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20. April 2023 – Ausgabe 17

 

Leserbriefe zu „Wie frei ist die Kunst?“ Streit protokolliert von Florian Eichel et.al.

 

Die Freiheit gar der Auftrag der Kunst besteht darin, sich erst recht über jede Form institutionalisierter Bevormundung hinwegzusetzen. Dazu zählt allein schon der Missbrauch, von einer politischen Korrektheit zu fabulieren. Dass es ausgerechnet die Grünen sind, deren Paranoia von Bevormundung und Rechthaberei kaum mehr Widerspruch erlaubt, befremdet Intellektualität und Kunstschaffenheit. – Jürgen Dressler

 

Bei keinem dieser Beiträge konnte eine*r der Gegner*innen des „Cancelns“ darlegen, dass sie tatsächlich jemals richtig Opfer eines wirklich ungerechtfertigten „Canceling“ geworden sind (Außer vielleicht Frau Sanyal. Und die scheint da keine Angst vor zu haben). Es ist auffällig, wie selbst Frau Zeh, die ja im Gegenteil von Canceling lebt, davon spricht, wie sie Angst hat, vor dem was eventuell passieren könnte. Als ob hinter jeder Ecke eine woke Trans-Frau hockte, die ihr maybe den Mund verbieten würde. Da muss man schonmal im Voraus eine Träne für die arme Autorin-Millionärin vergießen. Das könnte sie vielleicht mal hart treffen. Gott sei Dank weiß sie ihren Verlag an ihrer Seite. Glück gehabt, Frau Zeh! Ich bin erstaunt, wie merkwürdig verquast und altbacken ausgerechnet Menschen, die ihre Kreativität zum Beruf gemacht haben, auf eine sich verändernde Gesellschaft, oder vielleicht viel richtiger gesagt: eine neue Generation junger Menschen, reagieren. Oh Schreck, da sind Leute, die finden MICH reaktionär? Die wollen NICHT wissen, wie ICH die Welt sehe? Die sind nicht BLOWN AWAY vom 100. Deutschland-in-den-50ern-Epos im ÖR, vom 500. Zeh-Roman, vom 1000. Winnetou-Abklatsch? Die möchten wirklich nicht noch ein weiters Mal historisch völlig korrekt eingebrachten Rassismus lesen? Mon Dieu. Das muss diese Cancel Culture sein, das Abendland geht unter. In Wirklichkeit ist es doch ganz einfach und klar, was man sagen kann und was nicht. In welchem Kontext etwas in Ordnung ist und was eine Grenze überschreitet. Jeder Mensch, der Empathie besitzt und nicht unter einem Stein lebt, hat eine Vorstellung von dem gesellschaftlich akzeptablen Gerüst, in dem wir uns bewegen. Und wer mit seiner*ihrer Kunst den Grenzbereich dieses Gerüstes erkunden möchte, kann Avantgarde sein. Oder aber durchfallen, denn vielleicht war der Film auch einfach scheiße. Aber das war schon immer so mit der Kunst. – Anne Keller

 

Jeder, der fernsieht, weiß um die Checklisten, und natürlich fungieren sie als Rating-System, ob Herr Albers das nun wahrhaben will oder nicht. Aber was im besten Falle Diversität fördern sollte, mündet letztlich in plumpem Uniformismus. Sobald ich die Checkliste bemerke, schalte ich aus, und mit der Zeit schalte ich immer seltener ein. Die Produzenten mögen sich damit trösten, dass sie auf den weißen Mann in den 50-ern ohnehin verzichten können. Aber mit freier Kunst hat das Ganze nichts mehr zu tun, und der Widerstand gegen diese Art von Volkserziehung kann gefährliche Blüten treiben. – Christian Voll

 

Die Kunst war immer, ist immer und wird immer frei sein. Denn wenn sie nicht frei wäre, ist es keine Kunst. – Peter Bauer

 

Die Kunst darf nicht zum Kostgänger der allgemeinen Meinung degenerieren! Nur wenn sie bereit ist, an vielen Enden anzustoßen, wird sie zu wertvollen Anstößen in der Lage sein. Wenn die Kunst nach dem Brot des öffentlichen Wohlwollens geht, kommen allenfalls fade, geschmacklose Brötchen heraus. – Ludwig Engstler-Barocco

 

Für meine Schwiegermutter war der „nackisch Kerl“ auf unserem Sideboard stets ein Ärgernis. Deshalb hab ich ihm stets jahreszeitliche Kleidung verpasst. In der Weihnachtszeit erscheint er als Engel, im Frühjahr geht er in die Berge und demnächst, wenn es warm wird, warten Badehose, Schwimmflügel und Taucherbrille auf ihn. 2006 hatte ich ihn in „Schwarz-Rot-Gold“ gehüllt, aber leider kein Foto gemacht. – Sylvia Seyerle

 

Allen, die „Hand“ anlegen wollen oder woke betroffen sind, empfehle ich, kurz einmal Thomas Bowdler zu googlen. Dieser kann sich sogar rühmen, dass seine sog. „familientauglichen u. schicklichen“ Bereinigungen der Werke Shakespeares in England Anfang des 19. Jh., ihm in der englischen Sprache ein eigenes Verb eingebracht haben: „to bowdlerize“ oder auf dt. kurz: verschlimmbessern. Die Geschichte wiederholt sich heute, wenn textliche Glättungen und Anpassungen an Werke ganz unterschiedlicher Zeiten und Gattungen debattiert oder eingefordert werden. Wie sich der Original-Shakespeare (noch – sic!) trotz aller anderweitiger Bemühungen weiterhin durchsetzen konnte, hoffe ich sehr, dass auch die Pippi Langstrumpfs, Jim Knopfs und Winnetous und wie sie alle heissen, weiterhin unzensiert und unbearbeitet Vergnügen bereiten können. – Jost Meye

 

Man könnte gleich zu Anfang fragen: „Kunst, kritische Kunst, wo bist du denn nur geblieben?“ Kritische Kunst bzw. kritische Künstler sind irgendwie in gewissen Kreisen nicht mehr so gerne gesehen, aber wer sollte dann noch aufstehen, um irgendwie viel Krach zu machen? In seinem Song „Get up stand up“, der auch schon ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel hat, singt Bob Marley mit seinen Wailers in der deutschen Übersetzung: „Aufstehen, aufstehen, sich für seine Rechts einsetzen, gib den Kampf nicht auf… Ich weiß, du weißt es nicht was das Leben wirklich wert ist… Manchmal kann man manche Leute täuschen, aber man kann nicht alle Leute die ganze Zeit täuschen…“ Get up stand up wurde auf dem Album „Burnin`“ von Bob Marley & Wailers im Jahre 1973 veröffentlicht. – Klaus P. Jaworek

 

Auftragskunst ist nicht frei. Wo Künstler sich die demokratisch verfasste Gesellschaft als Auftraggeberin vorstellen, kann Kunst nicht mehr frei sein. Denn dann geht es um Anerkennung, um Anschluss, um wechselseitigen Respekt. Wo Künstler darin aufgehen, Teil dieser Gesellschaft sein zu wollen, geben sie sich als freie Künstler auf. Freie Kunst ermöglicht in der ästhetischen Erfahrung die Ahnung des Anderen. Unter dem kulturindustriellen Relevanz – und Diversitäts-Paradigma wird das Andere missverstanden als das je Eigene. So erblicken wir in den anschlusssuchenden Werken immer nur uns selbst. Alles Andere lehnen wir ab und verstehen nicht, wie sehr wir uns selbst betrügen. – Reinhard Koine

 

Auf der Titelseite groß herüber gebracht. Endlich mal wieder ein interessanteres Thema in der Zeit. Nun ja. Ein paar Regisseure ein Comedian und eine Autorin. Nichts von Musik oder bildender Kunst – zeitgenössischen Malern und Fotografen, Lyriker und Bildhauern ich blättere und blättere und suche vergebens. Es gäbe viel darüber zu schreiben. Aber diese kleine Auswahl – eine Mogelpackung. Und wahrscheinlich die Angst vom Median der Gesellschaft zensiert zu werden. – Erhard Karger

 

Helge Albers meint, dass seine Checklisten die Freiheit der Kunst nicht beschneiden. Da hat er recht: Was die Moin Filmförderung da fördert, ist doch genauso wenig Kunst wie „Barbie und die 12 tanzenden Prinzessinnen“. – Peter Pielmeier

 

Statt Vielfalt in unserer Gesellschaft immer mehr einzuschränken, sollte man bereits im Kindergarten sich damit auseinandersetzen bzw. vorleben… Denn das ist Grundlage unserer Gesellschaft und Zivilisation und unterscheidet uns vom Tier. Vielfalt sollte kein Gegeneinander sein sondern Achtung des Einzelnen als Mensch. Jede Möglichkeit zu Differenzierung sollte genutzt und gelehrt/gelernt werden, um Ausgrenzung zu unterbinden. Vielleicht eine friedlichere Welt weil wir alle letztlich nur oder, wie schön. Menschen?! Und Kunst bleibt in diesem Lernprozess mit der notwendigen Kunstfreiheit grundsätzliche Voraussetzung. – Geelke Braun

 

Und was ist mit dem Kunstpublikum? Ich sehe die heutige Entwicklung zu einer klinisch reinen Kunst mit großer Besorgnis. Juli Zeh beschreibt sehr schön, wie das sogenannte Sensitivity -Lektorat funktioniert und sich aktiv in den Schaffensprozess des Schreibens einmischt. In dem Moment, wenn eine Künstlerin, ein Künstler im Hinterkopf behalten muss, ein Sensitivity – Lektorat zu passieren, ein bildender Künstler befürchten muss, dass sein Werk nicht ausgestellt wird, weil es der woken Ideologie nicht entspricht, ist es schon mit der Kunstfreiheit vorbei. Dann haben wir Zensur. Das Sendungsbewusstsein der woken „Gemeinde“ steht für mich im krassen Gegensatz zu ihrem Kunstverständnis überhaupt. Das zeigt sich besonders, wenn historische Kunstwerke auf ihren vermeintlich progressiven Prüfstand kommen und durchfallen. Herausgerissen aus dem geschichtlichen Zusammenhang, ohne Verständnis für die zeitgenössische Kultur und Gesellschaft. Bilderstürme und das Verbot von Büchern haben selten zu etwas Gutem geführt. Den alltäglichen Rassismus, den Hass, die Gewalt in dieser Welt kann man damit nicht bekämpfen. Es geht um Aufklärung und nicht um Tabus.

So fühle ich mich als Teil des Kunstpublikums entmündigt, denn die Entscheidung, was ich lese, sehen oder hören möchte, treffe ich gerne für mich selbst. Ein Buch, das mir nicht gefällt, lese ich nie zu Ende, mir muss auch nicht jedes Bild gefallen und einen Theatersaal kann ich auch unter der Vorstellung verlassen. Kritik ja, Verbot nein! Auch eine woke Kunstkritik hat nicht das Recht, für sich die alleinige Deutungshoheit über die Kunst zu reklamieren und zu versuchen, in den Kunstbetrieb restriktiv einzugreifen. Die Verantwortlichen im Kulturbetrieb sind hier gefordert, ein vorauseilender Gehorsam schadet dem ganzen Kunst. Ijona Mangolds Aufruf an die Kunstschaffenden finde ich ermutigend und wichtig. Ja, die Leute lassen sich wieder schocken, also ran an die Arbeit. – Regina Stock

 

Die Spaltpilze, die den Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu sprengen drohen, sind militante Minderheiten, die sich selbst ermächtigt haben, ihre pseudowissenschaftlichen und -moralischen Ergüsse über unsere Köpfe (hinweg) auszuschütten, um uns restlos zu beglücken! Ein Schwarzfahrer ist für sie die kulturelle Aneignung eines sehr dunkel pigmentierten Mannes, der obendrein noch – horribile dictu – kriminelle Energie in sich trägt! In ihrem Genderwahn zerstückeln sie die Schönheit und den Klang unserer Sprache mit Pünktchen, Sternchen, Strichchen und Rülpsern. Die Harmonie der Lyrik eines Goethe, Heine, Brecht ähnelt künftig eher der eines verstimmten Klaviers! Zufrieden sein werden sie erst, wenn alle Menschen auf Erden schwarzbraun und divers sind und sich in einer gendersensiblen Einheitssprache respektvoll unterhalten. Welch friedvolle Monotonie! Werke, die erst nach Korrektur mit dem Rotstift eines Gender-, Rassismus-, Gleichberechtigungs-, Migrationsbeauftragten und eines Sensivity-Readers fürs tumbe Publikum freigegeben wurden, sollte eben dieses als langweilige Ladenhüter verstauben lassen! Künstler dagegen, die sich jeder Gängelung widersetzen, die uns all das, was sie aufwühlt und bewegt, in Bild und Wort mitteilen, die uns fröhlich oder traurig machen, die uns aufmuntern und trösten, selbst mit Indiziertem und „Unsagbarem“, sollten wir mit all unseren (materiellen) Kräften unterstützen! So zeigen wir, die Mehrheit der mündigen Bürger, unsere Macht und allen überflüssigen Kunstbeauftragten die rote Karte! – Ulrich Pietsch

 

Es ist meines Erachtens zu unterscheiden zwischen Werken der Vergangenheit und Werken der Gegenwart. Dass Künstler*innen der Gegenwart kritisiert werden, wenn sie – meistens ja unbeabsichtigt – rassistische, homophobe oder sonstige Vorurteile bedienen und verstärken, finde ich richtig. Dass sollte aber meines Erachtens – z. B. bei Journalist*innen – nicht zu einem faktischen Berufsverbot führen, zumal wenn es unbeabsichtigt geschah. Völlig falsch finde ich es, Schauspieler*innen zu verbieten, bestimmte Rollen zu spielen, weil sie der betreffenden Menschengruppe selbst nicht angehören. Schließlich besteht die Kunst von Schauspieler*innen ja gerade darin, andere Menschen zu verkörpern. Werke von Künstler*innen der Vergangenheit sind Zeugnisse ihrer Zeit und sollten nicht verändert/verfälscht (bei Literatur) oder versteckt (bei Gemälden), sondern diskutiert und erläutert werden, wie u. a. Frau Hirschfelder vorschlägt. Im Übrigen sind Schulen, Museen, Bücher, Zeitungen, Filme usw. meines Erachtens nicht dafür da, „für das mentale Wohlbefinden“ zu sorgen, wie Herr Gürbüz es wünscht. Die Auseinandersetzung mit der Realität, mit Vorurteilen, mit von der eigenen Meinung und den eigenen Empfindungen abweichenden Ansichten und Empfindungen gehört meines Erachtens zur Bildung und zum Erwachsensein und -werden dazu. – Ulrich Willmes

 

Vielen Dank für die sachliche Positionierung innerhalb eines gefährdeten kulturellen Ökosystems, Frau Zeh. Als potentielle Beute stellen Sie sich den lauernden Angreifern mit gesundem Mut und ohne Provokation entgegen. Wahrscheinlich treten Sie (Herr Gürbüz) auch dafür ein, die berühmte Rede des Martin Luther King („I have a Dream…“) zu zensieren. Satte 16 Mal nimmt er ungeniert das Wort „negro“ in den Mund, oft auch in Form eines generischen Singulars, als „the negro“. Gerade bei Menschen, die sich schon diskriminiert gefühlt haben, finde ich es bitter, wenn sie auf das falsche Anti-Diskriminierungs-Pferd setzen. Zensur und Wort-Verbote werden bestenfalls nichts daran ändern und mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die Gräben vertiefen. Das können Sie kaum wollen. – Christian Voll

 

Angesichts der Vielfalt der Themen und Nachrichten, die uns besonders infolge der Weltkrisen und Kriege Tag für Tag über die Nachrichtenlage in den Bann ziehen, ist dieses Titelthema der ZEIT „Wie frei ist die Kunst“ ein wichtiger Beitrag, zumal wir über die Hintertür mancher kultureller Veränderung ausgesetzt sind. Cancel-Culture ist eine Entwicklung, die eigentlich ein intensives Befassen der Gesellschaft erfordert. Bestimmt ist eine Mehrheit dagegen, aber im Vergleich zu der aktiven Umsetzung einer Ideologie auch auf medialer Bühne, leider schweigend. Insofern ist auch die Gegenüberstellung von Pro und Contra in der Rubrik Streit interessant. Herausheben möchte ich die Stellungnahme von Juli Zeh für die Sparte Literatur. Mit dieser streitbaren Autorin, die ein Vorbild für die Bewahrung eines kulturellen Niveaus im einstigen Land „der Dichter und Denker“ ist, wächst die Hoffnung, dass wir diese Phase kultureller Zerstörung hinter uns lassen können. Nicht umsonst wird die Hamburger Autorenvereinigung Juli Zeh mit dem Hannelore-Greve-Literaturpreis auszeichnen. – Peter D. Schmidt

 

Ich bin schockiert, dass es allen Ernstes bei Verlagen einen Lektor gibt, der offenkundig das eingereichte Werk nach irgendwelchen Verstößen gegen, von wem aufgestellten?, Regeln durchsieht, wenn auch unter dem Vorwand, den Autor schützen zu wollen. Dass es eine Fördermittelstelle gibt, die Kunst!!! nach, von wem aufgestellten ?, Kriterien kontrolliert und so steuert, dass nur noch, wem genehme?, Filme gefördert werden. Das ist schlicht Zensur, wenn auch getarnt durch das Anliegen der Förderung von Diversity usw.. Kunst muss in den Grenzen des Grundgesetzes uneingeschränkt ohne Nachteile möglich sein. Die Folgen der Zensur, nämlich einen schleichend um sich greifenden vorauseilenden Gehorsam haben die Künstler deutlich gemacht. Im Falle der Moin Filmförderung ist dies umso empörender, weil die Fördermittel sicher aus den Rundfunkbeiträgen oder Steuern gespeist werden. – Torsten Hölzel

 

Es liegt offensichtlich in der Natur des Menschen: Je kleiner der geistige Radius, desto stärker die Meinungsbildung. Richtig finster wird es freilich, wenn sich dadurch mehrheitlich Denkhorizonte zu eindimensionalen Wahrnehmungen verschieben. Denn Kunst – als wesentlicher Unterschied zwischen den Lebewesen -, die nach Regeln, nicht aber nach Ungebundenheit gestaltet wird, verliert ihren basalen Anspruch, kann weg. – Matthias Bartsch

 

Eine spezifische Kunstfreiheit gibt es nicht. Die Kunst war noch nie frei, sondern unterliegt den gleichen Voraussetzungen wie alle anderen gesamtgesellschaftlichen Gegebenheiten. Künstler können allerdings mit ihren Ideen und deren Umsetzungen in die Freiräume, die begrifflich und begreifbar noch nicht besetzt sind, vordringen und damit entwicklungsgeschichtliche Zeichen setzen. Sie sollen also kreativ sein – genauso wie alle anderen Menschen auch. Künstler sollten also aufhören, sich prinzipiell eine Sonderrolle zuzuschreiben, dann würde sich auch die Diskussion um eine eventuelle Bedrohung durch politische Korrektheit verändern. Die Argumentation wäre dann aus dem Bezugsrahmen des Künstlerischen herausgehoben. – Christoph Müller-Luckwald

 

Die freie Kunst ist gerade dabei, einem weiteren, üblen Zeitgeist zum Opfer zu fallen. Nun haben selbstberufene Sittenwächter ein weiteres Thema gefunden, das sie mit Schadenfreude und fehlendem Sachverstand genüsslich zu zerstören zu versuchen. Freischaffende Künstler wehret euch nach allen Kräften! Schriftsteller, Regisseure, Theaterintendanten und sonstige Kreative: lasst euch nicht von der derzeit vorherrschenden Hysterie blinder Sittenwächter mürbe machen und behaltet eurer wohl überlegten Konzepte bei, nämlich eure ureigensten Ideen zu realisieren, eure Kreativität zum Ausdruck zu bringen und euch durch keine Macht der Welt bevormunden zu lassen! Keine Angst – das Luftanhalten wird nicht lange dauern, denn schon nächste Woche wird sicher wieder eine neue Sau durchs Dorf getrieben! Der kranke Versuch, neuerdings klassische Literatur aktuellen Ideologien anzupassen, ist eine Art von Zensur, die grandios scheitern muss und wird! Wer gerade aufmerksam hinhört, kann vernehmen wie sich die großen Schriftsteller der Vergangenheit schmerzgepeinigt in ihrem kalten Grab umdrehen.

Was um alles in der Welt geht in den Köpfen dieser Leute vor, die sich anmaßen, die große Literatur der Vergangenheit diesem üblen Zeitgeist anpassen zu wollen!? Das ist genau so, als ob der blutige Laie von der Straße dem erfahrenen Chirurgen das Skalpell aus der Hand nimmt und sagt: „ich mach jetzt weiter“. Die großen Autoren der Vergangenheit bildeten den Zeitgeist ihrer Werke ab und dachten nicht im Traum daran, dass hunderte Jahre später inkompetente und selbstberufene Zensoren versuchen würden, ihre Werke zu verhunzen. Was würde Karl May sagen, wenn seine roten Blutsbrüder – vulgo Indianer – in Zukunft durch rot pigmentierte Natureinwohner ersetzt würden! Generationen von Kindern und Jugendlichen sind mit großen Respekt vor den Indianern aufgewachsen und nie wäre einer auf die Idee gekommen, dass diese Bezeichnung diskriminierend sein könnte! In meiner Kindheit wollten bei den täglichen Rollenspielen neun von zehn Kindern Indianer sein und nur einer Quoten-Cowboy. Alle Künstler der Gegenwart agieren grundsätzlich mit großem Respekt gegenüber dem anderen Geschlecht, Hautfarben, Minderheiten oder Andersdenkender und denken nicht im Traum daran, diese in irgendeiner Weise zu diskriminieren. Als Hobbyschriftsteller von zwei Büchern werde ich jedenfalls weiterhin die Kinder beim richtigen Namen nennen und meine Bücher selbst vertreiben, damit kein Verlag auf die abstruse Idee kommt, darin herumstreichen zu wollen. – Franz X Brunngartner

 

Ich versuche gerade, mir vorzustellen wie Orson Welles einen Förderantrag für „Citizen Kane“ bei der Moin Filmförderung Schleswig Holstein einreicht: Geschlechterrollen? Sexuelle Identitäten? Alltag in der dritten Lebensphase? Leben mit Behinderung, PoC? Tut uns leid, keine Chance. Nach kreativem Potential, innovativen Ideen wird offenbar nicht gefragt. Das merkt man den so geförderten Projekten leider nur zu oft an. – Holger Grünewald

 

Lieber Berat, eines gleich vorweg: Es ist nicht die Aufgabe von Lehrern (in der Oberstufe), für das „mentale Wohlbefinden der Schülerinnen und Schüler zu sorgen“! Und es braucht auch keine „diversen Kollegien“, um provokante Literatur im Unterricht (oder Abitur) zu behandeln. Es ist ja gerade der Sinn des Unterrichts, die Schüler durch die Auseinandersetzung mit verschiedensten, auch provozierenden, Inhalten zu selbständig denkenden und die gesellschaftlichen Wirklichkeiten reflektierenden Individuen heranzubilden, die sich ihre eigene Meinung erarbeiten und begründet dazu stehen können. Wo kämen wir hin, wenn kontroverse Inhalte aus (falscher) Rücksichtnahme auf alle möglichen subjektiven sensiblen Befindlichkeiten gar nicht erst behandelt würden? In den USA werden schon Bibliotheken „gesäubert“, weil Eltern und anderen gesellschaftlichen Gruppen aus ideologischen Gründen die Inhalte von Büchern nicht passen. Von einer solchen Praxis bis zur Bücherverbrennung ist es nicht mehr weit! Das hatten wir schon mal! Dieser Irrsinn muss gestoppt werden! Unsere Freiheit, die Freiheit von Kunst und Literatur ist in Gefahr! Und das alles hat mit fehlendem Respekt vor „Diskriminierungserfahrungen“ rein gar nichts zu tun. – Henrik Wischnewski

 


 

 

Leserbriefe zum Titelthema „Alles so schön keimfrei hier“ von Ijoma Mangold

 

Meinen Glückwunsch zu diesem herrlichen Text von Ihnen, den ich einfach mit richtigem Spass und innerem Kopfnicken gelesen habe. Ich hätte mir sogar noch eine Portion mehr Ironie oder provozierenden Sarkasmus gewünscht über die von Ihnen so grandios dargestellten Verweichlichungen in der gesellschaftlichen Bedeutung von Literatur, Kunst und Kultur. Dann hätte sich ihr Text noch mehr von der von Ihnen beschriebenen Mutlosigkeit und dem „Angsthasentum“ abgegrenzt. Danke für die wertvollen und bereichernden Momente meiner Lektüre. – Sebastian Sonntag

 

Lieber Herr Mangold, vielen Dank für Ihren Text. Obwohl wahrscheinlich nicht von Ihnen beabsichtigt, wirkt das Stück auf mich wie ein Kommentar zu einem aktuellen Ereignis. Auf Grund der räumlichen Nähe zu Mannheim nahm hier in der Region und mittlerweile auch bundesweit die Diskussion um die Seniorentanzgruppe der AWO und ihren Auftritt auf der Buga in Mannheim einen breiten Raum ein. Den Seniorinnen wurde kulturelle Aneignung vorgeworfen auf Grund von Kostümen, die Stereotypen bedienen. Die Leitung der Buga sah sich in der Pflicht einzugreifen und die Kostüme „zu entschärfen“. Niemand wollte etwas falsch machen und so wurde alles falsch gemacht. Die Damen der AWO würden wahrscheinlich nicht für sich Kunstfreiheit reklamieren. Das wäre wohl zu hoch gegriffen. Aber ihre Freiheit wurde beschnitten, weil die Buga-Leitung eine (kritische) Reaktion fürchtete. Ich kann es nicht verstehen, wie man die älteren Damen und ihr Engagement so problemhaft in der Fokus rücken kann. Das sind zwei Welten aufeinander getroffen, die sich nicht verstehen und nicht unterschiedlicher sein könnten. Nun könnte man sagen Ende gut, alles gut. Die Damen haben größte Aufmerksamkeit und sind mit ihrem Tanz von einer Nebenbühne auf die Hauptbühne umgesetzt worden. Aber ist das menschlich? Niemals möchte man im Zentrum eines solchen Geschehens stehen, weil man versucht, anderen Menschen Freude zu bereiten. Keimfreiheit war wohl auch das Ziel der Buga-Leitung. – Constanze Kraus

 

Vielen Dank, Herr Mangold, für diesen ebenso erhellenden wie geradlinigen Text! Man kann sich nur erstaunt die Augen reiben, aus welchen Ecken überall der Fetisch Identität hervor gekrabbelt kommt. Zu recht bezeichnen Sie die Verabsolutierung der Identität als neue Heilige Kuh, die fast alle Bereiche der Kunst, aber auch der Politik und des öffentlichen Lebens erreicht zu haben scheint. Die Frage, die sich mir aufdrängt, ist natürlich, wie und woher dies kommt. Sie beantworten diesen Aspekt mit der Ansicht, dass die großen Weltkonzerne aufgrund ihrer Macht und ihres Geldes diese Haltung protegieren. Aber warum? Wer profitiert davon? In jedem Fall ist diese Entwicklung eine schlechte Phase für die Kunst, für gesellschaftliche Toleranz bzw. eine sachbezogene Diskussion untereinander und letztlich für einen freien Geist in Demokratien. – Christa Breidert

 

Ihr Artikel „Alles so schön keimfrei hier“ hat mich von Zeile zu Zeile fassungsloser gemacht. Da kritisiert doch jemand ganz offen die ängstliche Unterwerfung der Kulturschaffenden unter einen immer rigider werdenden Moralkodex! Da fragt tatsächlich einer, wo denn die Widerborstigen bleiben, die Freigeister, die poetes maudits, die auf die bürgerliche Moral pfeifen! Absatz für Absatz habe ich auf die unvermeidliche Wendung gewartet, mit der Sie Ihre provokante Tarnung aufgeben und doch noch den moralischen Zeigefinger erheben, aber nein: Sie enden mit einem Aufruf zur Rebellion! Hut ab! Dass Ihr Artikel in der „Zeit“ erschienen ist, zeugt für mich von zweierlei: Ihrem persönlichen Mut und dem offenen, kritischen Geist der Zeit-Redaktion. Beides gewichtige Gründe, mich weiterhin Woche für Woche auf meine Lieblingszeitung zu freuen. Mit dem Ausdruck meiner größten Hochachtung – Kurt Arbeiter

