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07. Juni 2023 – Ausgabe 25

 

Leserbriefe zu „Informieren, nicht indoktrinieren“ von Chantal Awassi und Marcel Machill

 

1) Bei allem Bemühen um Objektivität: Der/die Schreiber sind immer „drin“. 

2) Eine Schnurre von Mark Twain dazu, dass die Leute dazu neigen, alles zu glauben, was/weil es „in der Zeitung steht“:

Er erzählte seiner Wirtin von einem schrecklichen Ereignis, das sich in der Stadt zugetragen habe. Sie glaubte das nicht. Er: „Es steht aber in der Zeitung.“ Sie: „Ach so, dann glaube ich’s.“ Er: „Ich hab’s geschrieben.“ – Christine Preyer

 

Ich bekomme „Die Zeit“ immer von meiner Nachbarin, nachdem sie sie gelesen hat. Vor einiger Zeit meinte sie mal, es täte ihr leid, dass ich dadurch die Zeitung immer erst verspätet lesen könne. Meine Antwort darauf war: „Das macht nichts, es ist ja nur eine Meinungs- und Kommentarzeitung. Da kommt es auf Aktualität nicht so an.“ Ich war – und bin es eigentlich immer noch – der festen Überzeugung, dass „Die Zeit“ vor allem und in erster Linie Meinungen schreibt. Als reines, neutrales Informationsmedium habe ich sie noch nie betrachtet. – Sylvia Brinkmeier

 

In den allen Medien findet aber auch noch ein ganz anderes „Framing“ statt. Medien beschreiben in vielen Artikeln wie wichtig freiwillige Ansätze im Klimaschutz sind, im kleinen, als Individuum, aber auch im großen wie Gemeinden, Konzerne oder Organisationen. Sehen sie zum Beispiel den Leitartikel von Merlind Theile über die DGE. Aber was tut der Verlag „Die Zeit“? In jeder Ausgabe bewirbt er ganzseitig und vielfach Zeitreise-Auktionen, interkontinentale Reisen, Kreuzfahrten, Zeit-Luxus Editionen, Luxus, Koffer, Mode, Autos, usw. Undanks der zunehmenden Katastrophen lässt der Verlag nicht davon ab, an Verkauf und Werbung für die größten individuellen Klimasünden Geld zu verdienen. Das Reise- und Werbegeschäft von Verlagen oder Medienhäusern konterkariert jeglichen Effekt der Klima-journalistischen Arbeit.. „Ach, solange „Die Medien“ noch Kreuzfahrten verhökern, kann es doch noch gar nicht so schlimm sein, wie die Journalisten schreiben, sonst würden sie das doch nicht mehr tun.“ So oder ähnlich ist doch der „Gesamteindruck“, der nach dem Lesen der Zeit bleibt. Die Journalisten mögen sich „neutral“ verhalten, die Medienhäuser stiften uns jedoch ganz klar zum individuellen klimaschädlichsten Konsum an. Journalisten streiten darüber, ob ein freiwilliger Verzicht etwas bringt oder nicht. Dass Ihr Verlag oder Medienhaus erst noch auf ein Werbeverbot für klimaschädliche Werbung wartet, verschweigen Sie uns. Warum sollen wir dann den ersten Schritt tun? – Klaus Siersch

 

Dieser Beitrag war überfällig. Vielen Dank dafür. Ich ärgere mich schon lange über unnötige Adjektive, mit denen vermeintlich neutrale Pressemeldungen und Artikel eindeutig gefärbt werden. Beispiele: Gesellschaften sind „tief“ gespalten, Menschen scheitern immer „krachend“, Fachkräfte werden natürlich „händeringend“ gesucht. Aus Krisen werden gerne „Katastrophen“ gemacht, sei es bei Klima, Bildung oder Migration. Und natürlich wird auf deutschen Autobahnen ausschließlich „gerast“. Wenn auch seriöse Medien glauben, immer schriller werden zu müssen, um sich durchzusetzen, darf man sich über die Eskalation in vielen Diskussionen nicht wundern. – Thomas Meichle

 

Mit Freude habe ich eben den Politikteil Ihrer aktuellen Ausgabe gelesen. Als letztes hat mich der Artikel von Chantal Awassi und Marcel Machill „Informieren, nicht indoktrinieren“ sehr beschäftigt, spricht er doch ein Thema an, das allenthalben in der Medienlandschaft zu beobachten ist. Ich stimme dem Artikel auch zu, dass die fehlende Trennung von Bericht und Meinung wesentlicher Grund für mein kontinuierlich schwindendes Vertrauen in die Medien ist. Leider ist diese Tendenz auch in Ihrer aktuellen Ausgabe, genau eine Seite zuvor im Artikel „Zu nah?“ von Ulrich Ladurner zu finden. Das Thema des „Artikels“ hätte ich mir entweder als wertungsfreie Berichterstattung oder als Meinungsartikel bzw. im „Streit“ gewünscht. Die Frage des Umgangs mit rechts-/populistischen Parteien in Europa und der Trennung zwischen rechts und rechtsradikal ist meines Erachtens zu gewichtig für unser allenthalben angegriffenes freiheitliches, demokratisches System und vor allem die weitere Entwicklung in Europa und der EU, als dass sie so unsauber abgehandelt wird. Warum nicht eine neutrale Berichterstattung und zwei unterschiedliche/kontroverse Kommentare/Meinungen? Anderes Thema: Auf S.10 im „Streit“ fehlt mir zur Ampelkoalition noch die vierte mögliche Sichtweise (alle drei und die Dreierkoalition als solche sind das Problem) und hätte ich mir dazu noch einen Beitrag gewünscht. Dies nur als wohlwollende Anmerkung eines langjährigen und jede Woche gerne lesenden Abonnenten. – Andreas Bauer

 

Ausgerechnet Ihr „Streit-Artikel“ über die Vermischung von Nachricht und Wertung erzeugt in mir eine ungeheuer positive Wertung, ein wahres Glücksgefühl. Schon lange beobachte ich, wie auch in grundsätzlich seriösen Medien, ob im Printbereich oder auch in Funk und Fernsehen, schleichend die Trennung von Nachricht und Kommentar aufgehoben wird. Keine Nachricht ohne „Haltung“. Ich erlebe allzu oft, dass dieser Prozess mir in privaten, wie auch öffentlichen Runden die Argumentation für seriöse Medien, auch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, erschwert, ja unmöglich macht. So stehlen sich Medien aus ihrer, nicht zu Unrecht immer wieder hervorgehobenen, Verantwortung für unsere Demokratie. Angesichts der Verbreitung des „Haltungs-Journalismus“ scheint Ihr Ansatz ein Kampf gegen Windmühlen zu sein. Dennoch, er muss geführt werden. Ich wünsche Ihnen Kraft und Fortune dazu. – Bernhard Busch

 

Das ist aber schön, dass Sie einen Zustand anprangern, der sich in der gesamten Medienlandschaft seit langem breit macht. Nicht nur bei der „Lügenpresse“, auch bei der altehrwürdigen ZEIT. Das Framing ist noch viel verbreiteter als der falsche Konjunktiv und das Vermengen von Nachricht und Kommentierung. „Umstrittene“ Politiker wie Palmer, „Politiker, die nicht mit 100 % Zustimmung gewählt wurden“, werden mit Unterton gleich negativ eingefärbt. Also ich bin froh, dass es die gibt. Weniger allerdings froh, dass Staaten “ ohne großes Aufheben“ Milliarden Waffen liefern, andere wie „wir“ dagegen nur „mickrige“ Mengen schenken. Aber es gibt noch was schlimmeres. Das Glaubensbekenntnis! Kritik an das Umfeld von Selenskyi scheint nur dann nicht mit dem Attribut „Russenfreund“ oder bestraft, wenn man vorher nicht wieder zum X-ten Mal Putin wegen seines „völkerrechtswidrigen“ und brutalen Angriffs verdammt. Mach ich doch gerne, aber man erlaubt mir, immer auch das andere Auge zu benutzen. Kriege sind übrigens alle völkerrechtswidrig und inhuman. – Wolfgang Frings

 

Ja, die Analyse des Journalismus durch Awassi und Machill finde ich zutreffend und die beschriebene Entwicklung ist schädlich für die Medien wie für die Leserschaft. Der spürbare wachsende Anteil subjektiver Wertungen durch inhaltliche Priorisierung und durch Wortwahl geht auf Kosten von Nachricht, Information, sachlichem Bericht und distanzierter Reportage mit dem Ziel, freie Meinungsbildung zu ermöglichen. Im Rahmen der Demokratisierungsbemühungen nach 1945 hatten die US-Besatzungsoffiziere die Lizenzierung deutscher Zeitungen an die strikte und deutlich erkennbare Trennung von Nachricht und Kommentar gebunden. Heute ist von dieser Trennung allgemein nicht mehr viel zu sehen. Was lange das Alleinstellungsmerkmal der Bild-Zeitung war, nämlich der Versuch, mit einer Zeitung jeden Tag Politik zu machen, droht endemisch zu werden. Vielleicht sehen aufstrebende Journalist*innen von der Politikredaktion über das Feuilleton bis zum Sportteil ihre berufliche Erfüllung und ihr Karriereziel immer weniger im nüchternen, trockenen Bericht oder der erhellenden, alle Seiten beleuchtenden, freilich auch mühsamen Reportage, sondern in der Edelfedern-Kolumne oder im suggestiven Leitartikel, der einen Knall, eine politische Zeitenwende oder zumindest einen Schulterschluss mit der Leserschaft bewirken soll. Oder ist diese Entwicklung nur eine gut gemeinte Antwort auf das gewachsene Orientierungsbedürfnis des Publikums in unsicheren Zeiten? – Peter Sinhart

 

Die Aufforderung von Chantal Awassi und Marcel Machill spricht mir aus der Seele und hält die Hoffnung in mir am Leben, dass es doch noch ein paar aufrechte Geister in unserer Medienlandschaft gibt. Schon seit längerem fallen mir immer mehr Artikel (auch in der der ZEIT) auf, die diesem Bild vom Framing entsprechen. Man blättere in der aktuellen Ausgabe nur 1 Seite zurück zum Artikel „Welche Ampel-Partei ist das Problem?“ Schon der Titel birgt das angesprochene Framing in sich. Im Artikel „Die SPD!“ findet sich dann der Satz: „So will er, der selbst er­nann­te Kli­ma­kanz­ler, den An­schein er­we­cken, die Ar­beit der Grü­nen gleich mit­er­le­di­gen zu kön­nen; so in­sze­niert er sich gern als Mann der Zu­kunft, wenn er vom so­ge­nann­ten Deutsch­land­tem­po spricht.“ Welch Zufall; hier finden wir die Begriffe „selbst ernannt“ und „sogenannt“ in einem Atemzug. Ich will diesen Satz jetzt nicht auseinandernehmen, wie ich mir das von den Studenten in der Studie wünschen würde, aber die Behauptung, der Kanzler hätte sich selbst zum Klimakanzler ernannt, hätte ich doch gerne belegt. Falls dieser Beleg nicht erbracht werden kann, könnte diese Aussage auch als „Lüge“ eingeordnet werden. Dieser ganze Artikel von Jana Hensel erfüllt für mich nicht die Anforderungen, die ich an einen neutralen objektiven und gut recherchierten Journalismus stelle. Sicher, er steht unter dem Label „Streit“, aber er liefert keine Fakten oder Argumente, sondern lediglich unbelegte Behauptungen – wenn Sie so wollen Gerüchte – und eine Meinung, wie ich sie in der Formulierung eher an einem Stamm- oder Café-Tisch erwarten würde. 

Insofern spiegelt sich – meiner Meinung nach – hier die Entwicklung unserer Gesellschaft auch in den Medien wider. Meinung sticht Faktum und besser schnell und ungefiltert per drag and drop abgeschrieben als selbst kritisch recherchiert und formuliert. Aber wer ist schuld an dieser Entwicklung? Ein Frage wie nach dem Huhn und dem Ei. Was war zuerst da? Die Gier der Menschen nach Sensations- und Katastrophenmeldungen, die mit reißerischen Überschriften versehen sind oder der Wettlauf der Medien mit immer mehr Superlativen (gigantisch, mickrig) die Aufmerksamkeit im Dschungel der Texte auf sich ziehen zu müssen, um wirtschaftlich überleben zu können. Bekommt hier der Kunde/Leser im Prinzip genau das, was er bestellt? So wie in der Werbung: Bikinifigur in 3 Tagen – ohne Verzicht. Wer seine (mündigen) Interessenten nicht belügt, gewinnt sie nicht als Kunden? Ich weiß es nicht, finde die Entwicklung aber mehr als bedenklich. Insofern freue ich mich über jeden Artikel, der wenigstens den Versuch unternimmt zu relativieren, zu objektivieren und Fakten zu liefern, mit denen ich mir ein eigenes Bild machen kann. So wie in der ebenfalls aktuellen Ausgabe 25/2023 auf Seite 7: „Arbeitet nur die Hälfte der Geflüchteten? […] die Wahrheit ist komplizierter.“ von Anna Mayr und Mark Schieritz. Vielen Dank dafür. – Wolfgang Faust

 

Der o.a. Beitrag im Ressort Streit darf nicht unwidersprochen bleiben: Unter Berufung auf die Ergebnisse eines „Forschungsseminars“ an der Universität Leipzig lesen Chantal Awassi und Marcel Machill der crème de la crème des deutschen Journalismus von tagesschau.de über die ZEIT bis zur Welt die Leviten. Und offenbaren dabei eine kommunikationswissenschaftliche Naivität, die ich eher bei „Lügenpresse“-Schreiern vermutet hätte. Gleich das eingangs zitierte Beispiel belegt das: Die Bezeichnung von Boris Palmer als „umstritten“ rücke „die betroffene Person in Misskredit, jede weitere Aussage und Aktion kann leicht angezweifelt und kritisiert werden“. Tatsächlich? Bedeutet „umstritten“, dass hier ein Mensch oder eine Handlung fahrlässig? heimtückisch? zu allgemeiner Kritik und Abwertung freigegeben wird? Persönlich mögen die AutorInnen das so verstehen. Aber verstehen das alle so? tagesschau.de könnte dagegen halten, „umstritten“ bedeute bloß, dass über Boris Palmer in der Öffentlichkeit zur Zeit heiß diskutiert wird – eine Interpretation, der ich und vermutlich auch viele andere Menschen sich anschließen würden. Awassi/Machill übersehen nicht nur in diesem Beispiel gleich zwei Grund-Sätze der Sprach- und Kommunikationswissenschaften. Erstens: Jeder Mensch hat eine eigene Sprache, und niemand kann für sich beanspruchen, dass dieser „Idiolekt“ der einzig richtige und für alle anderen verpflichtend sei. Zweitens: Kommunikationsprozesse verlaufen keineswegs nicht einseitig vom Sender zum Empfänger verlaufen; das Verständnis des oder der Empfänger spielt dabei aktiv mit, so dass Je nach ihren oder seinen (sprachlichen) Vor-Erfahrungen, Werten und Einstellungen eine Botschaft hier und da womöglich ganz unterschiedlich ankommt. Bei Awassi/Machill dagegen erscheinen Zeitungsleser wie Fernsehzuschauer als wehrlose Opfer raffinierter Einflüsterer per framing. „Eine weitere psychologische Perfidie des Framings liegt darin, dass unsere Gehirne keine Distanzierungen von Aussagen registrieren – ob es das obligatorische Fragezeichen am Ende einer kontroversen Aussage ist oder…“ Unser Gehirn? Offensichtlich funktioniert für Awassi/Machill eins wie das andere.

Klar: Journalisten machen Fehler, das kommt in den besten Redaktionen vor. Und es stimmt, dass viele Bundesbürger den Medien nicht mehr vertrauen. Doch der Zusammenhang, den Awassi/Machill dazwischen herstellen, ist zweifelhaft. Wie, zum Beispiel, passt es zusammen, dass viele unter den lautstarken Klägern über die „Lügenpresse“ gleichzeitig absurdesten Verschwörungstheorien anhängen? Und: Auf der Rangliste des öffentlichen Ansehens, das Berufsgruppen genießen, fanden Journalisten sich immer schon ganz unten wieder; möglicherweise spiegelt sich darin weniger die mangelhafte eigene Leistung als der Verruf als „vaterlandslose Gesellen“ und „unsichere Kantonisten“, den Deutschlands autoritäres Erbe kritischen Geistern gerne anhängt. Was Awassi/Machill als Heilmittel empfehlen, klingt denn auch fast wie eine Festrede auf den Verlautbarungsjournalismus, den Machthaber aller Art so sehr lieben: „jeglichen Einschlag von Meinung, Wertung und Beeinflussung radikal aus der Berichterstattung zu verbannen“? Viele LeserInnen der ZEIT oder der Welt werden sich bedanken – sie erwarten von ihren Blättern eben nicht nur „reine Fakten“ (was immer das sein mag), sondern gerade auch Einordnungen. (Insofern findet das allererste Framing immer im Kopf der LeserInnen statt – schon bei der Entscheidung für ein Medium.) Auf die Forderung nach dem „aufrichtigen Versuch“, als Journalist neutral zu bleiben, könnte man sich einigen; allerdings klingt sie im Zusammenhang dieses Textes reichlich populistisch, und die Formulierung macht misstrauisch – ein einfacher „Versuch“ hätte doch auch genügt… Oder soll das „aufrichtig“ – Achtung, Framing! – vielleicht andeuten, dass viele Journalisten diesen Versuch eben nicht oder jedenfalls nicht „aufrichtig“ unternehmen?

Ein Beispiel dafür, wohin der geforderte „reine Fakten“-Journalismus führen kann, lieferte drei Tage nach der Veröffentlichung in der ZEIT das Halbzeit-heute journaldes ZDF. Gemeldet wurde eine Demo von 13000 Menschen gegen das geplante Heizungsgesetz der Bundesregierung – okay. Aber dann: Markus Söder habe die Bundesregierung, insbesondere die Grünen, heftig kritisiert – stimmt, aber wo ist der Neuigkeits- sprich Nachrichtenwert? Die Redaktion (kein Vorwurf übrigens, der Zeitdruck bei einer Nachrichtensendung in der Pause eines Fußballspiels provoziert solche Fehler!) adelt hier eine Veranstaltung, die in der Rede von Hubert Aiwanger jedes Stammtisch-Niveau locker unterbot („Ihr habt’s wohl den Arsch offen da oben.“), zu einem wichtigen Beitrag in der politischen Diskussion. Eine kritische Bewertung der Nachricht entfällt mangels Zeit; als Zuschauer erfahre ich weder etwas über den Charakter der Veranstaltung noch über die sachlichen Argumente der Protagonisten. Das Ergebnis ist – Framing. – Josef Pütz

 

Chantal Awassi und Marcel Machill fordern für Nachrichtentexte eine rein faktenbasierte Berichterstattung. Ihr eigener Artikel ist natürlich selbst kein Nachrichtentext, aber ich habe trotzdem ein ungutes Gefühl bei Formulierungen wie „Der Leser wird nach dem Einstieg durch einen solchen Frame zu der Sichtweise verleitet, die Politik des Präsidenten sei illegitim.“ Wird hier nicht auch, genau wie bei den kritisierten Texten, durch Framing der Eindruck erweckt, eine in Wirklichkeit komplexe Situation sei eindeutig? Wer ist denn „der Leser“ – jeder Leser und jede Leserin etwa? Der Singular in Verbindung mit dem generischen Maskulinum klingt jedenfalls sehr homogen und universal. Und die fragliche Sichtweise wird dem Lesepublikum nicht etwa nur nahegelegt, sondern „der Leser“ wird dazu „verleitet“ – gemäß Duden-Definition also tatsächlich dazu gebracht, sich diese Sichtweise zu eigen zu machen. Ist das aber wirklich so? Ich habe eher den Eindruck, hier wird spekuliert, überspitzt und verallgemeinert. – Susanne Hagemann

 

Ich freue mich sehr über Ihren Artikel. Sie treffen damit absolut den Nagel auf den Kopf! Ein Tiefpunkt der Berichterstattung in der von Ihnen beschriebenen Form hat der Journalismus während der Coronakrise erreicht. Schade, dass Sie nicht einige Bespiele aus dieser Zeit gewählt haben. Damit könnte man ganze Bücher füllen! – Martin Krivacek 

 

Die Ausführungen zum Thema Framing sind gut und wichtig. Die Umsetzung der beschriebenen Ziele ist jedoch nicht leicht, wie der Artikel selbst zeigt. Der erwähnte Gegensatz zwischen „konservativ“ und „progressiv (fortschrittlich)“ trifft nicht zu. Das riecht nach Framing. Auch Konservative wollen Fortschritte, nur evtl.. nicht dieselben. – Siegfried Rose

 

Wenn „Framing“ im Journalismus und in den sozialen Medien so viel Erfolg hat, sagt das auch viel über den Zustand einer Gesellschaft aus. Die Aufgabe des klassischen Nachrichtenjournalismus ist natürlich die faktenbasierte und sachliche Information. Für eine freiheitliche Gesellschaft unerlässlich und über dieses hohe Gut sollte sich eigentlich jeder freuen. Denn nur so wird man in die Lage versetzt, sich eine eigene Meinung zu bilden, keine große Weisheit. Leute, die meinen, kein Vertrauen mehr in die Medien zu haben, können dies häufig gar nicht begründen. Womöglich die Folge eines unreflektierten Medienkonsums, speziell in den sozialen Medien, die zwar eine Unmenge von Informationen liefern, aber viele Fragen offenlassen und nicht beantworten können. Leute, die von „Lügenpresse“ reden, vertragen ohnehin nur Nachrichten, die in das eigene Weltbild passen. Sie wollen nicht mehr sachlich informiert werden, sondern suchen die Selbstbestätigung. Ein seriöser Journalismus muss hier gegenhalten und darf sich niemals dazu verleiten lassen, sich diesem Zeitgeist anzupassen. Es gibt immer noch genug Menschen, die guten Journalismus zu schätzen wissen, „Framing“ ist dabei ein No-Go und am Ende häufig sowieso durchschaubar. Ein außerordentlich wichtiges und informatives Essay. Dass die ZEIT es veröffentlicht hat, obwohl sie hier auch nicht ganz ungeschoren davonkommt, zeugt davon, dass sie ihre Aufgabe kennt. – Regina Stock

 

Ganz herzlichen Dank für den Beitrag von Prof. Dr. Machill über die journalistische Selbstherrlichkeit und den steten Versuch Deutscher Redaktionen, Meinung zu machen. Ärgert mich schon länger. – Torsten Frieboese

 

Der Artikel spricht mir aus der Seele! Schon lange ärgere ich mich immer wieder über unsachliche, tendenziöse Berichterstattung, auch im öffentlich rechtlichen Rundfunk. Es beginnt bereits bei der Wortwahl in den Nachrichten: In politischen Gremien wird nicht diskutiert, sondern „gestritten“, oder es gibt „Krach“. Wenn eine Partei eine demokratische Wahl verliert, dann hat sie eine „Klatsche“ bekommen usw. Diese Liste lässt sich leider beliebig fortsetzen. Bei RTL oder Bild ist man nicht verwundert, diese Sendungen kann man meiden. Dass auch der von mir eigentlich sehr geschätzte WDR nicht differenzierter und sachlicher informiert, halte ich für eine sehr gefährliche Entwicklung. – Heidi Jurgenowski

 

In dem Artikel wird zurecht auf das Problem des Framings hingewiesen. Wie schwer dies allerdings zu vermeiden ist, zeigt meiner Meinung nach der Untertitel. Die Formulierung „Allzu oft liefern Journalisten in Nachrichtentexten…“ (Hervorhebung von mir) ist in meinen Augen auch ein Beispiel für die kritisierte Entwicklung. – Clemens Bakalara

 

Der Beitrag von Chantal Awassi und Marcel Machill spricht mir aus der Seele. Ich habe selbst einige Semester Journalismus (in den USA) studiert und verinnerlicht, dass Nachrichten „neutral“ sein müssen. So sensibilisiert beobachte (und bedauere) ich schon seit Jahren die Auflösung der Grenzen zwischen Nachricht/Kurzmeldung/Bericht und den zahlreichen anderen journalistischen Darstellungsformen (Kommentar, Reportage, Feature …). Sprache ist Macht! Und seriöser Journalismus sollte im Angesicht der (anti)sozialen Medien umso mehr auf die ureigenen Kriterien achten. Das Ranwanzen an den Zeitgeist der Kommunikation mag kurzfristig erfolgreich sein (Leserschaft), langfristig wird er sich so selbst abschaffen. – Bettina Nellen

 

Ihre Ausführungen zum Thema “Framing” haben mir voll aus der Seele gesprochen. Vielen Dank dafür. Mir fällt in diesem Zusammenhang immer häufiger auf, dass die Mehrzahl Ihrer Kollegen in den Medien es total übersehen, was ihre wirkliche Aufgabe ist: Uns Leser und Zuhörer zu informieren und mit Nachrichten und Hintergründen zu versorgen. Mit der Zeit hat sich diese Aufgabe des Journalismus immer mehr in eine persönliche Meinungsmitteilung des jeweiligen Autors gewandelt. Ist das so vielleicht sogar gewollt? Noch eins. Geradezu wie die Faust auf’s Auge müssen Ihre Ausführungen die Kollegin Petra Pinzler Seite 10- “Die FDP!” getroffen haben. Diese trieften ja nur von “Framings”. – Felix Hellweg

 

Auf den ersten Blick würde man Ihren Ausführungen sicher zustimmen. Bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass ein wichtiger Aspekt gar keine Beachtung von Ihnen fand: Welche Informationen werden überhaupt verbreitet? Schon in der Vorauswahl aus der Nachrichtenflut liegt ja gewissermaßen eine Indoktrinierung. Und wer mit welchem Interesse erstellt überhaupt Nachrichteninhalte? Dann stellt sich noch eine grundsätzlichere Frage: Wenn z.B. die BILD Framing bis zum Erbrechen betreibt, „seriöse“ Medien aber die Inhalte in Wattewolken verpacken würden, was bliebe dann beim Großteil der Bevölkerung hängen? Moralische Siege sind in der Lebenswirklichkeit meist nicht viel wert. Die Förderung der Medienkompetenz sehe ich als eine der dringendsten Aufgaben unserer Zeit. – Horst Winkler

 

Ich habe den Artikel zu dem Thema Framing begrüßt. Nicht, dass mir der Inhalt neu wäre – die mitgelieferte Wertung bei der Schilderung von Sachverhalten ist mir seit längerem bei Zeitung, Radio oder TV/ digitaler -Berichterstattung mißliebig aufgefallen. Ich verstehe nicht den Sinn, wie schon die Autoren schreiben, möchte ich mir meine Meinung selbst bilden. Menschen mit einer evtl. zu Extremen neigenden Haltung werden durch vorgegebene Wertungen schon zu Widerstand angeregt – anstatt dass man sie öffnen könnte für Themen. Ich würde mir wünschen, dass seriöse Medien auf eine wertfreie Berichterstattung vertrauen können. Wenn ich persönlich mich zu Themen äußere, sortiere ich beim durchlesen meines Textes gerne schon gesetzte Adjektive wieder aus, und merke die Verbesserung. – Karen Niebeling

 

Der oben genannte Artikel von Chantal Awassi und Marcel Machill spricht mir aus der Seele. In dem Artikel wird nur fast ausschließlich auf die journalistischen Mängel der Print Medien, Ausnahme „die Tagesschau“, hingewiesen. Dieses lässt sich, ohne Ausnahme, auf alle Medienbereiche ausweiten. Mithilfe diesem, nur so nebenbei eingestreuten, Vokabular bedienen sich Radio/ TV Anstalten und wie im Artikel erwähnt, auch die Print Medien. Ich betrachte dieses „Werkzeug“ als Machtmißbrauch und bewusster Beeinflussung des Volkes und damit auch des Wählers. Besonders auffällig wird gegen die jetzige Ampel Regierung indoktriert. Es werden falsche Aussagen in Talk Shows von Lanz, Will und Co. bewusst mehrfach wiederholt und somit der Bürger nicht informiert sondern maximal negativ beeinflusst. Das treibt das „Volk“ mehr und mehr in Richtung AfD. Ich wünsche mir auch mehr neutrale Berichterstattung und nicht eine Demontage der Demokratie durch diese Art von Journalismus. Wir leben in einer Zeit der maximalen Veränderung und wir sollten dafür offen sein. Vielen Dank an Chantal Awassi und Marcel Machill. Seit langer Zeit wieder ein Artikel der auf die erste Seite der Zeit hätte stehen müssen. – Ludger Kuppens Groot

 

Wer sich als vierte Gewalt versteht, will natürlich walten, will seinen Beitrag leisten, um die Demokratie zu stärken. Das dies im Nachrichtenjournalismus jedoch bedeutet, gerade nicht zu walten und auf Wertungen und Haltungsbekundungen zu verzichten, ist die Kernbotschaft dieses Beitrages. Und sie kann in ihrer Bedeutung gar nicht hoch genug eingeschätzt werten. Leider greifen die Autoren selbst zu einem Frame, mit welchem sie ihr Anliegen gleich wieder ausbremsen. Unsere „Indoktrinierbarkeit“ wird als eine Funktion des Gehirns dargestellt, welches für Manipulationen anfällig sein soll. Damit wird eine gefährliche Entwicklung einer, von allen geteilten Kommunikationskultur – simsalabim – unter die Schädeldecke gezaubert. Nun sind es aber Nachrichtenjournalisten, die „framen“, oder deutsche Jugendliche, die den Medien absichtliche Manipulation unterstellen, und nicht deren Gehirne. Wer alles immer gleich bewerten muss, nicht mal eine Minute zuhören kann oder 5 Sätze am Stück lesen mag, wer sich nur für das „Wichtigste“ interessiert und dies möglichst in einer Schlagzeile, am besten zu einem Schlagwort reduziert präsentiert haben möchte, ja, der wird framen und der wird auch auf solche Deutungsrahmen gut ansprechen. Das ist leicht zu erlernen, wenn man in eine solche Kultur hineingeboren wird. Die Erkenntnisse der Hirnforschung werden viel zu oft missverstanden und suggerieren, über den Deutungsrahmen „Gehirnfunktion“, ein Problem des Individuums (und dessen Gehirn), wo wir doch eigentlich unsere Kultur und unsere Vorstellungen über Gesellschaft und Zusammenleben kritisch in den Blick bekommen müssten. – Jürgen Pilz

 

