Lesezeichen
 

16. November 2023 – Ausgabe 48

Leserbriefe zu „Israels Dilemma“ von Evelyn Finger

Jesus von Nazareth, was sagst Du zum Präventivschlag der israelischen Armee gegen die grausamen Hamas-Terroristen? „Recht so, die Sicherheit der israelischen Bevölkerung rechtfertigt den 10.000-fachen Tod vom im Gaza-Streifen gefangenen palästinensischen Kindern, die 100.000-fache körperliche und seelische Verstümmelung von Menschen?“ Nein, das sagt Gottes Sohn ganz gewiss nicht, sondern achselzuckend Evelyn Finger, die angeblich an beide glaubt.
Evelyn Finger, wie bekämpft man Hass und Terror? Du sagst, indem man alle Terroristen tötet. Doch das kann nicht gelingen, wenn man dabei drei Generationen eines Volkes auslöscht und die Überlebenden traumatisiert. Hass und Terror der Hamas kann man nicht besiegen, indem man der palästinensischen Jugend das Leben und die Würde nimmt. Hass und Terror besiegt man indem man der palästinensischen Jugend Würde und Zukunft gibt. Dazu muss der Westen die israelische Regierung zwingen.
Sebastian Koerner

Frau Finger schreibt einen so treffenden Satz, wenn sie schreibt: Ein Herz zu haben heißt aber nicht, seinen Verstand auszuschalten und die entscheidenden Fragen zu ignorieren…“ An dieser Stelle vielen Dank an Frau Finger, dass dieses Mal so gut ausformuliert und ausgesprochen wurde! Merci Beaucoup.
Michael Ayten

Frau Fingers Artikel „Israels Dilemma“ zeigt anschaulich, was an der hiesigen Debatte falsch ist. Frau Finger fragt „Wie bekämpft man einen Gegner, der sich hinter Zivilisten verschanzt?“ Frau Finger gibt auch selbst eine Antwort: „Es gibt keinen einfachen Weg. Es ist ein tragischer Konflikt, in dem es keine Option gibt, schuldfrei zu handeln – es sei denn, man verzichtet auf Gegenwehr.“ Frau Finger argumentiert hier auf Basis einer (m.E. sehr zweifelhaften) persönlichen Moral fernab des Völkerrechts. Das fällt offenbar schon niemandem mehr auf, sonst würde so ein Artikel nicht auf S. 1 der Zeit erscheinen. Im Kern meint Frau Finger doch, der Kampf gegen die Hamas rechtfertige jedes Mittel, jedenfalls das Töten von Frauen und Kindern, die sich zuhause versteckt haben oder in Schulen oder Krankenhäuser geflüchtet sind. So eine Aussage ist keine Kleinigkeit. Sie lässt sich aber erklären: Frau Finger übernimmt unkritisch Positionen des israelischen Militärs und der rechts-nationalistischen (das ist schmeichelhaft ausgedrückt) israelischen Regierung. Deren Aussagen nimmt sie für bare Münze und geht bei den dortigen Entscheidungsträgern nur von den nobelsten Absichten aus. Deshalb sieht sie hier ja auch ein „Dilemma“ – denn natürlich wolle die israelische Regierung und ihr Militär die Zivilbevölkerung in Gaza maximal schützen. Das ist schlicht keine journalistisch saubere Arbeit mehr.
Dass ein Offizier in einem Video zeigt, dass er in einem Krankenhaus Gewehre gefunden habe, das muss man doch einordnen. Aber nein, wenn das israelische Militär ein solches Video veröffentlicht, dann muss es stimmen. Einmal nur, an anderer Stelle, sagt Frau Finger beiläufig, sicher überprüfbar seien solche Informationen nicht, „aber die USA haben die Darstellung mittlerweile bestätigt“. Das genügt ihr dann, kritischer wird es nicht. Wenn die USA das bestätigen, dann ist die Sache klar. Wie war das nochmal mit dem Massenvernichtungswaffen im Irak? Für Frau Finger kein Anlass zu kritischer Distanz, was Israels Militär sagt, das stimmt grundsätzlich, wenn die USA das dann noch bestätigen, braucht es keine weitere Recherche. Sorry, aber das ist Ideologie und kein Journalismus. Damit bleiben Frau Finger und die Zeit weiter hinter dem Niveau zurück, das man von einer führenden Zeitung erwarten darf.
Schauen Sie doch mal bei der New York Times rein, nicht gerade ein palästinensisches Hetzblatt, z.B. den Artikel von Mark Landler vom 15. November 2023 „‚Erase Gaza‘: War unleashes Incendiary Rhetoric in Israel“. Er zitiert dort die radikale Rhetorik israelischer Regierungskreise sowie rechter israelischer Medien, z.B. „We are fighting human animals, and we have to act accordingly“ (Verteidigungsminister Yoav Gallant), „I don’t call them human animals because that would be insulting to animals“ (Sara Netanyahu), „Erase Gaza. Don’t leave a single person there“ (Pop-Star Eyal Golan im Fernseh-Interview), „It’s time for Nakba 2“ – eine Aufforderung zur gewaltsamen Vertreibung der Palästinenser – (Yinon Magal, Channel 14 TV-Moderator). Das, liebe Frau Finger, ist der Spirit der „Offensive“ in Gaza. Das ist es, womit wir es hier zu tun haben. Und deshalb dürfen wir nicht wegschauen, wenn Kriegsverbrechen begangen werden, und wir dürfen sie erst recht nicht als ausweglos und legitim darstellen, nirgendwo, auch nicht in Deutschland, nicht in der Zeit.
Joel El-Qalqili

Wenn die auf Seite 4 Ihrer Ausgabe Nr. 48/2023 kolportierte Aussage von Netanjahu aus dem Jahr 2019 bezüglich Förderung der Hamas tatsächlich stimmt, dann sollte man doch nicht einfach, wie auf Seite 1 getitelt, von „Israels Dilemma“ sprechen. Die Beantwortung der ebenfalls auf Seite 1 gestellten Frage „Wie bekämpft man den Terror und schützt zugleich Unschuldige?“ kann dann eigentlich, mit viel Hoffnung verbunden, nur lauten: Durch erstens alsbaldigen Stopp der Vergeltungsaktion, die Israels absolute militärische Überlegenheit nun schon deutlich unter Beweis gestellt hat, zweitens per Netanjahu-Rücktritt den Weg freimachen für erneuerte Verhandlungsangebote (Richtung einer Zwei-Staaten-Lösung o.ä.) an die Palästinenser, die drittens dabei mehr und mehr einsehen könnten – und müssten, dass Terrororganisationen wie die Hamas alle Friedensbemühungen torpedieren und völlig aussichtslos machen.
Norbert Albrecht

Herzlichen Dank für den umsichtigen Kommentar. Dem ist nichts hinzuzufügen. … Nur, wenn man „die USA haben die Darstellung inzwischen bestätigt“ liest, kann ich dem, insb. nach den imaginären ABC-Waffen im Irak-Krieg, nur noch eingeschränkt vertrauen. Was ich bedauere.
Frank Habann

Was ist Israel? … Eine theokratische Idee vom „gelobten Land“ oder ein konkreter geografischer Bezug? Nach alttestamentarischer Erzählung veranlasst ein Gott das Werden. Er führt sein Volk aus Ägypten ins „gelobte Land“. Bei Gottvergessenheit verlor das jüdische Volk ihr Territorium. Erst Propheten stellten wieder einen Gottesbezug; und damit den Frieden her. Was ist unser Gottesbezug? … Wir leben gegenwärtig zwischen zwei Schöpfungsquellen aus dem Nichts: dem Ursprung vom Werden in der Vergangenheit und der Geldschöpfung durch Zukunftserwartungen. Da unsere Währungsdefinition nur ortsbezogen monetäre Transfers gewährt, spalten wir einen menschengemachten Finanzmarkt von der naturgegebenen Angebotswirklichkeit ab. Naturwissenschaftlich macht die Definition keinerlei Sinn; aber machtpolitisch gewährt Sie einer herrschenden Elite monetäre Vorteile. … Obwohl mit wachsenden Klimarisiko durch akkumulierte Kohlenstoffemissionen ein zweiter kollektive Wille sichtbar wird, weigern wir uns auch nur über eine neue Währungsdefinition zu unterhalten.
Gesellschaftspolitisch gefragt; Warum soll der Mensch nur ein Akkumulationssystem für die Vermögensverteilung; aber nicht eins über den Zustand seines Lebensraums haben? … Im religiösen Kontext war 9/11 der Auftakt zu den Offenbarungen an Johannes; und das Dilemma Gottes ist: rettet er die Menschen vor dem Verderben seiner Existenzgrundlagen? Und wenn ja, reduziert er die Art als Ganzes, wählt er bestimmte Volksgruppen oder erinnert er an sein Akkumulationssystem, wo der Mensch durch chemisch-physikalische Transfer-Entscheidungen die Exekutive ausübt?
Matthias Losert

Vom Schreibtisch aus macht sich Evelyn Finger Gedanken über die Lage Israels nach. dem Überfall der Hamas, macht Vorschläge zur Lösung der Krise, die „chancenlos“ sind, und beschreibt wortreich, warum der Regierung Netanjahu keine Möglichkeit bleibt, sich zu verteidigen, ohne sich schuldig zu machen. Eine Bankrotterklärung für einen Staat, der sich rechtsstaatlich nennt! Hier mein Vorschlag, vom Sofa aus:
1. Israel schützt seine Grenze, was es schon am 7. Oktober hätte tun können, ohne Menschen systematisch zu töten
2. Israel tauscht einen Teil der 6000 politischen Gefangenen gegen die Geiseln aus.
3. Netanjahu sagt eine Zweistaatenregelung zu.
4. Israel besteht – mit internationaler Hilfe – auf Auslieferung der Hamas-Verbrecher und
5. auf Neuwahlen in beiden besetzten Palästinensergebieten unter UN-Aufsicht
6. Israel gesteht der UNO eine langfristige Friedensmission im Gazastreifen zu.
Johannes Kettlack

In diesen bewegten Zeiten habe ich keinen so beispielhaften Leitartikel bzw. Kommentar zur Konflikt Israels mit der Hammas in verschiedenen Periodika gelesen wie in Evelyn Finger in der ZEIT vom 16. 11. 2023 geschrieben hat. Dieser Text sollte, was das Genre Leitartikel/Kommentar betrifft, Schule machen. Selten liest man eine solch gute Argumentation, die so gut belegt und durchdacht ist bei aller Standortgebundenheit der Schreiberin hier. Chapeau Evelyn Finger! Wegen solcher Leitartikel ist gerade DIEZEIT lesenswert!
Hermann Holtmann

Auf die Frage Frau Fingers, wie man den Terror bekämpft und zugleich Unschuldige schützt, gibt es eine einfache Antwort: Die von der internationalen Gemeinschaft, und in diesen Tagen auch von US-Präsident Biden erneut bekräftigte, seit vielen Jahren geforderte Zwei-Staaten-Lösung. Die Sicherheit Israels ist eng verknüpft mit der Freiheit und Sicherstellung humanitärer Lebensbedingungen für die Palästinenser in einem eigenen Staat unter Einhaltung des Völkerrechts (keine illegale Siedlungspolitik). Wer nicht auf einen Interessenausgleich hinwirkt, schadet nicht nur den berechtigten Interessen der Palästinenser, sondern auch denen Israels.
Reiner Gorning

Frau Finger kommt mit zwei Halbsätzen zum Ergebnis ihres Artikels: “Wie stoppe ich einen Gegner… der also bereit ist alles und jeden zu opfern?” Und: “Es ist ein tragischer Konflikt, in dem es keine Option gibt, schuldfrei zu handeln.” Das mag ja sein, aber mit der Verschiebung auf die Ebene der Moral – wie führe ich den Krieg menschlich – macht sie es sich zu leicht. Sie tut so, als sei der Konflikt plötzlich entstanden, der erste seiner Art und die Opfer die ersten überhaupt. Aber: wie viele Kriege hat Israel seit 1948 bereits hinter sich – als Verteidiger und als Angreifer – immer mit der Begründung der Abwehr einer Gefahr für seine Bevölkerung oder für seine Existenz als Staat? Natürlich konnte Israel nie auf Gegenwehr verzichten. Wenn das nun schon seit 75 Jahren so verläuft und die berechtigte Gegenwehr zum Ergebnis des bisher größten Verlusts an Menschenleben für Israel geführt hat – sollte man da nicht eher die Frage aufwerfen, ob auch immer wiederkehrende siegreiche Kriege wirklich zu einer dauerhaften Friedenslösung führen? Ist diese Art der “Gegenwehr” erfolgversprechend? Hat sie zu größerer Sicherheit für Israel geführt? Dieser Frage muss sich wohl Israel stellen als auch die lautstarken Vertreter unserer Staatsräson der Sicherheit Israels.
Thomas Isensee

Den Leitartikel von Evelyn Finger hätte der Pressesprecher der israelischen Armee nicht besser schreiben können (37 Brutkästen für Frühchen!).  Aber kein Wort von der zerstörten Strom- und Wasserversorgung im Gazastreifen. Damit sind auch Brutkästen nutzlos, die Bilder davon allerdings nicht.
Uwe Cardaun

Endlich ein kluger Kommentar zur Sache. Bleibt zu ergänzen, dass die Hamas nicht einmal behauptet, es ginge ihr um das Wohl der Palästinenser. Im Gegenteil: Das erklärte Ziel der Hamas ist es, Israel zu vernichten. Denn das verbirgt sich hinter der Formulierung von der Befreiung Palästinas vom Mittelmeer bis zum Jordanfluss. Die Absage an das Wohl der Palästinenser lässt sich zusammenfassend nachlesen und bei entsprechender Sprachkenntnis auch nachhören: https://www.timesofisrael.com/top-hamas-official-claims-group-is-not-responsible-for-defending-gazan-civilians/
Petra Schmidtkunz

Zur Ehrlichkeit, die Evelyn Finger anmahnt, gehört auch: „Wir erleben derzeit im Nordwesten Syriens eine Zunahme an Luftangriffen, wie wir sie seit vier Jahren nicht beobachtet haben. 43 Krankenhäuser, darunter Kinderkrankenhäuser, 24 Schulen, 20 Wasserwerke und andere wichtige zivile Infrastruktur wurde in den vergangenen Wochen massiv angegriffen“ (Malteser International). Warum empört sich darüber niemand? Weil es Putin und Assad sind, die die Menschen in Syrien bombardieren und aushungern, und nicht Israel oder „der Westen“. Die Ablenkung der westlichen Empörung, auch von den getöteten ukrainischen Zivilisten, durch die Hamas ist traurigerweise gelungen.
Jürgen Thiede

In der nach oben offenen Skala der Unmenschlichkeit steht für mich seit dem 7. Oktober die Hamas an oberster Stelle. Mit den vielen Menschen, die das ähnlich oder auch anders sehen, gilt es zu diskutieren, wie groß denn dieser Abstand an Unmenschlichkeit ist zwischen der verantwortlichen Hamas (nicht “den Palästinensern”) und der derzeit verantwortlichen israelischen Regierung (nicht “den Staat Israel”, „den Israelis“ oder gar „den Juden“). Aber bitte -auch wenn es schwer fällt- mit Argumenten und einfach nur mit Gefühlen. In vielen Debatten vermisse ich schmerzlich die dringend notwendige Differenzierung, das genaue Hinschauen. Aus vielerlei Gründen wie mangelnde Informiertheit, ausschließlicher Blick durch die Brille des eigenen politischen Standpunkts, versteckter wie offener Antisemitismus oder einfach nur naiv aus dem Bauch heraus. Allzu oft wird einer Seite die Schuld zugeschoben, Täter-Opfer Umkehr inklusive. Da bleibt kein Platz mehr für die Suche nach Frieden. Traurig, echt jetzt.
Klaus Mock