 

Aus meiner Sicht eine hervorragende, scharfsichtige, dabei sich aber jeder Polarisierung und Eskalierung enthaltende Analyse – mit einem konstruktiven, (allzu?) optimistischen Ansatz am Ende sogar, was die Rolle der Kunst heute angeht…… Chapeau, Herr Mangold! – Karl-Heinz Grau

 

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass der Aufmacher der ZEIT N○ 17/2023 und die Aussagen von Dieter Bohlen bei seinem Comeback-Konzert, über das drei Seiten später geschrieben wird, die gleiche Botschaft haben: Heute darf man ja nichts mehr sagen. Ob es Ijoma Mangold wohl um die “künstlerische” Freiheit von Dieter Bohlen ging? Die Künste würden immer mehr auf die “neueste Moral der Gegenwart festgelegt”, so Mangold. Frage: Waren sie das nicht schon immer? Früher haben die Künstler*innen frei und fröhlich gegen “jeden guten Geschmack verstoßen” – wirklich? Wie lange hat es etwa gedauert, dass homoerotisches Begehren in der Literatur seinen Platz fand? Wie lange bis sich Autor*innen überhaupt erst trauen konnten, homoerotische Literatur zu veröffentlichen? Und noch was: Wo ist eigentlich bei Mangold der Aufschrei gegen das Verbot von Kinderbüchern mit queeren Charakteren, das derzeit in den USA diskutiert wird? Heute sei die “Sprecherposition […] der Passierschein”. Frage: Wer durfte denn früher in die Öffentlichkeit treten – sei es als Künstler(*in?) oder Meinungsvertreter(*in?)? Wer heute ernsthaft denkt, dass “früher alles besser war”, weil ja alle alles sagen durften und die Identität keine Rolle spielte, vergisst eines: Wenn früher eine einzige Identität die Öffentlichkeit beherrschte und als einzige freien Zugang zu ihr hatte, dann ist diese männliche und weiße Identität (sorry, bin halt woke) genau das: ein “Passierschein”. Ich für meinen Teil bin jedenfalls über die eine oder andere Fessel froh, die nicht jede sexistische, rassistische, ableistische (…) Aussage – im künstlerischen und jedem anderen Zusammenhang – entstehen lässt (statt dies einem Gefühl der ‘Angst’ zuzuschreiben, könnten wie auch einfach von ‘Anstand’ und ‘Respekt’ sprechen). Auch wenn ich immer noch auf der Suche nach diesen angeblich so strammen Fesseln bin. Zum Beispiel bei Dieter Bohlen. – Isolde Sellin

 

Wie will man denn hierzulande noch (künstlerisch) provozieren? Es ist doch alles durchdekliniert worden. Eigentlich funktioniert nur noch Nazischeiße recht zuverlässig. Wenn die Provokationen von Seiten der Künstler*innen nachlassen, dann muss das Publikum ein wenig nachhelfen. Ich war mal im Staatstheater Hannover Zuschauer bei einer Aufführung von Büchners „Woyzeck“. Ich würde dem Ganzen die Schulnote 2 geben. Das sahen aber einige Zuschauer nicht so. Ich fand das sehr rätselhaft, dass ein Teil des Publikums mitten im Stück den Saal verließ. Die Aufführung war aus meiner Sicht weder langweilig noch irgendwo besonders provokativ. Ich hatte das Gefühl, dass die Provokation in diesem Fall von diesem Teil des Publikums ausging. Warum auch immer … (Oftmals sind es wohl unzufriedene Abonnenten.) Ein anderes Mal war ich in der Commedia Futura in Hannover (relativ kleines Offtheater), wo ein Stück nach Motiven aus Tarantinos Filmen gespielt wurde. Da hätte ich mir schon eine Vorwarnung gewünscht. Ich glaube, auf einer normal großen Bühne mit ausreichend großem Abstand dazu würde mir es nichts ausmachen, wenn eine Schauspielerin einen Nacktauftritt hat, aber in der Commedia saß ich der Dame gerade einmal fünf oder sechs Meter entfernt gegenüber und das war mir schon ein wenig peinlich. Wenn ich vorgewarnt gewesen wäre, hätte ich mich wenigstens innerlich darauf vorbereiten können und mich vielleicht auch etwas weiter weg von der Bühne hingesetzt. Aber trotz der Peinlichkeit bin ich nicht einfach feige rausgelaufen wie die Büchner-Zuschauer. Ein bisschen was muss man schon aushalten können und nicht immer gleich „Mimimi“ schreien. Nippelgates überlassen wir lieber den USA, die haben das besser drauf. – Thomas Manthey

 

Endlich!! Ich wollte nie einen Leserbrief schreiben, aber jetzt muss es sein. Was Ijoma Mangold zur angeblichen Autonomie der Kunst schrieb ist das Beste, was ich seit langem gelesen habe. Das war der genau richtige Beitrag in der richtigen Zeitung. Leider wird er wahrscheinlich folgenlos bleiben. – Walter Matheis

 

Ich habe mir erlaubt zwei Themen aus Ihren beiden jüngsten Ausgaben miteinander zu konfrontieren: Dogmatische Zeitgeistmoral vs. Kabarett-Grantler. Wenn wir dem süßsauren Moralingemisch folgen, gehört der beste Kabarettist verboten! Im Ernst: Es wäre überfällig, deutliche vernichtende Worte über den unseligen Phantasie zersetzenden Sensitivity Reader zu artikulieren. Auch auf die Gefahr eines erbosten Shitstorms hin … Ihre Zeitung würde damit ein wirkliches Zeichen setzen. Sie würden den Zeitgeist vielleicht sogar ein bisschen beeinflussen. – Andreas Schäfer

 

Eine sehr treffende Analyse einer gleichermaßen absurden wie bedenklichen Entwicklung. Man hätte es nicht für möglich gehalten, dass im 21 Jh. in einer liberalen, aufgeklärten Gesellschaft die Autonomie der Kunst durch Moralwächter wieder in Frage gestellt wird. Man kann nur hoffen, dass der Kulturbetrieb das nicht mitmacht. Auf jeden Sensivity-Reader geprüften Roman sollte ein (Warn-)Hinweis stehen. Und wenn Schauspieler nur quasi DNA-spezifische Rollen spielen dürfen, ist das im Prinzip auch Rassismus. Vielen Dank für den Artikel Herr Mangold! – Andreas Phieler

 

Schon bei dem Thema „Wie frei ist die Kunst noch? “ stellt sich mir die Frage: war sie es jemals? Geht es in der Kunst überhaupt um Freiheit? Und wenn ja, um welche? Kunst diente lange Zeit der Repräsentation eines gesellschaftlichen Machtzusammenhangs und zielte später in der Moderne darauf ab, diesen repräsentativen Gestus immer wieder auch zu zerstören, das war ihre anarchische Kraft (so gesehen auch ihre Freiheit). Um Freiheit ging und geht es hier aber insofern nur bedingt, da jede Kunst – will sie bedeutsam sein -, sich in und zu den verschiedenen gesellschaftlichen Kontexten verhalten muss(te). Das impliziert auch die Frage, wen Kunst heute überhaupt noch repräsentiert oder repräsentiert sie nur noch einzelne Gruppen? Doch wie verhält sich dann der vermeintliche gesellschaftliche Konsens dazu, von dem Sie sprechen? Der Gedanke der Repräsentation wird von Ihnen nicht angesprochen, scheint mir aber in der Diskussion um die Funktion von Kunst in der Gesellschaft (und ihrer Freiheit) nicht unwesentlich. Sie hingegen sorgen sich, dass es in der Kunst mittlerweile überkorrekt zugeht und sie unterstellen ihr „Hasenfüßigkeit, die für den Konformismus sorgt“ und dass dies ihre Freiheit einschränke. Warum eigentlich? Ist es nicht selbstverständlich, dass Minderheiten, Frauen, Alte, people of color u.a. so behandelt gehören, dass von Betroffenen Äußerungen und Handlungen im gesellschaftlichen Kontext – auch in den Setzungen, die die Kunst vornimmt-, nicht als verletzend empfunden werden? Alte Kunst, Sie zitieren beispielsweise Caravaggio, Mark Twain, muss man sicherlich anders bewerten, weil andere oder keine Moral gültig war und ich gebe Ihnen recht, dass es hier im Umgang Auswüchse gibt, mit denen man nicht einverstanden sein kann. Bei heutiger Kunst, die um pc und diversity u.a. weiß, verhält es sich meines Erachtens allerdings anders. Wir haben heute ein neues Umfeld, in dem das künstlerische Schaffen eingebunden ist, da sind moralische Selbstverständlichkeiten, aber zum Beispiel auch Klimaaspekte durchaus Kriterien, die den Schaffensprozess beeinflussen.

Nein, sagt Ihr Text, dieser „keimfreien“ Gesellschaft muss man es endlich mal wieder so richtig zeigen – d.h. politisch unkorrekt sein und über die Stränge schlagen. „Den Bürger schrecken, den gesellschaftlichen Konsens aufstören“. Die Aufforderung suggeriert: Seid verletzend, seid obszön! Die Chance, damit Aufmerksamkeit zu erheischen, bezeichnen Sie als groß: also Künstler*innen macht Verbotenes! Aber geht es wirklich nur noch um das Ego der/des einzelnen Künstler*in? Woran soll Kunst sich unter dieser Maßgabe abarbeiten? Und was hieße das in seiner hässlichen Konsequenz?

Die Beispiele, die sie anführen, sind hinreichend bekannt und schon des Öfteren zitiert worden, was die Vermutung nahe legt, dass es nicht allzu viele Skandale in die Schlagzeilen schaffen, ich sage: Gott sei Dank! Die dringlichen Themen der heutigen Welt konzentrieren sich auf Klimafragen, Digitalisierung, KI, etc., diese Entwicklungen haben ein unfassbares Ausmaß angenommen und treffen unsere Existenz ganz unmittelbar. Wir sind überfordert, stochern im Nebel und wissen momentan nicht, wohin die Reise geht. Wo werden uns Klimakrise, Kriege und KI noch hinführen und was ist zu tun? Die Kunst in diesem Kontext zu verorten, es zumindest zu versuchen, wäre meines Erachtens die weit wichtigere Aufgabe, nicht wissend, ob sie uns noch helfen kann. – Barbara Beyer

 

Vielen Dank für Ihre mutige Verteidigung der künstlerischen Freiheit. Bilderstürmer, Bücherverbrennungen, Inquisition, Publikationsverbote – die Kunst hat all diese Versuche der Obrigkeiten, die Künstler mundtot zu machen, überlebt. Auch wenn dies oft mit großen Opfern verbunden war. Dass in solchen Zeiten Kreativität und Innovation auf der Strecke geblieben sind, weiß, wer sich ein wenig mit Kunstgeschichte beschäftigt hat. Uniformität und gähnende Langeweile machten sich breit, denn die kreativen Köpfe waren entweder in freiere Gefilde ausgewandert oder saßen im Gefängnis. Absurd ist allerdings, dass man sich nun in einer der freiesten Gesellschaften, die es je gab, freiwillig einen Maulkorb anlegt. Mit selbstgefälligem Gratismut gibt man vor für Gerechtigkeit und Toleranz einzutreten und wird intoleranter und puritanischer denn je. Vielleicht hält unsere „verwöhnte“ Gesellschaft zuviel Freiheit auch gar nicht mehr aus, fürchtet Anarchie und legt sich selbst Fesseln an in ihrer Suche nach Orientierung und Selbstvergewisserung in einer unübersichtlichen Welt. Kunst sollte aber keine geistigen Kuschelecken schaffen, sondern unbequem sein, zum Nachdenken und Diskutieren einladen und vor allem gilt das Gebot „Du sollst nicht langweilen“. Gut, dass Sie sich mit dieser gefährlichen Selbstzensur auseinandergesetzt haben! – Mia Herber

 

Großen Respekt sowohl für den Autor des Artikels als auch für das ZEIT-Team für den Mut diesen Artikel zu veröffentlichen! Er ist wirklich brillant geschrieben! Der Artikel analysiert sehr präzise, welche Auswirkungen die momentan dominierenden Gesinnungen auf Kunst, Literatur und insgesamt auf die Kultur hat. Sich verändernde kulturelle Zeitströmungen dieser Art hat es in der Geschichte immer wieder gegeben. Unterschiedliche Gesinnungsethiken gibt es auch gleichzeitig in getrennten Gesellschaften. Besonders auffallend sind sie üblicherweise in sehr religiös geprägten Gesellschaften, neuerdings auch in areligiösen westlichen Gesellschaften. Extreme ausgeprägte Zeitströmungen enden wieder, auch wenn es Generationen dauern und viele Opfer kosten kann. Was wirklich beunruhigend ist, betrifft die Naturwissenschaften. Dieser Aspekt wird in Ihrem Artikel nur kurz gestreift, es ist aber ein charakteristisches Beispiel. Das Bundesverfassungsgericht kann ruhig urteilen, dass es kulturell betrachtet beim Menschen mehr als zwei Geschlechter gibt. Beim Menschen gibt es biologisch gesehen nur zwei Ausprägungen: eine die Eier und eine die Samen produziert. Dies sind Geschlechter im biologischen Sinn. Bei Pflanzen gibt es viel kompliziertere geschlechtliche Fortpflanzung, auch unter Beteiligung Dritter (siehe Feigen). Die brauchen aber keinen Eintrag ins Personenstandsregister. Wenn aber nun eine Biologin nicht mehr eine Vortrag halten darf, der die naturwissenschaftlichen Fakten darstellt, hat unsere Gesellschaft ein grundsätzliches Problem! Wollen wir ins Mittelalter zurück, in der eine Galileo Galilei wegen seiner naturwissenschaftlichen Untersuchungen (von der Kirche, einer Gesinnungsorganisation) zu lebenslanger Kerkerhaft verurteilt wurde? – Gerhard Hoffmann

 

Sehr erhellend und ein überfälliges Plädoyer für die Kunst. Ja: Will sie etwas bewegen muss sich Kunst über moralische Bewertungen hinwegsetzen dürfen – zumindest, soweit sie nicht gegen auf demokratischem Wege geschaffenes (Straf-)Recht verstößt. Und: in Konsequenz müssen Künstlerinnen und Künstler dann aufkommenden Gegenwind aushalten, statt verzagt und reumütig einzuknicken. Nur: hat der Autor bedacht, dass der Gegenwind heute – anders als in den von ihm zum Vergleich herangezogenen Fällen aus den 80er und frühen 2000er Jahren – mehr ist als eine steife Brise, gegen die man sich stemmen kann, bis sie sich entweder legt oder zu ewigem Ruhm führt; dass shitstorms, entfacht auf sozialen Medien, verheerende, ja Karrieren oder gar Menschen vernichtende Wirkung entfalten können. Wie damit umgehen als Künstler, muss man oder frau alles ertragen (können)? Auf eine kluge Betrachtung von Herrn Mangold auch dazu wäre ich sehr gespannt. – Gabriele Schock

 

Ich wundere mich jedes Mal wenn ich etwas von Ijoma Mangold lese, dass Neger so kluge Essays schreiben können. Ob diese selbsternannten Inquisitoren ahnen, dass sie jeder Kunst in die Hände spielen? Wie dem auch sei, ich wette, dass sie sich nicht trauen, diesen Beitrag zu veröffentlichen. – Manfred Wagener

 

Sorry – was soll diese nette, dennoch unpräzise Texteinführung von Ijoma Mangold: „Warum die Künstler sich nicht mehr trauen, die Bürger zu erschrecken und den gesellschaftlichen Konsens aufzustören…“ Erstens: vergaß er die Künstlerinnen mit aufzuführen und zweitens: die Bürgerinnen! Und drittens: gibt es keinen gesellschaftlichen Konsens, sondern nur den gemeinsamen (bürgerlichen) kulturellen Nonsens! Und Erschrecken kann mann/frau sich auch vor dem Platzen eines Luftballons – also: ab in den Orkus mit diesem textlichen Vorausschau-Faux pas…? Erschreckend könnte sein, dass Michelangelos David den Menschen in der Masse ihre Unansehnlichkeit aufzeigt – und sich dann damit beruhigt wird, dass diese Skulptur ja doch nur Kunst sei und nicht mit dem wahren Leben(digsein) zu tun haben könne… Schon in der schamhaften Schamhaltung der Hände vor dem fehlenden männlichen Marmorstückchen des Adonis mit onduliertem Schamhaaranteil – will DIE ZEIT wohl somnambul andeuten, dass sich die Kunst verschämt nicht mehr radikal und revolutionär ins Zeug legt, die Leute wenig aufregt bzw. ihnen nicht aufzeigt, welche (mitgestaltete Kunst-) Gegenwart die jeweilige knappe Zeit: an Zukunft mitbewirkt… Weit zurück in die Vergangenheit: Nero ( Claudius Caesar Augustus Germanicus – 37-68 n.u.Z.) rief kurz vor seiner erzwungenen Selbsttötung immer wieder aus: „Welch Künstler geht mit mir zugrunde!“ Aber nurmehr zurückkommend auf DIE ZEIT der letzten Woche und den zwei Gemälde-Abbildungen der Maler Michael Triegel und Sven Hoppler mit entsprechendem Textkonvolut der beiden Malenden ohne jedweden beigefügten Kommentar der begleitenden Feuilleton-Redakteurin Evelyn Finger-, zeigen oder zeugen doch drastisch auf, mit welcher Beschau scheinbar diese Art von (banaler, nichtssagender) Kunst hier fast schon eine konventionelle Schaubühne zur Verfügung gestellt erhält, plus der Werbung für die ausstellende Galerie… Und das ist eigentlich schon programmatisch für eine Entwaffnung der Angriffsfläche zur Kunst, wenn a la Neo Rauch nun eine gepinselte Augenwischerei der neuesten neuen Sachlichkeit aus der Hintertür zur gegenständlichen Malerei: die Kreativität und Phantasie sozusagen mit den Feinhaarpinseln erschließen will, weil dass die wahre Malerei und Kunst sein solle… Nein: dass ist antrainierte malerische Handwerklichkeit und hantiert mit nichts anderem als den Wiederholungen der Wiederholungen: nur eben nicht mehr altmeisterlich und unübertreffbar… Diese perfektionistischen Meisterlichkeiten aus vergangenen Zeiten sind nicht mehr wiederholbar und bewirken nur noch einen anachronistischen Leerlauf: wenn sie (oder weil sie) mit scheinbar erhöhenden Themen in die Jetztzeit verbrämt werden… DIE ZEIT schreibt: „Künstler und Kulturschaffende fühlen sich von der politischen Korrektheit bedroht: Ein falsches Wort, und du stehst im Sturm. Einige wollen jetzt erst recht Ärger machen.“ Was will man uns, dem devoten Volk: damit sagen?

Was ist denn die Autonomie der Kunst? Apropos – wenn ein Künstler seine gräfliche (Conte Meroni Manzoni di Chiosca e Poggiolo – 1933-1963) Scheiße in 90 limitierten Dosen a 30 Gramm portioniert als „Merda d ́artista“ auf den Kunstmarkt bringt: solch eine dieser Dosen später für 97.250 englische Pfund bei Sotheby ́s versteigert wurde… Ein angeblicher Splitter vom Kreuz des Mannes aus Nazareth von Hunderten von Millionen Menschen angebetet wird – all die auch meisterlichen, religionsokkulten Genre – Bilder der Jahrhunderte in den Museen und Kirchen zu diesem Wahnsinn: uns Menschen die Sinne und den Geist, die Vernunft verwirren sollen… Verherrlichende Kunst ist ebenso wie irgendwo ein Splitter vom Kreuz mit den entsprechenden Nebenwirkungen: immer nur Betrug aus der Vergangenheit in die Gegenwart – denn es gibt keine Wahrheitsfindung ohne die wahrlich falschen Überzeugungen! Scheiße stinkt nicht in vakuumierten Dosen und der angepriesene Himmel ist wie Berliner Luft in Dosen: ungeöffnet durchaus vorstellbar! Kreuzabnahme und Auferstehung – welch eine Tragik für die Menschheitsgeschichte zu all den Verfolgungen, Vernichtungen und Kriegen im Namen dieser verfälschenden (mitbegleitenden) Kunstdarstellungen bis in die heutige Zeit… Manipulierende Werbung für einen Zimmermanns-Sohn, der nicht der göttliche Sohn eines Gottes sein wollte, sondern ein Mensch mit friedvollen Ansichten, Absichten und Aussichten: „Eli Eli lama sabachthani!“ Wie uns alle Göttervisionen (und zu überhöhende Vaterfiguren) dieser Welt verlassen haben und verlassen werden – solange wir uns weiterhin als göttliche Lebewesen selbst überhöhen… Nur die Kunst gibt uns Menschen die Möglichkeit, (auch „nur“ als Mitbeteiligte) unsterblich sein zu können bzw. verlängerte Anwesenheit zu demonstrieren!

DIE ZEIT Nr. 16 beschreibt in der Überschrift zu dem Triegel-Triptychon AUFERSTEHUNG: „Der Leipziger Maler Michael Triegel schafft moderne Kirchenfenster.“ Doch da muß der diesmal UnZEITgemäßen Beschreiberin Evelyn Finger genauer auf die kunstanalytischen (antimodernen?) Fingerübungen geschaut werden! – Der permanente Naturalismus (u.a.) in der Malerei war einst ein (fanatisches) Muss der Künstler zur Perfektion aus dem Zwang heraus: dass so ähnelnd wie möglich die Natur (besonders auch die Nachbildung des Menschen) naturgetreu dargestellt werden soll(t)e – schon die (Mumien)-Portraits in der Römischen Provinz Aegyptus (vom 1. bis zum 3. Jahrhundert n.u.Z.) hatten eine künstlerisch sehr ähnlicheoptische Wiedergabe der einst Lebenden… Irgendwann aber im Laufe der verfliegenden Jahrhunderte bis in die Zeit des 19. Jahrhunderts: war dann das Ende der Steigerungen (auch) zur malerischen Perfektion längst schon als Stillstand erkannt worden und es musste allmählich somit auch zur extremen Revolution in der Malerei, den Künsten kommen – zuvor nur als Beispiel der Manierismus des 16. Jahrhunderts, dazu diese Künstler sich ihren eigenen, freieren selbstverwirklichenden Stil erfanden; späterhin dann hervorgehoben: Franzisco de Goya (1746-1828), der s/einen ichbewussten (ehrlich-konsequenten) Malstil aufzeigte, reflektierend gegen die Inquisition und dominierende Kirchenmacht, gegen den Krieg, die Okkupationsarmeen Napoleons, für die Menschlichkeit! Und ferner des öffentlichen Augenscheins zur Kunst: modern-prägend der sehr freimalende, fast schon vorimpressionistische Maler William Turner (1775-1851). Sollen all diese erfolgten Kunstrevolten und Revolutionen (auch in der Malerei) verdrängt werden durch eine so zu deklarierende „neueste neue Sachlichkeit“ – und hierbei sei „nur“ wiederum die malerische Optik als bepinselte Scheinheiligkeit der Bespiegelung zur „Wirklichkeit“ reflektiert… – um sein ganzes Können als Malender zu verdeutlichen bis in die feinsten Haarspitzen… Wir könnten hier den perfektionistischen Rudolf Hausner (1914-1995) als Vorbildfunktion in die jüngere Vergangenheit mit einbeziehen: der mit Nerzpinselhaarstrich feinst arbeitete und analytisch an sich selbst verzweifelte… Aber lassen wir diese immer wieder aufgestellten Spielregeln in der Malerei des handwerklichen Perfektionismus – an denen heutige derartige MalerInnen sich ziellos und herkunftsunsicher entmündigen würden…

Wo waren wir stehengeblieben bzw. wieso nun dieser Stillstand des Standhaften im Gestrigen? Sind denn all die VorkämpferInnen eines befreienden Künstlerdaseins plötzlich nur noch Staffage einer modernen Vergangenheit – und die rückwärtsgewandten (?) Herren Maler Hoppler und Triegel (als Vorbildfunktion sich wohl andienend an Neo Rauch) wollen aufzeigen, dass sie den Pinsel noch altmeisterlich zu handhaben wissen zu meinen – wobei ihr Duktus niemals an Michelangelo, Rembrandt van Rijn, Tizian, Botticelli (u.a. Größen) sich heranwagen kann! Und somit deren Bemalerei auch aus diesen Begründungen keinen Sinn mehr haben kann – denn: unter der Kunstfertigkeit von Michelangelo macht doch aller angestrengter Naturalismus keinen optischen Sinn (mehr)! Somit – Pluribus unum? In der Kunst aber ist Phantasie und Kreativität und verrückter Eigensinn als Besinnung gefragt und unausweichlich zu positionieren plus der Infragestellungen aller vermeintlicher Wahrheiten! Die Kunst muss ihre Verantwortung übernehmen gegenüber der Künstlichkeit der Macht der Institutionen von Kirche und Staat, der Oligarchie und dem Monopolismus! Ansonsten wird die Kunst nur zur (monetären) Benutzung des Systems inflationiert und besiegelt damit die Verkündigungsbotschaft der jeweiligen Herrschaftsansprüche…

Könnten denn nun diese Künstler Sven Hoppler und Michael Triegel nicht endlich ihren Anteil in der Jetztzeit dazu beitragen, dass diese religiösen Gott-Götter-Kulte ad absurdum unverfälscht aufgezeigt werden: anstatt die malerische „Werbetrommel“ weiterhin zu präsentieren – wie es die Maler-Bildhauer zuvor seit vielen Jahrhunderten taten mit ihren Kirche/n-devoten Jesus-Gott-und Heiligen-Verehrungen. Diese Bilder/Plastiken waren doch die Werbe-Ikonen für die unfassbare Kirchenmacht gegenüber dem manipulierten unwissenden, lese-und-schreibunkundigen Volk. (Denken wir nur an den Gang nach Canossa – der Entblößung der Würde des römisch-deutschen Königs Heinrich IV. vor der Macht der Kirche!) – Und dann kamen (über 400 Jahre später) durch Martin Luther der reformatorische Bildersturm, die Zerstörungen der Heiligen-Skulpturen mit all dem oberflächlichen Panoptikum und Firlefanz bis hin zu den mit Tüll-und-bunten Steinen geschmückten Skeletten, Knochen der angehimmelten Figuren des Kirchentheaters… Und für all das hatte das Volk (zuvor und späterhin) zu bezahlen in der Unterdrückung von Kirche und gekrönten Herrschaften. Und hinzu kommt ein gefährlich erkennbarer Tyrann Luther, der auf der Fürstenseite diese konsequent predigend auffordert: die aufständischen Bauern wie Vieh zu erschlagen! Welch ein furchtbarer (versoffener) Mönch und Machtbesessener – ein hemmungsloser Reformator des ähnlichen Kirchenwahnsinns: der uns verführbaren Menschen in fortwährende Kriege hineinmanövrierte…

Der Leserbriefschreiber RvM (selbst ein Malender) will zu den (beiden) Bildern KREUZABNAHME des Schweizer Malers Sven Hoppler sowie des Leipziger Malers zu seinem Werk AUFERSTEHUNG: keine Undurchsichtigkeiten bezüglich deren Malkünste referieren mögen, gleichwohl wird in der Zusammenstellung der Motive in beiden Bildern zusätzlich eine Verdeutlichung des Kitsches in modernen Zeiten, erkennbar… Leider, muss ich dazu bemerken – denn die künstlerische (nicht unbedingt kunstvolle Qualität im Vergleich zu den Meistern der Vergangenheit!), malerische Handwerklichkeit mag ja nicht abgestritten werden: doch im allerersten und weiteren nachbedenklichen Hinblicken wird dann diese unglaubwürdige Unausgeglichenheit (mir) erkennbar, wird zu deutlich mit den Reflexionen der (verinnerlichten?) Betrachtenden in dem Kirchenraum der Plauener Kirche St. Johannis pinselerisch gespielt und gleichzeitig versucht: eine gewisse Art von religiösem Zeitgeist in diese AUFERSTEHUNG mit hinein-zu-veranschaulichen… Derartige sich verfälschende Modernität als Symbol für die Begreifbarkeit eines Glaubens in die erweiterbare Richtung der pflichtgemäßen Andächtigkeit – jedoch verdammt nochmal: sowas von mit dem weichen Gummihammer (statt mit der Sehnsucht nach dem freien Sehnen) platterdings den in sich „versunkenen“ Menschen in der Kirche vor den Kopp zu kloppen: rechts außen die Schaufensterpuppe in Holz „bemalt“ und links außen der kopfige Adam hinterm Vorhang und die Eva (Brüste zwar frei) dennoch züchtig das angewinkelte Bein vor dem zentralen Geschlechtsteil drapiert, wobei das andere rechte Bein ausschaut, als ob es amputiert worden sei… Mittig der blonde, bärtige Mann aus dem Irgendwo fast schon verlockend leicht vom Boden abzuheben versucht um sich gen Sonstwohin zu beamen, unter ihm noch etliche Totenköpfe von einstigen Menschleins und Tierchens… Was soll dieser ganze Aufwand ohne Einwand des wesentlichen Kritischen – wobei die vorgebliche Kritik so nettig daherdümpelt, als ob sie sich entschuldigen wolle, dass doch nicht alles so stimmig sein kann mit dem Herrn aus Nazareth und seiner Himmelfahrt und der zu erwartenden Rückkunft auf unseren Planeten Erde für die Auferstehung des (unseres) Fleisches…