Ihr Beitrag hat mir aus der Seele gesprochen – vielen, vielen Dank! Endlich wird einmal thematisiert, dass viele JournalistInnen entweder unwillig oder unfähig sind zwischen Fakten und ihren Meinungen zu unterscheiden. Anscheinend besteht ein grosses Bedürfnis die eigene Haltung mit einzubringen, anstatt den LeserInnen die Fakten zu liefern, die sie brauchen, um sich ein eigenes Bild zu machen. Nichts gegen Kommentare – aber dann bitte als solche gekennzeichnet und nicht unter dem Vorwand versteckt Informationen zu liefern. Vielleicht ändert sich jetzt etwas – aber optimistisch bin ich nicht. – Sabine Möhler

 

Den von Chantal Awassi und Marcel Machill gegenüber den Medien formulierten Anforderungen stimme ich durchaus zu. In der Hoffnung freilich, dass der gemeine Medienkonsument das eigene Denken, Abwägen und Meinungsbilden noch nicht gänzlich eingestellt hat. – Matthias Bartsch

 

Frau Awassi und Herr Machill haben vollkommen recht! Und nicht nur dadurch verlieren für mich Journalisten, Moderatoren und artverwandte Personen immer mehr an Wertschätzung. Auch mit Ihrer tatkräftigen Arbeit an der Verhunzung der deutschen Sprache mit so Worten wie „Focus“ in all seinen Verwendungen, „Kontex“, oder Performen, und vielen anderen, so als gäbe es dafür keine Worte in unserer Sprache. Dass für neue Entwicklungen in Technik und IT neue Worte gefunden werden müssen, auch aus anderen Sprachen ist damit nicht gemeint. Und jetzt ein weiterer Angriff durch „Gendern“, ungeachtet dass eine große Mehrheit der Deutschen das ablehnt. Wenn ich eine Wahl hätte, würde ich die Tageszeitung, und auch „Die Zeit“ abbestellen, aber wenn ich weiterhin Gedrucktes auf Papier haben will, habe ich kein Wahl. – Willy Klein

 


 

 

Leserbriefe zu „Welche Ampel-Partei ist das Problem?“ Streit von Jana Hensel und Martin Machowecz und Petra Pinzler

 

Die Antwort darauf zu finden ist eigentlich ganz einfach, das Politbarometer und die laufenden Wahlergebnisse in Bremen, Berlin und SH geben die Stimmungslage der Wählerinnen wieder und ganz besonders zwischen Ost – West. Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre …… Wahlkampf und Profilierung findet dann statt – wenn die Angst mit „Partei – Rhetorik“ zur Verunsicherung beiträgt und in eine Richtung ein beispielloses Medienspektakel entfacht wird. Ein „Koalitionsvertrag“ reicht nur für die Regierungsbildung – danach bleibt der beim Wählerinnen ungeliebte Streit nicht aus – das nennt man streitbare Demokratie ein Ringen um den Kompromiss- egal ob dieser das Problem besser löst oder auch nicht. Demokratie ist eben nicht alles – regieren bringt häufig nur die zweitbeste Lösung hervor. – Thomas Bartsch Hauschild 

 

Die Grünen haben in der anfänglichen Regierungszeit angesichts veränderter Prioritäten (Krieg in der Ukraine, Sicherung der Energieversorgung) nahezu alle ihre Überzeugungen zurückgestellt, auch im Vertrauen darauf, dass die Ampel dann wie vereinbart den menschengemachten Klimawandel als zentrale Aufgabe gemeinsam angeht. Aus diesem übergreifenden Projekt haben sich SPD und FDP bewusst kalkuliert verabschiedet und überlassen den Klimaschutz gezielt den Grünen, um dieses Thema zur eigenen Entlastung zu marginalisieren, die Grünen in der Isolation kleinzukriegen und deren Protagonisten in der Regierungsarbeit systematisch scheitern zu lassen. Die von Martin Marchowecz getroffene klischeehafte Bewertung der Grünen entspricht genau dem von SPD und FDP herbeigeführten Bild: Die Grünen als ideologisch verbohrte Partei, die mit anmaßendem Pathos, inkompetent und blind für die Belange der Bürger agiert. Die FDP hat diese negative Imagebildung mit Vorsatz und der Kanzler – in bewusster Vernachlässigung der Führungsaufgabe – mit grober Fahrlässig betrieben. Kleingeistig nehmen es SPD und FDP den Grünen offenbar übel, dass sie sich bei den großen Herausforderungen eben nicht klischeekonform verhalten haben, sondern staatstragend, pragmatisch, regierungskompetent, effektiv, führungsstark und koalitionsvertragstreu. Perfide, wenn SPD und FDP die Grünen nun für die stark angewachsenen Zustimmungswerte der AfD verantwortlich machen. So schaden sie weiter der eigenen Regierung, dem Klimaschutz, dem Transformationsprojekt und der Demokratie. Wie lange noch geben sich die Grünen dafür her? – Reinhard Koine 

 

Das renitente Verhalten der FDP entspringt ihrem Selbsterhaltungstrieb. Nach verlorenen Wahlen und den erodierenden Umfragewerten waren der unsinnige Atomausstieg und das Heizungsdiktat quasi ein Geschenk , um Punkte zu sammeln. Wäre die Partei schlicht dem Koalitionsvertrag gefolgt, wo ja schon alles fixiert war, würde sie die 5 % von unten sehen. Problematisch wäre ihr Verhalten, wenn es rein destruktiv wäre. Doch vom Veto vor allem gegen Habecks Parforceritt profitiert die ganze Gesellschaft und nicht zuletzt auch die Ampel . Viel paradoxer und gefährlicher ist die Widersprüchlichkeit im grünen Weltbild. So wird die carbonfreie Zukunft ohne belastbare Ressourcenabschätzung entworfen, der 2. Schritt vor dem 1., oder das Atomaus im Tausch gegen dreckigen Kohlestrom. Ein Vabanquespiel für eine entwickelte Volkswirtschaft, in der sich bereits Deindustrialisierungstendenzen abzeichnen. Gut, dass es noch ein Korrektiv in der Regierung gibt. – Christoph Schönberger

 

Die 101 Fragen der FDP. Fragen sollte man immer. Aber um das Gebaren der FDP beim Ringen um ein wichtiges Gesetzesvorhaben innerhalb der Ampelkoalition einordnen zu können, benötige ich keine 101 Fragen. Folgende wenige Fragen sollten genügen:

  1. Warum lassen sich Leute in höchste Ämter wählen, um dann doch nur Spaß zu haben am Mobbing gegen die, mit denen gemeinsam Verantwortung für das Staatsganze zu tragen wäre? Auf Schulhöfen geht es oft ähnlich zu – mit maliziöser Freude unreifer Knaben am Peinigen anderer.
  2. Wäre es von der mitregierenden FDP nicht ehrlicher, endlich das heimlich Geglaubte auszusprechen: Vom Menschen verursachten Klima-Wandel gibt es nicht; Klimapolitik ist „Klima-Blabla“? Als Bürger wüsste man, woran man ist, wenn man zur Wahlurne geht.
  3. Wie staatsmännisch ist es, sich gemein zu machen mit der Boulevard-Presse und den ewigen Ignoranten?
  4. Wie nehmen sich diese Neu-Liberalen aus vor der liberalen Ahnenreihe eines Friedrich Naumann, eines zum Versöhner gewordenen Gustav Stresemann, eines hochgebildeten Weltbürgers Theodor Heuß, einer unerschrockenen Hildegard Hamm-Brücher oder eines aufrechten Gerhard Baum, ganz zu schweigen vom einstigen Aufbruch mit den „Freiburger Thesen“?
  5. Meint diese Partei wirklich, dass man „mehr Profil zeigt“, wenn man sich ränkereich ausgerechnet bei der Lösung unseres größten Überlebensproblems verweigert?
  6. Zum Thema Technologieoffenheit: Glaubt man allen Ernstes, dass Kernfusion, verbunden mit der Bändigung eines Millionen Grad heißen Plasmas, demnächst unsere Energieprobleme ein für alle Mal lösen wird? Wo bleibt die wissensbasierte Grundeinstellung, die in einer liberalen Gesellschaft Standard sein sollte?
  7. Ist der Wirtschafts-Partei immer noch nicht aufgefallen, dass auch die Wirtschaft inzwischen auf mehr Tempo in Transformationsfragen drängt?

All das fragt sich einer, der einstmals vor vielen Jahren viel ehrenamtlich verbrachte Freizeit dieser Partei geschenkt hat. – Ulrich Mohr

 

Während SPD und die Grünen eher von handwerklichen, jedoch das Volk nervenden Mängeln geplagt sind, gilt bei den Liberalen dramatischeres. Der narrative FDP-Coup eines Liberalismus hat sich inzwischen als eine „Revolution der Reichen gegen die Armen“ geoutet, in der alles zur Ware wird. Die Pflege aktueller Krisennarrative zur Zersetzung der soziokulturellen Verwurzelung einfacher Menschen, ihr privates Leid bis hin zur Verletzung ihrer Souveränität wird für die „Wiederherstellung monetärer Bonität“ hingenommen. Die heutige FDP ist mehr als eine Gefahr für unsere Demokratie. – Jürgen Dressler 

 

Ich muss zugeben, dass alle drei Standpunkte gewisse Wahrheiten in sich tragen und sich auf bemerkenswerte Weise ergänzen. Das Resultat ist ein beeindruckendes Gesamtbild, wie ich finde. Von der beschriebenen hanseatischen Reserviertheit des Kanzlers über die grünen Heilsbringer bis hin zu den machtbewussten Freien Demokraten rund um ihren Parteivorsitzenden Lindner, der als CEO der Brand FDP seine gelben Karten kalkuliert ausspielt, und sich dabei auf ein loyales Gefolge von treu ergebenen Geschäftsleuten und Vertrauten wie Mathias Döpfner verlassen kann. Selbst ein Gordon Gekko würde zweifellos seine Sympathie für die Liberalen bekunden, vorausgesetzt natürlich, dass es ihn gäbe. Stellen wir uns nur vor, wie er an einem lauen Sommerabend den Strand von Bridgehampton auf Long Island abläuft und mit seinem klobigen Mobiltelefon mit schwarzer Antenne ein Arbeitsgespräch mit dem deutschen Finanzminister führt. Zum Schluss eine kleine Ode an den Mammon von der schwedischen Pop-Band ABBA. – Michael Ayten

 

Und schon wieder Schuldzuweisung! Wir sollen uns doch öfter in der Spiegel anschauen, bevor wir anderen die Schuld geben. – Thomas Walter

 

Bei der letzten Bundestagswahl 2021 erreichte die SPD noch 25,7 %, die Grünen 14,8 % und die FDP beachtliche 11,5 % der Stimmen. Wären nächsten Sonntag Bundestagswahlen sähe es für alle 3 Ampelparteien vermutlich ganz anders, nämlich wesentlich schlechter aus. Die CDU/CSU wäre mit Sicherheit wieder die stärkste Partei im Bundestag. Über die AfD redet man besser nicht -sie ist für die politische Landschaft Deutschlands ein peinliches Ärgernis -und damit leider auch ein Armutszeugnis für ihre Wähler. Die Linke hat nur dann noch Unterhaltungswert, wenn die politisch leicht verwirrte Sahra Wagenknecht wieder mal von sich reden macht. Die Kanzlerpartei SPD mit Olaf Scholz als Regierungschef wirkt zuweilen unbeholfen oder schlimmer noch, unfähig, der Dreierkoalition den Kurs zu weisen da eine völlig undisziplinierte FDP an jeder Stelle der Regierungsarbeit Minen legt auf die entweder die Grünen oder die SPD treten. Die Grünen mit ihrem GEG-Gesetzentwurf und dem folgenden Schock für Heizungsbetreiber hat auf ihre Fahnen geschrieben „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“ oder besser „Am grünen Willen soll das Klima genesen“. Die Grünen verhalten sich so typisch deutsch wie lange keine deutsche Partei mehr. Habeck und Co. sollten mal ein Fortbildungskurs für angewandte Politik besuchen. Sie Idealisten zu nennen verbietet sich -sie haben eher eine törichte Vorstellung von der Wählermentalität. Die FDP ist eine Partei ohne Seele und Charakter. Ob Ihr Vorsitzender Lindner das Lob verdient, ein brillanter Machttaktiker zu sein kann man bezweifeln. Es würde aber bei weitem nicht reichen um aus einer Partei wie die FDP eine interessante Alternative für breitere Wählerschichten zu machen. – Klaus Reisdorf

 

Die entscheidende Sachfrage taucht nur bei Herrn Machowecz auf: Kann man zumindest 90 % der neu zu bauenden oder zu ersetzenden Heizungssysteme – ob auf dem Dorf, in einer Kleinstadt oder Großstadt mit unterschiedlicher Bebauung und Wärmebedarf (EFH, Wohnungen, Büros, Kliniken, …) – kurz- bis mittelfristig mit „klimaneutralem Anteil von über 65 %“ technisch überhaupt umsetzen. Nach meinen Erfahrungen (20 Jahre ausgewiesener Energieökonom, Planungsunterstützung bei einigen Fernwärmeprojekten in Großstädten, o.ä.) ist das für viele Bereiche derzeit völlig unklar. Es geht eben nicht nur um „parteipolitisches Geplänkel“, sondern nach dem Abgang des (nicht einmal energiewirtschaftlich besonders kompetenten) Staatssekretärs Graichen eher um zentrale Sachfragen. – Wolfgang Ströbele

 

Die Ampel-Parteien machen sich das Leben gegenseitig schwer. Sie haben alle ihren Anteil an den Problemen der Ampel-Regierung. Bei den Grünen und der FDP merkt man deutlich, dass sie ihre Wahlversprechen einlösen möchten. Das ist legitim, nur von Koalitionspartnern darf man wohl erwarten können, dass sie bei allen Unstimmigkeiten ein gemeinsames Ziel verfolgen und miteinander regieren wollen. Die Grünen und die FDP fahren sich mit teils schmutzigen Methoden gegenseitig in die Paraden, dieses Verhalten erinnert eher an einen Wahlkampf, denn an Regierungshandeln von Koalitionspartnern. Die SPD ist hier das „Hauptproblem“. Die SPD stellt den Bundeskanzler, als Kanzlerpartei kann sie nicht die Position einer stillen Beobachterin einnehmen, sie muss aktiv das gemeinsame Handeln in der Ampel-Koalition fördern und lenken. Allein schon, um nicht unter den Verdacht zu kommen, aus strategischen Gründen für die nächste Wahl die Koalitionsparteien zu schwächen. An allen Ecken und Enden brennt der Ampel die Arbeit unter den Fingernägeln. Von der Schwäche dieser Koalition profitiert ganz besonders die AfD, die leider teilweise mit großem Erfolg der Bevölkerung einzureden versucht, die Regierung arbeite gegen ihre Interessen und beschäftige sich mehr mit sich selbst. Aus Bundeskanzler Scholz wird sicher niemand mehr einen brillanten Redner machen, dafür ist er nicht der Typ. Bundeskanzler Scholz ist kein Verwalter, er ist der Regierungschef. Er muss deshalb dafür Sorge tragen, dass die Ampel-Parteien sich nicht gegenseitig behindern und dadurch wichtige Gesetzesvorhaben und Entscheidungen blockiert werden. Dass die Ampel durch den Ausbruch des Ukraine – Krieges einen denkbar schweren Start hatte, ist unbestritten. Scholz´ Rede zur Zeitenwende sollte nicht die einzige Sternstunde in seiner Kanzlerschaft werden. – Regina Stock

 

Bravo, Frau Pinzler! Sie bringen es auf den Punkt: Die FDP treibt ihre (üblichen) Spielchen. Nur, dass sie diesmal übertreibt. Sie wirft den Grünen und der SPD vor, aus linker Ideologie heraus Politik zu machen, merkt aber selbst nicht, dass sie aus machttaktischen Gründen Ideologie pur verbreitet. Bloß keine Steuererhöhungen, bloß den Superreichen keinen Cent wegnehmen, unbedingt die Ungleichheit in der Gesellschaft beibehalten, denn sie ist Ergebnis der Leistungsgesellschaft…. So kann man die FDP-Ideologie immer weiterführen. Nein, diese Partei braucht niemand, mal abgesehen von den Reichen. Sie tut nicht nur der aktuellen Regierungskoalition nicht gut, sondern sie schadet unserem freiheitlich-sozialen Gemeinwesen. – Wolfgang Wendling

 

Die Grünen sollen also schuld an den Problemen der Ampel sein?! Ihr Ernst? Und diese Argumente… Atomkraft- wird das nicht langsam ein bisschen langweilig? Sogar Christian Lindner hat vor nicht all zu langer Zeit festgestellt daß Atomenergie viel zu teuer ist. Kein Mensch will ein Endlager in seiner Nähe, letzten Winter mussten wir viel Strom nach Frankreich exportiert weil die zu sehr auf Atomkraft gesetzt haben, wenn es im Sommer zu warm wird lassen sich die Atomkraftwerke nicht mehr kühlen und der Krieg in der Ukraine zeigt geradezu was für einer gefährlichen Waffe so ein Atomkraftwerk werden kann. Forschung und Innovation entsteht wenn der Staat klare Spielregeln setzt und die Unternehmen wissen in welche Richtung geforscht werden soll und leider haben wir nicht mehr so viel Zeit. Wenn wir einfach hoffen daß der Markt schon alles regeln wird kann das vielleicht gut gehen- es ist aber eher unwahrscheinlich! Wenn Forschung und Innovation so gut funktioniert warum sind wir denn jetzt in der Lage, in der wir sind? Und die Ausweitung des CO 2 Preises wird dazu führen daß die Reichen, die einen großen Teil der Emissionen erzeigen weitermachen wie Bisher- es kostet halt ein bisschen mehr und die Anderen nicht mehr wissen wie sie die Heizkosten bezahlen sollen und wie sie jeden Tag zur Arbeit fahren können. Technologieoffenheit wir als Vorwand fürs nichts tun verwendet- die FDP wir in dieser Frage von einem Klimaleugner getrieben. Daß das Gesetzt schlecht gemacht sei wird immer wieder wiederholt- was genau schlecht sein soll wird selten erwähnt. Ein Punkt ist die Altersgrenze im Gesetzt- sie sei willkürlich. Ja, und wie ist es mit andern Altersgrenzen? Mit 18 wählen, warum nicht mit 17 oder 19- reine Willkür. Und welches Alter brauen Sie wenn Sie Bundespräsident werden sollen? 40 Jahre- warum? Dann wird behauptet das Gesetz sei nicht technologieoffen- komischer weise war Lindner der Meinung das das mit der Technologieoffenheit passt! Was ich sagenwild: ich informiere mich wirklich intensiv, habe aber nie gehört was die schlimmen Fehler in dem Gesetz sein sollen.

Übrigens: das Problem mit den Pellet ist daß wir dafür genug Holz brauchen an da sehr schnell an Grenzen kommen. Wenn dafür rumänischer Urwald (Naturschutzgebiet) gerodet wird ist das nicht wirklich umweltfreundlich. Und wenn Sie aufmerksam Fernsehen werden Sie auch schon bemerkt haben mit welcher Freude Politiker wie Kubicki, Merz, Söder… auf Robert Habeck eindreschen- schwere zu glauben daß es um die Sache geht! Hier geht es ganz offensichtlich darum einen politischen Gegner zu demontieren. Und so zu tun als wenn beim „Fall Graichen“ nicht auch eine Kampagne geführt wurde ist auch unredlich. Das Skandalisieren der Tatsache daß Geschwister von Graichen bei einem Unternehmen arbeitet das vom Wirtschaftsministerium Austräger erhält ist lächerlich. Was hätten die denn tun sollen? Sie haben ja schon dort gearbeitet als noch Altmaier Wirtschaftsminister war und haben vom Wirtschaftsministerium unter Altmaier mehr Aufträge bekommen als unter der jetzigen Führung. Das alles wurde auch nie verheimlicht sondern von Anfang an offengelegt. Daß Graichen natürlich trotzdem Fehler begangen hat wurde auch nie bestritten. Und wenn ich mir das anschaue gab es schon einige Minister denen größere Verfehlungen nachgewiesen wurden und die sich jetzt als große Saubermänner aufführen. Die Abmachung in der Ampel war sich gegenseitig Erfolge zu gönnen. Nachdem die FDP bei mehreren Wahlen schlecht abschnitt haben sie das beiseite gelegt und auf destruktiv umgestellt. Die Grünen haben wirklich viele Kompromisse mitgetragen, weit über die Schmerzgrenze vieler Grünenwähler. Von der FDP ist mir kein solcher Kompromiss bekannt. – Andreas Dill

 

Die „Selbstausbremsung der Regierungskoalition“ ist zwar relativ unstrittig und offensichtlich, aber doch nicht wirklich „permanent“ und auch nicht ausschließlich für ihre Schwierigkeiten verantwortlich: Ich sehe durchaus Medien wie die BILD-Zeitung und Face-Book, russische Trolle im Internet und die Oppositionsparteien als mitverantwortlich für die „Lähmung“ der Regierung jedenfalls beim Klimaschutz. Dazu kommen noch alle, die sich von den Parolen derer ungeprüft blenden und irreführen lassen, die mehr Angst vor irgendwie anstrengenden oder kostenträchtigen Klimaschutz-Maßnahmen als vor der weiteren Eskalation der Klimaerhitzung verbreiten, als gebe es keine Dilemmas und als dürften Forderungen etwas sauber zu waschen ohne nass zu machen keinerlei Problem sein. Deshalb hätte ich den Artikel gern erweitert um je ein Kapitel zu den Medien, den Oppositionsparteien und den „gläubigen“ der jeweiligen Parolen als ebenfalls möglichen „Schuldigen“ für die teilweise Lähmung dieser Regierung. Dazu hat ja Frau Berlin mit ihren diesmaligen „Torten der Wahrheit“ ein hervorragendes satirisches Diagramm produziert zu der Frage, ab wann sich Deutsche beim Klimaschutz überfordert fühlen, in Abhängigkeit von der Intensität der Maßnahmen (Seite 2). Dennoch ist die Gegenüberstellung der Anteile der drei Parteien an der „Selbstausbremsung“ interessant und teils erhellend, im Fall der SPD und der FDP erhellend für die wirklichen Fehler und Verantwortungen, wie die Autorinnen Frau Hensel und Frau Pinzler auch sonst wie in kürzlichen Talkshows hervorragende Diskussionsbeiträge geleistet haben. Im Fall des Beitrags zu den Grünen aber geht es nach meinem Eindruck weit mehr um deren (von anderen) gefühlte oder vorgeworfenen Fehler als die wirklichen. Herr Machowecz hat aber sehr Recht, dass Herrn Habecks Rolle derzeit nicht gerade ein Vergnügen ist und sein Ruf bei etlichen „Kritikern“, wenn nicht eher „Schlechtmachern“ eigentlich nur erklärbar wäre durch ein Erwischt werden auf frischer Tat eines Einbruchs. Aber dass die Grünen den „Weltuntergang“ allein in Eigenregie verhindern wollen und dabei völlig kompromisslos seien, stimmt absolut nicht. Einmal reden auch sie und andere Klimaschützer nicht wie die Spötter des Klimaschutzes von Weltuntergang, sondern von drohendem Untergang vieler Arten und (noch mehr) großem drohenden Leid großer Teile der Menschheit, schlimmsten Falls vielleicht von Gefahr für unsere Zivilisation. Sie haben dennoch ungeheure Zugeständnisse zwecks Kompromissen gemacht und immer wieder beklagt, dass andere die „Rettung des Klimas“ fast nur ihnen überlassen, als hätten nur sie Vorteile davon und nicht unser aller Kinder und Enkel. Und nein, sie lehnen auch Emissionshandel und mehr Forschung nicht ab, sondern wollen sie im Gegenteil weiter fördern. Nur glauben sie nicht, dass diese beim gegenwärtig diskutierten Ausmaß und Tempo ohne Ordnungsrecht reichen, um den bedrohlich näher rückenden Kippunkten noch zuvor zu kommen. Und sie müssen auch deshalb darauf bestehen, dass zumindest bereits erreichte Kompromiss-Absprachen eingehalten werden. Und da keine der drei Parteien für die Regierung entbehrlich ist, müssen nicht nur sie mit etwas entgegen kommen, sondern auch die anderen; und alle drei müssen sich dran halten, wenn eine Kompromiss-Absprache erreicht ist.

Die Grünen beschweren sich auch nicht, wenn andere sich des Klimaschutz-Themas „annehmen, nur auf ihre Weise“, sondern allenfalls, wenn die das mit Heuchelei, Scheinargumenten und Scheinlösungen tun, die kurzfristig bequemer und billiger sind, aber nicht nachhaltig funktionieren können, jedenfalls nicht ohne mindestens gleich große „Schmerzen“ und Nachteile, wie bei einem derart hohen Preis von Emissionen, wenn dieser rechtzeitig ausreichenden Klimaschutz bewirken soll, dass der Aufschrei genauso groß wäre, insbesondere bei den ärmeren. Und auch andere „Alternativ-Vorschläge“ zum Klimaschutz bei Heizungen wie Biogas, Holz-Pellets oder E-Fuels oder Wasserstoff würden bei den nötigen Mengen für jährlich einige % der deutschen Heizungen sehr bald an der begrenzten Verfügbarkeit oder am Preis diese Lösungen scheitern, jedenfalls wenn sie wirklich nachhaltig erneuerbar produziert werden sollen und nicht durch Raubbau an Wäldern, oder durch Ackerbau für riesige Mengen an Biogas statt dieses nur aus Abfall- und Reststoffen zu erzeugen, etc. etc. Das angeblich so schlechte „Handwerk“ ist vor allem schlecht geredetes Handwerk, denn die meisten Ängste und Gegenargumente sind Irrtümer, Fake-News oder Übertreibungen wie in dem unsäglichen Begriff „Heizungsverbots-Gesetz“ oder „Heizungshammer“ oder Befürchtungen, Beamte des Klimaministeriums würden in die Keller kommen und fossile noch funktionierende Heizungen verbieten oder gar „herausreißen“. Oder der häufige Vorwurf, die Grünen seien mehr „ideologiegetrieben“ als von Fakten und Bürgerbedürfnissen motiviert, womit natürlich immer die Bedürfnisse und Ansprüche der Gegenwart gemeint sind und kaum die der nächsten Generationen. In weiten Teilen der Medien insbesondere im Internet herrschen Berichte und Stellungnahmen mit eher einseitigen, tunnelblickartigen, verdrehenden oder irreführenden, wenn nicht gar desinformativen Argumenten, mindestens teilweise tendenziös: Ich denke, dass diese ganzen Medieninhalte und Informations- und Sachlichkeitsmängel den Grünen viel mehr schaden als die gelegentlich noch durchschimmernde eigene „Ideologie“. Und es ist traurig, wenn nur eine Partei „die Menschen überzeugen“ soll, dass die Abwendung einer noch viel katastrophaleren Klimaerhitzung als schon jetzt mehr als Lippenbekenntnisse erfordert, sondern auch etwas – mehr als bisher – kosten und anstrengen darf, jedenfalls diejenigen, die nicht am Existenzminimum balancieren. Dass wir nach der Prognosen des IPCC für die Überschreitung der 1,5 Grad in deutlich weniger als einem Jahrzehnt nicht mehr mehrere Jahre Zeit haben mit ernsthaftem Klimaschutz anzufangen, z.B. wenn die kommunalen Wärmepläne oder gar die Wärmenetze mit wirklich erneuerbarer Energie überall fertig sein sollen, die dann vielleicht auch nicht mehr so günstig sind wie bis vor kurzem.

Für viel wichtiger als die angeblich vorherrschende „Ideologie der Grünen“ halte ich die völlig vernachlässigten Ideologien und Prinzipien der sonstigen Parteien und vieler Medien, die nur nicht als solche erkannt oder benannt werden: die Ideologie der absoluten Ablehnung jeder Steuermehreinnahmen (incl. Abbau fossiler Subventionen), des Vorrangs von Freiheit und Rechten der Bürger selbst auf andere massiv schädigendes, des absoluten Vorrangs des Gegenwarts-Wohls, der Gegenwarts-Kosten, der Gegenwarts-Klientel-Interessen, der Befriedigung von auch übertriebenen oder geschürten Ängsten statt deren Behebung durch mehr und hilfreichere Information oder Relativierung, der Bevorzugung des ersten oft durch Tunnelblick bedingten Eindrucks oder Gefühls statt Überprüfung durch mehr Faktensuche und Fragen auch an die „Angeklagten“/kritisierten. Dazu habe ich einen Vergleich: Wenn ein Patient vor einer belastenden Operation steht und sich entscheiden muss, sollte ich ihn als verantwortlicher und auch als über das Thema informierender Medientätige(r) nicht einseitig oder noch aufbauschend über alle evtl. möglichen unangenehmen oder schlimmen Folgen der OP erzählen und dann fragen „möchten Sie nun gern operiert werden, oder lieber noch ein Jahr überlegen oder zum Homöopathen gehen, der auch Heilung verspricht? Nein, ich muss alle Pro und Kontra und Wahrscheinlichkeiten vortragen incl. der Dringlichkeit der Maßnahmen und Hilfen, die bei evtl. Problemen möglich sind und die Risiken und Unannehmlichkeiten der Krankheit denen der Behandlung gegenüberstellen statt ihn zu bestärken, die Krankheit zu verdrängen oder die OP solange aufzuschieben, bis es schließlich zu spät ist. Ich muss ihn auch über die Unwahrscheinlichkeit einer noch rechtzeitig kommenden neuen Methode aufklären, die vielleicht irgendwann, aber eher weit nach Unheilbarkeits-eintritt eine angenehmere oder billigere Behandlung ermöglicht und auch über die Nachteile und Risiken „alternativer“ Behandlungsmethoden. Als Verantwortlicher kann ich ihm/ihr auch unangenehme Notwendigkeiten und Fakten nicht vorenthalten und nicht vorwiegend erzählen, was er gern hören möchte, damit er und seine Bekannten noch häufiger in die Praxis kommen und meine Einkünfte mehren.