Ich möchte folgendes zu dem Artikel „Israels Dilemma“ anmerken: Der brutale Angriff der Hamas ist auf jeden Fall zu verurteilen und durch nichts zu rechtfertigen. Jedoch die Gegenoffensive der israelischen Armee ist nicht weniger brutal, insbesondere weil rücksichtslos und wohlweislich der Tod und Verletzungen sehr vieler Zivilisten in Kauf genommen wird. Es könnten bisher bereits 10.000 Tote sein, davon mehr als die Hälfte Kinder!  Auch wenn die Hamas die Zivillisten als Schutzschild benutzt und die Aggression begonnen hat, darf das kein Grund für eine solch beispiellose Rache sein. Verteidigen ist etwas anderes. Auch Israel muss sich an die Menschenrechtskonventionen halten. Das sollte von niemanden bestritten werden, auch nicht von unserer Regierung. Wenn wir die Wahrheit nicht mehr sagen dürfen, ist unsere Demokratie nichts wert. Die Palästinenser leben seit 15 Jahren zusammengepfercht mit 2 Millionen Menschen! In Gaza, unter menschenunwürdigen Zuständen. Und seit 75 Jahren haben sie keine Heimat. Man hat ihnen die Heimat genommen, Versprechungen gemacht, aber nichts eingehalten.
Sie schreiben: „Hat die Hamas mit ihrem beispiellosen Massaker vom 7. Oktober einen militärischen Gegenschlag auf Gaza nicht geradezu erzwungen?“ Man könnte aber auch argumentieren: Hat die israelische Regierung durch den enormen Siedlungsbau im West-Jordanland, der eine Zweistaatenlösung unmöglich zu machen versucht und Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung, nicht auch Schuld auf sich geladen und eine Gegenwehr in Kauf genommen? Provoziert ist angesichts des Massakers nicht angebracht. So viel Brutalität ist natürlich nicht zu rechtfertigen. Hier geht es auch nicht um Rechtfertigung, sondern um eine Analyse, weshalb es so weit kommen konnte. Müssen so viele Menschen sterben, um auf das Elend der Palästinenser aufmerksam zu machen, die von allen vergessen schienen. Bisher haben wenige Entscheidungsträger gewagt, Israel zu kritisieren, wohlweislich weil jede Kritik als antisemitisch ausgelegt wird. Erst das jetzige erbarmungslose Vorgehen der israelischen Armee, mit tausenden unschuldigen Opfern, fordert alle Rechtsbewussten und Gerechten zu einer Verurteilung dieser Zustände auf. Es hätte andere Lösungen gegeben, die Hamas zu bekämpfen. Rache und Vergeltung ist ein schlechter Ratgeber. Ich könnte und müsste noch mehr schreiben, aber das Wichtigste ist gesagt.
Doris Steuer

So unwahrscheinlich es jetzt auch klingen mag – in den Geschichtsbüchern wird in hoffentlich naher Zukunft stehen, dass das Hamas-Massaker den neuen Staat Israel dauerhaft gesichert und dem radikal politischen Islamismus die Grundlagen entzogen hat. Der Nahe Osten konnte befriedet werden. Vor dem 7.Oktober war Israel ein tief gespaltenes Land. Der Katalysator, der 7.Oktober, entstand nicht in einem luftleeren Raum. Hierzu entstand ein fundamentaler Konsens, auf weltweiten Druck der unterstützenden Staaten Israels und seines größte n Feindes- dem Mullah Regime Irans. Nur durch diesen Konsens und durch das Ende der zerstörten Hamas konnte die Zwei-Staaten-Lösung Erfolg haben. Die jungen, zum Frieden orientierten liberalen Kräfte in Israel endkräftigten das rechtsradikale und ultraorthodoxe Argument, Gott habe ihnen das Land versprochen. Der Osten Jerusalems und das Westjordanland wurden unter den Einfluss der neuen palästinensischen Regierung gestellt. Der völkerrechtswidrige Siedlungsbau wurde beendet, die Siedlungen wurden aufgegeben. Nach dem Wiederaufbau des autonomen Gaza- Streifens mit internationaler Hilfe konnte der Frieden gesichert werden. Beide Staaten erklärten die neue Koexistenz und das Ende jeder Form des Terrors und der Gewalt zur Staatsräson, außerhalb jeder Einflussnahme durch Drittstaaten. Wenige Jahre später wurde die Hisbollah nach dem Sturz des Mullah-Regimes bedeutungslos und aufgelöst.
Andreas Löbbers

Sie haben die richtigen Fragen gestellt und die richtigen Antworten gegeben! Das ist ziemlich einmalig! Die Palästina-Anhänger sollten nicht vergessen, die HAMAS richtet sich nicht nur gegen Israel, die Terrororganisation richtet sich auch gegen das eigene Volk, ganz speziell gegen die Frauen und Kinder.
Peter Janssen

Ich empfinde einige der von Evelyn Finger in Frageform geäußerten Rechtfertigungen für das Vorgehen der israelischen Armee als zynisch und möchte ihr auf eine der ihrer Fragen eine Antwort geben. Frau Finger will wissen (?): „Warum scheint plötzlich die Armee des eben angegriffenen Landes für einen irgendwie glimpflichen Ausgang dieses Wahnsinns verantwortlich?“ Antwort: Weil die Hamas eine verbrecherische Terrororganisation ist, wogegen Israel sich einen demokratischen Rechtsstaat nennt, der sich deshalb dem Völkerrecht, den Menschenrechten, dem Kriegsrecht und der Menschlichkeit verpflichtet fühlen sollte. Die Hamas hat nicht nur über 200 Israelis, sondern die Bevölkerung von Gaza in Geiselhaft genommen und es gilt ALLE Geiseln zu schonen. Paul Middelhoff beschreibt die Situation, die kein Dilemma, sondern eine Katastrophe ist, im nebenstehenden Beitrag: „Unbestreitbar ist, dass nicht Israel, sondern ZUERST die Hamas die Verantwortung für die furchtbaren Zustände in den Krankenhäusern trägt. NUR DAS ENTLASTET DIE ISRAELISCHE SEITE NICHT“!!
Sven Herfurth

Sie haben in Ihrem Kommentar viele rhetorische Fragen gestellt. Eine Frage haben Sie aber ausgespart: Warum ist es zu diesem Gewaltausbruch der Hamas gekommen? Gibt es da eine Vorgeschichte, die man ja nicht bis 1948, aber vielleicht bis 1993 zurückverfolgen oder wenigstens hätte erwähnen müssen, nicht um zu relativieren, aber um „Israels Dilemma“ in einen zeitgeschichtlichen Kontext einzuordnen. An dieser Frage „mogeln“ Sie sich vorbei, genauso wie an einer weiteren, nämlich an der Frage nach der Verhältnismäßigkeit. Die über 11.000 getöteten Palästinenser, darunter mutmaßlich über 4000 Kinder, finden in Ihrem Kommentar leider keine Erwähnung. Übrigens: „Israels Dilemma“ besteht auch in der rechtsradikalen Regierung und einem Militär, dass für Gewalttaten gegen Palästinenser (oder der Journalistin Schirin Abu Akle) nie zur Rechenschaft gezogen wird. Ich schätze und lese Die Zeit seit über 60 Jahren und bin entsetzt und maßlos enttäuscht über viele Kommentare und Berichterstattungen der letzten Monate.
Astrid Kruhl

Wie es um den Stand des Diskurses in Deutschland zum Thema „Nahost“ und „politscher Korrektheit“ bestellt ist, belegt dieser Artikel.  Dem israelischen Bombardement in Gaza nach dem Hamas-Massaker sind (Stand 20. 11.) bereits verlässlich weit über 10000 Menschen zum Opfer gefallen, darunter vermutlich über 4000 Kinder, an die 3000 Frauen. Und vermutlich einige Hundert (oder auch nur Dutzende?) von Hamas- Kämpfern. Das ist bereits die 10-fache Zahl der beim Hamas-Massaker getöteten Israeliten. Ich finde dafür nur ein Wort (für beides!):  Massenmord. Die Autorin aber offenkundig nicht- sie rechtfertigt de facto diese unfassbare Zahl an Ermordeten im Rahmen des „Einsatzes“ gegen einen Gegner, der sich (das ist wohl tatsächlich so!) hinter Zivilisten verschanzt- ohne dass sie das Wort „Kollateralschaden“ verwendet. Angesichts des unvorstellbaren Leids macht diese Analyse und Bewertung sprachlos, sie ist ein Zeugnis von Inhumanität, von völlig fehlendem Mitgefühl für das unsägliche Leid Unschuldiger. Sie lässt den Leser fassungslos zurück.
Wir Deutschen wissen vielleicht noch besser als andere, worum es hier geht: Waren die alliierten Bomberangriffe, die die deutschen Städte ab 1943 „platt machten“ und Hunderttausende von Zivilisten (Frauen, Kinder, Alte, Flüchtlinge…) ermordeten, „gerechtfertigt“? Diese Frage traut sich ja im Lichte der aktuellen Form der „Erinnerungskultur“ sowieso niemand mehr zu stellen. Und jetzt Israel. Dass dies so kommen würde, war nach dem 7. Oktober bereits sonnenklar- denn wenn auf irgendetwas dort Verlass war und ist, dann auf den Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt. Welcher übrigens keineswegs am 7. Oktober begann, und davor doch „alles gut“ war! Wer dies aber nur in einem Halbsatz andeutet, wie der UN-Generalsekretär- eben um das Unfassbare zu verstehen bzw. an irgendeiner Lösungsperspektive zu arbeiten! – der steht sofort als „Antisemit“ mit dem Rücken zur Wand. So ist es bestellt um den Diskurs, nicht nur bei uns, aber in Deutschland natürlich ganz besonders. Und dafür sorgen auch ganz viele Akteure, die sich sofort zu Wort melden- der Zentralrat der Juden in Deutschland ist nur EIN Beispiel.
Karl-Heinz Grau

Eine große, tiefe offene Wunde, mit Eiter (Autokratie und Terror) gefüllt, die den Körper (unsere Welt) zunehmend vergiftet. Die Wunde entstand schon vor ca. 4000 Jahren, als das Hassen auf Juden begann. Besteht etwa kein Konsens darüber, dass ein Mensch, der erkennbar Jude ist und angegriffen wird, als Opfer bezeichnet werden muss? Einem Verkehrsopfer auf der Straße muss per Gesetz geholfen werden. Was das Auto betrifft, gelten andere Gesetze. Ein Auto kann kein Täter sein, ein Protest gegen sein Verhalten ist folglich nicht angesagt. Ebenso können Angehörige der Hamas (meint Begeisterung und Eifer – zum Töten –) KEINE Täter sein und deshalb darf man auf keinen Fall gegen sie protestieren. Ein Protestmarsch vor die Kommandozentrale der Hamas mit der Forderung, die Gefangenen freizulassen? Wer kommt denn auf sowas? Verkehrte Welt im Spiegel der „Wahrheit“.
Bernhard Elsasser

Ich bin ein in Deutschland geborener Mensch, der heute im europäischen Ausland lebt und sich darüber wundert, wie sehr sich Menschen über Nationalität, Rasse, Religion, politische und sexuelle Orientierung und sonstiges definieren, anstatt sich „menschlich“ zu zeigen und auch so handeln. Seit nun mehr als zehn Jahren haben viele Länder Europas und auch Deutschland bis an die Grenzen der Belastung Flüchtlinge aufgenommen, ohne dass es dadurch zu erheblichen negativen gesellschaftlichen Auswirkungen kam. Der Staat Israel und viele Juden beanspruchen das Gebiet Palästina ganz für sich allein, trotz vieler Versprechen und vertraglich ausgehandelter Regelungen, die immer wieder gebrochen wurden und es deshalb immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen kam und es ist kein Ende abzusehen.
Wären sie einsichtig, dann würden sie erkennen, dass sie nicht „menschlich“ handeln, Gewalt säen und sich wundern, dass sie daher als Antwort Gewalt ernten. Wer Ihr Verhalten zu Recht kritisiert, wird mit der Antisemitismus-Keule zum Schweigen verdonnert, sehr zum Leidwesen von Hunderttausenden getöteten Palästinensern, unbewaffneten Kindern, Frauen und älteren Menschen, die in Frieden in ihrer Heimat leben möchten. Der Überfall der Hamas, den man verurteilen muss, ist eine Tat der Verzweiflung die sich in Jahrzehnten durch Unterdrückung, Schikane und unmenschliche Behandlung durch den Staat Israel aufgebaut hat. Es liegt an Israel eine faire Zweistaaten-Lösung zuzulassen, denn sonst geht das Morden weiter. Mit Bedauern, das weiterhin anzusehen zu müssen.
Gert Besner

Wer war zuerst die Henne oder das Ei. Diese Philosophische Frage ist nicht lösbar. Ebenso wenig begreifbar und/oder erklärbar ist der durch das Massaker der Hamas am 07. Oktober 2023 beginnende Schlagabtausch zwischen dem Gazastreifen und Israel. Unschuldige zivile Opfer auf beiden Seiten. In Kauf genommen von der Hamas, ohne Rücksicht auf Verluste. Auch die israelisch Armee (IDF) muss, aber mit mehr Skrupel, die Tötung von Kindern, Frauen und Männern akzeptieren. Ist das selbst beim Recht zur Selbstverteidigung so? Wo war und ist der weltweite Aufschrei? Stattdessen ein schwelender Konflikt zwischen Europa, Deutschland vorneweg, der Türkei und vielen arabischen Ländern. Von der UN ganz zu schweigen. Nunmehr das beliebte Spiel der „Täter/Opfer Umkehr“. Somit wird Israel zum Hauptaggressor ohne Existenzberechtigung erklärte. Aber solange Herr Erdogan und Frau Thunberg, neben vielen anderen, so unhaltbare, unqualifizierte und Faktenverachtende Äußerungen in Reden verbreiten, ist es so schnell nicht an Feuerpausen oder gar Frieden zu denken. Kann Jo Biden die Quadratur des Kreises gelingen? Ein Frieden verlangt Kompromisse. Wenn beide Seiten nicht miteinander reden, bleiben Kompromiss und Frieden eine bloße Illusion. Das ist die traurige Wahrheit. Die im Übrigen auch für die Ukraine und Russland gilt. Krieg ist eigentlich immer das falsche Mittel. Das wird aber leider seit Jahrhunderten missachtet.
Felix Bicker

Einer der Artikel, die mich wieder verärgert haben, besonders die Aussage im Untertitel. Frau Finger nimmt Kollateralschäden in Kauf, um auszudrücken, dass die israelische Armee derart brutal in Gaza wüten darf. Zivile Personen sind also Opfer, die in diesem Ausmaß wie es nun seit Wochen geschieht, ermordet werden dürfen.  Natürlich muss ein solcher Krieg so geführt werden, dass es um die Täter geht und nicht um alle Palästinenser in Gaza.  Diese scheinheilige Frage, wie man einen Gegner bekämpft, der sich hinter Zivilisten verschanzt, ist unzulässig. Es gibt nur eine Antwort, nämlich von face to face. Dazu gehören dann eigene Opfer also die von Israelis, nicht das Hinnehmen von Töten Unschuldiger palästinensischer Kinder, Männer und Frauen, alt und jung.  Wer so denkt und das Vorgehen des israelischen Militärs rechtfertigt, ist gleichermaßen brutal und unmenschlich.
Claudia Lutter