Das mag ja alles weniger oder mehr (in der Abbildung und im Kirchenschiff) positioniert trivial erleuchtend be/wirken – aber der modernen Kunst kann das wahrlich keinen Segen er/bringen. Sorry, hin zum Herrn Maler aus Leipzig (dem rührigen Ort der neuesten neuen Sachlichkeit) – aber selbst in solch unglaubhaft heiligen Hallen, wird dadurch ein modernisierter Glaube nicht zur Heiligsprechung kommen (können) – selbst mit dem Text in der Gegenüberstellung zu dem abgedruckten Triptychon AUFERSTEHUNG, steht der Leserbriefschreiber nicht mit Respekt auf und davor!: „Da ist aber auch die Holzpuppe mit ihrer Schreibmaschine, die das Starre des Buchstabenglaubens repräsentiert.“ – beschreibt der Maler Michael Triegel seine glaubensanteilige Verbundenheit im Hier und Heute – doch liebe Leute: so kann man, aber muss man nicht die unglaubwürdige Glaubensbotschaft verdeutlichen und verherrlichen, selbst nicht mit Farben und Pinsel und hoffentlich nicht deroselbst als Einfaltspinsel. Und dann auch noch die Verinnerlichung zum Enthüllen der Uraufführung der Bilderweihe… Voila – der Maler erinnert sich höchstselbst: „Und als bei Sonnenaufgang um 6.31 Uhr die Fenster enthüllt wurden und mit steigender Sonne aufleuchteten, da dachte ich dankbar: Mehr kann ich mir als Maler nicht wünschen.“ Gloria in excelsis moderato …: doch auch so kann man sich eine Auferstehung nicht vorstellen wollen – zumindest aber (nicht) den Versuch zu unternehmen als mittig Platzierter JvN: aus diesem Werk hinauszusteigen in die Malerei der Moderne… Die neueste neue Sachlichkeit zeigt hier nur zu deutlich: wie unglaublich schnell im contrapunktischen Durchblick der Kitsch sich in einem Werk oder Werkchen breitmachen kann… Der RvM dachte ohne dies beglaubigen zu wollen, dass wir längst aus/mit dieser Einfalt und Einfältigkeit als KünstlerInnen entschwunden seien…

Um aber im oberen Bereich der Zeitungsseite in DIE ZEIT (Glauben & Zweifeln) nun noch die KREUZABNAHME des Schweizer Malers Sven Hoppler betrachten zu müssen, und hierbei fast schon glauben zu wollen, dass dies doch nur eine gemalte Satire sein könne, um auch hierzu den Kitsch nicht wirklich wieder bemühen zu müssen – wird zum beigefügten Text nur allzu deutlich, dass dieses Bild sehr ernst gemeint sei, denn hinzu kommt des Malers persönlicher Ausspruch: „Wie mache ich das so, dass es nicht trivial wird? Auch mit Humor?“ Nein, Oh junger Schweizer Maler – darin (in dieser schwyzerdütschen Kreuzabnahme) ist wirklich kein Humor erkennbar, nicht einmal der leiseste Anflug von Humorigkeit – zu der in einer Kreuzabnahme eigentlich selbiger nichts zu suchen habe (eher doch die Ironie) – selbst wenn dieser dunkelhaarige Mann mit Bart gestrickte (?) blaue Wollsocken trägt und das Federgebäusch des männlichen Engels in abzustützen scheint – nein: das Ganze Drum-und-Dran erscheint geradezu lächerlich an den Haaren herbeigezogen im Auge des Betrachters (RvM) – und die Frage darf erlaubt sein: Was für ein Quatsch soll nun diesen Kitsch auch noch übertrumpfen dürfen. Doch den Maler Sven Hoppler durchdringt Bewusstheit zu seinem persönlichen Beitext als Bildzugabe: „Das österliche Motiv der Kreuzabnahme hat mich auch deshalb interessiert, weil der Vorgang selbst in der Bibel nicht wirklich im Detail beschrieben ist. Umso freier kann ich mit dem Personal umgehen. Ich inszeniere das Geschehen, das der Bibel zufolge auf dem Berg Golgatha stattfand, als eine Art Theaterspiel in der Stube, Das schafft einerseits Distanz, andererseits erlaubt es mr, die Gesten der Zuneigung und der Hilfe sehr nah zu zeigen. Das Auffälligste ist vielleicht, dass die zentrale Figur, Jesus, der auf meinem Bild von einem Engel gehalten wird, nicht tot zu sein scheint.“ Tja, werter Maler Sven Hoppler – das soll er ja auch nicht, für tot erhalten oder gehalten worden sein: denn er ist ja seinen Jüngern, den Emmausbrüdern lebhaft erschienen (in ihrer Phantasie?), und somit muss er doch zumindest aufgestanden sein von seinem evtl. Scheintod – wie auch immer dies zu besichtigen sei im Glauben und Beglaubigen aus/ zu der späteren Schriftstellerei in der Bibel und den dazu portionierten Texte-Exegesen…

Aber beglaubigt wird das alles eben nur durch den manipulierten Glauben und sicher nicht auch nur durch ein einziges gemaltes Bild der allergrößten naturalistischen Maler aller Zeiten… Haben der Maler Sven Hoppler oder auch der Maler Michael Triegel hierzu VORBILDER und bedeutendste Maler dieses Genre aus der Vergangenheit im Repertoire ihres Gedächtnisses? – und da müßte beiden Malern dieses Sujets sehr knallhart verdeutlicht sein können: wie im Vergleich geradezu banal doch diese beiden Bilder KREUZABNAHME und AUFERSTEHUNG daherkommen: vor allem in unsere Zeiten, wo unsere Glaubwürdigkeit am Glauben immer mehr „an Farben“ verliert… Wenn der Maler RvM diese Bilder auch nur abgedruckt in DIE ZEIT sehen konnte, wird ihm doch als Zeitgenosse mit (hoffentlichem) Zeitgeist bewusst: vor allem auch an diese Maler als Auferstehende aus dem Malzirkus nicht glauben zu wollen – es sei denn: dieser Mann aus Nazareth käme (herab) und auf uns zu, und würde ausschließlich nur diese zwei Bilder der Maler Hoppler und Triegel mit in seine Privatheit aufnehmen, diese dort OBEN ohne Nägel an eine Himmelswand befestigen können… Das wäre dann der ultimative Umschwung im Unglauben des Malers und Leserbriefschreibers RvM! Um das aber noch abzuschließen – bei Michelangelo im Vatikan wäre ich durch dessen Kunstbesichtigungen fast abgehoben, um zu erkennen: wie unsterblich er, und wie sterblich wir anderen Maler und Malerinnen sein können – so wir uns bemüh(t)en, an ihn naturalistisch heranzureichen…

Doch genau das ist wiederum (er ausgenommen) persönliche Ansichtssache oder genauer benommen: individuelle Besichtigbarkeit! Aber ohne die Vergleiche und Vergleichbarkeiten wäre alles Vorhandene nicht wirklich besichtigbar zur künstlerischen Erkenntnis zu erbringen. Lasset uns vernunftvoll der Kunst huldigen ohne die Kunst anzubeten: Yves Klein (1928-1962) hatte zu seinem Nouveau Réalisme die Farbe Klein-Blue (IKB, =PB29, =CI 77007) patentieren lassen – und für sich vermerkt: „Ich habe meine göttlichste Farbe Klein-Blue (Ultramarinblau) erfunden. Das ist das Ende der Malerei.“ Aber auch das behauptete schon Kasimir Sewerinowitsch Malewitsch (1879-1935 – Avantgardist des Konstruktivismus und Auffinder des Suprematismus) mit seinem Schwarzen Quadrat (80 x 80 cm) auf Leinwand von 1915 – „…dies sei das Ende der Malerei!“ Summa summarum bis in die Jetztzeit: Wir sollten die Kunst nicht allzu ernst nehmen, und vor allem: ihr nicht (abergläubisch) glauben wollen! Selbst beim Besuch im Vatikan gilt mir Michelangelo nicht als ein Werkzeug Gottes, sondern als ein einmaliger Mensch mit den genialsten Fähigkeiten auf seinem Gebiet der Kunst. Dennoch, bleiben wir bei der sehr verkürzten Aussage des Joseph Beuys: „Jeder Mensch ist ein Künstler!“ – die da genauest zitiert lautet: „Jeder freie Mensch ist kreativ. Da Kreativität einen Künstler ausmacht, folgt: nur wer Künstler ist, ist Mensch. Jeder Mensch ist ein Künstler.“ Und wenn wir schon bei dem menschlich allzu menschlichen verweilen, halten wir uns das Bild von Max Ernst (1926 gefertigt) vor Augen: „Die Jungfrau züchtigt das Jesuskind vor drei Zeugen (André Breton, Paul Éluard und dem Maler selbst“) – jawoll: das war ein wahrer Skandal im Pariser Salon des Indépendants. Wo hingegen Michael Triegels AUFERSTEHUNG in der Plauener Kirche St. Johannis von der Institution gerne gesegnet wird und Sven Hoppler gar glaubt: mit seiner KREUZABNAHME gegen die Konventionen verstoßen zu haben… Den Skandal werden wohl die blauen Strickstrümpfe (?) bezeugen – die an der Authentizität zur damaligen Begebenheit in dieser blaustrümpfigen, banalen Widerspiegelung wesentlich zweifeln lassen müssen… „Alles so schön keimfrei hier.“ Und wie äußerte sich der Epigone zu Bert Brecht – jener sich dramatisierende Heiner Müller: „Natürlich ist eine Diktatur für Dramatiker farbiger als eine Demokratie. Shakespeare ist in einer Demokratie undenkbar.“ Der dilettierende Künstler Adolf Hitler entschied später als „Führer“ diktatorisch: „Was Kunst ist, bestimme ich!“ Dabei sein -oder nicht Dabei sein: das war und ist hierbei stets die Frage! Im Kapitalismus entscheidet der Markt über den Geldwert der Kunst – und fast alle Künstlerinnen und Künstler buhlen um die Gunst des Kunstmarktes, wollen beim Tanz um das goldene Kalb mit dabei sein! Money as usual! Oder wie es Piero Manzoni deklarierte: „Ich mache aus meiner Künstler-Scheiße: GELD!“ – Axel Manfred Rvmpf von Mansfeld

 

Dieser herrlich lakonische und (leider auch) mutige Beitrag zur Nichtdebatte über den gesellschaftlichen Wert von Identität ist ungemein wohltuend. Endlich ertönt die Stimme eines blitzgescheiten Denkers im Gezeter all der selbstherrlichen Moralapostel. Und doch lässt sie mich in höchstem Maße beunruhigt zurück, wenn sie schlussendlich schier verzweifelt die Künstler anfleht, doch bitte die offenbar nur ihnen noch verbliebe Narrenfreiheit zu nutzen. So scheint es, als seien wir nicht bloß in die Zeit der Gegenreformation, sondern direkt ins Mittelalter zurückgefallen. Wie damals unterwerfen sich alle ängstlich dem einzigen wahren Gott, der heute Identität heißt und wie damals undefinierbar, unhinterfragbar, unberechenbar und dadurch allmächtig ist. – Ulrike Rösler

 

Kunst:frei? Triggerwarnung: Dieser Leserbrief enthält Neopronomen. Am leichtesten geht mensch einem Diskurs aus dem Weg, indem dey sich am schwächsten Glied abreibt. Wer identitätspolitische Argumente mit einem Verweis auf Twitter-Debatten abtut, macht es nicht anders. So geschieht es auch im Artikel „Alles so schön keimfrei hier“: Kritik an (nach Autorenmeinung wohl vermeintlicher) Transphobie wird durch Bücherverbrennung thematisiert und Blackfacing ist die aufregende Auseinandersetzung mit fremdem Leid. Nuancierte Positionen werden übergangen. Kann mensch ein Werk mögen und es gleichzeitig für rassistische wie sexistische Tendenzen kritisieren? Wie ist es mit Werken von moralisch fragwürdigen Kunstschaffenden? Ich hoffe doch, die Antwort darauf lautet weiterhin ja, sonst sollte ich mir ernsthafte Gedanken über meine Liebe zu Picassos Gemälden und Rowlings Harry Potter machen. Doch die Wertschätzung eines Werkes rechtfertigt noch kein Konsumverhalten, geschweige denn den Umgang mit derartigen Kunstschaffenden durch deren Vorgesetzte. Deplatforming und Boykotte sind individuelle moralische Entscheidungen, ebenso wie beides zu unterlassen. Publikum ist – nach Empfinden Kuratierender, Kreierender wie Kritisierender – immer zu apathisch oder personifizierte Zensur.

Darf Kunst amoralisch sein? Aber selbstverständlich! Doch ein Grund für Lob ist es nicht. Hinter der liberalen Vorstellung von Freiheit lauert oft eine unkritische Reproduktion von Machtstrukturen. Noch wartet die Welt gespannt darauf, dass die Verteidiger:innen des N-Wortes aufstehen und Radiosender, die Eminem zensiert spielen mit der gleichen Passion in die Pflicht nehmen, wie eine einzige Deutschlehrerin. Honi soit qui mal y pense. Da könnte sich die Vermutung anschleichen, dass es nicht um Kunstfreiheit, sondern um eine privilegierte Position bei der Entscheidung geht, was als kulturelles Kapital gilt. Das schrumpft nämlich beträchtlich, wenn der gesamte angeeignete Kanon als problematisch deklariert wird. Es gibt gute, ethisch fragwürdige Kunst; nur ist sie nicht gut wegen oder trotz ihres Streitens wider gesellschaftliche Trends. Die eigene politische Couleur wird durch Gendern genauso ausgestellt, wie durch das generische Maskulinum. Kunst, die konform ist um konform zu sein ist genauso dröge, wie solche die um Subversion geradezu buhlt. Ein Buch wird nicht dadurch gut, dass im Einklang oder Dissens mit der öffentlichen Meinung steht. – Elisabeth Schreck

 

Nach exakt drei Menschengenerationen heißt es wieder „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht!“. Die Identitären der Woke-Ideologie unterscheiden sich im Grunde genommen nur in Form und Intensität von den bigotten Moralisten des klerikalen Mittelalters oder den Gesinnungsfaschisten des zwanzigsten Jahrhunderts. Hanna Arendt hatte es vorhergesehen. Die Kunst ist tot, es lebe die Kunst! Man möchte den überlebenden Künstlern und auch dem heldenhaften Autor mit Nietzsche zurufen: „Ich sehe Dich zerstochen von den Stacheln der Überflüssigen. Fliehe! Es gibt noch genügend Plätze für Ein – und Zweisame, um die der Wind stiller Meere weht“. Wie schön lebt es sich angesichts der totalitären Wende abseits des Internets und fern der Wiederkehr des Gleichen im Öffentlichen – lathe biosas! – Andre Hempel

 


 

 

Leserbriefe zu „Die Ossiphobie geht um“ von Anne Hähnig

 

Anne Hähning beklagt, „Immer wieder wird der Osten pauschal beurteilt oder gar beschimpft. Was ist da bloß mit dem Westen los ? Dann fängt sie eine Beschimpfung der „Westler“ an. Was bringt dieses definieren von Gruppen und gegeneinander aufbringen ? Nach der Wende sind über zwei Millionen ehemalige „DDR-Bürger“ in den Westen gegangen, um Arbeit zu finden, um ihr Leben neu aufzubauen. Diese Menschen haben eine bewundernswerte Leistung der Eigenverantwortung gezeigt. Werden diese Menschen jetzt alle auch als Westler bezeichnet, nur um besser polemisieren zu können. Demokratie fördert die Freiheit des Einzelnen, was aber auch erfordert, dass die individuellen Menschen gesehen werden und die Menschen nicht zwanghaft einer Gruppe zugeordnet werden. Auch gehört dazu, die Bereitschaft bei einem Gespräch herauszufinden, was der andere denn meint mit dem was er oder sie sagt. Willkürlich Worte mit negativen Zusammenhängen zu belegen und andere, die die Worte nutzen zu verbannen, wird uns kein friedliches Zusammenleben bringen. Toleranz und Achtung des Individuums ist gefragt und nicht eine scharfe und willkürliche Gruppentrennung. – Reimer Clausen

 

Ja, irgendwie gewinnt man den Eindruck, der Osten schneidet momentan im innerdeutschen Ranking nicht allzu gut ab. Aber, vielleicht sollte man den Rahmen etwas größer ziehen, seinen Horizont sozusagen aufweiten und das innerdeutsche Geplänkel verlassen: denn auch ich – der geografisch gesehen, aus dem Osten kommt, schaut derzeit nicht gern in diese Richtung. Gen Osten passiert so einiges: Man denke da an China oder an den Schrecken des Krieges. Und dann die Corona-Pandemie. Wer da nicht „ostophobisch“ wird, dem ist nicht mehr zu helfen. Schließlich – und da sind wir alle gleich, sind wir mitfühlende, auch mitdenkende Wesen in einer äußerst angespannten Zeit. – Ronald Eis

 

Der Autorin ist zuzustimmen! „Was ist da bloß mit dem Westen los?“, beispielsweise, wenn sich Die Zeit nach mehr als 30 Jahren deutsche Einheit neben den Regionalausgaben Schweiz und Österreich eine Regionalausgabe „Zeit im Osten“ leistet? Warum dieses Festhalten an der Konstruktion des Anderen, der Konstruktion von Ab-und Ausgrenzung? Gehört Ostdeutschland noch immer nicht zur Bundesrepublik Deutschland? Gehören die Probleme dieser Region nicht zum bundesdeutschen Alltag und sollten sie nicht von allgemeinem Interesse sein? Die Fakten der nicht vollendeten Einheit und Gleichheit von Ost und West gehören auf die Tagesordnung von bundesdeutscher Politik und sie sollten selbstverständlicher Bestandteil einer differenzierten Berichterstattung sein. Der Westen wird den Osten nicht los, auch wenn er versucht, ihn zu verunglimpfen, lächerlich zu machen, ihn dämonisiert oder in die Ecke von „Regionalausgaben“ sortiert! – Hildegard Maria Nickel

 

Ihr Artikel ist sehr mutig und ehrlich, vielen Dank dafür! Als gelernte Ostdeutsche finde ich mich da ebenso wieder wie im Buch von Prof. Oschmann, denn es hört einfach nicht auf, dass wir von den Westdeutschen nicht auf Augenhöhe gesehen und behandelt werden. Weil wir unsere Werte, Normen und Sichtweisen und unsere schlechten Erfahrungen aus der Zeit nach der Wende an unsere Kinder und Enkel „vererbt“ haben, wird es noch mindestens eine weitere Generation mit der von den Westdeutschen erwarteten „Angleichung“ dauern. Im kollektiven Bewusstsein der Ostdeutschen leben die Deindustrialisierung und die Untaten der Treuhand und in deren Folge die Massenarbeitslosigkeit, der Verlust von der Anerkennung der Lebensleistungen und Qualifizierungen und nicht selten sozialer Abstieg fort. Wie viele gut Ausgebildete und Junge verließen aus solchen Gründen Ostdeutschland! Gefühlt wird kein Wort je vom Westen darüber verloren! In Magdeburg, Sie kennen es, künden immer noch große Industriebrachen vom einstigen bedeutenden Industriestandort. Heute jubelt die „Volksstimme“: EU-Milliarden für Intelbeschlossen. Dafür werden einige hundert Hektar fruchtbarstem Bördeboden (die besten Böden, die Deutschland hat) bebaut. Bleiben Sie weiter kritisch dran an den wichtigen Themen und lassen Sie sich von dem zu erwartenden negativen Echo auf Ihren tollen Artikel weder einschüchtern noch entmutigen. – Gisela Hoke

 

Nein, nicht unterdrückt, aber missachtet, mit einer wegwerfenden Handbewegung zur Seite geschoben. Wie ist es dazu gekommen? Die Wurzeln zu einer solchen Verachtung wurden schon vor 80 Jahren gleich nach Kriegsende gelegt, als Mitteldeutschland von der 12jährigen Diktatur gleich in eine weitere 40jährige Diktatur rutschte. Unterschiede waren gleich deutlich. Der Westen bekam den marshallplan als Aufbauhilfe, der Osten die Demontage von dem, was der Krieg verschont hatte: Schienen und Fabrikteile z.B. wurden in Sowjetunion abtransportiert. Das war der Anfang. Dann begann gleich die Unfreiheit, die die Menschen prägte bis 1989. Meine mitteldeutschen Freunde sagten:“ Wir erkennen westdeutsche Besucher sofort an ihrer selbstbewussten Haltung.“ Oder sehr drastisch:“ Wir troddeln alle daher wie müde Ackergäule.“ Das ist übrigens auch keine Grundlage, um eine gute wirtschaftliche Leistung zu erbringen. Und nach der Wende wurde man oft geschäftstüchtig übervorteilt. Privat habe ich da einiges erlebt. Ein Beispiel für viele: Kurz nach der Wende in Ostberlin:“ Wir haben ja keine Ahnung, wir können nicht einmal eine Überweisung ausfüllen.. Vertreter von Versicherungen (u.ä.) überrennen uns und behaupten, wir brauchen dies und das und alles das können wir ja gar nicht beurteilen, das ist alles Neuland…“

Ein anderes Beispiel: Kurz nach der Grenzöffnung erschienen Wessis mit ihren großen West-Autos vor dem grenznahen Supermarkt, um die Regale mit den billigen DDR-Brötchen leerzukaufen. Ist das fair? Wie wirkt das auf die dortigen Bewohner? Dann wurde alles (!) neu geregelt, aber immer vom Westen her gedacht. Zum Beispiel die Postleitzahlen. Den Osten kennzeichnete man meistens mit einer vorgestellten Null. Das war ja auch so einfach, da brauchte sich im Westen nichts zu ändern. In Mitteldeutschland erlebte ich diesen Kommentar: „Keine Null, sondern eine Runde Sache“ als Versuch, ein Unbehagen zum übertönen. Zum Beispiel die Autokennzeichen. Ein Einzelbuchstabe ist bekanntlich für die großen Städte bestimmt – wenn er nicht schon im Westen vergeben ist. So muss dass historische und kulturelle so wichtige Dresden mit einem DD vorliebnehmen, dass D blieb bei Düsseldorf. Eine groteske Gesichte wäre fast passiert. Leipzig hätte das L fast nicht bekommen, weil es eigentlich für ein „Lahnstadt“ vorgesehen war, eine Verbindung von Gießen und Wetzlar! Zum Glück verweigerten diese Städte den Zusammenschluss. Nur deshalb wurde Leipzig nicht als zweitrangig eingestuft. Absurd.

Ähnlich sieht es bei den dreibuchstabigen Kennzeichen aus. Westliches Kommentar:“ Das ist meist die frühere DDR“ weil nämlich die entsprechenden 2 Buchstaben schon im Westen vergeben sind. An ein Umordnen wurde nicht gedacht. An all das musste sich der Osten gewöhnen, ohne sich drittrangig zu fühlen. Zum Beispiel die Bahn: Zunächst stand das grüne DR gleichwertig neben dem roten DB. Das grüne Zeichen verschwand bald. Das DB blieb übrig. Hätte man nicht wenigstens die Briefmarken des Ostens übernehmen können als Zeichen eines Entgegenkommens? Sie waren künstlerisch hochwertig, sehr fein gearbeitet; trotzdem hatten sie unter westlichen Sammlern nur einen geringen Wert. Warum? Unverständlich und für die Betroffenen verletzend. Zum Beispiel Fußball. Der Vorzeitige-Verein in der DDR, Dynamo Dresden, stürzte bald ab in die Drittklassigkeit, weil die besten Spieler abgeworben wurden. So viel Geld hatte der Verein nicht. Natürlich verletzte das die Fans, natürlich wurde die freie Wirtschaft negativ erlebt: Der „Kapitalismus“ ist vielleicht doch nicht so gut wie wir dachten? Zum Beispiel Bildung: Vor kurzem wurden die 7 besten deutschen Universitäten als Elite-Universitäten ausgezeichnet und mit einem Preisgeld versehen. Wieder waren es alles westliche Universitäten. Sicher war die Entscheidung sachlich zu begründen, aber hilfreich für ein Zusammenwachsen war es nicht. Wir wirkt das auf die Menschen? Wir sind halt nicht so gut.“ Durch die fehlende Anerkennung sowie das Preisgeld wird der Abstand noch größer. Wäre mit gutem Willen eine andere Lösung denkbar gewesen?

Zum Beispiel der Staatszirkus der DDR. In der BRD gibt es so etwas nicht, also wurde er aufgelöst. Eine Mitarbeiterin erzählt:“ Ich betreue diese jungen Löwen hier. Der da hat nur Unsinn im Kopf, den muss man immer im Auge behalten. Da drüben der, das ist ein Phlegmatiker. Der ist froh, wenn er sein Podest gefunden hat, dann springt er drauf und bleibt sitzen bis zum Schluss…nun versuche ich, für alle einen guten Platz zu finden, die sollen in gute Hände kommen. „Wieviel fürsorgliche Zuneigung spricht aus diesen Worten! Auch hier wieder die Frage: Gab es keine andere Lösung? Zum Beispiel Gartenschau in Cottbus. „Wisst ihr, warum wir die neuen Länder genannt werden? „Große Pause. Sie antwortet selbst:“ Ich weiß es auch nicht.“ Zum Beispiel Besitzverhältnisse. Ein Besitzer eines größeren Anwesens wurde enteignet und ging in den Westen. Die neuen Bewohner richteten sich in dem Anwesen ein, die Kinder wurden da geboren und wuchsen da auf. Da kommt nach der Wende der frühere Besitzer und fordert sein Eigentum zurück. Auch diese neue Vertriebenen werden nicht gut auf den Westen zu sprechen sein. Zum Beispiel der 17. Juni, Feiertag im Westen im Gedanken an den vergeblichen Versuch der DDR-Bürger sich zu befreien. Er wurde nach der Wende abgeschafft, obwohl die DDR-Bewohner nun zum ersten. Zum Beispiel Braunkohle. In der Lausitz wurde ein Braunkohle Tagebau stillgelegt. Die jungen Leute wandern aus keine Verdienstmöglichkeiten mehr. Eine leere Fläche bleibt zurück. Irgendwo steht ein Schild: „Kohle ist Brot“ Im rheinischen Revier wird dagegen alte Kultureland weggebaggert, damit man weiter fördern kann. Viele einzelne Geschichten, die mich mehr oder weniger zufällig erreicht haben, die aber erklären, warum der Osten so anders reagiert als man es sich wünscht und warum manche sogar ins rechte Lager abrutschen, nachdem man vom Sozialismus und danach vom „Kapitalismus“, d.h. der freien Wirtschaft, so enttäuscht wurde.