Diese Aufgabe der Kommunikation und Aufklärung kann die ärztliche Fachkraft aber nur wahrnehmen, wenn ein(e) Patient*in ihn/sie überhaupt anhört und zu Wort kommen lässt, statt zu irgendjemand mit bequemeren oder einseitig vor der Behandlung verunsichernden Botschaften zu laufen. Diese Erreichbarkeit für Patienten entspricht in der Politik mit der globalen und auch vielfach tödlichen „Krankheit“ Klimakrise der Informations-Bereitschaft der Wähler, die oft ihre Eindrücke und Wahrnehmungen nicht von den zuständigen verantwortlichen oder Experten suchen (können), sondern nur bei ihren oft einseitig oder mangelhaft informierenden Medien. Wenn diese nicht verantwortlich und fair, ausgewogen und umfassend als „Dolmetscher“ oder Vermittler der Politiker-Argumente handeln/berichten, dann hat auch die beste Regierungspartei keine Chance, „den Menschen“ etwas zu erklären, begründen oder sie „mitzunehmen“. Ein positives Beispiel für so eine informierte Mitverantwortung und Mitbestimmung sind Bürger- oder Gesellschaftsräte, wo zufällig ausgewählte repräsentative Bürger*innen nicht einfach wie in einer Umfrage ihre Meinung bekunden, sondern nach intensiver Information durch Experten und anschließender Diskussion ihr Placet abgeben. So eine informierte Kollektiv-Empfehlung kann oft auch vorher abgelehntes oder auf den ersten Blick unangenehmes oder gar inakzeptables befürworten und durch den repräsentativen Querschnitt der Teilnehmer die schließlich über die Empfehlungen informierte Öffentlichkeit zum Nachdenken bringen und mehr Akzeptanz und Vertrauen für die sich daran anlehnenden Entscheidungen bewirken. So hat ein Bürgerrat Klima Empfehlungen ausgesprochen, die in vielen Punkten deutlich sogar über das hinausgehen und mutiger sind als die Forderungen der Grünen zu der Tagungs-Zeit.

Zu den nötigen Informationen gehören auch die häufigen Dilemmas oder Quadraturen der Kreise bei jeder Regierung und der Betrachtung der Pro und Kontra, die erst später oder gar in Jahrzehnten eintreten, wo aber unsere Kinder und Enkel leben, denen die meisten doch nicht die Zukunft unerträglich machen wollen, bei reiflicher Überlegung vielleicht selbst dann nicht, wenn die „Rettung“ ihrer Zukunft jetzt Opfer oder Einschränkungen erfordert. Allerdings hat der sogenannte „innere Schweinehund“ bekanntlich viele Ausreden, Scheinlösungen, Illusionen und Verdrängungen parat, um sich selbst so unangenehme Entscheidungen zu ersparen. Warum sind eigentlich „Verbote“ – immer – so etwas schreckliches, wenn sie etwas wirklich gefährliches oder erheblich schädliches betreffen? Warum sind dann Rasereien in Städten , Diebstähle, Drogenhandel, Geld fälschen, Verleumdungen, Vergiftungen und vieles andere verboten?? Da hofft man ja auch nicht allein auf „Anreize“ um Täter von Schädigungen ihrer Opfer abzuhalten! Und die – auch schleichende – Zerstörung des Klimas, zeitlich viel näher als viele glauben, ist eine Schädigung, die künftig noch viel mehr als jetzt schon Obdach, Gesundheit, Lebensqualität und sogar Leben kosten wird. Ist eine Rücksichtnahme auf all diese Menschen pure „Ideologie“? – Peter Selmke

 

Zunächst finde ich es wunderbar lehrreich, sachlich zu streiten und danke der Zeit für diese Lehrstücke. Alle haben recht, finde ich. Der fundamentale Unterschied liegt im Anstand. Die Grünen und die SPD machen etwa falsch und bleiben anständig dabei. Die FDP handelt unanständig und beschädigt aus Machtgier die Demokratie. – Alfred Preuß

 

Der letzte Satz in Ihrem Artikel hat mir am besten gefallen: … die Grünen … Überzeugen, nicht nur Überzeugung. Hoffentlich lesen das auch und besonders die Grünen. In meinem Buch „Opas Geburtstag“, das ich Ihnen mit der Bitte um eine Beurteilung zugeschickt hatte, habe ich die Frage aufgeworfen, ob es nicht richtig wäre, wenn auch der Bundeskanzler, die Bundeskanzlerin, und alle Minister während ihrer aktiven Zeit in der Wahlperiode parteineutral sein sollten, so wie es vom Bundespräsidenten zurecht verlangt wird. Es ist zwar nicht beherrschbar, wieweit sich der Einzelne dann tatsächlich aus seinem Parteidenken in ein Nation-Denken begibt, aber einen Versuch in diese Richtung könnte man doch einmal wagen. Oder? – Karl-Reiner Schmidt

 

Er sei daran erinnert: dem GEG-Entwurf haben alle drei Koalitionsparteien zugestimmt, auch die Vertreter der FDP. Geführt hatte die Verhandlungen in der Arbeitsgruppe „Bauen und Wohnen“ auf FDP-Seite der Sprecher für Bau- und Wohnungspolitik der Bundestagsfraktion, Daniel Föst. Warum inszenierte mein Rheinisch-Bergischer Landsmann aus Wermelskirchen auf dem FDP-Parteitag diesen Widerstand gegen den GEG-Entwurf? Die FDP will oder kann nicht regieren. Sie spielt lieber die größte Oppositionspartei in der Ampel. Ich stimmte Petra Pinzler zu: Das ist kein Spaß mehr. Das ist eine brandgefährliche Spielerei mit der Demokratie. – Roland Wisskirchen

 

Meines Erachtens liegt das Kardinalproblem der Ampel-Regierung in persona des Olaf Scholz. Denn auch wenn der SPD-Kanzler als „Scholzomat“, mit „scholzen“ und mit dem ausgeprägten „Erklär-Geiz“ längst über deutsche Bundesgrenzen hinaus einen bleibenden Eindruck von seinem Politikstil gemacht hat, die ihm qua Amt zugeteilte Richtlinienkompetenz kann er nun mal weder aussitzen noch wegschweigen. – Matthias Bartsch

 

Das freimütige öffentliche Bekenntnis der vorherigen Bundeskanzlerin Merkel über ihre größte Stärke: „…, dass ich, wenn’s not tut, Dinge laufen lassen kann und schweigen kann und auf’s Ende abwarten kann“, ihre „alternativlose“ Moderation von Problemen werden bis heute kaum kommentiert, werden von den Medien hingenommen. Die Kritik an der Besonnenheit des Bundeskanzlers Olaf Scholz steht dazu im krassen Widerspruch. Ist das die „Zeitenwende“ der Medien? – R. Reiger

 


 

 

Leserbriefe zu „Die Zeitmaschine“ von Alard von Kittlitz

 

Danke für diesen beglückenden und erhellenden Artikel. Fühl mich sehr bereichert – neben der außergewöhnlich interessanten Historie vor allem auch die Beschreibung dessen, was „richtiges“ Lesen bewirkt, das motiviert mich aufzupassen, dass mir dieser Schatz nicht entfleucht, nur weil sich so viele andere Buchstaben immer, überall und jederzeit aufdrängen. Danke! – Sabine Stöhr

 

Das ist ein Top-Dossier für mich. Denn lesen und schreiben war in meinem Leben immer das Wichtigste. Ich habe eine Schwester, die nur 14 Monate älter ist, als ich. So lernte ich mit ihr lesen und beherrschte es schon vor der Einschulung. Mit dem Schreiben hatte ich es anfangs nicht so. Ich las den Wälzer von Edgar Reitz. Darin erzählt er, dass viele aus der Gegend, aus der er kam, ausgewandert sind. Aber nicht alle aus wirtschaftlicher Not, sondern, als viele lesen und schreiben lernten, liehen sie sich Bücher aus dem Pfarrbüro und dabei waren auch viele aus der ‚Neuen Welt‘ und das hatte – so seine Theorie – auch Fernweh erzeugt. In unserem Dorf wohnt eine Frau, die sich schon 75 Jahre mit einer Frau aus der Schweiz schreibt. Die Lehrer der Beiden tauschten 1948 Adressen aus, damit Brieffreundschaften entstehen können. Ob die beiden Lehrer sich kannten, konnte ich nicht mehr ermitteln. Sie haben noch immer einen regen Kontakt, der ohne die Schrift sich nicht hätte bilden können. Ich konnte die ‚Rheinpfalz‘ überzeugen, einen Bericht darüber zu bringen, dann kam noch das Radio SWR 1 und 4 und noch die Landesschau Rheinland-Pfalz, und diese hatte den Wert des Schreibens ganz besonders dargestellt. Lesen und schreiben ist meiner Meinung nach unsere wichtigstes Kulturgut. – Brigitte Mannert

 

Herzlichen Dank für diesen wirklich sehr, sehr schönen, interessanten und erhellenden Artikel. Sie werden sich sicherlich wundern, dass ein Leserinnenbrief, den ich an den Bonner General-Anzeiger geschickt habe, unten zu sehen ist. Dieser Brief ist gestern erschienen, und es gab bereits Gegenwind auf meinem Anrufbeantworter: „Ich war 50 Jahre lang Lehrerin und sehe das völlig anders als Sie…“. Morgen werde ich höflich zurückrufen und meine Position erklären. Ich habe auch mal als Grundschullehrerin gearbeitet, dann Lehrkräfte ausgebildet als Fachleiterin für Deutsch und als Seminarleiterin. In diesem Zusammenhang habe ich Einiges veröffentlicht zur Didaktik des Lesens und Schreibens. Daher hat mich der Hinweis auf die Erkenntnisse von Maryanne Wolfs auf das vertiefende Lesen, das Versinken in einem Text, besonders gefreut. „Reader, come home“, bedeutet sicherlich auch, das sich diese „reader“ im je eigenen Tempo, mit Vor- und Zurückgehen im Text, mit Nachdenkpausen etc. einen Text erschließen. Die Buchstaben zu verbinden, in Laute zu übersetzen und dabei „normal klingende Sprache“ zu erzeugen ohne vom Inhalt das Notwendige mitzubekommen, das hieß in der englischsprachigen Fachliteratur „barking at prints.“ Und da wir dieses Artikulieren ohne Sinn und Verstand (damit habe ich zu Schulzeiten mal meine Französischnote gerettet) doch wohl alle nicht wollen, hatte ich den u.a. Leserinnenbrief geschrieben. Auch in der ZEIT wurde das Lesen im Chor besprochen (Artikel von Thomas Kerstan). 

Es gab schon einmal vor Jahren enorm schlechte Ergebnisse im Hinblick auf Lesen und Rechnen. Damals von Andreas Schleicher (OECD Paris) mit Tests ermittelt. Und diese Lese-Tests basierten auf dem, was mir und anderen immer besonders sinnvoll erschien: Das stille selbstständige Lesen zu fördern mit dem Ziel der Sinnentnahme, denn Lesen ist Verstehen, per definitionem, oder? Also stilles Lesen von unbekanntem Text, vielleicht verbunden mit einer motivierenden Aufgabenstellung, Klärung von unbekannten Wörtern etc. Und erst dann kommt der Lesevortrag, also das „laute Lesen“. Ich habe Herrn Schleicher, der ja damals sehr angegriffen wurde, mal bei einer Tagung kennengelernt. Er fand, dass meine Beobachtungen seine Ergebnisse bestätigen. Der langen Rede kurzer Sinn: Die Diskussion um das stille selbstständige Lesen und das Üben der Artikulation, sprich: Laut-Lese-Verfahren, inzwischen als Training der Leseflüssigkeit propagiert mit Tandemlesen und Chorlesen, wäre wieder angebracht. Denn jenes stille Lesen ist auch die Leseform im Alltag, was mir bei Elternabenden immer wieder bestätigt wurde. Ich habe 1991 ein Buch herausgebracht, das mehr als 20 Jahre auf dem Markt war: „Wege zum selbstständigen Lesen. Zehn Methoden der Texterschließung.“ Der Herausgeber schrieb mir: „Es wird ein nützliches Buch…“. Inzwischen bin ich fast 80 Jahre alt, und es bleibt offensichtlich bei einem Kampf gegen Windmühlenflügel, wenn in etlichen Köpfen ein wenig hilfreicher Lesebegriff existiert. Daher meine besondere Freude über so viele Aspekte, die in Ihrem Artikel erwähnt wurden (inneres Sprechen etc.). – Erika Altenburg

 

In Ihrem Dossier wird auf die Erfindung des Buchdruckes eingegangen, der wie beschrieben schon lange vor Gutenberg bekannt war. Was meiner Meinung nicht eindeutig herausgearbeitet wurde ist, dass Herr Gutenburg nicht den Buchdruck selbst , sondern den „Buchdruck mit gegossenen beweglichen Lettern“ erfunden hat.. Diese Erfindung ermöglichte dann auch die millionenfache Verbreitung der Bücher einschließlich der Nutzung verschiedenster Druckfarben. – Manfred Wyrwoll

 

Der Untertitel des Artikels „Zeitmaschine“ von A. v. Kittlitz in der ZEIT vom 7.6.23 „Warum die Schrift die genialste Erfindung der Menschheit ist“ oder ein Satz wie „Unsere globale Gegenwart ist ohne sie [die Schrift] nicht denkbar“ bezeugen eine im Ganzen unkritische Herangehensweise an ein Thema, das gerade wegen seiner Vielschichtigkeit unsere Aufmerksamkeit verdient. „Schrift muss, blöd gesagt, lesbar sein“, wäre ein guter Ausgangspunkt gewesen, um darauf hinzuweisen, dass die Alten Griechen mit der Übernahme und Anpassung des Phönizischen Alphabets an eine Indogermanische Sprache zwar die Ära der europäischen Schriften einläuteten, sie selbst diese Schrift aber praktisch nur zur Archivierung von sakralen und epischen Texten in der Form von Dichtung gebrauchten. Und zwar deshalb, weil das verschriftlichte bloße Wort ja nur die Textgrundlage für den über das Ohr rezipierten gesungenen, bzw. sprechgesungenen Vortrag vor Hörern ausmachte und erst verstanden werden konnte, wenn es in seiner für die Performanz unabdingbaren musikalischen Einkleidung zum Klingen gebracht wurde. Die Schriftsysteme von Mesopotamien und Ägypten erleichterten die Staatsverwaltung und das Wirtschaftsleben, wohingegen die Schriftkultur der Griechen bis an die Schwelle der Neuzeit der Hörkultur untergeordnet war. Nach Schrift wird erst verlangt, wenn gehörte Lieder und Texte in ihrer Mustergültigkeit erkannt werden und in dieser Form archiviert werden sollen. Was zugleich bedeutet: Schrift muss für die Griechen immer auch hörbar gewesen sein. – Hans Eideneier

 

Ich frage mich, ob Sie hauptsächlich von englischsprachigen oder nicht-deutschen Stimmen getriggert werden (abgesehen von Ihrem Bankberater und Ihrem Möbelverkäufer). Und ich frage mich, ob Bob Ross („happy little trees, happy little clouds“) deswegen so erfolgreich ist und so oft bei ARD alpha wiederholt wird. Ich habe das Gefühl, dass ich dieses doch ein bisschen durch das Netz gehypte Phänomen dadurch nachvollziehen kann. Man ist immer kurz vor dem Einschlafen, wenn man Bob Ross beim Malen so reden hört, aber ganz dämmert man dann doch nicht weg. – Thomas Manthey

 

Wie der Autor dieses Artikels gehen wir immer davon aus, dass Schrift eine gesprochene Sprache wiedergibt. Ja, es ist geradezu die Definition von Schrift. Dabei sind manche frühen Schriften zunächst einen anderen Weg gegangen. Die Glyphen in Ägypten, bei den Maja und die chinesischen Schriftzeichen beschreiben nur indirekt ein gesprochenes Wort, unmittelbar beschreiben sie nur dessen Bedeutung. Sie sind an die Bedeutung gebunden, nicht an den Lautwert dieser Bedeutung. Wie das betreffende Wort ausgesprochen wird, entscheidet der, der die Glyphen kennt. Und das ist nur ein kleiner Kreis von Priestern, Beamten und Gelehrten. So gesehen gleicht das System eher einem Code als etwas, das wir als Schrift bezeichnen würden. Kein Wunder, dass sich die rein sprachbasierten Schriften durchgesetzt haben: sie sind leicht erlernbar, demokratischer eben. Allerdings mit erheblichem Nachteil. Wer jetzt die betreffende Sprache nicht kennt, hat keine Chance. Einem Deutschen, der Türkisch lesen will, hilft es nur wenig, dass Atatürk das arabische durch das deutsche Alphabet ersetzt hat. Er muss Türkisch lernen. Trotzdem schade, dass der «glyphische Weg», der etwas universalistisches enthält, da er an keine Sprache gebunden ist, nicht weiter verfolgt wurde. Nur die chinesische Schrift hat etwas von seinem Charakter heute noch erhalten. Natürlich beschreibt das chinesische ideografische System die chinesische Sprache. Die Einzigartigkeit dieser Schrift ist aber, dass sie nicht das gerade gesprochene chinesische Wort wiedergibt, sondern eine Bedeutung, die erstens jede Weiterentwicklung der gesprochenen Sprache problemlos «schluckt» und dass, zweitens, die Zeichen einer anderen Sprache zugeordnet werden können. Was im Falle von Korea und Japan auch geschehen ist. – Andreas Gutzwiller

 

Solche Artikel sind einer der Gründe, warum das Lesen der ZEIT immer wieder Vergnügen bereitet – und manchmal zu kritischen Leserbriefen anregt. Doch zu diesem Artikel kann ich Ihnen nur ein großes Lob aussprechen. – Steffen Lasch

 

In einer fast schlaflosen Zeit – Existenzängste, Sorgen um meinen Verlag – und die unbändige Wut gegen den Wahnsinn der Mächtigen (Wirtschaft u. Politik) ALLE, jeglichen Couleurs, die Waffentreiber, die Friedensvergessenen, die Geschichtsfälschenden, die ewig Gierigen und Hungrigen nach Befriedigung der NIEDRIGSTEN menschlichen Begierden laut anzuschreien … lese ich im Morgengrauen einer sternenfunkelnden und gedankenschweren Nacht – das ZEIT-Dossier (7. Juni no. 25) Die Zeitmaschine – warum die Schrift die genialste Erfindung der Menschheit ist (…) Alard v. Kittlitz und fühle mich wieder gestärkt, Hoffnung im Blick, aufgehoben: Es gibt sie noch, diese wunderbare Parallelwelt der Forschenden, Schreibenden, Denkenden, Besessenen, die alle Schätze der Welt, der Menschheit, der Natur bewahren wollen. In der das Wissen um und die Arbeit für Gemeinsinn und Gemeinwohl die einzig gültige Währung ist. – Monika Lustig

 

Herr Alard von Kitlitz erweckt mit seiner Formulierung in DIE ZEIT vom 7.6.2023, Seite 13, den Eindruck, „…die Schrift (sei) die genialste Erfindung der Menschheit – …“. Statt genialer Erfindungen erscheinen mir Denken, Sprache und korrespondierende Schreibschrift eher als phylogenetisch begleitende Wesensmerkmale unserer menschlichen Entwicklung. – Gernot Henseler

 

Ich habe Ihr Dossier bis: Freiheit ! Gleichheit ! GESCHWISTERLICHKEIT ! gelesen. Dann musste ich tatsächlich abbrechen und frage mich, ob ich mir solche Artikel unter Verballhornung der Sprache und der Schrift weiterhin antun möchte. – Axel Boss

 

In der ZEIT Nr. 25 vom 7. Juni 2023 haben mich zwei Artikel wieder mal total begeistert. 1. Durch den Sand der Meere von Raoul Schrott und Barbara Seyr und 2. Die Zeitmaschine von Alard von Kittlitz. Solche Artikel sind der Grund weshalb ich Die ZEIT seit 50 Jahren abonniere. – Heinz Schwalb

 

Der brillant geschriebene Artikel erläutert die historische Entwicklung der Schrift sowie die Leistung des Gehirns beim Lesen facettenreich und so anschaulich, dass die Leserin trotz seiner Länge an keiner Stelle in den Modus des überfliegenden Lesens abschweifen konnte. Und der Schluss macht im Kontext von KI richtig glücklich: Gute Literatur, die „unser ganzes Erleben anfasst“ kann nur von echten Menschen geschrieben werden. – Christine Schröder

 

Ich kenne keinen Text über das Wunder der Schrift und des Schreibens, der die Entwicklung so klar schildert und die einzelnen Stadien so überzeugend heraushebt wie jetzt der Ihre in der ZEIT. „Der Schrift gelingt es, unsere Augen in Ohren zu verwandeln, uns Worte mit den Augen hören zu lassen…Raum und Zeit zu transzendieren…etwas nachgerade Magisches.“ Besser kann man es wohl nicht sagen. Schrift und Schreiben gehörten nicht zu unserem Thema, aber ich habe mich ein wenig damit beschäftigt, um zu schildern, wie der Taubstummenlehrer Abbé Sicard seinen Zöglingen das Prinzip der Schrift erklärte (Butzkamm & Butzkamm, Wie Kinder sprechen lernen. Kindliche Entwicklung und die Sprachlichkeit des Menschen, 4. Auflage 2019, S. 172f.) Zum Prinzip Zerlegung / Kombinatorik (McLuhan): Viele meiner engeren Fachkollegen haben das bis heute noch nicht begriffen, wie Zerlegung und das kombinatorische Prinzip für den Fremdsprachenunterricht fruchtbar zu machen sind. McLuhan kannte ich noch nicht. Werde mir das Buch besorgen. – Wolfgang Butzkamm

 

In der letzten Ausgabe fand ich das Dossier über die Entwicklung der Schrift („Zeitmaschine“) geradezu grandios – ich würde sehr gern diesen Artikel in meinem Kollegenkreis ( wir sind alle „schreibende“ Psychotherapeuten) etwas ausführlicher besprechen (und damit natürlich auch die ZEIT etwas bewerben). Und richten Sie bitte dem Autor meine Hochachtung aus: Extrem spannend verfasst, ohne Scheu vor der Komplexität des Themas und damit weit auslotend, komprimiert in der Zusammenfassung mit faszinierenden Ein- ,Über-und Ausblicken – vom Inhalt wie der Aufbereitung ein Geschenk an uns Leser! Im Abo-Bekannten-Kreis wie bei mir ist nur die Titel-Gebung „Zeitmaschine“ als wenig attrahierend und auch ein wenig abseitig empfunden worden. Ansonsten ist das Echo einheitlich dankbar. – Esther Fischinger

 


 

 

Leserbriefe zu „Flucht vor dem Frust“. Gespräch mit Karl-Rudolf Korte geführt von Tina Hildebrandt

 

Der allgegenwärtige Jammerwahn in Deutschland ist einfach nur beispiellos. Im Jahr 2023 sind wir die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt, eines der reichsten und sichersten Länder überhaupt. Dennoch tragen viele Menschen immer noch eine solche Verbitterung in sich, die sie dazu veranlasst, eine Partei zu wählen, die nationalistische und rechtsextreme Ansichten vertritt. Dieses Phänomen kann ich trotz meiner besten Bemühungen einfach nicht nachvollziehen. Gerade von den Systemsprengern- und kritikern und den politisch Verdrossenen der ehemaligen DDR-Bundesländer wünsche ich mir eine Haltung, die nicht ständig in Selbstmitleid und in Opfererzählungen hinausläuft, sondern vielmehr darauf abzielt, dass wir uns weiterhin für den Zusammenhalt der längst geeinten Bundesrepublik stark machen und ihre freiheitlich-demokratische Grundordnung hochhalten. Oft habe ich den Eindruck, dass wir insbesondere in den neuen Bundesländern immer noch eine beträchtliche Anzahl von Bürgerinnen und Bürgern haben, die ein geringes Demokratieverständnis aufweisen und denen es hier auch an Eigenverantwortung mangelt. Es war nur furchtbar, mit anzusehen, wie der Bundeskanzler vor einigen Tagen in Brandenburg von einer aufgebrachten Menge ausgebuht und mit simplen Parolen wie „Hau ab“„Wir sind das Volk“ oder „Kriegstreiber“ konfrontiert wurde. Als überzeugter Demokrat empfinde ich solche Zustände äußerst bedenklich, um es deutlich auszudrücken. Es ist eine Sache, zur Debatte beizutragen und mit argumentativen Beiträgen zu arbeiten, aber sich darauf zu beschränken, andere niederzubrüllen und zu übertönen, ist schlicht unzureichend. Es ist geradezu erbärmlich. Wenn diese schreienden Menschen in der Lage wären, sich selbst zuzuhören, würden viele dieser peinlichen Proteste vermutlich gar nicht erst stattfinden. Solange jedoch ein Bewusstsein für die eigene Wahrnehmung fehlt, werden wir bedauerlicherweise noch eine Weile mit solchen Vorkommnissen konfrontiert sein. – Michael Ayten

 

In einigen Punkten möchte ich Herrn Korte widersprechen. Er geht davon aus, dass die AfD auf Dauer immer „nur“ bei 10 Prozent liegen wird, weil die Probleme Klimawandel, Ukrainekrieg und Flüchtlinge ihr nur ein kurzfristiges Hoch bescheren und diese Probleme eben auch kurzfristig gelöst werden würden. Das halte ich für grundfalsch. Diese Probleme sind langfristiger Natur und eine Lösung ist nirgends zu erkennen. Ich stimme Herrn Korte zu, dass die AfD derzeit mit 11% auf Platz 4 liegt, im Osten wohl eher auf Platz 3. Es ist aber mit einem starken Zuwachs der Partei in den Wahlen von Hessen und Bayern zu rechnen. Obwohl Korte nicht mit einem Zuwachs rechnet, geht er doch davon aus, dass im Osten Koalitionen mit 5 Parteien gebildet werden müssen ( Von CDU bis AfD) und auch Süddeutschland sehr anfällig für die AfD ist. Also argumentiert er sehr widersprüchlich. Kein Mensch kann voraussagen wie die AfD in einigen Jahren dasteht, jedenfalls werden die angesprochenen Probleme nicht gelöst sein. Höchste Wachsamkeit ist jedenfalls bei der Hessen. und Bayernwahl geboten. – Willi Reis

 

Kortes Entdramatisieren verdient eine dringende Würdigung für parteipolitische Irrläufer jeglicher Couleur. Hätte nach der Wiedervereinigung Vernunft statt parteipolitische Vorteilsnahme Handlungsmaxime für die Neuordnung der ehemaligen DDR gegolten, wäre ein einziges Bundesland und damit schon eine Relativierung und Bescheidenheit seiner Bedeutung entstanden. Die vollzogene Renaissance von staatlicher Verzwergung hat dort ein gesellschaftliches und politisches Bewusstsein von völlig unverhältnismäßigen Bedeutungsanmassungen erzeugt. – Jürgen Dressler 

 

Es werden viele Gründe gesucht, um den Zulauf der AFD zu erklären. Aber es wird nicht erwähnt, das man mit der Wahl von Thomas Kemmerich eine Gelegenheit zur Schwächung der AFD verstreichen ließ. Denn mit Ihm, hätte man eine Parteiübergreifende Landesregierung stellen können. Und das hätte den Abstimmungserfolg der AFD, bei der Wählerschaft in Frage gestellt. Damit hätte man es dem gemäßigten teil ermöglicht, die Oberhand in der AFD zu erlangen. Auch ist es nicht hilfreich, einen strikten Abgrenzungskurs zu verfolgen. Denn das wirkt nur unbeholfen, und die AFD kann auch dies zur Wählergewinnung nutzen. Wenn es um das Fleisch geht, dann sollte man auch den Lebensraum berücksichtigen. Und der Lebensraum von Mensch und Tier, der überschneidet sich heute schon vermehrt. Aber wenn man dann alles praktisch auf die Pflanzliche Versorgung umstellen würde, dann würden sich die Lebensräume noch weiter verengen. Denn auch das Mensch und Tier im Mittelalter unter einem Dach lebten, war ein Grund für den Ausbruch von Seuchen. Es ist erstaunlich, das dies bei der ganzen Diskussion nicht berücksichtig wird. – Frohgemut Hambsch

 

Ich schätze Korte als verlässlichen Deuter von Wahlergebnissen. Doch mit diesem Zwiegespräch bleibt er hinter seinen Möglichkeiten zurück. Warum benennt er nicht ohne Umschweife die Gründe für das Umfragehoch der Rechten? Es ist die Migration, die die meisten ratlos macht die Regierung eingeschlossen. Die klare Botschaft müsste lauten: Solange der Zustrom nicht eingedämmt wird, verlieren alle außer der AfD. Was derzeit an Modellen kursiert, ist Kurieren an Symptomen und wird das Problem nicht lösen. Auch in Europa sind übrigens die Rechten auf dem Vormarsch, meist mit ähnlicher Motivation. – Christoph Schönberger

 

Sollte der Fall der Fälle eintreten, dann könnten diese Lippenbekenntnisse von Friedlich Merz, „AfD nein danke!“ bald zur Makulatur werden. Irgendwann hat der Wähler wieder gewählt, der Wähler will es so, und die CDU will so schnell als möglich wieder zurück ans Ruder. Geht in dieser „Muss-Ehe CDU/AfD“ dann doch alles schief, dann trägt der Wähler die alleinige Schuld an diesem Debakel! Was musste der Wähler auch der AfD so übertrieben viele Stimmen schenken, irgendwie klingt dann auch das böse Wort vom Stimmenklau, ganz, ganz hinten im Hintergrund mit! – Klaus P. Jaworek

 

Warum profitiert die AfD stärker als CDU und Linke? – Matthias Losert

 

Es soll für alle besser werden, jedoch ist niemand bereit, den Preis dafür zu zahlen. Der Weg in eine gute Zukunft ist keine Einbahnstraße. Wir sollten beginnen, unsere Politiker dazu zu motivieren, mutige Entscheidungen zu treffen, damit die Probleme der Zukunft gelöst werden können. – Alexander Gorjinia

 

Vielleicht hätte man die Frage nach dem „Hauptproblem“ stellen sollen, denn die ist von der scharfsinnigen Petra Pinzler überzeugend beantwortet worden. Ich bezweifle, dass Martin Machowecz ihren Beitrag gelesen hatte, bevor er die stereotypen Ladenhüter Atomkraft, CO2-Preis und eine wundersame Erfindung durch „Innovation“ als „Klimaschutz-Idee“ der FDP verkaufen wollte. (Es fehlte nur noch Volker Wissings Nebelkerze „E-Fuels“). Nach einer Lektüre des Kommentars von Petra Pinzler hätte auch er darauf kommen können: In der Rangliste der Problemverursacher liegt die FDP weit vorn. – Sven Herfurth

 

Wenn uns „dummen Bürgern“ erklärt wird, dass wir auch je 6 Meter breite Reihenhäuser mit schmalem Garten oder Mehrfamilienhäuser (bspw. mit 40 Wohnungen) in Ballungsgebieten nur noch mit Wärmepumpen beheizen sollen oder „grüne Fernwärme“ nutzen sollen (woher kommt die Wärme dafür in Großstädten wie Hamburg oder Bremen) und nur noch elektrisch fahren sollen, dann fragen sich normale Menschen bspw. „Haben wir in zwölf Jahren 2035 überhaupt genug grünen Strom und die Netze (besonders im Winter) dafür?“ Wenn dann noch sichtbar wird, dass der „Graichen-Clan“ fachlich wenig Ahnung hatte und Minister Habeck ohnehin nicht, dann geht zu Recht die Stimmung in den Keller. Außerdem fragen sich einige: Wenn gut 80 Millionen Menschen ihre letzten Kohlekraftwerke abschalten, was nützt das dem „Weltklima“ 2035, wenn seit 2016 in Süd-Ost-Asien hunderte neuer Kohlekraftwerke in Betrieb gingen bzw. noch gebaut werden. Siehe auch Punkt (4) unten. „Um die Welt zu retten“, ist Deutschland oder die ganze EU weitestgehend überfordert.

