyan@Ladurner Urlich, Bamiyan Juli, 2006

 

Zurück in die Vergangenheit

Die Wahlergebnisse der afghanischen Präsidentenwahlen sind noch nicht bekannt, und schon reklamieren die beiden Kontrahenten Hamid Karzai und Abdullah Abdullah den Wahlsieg für sich. Die Unabhängige Wahlkommission bemüht sich darum, die Streithähne zur Vernunft zu bringen. Erst am Dienstag werde eine vorläufiges Ergebnis vorliegen, sagt der stellvertretende Leiter der Wahlkommission. Doch das beruhigt die Gemüter nicht.

Die Auseinandersetzung zwischen Karzai und Abdullah ist ein böses Omen. Denn es könnte zu einem Machtkampf entlang ethnischer Linien kommen. Karzai ist Paschtune, Abdullah ist Tadschike und war eng mit dem tadschikischen Kriegsherren Shah Achmed Massud verbunden. (Abdullah wird als Tadschike solcher wahrgenommen, auch wenn sein Vater Paschtune war). Die Paschtunen und die Tadschiken haben sich während des afghanischen Bürgerkrieges bitter bekämpft. Ausserdem gilt Abdullah als Mann Indiens, was wieder um Pakistan beunruhigen und dazu verleiten dürfte, sich noch stärker in afghanische Angelegenheiten einzumischen. Damit läuft Afghanistan Gefahr, wieder in die neunziger Jahre zurückzufallen. Damals versank das Land in einen verheerenden Bürgerkrieg.

Ein Ergebnis davon kann man hier besichtigen.  

 

Friedhof afghanischer Flüchtlinge
Friedhof afghanischer Flüchtlinge im Camp Jelozai, Pakistan@Ulrich Ladurner, Jelozai, August 2009

 

Ermüdungserscheinungen

Viel Zeit bleibt US–Präsident Barack Obama nicht, um den Krieg in Afghanistan einen Wende zu geben. Nach neuesten Umfragen ist zum ersten Mal eine Mehrheit der Amerikaner für einen Abzug der Truppen aus Afghanistan. Auch eine Mehrheit der Briten (52%) denkt inzwischen, man müsse sich aus Afghanistan zurückziehen. Die Briten sind die engsten Verbündeten der USA in Afghanistan. In Deutschland ist die öffentliche Meinung eindeutig für einen Rückzug. Und nach und nach bröckelt auch auf höchster politischer Ebene die bislang geschlossene Front der Befürworter des Krieges.

Ohne den Rückhalt in den Heimatländern ist der Krieg in Afghanistan nicht zu gewinnen. Und Barack Obama wird es noch bitter bereuen, dass er sich den Afghanistankrieg im Gegensatz zum Irakkrieg zu eigen gemacht hat.

 

Wahlkommentar

Afghanistan wählt einen neuen Präsidenten. Das ist eine gute Nachricht, wenn man bedenkt, dass in diesem Land noch vor sieben Jahren die Taliban herrschten. Sie wollten weder von Menschenrechten noch vom Rechtsstaat oder Demokratie etwas wissen. Es gab unter der Herrschaft keine Wahl für die Afghanen. Nur Gehorsam oder den Tod. Insofern ist der heutige Tag ein Fortschritt.

Die schlechte Nachricht allerdings ist, dass diese Wahlen weder ganz fair noch ganz frei und auch nicht ganz geheim sein werden. Gut, sagen sich alle: Afghanistan ist eben Afghanistan und nicht Europa. Da dürfe man das nicht so streng sehen. Eine bisschen schummeln, das sei nicht schön, aber alles in allem eine lässliche Sünde.

Nun, das ist freilich eine Illusion… weiter geht es bei ZEIT online