Israels Dilemma hat ähnliche Ursachen wie ein anderes Dilemma. Es geht bei letzterem um das unkontrollierte Wachstum der Migration. Die gemeinsamen Ursachen betreffen die Demographie. In beiden Fällen geht es darum, dass die lokalen Ressourcen nicht ausreichen für den Lebensunterhalt einer Bevölkerung mit hoher Geburtenrate. Daher wird Hilfe von außen in Anspruch genommen. Die Verfügbarkeit dieser Hilfe reduziert die Eigenverantwortung fürs Auskommen mit den begrenzten lokalen Ressourcen. Ein langfristig drohendes Problem dabei ist, dass die von außen kommende Hilfe nicht beliebig anwachsen kann. Kurzfristig besteht aber auch das Probleme, dass diejenigen Perspektiven fehlen, die das Beitragen zum eigenen Lebensunterhalt liefert. Solche Perspektiven ergeben sich normalerweise dadurch, dass etwa gleich viele Arbeitsplätze durch Pensionierung frei werden, wie neu benötigt werden. Gibt’s da ein Ungleichgewicht, besteht die Möglichkeit auszutarieren. So wurden so unterschiedliche Bauprojekte realisiert wie die Pyramiden, Schloss Neuschwanstein oder die Großglockner Hochalpenstraße (als Mittel gegen die Arbeitslosigkeit). Im Falle von Gaza wurden stattdessen Tunnels und Raketen gebaut. Genau wie bei den Pyramiden oder bei der Hochalpenstraße war klar, dass diese Raketen auch mal zum Einsatz kommen mussten. An die 10 000 Raketen wurden aus dem Gazastreifen abgeschossen.
Ein Ausweg aus dem demographischen Dilemma könnte sich aus dem kategorischen Imperativ nach Kant ergeben. Diesen kann man etwa so anpassen: Handle so, dass gutes Fortbestehen gesichert ist, wenn alle so handeln wie du. Im Gaza streifen wird offensichtlich anders gehandelt. Gäb’s wie im Gazastreifen weltweit die Geburtenrate 3.5, dann gäb’s im Jahre 2100 nach vier Generationen 72 Milliarden Menschen. Denn nach 2 Generationen gäb’s den Faktor 3 (1.75*1.75=3.06) und nach 4 Generationen den Faktor 9. Im Gazastreifen gäb’s dann 18 Millionen Menschen. Demnach gibt’s drei Varianten mit dem Dilemma umzugehen. Erstens: Man reagiert auf die 10 000 Raketen, indem man sich darauf beschränkt, die Abschussbasen aus der Luft zu zerstören und beeinflusst damit die Weltmeinung eher positiv. Zweitens: Man versucht ein Übereinkommen zu finden für eine Lösung, die den genannten Imperativ befolgt. Ein Mittel dazu wäre, Verständnis dafür zu gewinnen, dass die externe Hilfe nicht exponentiell mit der Kopfzahl wachsen kann und schränkt sie derart ein, dass die demographische Eigenverantwortung gestärkt wird. Unterstützt muss das werden, indem Israel selbst sich nach dem Imperativ richtet. Damit betont man, dass das demographische Problem der Region nur gemeinsam gelöst werden kann. Und schafft so eine Basis für eine gute Zukunft. Die dritte Möglichkeit betrifft den aktuellen Versuch die Hamas auszuschalten. Sinnvoll wäre eine geeignete Kombination der Varianten.
Die zweite Variante in entsprechend angepasster Form könnte auch genutzt werden beim Lösen des Migration-Problems. Es geht darum, Verständnis dafür zu gewinnen, dass Europa nicht fremde demographische Probleme lösen kann. Die Herkunftsländer müssen ihren Beitrag leisten aber auch bei der Integration der Migranten müsste im Sinne des genannten Imperativs verfahren werden.
Gernot Gwehenberger


Leserbriefe zu „Merkt ihr eigentlich nicht, dass es gegen euch geht?“. Gespräch mit Igor Levit geführt von Giovanni di Lorenzo

Danke, kurzweilig dieses Zwiegespräch. Unprätentiös, witzig und glaubwürdig so über seinen eigenen Status zu räsonieren. Da ist nichts Aufgesetztes, wenn er seine eigene Rolle in der Medienlandschaft definiert. Auch den Abend des Erfolges ohne Wehmut zu bilanzieren, zeugt von menschlicher Größe. Am Ende aber doch nicht ohne Selbstgewissheit, erst dann aufzuhören, wenn es andere besser machen.
Christoph Schönberger

Ich nerve Sie zunehmend mit meinen Texten, trotzdem: “ Merkt Ihr eigentlich nicht, dass es gegen euch geht?“ von Igor Levit. Sehr gut, 1000 Dank! Wirklich, – unentwegt muss das wiederholt werden, wie ist es möglich, dass die Leute diese Gefährdung nicht sehen? Auch in folgendem Kontext: es ging und geht in den öffentlichen Debatten wiederholt um die Frage, wie man Sympathien für die Hamas und Nachwuchs für islamistische Gruppierungen in Deutschland verhindert. In diesem Kontext wird, neben dem Ruf nach Anwendung des Strafrechtes und zugleich der engagierten Aufklärung und der Bildung, zur Prävention von Radikalisierung v.a. unter Jungen und Männern ein Fakt ganz ausgeblendet, vielmehr vollkommen verdrängt. Dieses Thema, das so zentral für uns alle ist, kommt überhaupt nicht in das Bewusstsein und damit nicht zur Sprache, wie ich finde: Jeder Mensch re-inszeniert als Erwachsener mehr oder weniger das, was ihn als Kind prägte. Das findet im persönlichen Alltag statt. Aber der Mensch überträgt dieses gelernte innere System auch auf die Politik, quasi „im kleinen und auch im großen Familiensystem“. Er, sie wiederholt als Erwachsene(r) nahezu alles, in allen Ebenen seines Lebens. Demokratiebildung als lebenslange Prägung fängt in der Familie, in der Wahrnehmung des kleinen Kindes, früh, an. Oder sie wird früh erstickt. Dann lernt das Kind eine Art Diktatur:
Sind Mutter und Vater gleichberechtigt? Werden unterschiedliche Meinungen diskutiert und auch Streit ausgehalten? Können Mutter und Vater Kompromisse eingehen? Wird die Frau, wird das Kind, als schwächstes Familienmitglied, in dem, was es äußert, gehört? Oder dominiert ein Vater unwidersprochen das Geschehen der gesamten Familie? Wendet er Gewalt an? Nutzt er alle Ressourcen für sich? Agieren alle anderen in Angst oder feige? Werden die Schwächsten (die Minderheiten) am wenigsten geschützt? Die echte Gleichberechtigung (nicht zu verwechseln damit, dass die Frau „den Laden schmeißt“, aber nicht mitbestimmt) zwischen Mann und Frau in der Familie verstehe ich als DIE zentrale Grundlage zur Sicherung unseres demokratischen Verständnisses und damit in Folge unserer Demokratie. Das familiär gelernte System übertragen die Menschen vollständig auf das politische System, mit allen entsprechenden Erwartungen und Anpassungen. Nach der Etappe Ost – West bahnt sich eine politische Kluft an zwischen den westlichen Demokratien mit Israel auf der einen und den fundamentalistisch agierenden Staaten China, Russland, Iran, Syrien u.a. auf der anderen Seite. Es geht nicht ganz schwarzweiß auf, auf beiden Seiten gibt es Abstufungen, aber zwischen diesen beiden neuen Blöcken gibt es einen eklatanten Unterschied, der nie ausgesprochen wird. Es wird so getan, als wäre das so unwichtig wie selbstverständlich:
In den westlichen Demokratien haben die Frauen alle Chancen und sie nutzen sie. Es gibt eine umfassende familiäre und gesellschaftliche Teilhabe der Frauen. Dort aber läuft alles darauf hinaus, mit Gewalt diese Entwicklung aufzuhalten, bzw. zurückzudrehen. Finden sich russische, chinesische oder iranische Spitzenpolitikerinnen? Die Meinungsäußerung der Frauen, ihre Einflussnahme wird bekämpft. Die Gewaltexzesse der IRGC an den iranischen Frauen als politische Akteurinnen seit September 2022 sprechen diese Sprache. Jetzt haben wir die Demonstrationen in Essen. Die Grundlage für diese Erscheinungen findet sich in vielen Familien. Uneingeschränkte Dominanz des Vaters (Vater Staat, der Diktator) mit häuslicher und sexueller Gewalt in den Familien ist alltäglich und nicht selten bezahlt eine Frau ihren Mut zur Unabhängigkeit und Eigenständigkeit mit ihrem Leben (die äquivalente Gefahr für iranische Frauen im politischen Geschehen derzeit).
Das ist die persönliche, aber eben auch die politische Ausbildung für die Kinder dieser Familien. Der Prozess, in dem die Frauen weltweit zu Einfluss, Mitsprache und Macht gelangen, wird, neben anderem, allerorten bekämpft, – eine Gegenbewegung? Sie zeigt sich im umfassenden Verschweigen der absoluten Relevanz dieses Prozesses. Daraus spannt sich der Bogen hin zu den Verbrechen der IRGC an Frauen. Das Extrem sehen wir in Afghanistan, wo für das Verhältnis zur Position der Frau in der Gesellschaft ein vollständig treffendes Symbol geschaffen wurde: der Tschador mit vergittertem Sichtfenster: ein kleines, perfektes Gefängnis. Das steht voll da, das ist die Bedeutung. (Dass eine Frau vor den Blicken eines Mannes versteckt sein soll, ist nebensächlich.) Auch Afghanistan hatte eine Epoche der selbstbewussten, studierten, berufstätigen Frauen. Ignorieren, dann lächerlich machen, zuletzt massiv bekämpfen, – diese Abfolge können wir immer wieder beobachten.
Die garantierte Möglichkeit zu Freiheit und Unversehrtheit der Frauen und Mädchen in ihren Familien sowie ihr starker politischer Einfluss als Akteurinnen in der Gesellschaft, – diese Errungenschaft ist heute in Deutschland und Europa ein, wenn nicht sogar DER zentrale Wert, der Wohlergehen und Wohlstand entscheidend begründet. Der Versuch, eine moderne Entwicklung für die Frauen weltweit aufzuhalten und zu unterbinden, sollte uns bewusst sein. Im Kontrast dazu sollten wir alle diese unsere Entwicklung als Grundlage unserer Demokratie, als Garant unseres gesellschaftlichen Fortschrittes und unser aller Freiheit deutlich feiern. Wir sollten uns immer erneut laut dazu bekennen. Die öffentlichen Diskurse sollten dieses elementare Thema wiederholt und entschieden aus der Verdrängung in den Fokus holen, nahezu jede Thematik kann und sollte an dieser Frage konsequent durchdiskutiert werden, wie ich meine.
Marie Shakouri Nigjeh

Nachdem ich das Interview mit Igor Levit gelesen habe, ist es mir ein tiefes Bedürfnis, mich irgendwie dazu zu äußern: Jeden Tag seit diesem furchtbaren 7. Oktober bin ich fassungslos und fühle eine tiefe Hilflosigkeit und Ohnmacht über das Leid und Unrecht, welches die HAMAS über Israel gebracht hat. Und nun auch noch erfahren zu müssen, wie unerträglich und relativierend Reaktionen hier und weltweit ausfallen, steigert diese Fassungslosigkeit erst recht. Trotzdem gehe ich auf keine Demonstration. Einerseits weil ich zu alt bin (79) und mich deshalb nicht traue, andererseits weil mich die Situation der Palästinenser als Opfer der HAMAS eben auch sehr bedrückt. Vielleicht geht es vielen Menschen so wie mir. Ich fühle mich hin und hergerissen zwischen der ohnmächtigen Empathie mit den Israelis und dem hilflosen Mitgefühl gegenüber den Palästinensern. Dazu kommt leider auch noch die Wut und Ablehnung gegenüber dieser üblen Regierung in Israel, die seit Monaten vorrangig damit beschäftigt war, die israelische Demokratie zu schädigen bzw. zu demontieren!
Hanne Weißberg

Lieber Igor Levit! Ich teile alles, wirklich alles, was Sie geschrieben haben, und möchte Sie wissen lassen, dass Sie nicht allein sind. Noch viel viel lieber würde ich Ihnen aber schreiben, dass die Mehrheit Ihres, meines Landes an Ihrer, meiner Seite steht. Auch nach fünf Wochen nach dem unglaublichen Massaker des 7. Oktobers an Familien, Frauen und Kindern, fünf Wochen nachdem die Terrororganisation das Tor zur Hölle geöffnet hat, und nicht Israel, bin ich weiter fassungslos, ratlos und voller Wut. Über mein Land, meine Gesellschaft, über das unglaubliche empathielose Schweigen der Mitte der Gesellschaft, die so gern als bürgerlich bezeichnet wird.
Obwohl ich eine andere Biografie habe als Sie, ich bin ein mittelalter, in Berlin lebender Biodeutscher ohne Religion, schätze ich unsere aktuelle Lage genauso ein und fühle einen Bruch, und dass als nichtjüdischer Deutscher, der noch nie Diskriminierung erfahren hat. Versteht Ihr eigentlich nicht, oder wollt Ihr nicht verstehen, dass es primär nicht um Israel geht, nicht um das Judentum und schonmal gar nicht um die palästinensische Sache, als ob es der Hamas oder den arabischen Staaten jemals darum gegangen wäre, sondern um die freie westliche Art zu leben, um Demokratie, Frauenrechte und den Rechtsstaat. Wer jetzt nichts sagt, dem scheint all dieses doch nicht so wichtig zu sein. Ich spreche nicht von den alten und neuen Nazis, die es schaffen junge Menschen zu instrumentalisieren, sondern von der zivilisierten Mitte. Ich gehe nicht so weit all diesen Menschen gleich Antisemitismus vorzuwerfen, wie auch Teile der Propalästina Demonstranten, vielleicht, wirklich ein Interesse an einer friedlichen Lösung haben, umgekehrt darf die zwingend notwendige Diskreditierung der islamistischen Organisationen und Sympathisanten, die eine Schande für unser Land, jedes Land, sind, nicht dazu führen eine andere Religion verächtlich zu machen.
Mathias Stuhr

Diese Frage stellt sich mir auch und ich vermisse den Aufschrei sowohl von Christen als auch von Demokraten weltweit. Der Holocaust wiederholt sich und die Welt unterstützt die Terroristen, die Verursacher. Feuerpausen dienen den Terroristen, denn diese hindern palästinensische Bewohner und die Geiseln an der Flucht in sichere Gebiete und benutzen sie als menschliche Schutzschilde. Und wer garantiert dafür, dass die Terroristen Hilfsgüter und Gelder nicht abgreifen? Derweil verstehen es die Täter, sich als Opfer darzustellen. Als gläubige Christin ist mir bewusst, dass der Hass gegen Juden und ganz Israel eine Auflehnung gegen Gott ist, gegen den Schöpfergott, der Himmel und Erde gemacht hat, der sowohl den Kosmos geschaffen hat als auch die Materie bis ins kleinste Detail. Wer Israel auslöschen will, möchte Gott und den Messias aus der Welt schaffen und sich selbst zu Gott machen. Was für eine Anmaßung!
Marilott Grosch