1)         Da ein „deutsches CO2-Molekül“ den gleichen Schaden anrichtet wie eines aus China, Indien, USA, Saudi-Arabien, Brasilien, …, steht man vor einem globalen Umweltproblem: WAS tun, damit alle Länder tatsächlich mitmachen?

2)         Der durch CO2 in der Atmosphäre (mit) verursachte Klimaeffekt wird nicht alleine durch die (akkumulierten) Brutto-Treibhausgas-Emissionen (aller heute 8 Mrd. Menschen auf der Erde) ausgelöst, sondern auch das globale Zerstören von bis 1948 (bei 2,5 Mrd. Weltbevölkerung) noch recht gut funktionierenden Senken bspw. für CO2 (wie Wälder, Moore, Seegraswiesen, …). Es zählen laut IPPC die Netto-Emissionen nach Abzug der weggespeicherten Mengen THG in langfristigen Senken.

3)         In beiden genannten beeinflussbaren Größen (2) ist Deutschland seit rund 30 Jahren im internationalen Vergleich recht erfolgreich.

4)         Nach allen bisherigen Prognosen wird vor 2100 die Weltbevölkerung über 10 Mrd. wachsen und damit sowohl mehr CO2 emittieren, als auch das „Umpflügen der bewohnbaren Erdoberfläche“ weiter intensivieren.

Wenn auf die Vorbild-Funktion Deutschlands verwiesen wird, sind die folgenden Punkte relevant:

5)         Laut Gutachten des „tiefgrünen“ Wuppertal-Instituts vom Oktober 2020 „CO2-neutral bis 2035 …“ für „FFF“ liegt der deutsche Wasserstoff-Bedarf in enormen Größenordnungen. Ebenso ist eine deutliche Erhöhung des Tempos der Gebäudesanierung nötig. Wie geht das bei Fachkräftemangel?

6)         Wie gelingt eine weitestgehende Umstellung auf „grünen Strom“ vor allem für bisher anders versorgte Bereiche (Wärmemarkt, Verkehr, …) innerhalb von 17 Jahren? Und woher kommt ausreichend Strom bei winterlicher „Dunkelflaute“ über drei oder gar mehr Tage?

Wer zu diesen Punkten der komplexen Klima-Sache nichts sagt, sondern lieber den Wählern angeblich klimawirksame Maßnahmen empfiehlt und selbst keine Fachkompetenz zu den speziellen „Lösungen“ hat, muss letzten Endes auch politisch scheitern! Blöd, wenn dann die noch dümmere AFD übrig bleibt! – Wolfgang Ströbele

 

Jede Menge Frust kann vermieden werden, wenn es einen offenen, politischen Diskurs gibt, in dem Menschen mit ihrer wie immer gearteten Meinung nicht mit diffamierenden Schlagwörtern entmündigt, sondern als (auch) denkende Menschen ernstgenommen und durch Fakten bereichert werden. Diffamierung – hier perpetuiert ohne tiefen Bezug zum eigentlichen Thema – leistet Meinungsmache Vorschub. Wenn Herrn Korte wie nebenher diejenigen, die die russische Aggression von den Ursachen her verstehen wollen, als Putin-Versteher an den Pranger stellt , muss nicht mehr darüber gesprochen werden, welche Interessen der Westen möglicherweise an dem Krieg hat, so wenig der Westen die eigene Verantwortung für die Fortführung des Krieges betrachten und besprechen muss, wenn nach über einem Jahr kriegerischer Auseinandersetzung das Wort vom „russischen Angriffskrieg“ gebetsmühlenartig in den (Leit-)medien wiederholt wird. Um sich weiterhin unverantwortlich für Tod und Zerstörung fühlen zu können? – Peter Heydecke

 

Der Titel ist passen gewählt und gilt auch für mich. Ich würde allerdings nicht im Entferntesten auf die Idee kommen deshalb die AFD zu wählen. Ich glaube, dass die Haltung der Regierung und der CDU zum Ukrainekrieg und auch die veröffentlichte – im Gegensatz zur öffentlichen- Meinung in der Presse leider ein Reservoir für die AFD ist. Solang alle, die sich kritisch zu immer mehr Waffenlieferungen und einem Mangel an Diplomatie äussern, als Putin-Versteher, (diesen Begriff sollte man zum Unwort des Jahres erklären) von den Regierungsparteien, der CDU und der Presse beschimpft werden, sind Protestwähler, leider auch für die AFD, unvermeidlich. Und dass Herr Korte als Antwort auf die Frage der ZEIT zu diesem Punkt, auf die Gewöhnung an den Krieg setzt, finde ich zynisch. Vereinfacht ausgedrückt gibt es 4 große internationale Krisen mit nationaler Auswirkung, für deren Bewältigung keiner eine Lösung hat:

  1. Überbevölkerung,
  2. Kriege, -wobei uns der Ukrainekrieg sowohl geographisch, geopolitisch wie emotional besonders nah ist-.
  3. Klimakrise und
  4. Flüchtlingskrise.

Und alle 4 hängen miteinander zusammen und betreffen uns mehr oder weniger direkt. Das Hauptproblem, die Überbevölkerung, kann keiner lösen. Wenn aber die internationale Gemeinschaft, die deutsche Regierung eingeschlossen, nicht mal in der Lage ist, Konflikte ohne Waffengewalt durch Diplomatie zu lösen, wird die Bewältigung der Klima- und Flüchtlingskrise unzureichendes Flickwerk bleiben. Flüchtlingsbewegungen verstärken sich sowohl durch Kriege als auch durch die Klimakrise. Und das, was durch die Waffenproduktion und vor allem durch das Abfeuern dieser Waffen, an CO 2 in die Luft geschleudert wird ist immens. Darüber redet nur keiner. Der weltweite Lebensstandard wir inzwischen verglichen und selbstverständlich würden die Menschen in den armen Länder gerne so leben wie wir, also deutlich über das hinausgehend, was die Erde verkraften kann. Auch das ist eine Fluchtursache. Die AFD gibt lediglich vor Lösungen zu haben, fügt aber den 4 internationalen Krisen noch eine nationale hinzu: Sie bedroht unsere demokratische Verfasstheit. Die Grünen sind, seit dem sie massiv Waffenlieferungen in die Ukraine befürworten, für mich nicht mehr wählbar. Und die Linken zerlegen sie sich aktuell selber. Außerdem ist mir der links- intentitäre bzw. Gender- Flügel zu stark. Wenn Morgen Wahlen wären, ich hätte keine Ahnung wen ich wählen soll. – Petra Harink

 

«Der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte sieht den Umfragen-Rekord der AfD auch im „Erklär-Geiz“ des Kanzlers begründet – rät aber zur Entdramatisierung». Leider gibt es da noch einen wichtigeren Grund als der „Erklär-Geiz“. Korte beschreibt diesen Grund so: «Da hat das Thema Flüchtlinge eine besondere Bedeutung, weil es sich durch ein grosses Bild ins kollektive Gedächtnis eingegraben hat: Die Menschenschlangen 2015…». Aber es ist nicht nur dieses Bild. Es geht grundsätzlich um eine Überforderung beim Thema Integration. In einem anderen Artikel derselben Ausgabe («Was sagen Sie anderen Hauptschülern, Frau Bas?») wird das so beschrieben: Es geht um die sozialen Problemen Duisburgs. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD.) vertritt Duisburg im Bundestag. Auf die Frage: «Ist die Armut heute anders als früher?» antwortet Bas: «…Viele arme Kinder sehen in ihren Familien heute keinen mehr, der noch einer Arbeit nachgeht. Und es war damals sicherlich durchmischter. Ich hatte in der Schule türkische oder italienische Freundinnen und Freunde, wir sprachen alle Deutsch. Heute kommt man in Duisburg auch ohne Deutsch zurecht.» Das Problem ist die sich fortsetzende Demographische Entwicklung. Das wird in einem anderen Artikel derselben Ausgabe («Arbeitet nur die Hälfte der Geflüchteten?») so illustriert: «Die geflüchteten Frauen zwischen 35 und 39 Jahren haben im Schnitt 2,7 Kinder. Zum Vergleich: In der Gesamtbevölkerung haben Frauen zwischen 35 und 39 nur 1,4 Kinder, also deutlich weniger.»

Die Ursache dieses Unterschieds steht schon in der Bibel: «Der Mensch lebt nicht vom Brot allein» Er braucht auch Perspektiven und die findet er entweder im Beruf (und somit oft im Beitragen zum Wirtschaftswachstum) oder aber im Beitragen zu hohen Geburtenraten. Letztere Perspektiven werden vor allem genutzt, wenn die erstgenannten Perspektiven nicht vorhanden sind, oder aber wegen fehlender Ausbildung nicht genutzt werden können. Langfristig kann das, vor allem bei stagnierendem oder negativem Wirtschaftswachstum zu Problemen führen, ähnlich denen, die den Grund für die Migration bilden. Die moralische Grundlage für eine Entschärfung des Problems müsste es daher sein, darauf hinzuweisen, dass es im Interesse aller Menschen, egal ob Flüchtlinge oder Nicht-Flüchtlinge ist, eine Lösung für das Problem der demographischen Gräben zu finden. Der Weg, den die AfD vorschlägt, das Problem zu lösen, ist nicht akzeptabel und auch nicht notwendig. Es geht bei diesem Weg um eine Annäherung an eine in Verruf geratene überhebliche, herabschauende Ideologie. Dieser Weg ist nicht notwendig und kontraproduktiv. Aber bessere Alternativen werden zu wenig genutzt. Eine solche ist das Verweisen auf die Bedrohung einer guten gemeinsamen Zukunft durch globale und lokale demographische Gräben. Dann wäre da das Verweisen auf den Zielkonflikt entstehend durch die Widersprüche zwischen den Menschenrechten auf Lebensunterhalt und dem Menschenrecht auf Eigentum. Zu den erstgenannten Rechten gehört auch das Recht, mehr Kinder in die Welt zu setzten als die eigenen Ressourcen erlauben. Der Zielkonflikt war bei der Deklaration der Menschenrechte nicht absehbar: Er wird nun aber durch die danach folgende demographische Entwicklung (mehr als Vervierfachen der Kopfzahl in vielen Ländern) wirksam. In einem anderen Artikel in derselben Ausgabe («Ein Sockel muss bleiben») wird die Schuld am Schlamassel der Menschheit einseitig auf den Westen geschoben. Diese Pauschalverurteilung des Westens und Pauschalentlastung der Eliten des Südens ist weder gerechtfertigt noch geeignet, einen Ausweg aus dem Schlamassel zu finden. Denn der Grund für das Schlamassel ist das exponentielle Wachstum von Kopfzahl und Konsum, vor allem im letzten Jahrhundert. Hier müssen alle Parteien klar machen, dass im Interesse aller Menschen, die wesentliche Ursache der Probleme das genannte exponentielle Wachstum von Konsum und Kopfzahl ist und dass der Westen allein keine Lösung liefern kann. Damit lässt sich auch eine Antwort finden auf extreme Ideologien von links und rechts. – Gernot Gwehenberger

 


 

 

Leserbriefe zu „»Work-Life-Balance? Abstrus!«“. Gespräch mit Thomas de Maizière geführt von Georg Löwisch

 

Herr de Maizière behauptet, er nehme keine Drogen und direkt danach erzählt er, dass es passieren könne, dass er verkatert aufwache, wenn er sich freue. Seit wann bekommt man einen Kater, wenn man sich freut und warum vermeidet de Maizière es, die Droge Alkohol zu erwähnen, die offensichtlich für seine Kater verantwortlich ist? Oder haben Sie ihn falsch zitiert? Sprach er vielleicht davon, dass er einen Muskelkater nach einem Lachanfall bekommt? Solche Lachanfälle bekomme ich übrigens auch immer dann, wenn Alkohol verharmlost werden soll. Immerhin scheint de Maizière Champagner nicht leiden zu können. Da bin ich mit ihm einig, genauso bei Cappuccino und Hafermilch, wobei ich natürlich weiß, welches Klischee er damit verbreiten möchte. Das kürzliche DLF-„Streit“gespräch bei „Tag für Tag“ zwischen ihm und Ulf Poschardt war ebenfalls sehr lustig. De Maizière betonte zwischendurch, dass er mit Poschardt eigentlich auf einer Linie liege. Der angesprochene Calvinismus ist aus meiner Sicht genauso eine pervertierte Auslegung des Christentums wie der Ablasshandel bei den Katholiken. Das „Paradies“ lässt sich weder erkaufen, noch verdienen. Und ein Paradies, in dem Rosen gezüchtet werden (Garten Eden), ist eh nur die Hölle oder zumindest die Vorstufe dazu. Das Paradies ist eine allumfassende Bibliothek, also quasi das Internet. Was können wir froh sein, dass wir das bekloppte bäuerliche Leben, von dem Ewald Frie erzählt (S. 54), überwiegend hinter uns gelassen haben. Die Schrift (tolles Dossier im Übrigen!) ist der Schlüssel zum Paradies, auch wenn möglicherweise die Versklavung durch Bürokraten an ihrem Anfang stand. Ohne Schrift / Bildung würde Herr Frie und seine Geschwister immer noch im kalten Matsch rumkriechen, soviel zu den „guten alten Zeiten“, die sich die rechtsextreme AfD und auch einige „Konservative“ wieder herbeiwünschen. – Thomas Manthey

 

Thomas de Maizière gibt den tonangebenden Pater. Nicht jeder hat das Glück, einer Arbeit nachzugehen, an die er auch wirklich glaubt & die ihn/sie glücklich macht. Zur Wahrheit gehört nämlich ebenso dazu, dass in unserer Welt nun mal auch viele shitty jobs anfallen. Und die muss jemand machen. Meistens sind das dann junge Menschen wie Studenten, die zum ersten Mal in die Arbeitswelt kommen und erstmal alles machen, was ihnen Geld einbringt. Wenn die jetzt für einen längeren Zeitraum diesem Job nachgehen müssen, um finanziell einigermaßen auf eigenen Beinen stehen zu können, kommt ganz natürlich auch mal der Gedanke über eine Vier-Tage-Woche auf. Ich glaube, um es am Ende kurz und knapp zu sagen, dass es in Deutschland noch jede Menge Menschen gibt, die einem Beruf nachgehen, der sie mitnichten befriedigt, gar erfüllt. Da hat dann jemand wie unser ehemaliger Innenminister leicht reden, wenn er selbst, preußisch erzogen und stets der Selbstverwirklichung in pflichtvollen Aufgaben nachrennend, von einer abstrusen Idee spricht. Schmieren Sie doch mal fünf Tage die Woche Sandwiches bei Subway! – Michael Ayten

 

Gott, Staat und Vaterland – danke für diese Einblicke in die Gedankenwelt eines mustergültigen Staatsbeamten. Er meint das anscheinend wirklich ernst, diese Pflicht an „der Gemeinschaft“, die er mit der riesigen, abstrakten, bürokratischen Maschine, die wir heute „Staat“ nennen, gleichsetzt. Er grundiert das mit einer guten Portion an Frömmigkeit, die schon im 19. Jahrhundert sichergestellt hat, dass die Herrschaftssubjekte nicht aufmucken. Was sinnvolle Arbeit ist? Vollkommen egal, Hauptsache „die Aufgabe“ ist erfüllt. Wie eine echte Solidargemeinschaft aussehen könnte? Das muss man sich als Christ:in anscheinend nicht näher überlegen – natürlich ist es Deutschland! Zu allem Überfluss verfängt bei unserem Innenminister a.D. dann auch die neokonservative Erzählung, dass die heutige junge Generation einfach zu faul ist und ihre Anspruchshaltung zu groß, um „dieses Land“ „wieder nach vorne“ zu bringen. Dabei hätte schon ein genauerer Blick auf seine Statistik ihm gezeigt, dass die Logik so nicht aufgeht: Weniger Menschen in Vollzeit ist noch kein Beleg für seine These, dafür müsste man die absolut geleisteten Arbeitsstunden im Verhältnis zur arbeitsfähigen Bevölkerungen messen. So könnte es auch einfach ein Indiz dafür sein, dass Care-Arbeit heute vernünftiger aufgeteilt wird als in den dunklen Zeiten, in denen er anscheinend groß geworden ist. Thomas de Maizière könnte sich auch mal überlegen, wie er den politischen Erfolg Deutschlands eigentlich messen will. Mit den preußischen Philosophen des 18. und 19. Jahrhunderts könnte man sich da jetzt verschiedene Gedanken machen. Aber nein – „wir werden gegenüber anderen Staaten nach unten durchgereicht“. Der klassische Aufruf an die Bürger:innen, sich doch verdammt nochmal reinzuhängen, damit das BIP weiter wächst und man im globalen kapitalistischen Wettbewerb um FDIs und KI-Startups nicht das Nachsehen hat. Dabei liegt die Ursache für marode Infrastruktur, fehlende Innovationen, den Mangel bei Lehrer:innen und bei der Versorgung unserer Alten und Kranken nicht in der Faulheit der Leute, sondern in schlechter, unnachhaltiger Politik. (Looking at you, CDU!) Dass der Zweck eines Lebens nicht in der Aufopferung für eine fiktive Gemeinschaft besteht, damit diese die Profitmaximierung einiger weniger schützen kann – eine solche Erkenntnis hätte ich einem denkenden Christen schon zugetraut. – Jonas Prinsen

 

Meine Marx-Kenntnisse sind begrenzt. Ich glaube aber, De Maizière bezieht sich in einer Weise auf Marx, die man nicht so ohne Einordnung in einem Interview stehen lassen sollte. Ja, Marx bezeichnet die „nützliche Arbeit“ als „Existenzbedingung des Menschen“ aber er stellt ihr eben auch die Arbeit im Kapitalismus, die entfremdete Arbeit gegenüber „Worin besteht nun die Entäußerung der Arbeit? Erstens, daß die Arbeit dem Arbeiter äußerlich ist, d. h. nicht zu seinem Wesen gehört, daß er sich daher in seiner Arbeit nicht bejaht, sondern verneint, nicht wohl, sondern unglücklich fühlt, keine freie physische und geistige Energie entwickelt, sondern seine Physis abkasteit und seinen Geist ruiniert. Der Arbeiter fühlt sich daher erst außer der Arbeit bei sich und in der Arbeit außer sich. Zu Hause ist er, wenn er nicht arbeitet, und wenn er arbeitet, ist er nicht zu Haus. Seine Arbeit ist daher nicht freiwillig, sondern gezwungen, Zwangsarbeit. Sie ist daher nicht die Befriedigung eines Bedürfnisses, sondern sie ist nur ein Mittel, um Bedürfnisse außer ihr zu befriedigen.“ Dass De Maizière das persönlich nicht so erlebt hat und diese Erfahrung aus seiner Familie so nicht kennt ist nachvollziehbar. Dass er allerdings dann absurde Strohmänner aufbaut um Forderungen nach anderen Arbeitszeiten zu delegitimieren ist ein bisschen billig. Schade. – Clemens Dieler

 

Vorbild statt Egoismus. Der gute Thomas hat den Kapitalismus nicht so richtig verstanden. Der Kapitalismus erzeugt mittlerweile Gier, Gier und noch mal Gier. Diese Gier führt an vielen Stellen zu einem Egoismus, – auch jenseits aller rechtlichen Möglichkeiten – die ein Denken an den Mitmenschen unmöglich macht; ganz zu schweigen an eine Denken in gesellschaftlichen Dimensionen. Es gibt leider zu viele Vorbilder in Politik und Wirtschaft – mitunter auch eine Verflechtung aus beiden Bereichen – bei denen diese Gier ein verantwortliches Handeln – gerade zum Wohle des Volkes – verhindert. – Michael Bolm

 

Obgleich ich seit längerer Zeit einer ganz anderen Partei-Richtung als Herr De Maiziere zuneige, kann ich ihm in diesem Punkt nur zustimmen und beipflichten: Wie selbst Bertold Brecht schon sagte: „Die aufgehende Röte einer besseren neuen Welt kommt nicht wie die Morgenröte nach durchschlafener Nacht“. Selbst die grüne Transformation selbst ohne das bisherige Wachstum braucht vielfach für den Aufbau erneuerbarer Energien und Energieeinsparungen eher deutlich mehr Arbeit als weniger, wie man an der Tatsache sieht, wie schwer es besonders den Aufsichts- und Genehmigungs-ämtern fällt, mit den Aufgaben und Notwendigkeiten Schritt zu halten. Auch die Unterbringung, Integration und Ausbildung von Migranten, die uns mit Glück beim Fachkräftemangel helfen können, braucht erstmal zusätzliche Arbeit von ganz verschiedenen Berufsgruppen. Egal ob man für den besseren Aufbau einer konservativen, einer sozialistischen oder einer grünen Welt, für bessere Digitalisierung, besseren Wohlstand, mehr Nachhaltigkeit, bessere Schulen, Bildung, Inklusion, mehr Sicherheit im Innern wie im Äußeren plädiert, alle brauchen nicht nur guten Wille und Beschlüsse, sondern auch viel Arbeit, auch vor Ort an den Kunden/Klienten/Patienten/Pflegebedürftigen/Schülern, an den Anlagen, Häusern, in der Natur etc. etc., nicht nur im Home-Office und meist nicht nur an vier Tagen in der Woche oder gar nur halbtags. Und der Sinn des Lebens ist auch nicht nur Lust- und Spaß-Maximierung, das zwar auch, aber genauso sinnvolle Betätigung für sich selbst und die eigene Zukunft, aber auch für die Familie und deren Zukunft und auch für das Gemeinwohl und dessen Zukunft. John F. Kennedy hatte Recht mit seiner Forderung „Fragt nicht nur was Euer Land für euch tut, sondern auch, was ihr für euer Land tun könnt“. In der heutigen Zeit mit Globalisierung und Klima-bedingt gemeinsamem Klimaschicksal der Menschheit könnte man „Land“ auch durch „Planet“ oder „Menschheit“ ersetzen. Und in einer asiatischen Weisheit hieß es: „Ich träumte und dachte, das Leben sei Freude; ich erwachte und sah, das Leben war Pflicht; ich handelte, und siehe, die Pflicht war Freude“ . nac

Meine eigene Lebensphilosophie zur nicht immer oder ausschließlich wichtigen Erfüllung von eigenen Wünschen und Träumen entstand nach einem Erlebnis im Studentenheim vor Jahrzehnten, als ein guter Bekannter und vermeintlicher Rivale mir ins Gästebuch schrieb, er wünsche mir die Erfüllung meiner Träume, obwohl er nach späterer Information wusste, dass ich Gefühle für seine damalige Freundin hegte, wobei die Beziehung der beiden aber im Begriff war in die Brüche zu gehen. Ich wurde mir bewusst, dass es wichtig war, auch dafür zu leben, zu arbeiten und zu kämpfen, dass es immer Menschen wie ihn und alle geben würde, die uns beiden lieb und teuer waren. – Peter Selmke

 

Noch nie hat mir jemand so aus der Seele gesprochen wie Thomas de Maizière in diesem Interview. Die Generation Z möchte heute vorzugsweise ein Abitur abgeben, dass aufgrund der schulischen Leistungen immer weniger wert ist. Danach ein Jahr Auszeit, zur Selbstfindung. Dann folgt die süße Studienzeit. Handwerk kommt nicht in Betracht. Ein bequemer Schreibtischjob, möglichst zu Hause im Homeoffice mit Spitzenlohn. Notwenige Dienstleistungen für das eigene Lebensglück und für die Bequemlichkeit organisieren andere in prekären Arbeitsverhältnissen, besonders immer dann, wenn die Generation Z das Arbeiten ablehnt: In den Abendstunden, an Wochenenden und Feiertagen. Wir dürfen dabei die Brückentage nicht vergessen. Hauptsache meine „Life-Work-Balance“ stimmt. Egoismus baut keine Brücken, ist unsozial und herablassend. – Andreas Löbbers

 

Ich hätte mir von Herrn De Maiziere mehr Einfühlungsvermögen bei der Beurteilung der Generation Z gewünscht: vielleicht möchten diese jungen Menschen nicht mehr so selbstausbeuterisch arbeiten müssen wie die eigenen Eltern? Sie haben erlebt, wie das Familienleben massiv darunter litt. Ich wünsche mir auch für meine Generation bereits seit der Wende eine bessere Work-Life-Balance und bin traurig, dass dies in meinem eigenen Arbeitsleben wahrscheinlich nicht mehr zum Tragen kommen wird. Man möge bedenken: Die evangelische Kirche besteht nicht nur aus Calvinisten!! In diesem Sinne würde ich mir wünschen, dass Herr De Maiziere in seinem hohen Alter endlich loslassen kann und etliche seiner Ämter an Jüngere übergibt – auch diese möchten ihren eigenen Beitrag für Deutschlands Zukunft leisten können. – Andrea Ciesielski

 

Das Interview mit Thomas de Maizière kann man spätestens ab dem Zeitpunkt, wo er über das Homeoffice schwadroniert, nicht mehr ernst nehmen. Offenbar haben sich die Vorteile dieser Arbeitsform noch nicht zu diesem „Intellektuellen“ herum- gesprochen. Auch den Begriff „Work-Life-Balance“ versteht er genauso wenig wie die Generation Z im Allgemeinen (Champagner von Lieferando?). Ein Typ Unternehmer wie er würde heute auf dem Arbeitsmarkt nur noch die übrig Gebliebenen bekommen. Die High Potentials gehen zu solchen Firmen, die die Bedürfnisse der GenZ am schnellsten verstehen und in Arbeitsverträge umsetzen. Ich predige meinen Schülerinnen und Schülerin seit Jahren, dass sie Ihre glänzenden Karten auf dem Arbeitsmarkt perfekt ausspielen sollen. Und dass Herr de Maizière 16-Stunden Arbeitstage hatte, ist nicht nur ungesund, sondern auch noch ziemlich dämlich. – Christian Springer

 

Hat Herr de Maizière sich schon einmal gefragt, wen er ausgebeutet hat, um täglich 16 Stunden Erwerbsarbeit nachzugehen. Wer hat denn für ihn gekocht, geputzt, erzogen? Wir sollten uns nicht von alten weißen Männern erzählen lassen, wie das Leben funktioniert. Denn sie kennen vom echten Leben nur einen sehr begrenzten Teil. – Petra Schmidtkunz

 


 

 

Leserbriefe zu „Das lyrische Ich“ von Julia Lorenz und Dirk Peitz

 

Wenn etwas aussieht wie ein Hund und bellt wie ein Hund – dann ist es doch aller Wahrscheinlichkeit nach auch ein Hund, oder? In den kulturellen Sphären von Sex, Drugs and Rock’n’Roll macht die Band Rammstein doch gar keinen Hehl daraus, noch „härter, hässlicher, teutonischer, sexfixierter“ (wie Sie zu Recht schreiben) zu sein als andere. Wenn sogar ein spießiger Elvis-Adept wie Peter Kraus damit prahlt, er habe bei den weiblichen Fans nie etwas „anbrennen“ lassen – dann lässt sich ein Lindemann doch wohl erst recht nicht lumpen! Ist es wirklich „kompliziert“ und bedarf es tatsächlich einer „klassischen Exegese“, wenn Frau Alena Makeeva in bester Ghislaine-Maxwell-Manier junge Damen auf deren „fuckability“ überprüft und in „Row Zero“ platziert? (Und es gibt ja nicht nur den einen kleinen Raum unter der Bühne, über den Sie ausführlich schreiben.) Es ist doch klar – die Groupies, deren Existenzgrundlage und Geschäftsmodell (Vorbild Uschi Obermaier) darin besteht, sich der Band und ihren Mitgliedern zu unterwerfen, werden auch noch bei Hämatomen und geplatzten Lippen darauf beharren, dass ihre Idole sanftmütige Kavaliere mit besten Manieren sind. Andere werden sich schämen zuzugeben, wie naiv und leichtfertig sie waren. Und alle, die von diesem Brutalo-Business profitieren, werden weitermachen, bis es nicht mehr geht – wie auch die heuchlerische Aktion des Verlags KiWi beweist, der erst jetzt erfahren haben will, welche reale pornographische Brutalität hinter den Versen des Gentleman Lindemann steckt. – Wolf-Rüdiger Heilmann 

 

Dauer-Systemsprenger Till Lindemann gibt den toxischen Patriarchen, der sich über gesellschaftliche Konventionen rigoros hinwegsetzt und mit jungen Frauen ins Bett steigt, die altersbedingt seine eigene Tochter, gar Enkelin sein könnten. Es ist nicht verwerflich, rebellisch zu sein, solange es sich hierbei um eine gesunde Portion handelt. Wird Mitte und Maß jedoch überschritten, Anstand und Tugendhaftigkeit verächtlich zur Seite gewunken & ad acta gelegt, dann haben wir es mit einer zerstörerischen Anarchie zu tun, die bewusst unsere wertebasierte Gemeinschaft attackiert, die für Respekt und Toleranz steht, und selbstredend für die Unantastbarkeit der Menschenwürde. Das muss so bleiben! Mal ganz ehrlich. Dass so eine kontroverse Musikband wie Rammstein auch Leichen im Keller hat, ist fast schon selbstredend. Man muss sich nur eine ihrer Shows ansehen, um festzustellen, dass Rammstein und insbesondere Frontsänger Till Lindemann nicht unbedingt viel Wert auf gesellschaftliche Konventionen und Normen legen, zumindest in ihrer künstlerischen Performance. Die ist zweifellos immer ein Highlight. Auch ich habe in der Vergangenheit gerne ihre Musik gehört. Sie ist aber auch frei von jeglicher Tugend und Anstand, wenn ich das mal so sagen darf, teilweise sogar verdorben.