Zwei Schlussgedanken: Eine „Wende“ war es 1989/1990 nur für uns im Westen ,die wir bequem von der Couch aus alles verfolgen konnten. Für die DDR war es die gewaltfreie Revolution, die mit Friedensgebeten begann und zu den Montagsdemonstrationen wurde, bei denen man Kerzen statt Steine in der Hand hielt und Blumen in Gewehrläufe steckte. Das erinnert an große Vorbilder des 20. Jahrhunderts: Gandhi, M.L. King, Mandela. Und nun der Leipziger Pfarrer C. Führer. Auch Deutschland hat eine unblutige Revolution erlebt! Und das Zweite: Drei große Persönlichkeiten, die aus der Kulturgeschichte der Welt nicht wegzudenken sind, lebten und wirkten ausgerechnet in Mitteldeutschland: LUTHER, BACH, GOETHE. Es besteht kein Anlass, Ostdeutschland unbewusst oder bewusst verächtlich abzutun. – Elisabeth Wanner

 

„Die Ossiphobie geht um“, sagt Anne Hähnig und fragt: “ Was ist denn mit dem Westen los?“ Das ist los, möchte ich antworten: Der Ossiphobie des Westens entspricht wie Positiv und Negativ die Wessi – Feindschaft des Ostens. Beide, die Wessifeindschaft und die Ossiphobie, bedingen einander, gehören zusammen, und die Eine ist nicht ohne die Andere denkbar. Ich habe zehn Jahre in Halle( Saale) gelebt, und ich habe in dieser Zeit viel verstanden. Ich habe wunderbare Menschen kennengelernt, die mir – das habe ich als Ehre empfunden – ihr Vertrauen und ihre Freundschaft geschenkt habe. Den Ärzt*innen der Uni – Klinik Halle verdanke ich mein Leben. Daneben aber habe ich auch die andere Seite kennengelernt, die allgegenwärtige Feindschaft gegen alles, was aus dem Westen kommt. „Ach, aus dem goldenen Westen“, hörte meine Schwiegertochter, als sie sich bei ihrer Arbeit vorstellte und erzählte, dass sie aus Münster käme. Kleine zarte Nadelstiche. Daneben die handfeste Kränkung, die meine Tochter aus der Uni mitbrachte. Da hatte in einer offiziellen Veranstaltung der Universität eine Teilnehmerin ungerügt von „Scheißwessis“ sprechen dürfen. Ich habe in dieser Zeit, die ich „im Osten“ verbracht habe, viel verstanden. Ich habe verstanden, dass den Menschen bei der Wiedervereinigung Unrecht geschehen ist. Firmen wurden abgewickelt. Lebensläufe zerbrachen. Das, was man geleistet hatte, war plötzlich nichts mehr wert. Westdeutsche “ Glücksritter“ kamen und besetzten die einflussreichen und gut dotierten Stellen in Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung. Kleinere finanzielle Anwartschaften, das betraf Frauen mit geringem Einkommen, gingen verloren.

Es hatte klügere Stimmen gegeben, die genau vor dieser Entwicklung gewarnt hatten. Nicht sofort ! Aufschub! Langsam die Wiedervereinigung vorbereiten, nichts überstürzen, zuerst die Firmen des Ostens fit machen, wettbewerbsfähig, damit sie es mit der Konkurrenz im “ Westen “ aufnehmen könnten. Eine einheimische Elite sollte sich qualifizieren. Die Volkskammer war demokratisch gewählt, sie hätte diesen Prozess begleiten können, und es wäre die richtige Zeitpunkt gewesen, eine gemeinsame Verfassung für das gesamte Deutschland zu erarbeiten. Hätte, wäre… Die klügeren Stimmen wurden bekanntlich nicht gehört. Ein Kanzler wollte ins Geschichtsbuch. Westdeutsche Firmen schauten mit blanken Augen auf den lukrativen Markt im Osten und wollten sich die Chance, dorthin zu expandieren, nicht entgehen lassen. Da waren aber auch die Menschen in Ostdeutschland, und das war die andere Seite, die sofort, ohne Verzögerung und ohne Aufschub zu den Wohltaten des vermeintlich „goldenen Westens“ Zugang haben wollten. „Kommt die D-Mark nicht zu mir, dann gehen wir zu ihr“. Wer so gesungen hat, kann hinterher nicht vorgeben, er hätte nicht gesungen. Hart gesagt: Gier traf auf Gier.

Die Folge ist die schmerzhaft verhärtete Haltung von Ossiphobie und Wessifeindschaft, die wir erleben. Ich habe einen Teil meines Herzens in Halle ( Saale) gelassen, und ich bin Christin, und so frage ich, ob es aus der Erstarrung heraus nicht einen gemeinsamen Weg von Ost und West geben kann. Endlich sich gemeinsam über das wunderbare kaum mehr erhoffte Geschenk der wiedergewonnenen Einheit unseres Volkes freuen. Endlich die Vorteile eines geeinten Landes genießen. Vielleicht müssten, damit es zu diesem Frieden kommen kann, erst die gegenseitigen Verletzungen, die falschen Erwartungen und Kränkungen zur Sprache kommen. Vielleicht müssten Ost und West miteinander trauern. Auf jeden Fall aber müsste „der Westen“ anerkennen, dass er dieses wunderbare Geschenk der Einheit unseres Volkes allein „dem Osten“ verdankt. Nur weil die „Ossis“ den Mut hatten, weil sie, von ihrer Sehnsucht nach Freiheit und Demokratie getrieben, es wagten, gegen Unterdrückung und Unfreiheit aufzustehen, ist es zur Einheit unseres Landes gekommen. – Ursel Heinz

 

Ist denn gerade Sauregurkenzeit? Da erzählt ein (mittel)alter weißer Mann unqualifizierten, grob vereinfachenden also populistischen Stuss. Auch in der Vergangenheit haben das andere weiße Wessie-Männer schon getan. Das sei so, weil sie bzw. wir hier in den alten Bundesländern ob des Niedergangs des ‚Westens‘ verunsichert seien. Eine steile These! Schreiben Sie doch demnächst einmal einen Leitartikel darüber, warum (mittel)alte weiße Ossie-Männer zuweilen ebenfalls unqualifizierten, grob vereinfachenden also populistischen Stuss von sich geben. Auf Ihre diesbezügliche Erklärung bin ich gespannt. Viel interessanter wäre doch das ‚Warum‘. Warum können (mittel)alte weiße Männer, die unqualifizierten, grob vereinfachenden also populistischen Stuss von sich geben, in einem Verlagshaus zu einer Führungsposition aufsteigen, warum gelingt ihnen das in CDU und CSU und warum werden sie von den Bayern sogar gewählt? Warum wählen auch in den neuen Bundesländern viele Menschen (mittel)alte weiße Männer, die – Sie wissen schon? In diesem Fall meine ich allerdings die einer anderen Partei.

Dass Menschen in Zeiten der Verunsicherung den Schutz und die Geborgenheit der eigenen Gruppe suchen und daher den/die/das Fremde/n ‚verbellen und verbeißen‘ ist für mich so offensichtlich und nachvollziehbar, dass es dazu meines Erachtens keine Begründung braucht und ich vermute, das ist bereits Standartwissen in Psychologie oder Soziologie. Hier wiederum finde ich die Frage interessant, wie wir mit diesem Reflex umgehen. Ich persönlich setze auf ‚bloß nicht verdrängen‘. Offensichtlich gehöre ich zu den rudel-, gruppen-, herden-, staatenbildenden Lebewesen. Der Impuls, allem Fremden erst einmal reserviert zu begegnen, ist mir wohl innewohnend. Andererseits kenne und schätze ich den Kant’schen Imperativ und bin im christlichen Wertekanon verwurzelt. In und mit diesem Spannungsfeld lebe ich. Abgesehen davon kann ich mir ja meine Gruppe/ Horde/ Rudel aussuchen. Das müssen nicht zwangsläufig die Menschen sein, deren Vorfahren seit 5 Generationen hier in Mitteleuropa lebten, auch nicht mein Jahrgang oder meine Berufsgruppe. Seit der ‚Flüchtlingskrise‘ und ‚Corona‘, was mich beides verunsichert hat, – mehr als der von Ihnen angedachte Niedergang einer westlichen Welt-, weiß ich: Die Gemeinschaft, zu der ich Zuflucht suche, sind die Erden-Mit-Bewohner, die auch in Krisenzeiten Ruhe bewahren, nach Informationen suchen und diese abwägen. Menschen, die sachlich, offen, ehrlich, (auch sich selber gegenüber) die Situation betrachten und mit anderen respektvoll besprechen, ohne ihre Emotionen zu verleugnen. Konkret waren das – in beiden Fällen – auch Sie, die Macher der DIE ZEIT. An dieser Stelle einmal vielen Dank dafür! – Ortrud Mauk

 

Diesen Leitartikel habe ich mit Interesse gelesen. Dazu einige eigene Erfahrungen und meine Gedanken: In der Auseinandersetzung der Systeme hatte sich die Öffentlichkeit in der Bundesrepublik einen Perspektivwechsel und damit die Wahrnehmung neuer Horizonte versagt. Die Menschen wurden weitgehend Opfer der Schlagzeilen in den Medien. Beim Aufbau des öffentlichen Dienstes in den NBL kamen oft nicht die Spitzenkräfte in den „Busch“, sondern die 2. Reihe, die keine Aussichten auf einen weiteren Sprung auf der Karriereleiter hatten. Sie taten sich manchmal groß mit den pauschalen Urteilen wie, im Osten sei „alles asbestbelastet“, wie es die Medien behaupteten. Diesen Kollegen war unbekannt, dass Anfang der 60er Jahre die Handelsbezeichnung „Eternit“ für Asbestbeton-Erzeugnisse ebenso wie andere Marken auf Westdeutschland beschränkt wurde. „Eternit“ (Asbestbeton) wurde in der Bundesrepublik bis 1992/93 sogar in Kitas eingesetzt. – Ein Beispiel für „Wissen beinhaltet, Verstehen, Verstehen hilft, ein Urteil zu bilden.“ )P.D. Uspensky). Es hat sehr lange gedauert, bis Kindergärten, Polikliniken, Schulessen, Schulhort und andere Einrichtungen nicht mehr von den Medien geächtet wurden. Ein Verwandter in Höchst besuchte regelmäßig seine Brüder in der DDR. Nach seinen Erfahrungen in den zwölf Jahren des Faschismus war er politisch interessiert, unvoreingenommen. Er hatte stets „den Mut, sich seiner eigenen Vernunft zu bedienen (Kant). Er erlaubte sich den Perspektivwechsel aus sozialer Sicht. Sein Urteil damals: Der gesellschaftliche Grundgedanke ist gut und richtig. Weder die Menschen in der Führung, wie auch die Menschen, die den Laden am Laufen halten, sind reif für diese Wirtschaftsform. – R. Reiger

 

Mit Interesse und Verwunderung habe ich o.g. Artikel gelesen, der es sogar auf die Titelseite geschafft hat (Hut ab!). Darin listen Sie mehr oder weniger Zitate von zum Teil Verstorbenen auf, die 20 Jahre und älter sind und resümieren, dass die Ostdeutschen als Sündenbock und Opfer einer arroganten westdeutschen Elite herhalten müssen…so zumindest meine Lesart. Zuvor träumte übrigens „der Westen von einem Happ End…“ Wenn es um die politischen Ansichten vieler der Wahlberechtigen in den neuen Ländern ging. Oder auch um den Geschmack der Kleidung, so war das natürlich eine Katastrophe! DVU, PDS/SED… dazu im grau-schmutzigen Straßenbild Kittelschürze oder Turnhose und das mit ungepflegten Oberlippenbart. Woher sollte auch ein Modebewusstsein kommen? Woher ein Bürgertum…gehobenes Bürgertum? Woher der Sinn nach Individualität alles erstickt oder radikal bekämpft in der sog. „DDR“. Die Busse und Straßenbahnen haben allesamt gestunken…wie der Rest des Sozialisten Paradieses, und das ist kein Witz! Seien Sie froh, dass Sie daran keine Erinnerung haben können! Ich habe das Gefühl, dass solche Themen aus dem Büro „Zeit im Osten“ nur kommen, um im großen Hause die Wichtigkeit oder Exklusivität zu beweisen. Herr Martin Machowecz hat ja auch schon mal bekannt, dass er nicht mit Micky Maus aufgewachsen sei, sondern mit Alfons Zitterbacke. Was natürlich auch Quatsch ist, denn Zitterbacke war zuletzt im Ost-TV, da lag er noch ..Pardon.. in den Windeln. – Oliver Schmidt

 

Dank und Glückwunsch für beide Leitartikel auf Seite 1. Beides ist wichtiger als je zuvor. Auch der Klimawandel wird immer “ heißer“. Auch er duldet kein “ Weiter so “ . Wir haben eine Zeitwende . Und einen O. Scholz und einen R. Habeck. Die Ossiphobie ist auch ein Symptom unserer Wohlstandsproblematik. Die Mahnung eines G. Grass( “ Ein Schnäppchen namens DDR „) blieb ungehört. Nur weil einige ewig schwätzende Ossis so laut reden, werden viele Oberwessis ( z.B. in der F D P ) noch lauter und letztlich arrogant. So sorry ! – Christian Lehmann

 

Es wäre schön, wenn die Zeit mit gutem Beispiel vorangehen und dem Vorwurf der pauschalen Beurteilung des Ostens mit der Abschaffung der Regionalausgabe Zeit im Osten entgegentreten könnte. Dieses Label vermittelt leider nichts anderes als eine kollektive und undifferenzierte Abhandlung der fünf neuen Bundesländer. – Stefan Sohr

 

Journalistinnen und Journalisten haben ein großes Privileg. Vor allem dann, wenn ihr Text auf der ersten Seite der wichtigsten deutschen Wochenzeitung erscheint. Sie dürfen sich damit national und international einer großen und für die öffentliche Meinungsbildung relevanten Leserschaft gewiss sein. Allerdings resultiert aus diesem Privileg auch eine große Verantwortung für die Qualität und die Wirkung der veröffentlichten Aussagen. Das Verhältnis der Westdeutschen zu den Mitbürgern in den neuen Bundesländern und umgekehrt ist ein sensibles Thema. Es darf nicht mit journalistischen Methoden aus der Werkzeugkiste von Brandstiftern bearbeitet werden. Aber genau dies tut Frau Hähnig. Sie gießt sozusagen altes, längst ranziges Öl ins Feuer der aktuellen öffentlichen Diskussion, indem sie mehr als 20 Jahre alte, damals schon unsägliche, rhetorischer Ergüsse längst nicht mehr aktiver Politiker und eines landesweit für Ostbeschimpfung bekannten Soziologen dazu benutzt, um eine generelle Arroganz und „Ossiphobie“ der „Westler“ zu unterstellen. Um es deutlich zu sagen: Der Artikel hetzt und hetzt auf. Das ist neu in der ZEIT und nicht ZEIT-gemäß. Wir alle in Deutschland in West und Ost sind sicher nicht immer frei von gegenseitigen Ressentiments und mangelndem Respekt. Guter Wille, Engagement und Anstrengungen, um dies zu überwinden wären hervorzuheben und zu fördern. Hingegen ist die pauschalierte Unterstellung einer anhaltenden allgemeinen „Ossiphobie“ im Westen eine Beleidigung aller Menschen in ganz Deutschland, die das Zusammenleben in Ost und West durch gegenseitiges Verständnis verbessern und vorhandene Gräben nicht vertiefen sondern einebnen wollen. – Konrad Störk

 

Diese Zeilen schreibe ich als Ossi, der schon als Schulkind seine Heimat verlassen, der aus der Ferne die Drangsalierung einiger Verwandter miterleben mußte; der aber im Nachhinein unendlich dankbar ist, daß er im Westen, in Freiheit, seine Ausbildung machen und seinen Beruf ausüben konnte! 56 Jahre ununterbrochener Diktatur steckte den Ossis in den Knochen, um nicht zu sagen, in den Genen, wogegen 33 Jahre Freiheit noch keine allzu lange Zeit für eine radikale Mutation sind! Nach der Nazidiktatur wurde fortan von den sowjetischen Kommunisten und ihren ostdeutschen Vasallen bestimmt, was in der DDR produziert werden sollte, wieviel davon in die Sowjetunion abfließen mußte, was gesagt und geschrieben werden durfte. Wer dagegen verstieß, landete schnell im Zuchthaus! Nach Westen war die DDR abgeschottet durch eine mörderische Grenze, wie es sie sonst nirgends in Europa gab. Dennoch schafften es die Ossis in einer unblutigen Revolution, die Diktatur zu stürzen und die deutsche Einheit zu erkämpfen! Doch die neu gewonnene Freiheit wurde bald überschattet vom Verlust zigtausender Arbeitsplätze! Was bis dahin unter schwierigen Bedingungen hergestellt wurde, war von heute auf morgen nichts mehr wert! Viele mußten ihre Heimatorte verlassen und im Westen neue Arbeit suchen. Als die Ossis der Bundesrepublik beitraten, wurde ihnen das Grundgesetz übergestülpt, ohne daß sie etwas von dem, was ihnen wert und wichtig war, dort hätten einbringen können! Bereichert wurde das vereinigte Deutschland durch viele Kulturschätze im Rang eines Weltkulturerbes, und der Schatz der deutschen Dialekte durch zuvor selten gehörte Worte und Klänge! Sind Ossis, Deutsche wie eingeborene Bayern und Schleswig-Holsteiner, und die von ihnen erkämpfte Einheit nicht um ein Vielfaches höher zu bewerten als die riesigen Summen, die von West nach Ost transferiert wurden, deren Verwendungszweck allerdings von Wessis bestimmt wurde? Und da betritt nun ein Wessi namens Döpfner die Arena und schießt verbale Giftpfeile nach Osten! Er sollte dankbar sein, daß er im Westen, in Freiheit aufwachsen durfte! Hätte die Geschichte einen anderen Verlauf genommen, wäre der Westen unter sowjetische, der Osten unter westalliierte Besatzung geraten: Herr Döpfner hätte Chefredakteur des „Neuen Deutschland“ werden können! Dort wären seine Verbalattacken in Form und Inhalt richtig platziert gewesen! – Ulrich Pietsch

 

Schon der Titel des Artikels ärgert mich. Das Wort <Ossi> sollte verboten werden, der <Wessi> ist nicht im selben Maße negativ konnotiert. Auch Ostdeutsche/r sowie Ostdeutschland lese und höre ich nicht gern. Ich wohne im Kreis Bad Hersfeld-Rotenburg und bin kein Ossi, habe aber seit meinem 12. Lebensjahr Kontakt zu Thüringern, Sachsen-Anhaltinern und Menschen aus Mecklenburg-Vorpommern und war schon zu DDR-Zeiten immer wieder dort. Es gibt m.M. nach einen wichtigen Grund, warum Menschen, die aus anderen Ländern nach (West-)Deutschland gekommen sind und noch kommen, nicht als zugehörig wahrgenommen werden. Man sieht nur ihre Defizite und sieht nicht ihre Fähigkeiten und Potenziale. Die Defizite der ehemaligen DDR-Bürger werden im Artikel wieder einmal und leicht süffisant explizit genannt – die Potenziale nicht. Die Defizite von Zugewanderten sind jedem Menschen hier klar: sie sprechen kein Deutsch. (Dafür arabisch, kurdisch, englisch, tigrinya, farsi, dari, oromo u.v.a.m., manche sprechen 4 oder 5 Sprachen). Die Potenziale dieser meist jungen Menschen werden nicht gesehen, nicht anerkannt und nicht gefördert. Stattdessen werden Facharbeiter aus Mexiko, Kolumbien, Vietnam und Indien abgeworben. Dieser Artikel ärgert mich. – Marie-Luise Plümpe

 

Ein sehr integrativer, brückenbauender differenzierter Artikel, den Frau Hähnig hier verfasst hat und der mich, wenn ich Ostdeutsche wäre, doch sehr verblüfft und verärgert hätte. Aber, ohne obige Ironie, wenn im Artikel in einer Aneinanderreihung und damit gleichgestellt, äußere Mächte, gemeint sind China und Russland und innere Mächte, also AfD und Rechtspopulismus als Infragestellung des Westens angeführt werden, so ist dies eine Reduzierung von ökonomischen, politischen und historischen Aspekten. Auch die im Leitartikel wiederholt vorgenommene Gegenüberstellung von Osten und Westen – so als wären sie Kollektive- ist eigentlich nur eine Replik auf verheerende Dummheiten wie sie Matthias Döpfner zuletzt von sich gegeben hat und keine hilfreiche Auseinandersetzung mit dem Thema. Dies mag aus einer Betroffenheit heraus verständlich sein, trägt aber nicht zu einem verbesserten Klima bei, das sich, wie öfters, eher als Spielball journalistischer oder intellektueller Auseinandersetzung darstellt und viele Ossis und Wessis nicht so tangiert, wie es die Debatte erscheinen lässt. Wovor ich als westliche Frau aber Angst habe, ist nicht der vermeintliche Verlust meines nicht vorhandenen Überlegenheitsgefühls sondern der Verlust einer freiheitlich demokratischen Ordnung in einer autoritären Staatsform. Gegen die grenzt sich Frau Hähnig in Ihrem Artikel aber nicht deutlich ab. – Irene Kaiser

 

Frau Hähnig nimmt die unsäglichen ossiphoben Äußerungen des Mathias Döpfner zum Anlass, erneut Westler-Schelte zu betreiben, eines ihrer Lieblingsthemen. Sie untermauert ihre These des ossiphoben Westlers mit einem Griff in die Zitaten-Mottenkiste der Nach-Wendezeit und suggeriert damit eine aktuelle breite Zustimmung der West-Bevölkerung: „Die Ossiphobie geht um“, und sie bedient immer noch das Klischee des „arroganten Westlers“. Der Osten hat in puncto Wessi-Beschimpfung mächtig zugelegt, sowohl in der politischen Einstellung zahlreicher AFD-affiner BürgerInnen als auch im literarischen Bereich, siehe u.a. Dirk Oschmann: “Der Osten-eine westdeutsche Erfindung“ (von Hänig in der „Zeit“ jedoch ausgewogen rezensiert) und Steffen Mau: „Lüttenklein“. Ja, im Transformationsprozess ist einiges schief gelaufen, aber in den letzten 30 Jahren hat sich viel Positives entwickelt, in Ost und West. Daran gilt es weiterzuarbeiten. Beiträge wie dieser von Frau Hänig sind kontraproduktiv und vertiefen nur die Spaltung. – Evelyn Wilke

 


 

 

Leserbriefe zu „So wird’s nur heißer“ von Petra Pinzler

 

Die Natur braucht keine Kompromisse, weil sie keine Normen kennt. Ihr ist es völlig egal, ob Arten aussterben, Flüsse austrocknen, ein Kiefernforst abbrennt oder die atmosphärische CO2-Konzentration ansteigt. Es wäre wunderschön, wenn wir als Menschheit die Natur aufgrund ihrer Eigenart und ihres Seins um ihrer selbst schützen würden. Momentan kriegen wir es aber nicht mal ansatzweise hin, sie ganz utilitaristisch als Lebensgrundlage für uns Menschen zu bewahren und mit ihren Ressourcen zu haushalten. Es geht um uns, wenn wir Arten, Ökosysteme und genetische Ressourcen schützen. – Friedrich Birr

 

Und wenn‘s dann wirklich mit dem Klima schief gegangen ist, kann sich Scholz vermutlich an nichts erinnern! – Udo Warich

 

Wer geglaubt hatte, dass mit der FDP und diesem Kanzler eine stringente Klimapolitik möglich würde, der musste schon sehr im politischen Traumland leben. Wenn nicht einmal eine gelernte Physikerin 16 Jahre lang den Klimaschutz unterstützt hatte, was wollte man dann schon von einem Mann wie Olaf Scholz erwarten! Vermutlich kann er sich später nach Ende seiner Kanzlerschaft nicht einmal mehr daran erinnern, dass Klimaschutz wichtig gewesen wäre. – Thomas Geiger

 

Die Klimaziele der Regierung werden „krachend verfehlt“, schreibt die ZEIT. Die Aktivisten der „Letzten Generation“ protestieren dagegen, indem sie sich auf den Straßen festkleben. So wollen sie z.B. in Berlin den Verkehr lahmlegen, was wohl nichts nützt, sondern nur die Autofahrer verärgert. Viel wirkungsvoller wäre es, wenn die „Kleber“ die Garageneinfahrten der Herren Lindner und Wissing und die Zufahrten zu den FDP – Parteizentralen blockieren würden. Denn diese Herren und ihre Partei verhindern fast alle wirksamen Maßnahmen gegen den Klimawandel. – Peter Dodel

 

Die politischen Regierungsparteien Deutschlands liefern sich ideologische Grabenkämpfe und harren in Stellungskriegen aus, wie wir erst neulich beim 30-stündigen Koalitionsausschuss mitbekommen haben. Doch dem Klima ist das total egal. Dass da jede Partei eigene Agenda durchsetzen möchte, um so auch eigene Wähler*innen nicht zu verstimmen, erschließt sich. Der Dissens jedoch, der da mittlerweile gefühlt in jeder politischen Debatte auftaucht, und diese vielleicht mehr lähmt als dass sie sie konstruktiv bereichert, kann uns allen aber noch zum Verhängnis werden. Die FDP möchte kaum bis keine nennenswerten Abstriche in der Verkehrspolitik vollziehen. Dabei ist es doch für jedermann ganz offensichtlich, dass die Kohlendioxidemissionen im Straßenverkehr enorm sind. Was spricht also gegen ein Tempolimit? Es ist gut, dass das Deutschland-Ticket zum 01.05.2023 an den Start kommt, keine Frage. Doch da geht noch mehr! – Michael Ayten

 

Petra Pinzler hat die m.E. höchst fragwürdige deutsche Politik zum Klimawandel hervorragend gut beschrieben. Ich ergänze, dass m.E. Politik und Wirtschaft in der Regel den Anforderungen des durchschnittlichen Lebensstils der Menschen in den Industriestaaten folgen müssen. Also auch in Deutschland. Andernfalls droht Arbeitsplatz -Abbau. Dazu fallen mir zwei glaubwürdige Menschen ein: Greta Thunberg 31. Oktober 2018 in London: „… Ich habe das Asperger-Syndrom, und für mich ist fast alles schwarz oder weiß. Ich glaube, dass wir Autisten in vielerlei Hinsicht die Normalen und die übrigen Menschen ziemlich seltsam sind. Ständig sagen sie, der Klimawandel sei eine existenzielle Bedrohung und das wichtigste Problem von allen. Und trotzdem machen Sie einfach weiter wie bisher. Wenn die Emissionen aufhören müssen, dann müssen wir die Emissionen stoppen. Für mich ist das schwarz oder weiß. Es gibt keine Grauzonen, wenn es ums Überleben geht. Entweder wir existieren als Zivilisation weiter oder gar nicht. WIR MÜSSEN UNS ÄNDERN !…“. Und Psychiater Dr. med. Manfred Lütz, Buch „IRRE !“ : „Wir behandeln die Falschen. Unser Problem sind die Normalen.“ Wir werden wegen der Klima-Umwelt-Folgen unserer Überfluss/Luxus-Mobilität und unseres Überfluss/Luxus-Konsums unsere Urenkel wieder belügen müssen; wie nach 1945. – Volker Freiesleben

 

Vielen Dank für diesen Seite-1-Artikel oder Kommentar! Ihre Worte haben mir sehr aus dem Herzen gesprochen, samt dem Unterton von Sarkasmus, ohne den man alles derzeit geschehende in der Welt und in Deutschland kaum noch aushalten kann. Seit der Unterstützung des neuen Klimagesetz-Verwässerungs-Gesetzes hat der Kanzler tatsächlich jede Glaubwürdigkeit seines Wahlkampfanspruchs ein Klimakanzler zu werden mit Schimpf und Schande verloren und genauso die FDP ihren neuen Anspruch angeblich die Partei für die nächsten Generationen zu sein, begründet mit ihrem Einsatz für die Schuldenbremse bei gleichzeitiger Ignoranz für die noch größere Bedeutung des Klimas für die nächsten Generationen. Es ist aber überhaupt nicht nur Herr Wissing, der Kanzler und der Verkehr, die einen derzeit grausen lassen: Es hat ja in letzter Zeit massenhaft Kritik am vorgesehenen eigentlich überfälligen Gesetz zur Wärmewende gegeben, wo die „Eile“ oder der „Panikmodus“ des Tauschs von Gas – und Ölheizungen kritisiert wird, u.a. da die Bundesplanung nicht zusammen passe mit dem (viel langsameren) Tempo der (kommunalen) Wärmeplanungen incl. ggf. Wärmenetze in den Kommunen, obwohl diese Netze nach den Planungen in SH frühestens Anfang der 30er Jahre fertig gebaut sein dürften, also nach der im Weiter-So-Tempo zu erwartenden Überschreitung der 1,5 Grad-Marke im Jahr 2030 oder früher. Daraus folgt, dass bis dahin das restliche erlaubte Budget an THG-Emissionsgesamtmenge nur ca. zur Hälfte noch emittiert werden darf, d.h. die Emissionen im Durchschnitt der Jahre bis dahin halbiert gehören, um diese Frist zu verdoppeln bis ca. 2037, und in der gewonnenen Verlängerungsfrist statt der anderen Hälfte nur noch ein Viertel des jetzigen emittiert werden darf, um noch einmal die gleiche Verlängerung hinzukriegen, dann also bis ca. Mitte der Vierziger Jahre, wo Deutschland ja klimaneutral werden will oder soll. Wenn wir mit drastischen Reduktionen bis kurz vor 2030 oder länger warten, ist das nicht mehr hinzukriegen. Die Bedeutung des erlaubten Restbudget an Emissionen wird bei den Ziel-Zeitpunkten der Klimaneutralität auch immer wieder ignoriert oder vergessen, so dass sie zu glauben scheinen, es reiche, die Emissionen kurz vor den Zeitpunkten auf die jeweils angestrebten %-Sätze zu reduzieren.