Vielen Dank für das Einfühlsame und für mich sehr bewegende Interview mit Igor Levit. Hier meine Gedanken zu diesem Interview… Igor Levit spricht aus was sich in mir schon seit der Woche nach den Terrorattacken bewegt…wieso ist die Reaktion auf die antisemitischen Attacken und Drohungen in unserem Land so verhalten? Ich merke das es auch mir nicht gelungen ist meine Wut über diese Bedrohung unserer Demokratie, unserer jüdischen Mitbürger und meine Trauer auf die Straße zu bringen. Ich frage mich seit Tagen warum? Es ist Angst, Angst möglicherweise genauso bedroht zu werden wie meine jüdischen Mitbürger, ich schäme mich. Der Moment des „nie wieder“ war HALLE, war HANAU, er ist aber besonders JETZT.
Oliver Genau

Es ist sehr bedrückend zu lesen, wie Igor Levit sich seit dem 7. Oktober als Jude in Deutschland alleingelassen fühlt. Wo bleibt die Empathie der Deutschen? Die Antwort auf diese Frage steht im Text des Interviews – es ist der Satz von Giovanni di Lorenzo „Es war ein Angriff auf Menschen, nur weil sie Juden sind.“ Nein! Es war ein Angriff auf Menschen, nur weil sie in Israel leben. Die entmenschlichten Mörderbanden, die am 7. Oktober in Israel eingefallen sind, haben nicht nur Jüdinnen und Juden umgebracht. Unter den Mordopfern waren auch zahlreiche Beduinen, also in Israel lebende arabische Menschen. Und rund ein Fünftel der Geiseln der Hamas sind Menschen aus Thailand. Kann es sein, dass das unterschwellige Unbehagen (nicht nur in Deutschland) an einer Solidarisierung gegen Antisemitismus daher kommt, dass das Etikett „Antisemitismus“ auf diesen Terrorangriff gegen in Israel lebende Menschen schlichtweg nicht passt? Dass man spürt, dass das hier gezeichnete Bild, das Mordmotiv liege im Jüdisch-Sein der Opfer, einfach nicht stimmt?
Der Überfall vom 7. Oktober war ein Terrorangriff gegen den demokratischen Staat Israel mit dem Ziel, ihn zu beseitigen. Wie die von Igor Levit genannten Terrorüberfälle 9/11, Bataclan, Madrid, Utoya und viele andere richtete er sich gegen die freien westlichen Demokratien und Gesellschaften. Es geht dabei ausschließlich um politische Macht, mit Antisemitismus hat das nichts zu tun. Und umgekehrt sind die islamistischen Mäntelchen, die die Hamas-Terroristen ihren Morden umzuhängen versuchen, nur dazu da, ihrem Machtstreben einen ideologischen Sinn zu verleihen (das haben „Christen“ bei ihren Kreuzzügen nach Jerusalem nicht anders gehalten). Aber: Der eine Gott, an den Juden, Christen und Muslime gleichermaßen glauben, ist kein Kriegsherr, der Morde anordnet – und das wissen die Mörder eigentlich ganz genau.
Natürlich gibt es weiterhin Antisemitismus, gegen den wir uns in Solidarität mit jüdischen Menschen wenden müssen. Er kommt – neben vielen anderen Dingen – z.B. in dem Anschlag auf die Synagoge in Halle und in den aktuellen Schmierereien auf Häusern jüdischer Menschen zum Ausdruck. Sie stehen auch in der Nachfolge der Pogrome vom 09.11.1938; damals sind Menschen über ihre Nachbarn hergefallen, nur weil diese Nachbarn Jüdinnen und Juden waren. Und natürlich gibt es sehr gute Gründe dafür, Demonstrationen zu verbieten, in denen zur Vernichtung Israels aufgerufen wird. Das ist aber nichts anderes als z.B. das Verbot einer Demonstration, in der in ebenso strafbarer Weise zur Vernichtung der Ukraine aufgerufen werden soll. Aber wir sollten bitte aufhören, jedem (noch so widerlichen) Angriff auf Israel sofort das Etikett „Antisemitismus“ aufzukleben. Der 7. Oktober und der dadurch ausgelöste Krieg haben nichts mit Antisemitismus zu tun, sondern mit der politischen Frage, wer in Israel, im Gaza-Streifen und im Westjordanland die Macht ausübt.
Kein Geringerer als Daniel Barenboim hat unlängst darauf hingewiesen, dass der Staat Israel 1947 nicht im luftleeren Raum gegründet wurde, sondern in einem von arabischen Menschen besiedelten Land, und dass eine Befriedung nur möglich ist, wenn die Menschen in Israel und in Palästina auf Augenhöhe zu einem friedlichen, menschenwürdigen Miteinander in gegenseitigem Respekt gelangen. Eine solche Befriedung ist aber von vorneherein unmöglich, wenn man jeden politischen (!) Gegner Israels sofort zum Antisemiten erklärt und ihn damit in die unterste ethische Schublade packt.
Wolfgang Lechner

Ihr feinfühliges Gespräch mit Igor Levit hat mich tief berührt. Seit dem 7. Oktober mache ich mir viele Gedanken über Antisemitismus und das Verhältnis der deutschen Mehrheitsgesellschaft zu unseren jüdischen Mitbürgern. Deutschland hat nach der Shoah mit zahlreichen Gedenkstätten, Veranstaltungen und Publikationen eine einzigartige Erinnerungskultur geschaffen. Aber reicht das Erinnern wirklich aus, um heutigem Antisemitismus etwas entgegenzusetzen? Müssen wir nicht alle viel mehr dafür tun, dass alte Vorurteile keinen Platz mehr haben und Juden in Deutschland nicht nur sicher leben können, sondern sich auch wohlfühlen als selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft? Ich glaube, Mitgefühl und Solidarität wäre gerade ein guter erster Schritt.
Jacqueline Narewski

Auf die langen Ausführungen von Herrn Levit, kann ich natürlich nicht adäquat reagieren, deshalb nur drei Anmerkungen. Viele Menschen in Deutschland und anderswo haben deshalb so einige Vorbehalte gegen eine vorbehalt- und „aber-lose“ Trauer, weil sie von einem jüdischen Staat – und von Juden hier und andernorts – eingefordert wird, der seinerseits alles daran tut, das Leiden, das er anderen zugefügt hat und immer weiter zufügt, nicht zu erwähnen, vielmehr es geradezu zu vergessen und der andere drängt, auch so zu verfahren. Dass den Palästinensern in Israel bis heute verboten ist, an ihr großes Leid, die Nakba, öffentlich zu erinnern, weiß Herr Levit möglicherweise nicht; wenn doch, ist sein Schweigen erstaunlich. Seine Ausführungen bestärken mich in meiner Vermutung, dass in jüdischen Augen das eigene Leid auf jeden Fall größer und beachtenswerter ist als das Leiden anderer Menschen. Diese Ansicht könnte aus der hebräischen Bibel gespeist sein, in der Jahwe sehr viel zum Nutzen seines auserwählten Volkes tut, das sehr zum Schaden anderer ist.
Die Demokratie sei durch das Nicht-Mitleiden der Deutschen in Gefahr? Da lese ich bei Ihnen, Herr Levit: „Tod den Juden!“ heißt „Tod der Demokratie!“ Welch eine Überschätzung, welch ein Unsinn! Nein, das jüdische Israel ist nicht das strahlende demokratische Vorbild für die Völker dieser Erde. Und die Demokratie in Deutschland lässt neben dem per „Staatsraison“ verordneten Mitleid mit dem Übeltäter auch noch Mitleid mit dem Übelerleidenden zu.  Wer im Glashaus sitzt, …. Ist es nicht Herr Netanjahu, der von der jüdischen Mehrheit gewählte Präsident des jüdischen und angeblich demokratischen Staates, der gerade an einer Säule der Demokratie gesägt hat?  Ein Staat für alle seine Mitbürger wollte Israel nie sein, weshalb schon lange die Bezeichnung Ethnokratie als passender empfunden wird.
Wenn Sie zu denen gehören, Herr Levit, die ein „Aber“ angesichts des den Juden angetanen Leids nicht gelten lassen wollen, haben Sie anscheinend sehr partikuläre Ethikstandards, außerdem wohl eine sehr ungenügende Kenntnis des „Laufs der Welt“: Auf dieser Welt gibt es zu jedem Argument ein „aber“ und zu jedem Geschehen eine Vorgeschichte! Auch das Massaker der Hamas geschah nicht außerhalb von Zeit und Raum. Ich bin nicht der Meinung, dass Israel und Deutschland dann andere Kriterien anlegen dürfen, wenn es um israelisches Fehlverhalten angeht. Jüdische Siedler dürfen heute ungestraft Palästinenser erschießen, ein Mitglied der Regierung versorgte sie gerade eben mit Waffen. Die Staatsraison „verbietet“ der deutschen Regierung ein Einschreiten, nicht mal eine Rüge hält sie für nötig. Ist das moralisch vertretbar? Dazu könnte ein Verfassungsgericht etwas sagen oder ein Ethikrat. Die Kirchen brauchen wir dazu nicht zu befragen, die sind parteiisch. Wenn Israel nach der „Auslöschung“ der Hamas und „leider nicht erfolgreichen Bemühungen, die Zivilbevölkerung zu schonen“ (Zitat Netanjahu) vor den internationalen Strafgerichtshof zitiert wird, sollte die Bundesrepublik als Mittäter auch auf der Bank sitzen.
Letztlich: Vorschlag für eine Lösung des „Nahostproblems“: Israel zieht sich hinter die Grenzen von 1967 zurück, baut die Siedlungen ab und gewährt den Palästinensern im Staatsgebiet die gleichen Bürgerrechte wie den Juden. Sanktionen bei Nichtbefolgung werden angedroht und verhängt. Anschließend beraten wir über die restlichen Probleme.
Georg Fritzen

Ihre Enttäuschung über die Deutschen ist mehr als verständlich. Sie sollten sich damit trösten, dass die dt. Demokratie nicht das ist, wie sie nach außen erscheint und Sie es evtl. sehen. Einem Volk, das sich diese erkämpft hat, ist sie viel wert. Unsere dt. Demokratie wurde uns von den Siegermächten damals aufgezwungen, man hat sich langsam an sie gewöhnt. Ob das noch so ist, sollte es uns einmal schlechter gehen, bezweifle ich. Zynisch gesehen ist es schon ein großer Fortschritt, dass dem dt. Michel Israel und die Juden relativ egal sind, sei es nur sein schlechtes Gewissen leichter zu ertragen oder es ist mindestens akzeptierte dt. Staatsräson den Staat Israel anzuerkennen und zu unterstützen, was aber in der Regel dem Staat überlassen wird. Es ist Krisenzeit, da kommen Wahrheiten ans Licht, auch und gerade unangenehme.
H. Giller

Wehret den Anfängen – ist schon längst verpasst worden. Trotzdem, was bleibt, ist das Handeln: Jetzt. Viele Menschen haben Angst ihre kritische Meinung zum Vorgehen der Hamas am 7.10. öffentlich zu äußern. Die Macht und Präsenz und die Duldung bei Ausschreitungen wie z. B. In Berlin geben der Hamas und gemäßigteren Gruppen enormen Aufwind und Zulauf. Es gilt, unsere Demokratie zu schützen, solange sie es noch gibt!  Danach ist es erheblich schwieriger. Viele Menschen in Deutschland sind so sozialisiert worden, dass gelehrt wurde, mit einem sprachlichen Ausdruck beziehungsweise mit der Wichtigkeit eines Dialoges die Dinge/Konflikte zu lösen, neu zu bewerten oder bestenfalls wie diese zu verhindern gewesen wären. Das gelingt nur mit Menschen, die dies durch Erziehung, Vorbilder und Leben in unserem Recht System gelehrt und positiv erfahren haben. Funktioniert nicht durch TikTok oder einer einmaligen Pilleneinnahme – und das Mitdenken wäre da.
Anna Maier

Leider kann ich Herrn Levit in seiner Sicht auf die Dinge nur bestätigen. Sicher, der Bundeskanzler und auch der Bundespräsident haben deutliche Worte zu den Geschehnissen in Israel und dem Gaza-Streifen gefunden. Der Bundeswirtschaftsminister hat, denn die danach entstandene Kommunikationslücke mit seinen deutlichen Worten zu füllen versucht. Aber wo war z.B. eine konzertierte Aktion der Vorsitzenden der im Bundestag vertretenen Parteien? Wo waren entsprechende Reaktionen der großen Kirchen? Haben die Gewerkschaften zu großen Kundgebungen aufgerufen, um gegen die Gräueltaten in Israel und den hier bei uns vorhandenen Antisemitismus zu protestieren? Hier wären deutliche Zeit zu setzen gewesen! Ich bin beschämt, dass so wenig passiert ist.
Gerhard Hinz

Igor Levit löst mit seiner Polemik gegen die „Empathielosigkeit“ der Deutschen nach dem Überfall der Hamas auf Israel aus, dass man sich von seinen Ausführungen im Interview beschämt und beschimpft fühlt … weil man Gefahren nicht erkenne, wie er sie erkennt und erleidet. Er vermisst Empathie und Entschlusskraft, da nicht massenhaft auf die Straße gegangen und gegen den sich in Deutschland immer unverhohlener ausbreitenden Antisemitismus demonstriert würde. Er ist wütend wegen Forderungen und Erklärungen, die auf „Kontextualisierung“ oder Relativierung hinauslaufen, bringt es der Interviewer auf den Punkt. Dass die Bilder und Nachrichten zum Leid und dem Wahnsinn von Militäraktionen im Gaza-Streifen auch quälen, lässt Levit nicht gelten, davon will er nichts hören, darüber will er nicht sprechen! Das Bewusstsein für Demokratiegefährdung macht er daran fest, wie viele (bzw. wenige!) Menschen gleich nach dem Terrorangriff am 7.Oktober zu Demonstrationen zum Brandenburger Tor und anderen Orten geströmt seien, vergleicht die Mengen mit denen, die beispielsweise zu den Solidaritätsbekundungen mit den iranischen Frauen zusammengeströmt seien. Er vergleicht, was man nicht vergleichen sollte, jedenfalls nicht in Zahlen von Demonstranten!
Levit argumentiert wie ein Oberrichter oder Zensor: nein, er weigere sich, über Israel zu reden, das sei eine Ablenkung von seinem Thema. Er sei Jude in Deutschland – und erlebe jetzt erschreckende Kälte, emotionale Teilnahmslosigkeit. Er schreit uns in diesem Interview förmlich an, wieso wir denn nicht merkten, dass es gegen die Demokratie im Land gehe. Mit diesem Belehrungs- und Beschimpfungsgestus formuliert er quasi Rede- und Denkverbote, empört sich über die vielen „Ja, aber ..“ Ja aber: Was weiß Levit vom Entsetzen, das die meisten von uns bei den Berichten und Bildern vom Terror der Hamas seit dem 7. 10. erfüllt, aber eben auch bei den aktuellen von den Kämpfen im Gaza-Streifen? Dieses doppelte Entsetzen sollen wir nicht fühlen, nicht aussprechen, nicht über Ursachen und Zusammenhänge nachdenken, nicht „kontextualisieren“ dürfen, sondern auf die Straße gehen? Was weiß Herr Levit davon, wie schwer es vielen von uns jetzt schon wird, „Ja, aber …“ zu sagen, wenn angesichts des Entsetzens über die Opfer der Bodenoffensive und die Flüchtlingsströme in Gaza selbst langjährige Freunde in Hoffnungslosigkeit verfallen,  Unverständnis für die israelische Politik entwickeln …  Auf die Straße gehen wäre einfacher!
Christa Fischer