Der besagte Porno mit dem Titel Till the End ist nicht nur geschmacklos, er ist auch ein Abgesang auf die Menschenwürde. Es ist beinahe so, als sähe man Mephisto persönlich dabei zu, wie er in seinem Hades, seinem Schattenreich, seine verdrehte Vorstellung von Liebe ausübt. Machen wir es kurz. Das ist schlicht und ergreifend reine Gewalt, die da praktiziert wird. Widerlich hoch zehn. Dass solche Arschlöcher dazu noch Millionen verdienen und rechtschaffene Bürger sowie Herzensdemokraten wie ich es beispielsweise einer bin, mit einer Einkaufsliste zu LIDL radeln müssen, um gut über den Monat zu kommen, fühlt sich wie eine Zumutung an. Ich hab‘ noch nicht mal genug Knete, um mir in Potsdam Sansoucci anzusehen oder in Berlin das Willy-Brandt-Haus zu besuchen, aber dieses Ekel penetriert regelmäßig und vermutlich schon jahrelang junge Frauen gewaltsam, die altersbedingt seine eigene Tochter, gar Enkelin sein könnten. Was für ein Drecksschwein! – Michael Ayten

 

Ein Hochamt für die Empörungsindustrie und die Sittenwächter. Doch Ächtung oder monokausale Deutung der Affäre sind zu simpel. Schon Jimmy Hendrix ( in den 60′ ern ) hat angeblich bis zu 7 Frauen hintereinander vorgelassen und „vernascht“. Das mag zwar frivol und geschmacklos sein und so gar nicht in die heutige Zeit und zur me too Debatte passen, aber es war ein Geben und Nehmen. Groupies taten es freiwillig und auch bei Rammstein war es vermutlich nicht sonderlich anders, vielleicht etwas zynischer, oder soll man „professioneller“ sagen, orchestriert. Moralisierende Attitüde in den Kommentarspalten fühlt sich proper an, doch erhabener Eifer verkürzt den Blick. – Christoph Schönberger

 

„Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert“, diese Lebensweisheit soll angeblich von dem deutschen Schauspieler, Kabarettisten und Sänger Werner Kroll (1914-1982) stammen. Nach diesem Motto könnte der Rammstein-Sänger Till Lindemann ganz ungeniert leben, aber ob er das jemals so machen wird und will, das wissen nur Lindemann selbst und vielleicht auch die Götter. Bewiesen ist so gut wie nichts, alles basiert nur auf reinen Vermutungen und Verdächtigungen, vielleicht ist dieser angebliche Video-Clip auch nur Fake! „In dubio pro reo“, im Zweifel für den Angeklagten, aber Till Lindemann ist nicht mal angeklagt! Soll da etwa wieder so ein nicht ganz linentreuer Mensch, gar mundtot gemacht werden? Noch eins dazu, ein wirklicher Rammstein-Fan bin ich ganz und gar nicht! – Klaus P. Jaworek

 

Bei ihrem Besuch haben Sie festgestellt: Die Fans sind latent sexistisch und offenbar rechtsradikal, Die Show ist eklig, sexistisch und dumpf, Keiner will sich vom Lindemann distanzieren, unglaublich! Bei aller Liebe – ist das journalistische Sorgfalt und Aufklärung? Oder einfach mehr Dreck drauf werfen, bis der letzte kapiert hat, dass er schon irgendwie schuld ist? Nichts gelernt seit Kachelmann? Das ist schon etwas erschreckend. – Stefan Ziegler

 

Die Unschuldsvermutung vorausgesetzt, sollte Rammstein genau jetzt eine eigene Version von LAYLA herausbringen, und auch der letzte Bürger legt sich fest, dass so eine Band HEUTZUTAGE verboten werden müsste. Ist Unrecht geschehen, muss das geahndet werden, keine Frage. Aber Stimmungsmache, Stichwort Kachelmann, kann vernichtend wirken. Bis ich nichts anderes höre, spiele ich mit der Stimme von Till Lindemann LAYLA vor meinem inneren Ohr, und wünsche allen Konzertbesuchern eine bombastische Show. – Thorsten Dörries 

 

Womit ich mich beim Thema Rammstein und Mißbrauchsvorwürfe schwertue: Niemand wird dazu gezwungen, noch besteht eine Notwendigkeit über den Faktor Unterhaltung / Freizeitgestaltung hinaus, auf ein Rammsteinkonzert zu gehen. Daher ist hier ein Machtmissbrauch für mich nicht zu erkennen. Solange keine tatsächlichen Anhaltspunkte für konkrete Straftaten gegeben sind, ist für mich nichts substanziell erkennbar, was beispielsweise mit metoo vergleichbar wär, den dort ging es um berufliche Abhängigkeiten. Was mir bisher zu Rammstein-Gate bekannt ist – sofern es nichts Neues gibt – fällt überspitzt gesagt in die Kategorie: Besuch im Swingerclub mit der Erfahrung unsittlich berührt worden zu sein. Und das fällt dann letztlich in die Kategorie eine unschöne Lebenserfahrung gemacht zu haben, auf einem Weg, den man selbst gewählt hat. Bitte versteht mich nicht falsch – ich will definitiv nichts verharmlosen. Allerdings will ich klar aufzeigen, dass ich eine Grenze für sinnvoll und notwendig halte, die unterscheidet, ob jemand tatsächlich jemand anderem etwas sanktionswürdiges angetan hat, oder ob nur eine Ausnutzung im Rahmen des noch erlaubten Bereichs stattgefunden hat. Wer besoffen auf einer wilden Party einpennt und am Morgen feststellt, man hat ihm einen Penis mit Edding auf die Stirn gemalt, hat womöglich einfach nur Pech gehabt. Wobei ich zugeben muss, das dieses Beispiel nicht optimal ist, aber der Gedanke kommt glaube ich rüber. Es gibt so etwas wie das Risiko des alltäglichen Lebens, und darunter fällt Rammstein-Gate aktuell für mich. Natürlich ist nicht vorherzusehen, ob strafrechtlich relevante Fakten zukünftig auftauchen können. Aber aktuell ist mir da nichts ersichtlich, nur möglicherweise moralisch verwerfliches Verhalten. Allerdings ist Moral so subjektiv wie Musikgeschmack. Warum ich hier eine Abgrenzung für notwendig und auch öffentlich diskussionswürdig erachte? Weil wir in Deutschland sonst bald absurde Zustände haben wie in den USA, wo in Utah (!) verboten wird, dass Schulbibliotheken die Bibel im Sortiment haben – was innerhalb der hier zugrunde liegenden, amerikanischen Logik nur konsequent ist, aber eben auch absurderes möglich macht, wie die Suspendierung einer Lehrerin in Florida aufgrund des Zeigens eines Disney Films. Moralischer Furor, ob von rechts (Gender!!1!1) oder links (Rammstein-Gate derzeit) richtet jede Gesellschaft zu Grunde und ufert maximal aus, wenn man hier nicht hart aufpasst; das zeigt die Französische Revolution. – Florian Lahmann

 

(Camp Cope: „The Face Of God“) – Frontfrau Georgia Maq verarbeitet (wenn man das denn so nennen kann) in diesem Song die Vergewaltigung durch einen Sänger einer anderen Band, mit dem sie eine Zeitlang liiert war. Der Text könnte aber auch zu Rammstein bzw. Till Lindemann passen, wenn sich die Vorwürfe als wahr erweisen (wovon ich ausgehe, weil sich viele verschiedene Frauen unabhängig voneinander mit ähnlichen Beschreibungen der Vorgänge hinter den Kulissen gemeldet haben, das muss allerdings natürlich noch die Staatsanwaltschaft prüfen, wobei mich wundert, dass bisher wohl noch keine Anzeigen vorliegen). Allerdings würde ich nicht sagen, dass Rammsteins / Lindemanns „Musik“ „too good“ ist. Viel (Pyro-)Tamtam und Bühnenklamauk und ein paar (zugegeben) gute Riffs machen aus diesen Kinderliedern noch lange keine Kunst. Da hatten die Vorläufer Feeling B Besseres zu bieten. Ich habe mir diesen Quatsch beim hiesigen Mera Luna, als Rammstein mal Headliner waren, jedenfalls erspart. Und dass Orgien-Ollie (honi soit qui mal y pense, Augen auf bei der Wahl des Künstlernamens) die Inchtabokatables für diese Band verlassen hat, war ein Fehler. Ich hoffe, dass da nicht noch mehr herauskommt, was die anderen Bandmitglieder angeht. Hat von denen eigentlich niemand etwas mitbekommen? Seltsam auch, dass der KiWi-Verlag erst jetzt etwas von dem Pornovideo erfahren haben will. Der Schwanzrock à la Rammstein ist tot. Die Zukunft des Rock’n’Rolls ist weiblich! (Das sehen auch die Konzertveranstalter immer mehr. Bei der „Tonart“ von DLF Kultur wurde kürzlich ein Vertreter von FKP Scorpio interviewt, der von 31 Prozent Künstlerinnenanteil sprach, wobei ich nicht weiß, ob sich auf das Hurricane-Festival oder eine andere Veranstaltung bezog. Aber wenn man bedenkt, wie schwach der Anteil zuvor war, macht das doch Hoffnung. Der Interviewte meinte auch, dass der Frauenanteil immer auch genreabhängig sei und dass er höher hätte sein können, wenn einige weibliche Bands und Künstlerinnen nicht anders geplant hätten.) Was an Lindemann „lyrisch“ sein soll, erschließt sich mir nicht, aber wenigstens haben Sie nicht auf das Klischee vom „poète maudit“ zurückgegriffen. – Thomas Manthey

 


 

 

Leserbriefe zu „Scholz & Scholz“ von Tina Hildebrandt

 

Liebe Schreihälse, hatte der Bundeskanzler begonnen. Ein tobender Mob hatte sich zusammengefunden, der nicht besseres zu tun hatte, als dämliche Parolen in die Luft zu grölen. Es ist schon erstaunlich, wie viele Vollidioten in unserem Land leben. Ich sag‘ das jetzt einfach mal. Wenn man Argumente hat, kann man sie vorbringen und auf eine konstruktive Diskussion setzen. Das pausenlose Brüllen stumpfer Parolen ist jedoch kontraproduktiv und trägt nicht zur Lösungsfindung bei. Es ist erschreckend, wie viele Menschen bar jeder Bildung sind und sich dazu noch so resespekt- und anstandslos verhalten. Der Bundeskanzler verdient unsere vollste Unterstützung in solchen Situationen. – Michael Ayten

 

Er ist/soll zwar der Kanzler der Bundesrepublik Deutschland sein, aber, wenn ich da meinen Gefühlen freien Lauf lasse und diesen auch noch nachspüre, dann ist dieser Olaf Scholz leider nicht mein Kanzler. Hatte da die Ex-Kanzlerin Dr. Angela Merkel noch so etwas wie eine gewisse Autorität, dieser Olaf Scholz, der immer Respekt wollte, der hat für mich absolut keine Autorität, dieser Mann hat nichts. Ein Kanzler, der sich an so manches, meist an das Unangenehme, nicht mehr erinnern kann, den kann ich weder ernst nehmen, noch respektieren! – Riggi Schwarz

 

Gut, dass der Kanzler die gemeine Kritik aus den eigenen Reihen „Kriegstreiber“ etc. mal richtig deutlich (der Mörder ist Putin) zurück gewiesen hat. Es wäre auch höchste Zeit, solchen realitätsfernen Beschimpfungen immer wieder entgegenzuhalten, dass ihre Beschimpfungen gegenüber den Helfern der Ukraine alleine auf Putin und seine Getreuen zutreffen. Und haben die AfD und deren Sympathisanten vergessen, dass über eine Million Flüchtlinge in den vergangenen 15 Monaten allein wegen der russischen Aggression nach Deutschland gekommen sind? Man muss ihnen unterstellen, dass sie, um Wählerstimmen zu gewinnen, in Kauf nehmen bzw. beabsichtigen, dass unser Land an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit kommt. – Rolf Schülli

 

Mir sind zwei Versionen retrospektiver Geschichtsdeutung bekannt: die Schulweisheit, wo der Mensch bestimmender Faktor der Deutung ist; und die Modernere, wo das Verhältnis Mensch & Natur berücksichtigt wird. Die gängige Schulinterpretation vertritt Hr. Scholz, wo Hr. W. Putin als Angreifer leicht identifizierbar ist. … Schwieriger ist die moderne Deutung; da bereits vor der Wende89 die Klimarisiken der Weltgemeinschaft bekannt waren. Womöglich stellte „der politische Westen“ vor lauter Siegereuphorie den Kapitalismus nicht infrage, da wir die Natur als anbietender Gegen-Hegemon zu menschlichen Nachfrage-Bedürfnisse in unserer axiomatischen Wirtschaftstheorie wahrnahmen bzw. wahrnehmen. Dieser Gegen-Hegemon akkumuliert, ähnlich wie der Kapitalismus, „Energie-Transfers“ zu einem kollektiven Willen im Gütermarkt, was sich als sinkende planetarische Leistungsfähigkeit vom Ökosystem äussert. Das Absinken bewirkt einen Evolutionsdruck auf alle biologische Arten; also auch den Mensch. Soziologisch äussert sich der Evolutionsdruck als Dichtestress aus: nach dem neuesten wissenschaftlichen Bericht der UN werden allein in Indien 600 Millionen Menschen unter dem Evolutionsdruck leiden. … Im Zuge der Dammsprengung in der Ukraine wurde das Wort Ökozid verwendet. … Für einen Ökozid brauchen Sie keinen Krieg; das kann auch durch akkumulierte Transfer-Entscheidungen in der Natur verwirklicht werden. … Krieg ist Evolutionstheoretisch nur ein Druckausgleich; was natürlich alle gängige „kriegsverherrlichende Aktivitäten und Gegenmaßnahmen“ auch in ihrer Sinnhaftigkeit anzweifeln lässt. … Krieg geht primär aus einer fehlenden geistigen Lösungen; z. Z. Klimarisiko, hervor! … War eigentlich die Verteidigung westlicher Werte nach 9/11 in Afghanistan oder Irak erfolgreich? … Hr. Scholz zeigt Gefühl? … Das Gefühl einer „beleidigten Leberwurst“, da Menschen seine Geschichtsdeutung vom „unschuldigen werteorientierten und -reflektierenden Westen“ anzweifeln. Unsere „Selfie-Gesellschaft“ will vor der Kamera posieren; was politisch im Blame Game die Schuld-Deutung ist. – Matthias Losert

 

Schnell oder bald. Heute oder morgen. Jetzt oder nie. Das Arbeits- Muster des Kanzlers. Dem „Lehrling“ Olaf am Ende der Angela-Ära fehlt aber erkennbar noch einiges zur Meisterschaft im Aussitzen und/oder Ausschweigen. Es klappt noch nicht wie bei der „Meisterin“ Angela Merkel. Echte Führung und offene Worte sind, immer schon, sein Ding nicht. Scholz & Scholz ist wie Merkel & Merkel: Also kontrollierter, gewollter Stillstand mit dosierten „Gefühlsausbrüchen“. Überdenken und Abwägen sind seine Welten. Nicht Konfrontation und Vorangehen schon gar nicht Gefühle nach außen kehren. Aber das wusste man doch. Als Erster Bürgermeister von Hamburg und als Finanzminister der großen Koalition hat Olaf Scholz genauso Politik gemacht wie er sie auch heute als Bundeskanzler macht. Dass er sich seinem Amtseid verpflichtet fühlt ist doch wohl selbstverständlich. Danach wird er seine ganze Kraft dem Wohl des deutschen Volkes widmen und alle anderen Parameter des Eides, nach seiner Lesart Pflichttreu und Gewissenhaft erfüllen. Vielleicht hätte er doch Gottes Hilfe erbitten sollen. Schaden kann so etwas nie. Warum lässt er sich unnötig von den Herren Lindner, Habeck und Frau Baerbock auf der Nase herumtanzen? Beim „Herumeiern“ wegen des Haushaltes, dem „Gezerre“ um das Gebäude-Energie-Gesetz und der „Feministischen“ Außenpolitik? Hier ist nunmehr klare Kante gefragt und zum zweiten, dritten oder vierten Mal ist eigentlich die Karte „Richtlinienkompetenz“ zu ziehen und damit, wie im Ausland, klar zu zeigen wer der Chef im politischen Berlin und in der Bundesregierung ist. Olaf Scholz kann, wenn er will und nicht immer, wenn er muss. „Ich bin nämlich ganz anders, aber ich komme nur so selten dazu.“ (Ödön von Horvath). – Felix Bicker

 

Nicht viele Worte, nur ein >Summa cum laude < für diesen Zeit-Artikel von Tina Hildebrandt. – Alexander Weber

 

Als inzwischen alt gewordener Pensionär, dennoch gestresst von der Mitarbeit im Haushalt meines Sohnes und seiner lieben Frau, einer russischstämmigen US-Amerikanerin, dachte ich am Abend dieses langem stressigen Tages: Hol dir doch aus dem Zeitungsladen, an dem wir gerade vorbeifuhren, mal wieder eine „Zeit“, deren Berichte und Kommentare du lange Jahre geradezu süchtig eingesogen hast, bis etwa um 2015/16 beispielsweise und stellvertretend ein Bernd Ulrich mir die Lektüre dieses Blattes so sehr verleidete, dass ich im Jahre 2017 mein Jahresabo auslaufen ließ. Der seitdem auch in der „Zeit“ um sich greifende „Haltungsjournalismus“ war mir einfach zuwider. Nun habe ich mir 6 Jahre später mal wieder eine „Zeit“ gegönnt, die Ausgabe vom 7. Juni 2023, und ich muss sagen: es hat sich nichts geändert, und ich muss mich weiterhin, was die von damals her mir so lieb gewordene „Zeit“ angeht, in Enthaltsamkeit üben. Nehmen wir nur beispielhaft und stellvertretend Ihren Artikel über Kanzler Scholz gleich auf der ersten Seite, ich könnte auch den daneben stehenden nehmen. Ihnen geht es eigentlich nicht darum, unabhängig zu berichten, was ist, sondern Sie zeigen Haltung, subtil zwar, doch unübersehbar, und stellen Haltung, nur das missfällt mir, über die Wirklichkeit.

Nehmen wir beispielhaft und stellvertretend nur Ihren scheinbar so objektiv daherkommenden, das „sowohl, als auch“ berücksichtigenden Satz: „.. der Amtseid verpflichtet (den Kanzler) nicht nur dazu, Schaden vom Volk abzuwenden und dessen Nutzen zu mehren. Er gibt diesem Volk gerade in einer so unübersichtlichen politischen Gemengelage auch ein Recht darauf, zu wissen, wo der wichtigste Mann bei den wichtigsten Themen inhaltlich steht.“ So ein beschöninger, wahrheitswidriger ( wo hat Scholz den Nutzen des eigenen Volkes gemehrt?), scheinkritischer, nur an der Oberfläche der politischen Agenda kratzender (er soll deutlicher politische Farbe bekennen), falsche politische Ratschläge erteilender ( soll er sich noch eindeutiger auf die Seite der ökosozialen Grünen oder der wirtschaftsliberalen FDP schlagen oder nicht vielmehr statt klarer Kante die widerstreitenden Standpunkte kompromissbereit zusammenführen, um seine Ampel zu retten, wenn sie überhaupt noch zu retten ist?) – ja, so ein Satz von Ihnen macht mir das Weiterlesen schwer. Es ist für mich so traurig zu erleben, dass die alten Gütezeichen der „Zeit“, Freiheit und Unabhängigkeit, immer mehr verloren zu gehen scheinen. So viel nach der Lektüre der ersten Seite, mal sehen, was sonst noch in der „Zeit“ steht. – Janbernd Geuting

 


 

 

Leserbriefe zu „Von der Rolle“ von Helena Ott

 

Auch in Ihrem Artikel wird impliziert, das bei Verheirateten mit unterschiedlichen Einkommen nur die Steuerklassenkombination III/V möglich ist. Das stimmt nicht. Nach der Hochzeit wird man automatisch im IV/IV veranlagt. Fast alle Ehepaare wählen aber die vermeintlich günstigere Kombination. Ein Wechsel der Steuerklasse ist unkompliziert auch im laufenden Steuerjahr möglich. Das macht die tatsächliche Einkommenssituation transparent. In dem Beispielsfall würde Frau G. somit etwa 917 Euro (bei veranschlagten 1150 Euro brutto) verdienen UND in die Rentenkasse einzahlen und Beitragsjahre sammeln, die Sozialversicherungsbeiträge könnten auch noch steuerlich abgesetzt werden, was bei einem Steuersatz von 30 Prozent bei der Jahressteuererklärung des Ehepaars etwa 840 ausmacht bzw. monatlich 70 Euro. Dadurch schmilzt der vermutete Nachteil im Beispielsfall auf etwa 50 Euro im Monat. Dafür die soziale Absicherung- Rentenpunkte, Anspruch auf Arbeitslosen- und Krankengeld, Berechnungsgrundlage für Elterngeld- sausen zu lassen, ist für mich nicht nachvollziehbar. Ich würde mich freuen, wenn dieses allgegenwärtige Märchen nicht weiter verbreitet wird. – Ursula Kirstein 

 

Wieder einmal wird das Ehegattensplitting als Argument angeführt, weshalb Frauen weniger Erwerbsarbeit nachgehen. Es bleibt mir unverständlich, denn ob Steuerklasse IV / IV oder III /V: aufs Jahr gesehen gibt es keinen Unterschied. Wie wäre es mit folgender Überlegung: Ehepaare, wählt doch IV / IV, lebt mit etwas weniger jeden Monat, freut euch über eine jährliche stattliche Steuerrückerstattung und auch der Partner mit dem geringeren Einkommen muss nicht das Gefühl haben, dass sich Arbeit nicht lohnt. – Wolfgang Tzschoppe

 

Das Minijobsyndrom bei Müttern ist empirisch belegt, ist es verwunderlich? Symptomatisch in Sonntagsreden das Mantra von der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die staatliche Betreuung ist in den letzten Jahren zwar um Klassen besser geworden, doch meist ist der imaginäre Fulltimejob eine Lebenslüge. Das weiß jede Familie mit mehreren Kindern, bei der ein Partner ( oder beide ) nahezu zwangsläufig zurückstecken muss. Eine Gesellschaft, die aus demographischen Gründen mehr Nachwuchs benötigt, muss ihr Koordinatensystem neu justieren und zuerst Familienarbeit besser bewerten. – Christoph Schönberger

 

Viele Frauen planen von Anfang an, sich nach der Geburt des Kindes und in dessen ersten Lebensjahren sich hauptsächlich selber um das Kind kümmern zu WOLLEN und weder 40 noch 30 Stunden zu arbeiten. Dementsprechend wird der Mann ausgesucht. Da geht es also nicht so sehr um einen schönen Hintern. – Lucia Jenn

 

Der Artikel zu den Minijobs ist gut recherchiert und verständlich geschrieben – ich vermisse jedoch wichtige Eckdaten: MinijobberInnen zahlen keine Sozialversicherung? JEIN! Nur wenn sie sich von der Zuzahlung zur Rentenversicherung befreien lassen (was meist ungünstig für sie ist!). Sozialabgaben und Steuern zahlt der Arbeitgeber in pauschalierte Form: 15% Renten- und 13% Krankenversicherung sowie 2% Steuern auf die max. € 520,- (deshalb fallen diese Ein-nahmen aus Minijobs nicht unter die allgemeine Einkommensteuer – weil ja bereits pauschal besteuert wurde !! ). Die Summe der gezahlten Löhne an Minijobber ist am Jahresende an die gesetzliche Unfallversicherung zu melden und wird verbeitragt, da die Bezieher dieser Löhne genauso wie alle anderen Arbeitnehmer bei Unfällen am Arbeitsplatz und auf dem Arbeitsweg versichert sind – diesen Beitrag zur Berufsgenossenschaft trägt nur der Arbeitgeber. Mit der Zuzahlung des Arbeitnehmers zur Rentenversicherung in Höhe von 4,6% erwirbt auch der Minijobber einen vollen Monat Rentenbeitrag; dies kann gerade bei Frauen zur Ansammlung von rentenwirksamen Zeiten helfen und ist z.B. auch in der Elternzeit möglich; dabei ist der Zeitfaktor (Beitragsmonat) „wertvoller“ als der Betrag an sich (entsprechend ist auch ein Arbeitsverdienst von unter € 520,- immer noch sinnvoll ! ). Für die Rentensituation der Frauen sollten diese nach Abschluss der Familienplanungsphase unbedingt ihre Kinder und Erziehungszeiten der Rentenversicherung mitteilen, da diese zu höheren Altersrenten der Frau führen oder ggf. diese erst ermöglichen (Erreichen von 60 Beitragsmonaten als Voraussetzung von Rentenansprüchen allgemein).

Beim pauschalen Beitragssatz zur Krankenversicherung sehe ich eine Gesetzeslücke. Falls Minijobber nicht aus eigener (Voll-)Beschäftigung, Familienversicherung oder Anderem Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung haben, erhalten sie von dort keine Leistungen, obwohl der Grundsatz des SGB gerade darauf beruht: Keine Leistungen ohne Beitragszahlung bedeutet im Umkehrschluss für mich Leistungsanspruch weil Beiträge gezahlt werden – auch wenn diese Beiträge aus der Pauschalierung im Gesamttopf der mit der SV rechtlichen Abwicklung der Minijobs exklusiv beauftragten Knappschaft (war mangels Bergbau auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit ! ) aufgehen… Mit einer kaum bekannten (und sehr wenig genutzten) Möglichkeit der Steuerklassenwahl können DoppelverdienerInnen den Frust des Lohnsteuerabzugs in der Klasse V vermeiden: Beide wählen die Klasse IV mit Faktor – dabei berechnet das Finanzamt auf Basis der Bruttojahreslöhne, die die Steuerpflichtigen im Antrag mitteilen, einen Faktor zum %alen Steuerabzug > Dieser entspricht damit nahezu der Jahressteuer in einer gemeinsamen Veranlagung. Noch eine Möglichkeit der Gestaltung bietet eine Steuerklassenänderung bei Schwangerschaft: Das Mutterschaftsgeld der Frau wird aus deren Nettoverdienst berechnet – gerade bei Steuerklasse V (Frau!) sollten Paare rechtzeitig (min. 6 Monate vor Beginn der Schutzfrist) die Klassen IV + IV (diesmal ohne Faktor) beantragen. Gegen Ende eines Jahres (und wenn ein kurzfristiger Minderverdienst verkraftbar ist) würde ich III für die Frau und V für den Mann wählen. Zuviel erhobene Lohnsteuer wird in einer Veranlagung erstattet, das Mutterschaftsgeld bleibt (wie ausbezahlt!) davon unberührt; die gewählten Steuerklassen sollten bis Ende der Schutzfrist (also 8 Wochen nach der Geburt!) beibehalten werden. Und der bisherige Mehrverdiener kann jetzt selbst sehen, wie die Steuerklassenwahl den Spass an einer Sonderzahlung verderben kann… – Rudolf Seehaus

 

Da haben wir sie also wieder – den bösen Staat und die hilflosen Frauen. Etwas mehr Genauigkeit hätte ich mir schon gewünscht. Formulierungen wie „… gerade für verheiratete Frauen relativ hohe Steuern anfallen.“ oder „… das Ehegattensplitting…Dabei wird der sogenannte Hauptverdiener begünstigt und der Zweitverdiener hoch besteuert“ sind falsch, denn sie suggerieren, dass die Aufteilung in Steuerklasse 3 und 5 für Verheiratete ein Naturgesetz oder mindestens eine staatliche Bevormundung ist. Keines von beiden stimmt. Das Ehegattensplitting erlaubt genauso z.B. die Steuerklassen 4 und 4. Dies lässt sich z.B. einfach nachlesen unter https://eur06.safelinks.protection.outlook.com/?url=https%3A%2F%2Fde.wikipedia.org%2Fwiki%2FEhegattensplitting%23Verfahren&data=05%7C01%7Cleserbriefe%40zeit.de%7C37698237d67e48d935b208db6c21ff7c%7Cf6fef55b9aba48ae9c6d7ee8872bd9ed%7C0%7C0%7C638222665496851241%7CUnknown%7CTWFpbGZsb3d8eyJWIjoiMC4wLjAwMDAiLCJQIjoiV2luMzIiLCJBTiI6Ik1haWwiLCJXVCI6Mn0%3D%7C3000%7C%7C%7C&sdata=AmJ6%2BV%2FloD694BTQB%2FO0A5ZSYL%2FwXYUIq20HPSWWSdc%3D&reserved=0. Die Wahl der Steuerklassen ist also die freie Entscheidung eines Ehepaars. Wenn sich viele für die „klassische“ Aufteilung in Steuerklassen 3 und 5 entscheiden, ist das ihre Sache – aber dann soll man auch nicht hinterher über den niedrigen Nettoverdienst verheirateter Frauen jammern. Die Klage über gefühlte Bevormundung und der Wunsch nach einer sinnstiftenden Beschäftigung sind nachvollziehbar. Mich würde aber auch einmal interessieren, wieviele der Männer, die Hauptverdiener sind, ihren Beruf als sinnstiftend empfinden oder sich vielleicht auch bevormundet fühlen. Und zunächst eine Ausbildung als Traurednerin zu machen, um dann nach Corona doch über etwas anderes nachzudenken, macht auf mich nicht den Eindruck, dass sich hier jemand für die finanzielle Absicherung der Familie (mit)verantwortlich fühlt. Etwas weniger Pauschaljammern und etwas mehr Fakten wären bei diesem Thema sehr wünschenswert. – Sabine Möhler

 

Aus meiner Sicht zu Recht behandeln Sie das wichtige Thema Gender PayGap und die Frage, wie das Ehegattensplitting den Paygab berücksichtigt. Allerdings werden die Frauen meiner Ansicht nach in dem Text zu sehr als passive Opfer des Systems dargestellt. Ich bedauere ebenso wie Sie, dass so viele Frauen nach der Familiengründung nur noch in Minijobs arbeiten, und finde, der Staat sollte Frauen stärker darin unterstützen, ihre Karriere auch mit Kindern fortzuführen, etwa mit mehr und besseren Angeboten in Sachen Kinderbetreuung. ABER: In anderen westlichen Ländern arbeiten sehr viel mehr Frauen auch nach der Familiengründung Vollzeit, schlicht und einfach aus finanziellem Druck. Ob das wünschenswert ist, darüber kann man streiten. Aber niemand zwingt Frauen wie die von Ihnen beschriebene Anne G., „nur“ im Minijob zu arbeiten. Dass das Ehegattensplitting zu ärgerlichen Effekten führt, stimmt, aber ich verstehe dennoch nicht, warum es als Grund dafür herhalten muss, dass eine Frau gar nicht oder fast gar nicht arbeitet. Ich kenne Frauen, die schon wenige Monate nach der Geburt wieder arbeiten gegangen sind, auch in Vollzeit – weil ihre Karriere ihnen wichtig ist. Nochmal: Das muss man nicht gut finden. Aber es ist möglich und am Ende eine persönliche Entscheidung. Auch im Fall von Anne G. ist mir nicht klar, was sie wirklich ausbremst. Im Text steht: In ihrem Minijob im Blumenladen verdient sie mit zehn Stunden pro Woche 520 Euro im Monat. In einer Teilzeitstelle würde sie in 20 Stunden 800 Euro netto rausbekommen. „Ich müsste zweimal so viel arbeiten, um ein Drittel mehr zu verdienen“, sagt sie. Und zusätzlich hätte sie weniger Zeit für den Haushalt und ihre Tochter. 