Die Kritiker*innen sehen eine „Herkulesaufgabe“, die „nicht kurzfristig“ zu stemmen sei und die (viel mehr) Zeit für einen „Vernunftmodus“ brauche und „verlässliche, realistische, langfristig geplante Vorgaben“. Im Prinzip kann man da ja nur zustimmen, Nur: Was ist kurzfristig und welche Vorgaben sind zum jetzigen Zeitpunkt wenige Jahre vor der 1,5 Grad-Überschreitung und dem Druck der Klimaphysik noch realistisch und verlässlich? Soll das realistische nur das sein, womit man die nächste Wahl auch bei noch desinformierten und verunsicherten gewinnen kann? Womit alle zufrieden sind? Nur das, was keinerlei „Teufelszeug“ von Verzichten oder Einschränkungen oder mehr Arbeit und Kosten als bisher erfordert? Die vielfachen Bremser des Klimaschutzes in und außerhalb der „Ampel“ wollen einfach nicht wahrhaben, dass verantwortbar realistisch nur das sein kann, was nach wissenschaftlichen Ergebnissen auch die – – völlige – – Überschreitung der großen Kippunkte einigermaßen sicher vermeidet und damit die Chance offen hält, sich an das bis dahin kommende noch anpassen zu können! Wer muss sich an unveränderbare Realitäten anpassen: Die Klimaphysik an die der gesellschaftlichen Bereitschaften, Wünsche, Desinformationen und dadurch Verunsicherungen, Mehrheiten und „Rechte“ oder umgekehrt?

Den geforderten „Vernunftmodus“ incl. des gemeinten gemächlicheren weniger Anstrengung fordernden Tempos hätten die Kritiker berechtigt anmahnen können und müssen, als die Problematik und das immer schnellere Tempo des Klimawandels bekannt wurde, allerspätestens im Jahr des Pariser Klimabkommens, um mit allen jetzt diskutierten Maßnahmen noch mehr Zeit bis 2030 zu haben. Schon damals war der Gegensatz von (weltweitem) politischem und gesellschaftlichem und interessengeleiteten „Realismus“ und dem Realismus der Klimaphysik und seiner wachsenden Dringlichkeit der Gefahren offensichtlich. Dieser Klimaphysik ist es egal, welche Zeit-Spielräume verschiedene Player im politischen Spiel wünschen und wieviel Arbeitstempo, Geldausgaben oder Verzichte auf sonstiges sie für zumutbar halten. Die Erhitzung schreitet voran, besonders nach einer Überschreitung eines „Point of no Return“ und wartet nicht ab, bis der langsamste auch soweit ist. Bei Kritikern ambitionierten Klimaschutzes hört es sich aber so an, als sei der langsamste oder uneinsichtigste derjenige, auf den alle anderen warten müssten, und nicht derjenige, der sich mehr beeilen müsste, um die physikalischen Entwicklungen noch steuern und anhalten zu können, ehe es kein Halten mehr gibt. Das gilt selbst dann, wenn das eine Änderung der sonstigen Prioritäten, „Freiheiten“, Informations-Stände und Ansprüche erforderte. Das Klima ist natürlich nicht alles, aber ohne ein noch erträgliches Klima ist alles andere nichts, und das sollten auch alle begreifen, die immer noch meinen an die Rettung des Klimas viele Bedingungen stellen zu können, als ob auf einem untergangsbedrohten Schiff Bedingungen gestellt würden, die Rettungsreparatur dürfe gegen ein Kostenlimit oder Limit der Arbeitsstunden oder Ansprüche auf alle Luxuskabinen und Luxusmahlzeiten keinesfalls verstoßen.

Selbst viele angeblich erneuerbare Energiequellen sind entweder sehr begrenzt verfügbar oder problematisch: Biogas und andere Agrar-energien braucht im Vergleich zur gleichen Menge Energie das 30-45-fache an Flächen wie Solarthermie und das 10-fache im Vergleich zu PV. Woher sollen also die ganzen Biogas-Mengen kommen, wenn die Abfall – und Reststoff-Mengen schon jetzt fast oder eher mehr als ausgeschöpft sind? Woher sollen die ganzen zusätzlichen Holzpellets oder Holzgase kommen, wo Holz schon jetzt knapp und teuer ist trotz der weltweiten illegalen Raubbau-Ernten auf Kosten der auch fürs Klima unverzichtbaren Wälder? Woher soll der ganze Müll kommen, der bei Verbrennung seinerseits THG freisetzt und deshalb wie auch wegen der Produktions-energien und der Plastik-Verschmutzungen dringend reduziert werden muss? Und woher soll ausreichend schnell der ganze grüne Wasserstoff kommen, der fossiles zur Verbrennung ablösen soll, zumal der überhaupt kommende viel dringender für Chemie – und Stahl-Industrie und für schwere Fahrzeuge, Schiffe und Flugzeuge gebraucht wird und für dessen Produktion wieder riesige Flächen, Arbeitsmengen und Kapital gebraucht werden und der per Schiff noch viel schwieriger zu komprimieren und transportieren ist, und zu dessen Umwandlung in besser transportable Stoffe nochmals ein beträchtlicher Teil der Solar – oder Windenergie geopfert werden müsste? Die Uhr bis zur Überschreitung der 1,5 Grad und/oder der Kippunkte tickt und niemand kann sie anhalten oder verlangsamen außer durch endlich konsequente und ausreichend schnelle Klimaschutzmaßnahmen, nicht aber durch deren Planungen und Erforschungen, Abstimmungen, Diskussionen und mehrfachen Verwässerungs-Kompromisse. Wegen all dem bin ich den grünen Ministerien dankbar, dass sie endlich wenigstens begonnen haben auch im überragend wichtigen Wärmebereich die Energiewende einzuleiten, spät, aber hoffentlich nicht zu spät, und vielleicht mit eingebauten Schwierigkeiten und Problemen, deren Lösung in Arbeit ist und z.T. noch durch die FDP-Ministerien und andere mit ermöglicht werden müsste, die aber geringfügig sind im Vergleich zu den drohenden Klimaproblemen. Nebenbei wird auch das Erdgas möglicher Weise in künftigen weniger milden Wintern wieder knapp und ist für die Industrie viel schwieriger durch anderes zu ersetzen als bei Heizungen.

Dass in etlichen anderen Ländern der Welt ähnlich konsequente Schritte noch ausstehen, steht auf einem anderen Blatt. Aber im Bild des o.g. Schiffes, das mehrere Lecks hat: Soll ich am mir nächsten Leck die Reparaturarbeit liegen lassen, weil vielleicht andere ihre Arbeit auch nicht machen? Nein, ich muss meine Arbeit tun, und möglichst gleichzeitig, spätestens danach sehen, was ich tun kann um auch anderen dabei zu helfen, sie zu informieren, motivieren, ermutigen oder, wenn sie ihren Teil aus Egoismus nicht erfüllen, Druck machen. Das ist die andere Aufgabe der Regierung, auch der europäischen Ebene und von uns allen. Es kann natürlich noch scheitern, aber wenn wir deutschen mit unseren finanziellen und technologischen Möglichkeiten nicht einmal gutes Vorbild sind, wird es sicherlich scheitern. Angesichts des weltweit immer wieder wahrzunehmenden Umgangs mit dem Kilmaschutz und dem Pariser Abkommen sehe ich nur noch eine Chance von einigen Promille. Dennoch: Unabhängig davon, wie es ausgeht, möchte ich und viele andere aktive und vermutlich auch Sie aber zumindest nicht schuldig am Scheitern werden und möglichst guten Gewissens den jetzigen Kindern und Enkeln ins Auge sehen können. Und ich hoffe auf Medienverantwortliche wie Sie und bitte immer wieder auch Ihre Kolleg*innen auch elektronischer Medien, durch konstruktive Berichterstattung und Kommentierung das ihrige dazu beizutragen. – Peter Selmke

 

Verleugnung wird zum Prinzip erhoben. Olaf Scholz ist hierbei der rote Faden. Fachleuten wird nicht getraut und ihrem Urteil widersprochen. In den wesentlichen Bereichen der Politik, vor allem in der Klimapolitik, regieren uns absolute Laien mit einer angelesenen Halbbildung. Alles nach dem Motto: Versuch und Irrtum. Was sind für Lehren aus dem Kyoto-Protokoll, dem Pariser Klimaabkommen, der UN-Klimakonferenz in Sharm el-Sheik und die Artenschutzkonferenz in Montreal gezogen worden? Von 1979 über 2015 bis zu 2022 offensichtlich wenig bis gar keine. Außer: Schöne Schaufenster-Reden, viel bedrucktes Papier und einen Reise-Fußabdruck deutscher Politiker/innen der einen Klimatechnisch erschauern lässt. Das noch bestehende Klimaschutzgesetz geht nicht weit genug soll aber dennoch „zusammengestrichen“ werden. Wen wunderts, dass nicht nur junge Leute dagegen opponieren. Über die Art und Weise lässt sich trefflich streiten aber die Zielrichtung ist klar: Jetzt muss die Schussfahrt auf der schwarzen Klima-Piste Richtung 1,5 Grad-Abgrund sofort gestoppt werden. Den Experten auf dem Gebiet der Naturwissenschaftlichen Wahrheiten muss Glauben geschenkt werden und ihren Vorschlägen ist zu folgen auch wenn die Folgen unpopulär und einschneidend sind. Wann wenn nicht jetzt soll der absehbare Schaden vom Deutschen Volk abgewandt werden? Hier wäre die versprochene Führung des Kanzlers gefragt die aber im Gebrauch der „Richtlinienkompetenz“ mächtig aus dem Ruder und in die falsche Richtung läuft. Von Rücksicht auf europäische Partner mal ganz abgesehen. Das derzeitige Handeln der Ampelregierung, vor allem des Kanzlers, ist intransigent und lebt lediglich vom brikolieren. Von den Wumms-Aktionen und dem angesagten Deutschlandtempo ist nur das Einlegen des Rückwärtsganges geblieben. Leider! – Felix Bicker

 

Petra Pinzler gebührt Dank. Kompromisslos hat sie das Versagen der Regierung und die Verantwortungslosigkeit ihres Anführers auf den Punkt gebracht. Wo bleiben diesem Dreifachkompromiss eigentlich die Grünen? Hätten Robert Habeck und Annalena Baerbock nicht nicht längst die Reißleine ziehen und den Bestand der Koalition infrage stellen müssen? „To bend backwards“ nennt man im Amerikanischen diese Überdehnung der Toleranz. Sie kann zu einer langwierigen Verletzung des Rückgrats führen. – Sven Herfurth

 

Schon für den Begriff der „außerpolitischen Wirklichkeit“ hat sich das Lesen des griffigen Beitrags gelohnt. Inhaltlich könnte man ergänzen, dass auch die Maßnahmen des Pariser Abkommens, mit welchen der Kompromiss einer Erwärmung um „nur“ 1,5-2,0 Grad erreicht werden soll, selbst bei vollumfänglicher Umsetzung den eigentlich erforderlichen Wumms auf die Zeit nach 2030 verschieben. Paris ist nur zum Vorglühen gedacht. Die eigentliche Anstrengung beginnt danach, aber das will niemand hören, weil es kaum auszuhalten ist, obwohl es der Wahrheit entspricht. Wir scheitern also schon in der Vor-Wumms-Phase. Die Sonne verbrennt weiterhin ungenutzt die öden Geröllwüsten der Sahara, doch wir zucken hilflos mit den Schultern und bauen ein paar Windräder, um unser Gewissen zumindest solange zu beruhigen, bis es auf der Erde wirklich unruhig wird. Bizarr, oder? – Christian Voll

 


 

 

Leserbriefe zu „50 QUADRATMETER, 3100 EURO“ von Caterina Lobenstein

 

Eine umfassende und präzise Analyse des Tübinger Wohnungsmarktes, der leider längst keiner mehr ist. Und zugleich legt die Autorin die vielen Schwachstellen des Systems Bauen und Wohnen in Deutschland offen. Kleine Korrektur: Mieten dürfen im Regelfall nach § 538 Abs.3 BGB alle drei Jahre um satte 20 Prozent erhöht werden, nur in vom Land festgelegten Gemeinden mit angespanntem Wohnungsmarkt um „lediglich“ 15 Prozent. In Gießen, Uni-Stadt von gleicher Größe wie Tübingen, kaufen private „Investoren“, vom Magistrat begrüßt, ältere und heruntergewirtschaftete Wohngebäude auf, entmieten und modernisieren sie. Dann wird eine Art privates Studentenheim auf WG-Basis etabliert. Die möblierten Zimmer kosten, all inclusiv, 30 Euro/qm und mehr. Obwohl das Wucher ist, finden sich Abnehmer unter den betuchten Studierenden. – Stefan Kaisers

 

Ihre schon in der Schlagzeile extrem polemisierende Darstellungsweise des Mietmarktes der durch Begriffe wie „Wohnraumverteuerungsinitiative“ vollends auf Bildzeitungsjournalsmusniveau gebracht wird entspricht keinem seriös recherchierten Journalismus. Die blindlings in den Raum geworfenen Zahlen von Mieten für Appartments enthalten keinerlei Details ob diese noch den großen Löwenanteil der Nebenkosten enthalten, die für Vermieter keinerlei Einnahmen sondern durchlaufende Zahlungen sind, die sie lediglich mit unbezahltem Aufwand an Stadt, Stadtwerke etc. weiterleiten. Ein Einzimmerapartment mit Küche und Bad (geschätzt 22-25qm) für 640, – beinhaltet in der Regel noch 120-130,-€ Nebenkosten. Dann sieht Ihre Darstellung der wahren Nettomiete von lediglich 510€ für dieses Appartment schon anders aus. Übrigens wäre eine Ausgewogenheit der Berichterstattung an dieser Stelle ebenfalls mal nötig, da der Löwenanteil der ehrlichen Kleinvermieter in Deutschland die keine „Abzocker“ sind in Ihrem Blatt, das ich bislang abmontiert habe keinerlei Erwähnung findet. Wir Vermieten derzeit im „teuren“ Düsseldorf Oberkassel derzeit weit unter dem Mietspiegel 50qm für 510,-€. Soviel zu dem Thema. – Stefan Burda

 

Na, das passt ja! Im Zeitmagazin ein arg menschelndes Porträt von Marco Buschmann als Komponist von Elektromusik und in der ZEIT gleichzeitig ein Dossier, in dem seine Versäumnisse als Justizminister in puncto Mieterschutz angeprangert werden. Vielleicht hätte Herr Buschmann auf dem Rücksitz seines Dienstwagens lieber mal seine Arbeit machen sollen statt zu komponieren. – Thomas Gunkel

 

Leider erwähnen Sie bei den Ursachen für die steigenden Mieten als Lösung nur Bauen, und nicht strengere Kontrolle der Geldflüsse. Ich wohne bei München und hier gibt es sehr viele leer stehende Immobilien, die nur der Geldwäsche und Rendite durch steigende Preise dienen. Warum lässt der deutsche Staat immer noch zu, dass Immobilien bar bezahlt werden dürfen? Das ist das Geldwäschemodell pur. Wir brauchen eine strengere Kontrolle der Nutzung und der Bezahlung, das würde helfen, und die weitere Flächenversiegelung reduzieren. – Ilona Mennerich

 

Wir dürfen uns nichts vormachen. Es sind zwei wesentliche Faktoren, die Das Wohnen so teuer machen. Erstens der Staat mit seinen Bauvorschriften und In allen Bereichen des Bauens, und zweitens jetzt die Grundflächen Steuerreform. Allein diese beiden Tatsachen verteuern das Wohnen enorm. Nicht zuletzt ist Aber auch nicht zu vergessen, dass wir immer weniger freie Flächen haben, die Wir bebauen können. Hier sind uns geographische Grenzen gesetzt. – Manfred Mengewein

 

Rückmeldung zum Dossier: den Beitrag von Frau Lobenstein fand ist sehr gelungen, vor allem deshalb, weil er sehr anschaulich die Probleme auf der kommunalen Ebene schildert. Am Beispiel der Baugesetzgebung wird gut verdeutlicht, wie Vorschriften, die zum Schutz der Bewohner*innen gedacht waren, wie z.B. die gegen Lärm, so allgemein angewandt zum Hemmschuh für das Bauen werden können. Insgesamt finde ich solche Beiträge, die sehr ins Detail gehen und nicht auf der allgemeinen Ebene die bekannten Meinungen wiedergeben, sehr hilfreich. Das führt dann leider auch dazu, dass die Beiträge, wie auch dieser, recht lang werden und viel Geduld von der Leser*innen erfordern.

Anregung zur weiteren Behandlung des Themas „Wohnungsmangel in Deutschland“: was mir gefehlt hat, war die Problematik, dass es ja ein vielen Fällen Wohnungen oder Bürogebäude gibt, die leer stehen und dass es einige Menschen gibt, die in Wohnungen leben, die ihnen selbst zu groß sind, wie z.B. bei alleinstehenden alten Menschen, die jedoch keine Veränderungen ihrer Wohnsituation wünschen bzw. keine Möglichkeiten sehen, wie sie eventuell in eine kleinere Wohnung wechseln könnten, die womöglich auch noch betreutes Wohnen mit einschließt. Wenn ich mich recht erinnere, gab es in Konstanz einmal eine Initiative der Stadt, dieser Klientel eine Beratung durch die Kommune anzubieten und so ungenutzten Wohnraum wieder zu erschließen. Aber eben keine Verordnung, sondern ein freiwilliges Angebot, durch das individuelle Lösungen gefunden werden konnten. Ein weiterer Punkt betrifft das Handeln von Kommunen, das wurde ja gestreift: Aus finanzieller Not wurden kommunale Wohnungen verkauft und dem „Markt“ überlassen, was bei knappem Angebot zu Erhöhungen der Mieten führt. Soweit ich weiß, hat der verstorbene Herr Vogel (er war mal SPD Vorsitzender und OB in München, ich komme nicht auf den Vornahmen) einen sehr vernünftigen Plan entwickelt, wie Kommunen den Wohnungsmarkt in Ihrem Gebiet sehr gut und günstig beeinflussen konnten. das könnte man auch wieder aufgreifen, vielleicht gibt es gute Beispiele aus Deutschland, wo das beherzigt wurde. Ich kenne nur das Beispiel Wien.

Ich schreibe das als Mensch, der sich seit zwei Jahren im sogenannten Ruhestand befindet, selbst erst mit 60 Jahren zusammen mit seiner Ehefrau gerade noch vor dem Bauboom in Brandenburg einen kleinen Bungalow (barrierefrei und mit Erdwärme) erstellt hat und daher das Thema Bauen, Wohnraum stärker verfolgt als vordem. Aktuell ist ja das Thema Dämmung Heizen etc. wieder sehr stark in der Diskussion (auch dazu könnte ein Dossier mit konkreten Beispielen) weiterhelfen. Mich wundert immer noch, dass in unserem kleinen Neubaugebiet mit ca. 30 Grundstücken außer uns niemand Erdwärme oder eine Luft-Wärmepumpe (nur zwei, die später gebaut haben) eingebaut hat. Das lag an der im Jahre 2013 gültigen Rechtsverordnung, wonach mindestens eine erneuerbare Energiequelle genutzt werden musste. Also haben alle sich an die Gasleitung anschließen lassen und zwei PV oder Solar-Module aufs Dach gepackt. Der Aufwand für die Genehmigung und den Anschluss wäre für eine größere Anlage auch nicht höher gewesen. Das Geld wurde eher in den zweiten PKW und einen Metallzaun investiert.

Schließlich hat mich ein Gespräch mit einem Bewohner unserer Gemeinde, das wir am Freitag führten, zum Schreiben motiviert: er besitzt ein Eigenheim und darin befindet sich eine leerstehende Wohnung, die er aber nicht vermietet, denn “das bringt mir nur Ärger“. Man könnte also auch sagen, die vermeintliche Wohnraumknappheit ist zum Teil auch ein soziale Problem und es gibt durchaus (ich halte es nicht für einen Einzelfall) Wohnraum, der aber „dem Markt“ nicht zugeführt wird. – Horst Luley

 

Sehr geehrte Frau Lobenstein, zu diesem außergewöhnlich guten Beitrag gratuliere ich Ihnen herzlich und darf Ihnen meine große Anerkennung zollen. Hervorragend recherchiert, viel Substanz, komplexe Zusammenhänge verständlich dargestellt – kurzum: ein Lesevergnügen. Beiträge wie dieser zeigen uns Lesern, was Qualitätsjournalismus ist. Und warum es sich deshalb lohnt, DIE ZEIT zu lesen. Ich wünsche Ihnen alles Gute, weiterhin so viel Erfolg bei Ihrer anspruchsvollen Tätigkeit. Ich freue mich auf weitere informative Beiträge aus Ihrer Feder. – Peter Stöffges

 

Das Dossier über den Tübinger Wohnungsmarkt bedarf einer Ergänzung. Was kaum jemand erwartet: Unter dem Strich herrscht Wohnungsleerstand in Deutschland. Nicht in Tübingen, aber zum Beispiel in Dessau-Roßlau. Das lässt sich nachlesen im Bericht „Künftige Wohnungsleerstände in Deutschland“ des Bundesinstituts für Bau-, Stadt – und Raumforschung. Tübingen steigert den Druck auf seine Mieter und auch auf seine noch unbebauten Flächen, indem es kontinuierlich Forschungsinstitute, Unternehmen und Klinikerweiterungen anwirbt und damit seine Einwohnerzahl nach oben treibt. Eine Alternative wäre Strukturpolitik zugunsten der wirtschaftlich schwächeren Regionen mit Wohnungsleerstand und in der Folge eine Entlastung für Tübinger Mieter und für die unbebauten Flächen. Eine solche Politik spült keine zusätzlichen Steuereinnahmen in die Stadtkasse. Dafür schützt sie die Mieter und die Natur. Darüber hinaus übt sie Solidarität mit den wirtschaftlich schwachen Regionen Deutschlands und rettet leer stehende Wohnungen vor Verfall oder Rückbau. – Albrecht Müller

 

Insgesamt ein gut recherchierter Artikel, der eine ganze Reihe Gründe für das Mietendesaster nachvollziehbar aufzeigt. Was allerdings komplett fehlt, ist die mögliche Verantwortung der zwei Drittel privater Vermieter. Niemand „muss“ die Miete erhöhen, wenn er/sie es nicht nötig hat. Gier kann auch privat sein! Angesprochen gehört das Thema auch deshalb, weil die Margen beim Vermieten gerade bei privaten Vermietern oft nicht so toll zu sein scheinen. Vielleicht sollten nicht alle Vermieter in einen großen Topf geworfen werden! Und das Beispiel mit der 4-Zimmer-Wohnung, in der jetzt Studierende leben, geht ziemlich daneben: Erstens sind auch diese Menschen mit i.d.R. kleinem Budget die wohnen müssen und zweitens sei die Frage erlaubt, wer denn tatsächlich auf Dauer in einer solchen Wohnung lebt? Vermutlich die Eltern zu zweit nach dem Auszug der Kinder. Oder (andere) Studierende zu viert… Die bewohnte Fläche pro Kopf ist, wie die Bauministerin erst kürzlich in der Zeit anmerkte, auf fast 50 qm pro Kopf – im Durchschnitt! – geklettert. Es gibt viel zu tun – aber nicht immer nur für „die Politik“… – Thomas Bär

 


 

 

Leserbriefe zu „Fahnenflucht?“ von Matthias Krupa und Jan Ross

 

Strategische Autonomie hat speziell aus deutscher Sicht eine historische Komponente. Wenn es so etwas wie Dankbarkeit gibt zwischen Staaten, steht Deutschland gegenüber Amerika tief in der Schuld. Der Wiederaufbau nach dem Krieg und das vorbehaltlose Ja zur Wiedervereinigung ( Bush sen. und sonst nur Gonzales ) waren großzügige Gesten. Lockerungs und – emanzipationsübungen sind nach Jahrzehnten sogar verständlich, Äquidistanz zu den USA, Peking und anderen Mächten , wie sie Paris vorschwebt und dort Tradition hat, wäre aber fast perfide zumal aus deutscher Perspektive. Abgesehen davon, dass in Europa eher zentrifugale Kräfte am Werk sind und der einheitliche politische Wille fehlt. So gesehen bleibt Amerika noch immer essentieller strategischer Partner. Weil es eben keine „Telefonnummer nach Europa „( Kissinger ) gibt. – Christoph Schönberger

 

Keine Frage zu politischen Entwicklungen lässt sich zurzeit leichter beantworten als die nach der strategischen Autonomie Europas : Sie ist zur Zeit ausgeschlossen da es zu viele widerstreitende Interessen unter den EU-Mitglieder gibt. Die Grenzstaaten zu Russland, wie Polen oder die baltischen Länder, fühlen sich dauerhaft von dem russischen Nachbarn bedroht. Im Falle eines russischen Angriffs / Überfalls wissen sie, dass ein nicht existentes europäisches Militärbündnis eben nicht die Nato ersetzen kann, wo zwar die meisten EU-Staaten Mitglieder sind, das Bündnis aber politisch und militärtechnisch eindeutig von den USA dominiert wird. Die osteuropäischen EU-Länder begrüßen das natürlich. Lieber sich deswegen der westlichen Vormacht Amerika auch politisch anvertrauen als Hilfe von der außenpolitisch chronisch uneinigen EU zu erwarten. Dazu kommt der Umstand, dass Frankreich und England als Atomstaaten strategisch knifflige Probleme im militärischen Fundament Europas abgelegt haben. Auch hier sind die USA die Macht, die der Nato den Einsatz von Atomwaffen vorgibt. Die EU hat zwar entschieden mit Handelssperren auf die russische Aggression reagiert, aber deren Durchsetzung wird nicht von allen EU-Mitgliedern konsequent betrieben. Länder wie Ungarn, die sich von der EU nicht vorschreiben lassen wie man mit dem russischen Diktator Putin umzugehen hat, tanzen hier aus der Reihe um schnöde eigene wirtschaftliche Interessen zu verfolgen. Der berühmte Spruch des vorigen Jahrhunderts, Wandel durch Annäherung (gemeint wirtschaftlich) hat leider seine Gültigkeit eingebüßt. Noch deutlicher wird aber das außenpolitische Chaos der EU am Beispiel China, das unter Xi Jinping zu der weltweit mächtigsten Diktatur aufstieg. Frankreich und Deutschland mit Macron und Scholz kochen hier eigensinnig und stur ihr eigenes Süppchen und sogar in der deutschen Regierung sind sich Grüne und SPD uneins, wie mit China umzugehen ist.