Ja, man wünscht sich große Zeichen – aber vielleicht ist das einfach eine falsche Erwartung? Mich erschüttert das auch, dass Leute, die sich nie mit den Palästinensern befasst haben, weder deren Geschichte kennen noch den Unterschied zwischen Hamas und Fatah, auch nie was von christlichen Palästinensern und deren Schicksal gehört haben, auf einmal größte Unterstützer der palästinensischen Zivilbevölkerung sein wollen. Ich kann es wiederum nicht fassen, dass der langjährige evangelische Pfarrer von Bethlehem, mit dem ich im Theologiestudium im selben Seminar saß, einen Brief zu dem Geschehen am 7. Oktober schreibt, der keinerlei Empathie für die israelischen Opfer zeigt. Meine Evangelische Landeskirche in Bayern hat sofort erschrocken und ablehnend auf diesen Brief reagiert und u.a. ein Rundschreiben an alle Pfarrer und Kirchengemeinden geschickt mit Hilfen, in dieser Situation eine möglichst wenig missverständliche und doch deutliche Sprache zu finden… Dafür bin ich dankbar.
Ich lebe in einem kleinen Dorf und kann aus Zeitgründen gar nicht zu Demos in Berlin oder anderswo fahren. Aber ich leide sehr daran, dass man das Gefühl haben muss, der Antisemitismus, der sich jahrzehntelang wie ein schlafendes Tier in irgendwelchen Winkeln der Seelen zusammengerollt hatte, ist wieder aufgewacht und glaubt, seine Zeit sei bald wieder da… Mich wundert es aber überhaupt nicht, denn seit meinem 11. Lebensjahr, in dem ich zum ersten Mal ein Heft für Erwachsene über den Holocaust in der Hand hatte und nur wenig später fassungslos vom Attentat auf die israelische Mannschaft bei den Olympischen Spielen in München erfuhr, leide ich darunter, dass nur sehr wenige Gleichaltrige so tief ins Mark getroffen waren und sind wie ich. Die „Was hat das mit mir zu tun, ich war doch noch gar nicht auf der Welt“- Mentalität hat mir schon immer Angst gemacht, und ich fühlte früh, dass Brecht Recht hatte: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“. 2008 wurde ich krank, als ich die Argumente hörte, die hier in meiner Gemeinde gegen eine Veranstaltung zum 9. November geäußert wurden. All die Vorurteile seit dem Mittelalter… Mein Mann und ich arbeiten unbeirrt in kleinen Schritten dagegen an. Und die Tatsache, dass in unserer ehemaligen Kreisstadt Bad Brückenau seit einigen Jahren Stolpersteine verlegt werden und es SchülerInnen waren, die den Stadtrat zum Umdenken brachten und jährlich am 9.11. beim öffentlichen Gedenken dort mitwirken, macht mir Hoffnung.
Aber es ist wohl eine Tatsache: früher wurde die „Erinnerungskultur“ vom Großteil der Bevölkerung ignoriert und beschwiegen. Heute trauen sich die Ungebildeten mit ihren Ressentiments aus der Deckung. Auf der Heimfahrt von einer Konfirmandenfreizeit erklärte mir der Busfahrer, wir hätten noch nie so viele politische Gefangene in Deutschland gehabt wie heute. „Du brauchst nur den Holocaust zu leugnen, schon bist Du weg.“  Natürlich hab ich sofort gesagt „Das gehört ja wohl auch so!“ und von meinen Freunden gesprochen, deren Eltern als Kinder die Ermordung ihrer Familien mit ansehen mussten und unter unvorstellbaren Bedingungen die Shoah überlebten. Dann war Stille. Aber überzeugen konnte ich ihn gewiss nicht. Wie die Traumata der Kriegsgeneration scheint auch der Antisemitismus epigenetisch weitergegeben zu werden. Und Demokratie hat auch ihren Glanz verloren, seit der Wohlstand nicht mehr unendlich wächst. Den meisten Menschen ist Engagement über Familie und Beruf hinaus in dem Moment lästig, wenn differenziertes Denken nötig wäre. Zu anstrengend!
Aber mich ärgern auch die Krokodilstränen darüber. Die Menschen haben sich doch gar nicht geändert. Nur ihre Reichweite und ihr Einfluss sind durch die sozialen Medien enorm geworden. Was früher am Stammtisch blieb, hat nun Macht, weil es sich bündelt. Das war vorauszusehen – aber die, die jetzt darüber jammern, wollten doch die totale Globalisierung und Vernetzung haben! Nie werden im Voraus die auf der Hand liegenden negativen Konsequenzen einer Erfindung kalkuliert!  Die Geister, die ich rief… Es liegt am Menschenbild! Der Mensch ist eben nicht „gut“, sondern auch sehr anfällig für das Böse, das es nun mal gibt. Jetzt, wo es darauf ankäme, gibt es weder eine integre, geistig-moralische Leitgruppe noch könnte eine solche die Menschen noch erreichen, die sich längst lieber in Filterblasen „informieren“ als über seriöse Kanäle, die heute leider mehr der Manipulation verdächtigt werden als die wirklich Manipulierten. Es ist so gruselig, dass die Erfahrung, wohin egozentrisches, ausgrenzendes Denken führt, nämlich in den totalen Untergang, offenbar nur 2 Generationen anhält.
Heute wird an jeder Ecke gefühlte Diskriminierung beklagt, aber die wahren Ausgrenzungen werden übersehen und geleugnet. Vielleicht, weil es in einer Welt der Sensationsgier langweilt, immer dieselben Warnungen zu hören? Wie auch immer: Wir dürfen nicht aufhören, gegen Antisemitismus wie gegen Demokratiefeindlichkeit den Mund aufzumachen, auch wenn die Gefahr wächst, dafür einmal erschlagen zu werden. Aber diese alltäglichen Versuche, sich zu positionieren, kommen natürlich selten bei den Betroffenen an. Trotzdem: Ganz alleine sind Sie nicht, auch wenn „wir“ immer wenige waren und wenige sein werden, die im Kleinen vor Ort „widerstehen, entgegenstehen“. Dafür „bleiben“ wir – anders als die, die in Massen auf Demos gehen, heute von diesem, morgen von jenem Gefühl bewegt.
Barbara Weichert

Das Interview mit Igor Levit hat mich sehr berührt. Eigentlich wollte ich ihm, Herrn Levit, spontan einen Brief schreiben, vielleicht mache ich es auch noch. Ich würde ihm Folgendes sagen: Lieber Herr Levit, ich verstehe Sie voll und ganz und ich bin ganz bei Ihnen, ich fühle mit Ihnen und auch mich macht es sehr, sehr traurig, das jüdische Menschen, große und kleine, Angst haben, in Deutschland auf die Straße zu gehen und sich zu ihrer Religion zu bekennen. Es tut mir unendlich leid. Ihre Aussagen in dem Interview haben mir die Augen geöffnet, wie zerbrechlich das Gefühl eines jüdischen Menschen sein kann, der in Deutschland aufgewachsen ist, sich sicher in einer Demokratie gefühlt hat, der gefeiert wird, so ein toller Mensch ist, der uns in Krisenzeiten Momente der Pause und Schönheit beschert hat (wie gerne lauschte ich Ihren Worten und Konzerten zur Coronazeit) und wie plötzlich, von heute auf morgen, alles zerbricht, alles anders sein soll und Deutschland Ihnen kein Gefühl mehr der Sicherheit, Solidarität und Liebe schenkt. Das tut mir so leid.
Ich bin Hamburgerin und beschäftige mich seit meinem Studium mit dem Schicksal der Jüdinnen und Juden. Bitte glauben Sie mir, dass es sehr, sehr viele Menschen wie mich gibt, die sich ganz eng mit Ihnen verbunden fühlen, die sich unendlich wünschen, dass Sie sich hier wohlfühlen. Dass es Ihnen in Deutschland gut geht. Und noch viel besser. Und Sie haben so recht, dass das, was im Nahen Osten passiert, nichts mit den Gefühlen zu tun hat, die Sie und andere Jüdinnen und Juden gerade spüren. Aber glauben Sie mir, ich, die hier in meiner Küche im Westen Hamburgs sitze und Ihr Interview lese, bin bei Ihnen. Ich gehe auf die Straße und werde Ihnen zeigen, dass ich das nicht dulden werde, dass in Deutschland wieder Hass auf jüdisches Leben geschürt wird. Das wollte ich Herrn Levit sagen. Und ich danke Ihnen, Herr Di Lorenzo, dass Sie das Interview so mitfühlend geführt haben.
Claudia Pegelow

Herzlichen Dank für das ehrliche Interview über Ihr Befinden seit dem 7. Oktober. Als Nichtjüdin habe ich über Jahrzehnte regelmäßig Israel besucht, spreche Hebräisch und hatte mein glücklichstes Lebensjahr in Jerusalem (2005/06). Ich habe dann in Berlin erlebt, wie meine Pflegetochter über zwei Jahre (bis sie die Schule deshalb verlassen musste) in der Schule gequält wurde, weil auch sie Israel so liebte, ich wurde vor 15 Jahren am Kottbusser Tor mit einem Messer bedroht, weil ich einen winzigen goldenen Davidstern, ein Geschenk, trug, und konnte dem Verfolger gerade noch entwischen. Ich habe in Berlin, Hamburg, Israel, in den USA jüdische Bekannte und Freunde. Aber nach dem 7.10. fühle auch ich mich einsam. Ich habe für das Thema die Sprache verloren. In Chats habe ich das Gefühl, dass wir alle aneinander vorbei schreiben, jede/r ist in seinem eigenen Alptraum eingesperrt. Die WhatsApp Statusmeldungen meiner Arbeitskolleginnen afghanischer Herkunft sind so voller aggressivem Hass, dass ich nach ein paar vorsichtigen Kommentaren lieber in den Schweigemodus gegangen bin, damit man mich nicht blockiert, denn ich will in Kontakt bleiben. Seit Wochen denke ich darüber nach was ich vernünftigerweise aktiv unternehmen könnte. Zunächst habe ich Freunde informiert, dass sie jederzeit mit ihren Kindern in unsere Wohnung ziehen können, sollte der Mob losschlagen und die Polizei dies nicht gleich in den Griff bekommen.
Öffentliche Solidaritätskundgebungen mit blau-weißen Flaggen mögen schön für das Gefühl sein, aber ich denke, dass jetzt erstmal alles dafür getan werden muss, möglichst viele Geiseln aus Gaza herauszubekommen. Da wird auch das schönste Hevenu Shalom auf der Straße nichts helfen. Es ist richtig, wenn Herr Scholz sich mit Erdogan trifft, wenn auch unmoralisch. Mein Eindruck ist, dass es momentan nicht so sehr um die richtigen Gefühle oder political correctness einzelner BürgerInnen (jüdisch oder nicht-jüdisch) gehen kann, sondern diejenigen mit politischem und diplomatischem Einfluss und Macht müssen jetzt vernünftig mit eiskaltem Sechel ihre Arbeit machen, damit es eine Chance für die Entführten geben kann. Über das große Ganze des Nahostkonflikts wird man erst nach Beendigung des Geiseldramas weiter verhandeln können.
Sylke Schumann

Herr Levit beklagt sich über Gefühlskälte in Deutschland gegenüber Israel. Der Überfall auf 1200 bis 1400 Menschen in Israel und deren Ermordung ist ein Verbrechen gegen jeden Hauch von Menschlichkeit. Bei allem Schrecken dieser gemeinschaftlich begangenen Morde sind nicht Emotionen gefragt, sondern eine nüchterne Debatte über alle Tatsachen, die dazu geführt haben. Eine kurzsichtige, von Gefühlen geleitete Reaktion wäre m. E. der falsche Weg. Die menschliche Vernunft sucht mach Erkenntnissen und Erklärungen für Ereignisse. Dazu gehören entgegen anderslautenden Beteuerungen die grundsätzliche Verachtung, Herabwürdigung und Benachteiligung der Juden seit Kodifizierung der islamischen Weltanschauung im Koran bis heute. Das ist jedoch „Religionsräson“ (Dogma) der muslimischen Gemeinschaften in vielen Ländern, inzwischen auch in Deutschland.
Auf der anderen Seite gibt es nicht nur die Vorstellung von einem Groß-Israel. Im besetzten West-Jordanland werden mit 300.000 jüdischen Siedlern Tatsachen in diesem Sinne geschaffen. Mein Eindruck: aus Respekt und falsch verstandener Toleranz wurde und wird immer noch vermieden, öffentlich eine unvoreingenommene Debatte, frei von Emotionen, über diese Tatsachen zu führen. Unter ehrlichen Freunden, die sich auf Augenhöhe begegnen, ist es eine Selbstverständlichkeit, sich über unterschiedliche Ansichten auszutauschen und darüber geteilter Meinung zu sein. Freundschaft bedeutet nicht gegenseitiges Einverständnis mit dem Handeln des Anderen.
R. Reiger

Auch wenn mir manche politischen Äußerungen Igor Levits nicht gefallen haben – hier und jetzt hat er meine uneingeschränkte Solidarität! Gegen die palästinensische Mörderbande Hamas, die mit wiederholten Raketenangriffen Israel immer wieder den Krieg erklärt, die wehrlose Zivilisten abgeschlachtet hat, die sich feige hinter Frauen und Kindern verschanzt, muss der jüdische Staat mit aller notwendigen Härte so lange kämpfen, bis er sicher sein kann, nicht mehr „vom Fluss ins Meer“ getrieben zu werden! Gegen die gewalttätigen Demonstrationen von Linksradikalen und Islamisten, die Täter zu Opfern machen, die den palästinensischen „Freiheitskämpfern“ alle Mittel zum Zweck der Vernichtung Israels zubilligen, die, am liebsten auch bei uns, ein Kalifat errichten wollen, müsste unser Staat ohne Wenn und Aber mit Härte vorgehen! Unsere unzähligen Moralwächter trauen sich nicht, große Gegendemonstrationen pro Israel und Juden auf die Beine zu stellen; man könnte sich ja, ohne sichtbaren Schutz des Staates, eine blutige Nase holen! Lieber versteckt man sich feige hinter einem „ja, aber…!“ So werden Moral und Humanität verwässert zu Beliebigkeitsfloskeln, jederzeit relativierbar, kommt es hart auf hart! Deutschland, eigentlich der ganze Westen, verleugnet und verramscht ohne Not allmählich unsere demokratischen Werte!
Ulrich Pietsch