Die Rechnung stimmt schon mal nicht: Ein Drittel von 520 sind 173, würde sie ein Drittel mehr verdienen, käme sie auf 693, nicht 800. Außerdem scheint Frau G. ja durchaus Möglichkeiten zu haben, mehr zu tun. Warum nimmt sie ihre frühere Tätigkeit als Traurednerin nicht wieder auf? Oder verfolgt ihren Traum, in der Familienhilfe tätig zu werden? Sie hat nur eine Tochter, die ja offenbar in die Kita geht, da verstehe ich offen gesagt das Problem nicht. Ich bin absolut dafür, den Gender Pay Gab zu verkleinern, und dass der Staat aktiv versucht, dazu beizutragen. Aber ich würde mir auch wünschen, dass Frauen in der Diskussion nicht als hilflose Opfer präsentiert werden. Nicht selten ist die Entscheidung, bei den Kindern zu bleiben, eine bewusste, nicht eine vom System erzwungene. – Mia Beitzar

 


 

 

Leserbriefe zum Titelthema „HAUPTSACHE DAS KIND IST GLÜCKLICH“ von Tillmann Prüfer im ZEIT Magazin.

 

„In Deutschland wurden im Jahr 2022 rund 15.500 Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch angezeigt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass bis zu eine Million Kinder und Jugendliche in Deutschland bereits sexuelle Gewalt durch Erwachsene erfahren mussten oder erfahren. Das sind rund ein bis zwei Kinder in jeder Schulklasse. Viele dieser Fälle gehen nicht in die Kriminalstatistik ein…“ (UBSKM)

Oh ZEIT! Wie passend ? oder instinktlos ?? ist doch Ihre Titelseite bei der steigende Zahl von genereller Gewalt gegen Kinder…??? Wünschen wir allen Kindern Wurzeln + Flügel in prägender Zeit voller Glück und vielen anderen später die kurze Wartezeit für einen Termin beim Therapeuten! – Klaus Busch

 

Wieso Zeiten, an die sie sich nicht erinnern können, für Erwachsene den Mythos einer glücklichen Kindheit hervorrufen sollten, erschließt sich mir nicht. Was aber allgemein gilt: Ein Artikel, der ohne sachliche Belege auskommt und sich nur auf Meinungen beruft, wird persönliche Erfahrungen nicht ins Wanken bringen, sondern sie wegen seiner einseitigen Tendenz nur bestärken. Wenn das die Absicht des Artikels war, so hat er seinen Zweck bei mir erfüllt. Eigentlich lese ich die ZEIT allerdings, um dadurch mein Weltbild zu erweitern. Das war diesmal Fehlanzeige. – Walter Böhme

 

Eine alte Weisheit könnte Wirklichkeit sein: „Die Erde ist die Hölle eines anderen Planeten“. Das bedeutet, wer hier geboren wird, hat die Arschkarte gezogen. Und der Mythos von der glücklichen Kindheit muss gar nicht diskutiert werden. – Hans-Emil Schuster

 

Ich finde die Fotos im aktuellen Zeit Magazin wirklich unpassend. Vor allem das auf S. 16. Warum sind die gezeigten Kinder nackt? Ich verstehe es nicht. Als Grundschullehrerin muss ich regelmäßig Fotos ansehen, die im Zuge von Ermittlungen gezeigt werden. Fürchterlich – die Fotos haben mich gleich daran erinnert. Ich bin wirklich verstört. – Dorothea Demandt

 

Was will uns da Herr Prüfer wiederum schmackhaft machen mit seiner zusammentelefonierten Absolution durch Wissenschaftsmeinungen über Resilienz und Kindheitsprägungen…. ? Was sind seine eigenen Erfahrungen mit diesen Themen ? Die Untermalung seines Traktats mit zweifelhaft distanzlosen Vaterbildern eines Guy Bolongaro dessen “eigener” entkleideten Kinder vor einem Laptop oder beim Gerangel unterm Rock suggerieren eine fatale Lustigkeit und seltsamen Kontext . Den Massstäben von Jule Specht für ein zufriedenes Leben Arbeitsplatz, wertschätzende Mitmenschen und körperliche Gesundheit können kindheitstraumatisierte Erwachsene vielfach nicht entsprechen; die elterliche Verantwortung für gravierendes Fehlverhalten lässt sich nicht mal so eben wegwischen. Auch die 4 V s müssen in ihrer jeweiligen Ausrichtung hinterfragt werden und sollten mit Empowerment ,verständnisvoller Distanz und Loslassen ergänzt werden. – Gertrud Tammena

 

Dank für den abwägenden Bericht über die den Menschen prägenden Faktoren! Nur in einem Punkt muss ich nachhaken: Sie schreiben, der Eintritt ins Arbeitsleben hat einen stärkeren Einfluss als Kindheitsfaktoren. Was ist bei Kinderarbeit, wenn Kindheit und Arbeit untrennbar sind? Ich war 5 Jahre alt, Anfang 1952, als die letzte Magd den Kleinbauernhof meiner Eltern verließ. Mein jüngerer Bruder und ich konnten nun in dem freigewordenen Bett, statt dem Ehebett (zusammen mit den Eltern) schlafen. „Jetzt musst Du uns mehr helfen“, sagte da meine Mutter zu mir. Aus dem vorigen Spiel wurde nun Ernst. Selbstverständlich bemühte ich mich, die Erwartungen meiner Eltern zu erfüllen, ja wenn „freie Zeit“ war, so suchte ich nach Tätigkeiten, die für den Hof nützlich waren. Auch während der Bundeswehrzeit, meiner ersten – zeitweisen – Dauerarbeitsstelle, arbeitete ich an den Wochenenden und in den Urlauben (teils Sonderurlaub) auf dem väterlichen Hof. Ebenso während meines Praktikums auf einem anderen landwirtschaftlichen Betrieb. Erst während des (Landwirtschafts-) Studiums endete meine Mitarbeit auf dem Hof. Es gab jedoch auch Kommilitonen, die während der Arbeitsspitzen auf dem jeweiligen elterlichen Hof eben dort arbeiteten, statt sich auf die Vorlesungen, schriftliche Arbeiten etc. zu konzentrieren. – Adolf Ronnenberg

 

Den Titel der aktuellen ZEIT halte ich für brandgefährlich. Er suggeriert Eltern, dass ihr Einfluss auf die kindliche Entwicklung nicht allzu wichtig ist. Tillmann Prüfer hat Recht, wenn er sagt, dass Kinder durchaus sehr früh Frustrationen lernen sollen und sie dementsprechend nicht ‚frei von Sorgen aufwachsen müssen‘. Aber die Prägung der Eltern in den ersten Lebensjahren, die den Kindern eine Art Betriebssystem mit ins Leben gibt, ist extrem wichtig. So entscheidet sich für den Nachwuchs durch ausreichende Resonanz und feinfühlige Betreuung, wie wertvoll und ‚gut genug‘ er sich empfindet und wie verlässlich er die Welt um sich herum wahrnimmt. Vertraue ich mir, meinen Fähigkeiten und der Umwelt grundsätzlich? Ja, von der Kindheit hängt alles ab, von den Erfahrungen in den ersten Lebensjahren, die Einfluss auf die Genaktivitäten haben. Geben Sie den Eltern also keinen Freibrief für: ‚keine Zeit‘, ‚das Handy ist wichtiger‘, ‚lass dich mit digitalen Medien ruhigstellen‘, wohl aber für das Vermitteln von Bewältigungsstrategien bei Enttäuschungen und Frustrationen. Auch dabei beeinflussen die Eltern das Kind als Vorbild wieder mehr als der Titel suggerieren möchte. – Anke von Skerst

 


 

 

Leserbriefe zu „»Wir brauchen jedes Geld«“ von Heike Buchter et.al.

 

Wie kommen die drei Autorinnen an ihr Geld? Sie brauchen Tinte, Strom und Internet. Eine Spurensuche im verregneten Hamburg bei unermüdlichen Zeitmitarbeitern im Auftrag der Wahrheit. Doch von vorne. Man würde die Autorinnen ja gerne fragen, ob sie in Wikipedia nachgeschaut haben. Aber man kann ja mal selber kurz reinschauen: Merkwürdigerweise steht da ja der Bezug zwischen den Schönen und Reichen und der Letzten Generation schon lange drin. Allerdings wesentlich sachlicher und kürzer. Man könnte ja mal vorbeifahren und sagen: „Hey, ihr habt ja nur über 5% der Einnahmen der LG recherchiert – was ist denn mit den restlichen 95%?“. Aber mangels einer irritierten Frau im vierten Stock geht das leider nicht. So kann man nur hoffen, dass auch die Autorinnen einen inneren Zwiespalt und zwar zwischen Journalismus und Geldverdienen ertragen müssen. Unverständlich, das so viel heisse Luft auf eine ganze Zeitungsseite gekommen ist. – Martin Brunzema

 

Aileen Getty wirkt wie eine geläuterte Ölerbin, die es ihrer schmutzigen Familie heimzahlen will. So zumindest könnte man ihr Vorgehen interpretieren. Ich kann mich natürlich auch irren. Ich bin sehr gespannt auf die nächsten, künftigen Aktionen der Letzten Generation, wenn es heißt, dass sie jetzt als Nächstes Aktionen gegen die Symbole des modernen Reichtums starten. Was könnte das sein? Die Frankfurter Bankentürme? Die Schaufenster der Düsseldorfer Königsallee? Da bekommt man doch glatt die Lust, ins Kino zu fahren, nur um sich eine Tüte süßes und warmes Popcorn zu besorgen. So lässt sich das ganze Schauspiel dann wohl am besten begleiten. – Michael Ayten

 

Man könnte auch denken, dass Aileen Getty die Letzte Generation mitfinanziert, um den Klimaaktivismus zu diskreditieren. Möglicherweise hat sie ja auch ein Interesse daran, dass die Preise für die beschmierten Gemälde nach oben gehen. Alles sehr seltsam, auch in Deutschland, wo ausgerechnet jemand aus dem Reemtsma-Drogenclan an vorderster Stelle dabei ist. Vielleicht sollten Sie mal in Richtung Thomas Gottschalk weiterermitteln. Dessen Haus ist doch damals ebenfalls abgebrannt. Wenn der Schwarze Block von S. 3 nicht so ideologisch verbohrt wäre und seinen Antiamerikanismus und Antikapitalismus überwände, ließen sich in Hollywood bestimmt auch ein paar US-Dollar für dessen Anliegen generieren. Der ZEIT-Shop als „Symbol modernen Reichtums“ (Gartenzwerge, siehe S. 21, für mehrere hundert Euro habe ich bisher noch nicht im Angebot gesehen; gut, dass die Energiekosten aktuell so hoch sind, 100 Euro pro Brennvorgang?!, besonders ökologisch klingt das nicht) sollte sich nächste Woche auf Aktionen der Letzten Generation einstellen. Das war mal wieder einer meiner üblichen Rundumschläge, aber man muss halt die Zusammenhänge erkennen (auch wenn es sie vielleicht gar nicht gibt). – Thomas Manthey

 

Laut IPCC zählen die Netto-Treibhausgas-Emissionen für den Klimaschaden, also Bruttoemissionen (aus bspw. Verbrennung fossiler Energieträger) abzüglich der in natürlichen Senken weggespeicherten Emissionen (etwa in Wäldern, Mooren, …). Damit sind gemäß dem ZEIT-Artikel einerseits die SUPER-Reichen auf dem Planeten die größten Emittenten, andererseits lösen die 2 Mrd. Ärmsten die schlimmsten Effekte mit “Changed land use“ (CoP 7, 2001 in Marrakesch), d.h. Zerstörung von Senken, aus. Wieso werden dann in Deutschland normale Bürger*innen auf dem Weg zur Kita, zur Arbeit oder zum Einkaufen behindert, um die Welt zu retten? Sind etwa nur die europäischen CO2-Emissionen besonders gefährlich? Oder geht’s am Ende ganz einfach auch einigen Aktivist*innen vorrangig ums eigene Geld? Die LG-Aktivist*innen sollten einmal das FFF-Gutachten des Wuppertal-Instituts (Oktober 2020!) lesen, um bspw. die Größenordnung von notwendiger Gebäudesanierung und einem riesigen Wasserstoff-Bedarf Mitte der 2030er Jahre (bspw. Seite 15) zu erkennen: Weder „Schönschwätz“ noch „Aktivismus“, sondern konkretes Arbeiten für den Umbau bringt uns voran, oder ist das zu anstrengend? – Wolfgang Ströbele

 

Wirklich jedes Geld? – Wenn es um das Klima geht, sollte es immer um Politik gehen. Aber leider wird die moralische Ebene vorgeschoben, um Politik zu verhindern oder zu erschweren. Ein Klimaprotest, der sich moralisch angreifbar macht, ist ein gefundenes Fressen für alle Entrüstungsinstanzen, die von Klimaschutz nichts wissen wollen. Angreifbar wird der Klimaprotest da, wo er sich dem Verdacht aussetzt, in fremdem Auftrag bezahlt tätig zu sein und nicht aus ganz eigenem Antrieb. Die Protestforderungen in ihrer Unbedingtheit deskreditieren sich selbst, wo sie an fremde Interessen gebunden sein können, die auf Inhalt, Art oder Maß des Protestes Einfluss nehmen können. So schadet der Protest der eigenen Sache. Der Zweck heiligt nicht die Mittel. – Reinhard Koine 

 

Zu Ihrem Artikel im Wirtschaftsteil, über die Finanzierung der Klimaaktivisten. Sie sollten sich besser damit beschäftigen, das heißt veröffentlichen, woher all die Milliardensummen stammen, mit denen Lobbyorganisationen Einfluß auf deutsche und europäische Politik nehmen. Der Kapitalismus in freier Fahrt, führt zur Zerstörung des Planeten und letztendlich zum Verschwinden der Menschheit. – Peter Wiesner

 


 

 

Leserbriefe zu „10 Gramm pro Tag“ von Merlind Theile

 

Mit gutem Recht berücksichtigt die DGE die Folgeschäden unseres individuellen Fleischkonsums. Denn je heißer der Sommer, desto mehr Hitzetote gibt es und desto schwieriger wird der Anbau gesunder Lebensmittel. Diese müssen dann oft von immer weiter weg eingeflogen werden. Durch diese „Luxus-Flugnahrung“ nimmt bei uns und weltweit die Armut und Naturzerstörung zu. Sie begrüßen den freiwilligen Ansatz der DGE. Aber wann nimmt sich der Verlag „Die Zeit“ ein Beispiel daran? Auch in dieser Ausgabe bewerben Sie ganzseitig und vielfach Zeitreise-Auktionen, interkontinentale Reisen, Kreuzfahrten, Zeit-Luxus Editionen, Luxus, Koffer, Mode, Autos, usw. Sie berichten über die Revolution bei der DGE und die vielen Klimakatastrophen, aber gerade Ihr Verlag lässt nicht davon ab, an Verkauf und Werbung für die größten individuellen Klimasünden Geld zu verdienen. Das Reise- und Werbegeschäft Ihres Verlags konterkariert jeglichen Effekt Ihrer Klima-journalistischen Arbeit.. „Ach, so lange „Die Zeit“ noch Kreuzfahrten verhökert, kann es doch noch gar nicht so schlimm sein, wie die Journalisten schreiben, sonst würden sie das doch nicht mehr tun.“ So oder ähnlich ist doch der „Gesamteindruck“, der nach dem Lesen der Zeit bleibt. Die Journalisten der Zeit mögen sich „neutral“ verhalten, der Zeitverlag stiftet uns jedoch ganz klar zum individuellen klimaschädlichsten Konsum an. Zeit-Journalisten streiten darüber, ob ein freiwilliger Verzicht etwas bringt oder nicht. Dass Ihr Verlag, ähnlich wie Herr Söder, erst noch auf ein Werbeverbot für klimaschädliche Werbung wartet, verschweigen Sie uns. – Klaus Siersch

 

Die Initiative der DGE finde ich äußerst positiv. Es ist eine großartige und kluge Idee, Kriterien für Umwelt- und Klimaeffekte sowie die Gesundheit des Planeten miteinzubeziehen. Doch wenn ich ehrlich sein darf, verstehe ich immer noch nicht, warum so viele Menschen Fleisch essen, obwohl sie doch wissen, dass es besser wäre, darauf zu verzichten. Woran liegt das? Ist es schlichte Ignoranz nach dem Motto „Mir egal“ oder „I don’t care“? Oft wird über Moralismus geschimpft, aber was wäre unsere Welt ohne Moral? Warum wird sie von vielen Menschen so gering geschätzt? Ich kann es einfach nicht verstehen. Vielleicht sind manche Menschen auch von ihren Emotionen geblendet. Als nachdenklicher und vernunftorientierter Mensch kann ich nicht nachvollziehen, wie man sein Leben hauptsächlich von Emotionen leiten lässt. Für mich ist das eine beunruhigende Vorstellung. Das hat für mich dann auch nichts mehr mit Toleranz zu tun, wenn ich an dieser Stelle mal sagen darf. Wenn man bewusst in Kauf nimmt, dass man durch den Konsum von Fleisch mehr Schaden als Nutzen anrichtet, ist das verantwortungslos. Da werden Millionen und Abermillionen von Tieren tagtäglich auf die Schlachtbank geführt und niemand stört sich dran. Mir ist der Durchschnittsbürger, der sein eigenes Handeln nicht reflektiert, nur verpönt! – Michael Ayten

 

Beim ollen Brecht kam damals erst das Fressen und dann die Moral, bei uns soll in Zukunft erst die Wärmepumpe und dann das Fressen (Stichwort: Currywurst) kommen! Jetzt wollen uns diese undemokratischen Bürokraten aus Brüssel und andere „Experten“ auch noch vorschreiben, was und wie viel wir pro Tag essen dürfen! Diese Verbotsliste, die es bisher noch gar nicht offiziell gibt, wird trotzdem von Tag zu Tag länger und länger. Wir leben irgendwie in ganz verrückten Zeiten, wo anscheinend nur noch ganz Verrückte das Sagen haben! – Klaus P. Jaworek

 

In Ihrem Artikel weisen Sie darauf hin, dass die Empfehlung der DGE bei 600 g Fleisch pro Woche liegt. Dies macht bei 52 Wochen, im Jahr einen empfohlenen Verzehr von gut 31 Kilo Fleisch/Erwachsenen aus. Am Ende des Artikels wird von einem Rückgang des Fleischverzehrs der Deutschen von 61 Kilo auf 52 Kilo berichtet. Sie erwähnen dabei aber leider nicht, dass trotz dieser Entwicklung, der durchschnittliche Fleischverzehr immer noch mehr als doppelt so hoch ist (67,9 %), als von der DGE für eine gesunde Ernährung empfohlen wird. Aus meiner Sicht wird – mit dieser einfachen Berechnung und Darstellung – jeder Aufregung, um einer noch reduzierteren Fleischempfehlung der DGE der Wind aus den Segeln genommen. Es ist eine Empfehlung und die Deutschen halten sich eh nicht dran. Die Überlegung der DGE in Ihre Berechnungen, auch noch das Klima (etc.) einzubeziehen, wurde übrigens schon vor Jahren von der Umweltorganisation WWF in mehreren Studien aufgegriffen und berechnet. Siehe zum Beispiel „Fleisch frisst Land (2014) https://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/Landwirtschaft/WWF-Fleischkonsum.pdf und nochmal detaillierter 2021 „Kulinarische Kompass: https://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/Landwirtschaft/kulinarische-kompass-klima.pdf.) und warum Markus Söder in diesem Artikel so eine prominente Stellung erhält, ist mir sowieso ein Rätsel. Die Politik und vielleicht auch die DGE sollte sich besser überlegen, wie Sie die Empfehlungen für eine gesunde Ernährung unterstützen könnten – und zwar für alle Menschen. Kochunterricht für alle Schüler und Schülerinnen ab der 5. bis zur 9. Klasse, wäre ein erster wichtiger Schritt. (Aber auch diese Forderung ist ja nicht neu….). – Birgit Wilhelm

 

Ich finde den Ansatz der DGE gut, neben den Ernährungs- und Gesundheitsaspekten auch Kriterien für Treibhausemissionen miteinzubeziehen, denn auch die Umwelt hat schließlich Einfluss auf das körperliche Wohlbefinden. Was mir an den Formulierungen zum Thema Fleischkonsum oft fehlt, ist der Aspekt, dass es keine Milch ohne Fleisch gibt. Es braucht für eine Milchproduktion (für Käse, Butter, Sahne, etc.) auch Abnehmer:innen des Rind-, Schaf-, oder Ziegenfleischs (kein Schwein). Nur so kann eine nachhaltige und hochwertige Bio-Weidehaltung gewährleistet werden. Hierfür hat mich die Teilnahme an einer solidarischen Landwirtschaft sensibilisiert (Solawis gibt es in vielen Städten, auch ein sehr guter Beitrag zum Klimaschutz). Laut Jonathan Safran Foer ist es besser 1/3 Fleisch & Vegetarisch und 2/3 vegan zu essen, als immer vegetarisch. Rein Vegan wäre zwar fürs Klima noch besser, aber auch hier sollte natürlich weiterhin hingeschaut werden, wie und wo diese Lebensmittel produziert werden. Mir persönlich bringt diese Auseinandersetzung mit den Nahrungsmitteln eine stärkere Verbindung zu diesen und viele neue leckere Rezepte. – Jana Horn

 


 

 

Leserbriefe zu „Arbeitet nur die Hälfte der Geflüchteten?“ von Anna Mayr und Mark Schieritz

 

Zum wiederholten Male in den letzten Wochen ein Artikel zum Thema ‚Migration/Integration‘, der mit Halbwahrheiten und ohne klare Worte das Drama beschreibt, in das Deutschland treibt wie ein führungsloses Schiff… Als jemand, der seit Jahrzehnten mit Einwanderern jeglicher Couleur und Herkunft beruflich zu tun hat und Tausende(!) von ihnen ‚begleitet‘ hat, kann ich nicht umhin, die Artikelschreiber – ähnlich wie die Politiker – als unwissend und realitätsfern zu bezeichnen. Geradezu lächerlich die Frage ‚Wie viele Jahre braucht ein Einwanderer, um ‚anzukommen‘? Das Problem ist, dass Millionen(!) noch nicht angekommen sind und viele es nie werden! Wenn jemand, der 6 oder mehr Monate Deutschkurs vom Steuerzahler finanziert bekommt, nicht spätestens nach einem Jahr Deutsch alltagstauglich (B1) spricht bzw. eine Arbeit/Ausbildung aufgenommen hat, dann stimmt da was nicht! Bei all den Angeboten, die es gibt! Wer dann, jahrelang vom System alimentiert, sich ans Nichtstun gewöhnt, dies auch noch seinen Kindern – mit denen er in der Regel kein Deutsch spricht – vorlebt, der ist keine Bereicherung für unser Land. Unser sanktionsarmes System ist das Problem: BAMF, Jobcenter und andere Behörden pampern die Migranten, und viele gewöhnen sich an diese Vollkasko-Mentalität. Migranten, die innerhalb eines Jahres Deutsch lernen und/oder eine ordentliche(!) Arbeit aufnehmen, sollte man alle Hände reichen und Brücken bauen. Denen, die 5, 7 oder gar 10 Jahre von Transferleistungen leben und keine Anstalten machen, etwas zu unserem Gemeinwesen beizutragen – und das ist ein erheblicher Teil – sollte man das Leben schwer(er) machen … bis hin zur Ausweisung. – Martin Schatke

 

Auf die Asyl-Frage gibt es keine allumfassende Antwort. Kritik daran ist hilflos. – Roland Besendorfer

 

Seit einiger Zeit wird, endlich und zu Recht, wie ich finde, vermehrt über den auch materiellen Wert der unbezahlten Care- bzw. Sorgearbeit gesprochen und geschrieben. Und dann darf ich bei Ihnen lesen, dass sich um die minderjährigen Geflüchteten sich jemand „kümmern“ muss und die „Beschäftigungsquote“ auch bei deutschen Dreifach-Mütter geringer sei. Denn, Achtung: Nur 38% von ihnen arbeiten! Aus meiner eigenen Warte kann ich nur sagen, dass ich seinerzeit mit zwei kleinen Kindern (nur 50% der Müttern von ein bis zwei Kindern arbeiten, laut ihrem Text) ganz gut mit „Kümmern“ beschäftigt war. Ich würde sogar sagen, dass ich gearbeitet habe. Nur Geld habe ich keins dafür bekommen. Somit muss ich wohl als „faul“ gelten (sind Flüchtlinge fauler als Deutsche? Steht so auch bei Ihnen). Oha – so hatte ich es bisher noch nicht gesehen, da muss ich wohl ab in die Ecke und mich schämen… – Marlies Weidenfeller

 

«Eine Zahl bestimmt die deutsche Migrationsdebatte, aber die Wahrheit ist komplizierter.» Der Zahl ist deshalb von Interesse, weil sie als Massstab für die Integration gilt. Im Artikel werden auch weitere Zahlen genannt, die langfristig noch wichtiger sein könnten. Die Zahlen finden sich im folgenden Zitat: Die Frauen sind «bei ihrer Einwanderung im Schnitt 30 Jahre alt. Die geflüchteten Frauen zwischen 35 und 39 Jahren haben im Schnitt 2,7 Kinder. Zum Vergleich: In der Gesamtbevölkerung haben Frauen zwischen 35 und 39 nur 1,4 Kinder, also deutlich weniger.» Dazu sei noch erwähnt: die nicht geflüchteten Frauen haben noch weniger Kinder als 1.4. Denn zur Gesamtbevölkerung zählen geflüchtete und nicht geflüchtete Frauen. Wie wichtig ist dieser Zahlenvergleich? Dazu folgendes: Die Geflüchteten kommen aus Regionen in denen lange Zeit ein gutes Leben möglich war. Diese Situation hat sich verschlechtert durch ein zu hohes Bevölkerungswachstum, das zusammen mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu Spannungen, bis hin zu Kriegen geführt hat. Ein aktuelles Beispiel liefert die aktuelle Situation in der Türkei, wo die Flüchtlinge aus Syrien zunächst gut aufgenommen wurden, nun aber wegen der wirtschaftlichen Krise als Störfaktoren gesehen werden. Es stellt sich somit die Frage, ob wegen wachsender demographischer und ökonomischer Gräben, zusammen mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten auch bei uns wachsende Probleme entstehen könnten, die ähnlich sind den Problemen, die die Migration verursacht haben. Die Ursache für die Gräben steht schon in der Bibel: «Der Mensch lebt nicht vom Brot allein» Er braucht auch Perspektiven und die findet er entweder im Beitragen zur Produktion (Wirtschaftswachstum) oder aber im Beitragen zu hohen Geburtenraten. Letztere Perspektiven werden genutzt, wenn die erstgenannten Perspektiven nicht vorhanden sind, oder aber wegen fehlender Ausbildung nicht genutzt werden können. 