Da hilft der Blick nach Asien, wo Militärbündnisse wie das zwischen Amerika, Japan und Australien gegen China Europa zeigen, wie wichtig auch das NATO-Bündnis gegen Russland ist um die beiden zurzeit weltweit gefährlichsten Diktaturen in ihrem Expansionsrausch zu stoppen. Wann wird Europa bzw. die EU es irgendeinmal schaffen, politisch und militärisch in einer Liga mit den USA zu spielen ? Wollen es denn die Europäer überhaupt ? Diese Frage kann ernsthaft erst gestellt werden, wenn die EU mit dem Resteuropa zu einem vereinigten Europa verschmolzen wird -bitte kein Europa der Vaterländer. Der Schmelztiegel ist aber leichter zu beschaffen als die dafür erforderliche Wärmeenergie. – Klaus Reisdorf

 

Wir müssen uns weder von den USA trennen noch den Untertan geben. Macron hat in Ansätzen Recht, aber sowohl der Zeitpunkt als auch der Inhalt waren deplatziert. Die EU sollte nach wiederholten Versprechungen endlich anfangen, eine eigene Meinung und Position zu entwickeln und dadurch ein Partner auf Augenhöhe zu den Amerikanern zu sein, der zur Not (Beispiel Trump) sein Schicksal auch selbst in der Hand nehmen kann. In absehbarer Zeit werden keine neuen Partner zur Verfügung stehen. Putin und Xi sind verbrannt, Lula, Modi und andere haben schon enttäuscht, bevor sie überhaupt eine Rolle spielen. Die Europäer müssen dabei nur aufpassen, dass sie nicht einem neuen Napoleon (Honni soit qui mal y pense) den Steigbügel halten. – Wolfgang Scheer

 

Herr Ross macht einen Denkfehler, wenn er den Wunsch nach der Fähigkeit, ohne die USA existieren zu können, gleichsetzt mit dem Wunsch, von den USA getrennt zu sein. – Hans List

 

Fahnenflucht – Pro und contra. Im Grunde wollen beide das Selbe. Nicht ohne die USA aber auch kein blindes Mitlaufen. Dass es bis dahin noch ein weiter Weg ist, wird immer offensichtlicher, aber auch immer dringender. Denn wehrhaft sollten wir schon sein. Die sich immer schneller nähernde Klimakrise (Klimakatastrophe) macht einen Kampf um Überlebensressourcen immer wahrscheinlicher. – Manfred Neuber

 

Vielen Dank für die beiden bereichernden Beiträge zum Thema “Fahnenflucht”. Ich empfand die Gegenüberstellung der beiden Ansichten als hervorragend gelungen und bedanke mich für die stichhaltigen Argumentationslinien – und schließe mich Jan Ross an: Bitte keine Spaltung des “Westens” aufgrund bestehender Demütigungsgefühle zulassen. – Thomas Au

 

Sowohl Herr Krupa als auch Her Ross bringen wichtige Argumente. Doch wie ist die Lage? Lawrow stellt fest, dass nur bei grundlegender Veränderung der Weltordnung Verhandlungen mit der Ukraine Sinn machen. Ein massiver Angriff auf die regelbasierte Charta der UNO! Warum wird Russland daraufhin nicht aus der UNO ausgeschlossen? Von daher ist die Koalition der westlichen Mächte (G7) unerlässlich. Nichts spricht dagegen die europäische Souveränität auch im militärischen Bereich zu stärken. Washington wird nichts dagegen haben und bei Fehlhandlungen der USA kann immer noch mit Fischer gesagt werden : “ I am not convinced“. Doch aus wirtschaftlichen Interessen sich von den USA politisch ab zu koppeln, damit im chinesischen Handel nichts schief läuft wäre eine Dummheit und eine Wiederholung der Fehleinschätzung von Russlands „Friedfertigkeit“. Es sei daran erinnert, dass die Annexion von Tibet durch China eine Million Tibetaner das Leben kostete und 5000 Klöster zerstört wurden! Chinas System ist kein Deut anders als Putins! – Michael Hopmann

 


 

 

Leserbriefe zu „Demo verboten – Problem noch da“ von Ahmad Mansour et.al.

 

Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte „Anne Frank“, hat einen bemerkenswert verständnisvollen Kommentar zu der Berliner Kundgebung palästinensischer Demonstranten geschrieben. Vor allen Dingen der Schlusssatz beeindruckt mich: Die Zeit…muss genutzt werden, „um aufzuklären, wo die Grenze zwischen leidenschaftlicher Kritik an Israel und Volksverhetzung verläuft“. Ich übe leidenschaftliche Kritik an der Politik des Staates Israel. – Dagegen widerspreche ich entschieden der Aussage von Ahmad Mansour, er habe in Israel „auch schon einige Idioten rufen hören `Tod den Arabern`“. In der Zeitung Mondoweiss las ich: „Tausende Israelis nahmen …am ultranationalistischen „Flaggenmarsch“ (2021) im besetzten Jerusalem teil und marschierten durch die Straßen der Stadt und skandierten „Tod den Arabern“, “Möge euer Dorf brennen“ und „eine zweite Nakba kommt bald“. Unter den Teilnehmern des Marsches befanden sich rechtsgerichtete Abgeordnete und Parlamentsabgeordnete, darunter Bezalel Smotrich, Shlomo Karai, Itamar Ben Gvir und Orit Struck.“ (https://mondoweiss.net/tag/Jerusalem). Ich habe auch schon an der Mauer im Westjordanland das Graffito gesehen: „Arabs in gas“. Man muss die Dinge schon richtig einordnen. Den Kommentar von Volker Beck mag ich überhaupt nicht kommentieren. Dafür bin ich mir zu schade! – Gertrud Reber

 

Wenn das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) „antisemitische Konzepte“ im Widerspruch zur FDGO stehend sieht, teilt es deswegen noch lange nicht die Ansichten von Volker Beck, Ahmad Mansour und Meron Mendel zu Antisemitismus. Der Meinungsstreit zu Antisemitismus ist im zivilgesellschaftlichen Diskurs auszutragen. Staat und Gerichte sind nicht dazu da, bestimmten Teilnehmern in diesem Diskurs dadurch Gewicht (das sie sonst nicht haben) zu verleihen, dass staatliches Prestige zu deren Gunsten in die Waagschale geworfen wird. Unser Grundgesetz hat als Leitbild den mündigen Bürger. Es „vertraut auf die Kraft der freien Auseinandersetzung als wirksamste Waffe auch gegen die Verbreitung totalitärer und menschenverachtender Ideologien (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 4. November 2009). Wer immer gleich nach staatlichen Verboten schreit schwächt die Zivilgesellschaft. Die Demonstrationsverbote des Berliner Oberverwaltungsgerichts (OVG) 2022 und 2023 widersprechen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Prof Ralf Michaels: „Das Verbot der Palästina-Demos pervertiert Versammlungsfreiheit“). Beschlüsse des OVG in Eilverfahren sind unanfechtbar. Mit dieser OVG-Rechtsprechung ist das Recht auf Versammlungsfreiheit für Palästinenser in Berlin solange in verfassungswidriger Weise eingeschränkt, bis eine Verfassungsbeschwerde diesen Zustand beendet.

Klar ist jedenfalls, diese Berliner OVG-Rechtsprechung wird keinen Bestand haben. Wenn Volker Beck, Ahmad Mansour und Meron Mendel sich für die Rechtsprechung des BVerwG einsetzen, dann ist dies wenig glaubwürdig. Alle drei haben die kommunalen BDS-Beschlüsse unterstützt. Diese wurden vom BVerwG mit Urteil vom 20.01.2022 (Az 8 C 35/20) als verfassungswidrig eingestuft, weil unvereinbar mit dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit. Wer über Jahre unfähig oder unwillig ist, sich die relativ einfache Rechtsmaterie zur Meinungsfreiheit anzueignen, sollte sich nicht als Oberlehrer aufspielen. Zum Thema Kunstfreiheit liegt im Übrigen ein Gutachten von Prof. Möllers aus Anlass der Documenta-Debatte vor. Die Ignoranz der Genannten wird nur noch von ihrer Arroganz übertroffen: „… müssen wir die rote Linie, wo Versammlungs – und Kunstfreiheit aufhören und der Schutz der Menschenwürde beginnt, neu vermessen.“ Der Maßstab dafür ist Berliner Landrecht entnommen, mit dem die drei Dilettanten meinen Bundesrecht brechen zu können. Die Rolle, die Meron Mendel einnimmt, ist besonders grotesk: Er inszeniert sich als Moderator im öffentlichen Diskurs und gibt vor, dabei auch den Dialog mit den Palästinensern befördern zu wollen. Gleichzeitig befürwortet er die Einschränkung der Meinungsfreiheit der Palästinenser, in dem er für den Anti-BDS-Beschluss des Bundestags eintritt und jetzt für verfassungswidrige Demonstrationsverbote in Berlin. Antisemitismus kann nachhaltig nur auf der Grundlage unseres Grundgesetzes und nicht im Widerspruch zu ihm bekämpft werden. – Helmut Suttor

 

Der Bericht bzw. die unterschiedlichen Stellungnahmen bestätigen die Äußerung des Pianisten Igor Levit in einem Interview:: Ich erwarte, dass man aufhört, nach jedem versuchten oder geglückten Anschlag Sätze zu sagen, wieAntisemitismus und Rassismus haben in Deutschland keinen Platz. Doch, den haben sie. Den hatten sie immer, den haben sie im Übrigen in jedem anderen Land der Welt auch und den werden sie auch immer haben. Bei allem Recht der Palästinenser gegen erlittenes Unrecht zu demonstrieren – antisemitische Äußerungen können hier nicht geduldet werden, wie Meran Mendel schreibt. Richtig, Abdel Hakim Ourghii, die Tatsache, dass an der geschilderten Demonstration Jugendliche mit Migrationshintergrund teilgenommen haben, die dort ihre in der eigenen Kultur vermittelten Ressentiments ausleben, muss zum Anlass genommen werden, in Sprachkursen und schulischem Unterricht verstärkt das Thema Antisemitismus zu berücksichtigen und zwar so dass die ungeheuerlichen historischen Tatsachen Betroffenheit bei den Jugendlichen auslösen. Gerade in der schulischen Betreuung von Lernern mit Migrationshintergrund haben wir in der Bundesrepublik inhaltlich, quantitativ und qualitativ noch großen Nachholbedarf. Es kann nicht genügen, lediglich Sprachkurse anzubieten, die den Lernern das Überleben in Alltagssituationen ermöglichen. Vielmehr müssen dort intensiv auch existierende Probleme – siehe Antisemitismus – in unserer Gesellschaft einbezogen werden. Den Lernern müssen Anreize zur Überprüfung und Korrektur vorhandener Stereotype geboten werden. Für die Unbelehrbaren gilt die angemessene Antwort unseres Rechtsstaates, der dafür sorgen muss, dass so etwas nicht noch einmal passiert und Judenhass konsequent verfolgt wird. – Rainer E. Wicke

 

Es bedarf heutzutage nur eines (in Zahlen: 1!) agents provocateurs, der bei einer pro-palästinensischen Solidaritätsdemonstration – wie am 8. April in Berlin geschehen – in der Nähe eines Fernsehreporters unerkannt einen antisemitischen Slogan („Tod den Juden“) schreit, und schon wird das zum Anlaß genommen, um eine gesamte Demonstration zu diskreditieren und Folgedemos zu verbieten. Ein Unding, zumal sich die Veranstalter sofort klar von diesem dummen Schreihals distanziert hatten. Meron Medel hat vollkommen Recht, wenn er sagt: „Das deutsche Bekenntnis zu Israel darf jedenfalls nicht so ausgelegt werden, dass Palästinenser in Deutschland mundtot gemacht werden.“ – Björn Luley

 

Ich hoffe, dass der Leserbrief nicht zerfahren, gar zusammenhanglos wirkt. Wenn doch, sorry! Sprechen wir von einer freiheitlich demokratischen Grundordnung, von einem Gesellschaftskodex mit gemeinsamen Regeln, Richtlinien, Normen und Standards, so wird das heute noch immer von vielen Menschen mit wegwerfender Geste abgewunken, gar verächtlich gemacht. Wenn man Glück hat, erntet man Hohn und Spott. Wenn’s nicht so glatt läuft, spuckt dir dein Gegenüber vor die Füße oder greift sich in den Schritt. Die Berliner Kieze mit ihren sozialen Brennpunkten, insbesondere die mit hohem Migrantenanteil, stellen das deutsche Pendant zu den französischen Banlieues dar. Klar sollte man nicht pauschalisieren, doch das ist nun mal Teil der Wahrheit. Bildung wird in seiner essentiellen Bedeutung für die persönliche Entwicklung häufig verkannt. Ihr wird kein hoher Wert beigemessen. Man bleibt in seiner eigenen, kleinen, kulturellen Blase verhaftet. Betrachtet Europa als einen Hort von Ungläubigen. Geht auf Raubzüge durch die Bundesrepublik, bricht in Museen ein & stiehlt sächsische Kulturschätze oder sprengt Geldautomaten in die Luft. Nebenbei bemerkt waren es im Jahr 2022 deutschlandweit insgesamt 507 Sprengungen und Sprengversuche. Doch weiter.

Bildung? Nee, danke. So bleibt das jüdische Feindbild dann auch weiterhin ein integraler Bestandteil vieler arabischer respektive muslimischer Kulturen. Der Hass wird gehegt und gepflegt, regelmäßig genährt und einander gepredigt. Er ist so etwas wie eine unumstößliche Wahrheit, ein Pflock und Pfeiler des eigenen Identitätsverständnis‘. Würde man das anders sehen, hieße dies, dass man sich gegen die eigene Gruppe stellen würde. Wer will das schon? Darum haben es Bücher auch so schwer, Eingang in solch eine Kultur zu finden. Bücher besitzen die Macht von Aufklärung. Das würde konkret heißen, dass man sein Weltbild revidieren müsste, weil man auf einmal die Feststellung machen würde, dass Menschenfeindlichkeit nicht cool ist. Man saß also lange einem Fehler auf. Wie soll man das im Nachhinein nur rechtfertigen? Wie gesichtswahrend aus der ganzen Sache kommen? Ganz unangenehme Vorstellung. Lieber nicht. Und darum, auch wegen dieser Tatsache, kommt es dann, dass auf der Straße nicht friedlich protestiert wird, sondern eher in einer Art Kampfgetümmel und Mob-Kollektiv skandalöse Botschaften in den Himmel gerufen werden, die auch nie besonders reflektiert anmuten, vielmehr aber reflexiv. Den Vorschlag einer Neuvermessung der roten Linie des Herrn Volker Beck kann ich darum auch nur unterstützen. Die jüdische Verfolgungsgeschichte reicht weit zurück. Unvorstellbar viel Leid, Trauer und Tod musste die jüdische Gemeinschaft immer wieder in Kauf nehmen, ihren dunklen Höhepunkt erreichte diese Menschenfeindlichkeit dann im deutschen Nationalsozialismus. Es ist daher nur eine richtige Schlussfolgerung, dass die Juden mit dem Staat Israel ihren eigenen Staat erhielten. Ich gehe noch einen Schritt weiter und sage, dass die Sicherheit Israels nicht nur deutsche Staatsräson sein sollte. Die internationale Staatengemeinschaft sollte sich hierzu ebenso ganz klar bekennen. – Michael Ayten

 

Ihre Zusammenstellung von 4 Protagonisten der Szene ist sehr anregend, Dank dafür. Leider bleibt das Thema ‚Proteste‘ insoweit an der Oberfläche, da Hass, Beschimpfung, Intoleranz ja nur Symptome sind für einen zur Zeit unlösbaren Widerspruch: Nachdem die Realisierung einer Zweistaatenlösung durch die massive Ausbau der jüdischen Siedlungen de facto unmöglich geworden ist, bleibt die offene Frage, welche Staatsform der jüdische Staat Israel aufbauen will? Kann er eine freie, säkulare Demokratie mit allen Rechten auch seiner Minderheiten, insbesondere der arabisch-palästinensischen, umsetzen? Wird es gelingen, dafür eine Verfassung zu entwerfen und verabschieden? Oder werden die Orthodoxen und radikalen Siedler mit ihren Ministern unter Netanjahu die Bedrohung, Entrechtung und Vertreibung der Palästinenser in ihrem Glauben und der Ideologie weiter konsequent verfolgen? Der Kampf gegen das obersten Gericht ist dafür ein Menetekel, die Ziele gehen erkennbar darüber hinaus. Die befreundeten Staaten haben allen Anlass zu versuchen, diese Entwicklung kritisch zu beeinflussen. Bei aller ‚Staatsräson‘ gegenüber Israel, auch Deutschland ist betroffen und darf nicht schweigen. – Detlef Geisendörfer

 

Zu den Berliner Demonstrationsverboten folgende Bemerkungen:

1. Der jüdische Verleger und Buchhändler Joseph Melzer (1908 – 1984) schreibt in seinen Erinnerungen „Ich habe neun Leben gelebt“(2021) auf Seite 103, in Berlin diskutierten die Juden längst vor Hitlers Machtergreifung über das Schicksal der Araber im britischen Mandatsgebiet wegen der zionistischen Einwanderung. Nach Flucht Melzers nach Jerusalem um 1935 berichtet er auf den Seiten 136 bis 145 über die Diskussionen, die der hochgebildete arabische Bürgermeister Raghib al – Nachaschibi mit den Zionisten geführt hat.

2. Victor Klemperer schreibt Anfang Nov. 1933 in sein Tagebuch, er sympathisiere mit den aufständischen Arabern in Palästina. Seine Frau sagt: „Indianerschicksal“. Klemperer hat zeitlebens für den Zionismus keine Sympathie aufgebracht. Der Ausspruch Evas wurde nach 1987 durch die israelischen Historiker Flapan, Sand, Finkelstein, Segev und Pappe bestätigt, die den eigenen Staat nach der Nakba von 1948 mit über 700 000 Vertriebenen und die Besatzung von Westjordanland seit 1967 als kolonialistisches System bezeichneten.

3. Die Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano, jahrzehntelang in Schulen und mit ihrer Musik unterwegs im Kampf gegen den wirklichen Antisemitismus, beschreibt in ihren Erinnerungen, warum ihr Mann und sie nicht in Israel geblieben sind. Nach ihrem Auftritt in unserer Nachbarstadt Lich im Juni 2018 hat sie in ihrem Brief an mich geschrieben: Der Antisemitismus und jeglicher Rassismus muß bekämpft werden. Leider werde ich auch als Antisemitin beschimpft, weil ich gegen die schreckliche Politik in Israel bin. Leider äußert sich unsere Regierung nicht über die dortigen menschenverachtenden Zustände.

Ihre proisraelischen Gewährsleute verniedlichen die gegenwärtigen Bestrebungen der Minister Ben Gvir und Smotrich, die die selbst von der Bundesregierung im Koalitionsvertrag Seite 155 verurteilte Vermehrung der völkerrechtlich verbotenen Siedlungen vorantreiben. In Wirklichkeit treiben sie den MP Netanjahu vor sich her. Zum Terrorismus: Lesen sie bitte, was der Altzionist Simcha Flapan hierzu geschrieben hat. S. Anhang. Vergleich aus der Tierwelt: Bienen und Wespen stechen, wenn sie angegriffen werden, ihre Stiche tun weh, aber töten nicht, und Bienen, die Menschen stechen, müssen sterben. Über Jahrzehnte haben sich Jüdinnen und Juden in Israel selbst und weltweit für Menschen – und Völkerrecht in Palästina eingesetzt, begonnen mit Martin Buber seit 1920, dann Albert Einstein, später Felicia Langer und die schon genannte Esther Bejarano, bis zu Daniel Barenboim heute. Diese Menschen werden durch die deutsche „Staatsräson“-Ideologie schmählich verraten und verkauft. – Ulrich Kammer

 


 

 

Leserbriefe zu „Mehr Anschwung!“ von Johanna Schoener

 

Seit 12 Jahren im Ruhestand – 40 Jahre Leitung von Kindertagesstätten – dieser Motivationsartikel tut immer noch gut und leistet für den Berufsbereich Kindertagesstätte Basis-Aufbauarbeit. – Sabine Knäusel

 

Gratulation zu diesem Artikel mit soviel Lob und Dankbarkeit für Erzieherinnen und Erzieher, Anerkennung für den täglichen unglaublich wertvollen Einsatz für unsere Kinder. Den meisten Eltern oder auch der Gesellschaft ist gar nicht bewusst , was dort alles geleistet wird in allen Bereichen, die dazu führen , ein Fundament fürs weitere Leben zu zementieren. In Ihrem Artikel so detailliert und liebevoll aufgeführt. Danke , in der Hoffnung es kommt bei mehreren Menschen an. – Inge Isele-Joest

 

Selten einen so treffenden Artikel zur derzeitigen Situation in unseren Tageseinrichtungen gelesen. Nach über 35 Jahren als Lehrerin in der ErzieherInnenausbildung kann ich nur bestätigen, was in den meisten Einrichtungen und von den meisten ErzieherInnen geleistet wird. Zur Zeit stimmt eben alles hinten und vorne nicht. Wir kennen für den Kindergarten und die Grundschule die Geburtenzahlen und trotzdem bilden wir für beide Bereiche seit Jahrzehnten zu wenig LehrerInnen und ErzieherInnen aus, denn wir haben auch nicht genügend entsprechende FachlehrerInnen und Dozenten an Kollegs und Universitäten. Ich hätte noch weit über mein Rentenalter hinaus an meiner Schule arbeiten können. Allen in diesen Bereichen Tätigen kann ich nur meinen Respekt zollen und bestätigen, was in diesem Artikel hervorgehoben wird: Die glaubwürdige, liebevolle Arbeit am Kind. Also Arbeit für unsere Zukunft. – Vera Lienkamp-Högn

 

Ja, dem Thema „frühkindliche Bildung“ ist deutlich mehr Anschwung zu wünschen. Vielleicht schafft der persönliche Abschiedsbrief von Johanna Schoener zum Abschluss der Kindergartenzeit ihrer Tochter das, was ihre vielen sachlich anschiebenden Artikel in der ZEIT zuvor leider nicht erreicht haben. Vielleicht kann dieser Brief, der sehr glaubwürdig den großen persönlichen und gesellschaftlichen Wert der pädagogischen Arbeit im Kindergarten zeigt, den notwendigen Wumms im Kanzleramt auszulösen. Damit der endlich das Notwendige tut, so die beliebte Rhetorik des Kanzlers. Die Autorin schreibt auch, wie sie sich dabei ertappt, erleichtert zu denken, nun nicht mehr auf die Kita angewiesen zu sein. Es ist zu wünschen, dass sie sich weiter für die frühkindliche Bildung stark macht. Und dass ihre Tochter so viel Reichtum aufgenommen hat, dass sie in den nun folgenden Mangelwelten weiter gut wachsen kann. Alle, die von dem bisherigen Reichtum unserer Gesellschaft profitiert haben, sollten sich dafür einsetzen, dass in diesen Mangelwelten wieder Reichtum entstehen kann, und sei es nur durch die Stimmabgabe bei den nächsten Wahlen. – Reinhard Koine

 

Schoener, wertschätzender und treffender hätte Ihr Artikel nicht sein können! Balsam und Freude für alle ErzieherInnen, die insbesondere in den letzten drei Jahren der Pandemie an ihre Grenzen kamen. Ich habe 27 Jahre eine Kita geleitet und auch bei uns herrschte dieser von Ihnen beschriebene Geist in der Kita. Kleine Menschen auf dem Weg ins Leben beim Wachsen und Werden zu begleiten, sind die schönsten Aufgaben, denen päd. Fachkräfte in der Regel mit Begeisterung nachkommen. Was Kinder brauchen, kann ich in einem Satz beschreiben: Zuwendung, Aufmerksamkeit, Respekt, Klarheit und Humor, das ist der Dünger für Wachsen und Reifen. Kinder lernen alles im Spiel: Soziales Miteinander, Rücksichtnahme, Gemeinschaft, demokratische Regeln, Meinungsverschiedenheit aushalten, Empathie. Der Personalmangel ist seit Jahren hausgemacht, den es zu bekämpfen gilt, der aber, wie z.B. in NRW, politisch nicht wirklich angegangen wird. Es fehlt der Wille, für die auf dem Papier stehenden Bildungsziele und –Merkmale einzutreten und sie mit allen Mitteln umzusetzen und alles dafür erforderliche zu tun. Handeln statt wohlfeile Reden! Sonst sind gute Kitas bald nur noch mit der Lupe zu finden und dann ist Ihr Abschiedsbrief bittere Realität. – Helga Tillmann

 


 

 

Leserbriefe zu „Meinen die es ernst?“ von Mariam Lau

 

Biedermeierliche Identitätspolitik. Auto/Verbrenner, Atomkraft, Heizungen und FDP: Da geht es viel um Privilegien und Besitzstände, Veränderungsangst und Veränderungsunwillen der Bürger sowie das schlichte Ignorieren wissenschaftlicher Fakten. Biedermeierliche Identitätspolitik nach dem Motto „Ich will so bleiben wie ich bin“ – auch oder gerade wenn sich die Welt aktuell massiv ändert. Wie formulierte es Christian Lindner im November 2017 so trefflich: „Es ist besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren“. Die FDP sollte ergebnissoffen sowohl über das „nicht“ als auch das „falsch“ nachdenken und bitte ihre Konsequenzen daraus ziehen. – Martin Hommel

 

Inhaltlich kann und will ich an Ihrem Artikel gar nichts kommentieren. Eine kleine Korrektur ist mir jedoch als Angestellter eben jener Arbeitgeberin, die Sie als Bundesanstalt bezeichnen, wichtig. Die Bundesagentur für Arbeit ist schon seit 2002 keine Anstalt mehr. Und Frau Nahles damit die Vorsitzende des Vorstands und keine Insassin. – Lothar Glasmann

 

Die FDP mag in geläuterter Mission inhaltlich Boden gut machen. Doch cui bono? Mit dem Aufkommen der AFD sind stabile Koalitionen einstweilen nur noch als GroKo vorstellbar oder als Dreierbündnis mit SPD oder CDU. Wobei die inhaltliche Nähe zu den Konservativen eher weniger bekömmlich wäre, von den persönlichen Animositäten ganz abgesehen. Also reduzieren sich die Optionen auf die Ampel. Eine dort auftrumpfende FDP hätte Profilierungschancen vor allem zulasten der Grünen, an deren Rändern es dann aber weiter bröckeln würde. Eine Dauerbelastung verbunden mit einer Identitätskrise, die zu einem Ausstieg verleiten könnte. Das Ende wäre wiederum die GroKo, die die FDP ins Abseits drängen und in Bedeutungslosigkeit stürzen würde. Vielleicht war es doch kurzsichtig, sich mit der CDU zu überwerfen. – Christoph Schönberger

 

In Miriam Laus Überschrift heißt es: „Einige Jüngere in der Partei wollen das „Vulgärliberale“ abschütteln.“ Ich habe mir die Frage gestellt: Was bleibt dann noch? Der Rechtsphilosoph Christoph Möllers stellt fest : „Schließlich sind wir heute alle Liberale…“ Ich habe mir die Frage gestellt: Wozu brauchen wir dann noch eine Klientelpartei, die mit dem Wort „Freiheit“ im Namen einen idealistischen Anspruch vortäuscht?“ – Sven Herfurth

 


 

 

Leserbriefe zu „Sein Pakt mit dem Turm“ von Volker Weidermann

 

Können Frauen jetzt nur noch als Opfer gedacht werden. Monica Lewinsky als „patient zero“ zu bezeichnen in der me-too Debatte, ist sehr konstruiert. Amerika ist ein sehr wettbewerbsorientiertes Land, da führen Leute auch Listen über die 1000 Dinge, die ich noch in meinem Leben tuen will. Dass Monica Lewinsky den Präsidenten auf dieser To-do Liste hatte und dann auf die Trophäenliste übertragen hat, ist auch ein sehr realistisches Szenario. Danach hat sie darüber auch noch ein Buch geschrieben und wurde Millionärin. Eine sehr amerikanische Erfolgsgeschichte. – Reimer Clausen

 

„Out of the Dark“ – „Into the Light“. Was in Kapital Lettern so in seinem neuen Roman „Noch Wach“ stehen könnte, ist wohl in einem gewissen Sinne auch die Personifikation dieses Benjamin von Stuckrad-Barre. Zugegeben, diese Zeilen, das wissen wir, stammen von Falco und Stuckrad-Barre ist sicherlich weder der Erste noch der Letzte, der sich diesen Song zunutze machen wird. Was aber Stuckrad-Barre mit diesem Lied projiziert, ist seine Aufmerksamkeit, sein Ego, seine Geschichte. Stuckrad-Barre ist ein Star. Er ist der Mann der Stunde, der Mann, der es geschafft hat, Literatur wieder zu einem Ereignis werden zu lassen. Literatur wieder Debatten leben zu lassen. Man möge halten, was man wolle, aber entgegen „Intellektuellen“ der Sorte Juli Zeh, ist Stuckrad-Barre keiner, der da klagt. Vielmehr schafft er es, Gegenwart und Beobachtung, zu einem eigenen Stil zu entwickeln. Einem Stil, der so vieles kann. Und jetzt soll er auch noch Moral können. Und ich mag es. Moral nicht als höchstes Gut, sondern als Erscheinung zwischen Macht, Sucht, Freundschaft und Gier zu sehen. Literarisch wie gesellschaftlich; Stuckrad-Barre schafft Dimensionen. – Raphael Putz

 

Es dürfte Ihnen ja wohl nicht verborgen geblieben sein, dass zwischen dem Hype um die Veröffentlichung des Buchs von Stuckrad-Barre und dem Bekanntwerden der Döpfner-Mails ein Zusammenhang besteht. Selbst wenn Sie das gesehen und in Kauf genommen haben, dass man die Zeit als Handlanger für die Werbetrommel eines Buches sehen könnte: Wäre es nicht Ihre verdammte Pflicht gewesen, auch dann Ihre Entscheidungen für die Publikation des Artikels über Döpfner und des Artikels über das Stuckrad-Barre-Buch Ihren Lesern gegenüber zu begründen? Hätten Sie nicht wenigstens begründen müssen, warum sie möglicherweise den Handlanger-Verdacht in Kauf genommen haben zugunsten der Information der Leser? Dann wäre vielleicht auch die Rezension des Buches selbst weniger blauäugig ausgefallen und hätte vielleicht auch ein etwas anderes Licht auf die Person Stuckrad-Barres werfen können. – H. Pondalek

 

Ein Mann (Autor des Artikels) feiert einen Mann (Autor des Buches) dafür, dass er vom System des (Macht)Missbrauchs gegenüber Frauen profitiert. Finde den Fehler… – Jette Ulmer

 


 

 

Leserbriefe zu „»Russland ist nicht aggressiv!«“ von Götz Hamann et.al.