Sie steigern sich da in etwas rein, was nicht der Realität entspricht! In keinem anderen Land in Europa war die Reaktion in den Medien pro-israelischer als in Deutschland. Mich hat das sehr geärgert. Darum habe ich auch an mehreren pro-palästinensischen Demonstrationen in Frankfurt M. teilgenommen. Bei keiner wurde je der Sprechchor „Tod den Juden“ gerufen. Bei keiner! Und ich verstehe Arabisch! Bei allen Demonstrationen wurde der Opfer auf beiden Seiten gedacht und für einen gerechten Frieden für Palästinenser und Israelis geworben! Was Sie erwarten, ist offenbar als Reaktion auf den brutalen Überfall der Hamas „bedingungslose Solidarität mit Israel“. Dafür werben sehr viele unserer Politiker und es gibt einen wichtigen Grund, weshalb nicht alle dazu bereit sind, denn sie wollen Israel keinen Freibrief geben für eine Fortsetzung der brutalen Besatzungs- und Landraubpolitik im Westjordanland, sie verabscheuen die seit Jahrzehnten andauernde Entrechtung und Demütigung der Palästinenser, auch und gerade unter der rechtsradikalen Regierung Netanjahu. Ich kenne niemanden unter meinen arabischen Freunden, der den Hamasüberfall gutheißt. Sie alle wissen aber, was Israel „ihren Leuten“ im Westjordanland antut und auch im Gazastreifen! Die politische Instrumentalisierung des Antisemitismusvorwurfs durch pro-israelische Politiker vergiftet seit Jahren die politische Diskussion in unserem Lande und schwächt den notwendigen Kampf gegen den wahren Antisemitismus.
Geschockt war ich von Ihrem Satz: „Mein Volk wurde angegriffen.“  Mit diesem Ausspruch leiten Sie Wasser auf die Mühlen der Antisemiten, ist Ihnen das bewusst? Wenn in Bangkok ein Deutscher ermordet wird, oder vielleicht auch 25 bei einem Überfall, wird doch nicht „mein Volk angegriffen“! Was soll denn dieser Unsinn! Meines Wissens sind Sie Deutscher und kein Israeli. Sie und Millionen anderer Deutscher trauern mit den Familien der Opfer, seien es Israelis oder Palästinenser oder anderer Nationalität. Aus den Wunden von Menschen jeglicher Nationalität und Religion fließt dasselbe menschliche Blut!  Sie sind enttäuscht davon, dass so verhältnismäßig wenige Deutsche sich für Israel engagieren. Das hat meiner Ansicht nach nichts mit fehlender Empathie zu tun, sondern damit, dass wir seit Jahren erleben, was dort passiert.
Sie können nicht ausblenden, mit welcher Arroganz aufgrund der militärischen Übermacht Israel ein anderes Volk unterdrückt, dessen Existenz in Abrede stellt und dessen besetztes Land mehr und mehr raubt. Und das seit Jahren eine mehr und mehr rechtsradikale, rassistische und anmaßende Regierung hat, die glaubt, sich alles erlauben zu können: z.B. UN-Resolutionen missachten und das Internationale Völkerrecht mit Füßen treten. Ich glaube, es wäre gut für Sie, wenn Sie mal ein Wochenende mit Daniel Barenboim verbringen würden. Der ist ein kluger Mann, der verstanden hat, worum es geht und dass auf Dauer kein Volk ein anderes unterdrücken kann, ohne selbst seinen moralischen Kompass zu verlieren. Herr Barenboim ist wahrscheinlich der angesehenste, verehrteste und beliebteste jüdische Mensch, der in Deutschland lebt. Vielleicht sollten Sie versuchen zu verstehen, warum.
Björn Luley

Meine Mail betrifft nicht einen bestimmten Artikel und auch nicht mal unbedingt nur die Berichterstattung seit dem 7. Oktober. Mir fällt immer wieder eine Diskrepanz auf, die ich nicht auflösen kann, und die mich sehr beschäftigt – zuletzt im Interview von Giovanni di Lorenzo mit Igor Levit: Einerseits wird immer wieder betont – was ich auch auf jeden Fall unterstütze – dass jüdische Menschen in Deutschland nicht für die Politik des Staates Israel stehen. Jüdische Menschen in Deutschland sind Deutsche (oder haben vielleicht auch andere Nationalitäten). Sie sind Mitglied einer Glaubensgemeinschaft – und wie jeder andere auch, sollen sie glauben dürfen, woran sie möchten, ohne dass sie deshalb negative Erfahrungen machen. Wenn die Regierung Israels kritikwürdig handelt, ist es folglich völlig unsinnig, die hier lebenden jüdischen Menschen dafür verantwortlich zu machen.
Die Forderung nach Unterscheidung scheint aber nur bei Kritik vollständig durchgezogen zu werden. Wenn es um Solidarität mit Israel nach Terrorangriffen geht, wird immer auch Solidarität mit den hier lebenden jüdischen Menschen eingefordert. Nach dem 7. Oktober fühlen sich anscheinend (der Berichterstattung nach zu urteilen) die meisten jüdischen Menschen doch als Israelis. Die prominenten jüdischen Stimmen scheinen alle mehr Solidarität und Empathie mit Israel zu fordern, und fühlen sich enttäuscht von der deutschen Mehrheitsgesellschaft, dass sie nicht empathisch genug reagiert habe (siehe Igor Levit). Doch diese Menschen sind doch jüdische Deutsche und keine Israelis?
Wurden die Menschen am 7. Oktober wirklich getötet, nur weil sie Juden waren (wie von Giovanni di Lorenzo in dem Interview gesagt)? Oder vielleicht, weil sie israelische Juden waren, weil sie westlich, „gottlos“ lebende Menschen waren, weil sie vom Gazastreifen aus erreichbar waren, weil die Hamas eine Daseinsberechtigung brauchte, weil … Ich weiß, es ist zynisch die Begründung zu hinterfragen. Aber wenn mit der Aussage, dass alle Juden weltweit Ziel dieses Angriffs waren, Solidarität mit zunächst nicht Betroffenen und kritiklose Solidarität mit dem Staat Israel eingefordert wird, dann möchte ich das schon hinterfragen dürfen.
Emotional ist das sehr verständlich. Israel ist ein jüdischer Staat und viele jüdische Deutschen fühlen sich als Juden mit-angegriffen. Vermutlich haben viele auch Freunde, die betroffen sind. Ich finde es nur schwierig, dass Kritik gegenüber Israel nicht auf jüdische Menschen, die keine Israelis sind, bezogen werden darf (was ich wie gesagt genauso sehe) – Solidarität mit Israel aber gegenüber jüdischen Deutschen gezeigt werden soll. Das betrifft auch Terroranschläge in der Vergangenheit, wo danach Israelfahnen vor Synagogen gehisst wurden und prominente Politiker in jüdischen Gemeinden sprachen. Wieso, wenn der Terror doch gar nicht ihnen galt? Sobald es um antisemitische Übergriffe hier geht, ist selbstverständlich Solidarität mit den hier lebenden jüdischen Menschen gefordert.
Mir scheint, dass auch generell schärfer zwischen Antisemitismus und Antizionismus (es gibt auch antizionistische Juden!) unterschieden werden muss. Das geschieht selbst in wissenschaftlichen Studien t. w. nicht. Ich denke, dass die unklare Trennung zwischen Israel und Juden bzw. Israelkritik und Antisemitismus einigen Menschen Schwierigkeiten bereitet.
Johanna Steinkamp

Igor Levit beklagt die fehlende Empathie, fehlende Solidarität, emotionslose Teilnahmslosigkeit ……. Und kann das nicht verstehen. Ich finde, dass er die Lage total falsch einschätzt. Wahrscheinlich daher, weil er nur die eine Sicht der Dinge sieht. Aber alles hat zwei Seiten. Ganz klar ist, dass das Massaker der Hamas durch nichts zu entschuldigen sind. „Aber“ muss man trotzdem sagen dürfen, insbesondere weil wir eine Demokratie haben. Die Palästinenser sind seit 75 Jahren und auch schon vorher von allen vergessen worden. Die Zustände im Gazastreifen sind menschenunwürdig und Israel sitzt daneben und schaut nur zu. Wo bleibt die Empathie für die Menschen, die vertrieben wurden, um den Staat Israel möglich zu machen. Dass die übrige Welt, und dazu gehört auch Deutschland, jetzt auch mal dieses Elend endlich sieht und kein Verständnis hat für ein schreckliches Bombardement, dass unweigerlich viele (tausende) Unschuldige tötet, ist längst überfällig. Hass ist ein schlechter Ratgeber.
Es gibt eine einfache Weisheit: „Was du nicht willst, was dir man tut, das füg auch keinem anderen zu.“ Israel hat durch sein jahrelanges rücksichtsloses Verhalten, der Hamas eine Plattform gegeben, die leider so etwas Schreckliches ermöglicht hat. Israel versucht jede Kritik als antisemitisch darzustellen, ohne selbstkritisch zu sein. Nur in der Selbstkritik erkennt man die eigenen Fehler. Gott sei Dank hat es bereits Ansätze und gutes Zusammenleben gegeben. Es bleibt zu hoffen, dass diese Einstellung trotzdem erhalten bleibt und neue Anhänger findet. Und dass endlich auch die Palästinenser Raum zum Leben haben. Es kann nur Frieden geben, wenn einer dem anderen verzeihen kann und ein gleichberechtigter Neuanfang gefunden wird.
Doris Steuer

Herr Levit vermisst die Solidarität in der Gesellschaft? Er bekommt Sie…..aber ebenjene deutsche Gesellschaft ist ob der aktuellen Weltlage vermutlich von einem solchen permanenten Entsetzen erfüllt das auch in der Stille die Solidarität als ohrenbetäubender Schrei vernommen werden kann.
Kai Stefan Scheuermann

55 Jahre war ich Pazifistin. Seit dem 7.10.2023 sind Kopf und Herz gespalten. Dazu trägt sicher bei, dass ich mich als ev. Christin schon seit Jahren mit Thora und Talmud beschäftige und dort mehr gefunden habe, als ich suchte. Dem Ewigen sei Dank. Vielen Dank auch an die ZEIT für die nicht immer, doch weitgehend ausgewogene Berichterstattung, die uns erlaubt, selber zu denken. Auch wenn ich in den letzten Wochen nicht geschwiegen, sondern zahllose Gespräche mit der Ja-Aber-Fraktion geführt habe, ist es nun Zeit für einen offiziellen Brief. Diese unerträgliche Täter- Opfer- Umkehr MUSS aufhören!! Lieber verehrter Herr Levit, auch Ihnen meinen herzlichen Dank für Ihre klaren Worte. Sie sprechen mir aus der Seele und sagen mir, daß ich nicht allein bin. Und Sie sind es auch nicht.
Elvira Zumegen

Die Betroffenheit der wohl allermeisten jüdischen Menschen, aber auch all jener, die die demokratischen Werte ihrer Heimat seit der Begründung der „zweiten deutschen Republik“ ernst nehmen und verteidigen wollen, ist allzu verständlich. Und doch hat es spätestens mit dem Erstarken einer rechtspopulistischen Partei deutliche Hinweise auf die tatsächliche wie auf die unterschwellige Verfasstheit dieses Landes gegeben, das nun nur wieder – zudem überwiegend durch politisch Verantwortliche – mit „Nie wieder ist jetzt!“ mehr Absicht als Stellung bezieht. Wir müssen endlich begreifen, dass das, was „Nie wieder“ geschehen darf, jeden Tag verbürgt werden muss, dass „nie wieder“ immerfort ist. Und ja, wir müssen ebenso begreifen, dass sich Verbrechen und Gewalt gegenüber der Menschlichkeit, gegenüber rechtsstaatlichen und demokratischen Prinzipien, stets gegen uns alle richtet.
Matthias Bartsch


Leserbriefe zu „Länger leben, länger arbeiten“ von Carla Neuhaus

Bis in die 1970er Jahre war die BfA Rente über Rücklagen finanziert. Das heißt, die Person hat über das Arbeitsleben das eingezahlt, was sie dann als Rente (teilweise mit Verzinsung) wieder herausbekam. Dann hat man das System auf Umlagenfinanzierung umgestellt – und damit begannen die Probleme. Fakt ist nun, dass zu Wenige einzahlen und zu Viele bekommen. Wenn man die Altersstruktur der Deutschen anschaut, ist das alles vorhersehbar und nicht überraschend. Allerdings im vorletzten Absatz streifen Sie das Thema “Altersarbeitslosigkeit”. Fragen Sie doch mal um, was mit den 50–60-Jährigen so auf dem Arbeitsmarkt passiert. Auch ein teures Umschulen hilft da meist nix mehr! Ältere werden aus den Jobs systematisch rausgemobbt. Tja, ob sich das unsere Gesellschaft leisten kann, wird sich dann in der Zukunft zeigen. Die Diskussion auf das Eintrittsalter zu begrenzen, greift zu kurz. Es stellt sich vielmehr die Frage, wie unsere Gesellschaft mit Älteren umgeht. Es gibt andere Staaten, die die Rente über Steuern finanziert. Solange Beamte, die später Pension beziehen, über die Rente von ehemals Angestellten bestimmen wird sich nichts ändern. Also wäre m. E. erste Ansatz, diese Zweiklassengesellschaft in Frage zu stellen.
T. Gruber

Der Kommentar enthielt einen so gravierenden sachlichen Fehler, dass es einer Berichtigung in der nächsten Ausgabe bedarf. So schreibt Frau Neuhaus „… Laufe alles weiter wie bisher, würden die Beiträge für Beschäftigte bis 2080 von derzeit 18,6 auf 26 Prozent steigen. Die Jungen müssten also ein Viertel ihres Bruttolohns nur für die Rente der Alten ausgeben. …“ Mit Bruttolohn ist üblicherweise der vereinbarte Lohn gemeint (Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag). Der Beitrag für die gesetzliche Rente wird bekanntermaßen je zur Hälfte von Arbeitgeberin und Arbeitnehmer getragen, berechnet auf den Bruttolohn. D.h. aktuell zahlt eine Arbeitnehmerin 9,3% ihres Bruttolohns für die Rente. Bei der Prognose für 2080 wären es dann 13% und nicht ein Viertel. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es sich bei der Aussage „… also ein Viertel …“ um ein Zitat aus dem Gutachten des Sachverständigenrats handelt. Insofern wäre der Fehler Ihrer Kommentatorin zuzurechnen – und von Ihnen richtig zu stellen. Sollte der Fehler aber im Gutachten enthalten sein, so würde ich meine Kritik an Frau Neuhaus natürlich zurückziehen, für den Sachverständigenrat sind Sie nicht zuständig.
Wilfried Meister

In der aktuellen ZEIT-Ausgabe vom 16.11.23 vertreten Sie die Einsicht, dass es richtig sei das Renteneintrittsalter flexibler zu handhaben, um jüngere Generationen zukünftig zu entlasten. Da stimme ich Ihnen völlig zu; ich habe selbst 3 Kinder im Alter von 26, 24 und 22 Jahren, auf die Ihre Prognosen dann zutreffen würden. Was mich jedoch bei diesen Diskussionen jedes Mal aufs Neue irritiert ist der Umstand, dass in anderen europäischen Ländern (Frankreich, Niederlande, Italien, Griechenland…) die Erwerbstätigen nicht nur früher in den Ruhestand wechseln, sondern noch dazu deutlich höhere Ruhestandsgehälter beziehen – von z.T. über 80% des letzten Netto-Einkommens aus der Berufstätigkeit. Dies geht einher mit einer deutlich höheren Wohneigentumsquote in diesen Ländern. Es wird immer behauptet Deutschland sei ein reiches Land. Aus der von mir eingenommenen Perspektive gilt dies anscheinend nur für eine besondere Klientel: Immobilienbesitzer und Beamte…. Ich fände es angemessen, wenn bei Rentendiskussionen jedweder Art sowohl der Blick über den nationalen Tellerrand hinausginge, als auch die Besonderheiten der in Deutschland angelegten Besitz-und Eigentumsverhältnisse berücksichtigt würden. Gerne höre ich von Ihnen.
Ulrich A. Fay