Die sich aus dieser Sachlage ergebende Notwendigkeit, irgendwo Grenzen zu ziehen, sollte auch bei der Migrationsdebatte eine Rolle spielen. Es ist daher gerechtfertigt, sich zu überlegen, wie verhindert werden kann, dass es auch in der EU wegen mangelnder Integration und wirtschaftlicher Probleme zu Krisen kommen kann. Um dies zu verhindern muss die Migration notfalls begrenzt werden. Man könnte zwar einwenden «Die Menschenrechte sind nicht verhandelbar» und das betrifft auch das Asylrecht. Der Satz betrifft aber auch das Menschenrecht auf Eigentum. Dieses kann tangiert werden durch übermässiges Nutzen der Menschenrechte auf Lebensunterhalt. Dazu gehört nicht nur das Asylrecht sondern auch das Menschenrecht, beliebig viele Kinder in die Welt zu setzten unabhängig von den langfristig verfügbaren Ressourcen. Der genannte Zielkonflikt innerhalb der Menschenrechte muss gelöst werden durch eine übergeordnete Zielsetzung, die das lange, gute Fortbestehen der Menschheit betrifft. Denn: Wir sind nur Gast auf diesem schönen Planeten und müssen somit dafür sorgen, dass dieser Planeten unseren Nachkommen unversehrt übergeben werden kann. Das betrifft drei Themen, nämlich Ökonomie und Ökologie aber eben auch die Demographie, Und da geht es eben nicht nur um absolute Zahlen sondern auch um Gräben und ums potentielle Wachstum derselben. – Gernot Gwehenberger

 

Der Beitrag müht sich erfolglos ab, eine schlüssige Aussage über die Arbeits-Integration der Migranten zu treffen oder die (offensichtlichen) Hintergründe für die überdurchschnittliche Verweildauer im Sozial-Transfer, vulgo Stütze, zu analysieren. So zwischen den daherwabernden Vermutungen, Meinungen oder Schutzbegründungen („Schüler können gar nicht arbeiten, Rentner auch nicht“) spürt man irgendwie so ein Grundverständnis nach dem Motto „eigentlich sind das doch allesamt ganz wackere Leute, die lieber heute als morgen ihr Brot gern selbst verdienen würden, doch die bösen Umstände sind dagegen“. Das geht an der Wirklichkeit meilenweit vorbei, aber dokumentiert die korrekte Haltung der Autoren. Diese Haltung manifestiert sich auch in der durchgängig verwendeten Bezeichnung der Zuwanderer als „Flüchtlinge oder Geflüchtete“( warum nicht gleich Flüchtende?). Das ist Framing pur mit der Konsequenz das dem Beitrag eine ordentliche Portion Seriosität abhanden kommt. Zum Framing mögen sich die Autoren nähere Informationen auf Seite 11 derselben Ausgabe der Zeit zu Gemüte führen. „Flüchtlinge“, mit diesem Frame entstehen sofort Bilder von Leid und Elend am besten illustriert mit der schwangeren Mutter, weinenden Kindern und verzweifelten Vätern. Die heilige Familie auf der Flucht in das gelobte Land. Zieht man den Schleier des manipulativen Frames einmal beiseite, blickt man auf eine höchst differenzierte Menge an Zuwanderern. Darunter befinden sich Glücksritter, brachiale Eindringlinge, Geschäftemacher und Sozial-Gewinnler u.v.am., häufig von der Großfamilie finanziert, die darin ein Invest , sieht mit der sicheren Aussicht auf ROI. Liebe Redakteure, so lange Ihr nicht den Mut habt, den Flüchtling ein wenig kritisch zu sehen, anstatt den Leser mit Frames einlullen zu wollen, so lange päppelt Ihr den Frust über aktivistische Medien. Das wirkt sich durchaus aus, vor allem beim Nichtwähler. Vergl. insoweit Seite 3 derselben Zeit, Prof Korte: „Von den Nichtwählern stammt der größte Zustrom zur AfD“. Und die Nichtwähler sind noch immer die stärkste „Partei“ in Deutschland. – Lutz Bauermeister

 


 

 

Leserbriefe zu „Ein Sockel muss bleiben“ von Axel Honneth

 

Laut Axel Honneth „hat der Kolonialismus den Wohlstand des Westens überhaupt erst geschaffen“. Ursächlich für die Dominanz der Europäer war ihre wissenschaftlich-technische Überlegenheit etwa ab der Erfindung des Buchdrucks durch Gutenberg (um 1450). Dank ihrer Navigationstechniken gepaart mit Überlegenheit in militärischer Hinsicht (Gewehre, Kanonen) kamen sie überall hin und konnten sich durchsetzen. Dies, zusammen mit den technischen Errungenschaften, angefangen mit der Dampfmaschine, brachte den Wohlstand. Sklaverei gab es schon zu Urzeiten, etwa bei den Arabern, den Ägyptern, Römern usw. Nie konnte durch die Sklaverei ein Wohlstand geschaffen werden, der auch nur annähern dem Europas und deren Nachahmern gleich kam. – Ernst Lothar Helwig

 

Damit eine Bewusstwerdung über die eigene koloniale Vergangenheit entstehen kann, ist es zunächst erforderlich, dass der westliche Mensch wieder lernt, sich selbst wahrzunehmen. Die Geräuschkulisse, ja, das Getöse des westlichen Kapitalismus mit all seinen Motoren und Maschinen macht es ohnehin schon schwierig, einen Blick zurück zu werfen, geschweige denn Selbstreflexion an den Tag zu legen. Immerhin lautet die Erfolgsformel bis heute doch: Schneller, weiter, größer. Wachstum also um jeden Preis. Selbstredend, dass auf diesem immer schneller werdenden Laufband des Anthropozäns kein Platz für Besinnung bleibt. Denn um sich zu besinnen, ist der Mensch auf Muße oder Müßigkeit angewiesen. Doch diese ist in unserer Welt rar, vielerorts sogar verpönt. Ich bin ein großer Verfechter der ursprünglichen Freiheits- und Demokratieideen. Und gerade deswegen ist ein bewusster Umgang mit der Welt, nicht ein schnellerer, in meinen Augen enorm wichtig. Denn wenn sich niemand mehr die Aufgabe machen würde, unsere Bekenntnisse hochzuhalten, würden wir womöglich in einen verselbstständigten Anarchismus abdriften. – Michael Ayten

 

Zunächst vielen Dank, dass sich die ZEIT in der neuen Serie „Die Zukunft des Westens“ der Herausforderung stellt, das Erbe der Aufklärung in einem umfassenden zeitgeschichtlichen wie aktuellen Kontext zu diskutieren, ohne es gleich in Gänze zu verwerfen. Ich bin gespannt auf die nächsten Folgen! Dem anregenden Beitrag von Axel Honneth „Ein Sockel muss bleiben“ kann ich zustimmen. In meiner beruflichen Tätigkeit als Literatur- und Erziehungswissenschaftler habe ich schon vor Jahren mit Studierenden häufig über den literarischen Prototyp aufklärerischen Denkens, den „Robinson Crusoe“ (1719) von Daniel Defoe, diskutiert. Wir haben festgestellt, dass sein Handeln auf der Insel und seine dafür im Text deutlich formulierten Begründungen genau jene Hybris der europäischen Aufklärung offenbart, die auch Honneth aufzeigt: Der weiße, (west-)europäische Mensch (= Mann) unterwirft trotz aller Widrigkeiten sich die ihn umgehende Natur, er kultiviert sie nach seinen Bedürfnissen und „befreit“ zudem den indigenen Wilden „Freitag“ aus seinem Naturzustand, indem er ihn an die Segnungen des zivilisatorischen Lebensideals heranführt (Religion, Sprache/Schrift, Kleidung, Verhaltensregeln usw.). Die Crux der Aufklärung liegt wohl in dem Umstand, dass sie die (menschengemachte) Kultur als Gegensatz zur (wilden) Natur, als deren Überwindung auf einem „höheren Level“ des Daseins verstand und den Menschen so aus seiner natürlichen Herkunft erlösen wollte, statt ihm die demütige Selbstreflexion als handlungsfähiger und somit verantwortlicher Bestandteil derselben zu gestatten. Was folgt daraus für das literarische Werk – gehört es auf den postkolonialistischen Index? Auch darüber haben wir diskutiert mit dem Ergebnis: Keineswegs! Gerade das kritische Lesen (und nicht das woke Retouchieren) solcher Texte bringt uns voran im Bestreben, ein umfassenderes, inklusives und unserer spezifischen Verantwortung bewusstes Verständnis der Welt zu entwickeln, wie es Honneth in seinem wunderbaren Schlusssatz formuliert: „Aus seiner reflexiven Sonderrolle inmitten der ihn umgebenden Welt darf sich der Mensch nicht herausstehlen.“ Den werde ich mir einrahmen! – Paul D. Bartsch

 

Die Sklaverei und der Kolonialismus sind nicht zu relativieren. Aber die Aussage, dass der Kolonialismus den wirtschaftlichen Wohlstand des Westens geschaffen hat, erfordert doch den Blick auf andere Zusammenhänge. Wo wird der Beitrag der europäischen Arbeiter und Arbeiterinnen in den Bergwerken und Fabriken dargestellt. Dort haben Männer ,Frauen und Kinder über Generationen unter unmenschlichen Bedingungen geschuftet und einen Wohlstand für eine begrenzte Klasse geschaffen. Allerdings dann auch eine Infrastruktur ermöglicht von der später alle profitierten. Vom Sklavenhandel hat nicht der ostelbische Leibeigene profitiert oder ist gelegentlich Kaffee statt Zichorie der große Wohlstandsprofit. Die Kartoffel hat zwar ein Mangelernährungsproblem gelindert. Dass wiederum Zucker und Tabak zum Massenkonsumartikel wurden, war für die Gesundheit der Bevölkerung sicher kein Gewinn. Mit diesem kurzen Statement wünsche ich mir nur eine differenzierte Sicht auf die gesellschaftliche Schichtung der Europäer und der hiesigen Verlierer der letzten Jahrhunderte. Auch in Europa gab es Unterdrückte, die für andere den Wohlstand schufen. – Rolf Holbe

 

«Nach den Verbrechen des Kolonialismus steht der Westen mit dem Rücken zur Wand. Und doch müssen wir an den Werten der Aufklärung festhalten.» Die Feststellung zu Beginn des Artikels wirft Fragen auf: Erstens ist der Westen tatsächlich schuld am aktuellen Schlamassel der Menschheit? Und welche Verantwortung trägt der Rest der Menschheit? Dann wäre da aber auch die Frage: In welcher Hinsicht könne Erfahrungen des Westens Vorbild beim Problemlösen sein? Dazu muss ausgeholt werden: Das Schlamassel der Menschheit wurde vor allem durch das exponentielle Wachstum von Kopfzahl und Konsum verursacht. Dies wurde ermöglicht durch den vom Westen verursachten technischen Fortschritt. Das Schlamassel gründet auf einer Eigenschaft des exponentiellen Wachstums: Vor der letzten Verdoppelung ist anscheinend alles OK und man kann lustig weiter machen wie bisher. Nach der letzte möglichen Verdoppelung (betrifft Kopfzahl und Konsum) ist Sense. Das exponentielle Wachstum beruht auf breit akzeptierten Verhaltensweisen. Das Beitragen zum Wachsen des Konsums schafft Arbeitsplätze und Perspektiven. Eine gute Mutter mit vielen Kindern hat Befriedigung und Ansehen. Aber leider hat das negative Folgen: Die Armut vieler Länder des Südens beruht auf zu hohem Bevölkerungswachstum. Länder wie Südafrika, Tunesien, Syrien, Afghanistan, usw. waren nach Ende der Kolonialisierung lange Zeit gute Orte zum Leben, was auch ein Grund für hohes Bevölkerungswachstum war. Nun zur Frage der Verantwortung: Es gilt das exponentielle Wachstum und vor allem dessen Folgen zu bewältigen. Was die Kopfzahl betrifft, kann der Westen als Vorbild dienen. Der aktuelle Wohlstand des Westens beruht auch auf dem vergleichsweise geringen Bevölkerungswachstum, das auch durch gesellschaftlichen Zwang erzwungen wurde. Dazu ein Beispiel: Mein Vater wurde in einem entlegenen Dorf im salzburgischen Lungau geboren. Als Magd musste seine Mutter (meine Grossmutter) ihre beiden ledigen Kinder abgeben. Später heiratete sie mit 28 Jahren meinen damals 58 Jahre alten Grossvater, der erst in diesem Alter als nicht erbberechtigter Bauernsohn die Mittel für eine kleine Hütte und somit für eine Heirat beisammen hatte. Üblich war damals in weiten Teilen Europas: Wenn ein Kind den Hof erbte, blieb seinen Geschwistern oft nur der Beruf des Dienstboten, ohne Möglichkeit zu heiraten. So hatte zum Beispiel der grösste Bauer im erwähnten Dorf 21 Dienstboten (14 Knechte, 7 Mägde). Heute gibt es fairere Möglichkeiten die Geburtenrate zu begrenzen (verantwortungsvolle Elternschaft), aber sie müssen – wo nötig – genutzt werden. Hier stehen vor allem die Eliten im Süden in der Verantwortung. 

Honneth stellt fest «Der Westen sitzt heute mit Recht auf der Anklagebank. Er muss Verantwortung übernehmen für die brutalen Verbrechen, die er an den kolonialisierten Völkern des Globalen Südens begangen hat.» Eine solche Pauschalbeschuldigung ist weder gerechtfertigt noch hilfreich. Vom Kolonialismus haben z.B. meine Vorfahren nicht profitiert. Wohl aber hat auch der erwähnte Lungau unter türkischen Raubzügen gelitten. Die Invasoren haben bekanntlich zweimal Wien belagert und weite Landstriche verheert. Vor einigen Jahren konnte ich den Berg Athos und die dortigen Kloster-Festungen besuchen, die errichtet werden mussten, um vor den Raubzügen afrikanischer Piraten zu schützen. Eine interessante Frage ist, was wäre mit dem Westen passiert, bei ausreichender technischer Überlegenheit der damaligen Invasoren? Honneth hat Recht wenn er sagt, der Westen muss lernen «sein eigenes Weltbild so zu ändern, dass nicht mehr der Mensch das ethische Mass alles Guten und Richtigen ist.» Aber das gilt auch für die «kolonialisierten Völker des Globalen Südens.» Es bedeutet ganz konkret, dass sich Kopfzahl und Konsum der Realität anpassen müssen, weil das Umgekehrte nicht funktionieren kann. – Gernot Gwehenberger

 


 

 

Leserbriefe zu „Ist der Westen noch zu retten?“ von Peter Neumann

 

Ich zitiere aus dem Text: „Dank der digitalen Revolution leben mehr Menschen heute freier denn je“ ( Sonnenklar, vor allem in China!). Wo soll da der Zusammenhang liegen? Der Autor ist wohl noch jung, weiß nicht, daß das Leben in den 1970er Jahren freizügiger war als heute. Ein Smartphone oder eine digitale Satellitenschüssel sind Techniken, nichts etwas, das mit Freiheit oder Unfreiheit zu tun hat. Wo der Autor heute ein Maximum an Freiheit sieht, wäre interessant zu wissen. Wer heute einen Festnetzanschluss kündigen will, kommt schnell zu dem Schluss, daß er sich im Digitalgulag befindet. Ein Autor sollte fabulieren, nicht konfabulieren… – Hanns Thomas Schwarzmann

 

Die westliche Aufklärung stellt die Freiheit des Menschen in den Mittelpunkt. Durch die Brille der Aufklärung erschien die Geschichte der Menschheit als gelingende oder noch nicht gelungene Emanzipationsgeschichte, als Mission, wobei der Westen sich stets in einer führenden Rolle gesehen hat. Inzwischen entpuppet sich Aufklärung auch als Ideologie, wo systematisch nicht alle Menschen gleichermaßen in dieses Verständnis von Freiheit einbezogen sind, wo Befreiung als anmaßende und übergriffige Zerstörung von Lebenszusammenhängen erfahren wird und wo die Befreiung vom Naturzwang die Natur zerstört – und damit letztendlich auch die Lebensgrundlage der Menschheit. Zwischen den Idealen der Aufklärung und der Wirklichkeit des Westens entsteht ein weiter Raum, in dem sich Lebens- und Herrschaftsmodelle global immer weiter ausdifferenzieren. Der gesicherte Lebens- und Entfaltungsraum für die klassischen Ideen der Aufklärung wird immer enger. Angesichts fortschreitender Ausdifferenzierungen verflüchtigen sich universell geltende Gewissheiten (Rosi Braidotti: alles fließt) und die Frage nach der Möglichkeit und dem Umfang eines kleinsten gemeinsamen Nenners entsteht (Axel Honneth: der Mensch als reflexives Wesen). Wir sind nur zu retten, wenn wir bereit sind, global voneinander zu lernen. So wie jetzt auf der Architekturbiennale 2023 in Venedig, wo wir von den afrikanischen Perspektiven lernen können. – Reinhard Koine 

 

Das parlamentarische Fazit „ein höherer Kohlenstoffpreis wäre sinnvoll, schadet aber dem Wettbewerb“ offenbart ein monetäres Weltbild als wirkungsmächtiges zahlentheoretisches Akkumulationssystem – kurz: Kapitalismus versus repräsentative Demokratie! Deutschland hatte eine Physikerin als Kanzlerin, die vorgab eine Alternative zum BIP zu suchen: die Alternative wären physikalische Einsichten im Güterkreislauf, wo ein unabhängiges Akkumulationssystem zu finden ist. … Sie wurde sogar im Bürgerdialog2012 aufgefordert; die Weltgemeinschaft über Risiken und Chancen dieses in der Natur inhärenten Systems aufzuklären: dazu gehörten auch wachsende Kriegsrisiken! Da die Klimarisiken bereits vor der Wende89 bekannt waren und der politische Westen bei der Wende89 sich lieber in Siegereuphorie suhlte, sollte die Verflachung politischer Fähigkeit niemand überraschen. … Will die „politische Elite im Westen“ überhaupt gerettet werden? … Eher Nein, da Aufklärung unerwünscht. – Matthias Losert

 

Ihre kleine Reihe „Zur Zukunft des Westens“ sollte besser „Zukunft des Nordens“ heißen. In Zeiten des Kalten Krieges gab es den Ost-West Gegensatz, aber wenn der globale Süden eine wichtige Rolle in der Weltgeschichte spielen will, müssen wir konsequenterweise vom globalen Norden sprechen, also Kanada, USA und Europa. Professor Honneth hat dankenswerterweise die Wurzeln unserer weltweiten Dominanz beschrieben: Calvinismus und Aufklärung. Ein wesentlicher Aspekt wird übersehen: Der Calvinismus hat ein Arbeitsethos hervorgebracht, der stante pede zur ökonomischen Dominanz geführt hat. Wer den ganzen Tag arbeitet, wer gar den Sinn des Lebens in der Arbeit sieht, produziert eben mehr Güter als Menschen, die wegen der klimatischen Verhältnisse oder anderer Denkweisen / Weltanschauungen weniger produziert. Zusätzlich, und das ist das Wichtigste, mündete die Aufklärung in die Freiheit der Wissenschaften, was zur industriellen Revolution führte. Dann ging es Schlag auf Schlag: Grundlagenforschung, dann technologische Innovationen für alle Lebensbereiche und allmählich Wohlstand auch für die Massen. Arbeitsethos und technologische Überlegenheit gingen nun mal von Europa aus.

Warum haben afrikanische Ingenieure nicht die Energieversorgung durch Sonnenkraft erfunden? Wo scheint die Sonne am längsten und intensivsten? Da erfinden das Ingenieure ausgerechnet auf dem Kontinent, wo der Himmel oft wolkenverhangen ist. Wer in Afrika kann was mit den seltenen Erden anfangen, die dort vorkommen? Warum ist die chemische Industrie auf Basis von Erdöl oder Gas in Ludwigshafen und Leverkusen „erfunden“ worden und nicht am Niger oder Sambesi? Weder der asiatische Bereich noch die afrikanischen Gesellschaften haben die Regeln hervorgebracht, nach denen heutzutage die globale Ökonomie und damit verbunden die effizientesten politischen Verfassungen funktionieren. Man sollte sich einmal fragen, warum die Menschen des Südens in den Norden streben und nicht umgekehrt. Hier haben wir gemäßigte Klimazonen, wir arbeiten zügig und schreiben den Mehrwert mehr oder weniger jedem einzelnen Individuum gut, unsere Staatsverfassung und unsere Politiker haben es fertig gebracht, dass wir seit 78 Jahren in Frieden und Freiheit leben können. Wir können unser selbst erarbeitetes Vermögen an die nächste Generation weiter geben, es wird nicht permanent durch Naturkatastrophen oder Kriegshandlungen zerstört. Das ist eine unglaubliche Verlockung für alle anderen, die nicht so begünstigt leben dürfen. Also die Zukunft des Nordens sehe ich nicht gefährdet, eher umgekehrt: Es ist nach wie vor das erstrebenswerte Ziel für alle anderen. Wenn afrikanische Intellektuelle gleichen Wohlstand für ihre Länder fordern, sind sie durch die europäische Schule gegangen. Nur zu, sage ich da, baut eure eigenen Universitäten auf, haltet eure Kinder an, ordentlich zu lernen, und vor allem: löst euch vom Stammesdenken und befreit euch von Religionen und haltet endlich mal Frieden. Sudan, Mali, Uganda, wohin man auch blickt, Bürgerkrieg. So wird das nichts. Wie man in Köln sagt: von nix kütt nix. Unser Wohlstand ist hart erarbeitet. – Sigrid Giersberg

 

Mit großem Interesse und Erwartungen habe ich die Ankündigung Ihres sinnvollen und notwendigen intellektuellen Projekts zur Kenntnis genommen. Es könnte unsere maue Diskurskultur beleben. In diesem Sinne möchte ich schon dem ersten Satz der Einleitung von Peter Neumann radikal widersprechen: „Unerhört frei sollte die Welt werden. Und bis vor Kurzem schien das Versprechen des Westens noch zu halten.“ Das würde bedeuten: „Auch von Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 war das Versprechen noch zu halten!“ Doch das will der Autor nicht sagen; es handelt sich hier nur um eine „Flüchtigkeitsauslassung“. Aber zu widersprechen ist auch der Frage der ZEIT, „wie es mit dem Versprechen der Aufklärung weitergehen soll“. Dahinter steckt das postmoderne Missverständnis, die Aufklärung habe prophezeit, „unerhört frei sollte die Welt werden!“ Aber die „Aufklärung“ hat nicht – wie revolutionäre Marxisten – prophezeit, was kommen wird, sie hat den Menschen die Aufgabe gestellt, durch ihr politisches Handeln „die Welt unerhört frei zu machen!“ Das ist die politische Theorie/Idee des „Liberalismus“. Aber als fortgeschrittenste Stufe der „Aufklärung“ entstand im 19. Jahrhundert auch die politische Theorie/Idee „Sozialismus“. Peter Neumann konstatiert: „Dank der digitalen Revolution leben mehr Menschen heute freier denn je.“ Aber auch das ist empirisch falsch! Denn dank dieser technologischen Revolution lebt niemand freier. Aber viele Menschen leben freier, weil sich seit Ende des 18. Jahrhunderts viele für die in der Aufklärung „erfundene“ Theorie/Idee „Liberalismus“ persönlich politisch engagiert haben. Und viele leben in mehr Wohlstand und sozialer Sicherheit, weil sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts viele für die radikalste Theorie/Idee der Aufklärung „Sozialismus“ persönlich engagiert haben.

Sinnvoll ist das Projekt der ZEIT vor allem, weil nicht nur die neuen linken Kritiker, sondern auch die traditionellen linken Verteidiger der Aufklärung zu Wort kommen, beginnend mit Axel Honneth: (Im Untertitel): „Und doch müssen wir an den Werten der Aufklärung festhalten.“ Bei allem Verständnis für die „modernen“ Kritiker der Aufklärung verteidigt er ihren „Anthropozentrismus“. Ergänzend dazu: „Anthropozentrismus“ ist Grundlage für Humanismus, also für Menschlichkeit! Aber seine Argumentation enthält auch eine Schwachstelle: Er sieht die Werte der Aufklärung nur in den veröffentlichten Schriften der Intellektuellen, wenn er von „den kritisch neu gelesenen Klassikern unserer eigenen Tradition“ spricht. Dabei übersieht er: Die tatsächliche Kraft der humanistischen Aufklärung bestand und besteht vor allem im persönlichen sozialen Engagement von Menschen für ihre Mitmenschen. Und das war und ist bei lesenden Menschen aus dem „Volk“ immer stärker gewesen als bei den schreibenden Intellektuellen aus den “Machteliten“. Und auch gegenwärtig lebt davon noch viel in den sozialen Initiativen und Vereinigungen. Also nicht nur: „Aus seiner reflexiven Sonderrolle inmitten der ihn umgebenden Welt darf sich der Mensch nicht herausstehlen.“ Sondern „auch nicht aus seiner menschlich-solidarisch handelnden Sonderrolle“. Denn nur damit kann er auch die Zukunft der intellektuellen Aufklärung retten! Sehr geehrte Damen und Herren, ich weiß, dass die Tendenz meines Leserbriefes nicht „in die `geistige´ Situation der Zeit“ passt. Aber ich halte es für möglich, dass Sie entscheiden: Aber diese anthropozentrische Tendenz passt in die ZEIT!? Ich möchte Sie bitten, den Leserbrief auch an Axel Honneth weiterzuleiten, danke! – Horst Heimann

 


 

 

Leserbriefe zu „Immerhin ein Fest“ von Lea Frehse

 

Es ist entsetzlich wie hier die Ehe eines 14 jährigen Mädchens mit einem doppelt so alten Mann schön geredet wird: das Mädchen “lacht“, sie „will dieses Kleid tragen“, sie „weiß noch nicht, ob sie noch zur Schule gehen will“… Viele Kinder tragen gerne schöne Kleider, möchten auch mal im Mittelpunkt stehen und wollen vielleicht mal ungern in die Schule: Aber mit diesen Aussagen eine Kinderehe zu rechtfertigen, ist einfach nur schockierend. Ich bin sicher, dass man auch so freundlich über eine Sklavin berichten könnte, die – der Schufterei auf den Baumwollfeldern entkommend – ganz „freiwillig“ Sex mit ihrem „Eigentümer“ hatte… – Elisabeth Mayer

 

Wo sind die Wertmaßstäbe der Zeit geblieben? Mit Erstaunen und zunehmend mit Entsetzen lese ich in der ZEIT von der Hochzeit eines Kindes in einem syrischen Flüchtlingslager. Ich verwende bewusst den Begriff „Kind“ für ein 14-jähriges Mädchen, das seinen Cousin heiratet. Die Zustimmung des Kindes ist in meinen Augen völlig irrelevant. So etwas geht gar nicht, und die positive Beschreibung, die ZEIT hier abliefert, ist für mich absolut inakzeptabel. Genauso wenig kann ich eine Kultur oder eine Religion respektieren, die solches akzeptiert. – Raimund Helbrich

 

Wann wird man je verstehen, dass in anderen Ländern verglichen mit Europa völlig entgegengesetzte Vorstellungen gepflegt, geliebt, zum Dogma erhoben und gesellschaftlich streng kontrolliert werden. Wer in diese Gesellschaft hinein geboren wird und darin aufwächst, kennt nichts anderes als die Zwänge seiner jeweiligen Umgebung. Die Individuellen Menschenrechte Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit sollten hoch gehalten und mit überzeugenden Argumenten vertreten werden. So wie der Konfuzianismus in Europa als Lebensphilosophie nicht akzeptiert wird, werden sich Syrer nicht durch europäische “Missionare“ von unseren Werten übmussist ja nicht personengebunden, sondern als erklärbar. Die sehr vertrauliche Frage der seit Zwei Jahren bekannten Syrerinnen nach Erfahrungen mit Sex nicht für ein aufklärerisches Gespräch zu nutzen, wenn nicht im Zelt, dann abseits von ungewollten Zuhörern, ist mir unerklärlich. Die Antwort muss sich doch nicht auf eigene Erfahrungen beziehen. Sie kann sich auf Erfahrungen von Freundinnen beziehen. Die Überzeugtheit von Offenheit und Freiheit kann ich in diesem Bericht leider nicht feststellen. Hier war es möglich, die Gleichberechtigung von Mann und Frau zu erklären. Sie wurde nicht genutzt. – Reinhard Schmolling

 


 

 

Leserbriefe zu „Womit keiner rechnet. Deutsche Gartenzwerge…“ von Henrik Rampe

 

Plastik Gartenzwerg aus China: Keine CO2-Steuer auf Plastik, keine Energiesteuer auf die Produktion keine Energiesteuer für den Transport nach Übersee, auch nicht wenn der Zwerg mit dem Flugzeug eingeflogen wird! Keine Abgabe für Umweltschäden die durch die „Entsorgung“ des Plastik Zwergs mal entstehen. Ton Zwerg aus Deutschland: Energiesteuer bei der Herstellung Energiesteuer beim Transport innerhalb der EU Keine Umweltschäden beim Entsorgen, denn Ton haben schon die Kelten und Goten verwendet. Wenn Sie die Produkte Energie-CO2- und Entsorgungs-ehrlich berechnen würde ein jeder nur noch Frau Ortmann’s Zwerge wollen. – Klaus Siersch

 

Ich mache seit Jahren Gartenzwerge aus Stahl – als künstlerische Herausforderung, die allerdings mehr als 200 Euro kosten. Anstelle eines umständlichen Leserbriefs schicke ich lieber Fotos. – Alto Hien

 

Sollte es doch einmal ein Nachfragetief für Gräfenrodaer Gartenzwerge geben – was der deutsche Jägerzaunbesitzer verhüten möge – dann sollte die dortige Gartenzwergmanufaktur nachahmen, was ihr die chinesischen Plastikzwerghersteller vorgemacht haben: kulturelle Aneignung! Handgefertigte Tonzwerge mit chinesisch anmutenden Gesichtern – Mao, Konfuzius, Xi. Statt Zipfelmützen solarzellbestückte Sonnenhüte, dank derer sie an hellen Tagen die Internationale schmettern oder aber die chinesische Version des berühmtesten deutschen Gartenzwergliedes trällern können: „Adelheid, Adelheid, schenk mil einen Galtenzwelg…“ Für deutsche Restaurants in China eine Sonderanfertigung: dickbäuchige Buddhas mit einem lächelnden Scholzgesicht, das immer wieder, immer nur „nö“ sagt! Sein Anblick löst bei den Gästen sofort einen Pawlowschen Reflex aus; er läßt allein beim Gedanken an deutsche Spezialitäten wie Klops, Klaut, Klöße den Speichel in den Mund einschießen! All diese thüringischen handgefertigten Pretiosen befeuerten die deutsch – chinesische Freundschaft mehr als dies unsere ausgemusterten Fußballspieler, geldkoffertragenden Wirtschaftsbosse, süßsauer lächelnden Politiker wie Bärbock, Lauterbach oder der Verkehrsminister, dessen Name mir gerade entfallen ist, je vermöchten! Darüber hinaus: welch eine Konkurrenz für die Tonsoldatenarmee! – Ulrich Pietsch 

 


 

 

Leserbriefe zu „»Ich bin gegen Angstmacherei«“. Gespräch mit Hans-Jürgen Brick geführt von Marc Widmann

 

Um die Klimakatastrophe zu meistern, müssen wir uns von alten Sicherheiten lösen. Früher garantierte der Staat den gleichbleibend wachsenden Lebensstandard und entkoppelte dazu mit Preisbindungen und Subventionen Angebot und Nachfrage. Die Fortführung einer solchen Politik bremst jetzt unsere nachhaltige Entwicklung und gefährdet unsere Klimazukunft. Ja, die südlichen Bundesländer umwerben mit „billigem Importstrom“ energiefressende Tech-Zentren, wie Google, Apple, BMWs Batteriewerk, usw. So wird immer mehr Infrastruktur auf Kosten aller Verbraucher und Anwohner nötig. Wiederum wird „Kohlepfennig-Politik“ betrieben. (Der Kohlepfennig sicherte die Existenz des deutschen Steinkohlebergbau und wurde 1995 abgeschafft). Herr Brick spricht viel Relevantes an, letztlich bleibt er aber dem alten Denken verhaftet. – Klaus Siersch

 

ZEIT-Journalist Widmann stellt gute Fragen, die diplomatisch formulierten glasklaren Antworten des Amprion-Chefs darauf: Zügig nötiger Zubau von vielen Gaskraftwerken, riesiger Wasserstoff-Bedarf in zehn Jahren, Gefahr des Industrie-Abwanderns, hohe Kosten des „Engpassmanagements“, fehlender „Masterplan“ für das Gesamtsystem, usw. Endlich werden in der ZEIT reale, jedoch unbequeme Probleme der „Energiewende“ benannt (die lange durch „Schönschwätz“ vernebelt wurden): So geht guter Journalismus. Wenn Sie jetzt noch an Spezialthemen wie über 3 Tage anhaltend schlechte „Wetterlagen“ (etwa Dunkelflauten im Winter) mit extremer Blackout-Gefahr dranbleiben oder unsinnige Politik-Begründungen erkennen, dann ist die ZEIT am Thema angekommen – es ist wichtig genug! – Wolfgang Ströbele

 

Solange dieser Robert Habeck in der Ampel sein Unwesen treibt, solange ist er auch für mich der Oberangstmacher dieser Ampel-Regierung. Ich möchte nur mal eines wissen, wie man das nur messen soll, das mit diesen 65 Prozent der erneuerbaren Energie, die dann irgendwann einmal aus der Steckdose zu mir nach Hause kommt. Robert Habeck ist neben seiner Angstmacherei nur ein Märchenonkel, der Kinderbücher schreibt, und der nur sehr seltsame und grottenschlechte Ammenmärchen erzählen kann! – Riggi Schwarz

 


 

 

Leserbriefe zu „»Was sagen Sie anderen Hauptschülern, Frau Bas?«“. Gespräch mit Bärbel Bas geführt von Jeannette Otto und Martin Spiewak

 

Danke für das sehr informative Gespräch mit der Bundestagspräsidentin Bärbel Bas. Beim Lesen dachte ich, sie spricht über mein Berufsleben, denn ich habe vieles genauso erlebt im Rheinland. Arbeiterkind, Lehre als techn. Zeichnerin, bei der VHS Englisch gelernt, Abendrealschule, Technikerschule, als 1. Technikerin beim NDR. – Es stimmt, als Hauptschüler muss man sich alles selbst erarbeiten. Daher große Hochachtung für Ihren beruflichen Werdegang, liebe Frau Bas. – Ute Koch

 

„Ja, meine Noten waren gut. Aber ich bekam nur eine Hauptschulempfehlung“ Wenn ich so etwas lese, bekomme ich immer einen dicken Hals. Wir jammern dauernd über Bildungsgerechtigkeit und dann nehmen wir Kindern das Recht, sich selbst zu bewähren. Als ich 1952 aufs Gymnasium kam, mußte ich vorher eine Aufnahmeprüfung machen. Also lag es in meiner Hand und ich war nicht von einem eventuellen Fehlurteil eines Lehrers abhängig. Wenn wir Bildungsgerechtigkeit wollen, sollten wir die Macht der Lehrer beschränken, über den weiteren Schulweg der Kinder zu entscheiden. – Klaus Kornmann

 

Diese Anrede für Sie kommt mir aus tiefem Herzen, denn immer wenn ich Sie im Bundestag reden höre, spüre ich: was für eine kernige Frau, die klingt glaubwürdig und echt! Nun las ich in meiner ZEIT das Interview mit Ihnen und sage nur: Alle Achtung und großen Respekt! Gäbe es mehr Menschen wie Sie, stünde es um unser Land besser. Ich wüsste übrigens keinen Mann, der zu solch ehrlicher Selbstdarstellung fähig wäre; die sind weit davon entfernt, noch etwas dazuzulernen. Die wissen und kennen nämlich alles schon! – Herma Brandenburger

 


 

 

Leserbriefe zur Infografik „Stille Wasser“ von Matthias Schütte (Infografik) und Hella Kemper (Recherche)

 

„Zum Steinhuder Meer führen Sie aus „Das Meer wird von der Weser gespeist …“. Diese Aussage überrascht mich. Die Weser fließt ca. 8 km westlich am Steinhuder Meer vorbei. Den mir zur Verfügung stehenden Kartenwerken kann ich einen Zufluss von der Weser nicht entnehmen. Über die Wasserversorgung des Steinhuder Meeres und den Wasserabfluss hat das Niedersächsischen Landesamt für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz im Internet veröffentlicht (www.nlwkn.niedersachsen.de/startseite/wasserwirtschaft/flusse_bache_seen/seen_dummer_und_steinhuder_meer/seen_kompetenzzentrum/faq_liste_steinhuder_meer/faq-zum-steinhuder-meer-203332.html):

Der See wird zu über 60 % durch Grundwasser gespeist. Das oberirdische Einzugsgebiet wurde durch eine Vielzahl wasserbaulicher Maßnahmen verkleinert und weist heute eine Größe von ca. 47 km² (excl. Seefläche) auf. Der oberirdische Zufluss erfolgt im Wesentlichen über den Winzlarer Grenzgraben und den Windhorngraben. Neben den Zuflüssen aus den ober- und unterirdischen Einzugsgebieten stabilisieren vor allem Regenfälle auf die fast 30 km² große Seefläche die Wasserbilanz des Steinhuder Meeres. Obwohl eine hohe Verdunstung, durch das Verhältnis von der großen Seefläche zur Wassertiefe vorliegt, sind in der langjährigen Betrachtung nur geringfügige saisonale Wasserspiegelschwankungen (+/- 20 cm) zu verzeichnen. Als einziger Abfluss leitet der Steinhuder Meerbach das überschüssige und das für die Fauna und Flora des Steinhuder Meerbaches notwendige Wasser nach einem Staubauwerk ab und mündet in Nienburg in die Weser. 