 

Seit der Öffnung der UdSSR Mitte der 80er Jahre und ihrem Zerfall 1992 kamen ca. 2,3 Millionen Russlanddeutsche in die BRD, in ihre „historische Heimat“ auf Einladung von Helmut Kohl, überaus motiviert ,beglückt durch finanzielle Starthilfen. Im Kopf und vor allem im Herz hatten sie die durch ihre Vorfahren tradierte Vorstellung von einem Deutschland aus dem 19. Jahrhundert und einer Biedermeieridylle: ein geordnetes , sauberes Land, wo nur Deutsche in ihren Familien wohnen, mit festen Strukturen und Rollen, und wo jeder seinen Platz hat, der fleißig und gottesfürchtig ist. Und auch für ihre Kinder sollte gesorgt werden: als Seiteneinsteiger in das deutsche Schulsystem durften sie ihre Muttersprache russisch als 1. Fremdsprache anerkennen lassen, hatten somit theoretisch keine Probleme mit weiterführenden Schulen. Was sie vorfanden war das: ein diverses Deutschland mit unterschiedlichen Ethnien, sich auflösenden Familienstrukturen, politischem und gesellschaftlichem Liberalismus, rivalisierenden migrantischen Schülergruppen. Die unter Stalin grausam verfolgten und in der UdSSR weiter insgeheim diskriminierten Russlanddeutschen erlebten sich in der BRD nach 1989 oft orientierungslos als jetzt „Russen“, ihr erhoffter unbeschwerter Lebensalltag „endlich dazugehören! „war geprägt von Missverständnissen, Vorurteilen, emotionalen Verletzungen. Sozialisiert und geschult im großen Schweigen der UdSSR, zogen sie sich auf das Vertraute zurück: schotteten sich ab, blieben unter sich, sprachen weiterhin ihre Muttersprache, trösteten ihren verletzten Nationalstolz in ihrer verlässlichen, immer besser organisierten russischen Subkultur oder auf russischen Fernsehkanälen. Ist es denn dann überhaupt verwunderlich, dass ein durch den Westen verletzter Putin mit seinem ab 2002 zunehmend aggressiveren Narrativ vom großen und wahren Russland auch in dieser Bevölkerungsgruppe punktet? Und das seit spätestens 2014 ,verlässlich flankiert von der AfD und religiös und emotional unterfüttert von der russisch-orthodoxen und baptistischen Kirche. Endlich Heimat, Nationalstolz inklusive. – Dagmar Hahn

 

Sanften Seelen wie mir sind solche Aussagen sogenannter Russlandversteher*innen nur unbehaglich. Da wird mir gleich flau im Magen. Und darum würde ich auch stets einen großen Bogen um solche Leute tun. Da begegnet einem die Derbheit in Reinkultur. Anders kann ich es nicht formulieren. Wieso sollte ein Schöngeist wie ich es bin, mit solchen Rowdys und Rohlingen gemeinsame Sache machen, geschweige denn ihre aufwieglerischen Nachrichten verfolgen, wenn ich stattdessen doch in der hiesigen Bäckerei sitzen kann? Dort säße ich mit übereinander geschlagenen Beinen an einem Tisch, tränke schwarzen Kaffee & würde im Wechsel dazu einen Bissen von der Nussecke nehmen, dir mir soeben von der lieben Bäckereifachverkäuferin dargereicht worden wäre.

Und außerdem rauchen diese Leute meistens doch Zigaretten, wenn ich das mal ganz voreingenommen sagen darf. Wie würde ich also hinterher bloß den Gestank aus meinen Kleidern bekommen, wenn ich mit ihnen, irgendwo auf einem abgelegenen Parkplatz im Nikotin-Reigen stehen müsste, um dort finst’re Debatten über einen Great Reset abzuhalten. Lächerlich! Soziologe Oliver Nachtwey greift da einen ziemlich guten Punkt auf, wenn er von einer transzendentalen Obdachlosigkeit des modernen Menschen spricht. Es ist noch nicht allzu lange her, da schuftete ich noch als Kaufmann in einem großen Lebensmittelmarkt. Sie können sich gar nicht vorstellen, was für abwegige Sprüche und Sätze ich mir da zuweilen von dem einen oder anderen Kollegen anhören musste. Fern jeglicher Vernunft, dachte ich mir da jedes Mal, sprach es aber nie aus. Wieso sollte ich auch? Mit solchen Hitzköpfen ein Gespräch führen, das würde keinen Sinn machen. Und so ging ich in meiner Pause damals lieber in die Bäckerei, um Kaffee zu trinken und Nussecke zu essen. – Michael Ayten

 

Für Überzeugte und ihre Unterstützer sind Mittler – oder gegensätzliche Positionierungen stets Feind-indoktriniert. Dass ein anderer Schuh daraus werden kann, lesen wir bei Salomo und wird uns Christen des neuen Bundes warm ans Herz gelegt – wohl wissend, wie leicht beeinflussbar wir Streithammel sind, rechthaberisch uniform den Nichtkonformen der Ketzerei zu bezichtigen. Welch mörderischer Virus hat uns Demokraten befallen, einseitig reflektierend den Propaganda-Balken im eigenen Auge nicht zu sehen, polarisiert übererregt und alttestamentarisch Bluträchern die Schwerter zu schärfen? „Alle Menschen werden Brüder“ ist mit „unerfüllbaren“ Vorbedingungen, Häme, Hass und Verachtung kaum realisierbar und vergilt bei Verweigerung anwaltlichen Beistands Unrecht mit Unrecht! Das sollten sich zuvorderst Journalisten zu Herzen nehmen, deren „neutraler“ Zungenschlag in der Berichterstattung keine Zweifel an ihrer „guten“ Gesinnung aufkommen lässt! – Andreas Weng

 

Es gibt gute Gründe, Dinge anders zu sehen als der „Mainstream“. Einen zum Thema ernsthaft recherchierten Artikel stelle ich mir anders vor, als nur Kranke oder Verrückte vorzustellen und zu zitieren. Mit dem Satz „Alle drei erlebten persönliche Krisen, deren Ursachen sie nicht bei sich selber sehen“ denunzieren Sie Andersdenken als persönliches Versagen, als selbstverschuldetes Desaster, als individuelles Fehlverhalten, als subjektives Umdeuten objektiver Evidenz – das finde ich unjournalistisch, unredlich, unergiebig. Wenn wir in der Sache weiterkommen wollen, müssen Sie anders ansetzen. Und noch etwas. Wenn Argumente der Gegenseite immer als Propaganda abgetan werden, können wir gleich aufhören zu reden. Und: Wer in den sogenannten sozialen Netzwerken unterwegs ist, ist selber schuld; als gesellschaftliches, rein quantitatives Phänomen muß man diese Kanäle natürlich ernst nehmen, aber was die Qualität der Beiträge angeht, kann man das vernachlässigen. – Thomas Leschke

 


 

 

Leserbriefe zu „Über ihre Leiche“ von Dietrich Brüggemann

 

Superb, wie Sie hierarchisches Anmaßen im dünkelhaften Bürokratiedschungel schildern. Direkt harmlos sind dagegen die Animositäten der Kunstschaffenden untereinander. Wächst sich doch erst mit institutioneller Inanspruchnahme zeitgeistige Verschlimmbesserungs-Zensur zur Freiheit des Christenmenschen, eines Ochsen im Joch, zu Obrigkeits-Drangsal aus. Bestimmte nicht zu allen Zeiten die Brut der Händler, Wucherer und Verwalter nebst ihren Knechten über die Erzeuger – seien es Bauern, Arbeiter, Sportler oder Künstler? Wer von den wahrhaft Schaffenden fürchtet nicht die Kritik, der gegenüber hoffend willfährig freiwillig gezwungen redigiert wird? Ob Vormärz, die 20er Jahre oder die Frieden – und Freiheits-Euphorie der 68er: stets gebärdeten sich die Konvertiten als zerstörerische Neuerer – ganz nach der trefflichen Analyse von Elias Canettis „Masse und Macht“.

Auch nach Shakespeare und den Sturm und Drang-Jahren griffen die Herrschaften zu, nachdem der phänomenale Freiheitsrausch im Kater radikaler Fackelträger in gottgegebene Recht und Ordnungs-Schemata rückgeführt ward. Das Tempo des „schmutzige Wäsche Waschens“ und die Radikalität, das Kind, sprich: Taten, Ehre und Gewissen der Eltern gleich mit dem Bade auszuschütten, schafften vordem wohl nur die Athener in nie wieder gut zu machender Reue. Optimierungsvehikel selbstgerecht gehässiger Art demontierten, verachtungsgetrieben, stets Achtung, Liebe und Anerkennung, schön verpackt in ideologisiertes Mitgefühl, wie es sich auch im Mainstream-Schlachtruf des „Frieden schaffen mit Waffen“ manifestiert. Als in meinem Beruf randständiger Konzertstimmer war ich Jahrzehnte eng verwoben mit dem Musikbetrieb. Deshalb wundert auch mich alles Menschelnde nicht mehr – obwohl ich mich einer gewissen Verachtung nicht erwehren kann. In dieser Anteilnahme mit Ihnen, Herr Brüggemann, verbunden, grüße ich sie herzlich aus Mannheim! – Andreas Weng

 

Brüggemanns These eines sich selbst anbetenden Narzissmus von Institutionen am Beispiel der Öffentlich-Rechtlichen erscheint mir plausibel, denn sie erinnert mich an ein Erlebnis, das ich als Abiturient vor rund 40 Jahren mit dem NDR nach einer Rockpalast-Sendung hatte: Wenig angetan von dem nach unserem Geschmack leicht gequält-fröhlichen Moderator, schrieb ich einen spöttischen Brief nach Hamburg. Das genügte, den NDR zu einer geharnischten Philippika aus der Feder des Justiziars höchstpersönlich zu veranlassen, um das renitente und undankbare Hörerpack in seine Schranken zu weisen und von künftigen Majestätsbeleidigungen abzuhalten. – Claus Horn

 

Meine Gratulation zu Ihrer Doppelseite Streit! Insbesondere der Artikel von Dietrich Brüggemann ist so köstlich, dass der heutige Tag aus heiterste gelaufen ist! Wegen solchen Artikeln werde ich noch lange Zeit-Leser sein. – Peter Früh

 


 

 

Leserbriefe zu „Auf Abstand gehalten“ von Thomas Fischermann

 

Natürlich ist es begrüßenswert, wenn wir Lehren aus vergangenen Tagen ziehen, insbesondere mit Hinblick auf die russische Energieabhängigkeit und darum nun versucht sind, nicht noch einmal in solch eine Misere zu geraten. Gar keine Frage. Und darum wirbt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen neuerdings auch für ein De-Risking. Das ist im Kern nur richtig und auch nachvollziehbar. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass zwischen uns und China längst eine enge wirtschaftliche Verflechtung besteht. Gerade und ganz besonders auch im Energiesektor. Denken wir nur mal an den Markt für Photovoltaik. Den dominiert China heute, ganz klar. 87% der im vergangenen Jahr nach Deutschland importierten Photovoltaikanlagen kamen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes aus China. Alexander Sandkamp, Außenhandelsexperte am Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) meint hierzu: „Wenn die Einfuhren von dort versiegen würden, dann würde die Energiewende hier erst mal nicht weitergehen.“ Werfen wir ferner einen Blick zum Bereich Seltene Erden. Hier sind wir zu einem nennenswerten Teil ebenso auf China angewiesen. Silizium beziehen wir bspw. zu zwei Dritteln von dort. Herr Fischermann hat es in seinem Artikel bereits angedeutet, was die Hafeneinkäufe angehen. China ist auch eine Seehandelsmacht. Schauen wir uns dies näher an. Die sechs der zehn größten Häfen weltweit sind in China vertreten. Das Land baut unter seinem großen Steuermann – welch treffender Begriff! – Xi Jinping seine maritime Vormachtstellung mit Blick auf ausländische Häfen immer weiter aus. Und so kommt es, dass bereits heute die drei größten europäischen Häfen, namentlich Rotterdam, Antwerpen und Hamburg, jetzt vorsichtig gesprochen, bereits zu einem Teil in chinesischer Hand liegen. Ob als Anteilseigner oder durch eigene Terminals, die es dort betreibt. In Spanien, Frankreich, Italien und anderen Ländern ist China ebenfalls vertreten. Dies ist unter anderem auch auf den Umstand zurück zu führen, dass die Volksrepublik mit seiner New Silk Road respektive Belt and Road Initiative eine wirtschaftliche, aber natürlich ebenso auch geostrategische Politik betreibt, die das Ziel hat, die chinesische Deutungshoheit immer weiter auszubauen und Definitionsmacht zu werden. Manche sprechen dabei auch von der sogenannten globalen Konnektivitäspolitik.

In Xis Außenpolitik geht es vorwiegend darum, die Welt zu chinesischen Bedingungen an China anzudocken anstatt China weiter in die (noch) bestehende liberale internationale Ordnung zu integrieren. Chinas globale Konnektivitätspolitik ist ein Beispiel für den Versuch, ein neues hegemoniales Projekt sowie eine räumliche Neuordnung zu etablieren. Dieses Projekt steht vor allem für eine Verknüpfung von räumlichen Strukturen wie etwa Wirtschaftskorridoren, physischen und digitalen Ökosystemen, Verkehrs – oder Infrastrukturknotenpunkten, Sonderwirtschaftszonen oder weiteren Verbindungen mit verschiedenen technologischen Dimensionen, bspw. digitalen Bezahlsystemen, 5G-Mobilfunknetzwerken oder globalen Energieverbindungen. Eine solche Geopolitisierung räumlich-technischer Strukturen hat das Potenzial, die Geografie der internationalen Politik mittelfristig zu transformieren und teilweise in einem chinesischen Sinne zu prägen. Wir befinden uns also mitten in einem Paradigmenwechsel, einer Phase, in der die liberale internationale Ordnung so langsam ihren Kulminationspunkt überschreitet. Begriffe wie „Zeitenwende“ drücken dies im Kern aus. Sie verdeutlichen: Was vormals galt, gilt nicht mehr. Mit Antonio Gramsci könnte man auch von einem Interregnum der Weltordnungsprechen. Eine Situation also, in der noch nicht absehbar ist, wie die neuen und bestimmenden Ordnungen der Zukunft aussehen werden, weil sich diese gegenwärtig vor unseren Augen gerade noch ausbilden. Wir sehen also, wir leben in einer spannenden Zeit! – Michael Ayten

 

Welche Interessen vertritt Herr Olaf Scholz? Die partikularen Wirtschaftsinteressen der Freien und Hansestadt Hamburg als ehemaliger Bürgermeister oder die gesamtpolitischen Interessen Deutschlands als Kanzler? Ein Untersuchungsausschuss des Bundestages sollte diese Frage bei beiden Problemen, der chinesischen Beteiligung am Kontertainerterminal Toller Ort und bei der Warburg-Bank untersuchen und sich nicht mit Erinnerungslücken abfinden lassen. – Artur Behr

 

Herr Fischermann hat in o.g. Artikel erklärt, was schief läuft mit chinesischen Beteiligungen an hiesigen Unternehmen. War das polemisch, provokant, oder ein Freundschaftsdient für Herrn Grube oder Cisco? – Martin Gaida

 


 

 

Leserbriefe zu „»Es ist wichtig, nicht in Panik zu geraten«“. Gespräch mit Kai Spiegelhalder geführt von Linda Tutmann

 

Überall dräut die Überlastung der Systeme, Pflege, Medizin, Schulen und Kitas, so jedenfalls die öffentliche Wahrnehmung. Ich persönlich wurde Ende der 50 er eingeschult in Frankfurt. In der „Volksschule“ lag bis zum Schulwechsel die Klassenstärke bei 50 ( iW.: fünfzig ). Und wir hatten tüchtige und beliebte Lehrer, die nicht ihre Burnout Syndrome kultivierten (dafür gar keine Zeit hatten) und ihr Dasein mit der christlichen Passion verglichen. Sicherlich haben sich die Anforderungen verändert, aber die weit verbreitete Larmoyanz ist kein guter Ratgeber. – Christoph Schönberger

 

Was mir als langjährig im Schichtdienst und in Teilzeit tätiger Pflegekraft den Schlaf raubt, ist weniger die viele Arbeit am Patienten als das Wirken der eigenen Berufskollegen in höheren Positionen. Da werden Anforderungen gestellt ohne die Voraussetzung zu deren Erfüllung zu schaffen und Dienstpläne geschrieben, die allen Erkenntnissen der Schlafmedizin zuwider laufen (von deutlich geäußerten persönlichen Bedürfnissen ganz zu schweigen) und am Ende wundert man sich über den hohen Krankenstand. Anstatt sich mit dem Thema Machtmissbrauch innerhalb der Pflege auseinander zu setzen, sollen möglichst alle, die mal Pflege gelernt haben, mit politischer Unterstützung in ein Gebilde namens Pflegekammer gezwungen werden, und die Pflegepolitik raubt mir erst recht den Schlaf. – Susanne Sänger

 

Kai Spiegelhalder, Profession Arzt und auch Psychologe, rät, nicht in Panik zu geraten. Ich bin seit 20 Jahren als Pflegekraft auf einer Intensivstation tätig und kann mich an eine Situation der Panik weder bei mir noch meinen Kollegen*innen in Bezug auf Schlafdefizite und deren Folgen erinnern. Aber es gibt sie wohl bei vielen anderen Pflegekräften, die Panik. Hr. Spiegelhalter äußert sich im Interview über Schlafprobleme und deren Folgen und Lösungsmöglichkeiten bei Pflegekräften. Interessanterweise wird dazu keine Pflegekraft interviewt, obwohl akademisch gebildete Pflegende mit Forschungs- und Studienerfahrung, Doktor*innen Titel, Lehrauftrag usw. vorhanden sind. Und somit spricht ein Arzt und Psychologe für Pflegende. Das hat Tradition. In der Einleitung wird auf die Überlastung im Berufsalltag eingegangen, Schlafdefizite und deren Folgen benannt. Die Lösung sind Tipps und ein über ein, zwei oder auch drei Wochen angelegtes spezielles Schlafprogramm. Zitat: „Zeit: Das klingt anstrengend. Spiegelhalder: Das ist es auch.“ Hier anbei das Beispiel eines Schichtplans für Pflegende in Vollzeit für drei Wochen: maximal 7 Tage frei, maximal 60 Stunden Arbeitszeit am Stück, drei Schichten. Der Tag, aus dem die Pflegenden morgens um 6:30 aus der Nachtwache kommen, zählt als freier Tag. Klingt anstrengend. Ist es auch.

Hier ist es interessant, das einer Pflegekraft in einer allgemein anerkannten dauerhaften Überlastungssituation ( fast schon gebetsmühlenartig wiederholt) ein sehr wirksames, wissenschaftlich fundiertes Lösungsmodel aufgebürdet wird, zur Bewältigung ihrer Schlafprobleme und deren Folgen. Und damit liegt die Lösung des Problems Pflegenotstand, Übermüdung, Schlafdefizite und -störungen (gebetsmühlenartig wiederholt) bei den Pflegenden. Klingt anstrengend. Ist es auch. Mein Vorschlag geht in eine andere Richtung. Pflegekräfte werden interviewt, um Lösungsmöglichkeiten ihre Probleme zu benennen, entwickeln und zu verankern. Personalbindung und -erhalt durch ein Gehalt, welches die Arbeitsbelastung und Schichtarbeit wiederspiegelt. Und der Tatsache ins Auge sehen, dass wir als Gesellschaft unseren Beitrag leisten müssen, das „Pflege“ keine günstige Dienstbotentätigkeit mehr ist und das das unbequem ist, weil daraus Folgen erwachsen. Vielleicht entwickelt sich dann das Schlafproblem mit seinen Folgen zurück, die aber leichter von den Betroffenen zu tragen sind. Und trotz allem danke ich Ihnen Hr. Spiegelhalder, für Ihr Engagement und Ihre Lösungsfindung. – Andreas Guse

 


 

 

Leserbriefe zu „Tote Dose“ von Ann-Kathrin Nezik

 

Die Autorin schreibt: „Tupperware steht am Abgrund. Genau wie andere Marken, die sich an eine bedrohte Spezies richten: Die Hausfrau.“ Na denn, es hat sich ausgetuppert. Das wird die Hersteller von Plastii/Elaste nicht freuen. Welche Marken stehen noch am Abgrund? Die Hausfrau auch. Diese Spezies ist auch bedroht. Kein Problem. Das Essen bringt ein Lieferservice und das Putzen macht eine Putzkolonne. Aber Geld muss man haben. Ohne Geld steht man wirklich am Abgrund. – Hans-Emil Schuster

 

Tupperware am Abgrund, Börsenkurs der Weight Watchers abgestürzt, der Umsatz des Tiefkühlkost-Lieferanten Eismann nahezu halbiert. Der Grund dafür sei das Modell Hausfrau. Soweit in aller Kürze die Berichterstattung von Frau Nezik. Bis dahin mochte ich der Darstellung noch folgen. Den Schluss formuliert Frau Nezik so: „Möglich ist aber ebenso, dass Marken, die das Modell Hausfrau noch immer verklären, nun endgültig verschwinden. Für die Emanzipation wären das keine schlechten Nachrichten.“ Meine Frau und ich beziehen Produkte von Eismann, um sie in zeitlichen Engpasssituationen zu genießen. Die Produkte werden von einer jungen Frau ausgeliefert, die möglicherweise ihren Arbeitsplatz verlieren könnte. Das wäre wegen des verklärten Emanzipationsgedanken von Frau Nezik auch nicht schlimm. Die freundliche und zuverlässige Mitarbeiterin von Eismann hatte vermutlich nicht die Möglichkeit wie Frau Nezik, einen Master an der New York University zu absolvieren. Diese abgehobene und wenig durchdachte Berichterstattung nimmt bei ihrer Zeitung zu und gefällt mir überhaupt nicht mehr. – Bertram Schneider

 

Ich denke, die Argumentation, Tupper sei im Niedergang begriffen, da die Zielgruppe „Hausfrau“ nicht mehr genug Zeit hätte für Tupperparties, greift zu kurz. Was ist mit dem Siegeszug des Thermomix, der ja auch auf „Thermi“-Parties verkauft wird? Außerdem gibt es auf Putzmittel-Parties immer noch genug Gelegenheit, Klobürsten für über 40€ zu kaufen. Dabei handelt es sich ja genauso wie bei Tupper um (überteuerte) Produkte, die sich an das althergebrachte Modell „Hausfrau“ wenden. Diese Parties finden im Übrigen abends und am Wochenende statt, so dass auch die lohnarbeitende Frau in ihrer knappen Freizeit daran teilnehmen kann/darf/soll/muss.
Und knappe Freizeit und volle Terminkalender werden scheinbar weniger als Problem angesehen, sondern viel mehr als erwünschtes Statussymbol. Da scheint mir bei Tupper einiges Anderes schief gelaufen zu sein. – Jette Ulmer

 


 

 

Leserbriefe zu „Neun Schluck Wasser“ von Andrea Petkovič

 

Was für eine schöne No-Nonsense geschrieben Kolumne. Die Leichtigkeit und die Art ihrer Erzählung aus dem Alltag, wie sie uns mitnimmt in ihr magisches Denken, ist einfach köstlich. And it made my day. Viele Wege führen zum Erfolg, selbst der Aberglaube, wenn man denn daran glaubt. Ich wünsche mir mehr solcher Artikel von Autoren, die mit Herz und Verstand und mit Hand und Fuss Geschichten aus dem Leben für das Leben schreiben. – Klaus Kuchen

 

Zum Glück hat A. Petkovic am 9. September Geburtstag und nicht – wie meine Tochter – am 29. September. Daher ist diese auch nicht auf das „pragmatische magische Denken“ angewiesen. – Winfried Hesse

 

Nichttennisspieler erfreue ich mich jede Woche an Ihrer Kolumne, verehrte Frau Petkovic. Pragmatisch magisches Denken ist für mich jetzt nachvollziehbarer und besser als mein gelegentlich eruptiv magmatisches. Macht mich auch zugänglicher der Denke meiner Freundin, vieljähriger Tennis-Club-Meisterin. – Ferdinand Kern

 


 

 

Leserbriefe zu „Wer soll das bezahlen?“ von Mark Schieritz

 

Kurz gesagt und geschrieben, wer braucht denn eigentlich niemals Geld auf dieser Welt? Ich brauch auch und immer Geld, woher soll ich es nehmen und nicht stehlen, wenn noch zehn Tage Monat übrig bleiben, aber das Geld bereits alle ist? Wie viele Milliarden dürfen es denn heute sein, Herr Selenskyj? Deutschland, die EU, die USA und Santa Nirgendwo haben schließlich auch nichts zu mehr verschenken! Wie ist es nur bisher der Ukraine gelungen, so lange über die Runden kommen? – Riggi Schwarz

 

Ein Perspektivwechsel eröffnet bekanntlich neue Horizonte. Die Strategie zur Lösung eines Problems, die nicht alle betroffenen Bereiche erfasst, hat geringe Aussichten auf Erfolg. Der russische Präsident hat seine Ansprüche auf Vorherrschaft über die geographischen Nachbarn Russlands öffentlich erklärt. Diese Realität haben vor allem die Polen, Litauer, Letten, Esten und Finnen aus eigener, bitterer Erfahrung verstanden. Verstehen hilft bekanntlich, eine Sache realistisch zu beurteilen. Zum Urteilen gehört m. E., dessen Folgen zu bedenken. – R. Reiger

 


 

 

Leserbriefe zu „»Solche Regime finden ein Ende«“ von Anna Sauerbrey

 

Der Mut des Wladimir Kara-Mursa ist wirklich beachtenswert. Nach zwei Giftanschlägen bietet er dem russischen Despoten Wladimir Putin immer noch die Stirn, kommt immer wieder nach Russland zurück. Puh, wenn ich mir jetzt ausmale, was ihm im Gefängnis bevorsteht, überkommt mich doch ein Schauder. Zwar gehört die Sowjetunion der Vergangenheit an, doch das berüchtigte Netz von Straf- und Arbeitslagern, auch bekannt unter dem Begriff Gulag, existiert noch heute. Erst kürzlich hat der Sender Arte mittels einer Dokumentation hierzu einiges zutage gefördert. Insbesondere was den Umgang mit Häftlingen anbelangt. Harter Tobak, anders kann ich es nicht sagen. Willkür, Schikane, Demütigung und Folter sind dort in diesen Einrichtungen bis heute bewährte Methoden geblieben. Ein Ort des menschlichen Abgrunds, wenn man so möchte. Darum kann ich abschließend für Herrn Kara-Mursa nur das Beste hoffen. Ich wünsche ihm viel Glück! – Michael Ayten

 

Der Stalinismus und dessen Brutalität sind bekannt.. Wer kennt schon heute noch die russische Kulturszene dieser Zeit? Diese brachte ihre Werke in Selbstverlagen heraus und verbreitete sie unter Gleichgesinnten. Das war die geistige Vorbereitung der Perestroika und eine von der Vernunft gesteuerten Politik. Die chauvinistische und imperiale Ideologie con der „russkala Mir“ (Russischen Welt) Putins wird ebenso enden. Das lehrt die Geschichte, nicht nur in Russland. – R. Reiger

 


 

 

Leserbriefe zu „Grenzenlos getrennt“ von Jörg Lau

 

Die Bedeutung der Einladung von Bundespräsident Walter Steinmeier markiert einen weiteren Schritt der Aussöhnung mit unseren Nachbarn. Vor dem Hintergrund des Angriffskrieges rücken die beiden Staaten nochmals zusammen. Polen als eines der größten Länder der EU hat durch den Krieg eine zentrale Bedeutung gewonnen, und damit auch das Verhältnis unserer beider Länder zueinander. Die Aussöhnung der Opfer des NS-Terrors mit den Nachfahren genau dieses Terrorregimes ist einerseits eine großartige Leistung von beiden Völkern, die ein Schuldeingeständnis ohne Wenn und Aber von der einen Seite und ein unzweideutiges Verzeihen der anderen Seite erforderte, andererseits die Voraussetzung und Basis für ein vereintes Europa, das nur so seinem übergriffigen mächtigen Nachbarn Russland die Stirn bieten kann.