Leider, leider kann die Kernidee noch so gut sein, wenn vorher ein massiver Lapsus auftritt, wird die Kompetenz bezweifelt oder das Lesen abgebrochen. Wie der Autorin sicherlich bekannt sein dürfte, fallen in Deutschland die Arbeitskosten (die Gesamtbelastung für den Arbeitgeber) und die Bruttogehälter (arbeitsvertragliche Entlohnung der Arbeitnehmer) deutlich auseinander. Derzeit liegen die Bruttogehälter bei (grob gerechnet) 5/6 bis 4/5 der Arbeitskosten, da die Sozialversicherungsbeiträge grundsätzlich (Kappungsgrenzen nicht berücksichtigt) hälftig zu tragen sind. Damit liegt das Nettoeinkommen (bei angenommenem pers. Steuersatz von 20 %) bei ca. 3/6 der Arbeitskosten – und von diesem Netto gehen noch die Mehrwert- und ggf. spezifische Verbrauchssteuern an die staatlichen Kassen… (über die Schwerpunkte staatlicher Ausgaben müssen wir hier nicht reden)
Ulf Ruthenberg

Danke für den obigen Artikel, leider wird – auch von Ihnen – übersehen, dass bereits heute bei jedem Arbeitnehmer schon mindestens ein Viertel seines Gehaltes für Rentenbezüge drauf geht. Weitestgehend unbeachtet bleiben die hohen Pensionen und Beihilfekosten unserer Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst (kommunale Zusatzversorgung zur Angleichung ans Pensionsniveau), die durch Steuergelder bezahlt
Ute-Charlot Bergmann

Statt ständig die Beiträge der Beschäftigten und die Lebensarbeitszeit zu erhöhen, gäbe es einen eleganteren Weg, wie die Regierung an dringend benötigtes Geld kommen könnte. Sie müsste nur Bezieher sehr hoher Einkommen und Vermögende stärker zur Kasse bitten. Einfach, weil es diese Personengruppen am ehesten verkraften würden, wenn sie etwas stärker belastet würden. Doch die FDP ist kategorisch dagegen, allen voran Finanzminister Christian Lindner. Denn auch Lindner ist vermögend. Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Diese Steuererhöhung würde ihn selbst treffen. Wer möchte schon mehr zahlen, wenn er es verhindern kann? Es wäre aber der richtige Schritt. Denn Großvieh macht auch Mist.
Klemens Hofmann

Die Debatte ist überfällig. Schon allein, weil geklärt werden muss, was das Ziel ist. Sollen die Leute tatsächlich länger arbeiten, oder soll eine kalte Rentenkürzung getarnt werden. Einfach nur das Rentenalter anzuheben, führt zu letzterem. Wenn tatsächlich bis 70, 75 oder gar 80 gearbeitet werden soll, dann muss das auch möglich sein. Die Realität zeigt, dass schon mit Mitte 50 Bewerber kaum noch Chancen auf Erfolg haben. Mit der Definition des an die Lebenserwartung angepassten Rentenalters wird die arbeitspflichtige Bevölkerung definiert. Arbeitgeber, die die Altersstruktur dieser arbeitspflichtigen Bevölkerung nicht in ihren Belegschaften abbilden, verursachen der Gesellschaft Mehrkosten. Diese Mehrkosten müssen ihnen in Rechnung gestellt werden. Dann besteht die Chance, dass die längere Lebensarbeitszeit nicht nur auf dem Papier steht, sondern gelebt wird.
Hans List

Es wird nur von der Rente und längere Lebensarbeitszeit geredet! Tut mir leid. Es ist ein plumper, billiger Kommentar im Narrativ von 1776. Es geht nicht um den Sozialstaat, sondern um die Sicherung der Pensionen auf Kosten der Steuerzahler mit Außerachtlassung der zu erwartenden sinkenden Lebenserwartung durch den Klimawandel. Völlig außer Acht wird die Ungleichheit zwischen Pension und Rente gelassen, sowie deren Finanzierung. Nur mal einige Zahlen: Durchschnittsrente nach 45 Jahren beträgt ca. 1220,- €. Durchschnittspension beträgt ca. 2600,- € und nach 5 Jahren gibt es einen Mindestanspruch von 1866,-€! der um gut 600,-€ höher ist als die Durchschnittsrente. Die Rente beträgt z.Z. 48 % , die Pension liegt bei über 70 % . Dazu muss erklärt werden, dass die Pension bei Beamten auf Lebenszeit auf den höchsten Bezügen ihrer Berufszeit basiert. Rente wird von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanziert, während Pension Steuer finanziert ist.
Warum reden darüber keine Politiker oder Staatssekretäre? – Es betrifft ihre eigene Altersversorgung. Die größte Finanzierungssicherung und Gleichbehandlung besteht in einer gemeinsamen Kasse für Beamte und Erwerbstätige. In die Kasse sollten wie im jetzigen Rentensystem Arbeitnehmer und Arbeitgeber einzahlen. Beamte haben dann immer noch das Privileg der Unkündbarkeit und somit keine existenziellen Sorgen im Gegensatz zu Erwerbstätigen bei wirtschaftlichen Abschwüngen. Zudem würden dann auch alle in die gesetzliche Pflegeversicherung einzahlen und die Ungleichbehandlung zwischen Rente und Pension wäre beseitigt.
Leider haben wir keinen langsamen Klimawandel von einem Zeitraum über ca.1000 Generationen (20.000 bis 25.000 Jahre) wie in der glazialen oder interglazialen Zeit in Europa der Neandertaler, welcher innerhalb einer Generation (20 Jahre) oder sogar 100 Generationen nicht wahrnehmbar sind. Die Evolution kann sich in diesen Zeiträumen anzupassen. Heute spüren wir sehr deutlich den Klimawandel innerhalb einer Generation. Der menschliche Körper wird extremen Klimaschwankungen und Klimabelastungen ausgesetzt, die zum ungeahnten toxischen Stress unseres kompletten Organismus führt. Dies wird zwangsläufig zu einer höheren Sterbe- und Krankheitsrate nicht nur bei älteren Menschen, sondern auch bei Menschen mittleren und jüngeren Alters führen. Zudem fördert der Klimawandel die Ausbreitung von nicht heimischen Erkrankungen, Seuchen bis hin zu Pandemien. Daher muss schon mittelfristig von einer schnell sinkenden Lebenserwartung ausgegangen werden. Allein in der Corona-Pandemie sank innerhalb von drei Jahren die Lebenserwartung von Männern um 0,6 Jahre (2019 78,7; 2022 78,1) und die von Frauen sogar um 0,7 Jahre (2019 83,5 ; 2022 82,8). Die These der steigenden Lebenserwartung ist ein Märchen.
Weder der Fachkräftemangel noch das Versäumnis von über 30 Jahren der Politik ist mit längeren Lebensarbeitszeiten zu kompensieren, weil in vielen Berufen neue Techniken, Digitalisierung und Automatisierung Einzug erhalten. Über eine Automatisierungssteuersollte auch diskutiert werden. Diese Effekte können mit ihrer rasanten Geschwindigkeit oftmals nicht mehr von älteren Erwerbstätigen erfasst werden, bzw. psychisch und physisch verarbeitet werden. Die sehr naive Umschulungsrhetorik hilft auch nicht weiter. Wie wollen Sie aus einem Schichtarbeiter einen IT-Spezialisten machen? Das alles ist sehr realitätsfremd. Ich gehe davon aus, dass Sie nicht über einen längeren Zeitraum im Schichtbetrieb oder Fleximodell in der Produktion oder Dienstleistungssektor tätig waren.
– Es fehlt an hoch qualifizierten Fachkräften. Diese werden Sie nicht durch Umschulung von freigesetzten Arbeitnehmern (z.B. durch Automatisierung und KI) ,bzw. durch Arbeit ausgelaugte, kranke Menschen erhalten. Leider hinken Sie auch, wie Politik und Gesellschaft, dem Narrativ vom Wohlstand der Nation aus dem Jahre 1776 nach. Es hatte damals schon nicht gestimmt. Wohlstand heißt auf Kosten anderer. Sei es Menschen, Umwelt, Klima usw. Klima merken wir alle sehr deutlich. Kommen Sie aus Cocktailbar der Elphi und dem bequemen Fauteuil heraus! Suchen Sie mit nach neuen Wegen, welche den Herausforderungen durch den Klimawandel, Verteilungsgerechtigkeit zu einem neuen Narrativ führen. – Ansonsten werden sich die Menschen immer mehr abwenden und autoritären Regimen folgen. Es gibt viele kurzfristige Möglichkeiten zu handeln. Z.B., Automatisierungssteuer, Steuer auf nicht produktives Kapital (jeder Arbeitnehmer/in muss sein Gehalt versteuern, obwohl er/sie eine Leistung für die Gesellschaft erbring). Die erwähnte Gleichbehandlung von Rente und Pension. Mittel- bis Langfristig die Abkehr von der zwanghaften Wohlstandsvorstellung und der ewigen Gewinnmaximierung. Gewinn muss zur allgemeine Lebensvorsorge und Verbesserung der gesamten Umwelt (Wasser, Luft, Erde, Flora, Fauna) verwendet werden und nicht zur Sicherung oder Erhöhung des materiellen Wohlstandes. Ich persönlich plädiere für Beendigung des aktiven Arbeitslebens mit 55 Jahren. Leider bin ich schon älter – Danach noch zehn Jahre Halbtags der Allgemeinheit dienlich zu sein. Sei es zur Entlastung ältere Menschen oder Familien mit Kindern, mitwirken bei Projekten in der Stadt/Gemeinde usw.
Jan Struckmeier

An der Überschrift Ihres Artikels ist im Prinzip nichts auszusetzen. Aber: Ist es denn ausgemacht, dass die Lebenserwartung weiter ansteigt? Es gibt erste Meldungen, dass es zu einer Stagnation kommen könnte. Und was Sie nicht erwähnt haben: Das tatsächliche Renteneintrittsalter liegt deutlich unter dem gesetzlichen. Mit zunehmendem Alter drehen sich die Gespräche zunehmend um eine Frage: Wie bekomme ich es hin, dass ich möglichst früh und ohne Abschläge in Rente gehen kann? Ich glaube, viele bekommen es tatsächlich hin. Diesem Missbrauch am Sozialsystem einen Riegel vorzuschieben ist eine Herausforderung, aber dieses Problem sollte angegangen werden.
Martin Krivacek

Was ich als einfacher Bürger, der mit 69 Jahren noch gerne aus Spaß als Ingenieur arbeiten geht, nicht verstehen kann: alle Medien und leider auch die ZEIT, vergessen mögliche Änderungen an den Einnahmen zur Rentenversicherung und auch zu den Krankenkassen und zur Pflegeversicherung. Wir müssen endlich dahin kommen, dass alle Bürger von allen Einkommen Renten- und Sozialversicherungsbeiträge zahlen – z.B. aus Mieteinnahmen, Zinseinkommen, Aktiengewinnen, Tantiemen, politischen Mandaten, um nur einige zu nennen. Das Konzept der Beamtenpensionen muss ebenfalls überdacht werden.
Und als ersten Schritt halte ich es für dringend erforderlich, die Beitragsbemessungsgrenze komplett abzuschaffen. Es kann und darf nicht sein, dass jemand ab einem bestimmten Einkommen sich aus der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungspflicht verabschieden darf. Und es kann nicht sein, dass höhere Einkommen keinen Betrag zur Rentenversicherung leisten müssen. Die ständigere Jammerei, dass die einfachen Leute länger arbeiten müssen für ihre Rente, ist eine dermaßene Heuchelei der Begüterten, der sich die ZEIT nicht anschließen sollte. Ich habe nicht die Möglichkeiten, aber die ZEIT-Redaktion könnte das doch einmal untersuchen und auf den Punkt bringen.
Harald Kirsch

Carla Neuhaus stimme ich zu, was die Wichtigkeit des Themas Renteneintrittsalter angeht. Aber es ist ein womöglich verfassungswidriger Fehler, von einem gleichen Rentenalter für alle auszugehen, sobald man weiß, dass die durchschnittliche Lebenserwartung sich je nach Berufsgruppe und Geschlecht deutlich unterscheidet. Mit 28 Jahren hatte ich daher im Vorfeld der Gründung des Bremer Zentrums für Sozialpolitik die Rentenformel vertreten, jede und jeder habe ein Recht auf durchschnittlich 10 Jahre Leben mit Altersrente vor dem – für die jeweilige große Beschäftigtengruppe typischen – Todeszeitpunkt. Statistische Ämter einiger Staaten hatten schon damals berufsspezifische Sterbetafeln, denen das aktuelle angemessene Rentenalter entnommen werden konnte. Ihm zufolge würden einige große Beschäftigtengruppen 7 Jahre früher in Altersrente gehen als andere. Unser individuelles Todesdatum kennen wir nicht. Das ist Zufall oder Schicksal. Aber die Statistischen Ämter können für große Beschäftigtengruppen die statistische Lebenserwartung kennen und berechnen. Wenn trotzdem das gesetzliche Renteneintrittsalter für alle dasselbe ist, heißt das, bewusst Ungleiches gleich zu behandeln. Das ist in den meisten Rechtstaaten vermutlich verfassungswidrig, weil es den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt.
Johann Behrens

Die gesetzliche Rentenversicherung (DRV) bekommt im Jahr um die 80 Mrd. Euro aus dem Bundeshaushalt, um ihren Zahlungsverpflichtungen zu genügen. Das hat allerdings weniger mit Demografie als v.a. mit versicherungsfremden Leistungen zu tun, also solchen Ansprüchen an die DRV, die nicht auf Beitragsleistungen beruhen. Diese wurden mit meist guten Gründen von der Politik beschlossen. Da geht es um Rentenansprüche aus Erwerbszeiten in der DDR oder andern Ostblockstaaten, Mütterrente, Rente mit 63 usw. Um die Kosten für die versicherungsfremden Leistungen komplett abzudecken, müsste aus dem Bundeshaushalt jährlich ein zweistelliger Mrd.-Betrag zusätzlich an die DRV überwiesen werden.
Thomas Gabbert

Da wird sich der Garten- und Landschaftsbauarbeiter aber freuen, wenn er ausgebrannt mit 60 eine Umschulung erhält, sagen wir mal als Bürokaufmann. Und die Arbeitgeber werden Schlange stehen, um solch einen Angestellten einzustellen. Willkommen in der Realität, Frau Neuhaus! Schauen Sie doch einmal nach Österreich. Abgesehen davon, dass die Durchschnittsrente 55 % höher als in Deutschland ist, beträgt der Beitragssatz knapp 23 %. Fehlen noch 3%-Punkte, dann arbeitet dort keiner mehr. Im Ernst: Was wir brauchen, ist eine grundlegende Reform des Rentensystems in das alle Erwerbstätigen ohne Beitragsbemessungsgrenze einzahlen und Zuwanderung, Zuwanderung und Zuwanderung.
Rüdiger Weigel

Länger leben, länger arbeiten halte ich nicht für zielführend. Für viele Menschen ist die Arbeit über das 67. Lebensjahr hinaus nicht zumutbar bzw. auch nicht leistbar. Im Übrigen wäre die ausschließliche Anhebung des Renteneintrittsalters ein „Stückwerk“, wie so oft bei sogenannten Reformen. Die Entlastung des Sozialstaates sollte vielmehr durch eine umfassende Reform des Rentensystems ermöglicht werden. Jeder berufstätige Bürger, ob Arbeitnehmer, Selbständiger oder Beamter sollte in die Rentenversicherung einzahlen. Insbesondere könnten dadurch die hohen Pensionslasten der Beamten/innen nach und nach abgebaut werden. In unserer heutigen Zeit ist es nicht mehr zu vermitteln, dass Beamten/innen ohne eigene Beiträge Ansprüche auf Altersbezüge generieren können. Nach den Grundsätzen der Gleichbehandlung der Beschäftigten wäre eine Reform dergestalt mehr als erforderlich, ja zwingend notwendig!
E. Wäckerle