Möglicherweise haben Sie sich durch die Zuordnung des Steinhuder Meeres zur Flussgebietseinheit Weser täuschen lassen. Ich bitte daher, Ihre Aussage zur Speisung des Steinhuder Meeres durch die Weser zu überprüfen. – Andreas Menzel

 

Die Seite 44 der aktuellen Ausgabe gefällt mir gut. Aber dann: Wo ist der Wannsee? Ja ist denn der nicht auch ein wirklich bedeutender großer, spannender See? Mir erschließt sich gar nicht, warum jener nicht mit von der Partie ist. – Marga Bock

 

Zu Nr. 6: Das Steinhuder Meer wird nicht von der Weser gespeist, sondern das Steinhuder Meer entwässert über den Meerbach in die Weser. Ein unterirdischer Zufluß von der Weser zum Steinhuder Meer ist (wie von der Donau zum Bodensee oder bei der Innerste am Nordrand des Harzes) wegen der Topografie und der Geologie (glaziale Ablagerungen, darunter tertiäre Tone) nicht möglich. – Adolf Ronnenberg

 


 

 

Leserbriefe zu „»Nicht brutal, bloß aggressiv«“. Gespräch mit Valie Export geführt von Gabriel Proedl

 

Bewegend, dieses Interview mit der 83jährigen Valie Export, die die Wut der Welt stellvertretend aufsammelt und sich in ihren kraftvollen Werken als eine unermüdliche Kämpferin insbesondere für die Rechte der Frauen offenbart. Möge sie nach einem noch langen aktiven Leben Teil einer besseren Zukunft werden. – Ludwig Engstler-Barocco

 

Es gibt keine SACHbücher zur Astrologie! Bei einer derartigen Behauptung werde ich negativ aggressiv. Bestenfalls gibt es Sachbücher, die diesen esoterischen Humbug auseinandernehmen. – Thomas Manthey

 

Kann es sein, dass der Autor des Artikels in der Darstellung des Interviews mit der Künstlerin die Begriffe „Astronomie“ und „Astrologie“ verwechselt hat? Gemeint war wohl die Astronomie? – Bernhard Weide

 


 

 

Leserbriefe zu „PROMINENT IGNORIERT. Sex am Morgen“ von PED

 

Ein Waldlauf am Morgen bringt mich (72) mehr in Wallungen als Sex nach dem Frühstück. Wäre aber im Fall der Fälle auf jeden Fall vorzuziehen bevor man am Abend dabei einschläft! Immerhin habe ich beim Lesen vor Lachen fast flachgelegen und das soll sich ja positiv auf das Herz-Kreislauf-System auswirken, Stresshormone abbauen, Glückshormone freisetzen, Verbrennungsprozesse befördern und das Immunsystem stärken. Durch das vermehrte Einatmen wird mehr Sauerstoff transportiert, Herzschlag und Blutdruck sinken. Kann das Sex am Morgen, noch dazu in diesem Alter, alles trotz Unterstützung mit der blauen Pille noch leisten? – Siegfried Wache

 

Sexualität im Alter wird lächerlich gemacht. Das zeugt von journalistischer Dummheit und Arroganz. Wer die Biographie von Ruth Wertheimer kennt, muss das als Affront sehen. – Albrecht Hauter

 


 

 

Leserbriefe zu „Roter Rauch“ von Christoph Heinemann et.al.

 

In Stuttgart und München habe ich viele Male an Demonstrationen aus einer gewissen Distanz teilgenommen, wo es nach Gewalt roch bzw. niederschwellig es Gründe für Festnahmen gab. Ich war immer so nahe wie nötig dran, um sowohl die politische Zielsetzung als auch das beginnende aus dem Ruder laufen mitzubekommen. In der Literatur gibt es einen Aufsatz von Oskar Maria Graf „Wir sind Gefangene“ über einen Protestmarsch auf der Münchner Theresienwiese: „Der Marsch hatte begonnen und war unaufhaltsam. Keine Gegenwehr kam. Alle Schutzleute waren verschwunden.“ … „Genossen, unser Führer Kurt Eisner hat gesprochen. Es hat keinen Zweck mehr viele Worte zu verlieren!“ … „Wir marschierten, eingekeilt von einer dahinstürmenden Menge, fast ganz an der Spitze, kaum fünf Schritt weit entfernt von Eisner … Er war blass und schaute todernst drein. … Fast sah es aus, als hätte ihn das jähe Ereignis selber überfallen“. Man kennt den weiteren Verlauf aus Geschichtsbüchern. In diesem Land funktioniert das aus bekannten Gründen nicht.

Trotzdem ist der Keim dafür von rechts und links zunehmend vorhanden. Der Erfolg der Ränder hängt davon ab, ob diese „Demokratie“ von einer genügend großen Zahl von Bürgern, die nicht mehr viel zu verlieren haben, nicht mehr unterstützt wird, bzw. Opfer nicht mehr vermittelbar sind. Wenn zwischen den extremen Flügeln die Gewalt wächst, reicht es nicht, einzelne Täter mit hohen Strafen zu belegen. Dadurch wird die Kontrolle nicht wieder hergestellt. Die Komplexität der Problemlage muss für die Massen reduziert werden. Lösungen, die nur für Advokaten transparent und verstehbar sind, reichen nicht. Staatliche Maßnahmen müssen wirkungsvoll und einsichtig sein und an die Träger der Gesellschaft adressiert werden; wenn es zu wenig Träger gibt, scheitert der Staat und gebraucht mit zunehmend Gewalt. Deutschland wurde in zu kurzer Zeit in zu viele schwer lösbare Problemlagen geführt. Die Beruhigungspille des wachsenden Konsums schwächelt merklich. Das gute daran ist, dass der wachsende Konsum immer ein Teil des Problems war, und jetzt die Beherrschbarkeit dieses Systems wegbrechen könnte. – Uwe Mannke

 

Die Revolution, von der der linksradikale Sebastian schwärmt, „müsse von unten kommen, und ein erster Schritt sei die Demokratisierung der Produktion, nämlich die Vergesellschaftung der Betriebe.“ War da keiner, der ihm das sofort hätte ausreden können ? Das hatten wir doch in der DDR, und alle haben miterleben können, wie es in die Hose gegangen ist. Wenn in einem DDR-Betrieb die Produktion z. B. wegen fehlendem Material stockte, stand man umher, rauchte und klönte, nein diskutierte. Keiner kam auf die Idee, die Fenster mal zu putzen oder das Werktor zu reparieren: Die Gebäude und Maschinen, die den Arbeitern per Enteignung mühelos in den Schoß gefallen waren, vergammelten. Und: Man qualifizierte sich, nannte sich zweiter, dritter stellvertretender Abteilungsleiter, aber nach Arbeitskräften für die „materielle Arbeit“ inserierte man vergeblich. Den sozialistischen Menschen, den man für die vergesellschafteten Betriebe gebraucht hätte, gab es nicht und gibt es nicht, das hatte Karl Marx falsch einkalkuliert bzw. übersehen. Konnte das denn keiner von euch dreien, Heinemann, Kroll und Nejezchleba, diesem Linksradikalen mal sagen ? Von wem sonst soll er es denn erfahren, wenn nicht von oder aus den Medien. – Karl Georg Ulbrich

 


 

 

Leserbriefe zu „Zu nah?“ von Ulrich Ladurner

 

Ich kann Ihrer Analyse absolut folgen, aber Sie gehen über einen wesentlichen Aspekt bei diesem Thema sehr locker hinweg, der jedoch meiner Meinung nach sehr wichtig und entscheidend ist. „Macron zauberte Ursula von der Leyen aus dem Hut.“ Es ist doch eigentlich ein Skandal, dass im Europäischen Parlament keine demokratischen Verhältnisse bei der Wahl der Präsidentin der Europäischen Kommission herrschen. Wenn diese Wahl nach Gutsherrenart stattfindet, dann brauchen wir uns nicht wundern, wenn Europa nicht ernst genommen wird. Sowohl außerhalb, als auch innerhalb Europas! – Martin Krivacek 

 

Dieser Beitrag fordert geradezu einen Perspektivwechsel heraus, um die Haltung der Frau Jutta Paulus näher zu betrachten, um sich derselben anzuschließen oder sie abzulehnen. Es ist davon auszugehen, dass Manfred Weber ein Demokrat und kein Neofaschist ist. Er sollte ebenso wenig mit den deutschen Konservativen 1928 gleichgestellt werden, wie Frau Paulus mit den Ideologen der KPD in dieser Zeit. Davon ausgehend ist Alarmismus eine ungerechtfertigte Reaktion auf das Treffen M. Webers mit der Ministerpräsidentin Italiens. Gegen den Eingang faschistischer Haltungen in politische Entscheidungen gibt es hinreichend sachliche Argumente. Herr Weber hat m. E. bisher erkennen lassen, dass er diese kennt. An Stelle einer offenen Debatte mit sachlichen Argumenten trwrwb Polemik, Verdächtigungen, Unterstellungen und ideologische Überzeugungen. Letztere folgen einer Ideologie, ohne nach links oder rechts zu schauen. Wer Menschen ins Abseits der Demokratie stellt, verrät die Ziele der Aufklärung, Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, die Grundvoraussetzungen der ersten Erklärung der Menschenrechte von 1789. Es genügt nicht das „zuendedenken“ zu proklamieren, gerade in der Politik sollte es ein „Muss“ sein. – Reinhard Schmolling

 


 

 

Leserbriefe zu „»Wie in einem Bann gefangen«“. Gespräch mit Boris Herrmann geführt von Hanns-Bruno Kammertöns und Marc Widmann

 

Ihr Artikel in der Nr. 25 S. 28 vom 07.06.2023 ist sehr informativ, aber Boris Herrmann sitzt mitnichten auf dem Mast, er würde dort eher in einem Bottsmannsstuhl herab hängen, sondern auf dem „Bugsprit“ seiner Malizia. – Kay Nienstedt

 

Zu der erklärenden Bildunterschrift: Der gezeigte Segler befindet sich nicht sitzend auf dem Mast, sondern auf dem Spinnakerbaum. Das ist zwar auch ungewöhnlich, aber auf dem Mast sitzt man nicht, sondern klammert. Nach Sitzgelegenheiten hätte ich hier oben vergeblich gesucht. Für mich ist der beste Segler der, der Mannschaft und Boot heil in den Hafen bringt. – Burkhard Breslauer

 


 

 

Leserbriefe zu „Wie denkt ein Wald?“. Gespräch mit Eduardo Kohn geführt von Elisabeth von Thadden

 

Eduardo Kohn’s spirituelle Zuwendung zum Wald imponiert. Außerdem begrüße ich es, wie er den Aspekt des Lebendigen hervorhebt und uns vor Augen führt, dass ein Wald nicht nur ein Zusammenschluss von Erde, Ästen und Blattwerk ist. Ich selbst nehme stets eine gewisse kosmische Verbindung wahr, wenn ich mich in einem Wald befinde. Wandle ich in ihm, auf seinen Pfaden, werde ich sogleich selbst ein Teil von ihm. Im letzten Jahr lief ich von Marburg nach Santiago de Compostela. Da schlief ich in Frankreich das ein oder andere Mal dann auch in einem Wald. Es war so gut. Ich lag weich auf der Erde und die Luft war rein. Morgens beim Aufwachen fühlte ich mich fit und vital. Vor allem, wenn mir in der Früh‘ des neuen Tages die erste, frische Luft durch die Nüstern floss. Hallelujah. – Michael Ayten

 

Ihr Gespräch mit Eduardo Kohn löst bei mir die Frage aus, ob dieser die experimentelle Philosophie des 17. Jahrhunderts in Europa kennt – von Francis Bacon über Galileo Galilei bis Isaac Newton? Diese Philosophie dachte nicht „anthropozentrisch“, sondern „kosmozentrisch“. Sie lehrte, dass es ein „Buch der Natur“ gibt, welches in der Sprache der Geometrie verfasst ist, ohne deren Kenntnis man darin herumirrt wie in einem ausweglosen Labyrinth (Galilei 1623). Sie lehrte auch die „spirituelle Belebtheit“ der Natur durch „Kräfte“, welche als Entitäten eigener Art verstanden wurden – durchaus in Angleichung an „animistische“ Vorstellungen! Weiß Eduardo Kohn, dass diese kosmozentrische Naturlehre in der europäischen Aufklärung, zumal im 19. Jahrhundert, eben wegen ihres „animistischen“ Geruchs verfemt und in der „Kräftelehre“ gezielt durch materialistische Konzepte („Kräfte als „Materieeigenschaften“) ersetzt wurde? Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie diese Fragen an Eduardo Kohn weiterleiten könnten. – Ed Dellian

 


 

 

Leserbriefe zu „Über Erfahrungen mit Mitbewohnern“ von Harald Martenstein im ZEIT Magazin

 

Martenstein hat Mitbewohner? Kaum zu fassen. Der Martenstein ist ein komplizierter Mensch mit seinen Glossen im ZEIT MAGAZIN. Wer will da Mitbewohner sein? Ähnlich wie bei Prüfer mit seinen Töchtern. Beide Beiträge stark gewöhnungsbedürftig Aber ausprobieren kann man es ja mal. – Hans-Emil Schuster

 

Es hätte nur noch gefehlt, dass die gute Hauptmieterin auch noch nach der Farbe der Unterwäsche fragt. Schwarz? Nein, kommt mir nicht ins Haus. Der Veganismus ist das neue Preußentum. Da schlafe ich doch lieber draußen in einem Zelt! In schwarzer Unterwäsche! So. – Michael Ayten

 


 

 

Leserbriefe zu „WIE GEHT VERSÖHNUNG?“ von August Modersohn im ZEIT Magazin

 

Danke für den interessanten Artikel – allerdings habe ich den Eindruck, dass sich Ihr Autor, August Modersohn, von den Sympathieträgern Heinze und Wetzel ein wenig zu stark hat beeindrucken lassen. Sonst hätte er einmal nachgerechnet: Günter Heinze ist 73, heißt es, also Jahrgang 1950. Da kann er unmöglich als Jugendlicher „häufig am Wochenende nach West-Berlin gefahren“ sein und sich Western angeschaut haben. Er war nach meiner Rechnung im Jahr des Mauerbaus 11 Jahre alt – vielleicht hat ihn ja ein großer Bruder mal ins Kino eingeschleust… Will sagen: Erinnerungen können trügen, und manchmal werden sie auch für einen (jungen) Reporter extra schön gemacht. Nichts für ungut, ich lese weiter die ZEIT und Ihr Magazin – aber bitte seien Sie sorgfältig beim Prüfen der Fakten. – Ulrike Bajohr

 

Bitte richten sie meiner Berufskollegin Tamara Eckhardt herzlichen Respekt für das Foto mit den beiden E x -Grenzern aus. Es passiert ja eher selten, dass im ZEITmagazin gute Fotografen, die auch Licht bauen können, vorkommen. Solche sind eher im Hauptblatt zu finden. Früher war es umgekehrt. – Oswald Baumeister

 


 

 

Leserbrief zu „Torten der Wahrheit“ von Katja Berlin

 

Offenbar sind bei „Frauen, die halbtags arbeiten“, die Farben vertauscht. – Walter Böhme

 


 

 

Leserbrief zu „»Meine Chefs sind alle links«“ von Jan Ross

 

Bitte mehr solche objektiven, erhellenden Artikel über eine fremde presse-feindliche Welt, über die Europäer wenig wissen und die sie nicht verstehen oder akzeptieren können. – Werner Kempgens

 


 

 

Leserbrief zu „Protest auf Rezept“ von Carla Neuhaus

 

Beim Lesen Ihres Artikels überkam mich wirklicher Zorn. Ich habe 20 Jahre die Macht gesetzlicher Krankenkassen ertragen und erleiden müssen und schlussendlich aufgegeben. Wir haben Menschen mit einer psychischen Erkrankung ambulant versorgt. Kostenträger waren die gesetzlichen Krankenkassen. Unsere Einrichtung gibt es nicht mehr. Das, was uns als Entgelt angeboten wurde, reichte nicht aus. Ich habe 2006 bei einem Besuch in Holland ein anderes System kennenlernen dürfen und war begeistert, wie anderes dort (auch miteinander) gearbeitet wird, wie wenige Krankenkassen es dort gibt. Dort gibt es ein sogenanntes eigenes Risiko (eigen risico), das jeder Versicherte zu tragen hat. Das bedeutet, dass man einen bestimmten Betrag pro Jahr selbst für medizinische Leistungen bezahlen muss, bevor die Versicherung greift. Die Höhe des eigenen Risikos wird jährlich vom Staat festgelegt. Wunderbare Idee. Seit dieser Zeit erhebe ich die Forderung, die Vielzahl der Krankenkassen und deren Wettbewerb in Deutschland abzuschaffen. Der Wettbewerb hat zu keiner besseren Gesundheitsversorgung geführt. Was aber für alle von diesen Institutionen abhängigen Leistungserbringern gesichert ist, ist, dass das Nebeneinander von derzeit 96 Krankenkassen 96 Vorstände, 96 Werbebudgets und 96 Verwaltungsstrukturen immense Kosten und immer mehr Bürokratie zur Folge hat. Angesichts der Ausgaben von 260 Milliarden Euro in 2022 erscheinen manche dieser Posten vielleicht gering, aber hier ließen sich etliche Mittel umleiten. Die Krankenkassen nutzen ihre Macht schamlos aus. Sowohl Versicherte und Leistungserbringer werden gegängelt. Die Krankenkassen sind mitverantwortlich für ein Gesundheitssystem, dass weder effizient noch transparent ist und auch keine gute Versorgung ermöglicht. Dies alles tun die gesetzlichen Krankenkassen vor Ort und sie tun es im GBA, ein nicht demokratisch legitimiertes Gremium. Dort haben sie und nicht die Patientenvertreter die Macht. Das deutsche Gesundheitssystem sollte stärker auf Prävention und Gesundheitsförderung ausgerichtet sein. Mehr Investitionen in Präventionsmaßnahmen würden langfristig zu erheblichen Einsparungen im Gesundheitssystem führen. Es gibt heute keinen Grund mehr, so viele Krankenkassen im Wettbewerb zu haben. Bei anderen Sozialversicherungsträgern oder gar bei Behörden gibt es das ja auch nicht. Es besteht dringender Handlungsbedarf. – Helmut Thiede

 


 

 

Leserbrief zu „Wie an der Losbude“ von Hanna Grabbe

 

In der Tat: Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass (zukünftige) Patient*innen sich darüber informieren können, wie gut die Krankenhäuser und deren Fachabteilungen in Deutschland sind. Aber natürlich liegt es nicht im Interesse der schlechteren Häuser – und davon gibt es offenbar viele -, dass diese Informationen allgemein verständlich zur Verfügung stehen. Zudem ist vielen (zukünftigen) Patient*innen wohl nicht bewusst, dass die nächstgelegene Klinik nicht unbedingt die beste ist, schon gar nicht hinsichtlich jeder Fachabteilung und jeder Behandlung. Hier wären mehr Aufklärung und Transparenz sehr sinnvoll. Gleiches gilt übrigens auch für die Ärzt*innen in Praxen: Die Bewertungen durch Patient*innen, die man im Internet findet, sind in der Regel keine fachlichen Bewertungen und entsprechend wenig hilfreich. Es wäre sehr schön, wenn auch die Qualität der Arbeit von Haus- und Fachärzten von Fachfrauen und -männern regelmäßig überprüft und bewertet würde und diese Bewertungen im Internet zu finden wären. Viele Menschen selbst in Großstädten wie Paderborn haben allerdings derzeit Probleme, überhaupt eine Ärztin / einen Arzt zu finden, wenn etwa die bisherige Haus- oder Augenärztin / der bisherige Haus- oder Augenarzt aus Altersgründen in den Ruhestand geht und keine Nachfolgerin / kein Nachfolger die Praxis fortführt. – Ulrich Willmes

 


 

 

Leserbrief zu „Kälte hat uns sozial gemacht“ von Andreas Sentker

 

Sie schreiben, dass uns Kälte sozialer gemacht hat. (Ist das eigentlich der Grund, weshalb man von „sozialer Kälte“ spricht?). Umgekehrt scheint das auch zu gelten. Die Temperaturen steigen und mit ihnen auch die Umfragewerte für die asoziale AfD. Kein Wunder: Die zunehmende Hitze führt offensichtlich zu immer mehr Hirnverbrennungen. Keine guten Aussichten bei der weiteren Klimaerhitzung. – Thomas Manthey

 


 

 

Leserbrief zu „Digitales Garn“ von Florian Eichel

 

Da bekomme ich doch gleich Lust, das neue Diablo anzuspielen. Bedauerlicherweise fehlt mir momentan aber für einen Computer die nötige Knete. Denn für Diablo IV muss der Rechner schon was hermachen. Mensch, wie ich den Sommer über absuchten würde! Im Übrigen sind die Rüstungen des Hexers Geralt von Riva aus dem Spiel The Witcher 3 ein ebenso ästhetisches Schmankerl. Vesemir, Geralt’s Mentor sieht genauso klasse aus. Ich habe dich erwartet, weißer Wolf, sprach Eredin, als ihm Vatt’ghern zum ersten Mal von Angesicht zu Angesicht endlich gegenüber trat. Vielen Dank an Florian Eichel für diesen geschmackvollen Beitrag. Er regt geradewegs meine morgendliche Fantasie an und gereicht mir zu neuer Inspiration. Fabelhaft. – Michael Ayten

 


 

 

Leserbrief zu „Der Mann, das schwache Geschlecht“ von Benedikt Herber

 

Ein polnischer Zauberberg, geschrieben von einer Literatur-Nobelpreisträgerin. Es freut mich sehr, daß Sie diesem Roman einen großen Artikel widmen, der, ja, natürlich, vergleicht. Warum nur wurde einer der wesentlichen Aspekte der Romans von Thomas Mann der im Vergleich auch eine sehr hilfreiche Angabe im Artikel wäre, ausgelassen – das Sprachlevel? – Bernd Baginski

 


 

 

Leserbrief zu „Die letzte Preis-Kuh hieß Ruine“ von Elisabeth von Thadden

 

„Ein Hof und elf Geschwister“: Ein sehr gut geschriebenes und lesenswertes Buch, das bei Zeitzeugen viele Erinnerungen wachruft und vertieft, das aber auch für die Jüngeren einen guten und wichtigen Einblick in die Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts im eigenen Land vermittelt. Das Buch sollte auch Schullektüre sein. Als direkt Betroffener – ein kleiner Hof und sechs Geschwister – vermisse ich die genauere Einordnung – insbesondere hinsichtlich der Bildungschancen – in die Geschichte des ganzen 20. Jahrhunderts. Von uns sechs Geschwistern hatten die vier Älteren – Jg. 1926 – 1932 – noch völlig andere Bildungs- und Berufschancen, nämlich eigentlich keine, als wir Jüngeren – Jg. 1938 und 1945 – die ersten Abiturienten mit anschließendem Studium in der Familiengeschichte. Als die jüngste Schwester geboren wurde, war der älteste Bruder bereits in Kriegsgefangenschaft! Erst die drei weiblichen und fünf männlichen Enkel unserer Eltern konnten alle Abitur machen und studieren. Den elf Geschwistern aus dem Münsterland wurde dagegen „die Gnade der späten Geburt zuteil. Die im Buch vertretende Meinung von der Gesundheit ruinierenden körperlichen Arbeit ist im konkreten Fall wohl richtig, aber keineswegs zu verallgemeinern: Mein Vater hat mit Schaufel und Forke über Jahrzehnte unglaubliche Mengen an Kartoffeln, Zuckerrüben, Rübenblatt, losem Mineraldünger, Viehdung, Korngarben und Heu bewegt und blieb bis ins hohe Alter körperlich topfit. Mich hat das Training auf dem elterlichen Hof befähigt, ohne gesundheitlichen Schaden während des Studiums im Hamburger Hafen als Schauermann Geld fürs Studium zu verdienen. Ich blicke heute gern auf diese familiäre Prägung zurück und bin stolz auf meine älteren Geschwister, die trotz geringer Bildungschancen ihr Leben selbstbestimmt und erfolgreich gemeistert haben. – Artur Behr

 


 

 

Leserbrief zu „Nicht zu fassen“ von Niko Kappel

 

Greifarmautomaten: Was für ein Thema! Was für eine Story! Jammerschade, dass die nach einer Seite schon zu Ende war (immerhin ein Happy End). Wie unbedarft waren doch meine eigenen gelegentlichen – stets vergeblichen – Versuche in belgischen Spielhallen, irgendeines Plüschohrs habhaft zu werden! Gleichwohl konnte ich den Automaten nie ernsthaft böse sein. – Ludwig Engstler-Barocco

 


 

 

Leserbrief zu „Anna Mayr entdeckt: Neue Spielregeln“

 

Schlimme Verhältnisse in Berlin! Prekäre Gastronomie in Prenzlauer Berg (qualitativ oder quantitativ?) und in ganz Charlottenburg muss man froh sein, wenn man noch eine offene Apotheke findet (S. 22). Was bin ich froh, dass ich zwar auf dem plattesten Land lebe, aber immerhin gibt es hier noch ausreichend Apotheken. Die Gastronomie interessiert mich nicht, die verdient an mir nichts. – Thomas Manthey

 


 

 

Leserbrief zu „STIMMUNGSMACHER“ von Alard von Kittlitz im ZEIT Magazin

 

Allein das lesen dieses Textes hat mich in die Vergangenheit katapultiert: als 4-jährige nahm mich der Seniorvermieter meiner Familie, „Opa Grenda“, – Oberkutscher Franz Grenda vom Döhnhoffschen Anwesen auf Schloss Friedrichstein – mit in den Reitstall der britischen Militärkaserne in Nienburg/Weser, wo er nach der Flucht die Pferde betreute. Sein Marjellchen sollte Reiten lernen. Seit meine Eltern mit mir als 8- jährige nach Hannover zogen, waren Opa Grenda und mein Reitpferd Puppe1 Geschichte und das ASMR-Syndrom wurde geboren. Ostpreußische Mundart, das schnauben von Pferden und das knarzen von Leder versetzen mich in Trance. Nun ist diese Mundart ebenfalls Geschichte und ich bin zwangsläufig geheilt, aber die Sehnsucht nach diesen Triggern bleibt. – Eva-Maria Fahl