So gewinnt die Achse Frankreich – Deutschland – Polen eine enorme Bedeutung. Sie ist die Verbindung zwischen einem militärisch-starken Partner mit Atomwaffenbesitz mit einem wirtschaftlich starken Partner und einem ehemaligen, dem kommunistischen Einflussbereich zugehörigen Staat, der die nötige Sensibilität und das Gespür für die Denk – und Handlungsweise des russischen Machtapparats einbringt, die sich nahtlos an die Zeit des Sowjet-Imperialismus anschließt. Vor diesem Hintergrund muss der Versuch von Macron gesehen werden, ein Stück weit selbst die Verantwortung für die Verteidigung Europas zu übernehmen, nicht als Konkurrent zu den USA, sondern in Kooperation mit ihnen. Vor dem Hintergrund, dass der Wind sich mit einem neuen Präsidenten alsbald drehen könnte und Europa für die USA zu einem unwichtigen Nebenschauplatz werden könnte, wäre eine Stärkung unserer eigenen Verteidigungskraft und einer politischen Eigenständigkeit von zentraler Bedeutung für unseren Kampf um Eigenständigkeit und Demokratie. – Ekkehard Mißelbeck

 

Frank-Walter Steinmeier war zum Jahrestag des Warschauer Ghetto-Aufstandes in Polen: „Ich bitte um Vergebung für die Verbrechen, die Deutsche hier begangen haben“. Der Bundespräsident hat vor Ort der Opfer gedacht und dazu diesen Satz ausgesprochen! Polen will trotzdem weiterhin von Deutschland 1,3 Billionen Euro. Dabei geht es nicht alleine um eine politische Frage, sondern es geht um die Würde Polens, so sagte es der polnische Vize-Außenminister und Reparationsbeauftragte Arkadius Mularczyk. Fast gleichzeitig will Polen vier MiG-29 Kampfflugzeuge, sowjetischer Bauart in die Ukraine liefern, so stellte es der Sicherheitsberater des polnischen Präsidenten Andrzej Duda, Jacek Siewiera, in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur klar. Diese vier MiG-29 sollen nicht aus dem deutschen Schrottlager der Bundeswehr stammen. Polen verbindet einiges mit Deutschland, aber viel Trennendes haben beide Staaten auch gemeinsam. – Klaus P. Jaworek

 


 

 

Leserbriefe zu „Erinnern Sie sich!“ von Ingo Malcher

 

Ja, es gibt gute Gründe den Cum-Ex-Skandal aufzuklären und die Verantwortung von Olaf Scholz transparent zu machen. Allerdings ist das doch eine recht verkürzte Sichtweise: Cum-Ex ist nur der „kleine Bruder“ von Cum-Cum. Bei Cum-Cum war der Steuerbetrug um ein vielfaches höher als bei Cum-Ex, der Schaden für das Land um ein vielfaches größer. Verantwortlich für die Nichtaufklärung von Cum-Cum ist der damalige Bundes-Finanzminister und der hieß Wolfgang Schäuble. Es stellen sich nun 2 Fragen. 1.) woran ist der CDU mehr gelegen: an der Aufklärung des größten Steuerbetrugs in der Geschichte der Republik (Cum-Cum), dann müßte sie bei Wolfgang Schäuble anfangen. Oder geht es der CDU eher darum ihr politisch-programmatisches Vakuum, personifiziert durch den Parteivorsitzenden, vulgo „der kleine Pascha“, zu kaschieren, in dem der politische Gegner vorgeführt werden soll. 2.) Was ist der Grund, daß Ingo Malcher die CDU Initiative zur Aufklärung von Cum-Ex befürwortet, seinen Blick vor Cum-Cum, also dem größeren Betrug, aber verschließt und die Doppelmoral der CDU nicht entsprechend darstellt? – Hans-Jörg Glaß

 

Die Überschrift, dazu im Imperativ, könnte nicht treffender formuliert sein. Was den beschriebenen Skandal angeht, so liegen gewisse Dinge scheinbar noch im Argen. Auch wie Bundeskanzler Scholz plötzlich an Erinnerungsschwund leidet, als er zur genannten Causa befragt wurde, ist bemerkenswert, vor allem aber nur dubios. Falls Herr Scholz sich hier bewusst und aktiv zum Steigbügelhalter von zwielichtigen Geschäften Hamburger Bankiers machte, wird das verheerende Konsequenzen nach sich ziehen. Für den Fall, dass es sich um eine gezielte Hilfestellung, gar Rückendeckung handelt, dann wird das nicht nur für die hanseatische Panzerknackerbande mit einem bösen Erwachen enden. Auch Herr Scholz wäre dann als politisch mächtigster Amtsträger nicht mehr tragbar. – Michael Ayten

 


 

 

Leserbriefe zu „»Sie taten alles, um nicht gestoppt zu werden«“. Gespräch mit Donald Braman geführt von Maximilian Probst

 

Ich drücke Herrn Braman alle Daumen und crosse auch noch alle Finger dazu, dass er die Klage zum Erfolg führt. – Willi Krebser

 

In der ZEIT ist in den letzten Jahren wiederholt darauf hingewiesen worden, dass Shell und weitere Unternehmen Politiker*innen, Journalist*innen und die gesamte Öffentlichkeit über mehrere Jahrzehnte hinweg bewusst und massiv desinformiert haben, um möglichst lange möglichst viel Geld mit der Förderung und Verwertung fossiler Brennstoffe verdienen zu können. Die Unternehmen bzw. die Verantwortlichen in den betreffenden Unternehmen haben um des Profits willen die Klimakatastrophe und damit das Leid und den Tod sehr vieler Menschen ganz bewusst billigend in Kauf genommen. Ich habe mich seitdem immer wieder gewundert, dass – ähnlich wie bei der Tabakindustrie – keine der verantwortlichen Personen jemals dafür zur Rechenschaft gezogen wurde, und hoffe sehr, dass die Prozesse, die Prof. Braman anstrengen will, letztendlich dazu führen, dass Unternehmen von Gesetzes wegen in Zukunft nicht nur dem Gewinnstreben der Eigentümer*innen und Manager*innen, sondern auch dem Gemeinwohl verpflichtet werden und dass diese Gemeinwohlorientierung dann auch eingefordert und durchgesetzt wird. – Ulrich Willmes

 


 

 

Leserbriefe zu „Schwer untermotorisiert“ von Thomas Assheuer

 

Schwer untermotorisiert – oder überdreht? Seit der glorreichen Erfindung des Rades, vor rund 5300 Jahren, dreht sich unser Da-Sein um die Achse des Fortschritts und der Fortbewegung. Geheime Zwänge drängen immerzu in die Ferne. Wir müssen uns bewegen, weil Bewegung Autonomie verheißt. Grenzenlose Freiheit aber kann auch in Unverantwortlichkeit umschlagen. Raketen streben in den Weltraum, sie suchen nach einer zweiten Erde. Flugzeuge und Schiffe verbinden Kontinente miteinander. Autos zwängen sich durch kollabierende Städte, um gestresste Menschen an Arbeitsstellen, Kindergärten, Supermärkte und Badeseen zu karren. Dieser Bewegungswahn wird weiterhin unsere Luft verpesten, unseren Lebensraum verengen, die Natur zerstören. Dieses auch, wenn neue Technologien das Gegenteil versprechen. Nachhaltigkeit in der Autoindustrie kann zum „postoperativen“ Ereignis mit ungeahnten Komplikationen werden, wenn Vernunft durch Technologieversessenheit überschattet wird. Mobilität soll aber gleichermaßen, so rufen es die Halbgötter der Autoindustrie aus ihren Elfenbeintürmen herab, Individualität, Mobilität, sogar Lebensglück, bescheren. Die Verliebtheit in das heilige „autonome Blech“ zuweilen wirkt wie eine Droge. Sie ist selbstzerstörend und realitätsverfremdend. Der Organismus Erde wird sich irgendwann vom Raubbau seiner intelligenten Bewohner befreien und erholen. Der Mensch selbst wird dies erst dann tun, wenn er die exzessive Abhängigkeit von der Technik überwunden haben wird. Wenn er wichtige Entscheidungen nicht allein dem Elektronenhirn und schon gar nicht einer industriegelenkten Politik überlässt. Solange „Mensch“ aber durch politische Entscheidungen dort sein muss, wo er nicht hin will und das Paradies anstrebt, welches er mit einem Fahrzeug niemals erreichen kann, werden seine kläglichen Bemühungen, zwischen Fortschritt, Wohlstand und Lebensqualität zu unterscheiden, auf der Achse der Unvernunft immerfort ins Leere drehen – und überdrehen. – Bernhard W. Rahe

 

Ich finde diese Autofahrerei ja schon ziemlich lange einfach nur schrecklich. Vor allem aber laut, nur laut! Gerade dann, wenn man als Fußgänger auf den schönen Trottoirs europäischer Großstädte zu promenieren beabsichtigt. Zuhause war einem noch ganz köstlich zumute gewesen, als man die briefliche Korrespondenz Friedrichs und Voltaire studierte. Kaum setzt man einen Fuß hinaus, vergeht einem doch glatt der Spaß bei all dem Lärm. Mit Flanieren und Lustwandeln ist dann erst mal nix mehr. Und auch das Hochgefühl ist dann verflogen. Wonnetrunken hinaus gestapft, verdrießlich wieder hinein. Schade! Schon lange träume ich von autofreien Städten. Vielleicht werden meine Träume ja eines Tages erhört. Lärmend laute Autos sind bescheuert! – Michael Ayten

 


 

 

Leserbriefe zu „Wie geht Liebe?“ von Britta Stuff

 

Vielen Dank für dieses in Text und Fotos ergreifende Stück Journalismus. Endlich mal wieder ein Artikel von gesellschaftlicher und ethisch-humanitärer Relevanz in der Rubrik Entdecken. – Sabine Oehle

 

Berührt und mit großem Respekt habe ich den Artikel über die Mutter und ihre Tochter Lena gelesen. Das nächste Gefühl war die Scham. Scham für das, was Lena und ihrer Mutter häufig entgegenschlägt. Es ist ohnehin schon schwer und dann wird es durch Bürokratie, das Fehlen von adäquaten, gut zugänglichen Hilfen und Unterstützung sowie herabsetzenden Umgang noch schwerer gemacht. Allermeist aus Unkenntnis, Unerfahrenheit, Unachtsamkeit. Das macht es verständlich, aber entschuldigt es nicht. Lena ist in besonderem Maße auf Aufmerksamkeit, Fürsorge und Unterstützung angewiesen – rund um die Uhr. Sie kann sich kaum mitteilen, nicht wehren. Es ist ein glücklicher Umstand, letztlich wohl das von Ihnen erwähnte „Zeichen der Zivilisation“, dass die Mutter die Aufgabe, die ihr mit der Geburt ihrer Tochter zufiel, annehmen konnte, gewachsen ist an ihr. Und dass sie sich darüber hinaus engagieren konnte, anderen Betroffenen eine Stütze sein konnte. Es ist aber sicher auch eine große Last. Diese wäre bestimmt leichter zu tragen mit mehr Unterstützung und mehr Respekt und Wohlwollen der Tochter gegenüber durch ihr Umfeld. Damit wird die auch in der ZEIT häufig diskutierte Frage berührt: Wie wollen wir als Gesellschaft mit den Schwächeren umgehen? Mit Kindern, alten Menschen, körperlich oder psychisch kranken und behinderten Menschen, sozial schwachen, in Armut lebenden Menschen? Denjenigen, die am meisten beeinträchtigt sind, steht die beste Versorgung zu.

Die Realität ist häufig eine andere. Mit einem Wimpernschlag könnten wir, könnten unsere Kinder so hilflos und so beeinträchtigt und auf Fürsorge angewiesen sein wie Lena. Ich schäme mich heute noch dafür, dass ich – als ich vor bald 30 Jahren eine Krankenpflegeausbildung machte – zu Beginn meines Einsatzes auf einer Pflegestation, auf der schwerst beeinträchtigte Kinder und Jugendliche lebten, an deren Lebensqualität zweifelte. Und anfangs Probleme hatte mit der Versorgung großer Jugendlicher mit Windeln und Magensonde und ungewöhnlichem Aussehen. Die folgenden Wochen waren mir eine Lehre. Ja, diese Kinder und Jugendlichen hatten Lebensqualität – eine ganz andere als „gesunde“ Kinder und Jugendliche. Und sie waren liebenswert und sie waren schön und sie bekamen etwas mit von ihrer Umgebung und sie konnten sich ausdrücken. Anders, als wir es gewohnt sind. Wir mussten genau hinschauen und hinhören. Ihre Würde hing mit ihrer Versorgung zusammen. Sie konnten nicht selbst für sich und ihre Würde sorgen.

Beeinträchtigte Menschen sind angewiesen auf andere Menschen, welche ihnen die Unterstützung geben, die sie brauchen. Auch Eltern, Geschwister, Kinder und Freunde, die sie lieben und sich verantwortlich, aber häufig auch überlastet fühlen. Wenn sie sehen, dass ihr*em Angehörigen, ihr*er Freund*in Respekt entgegengebracht wird, er bzw. sie liebevoll, fürsorglich und fachgerecht behandelt und in der Persönlichkeit und den Eigenheiten gesehen und gefördert wird, dann können z. B. Eltern zumindest ein bisschen von dem spüren, was Eltern von weniger beeinträchtigten Kindern zum Beispiel bei Kita-Festen oder der Einschulung erleben dürfen – Freude und Stolz. Ich würde der Mutter gerne sagen: Lena findet es gut so. Es ist ihr Leben. Das steht mir aber nicht zu. Die Mutter kennt Lena am besten und wird bestimmt in vielen Momenten wissen: Lena ist umsorgt und behütet, sie wird geachtet und geschätzt. Ihr Leben ist wertvoll. Genauso wertvoll wie das eines jedes anderen Menschen. – Sabine Müller

 


 

 

Leserbriefe zu „Über den Weltmeister im Heiraten“ von Harald Martenstein im ZEIT Magazin

 

Ein Artikel über einen Artikel — Content fertig. – Polina Dekarz

 

Bei der Lektüre Ihrer Kolumne vom 13. April stellten sich mir mal wieder viele Fragen – unter anderem, wo Sie als Journalist eigentlich die letzten Jahre so waren, wenn Sie im Jahr 2023 plötzlich von gendernden Menschen überrascht werden, aber allen voran die Folgenden: woher kommt diese Angst vor Gerechtigkeit? Und glauben Sie wirklich, Ihnen wird auf Ihre alten Tage noch etwas weggenommen? Ich studiere ein Studium, das Sie vermutlich Pseudowissenschaft nennen würden, und gehöre wohl zu dieser seltsamen neuen Generation, die ab und zu auch außerhalb von Spiegelei und Verein einen Glottisschlag einbaut. Einige machen dies inzwischen im Schlaf, andere denken mal daran und mal nicht, alle tun dies, weil sie Respekt vor anderen Menschen haben, aber niemand, wirklich niemand spricht so viel und leidenschaftlich darüber wie Sie. Unseren Gesprächen können wir ganz hervorragend folgen, sogar wenn mal nicht gegendert wird, und ein politisches Bekenntnis haben wohl die wenigsten im Sinn. Womit Sie Recht haben: die Welt ist ganz schön kompliziert. Aber wissen Sie was? Sie müssen sich gar nicht ganz alleine darum kümmern. Es gibt wirklich viele kluge Menschen mit weniger Angst und mehr Mitmenschlichkeit, denen Sie einfach mal zuhören könnten, statt weiterhin Ihre Kolumnen zu schreiben – an neuen Themen scheint es langsam ja sowieso zu mangeln. Dann würden Sie zum Beispiel lernen, dass die sogenannte Gendersprache gar nicht so neu ist, wie Sie zu denken scheinen, und viele andere müssten seltener darüber nachdenken, ob sie das ZEIT Abo nun behalten wollen oder nicht. – Naomi Karmann

 


 

 

Leserbriefe zu „DIE FARBEN DER WELT“ von Osma Harvilahti im ZEIT Magazin

 

Sie schrieben in ihrem Bildband im Zeitmagazin, dass die Hauptstadt von Äthiopien Bahir Dar sei. Die eigentliche Hauptstadt Äthiopiens ist aber Addis Abeba, die in der Landesmitte liegt. – Felix Schwarm

 

In o.g. Ausgabe ist mir in der Reportage von Osma Harvilahtu auf dem Foto aus Äthiopien ein Fehler aufgefallen: Bahir Dar ist nicht die Hauptstadt von Äthiopien, sondern die Hauptstadt der Provinz Amhara. – Brigitte Pauli

 


 

 

Leserbrief zu „PROMINENT IGNORIERT. Am Fluss“ von USTO

 

Da diese Jugendlichen sicher lieber die Leute sehen als das Wasser, könnte man doch eine Bank wenigstens so stehen lassen. Jedenfalls ist dann die Möglichkeit zu wählen! – Christiane Palese Hagelloch

 


 

 

Leserbrief zu „Ein Päckchen Macht“ von Robert Pausch

 

Mal sehen, was der Presserat zu Katja Kippings Umzugskartons sagt. Schon ein bisschen auffällig. – Thomas Manthey

 


 

 

Leserbrief zu „»Er hat was Dummes gemacht«“ von Paul Middelhoff

 

Ich kann mich hier Herrn Middelhoff nur anschließen. Wenn die Amerikaner jedes Mal so einen großen Wirbel um ihre eigene nationale Sicherheit machen, wieso ist es dann möglich, dass jemand, der in einer US-Militärbasis arbeitet, Informationen handschriftlich aufschreiben und diese dazu noch ganz unbehelligt aus der Basis hinausschmuggeln kann? Finden beim Verlassen der Basis denn keine strengen Kontrolluntersuchungen wie Leibesvisitationen statt? Natürlich mögen solche Prozesse für uns Normalbürger*innen makaber klingen, aber in einer military base sollten doch andere Sicherheitsvorkehrungen herrschen, insbesondere im Hinblick auf die national security. Das wäre doch nur naheliegend, oder etwa nicht? – Michael Ayten

 


 

 

Leserbrief zu „Torten der Wahrheit“ von Katja Berlin

 

Seit Jahren freue ich mich jede Woche auf die „Torten der Wahrheit“. Heute waren sie wieder bester Journalismus: genau hinschauen/hören, zusammenfassen und dann präsentieren. Ohne langes Geschwätz. Toll. Großes DANKE an Katja Berlin. – Peter Imhof

 


 

 

Leserbrief zu „Letzte Ausfahrt Gräfenhausen“ von Jonas Schulze Pals

 

Es hat natürlich etwas Befremdliches, wenn da auf einmal paramilitärische Einheiten aus einem schwarzen Panzerwagen steigen. Was sollten die tun? Den Fahrern wenn nötig durch Gewaltanwendung ihre LKWs abnehmen? Das sind ja mal zweifelhafte Methoden. Anders kann ich es nicht sagen. In Deutschland wäre das unvorstellbar. Herr Mazur soll gefälligst dafür Sorge tragen, dass die Fahrer ordnungsgemäß nach Vertrag bezahlt werden. Andernfalls wird er sich künftig wohl oder übel damit abfinden müssen, dass da noch einige Streiks auf ihn zukommen werden. Aber dann bitte nicht wieder mit schwarz vermummten Leuten auftauchen, Herr Mazur. Das war nur peinlich, Sie Möchtegern-Vin Diesel. – Michael Ayten

 


 

 

Leserbrief zu „»Andere rennen uns davon«“. Gespräch mit Uwe Lauber geführt von Marc Widmann

 

Schafft sich Herr Lauber ab? Herr Lauber hat seine Schäfchen im Trockenen. Aber seine Angestellten nicht. Er kann in seinem Ferienhaus im Ausland es genießen und zusehen. Ist es nicht Aufgabe eines Managers sich um die Angestellten und Dienstleister zu kümmern? Eine Seite Grünsprech in der Zeit! Wo war seine Stimme bei der Abschaltung der klimaneutralen Atomkraft oder beim Ausbau der Wasserkraft am Lech? Wenn Deutschland sich von klimaneutralen Energieformen abwendet, dann ist die Folge Deindustrialierung. – Martin Fehringer

 


 

 

Leserbrief zu „ZEIT für Geld“ von Mona Linke

 

Wieso müssen es denn Aktien sein? Sie gehen aber gleich scharf zur Sache. Wenn Sie sich damit kaum auskennen, dann lassen Sie die Finger davon. Spareinlagen bringen auch nichts. Die Zinsen tendieren gegen Null. Was Sie an Geld übrig haben zu Hause sammeln in einem Safe. Aktien kann man nicht essen. Bargeld lacht, auch in miesen Zeiten. – Hans-Emil Schuster

 


 

 

Leserbrief zu „Willkommen im Club“ von Yannick Ramsel

 

Bald sollen in Deutschland Cannabis-Vereine erlaubt sein. Andere Länder haben damit Erfahrungen gesammelt-nicht nur gute“ heisst es im Untertitel. na sowas, nicht nur gute. Cannabis ist ein Rauschgift. Und jetzt soll in Deutschland gedopt werden?. Aber im Verein. Und fällt dir garnichts ein, dann gründe ’nen Verein. Bleibt aber trotzdem Rauschgift. Und solle nicht erlaubt sein. Nikotin und Alkohol sind auch giftig, und nicht verboten Rauchen und besoffen sein ist des Menschen Sonnenschein. Und der Staat kassiert kräftig mit. Das Zeug ist teuer mit hohen Steuern. Aber Cannabis ist von anderer Qualität. In einer anderen Liga. Also weg damit. Nach Cannabis kommt dann wohl Koks, Heroin, Opium; LSD und anderes Leckeres. – Hans-Emil Schuster

 


 

 

Leserbrief zu „Wird Hollywood stillstehen?“ von Katja Nicodemus

 

In den USA droht ein Streik der Drehbuchautoren erklärt der Untertitel. Hollywood wird nicht stillstehen und die Drehbuchautoren werden nicht streiken. Sie müssen ihre plotd und gags und Drehbücher auf den Filmmarkt werfen. Papier kann man nicht essen. Von wegen, Streik. Und wenn, dann erhöhen MGM und die anderen Filmemacher eben die Honorare. Oder der Staat greift ein. Hollywood ist eine Ikone der USA. – Hans-Emil Schuster

 


 

 

Leserbrief zu „»Man möchte da unbedingt rein“. Gespräch mit Jacques Herzog geführt von Dirk Peitz und Tobias Timm

 

Kleine Nachfrage zum exakten Wortlaut im benannten Interview: Hat J.H. in seiner Antwort auf die erste Frage wirklich gesagt: „Die *untypische* Form des Hauses wird jetzt noch deutlicher erkennbar.“ Nach meinem externen Verständnis hätte es doch eigentlich *urtypisch* heißen müssen, oder? Vielleicht mögen Sie das nachträglich nochmal prüfen, ob J.H. nun denn wirklich *untypisch* gesagt hat, oder ggf. sich ein Fehlerteufel eingeschlichen hat … – Karl Gloria Streuner

 


 

 

Leserbrief zu „»Wie findet ihr das, ihr Schnuckelhasen?«“ von Jens Balzer

 

„Ich hab´ vorhin ein Schnitzel gegessen mit Gurkensalat. Und der Gurkensalat war musikalischer als Du!“ (Spruch von Dieter Bohlen, *1954, deutscher Musikproduzent, Komponist, Songwriter & Sänger). Das mit der Musikalität, das ist halt so `ne Sache! Ob diese wohl der Bieter Bohlen besitzt? Gut das mit der Musik ist eben auch nur reine Geschmackssache, jedoch kann ich wenig bis gar nicht mit der Musik von Modern Talking bzw. Dieter Bohlen anfangen! Nicht so unbedingt mein Ding! Udo Lindenberg, sang und singt von: „Mein Ding“, ob er damit die Musikalität von Dieter Bohlen meint, das weiß ich nicht, das ist mir aber auch egal! Jetzt geht Dieter Bohlen auf große Tour durch Deutschland und fast kein Hahn kräht nach ihm! Auch eine übergroße Klappe kann nicht unbedingt vor einer riesengroßen Flop auf offener Bühne schützen! Schadenfreude kommt mir trotzdem nicht hoch! – Klaus P. Jaworek

 


 

 

Leserbrief zu „Vier Serien für den Frühling“ von Sinem Kiliç et.al.

 

Dieser Leserbrief ist untypisch in der Art, dass ich den Artikel überhaupt nicht gelesen habe. Warum? Weil ich gar nicht in Versuchung geraten möchte Sky, WOW, Netflix oder Apple TV zu abonnieren. Schade das sie Werbung für diese Dienste machen und keine einzige Serie von ARD / ZDF / 3Sat oder Arte erwähnen. Auch diese Sender sollen ab und zu gute Serien anbieten. – Oliver Wedlich

 


 

 

Leserbrief zu „David Hugendick entdeckt: Folgekosten“

 

Haben Sie noch nicht im ZEIT Shop nach einem sprossenfähigen, schaumlosen Entsafter geschaut? Achso: Sie können mit Geld umgehen. Dann würde ich davon eher abraten. Aber vielleicht bietet der Shop gerade einen Rabatt auf Plutonium. – Thomas Manthey

 


 

 

Leserbrief zu „RICHTIG GUTE LEUTE“ von Gabriel Proedl

 

In New York war ich auch, letztes Jahr. Yoga machte ich aber nicht, obwohl ich auch in Harlem unterwegs war. Viel lieber beobachtete ich ganz klammheimlich die Dealer und Pimps, die auf den viel zu breiten Boardwalks ihren zwielichtigen Geschäften nachgingen. Yoga also nein. Dafür aber besuchte ich die berühmte Clinton Street Baking Company weiter südlich in Brooklyn. Zuhause in Deutschland hatte ich mir im Vorfeld auf YouTube oft Videos dazu angesehen. Da würde ich hingehen, wenn ich nach Big Apple käme, versprach ich mir hoch und heilig. Zunächst musste ich 30 Minuten auf einer Parkbank warten, bis ich dann endlich die SMS erhielt, dass nun Platz frei geworden war. Ich ließ mich nicht zweimal bitten, stand auf, ging hinein, setzte mich dort an den Tresen, orderte schwarzen Filterkaffee, der mir gleich nach zwei Schlücken wieder aufgefüllt wurde, und aß dazu French Toast, Brioche French Toast, with caramelized bananas, roasted peacans, with warm maple butter. So steht’s auf der Karte. Sehr lecker war’s, doch, doch. Neben mir saß ein junger Mann aus Japan. Der hatte sich gerade Eggs Benedict bestellt und machte mit seinem Smartphone erst mal Fotos davon. Als ich mit dem leckeren, amerikanischen Schmaus fertig war, dachte ich nicht im Ansatz daran, nach der Rechnung zu bitten. Stattdessen ließ ich mir noch die Pancakes bringen. Die müsste ich definitiv probieren. Vorher würde ich das Lokal nicht verlassen. Pancakes with warm Maple Butter; choice of blueberries, banana walnut, or chocolate chunks. Ich nahm die mit den Blaubeeren. Die Frühstückskuchen schmeckten wie nicht von dieser Welt. Ein dreifaches Hurra auf den amerikanischen Pancake! – Michael Ayten

 


 

 

Leserbrief zu „Was ich gern früher gewusst hätte“ von Mario Adorf im ZEIT Magazin

 

Dieser „Super“-Mario Adorf, der hat mir, als Schauspieler, schon immer sehr gut gefallen, und da besonders in der Rolle des Fabrikanten Haffenloher in der Fernsehserie „Kir Royal“ aus dem Jahr 1986 mit meinem, seinem Lieblings-Spruch: „Isch scheiß disch so was von zu mit meinem Geld!“ Das ist doch Klasse, oder? Jetzt sagt er mehr im dezenten altersreifen Ton: „Man braucht Geld, aber man sollte es nicht lieben!“ Auch gut, wenn man genügend davon hat! – Riggi Schwarz