Carla Neuhaus schreibt, dass das Rentensystem dringend reformiert werden müsste, am besten mit einer Anpassung des Rentenbeginns an die Lebenserwartung. Als Argument, dem man tatsächlich nicht widersprechen könnte, wenn es wahr wäre, führt sie an, dass sonst bis 2080 die Jungen „ein Viertel ihres Bruttolohns nur für die Rente der Alten ausgeben“ müssten. Dies ist eine eklatante Fehlinformation. Denn selbst wenn die Beiträge bis dahin von 18,6 auf 26 Prozent steigen sollten, kann man davon ausgehen, dass weiterhin die Beiträge hälftig auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber aufgeteilt werden, so dass auf die Beschäftigten „nur“ 13% entfallen würden. Ich finde diese Fehlinformation gravierend, weil sie dazu beitragen kann, bei jungen Leuten die Angst vor ihrer wirtschaftlichen Zukunft zu steigern. Und dieser Fehler zeigt mir auch, dass manche Menschen offenbar wichtige Fakten gar nicht kennen, in diesem Fall vielleicht deshalb, weil die Autorin, wie viele andere, gar nicht in die Rentenversicherung einzahlen muss?
Renate Ahrens

Das dt. Rentensystem lässt sich nicht mit dem dänischen vergleichen, auch wenn es im Kommentar getan wird. Ähnlich wie in Schweden zahlen in Dänemark ALLE in die Rentenkasse ein – auch Selbständige und Beamte. Es ist bedauerlich, dass dies in Deutschland nie in Erwägung gezogen wird. Es würde vielen eine überlange Lebensarbeitszeit und hohe Beiträge ersparen. Solange die Angst vor diesen Veränderungen in der Politik größer ist als die Sorge über den Unmut der gesetzlich Versicherten, wird sich daran nichts ändern.
W. Michel

Es ist eigentlich traurig: Offensichtlich hat die „Zeit“ keine Mitarbeitenden, die sich qualifiziert und kritisch mit dem Thema Rente auseinandersetzen können. Also darf alle paar Monate jemand, der oder die erkennbar wenig Ahnung hat, einen Artikel verfassen, der immer auf dasselbe hinausläuft: Alle sollen bis zu einem Alter von 70 Jahren arbeiten, um die Renten zu sichern, die in einem der reichsten Länder der Erde nach Jahrzehnten der wirtschaftlichen Prosperität und einer historisch höchsten Rate von Beschäftigten auch bei einem beschämend niedrigen Niveau angeblich nicht mehr zu finanzieren seien. Wer in einem schweren Beruf gearbeitet hat, muss sich eben für ein anderes Tätigkeitsfeld qualifizieren, damit auch sie oder er bis 70 arbeiten kann. Die Firmen warten nur auf solche Mitarbeitenden… Vor einigen Monaten war fast ein identischer Artikel zu lesen, immerhin verfasst von einem Mann. Die Parität der Geschlechter bleibt wenigstens gewahrt, und es ist beruhigend zu wissen, dass Ahnungslosigkeit wenigstens an kein Geschlecht gebunden ist.
Dem Leser (in diesem Fall männlich) stellen sich da schon zahlreiche Fragen: Wollen die Firmen überhaupt, dass Menschen bis 70 bei ihnen arbeiten? Aus meinem Umfeld höre ich, dass es sehr wenig Angebote und Anreize gibt. Und auch ich selbst wurde nie mit einem Angebot konfrontiert, weiterzuarbeiten, obwohl es in meinem Beruf nicht wirklich ein Problem gewesen wäre. Die Autorin macht geltend, dass der Staat bereits jetzt 80 Milliarden Euro im Jahr bei der Rentenversicherung „drauflegen“ müsse. Kann sie etwas mit dem Begriff „Bundeszuschuss“ anfangen? Hat sie verstanden, dass es in Deutschland Millionen Menschen gibt, die ein Anrecht auf eine Rente haben, für die sie nie Beiträge bezahlt haben? Ist ihr bewusst, dass aus den durch hohe Beiträge angesparten Reserven der gesetzlichen Rentenversicherung über Jahrzehnte hinweg Ausgaben finanziert worden sind, die nichts mit deren Anliegen zu tun haben? Weiß sie, dass die gesetzliche Rentenversicherung, welche über viele Krisen hinweg eine stabile Rentenzahlung ermöglicht hat, seit einigen Jahrzehnten systematisch schlechtgemacht wird, um die profitorientierte private „Vorsorge“ zu fördern?
Wie erklärt sie sich die Tatsache, dass fast in allen anderen europäischen Nachbarländer wesentlich höhere Renten ausbezahlt werden als in Deutschland, ohne dass dort den Rentnerinnen und Rentnern dauernd Schuldgefühle aufgeladen werden, man könne das nicht mehr bezahlen? Gerade im angeführten Land Dänemark sind die Renten bedeutend höher als in Deutschland! Warum findet sie es völlig in Ordnung, dass ganz nüchtern betrachtet Beamtinnen und Beamte über 70 Prozent ihrer letzten Einkünfte als Pension erhalten, ohne dass ihnen jemand Vorwürfe macht, sie würden die staatlichen Kassen zu sehr belasten? Ist es für sie in Ordnung, dass die Jungliberalen allen Ernstes vorschlagen, die Renten auf das Niveau der Sozialhilfe zu senken, weil sie angeblich sonst nicht mehr bezahlt werden können? Bewundernswert finde ich auch, dass die Wirtschaftsweisen“ bis in das Jahr 2080, also über 50 Jahre, in die Zukunft sehen können. Übrigens gibt es europäische Länder, in denen durchaus Rentenbeträge von 26 Prozent und mehr erhoben werden, ohne dass die Wirtschaft kollabiert oder die Menschen rebellieren. Nur in Deutschland wird jungen Menschen suggeriert, dass sie im Alter nur mit einer beschämend geringen gesetzlichen Rente rechnen können.
Ich würde vorschlagen, dass die „Zeit“ einfach mal keine Artikel zum Thema Rente mehr veröffentlicht, bis sich jemand findet, der oder die das Thema qualifiziert und kritisch behandelt. Artikel wie der von Frau Neuhaus sollten in einer Qualitätszeitung keinen Platz finden. Da können die Leserinnen und Leser gleich kostenlose Werbeprospekte derjenigen Firmen lesen, welche die private Altersvorsorge zu ihrem Geschäftsfeld gemacht haben.
Eberhard Fritz

Ich kann Ihnen weitestgehend nur zustimmen, aber diese Behauptung ist nicht korrekt: „Schon heute reichen die in die Rentenversicherung eingezahlten Beiträge nicht mehr aus, um alle laufenden Ansprüche zu erfüllen: Der Staat muss Geld drauflegen – bereits jetzt 80 Milliarden Euro im Jahr.“  So wie Sie das schreiben, ist das eine Falschmeldung! Bitte zukünftig sorgfältiger recherchieren! Diese Steuermittel zahlt der Staat, um Leistungen zu tragen, die sich nicht aus den Ansprüchen der Rentenbeitragszahler ergeben. Das wird von der Deutschen Rentenversicherung auch ganz transparent gemacht, eine einfache Suche führt zu diesem Artikel für die Presse: Bundesmittel und Bundeszuschüsse: Staat erstattet Kosten für nicht beitragsgedeckte Leistungen | Deutsche Rentenversicherung
https://eur06.safelinks.protection.outlook.com/?url=https%3A%2F%2Fwww.deutsche-rentenversicherung.de
Matthias Preis

Ich kann Ihnen gleich drei Alternativen für die Lösung des Rentenproblems nennen, die nicht zu Lasten der lohnabhängigen Klasse gehen würden: Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenzen; Einführung einer Erbschaftssteuer, die diesen Namen verdient; Wiedereinführung einer Vermögenssteuer für (sehr) Reiche. Die Probleme und Gegenargumente sind m. E. von geringerem Gewicht als die Zumutungen für die „wahren Stützen der Gesellschaft“, Menschen, die ihren Lebensunterhalt mit Arbeit und nicht an der Börse und den Finanzmärkten verdienen. Gegen ein belohntes freiwilliges Verschieben des „wohlverdienten Ruhestandes“ ist selbstverständlich nichts einzuwenden.
Sven Herfurth

Bereits als ich die Überschrift Ihres Kommentars: Länger leben, länger arbeiten (Zeit No 48, 16.11.2023) las, war ich ein bisschen verwundert. Nachdem ich Ihren Beitrag gelesen habe, mögen Sie, in Ihrem Alter und aus wirtschaftlicher Sicht, Recht haben mit Ihren Vorschlägen. Allerdings halte ich eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit aus unterschiedlichen Gründen, für nicht umsetzbar. Nun bin ich keine Politikerin, aber ich spreche ich aus der Sicht einer „Betroffenen“ : Jahrgang 1963, Babyboomerin, unbezahlte Care-Arbeiterin – Mutter von vier Kindern, (inzwischen 3-fache Großmutter) Tochter von Eltern der Kriegsgeneration die ich 10 Jahre bis zum Tod pflegte, berufstätig als Krankenpflegerin in Teilzeit, weil ich sonst allen Anforderungen nicht hätte gerecht werden können, Ehrenamtlerin … Mein Ehemann war auch Krankenpfleger und ist jetzt mit 67 Jahren Rentner. Um mich herum (beruflich und privat) erlebe ich , dass vielen Menschen meiner Generation gegen Ende ihres Arbeitslebens alles zu viel wird, sie mit der immer schneller werdenden Welt nicht mehr zurecht kommen und psychisch und körperlich erkranken.
Auch bei den Jüngeren rückt die Work-Life-Balance immer stärker in den Vordergrund, das ist auch gut, damit sie die noch vor ihnen liegenden Herausforderungen besser bewältigen können. Diese Menschen tragen durch ihre Arbeit zum Wohlstand bei und haben es verdient, sich nach 45-50 Jahren auszuruhen und von ihrer Rente zu profitieren. Diejenigen die über Jahre Care-Arbeit geleistet haben, Kinder großgezogen und einschließlich Studium unterstützt haben,  konnten gar nicht immer Vollzeit arbeiten. Menschen in sozialen Berufen (systemrelevant!!) bekommen in der Regel ein deutlich geringeres Gehalt – bei Teilzeittätigkeit fällt es noch niedriger aus. Die daraus resultierende Rente ist dem entsprechend niedrig, so dass ein frühzeitiger Renteneintritt (nach 45 Arbeitsjahren) , der mit Abzügen bis zu 15 % einhergeht, sowieso wohl überlegt sein muss. Aber leider geht es oft nicht anders, die Menschen werden krank sie haben über Jahre viel geleistet, und KÖNNEN nicht länger arbeiten!!
Vielleicht sollte man alternativ mal darüber nachdenken, wie man diejenigen, die Bürgergeld beziehen, auch dafür etwas arbeiten lassen könnte. Es gibt viele Tätigkeiten die auch ungelernten Kräfte ausführen und so ihren Beitrag zur Volkswirtschaft leisten können. Außerdem könnte man diesen, oftmals jüngeren Personen, auch Umschulungen anbieten um sie in den Arbeitsprozess zu integrieren. Aber zurück zu Ihrem Vorschlag, dass die Menschen, die bereits 45 oder 50 Jahre gearbeitet haben, nun noch länger arbeiten sollen: ich hoffe, dass ich darstellen konnte, warum das aus meiner Sicht zutiefst ungerecht und nicht umsetzbar ist. Die jüngere Generation, die jetzt „zum Zuge kommt“, muss andere solidarische Konzepte entwickeln damit sich weiterhin Eltern um Kinder und Enkelkinder – und Kinder um Eltern und Großeltern kümmern und mit ihnen gemeinsam das Leben zufrieden gestalten können.
Inka Marie Rack

Längere Arbeitszeiten wegen der gestiegenen Lebenserwartung sind für eine Entlastung der Beitragszahler gewiss diskutabel. Der Sachverständigenrat beurteilt das Rentensystem in Form des Umlageverfahrens ansonsten in wichtigen Teilen aber sehr merkwürdig. Es ist zwar richtig, dass die Beiträge der Erwerbstätigen die Renten der Rentner finanzieren. Warum wird erstens aber fälschlich behauptet, dass bei einem Beitragssatz von 26 % ein Viertel des Bruttolohns „nur für die Rente der Alten“ ausgegeben wird, obwohl die Versicherten die Hälfte des Beitragssatzes tragen müssen?  Warum wird zweitens unterschlagen, dass die Beiträge der Erwerbstätigen zugleich einen eigentumsähnlichen Anspruch auf eine eigene Rente verschaffen? Warum wird ferner in der Zahl sinkender Erwerbstätiger ein Finanzierungsproblem gesehen, obwohl die Tragbarkeit der Beitragshöhen von den in der Zukunft erzielten Einkommen abhängt? Und diese Einkommen steigen – was der Sachverständigenrate unterschlägt – auf der Grundlage der zu erwartenden Produktivitätssteigerungen nicht unerheblich.
Wenn man beispielsweise die Simulationen des Sachverständigen Werding aus dem Jahre 2018 heranzieht, der für das Jahr 2080 für ein Standardrentenniveau von 50 % einen Beitragssatz von 33,6 % ermittelte – davon haben die Versicherten 16,8 % zu tragen – und dabei moderate Produktivitätssteigerungen gemäß Werdingscher Simulation unterstellt, so ergibt sich, dass ein Bruttoeinkommen von 2.500 € im Jahre 2000 auf 5.757,30 € anwächst. Zieht man davon den sich ergebenden Rentenversicherungsbeitrag in Höhe von 967,23 € ab, so verbleiben 4.790,07 €. Trotz wesentlich höheren Beitrags hat sich das Einkommen unter Abzug des Rentenversicherungsbeitrags verdoppelt. Das heißt, dass die höheren Beiträge, selbst für ein wesentlich höheres Standardrentenniveau, sehr wohl tragbar sind. Könnte es sein, dass die Mehrheit des Sachverständigenrates so argumentiert, weil er das Umlageverfahren aus ideologischen Gründen ablehnt?
Ernst Niemeier

Um den Sozialstaat nicht zu gefährden, wird in dem Artikel die Diskussion über die Anhebung des Renteneintrittsalters gefordert. In Tätigkeiten, in denen dies nicht möglich ist, sollen Umschulungen das Problem lösen. Ich frage mich, welcher gefragte Beruf ohne oder mit leichter körperlicher Tätigkeit z.B. für Arbeiter aus dem Baugewerbe oder Pflegekräfte in Frage kommen. Und in welchem Alter soll umgeschult werden? Diese Arbeitskräfte müssen dann auch eine Stelle finden. Gerecht wäre es, den Renteneintritt davon abhängig zu machen, wie lange in die Rentenkasse eingezahlt wurde. Durch eine einheitliche Lebensarbeitszeit von z.B. 45 Jahren für alle Arbeitnehmer würde sich das Renteneintrittsalter in vielen Bereichen, die zudem meist nicht durch schwere körperliche Tätigkeit belastet sind, erhöhen.
Claudia Aßmann


Leserbriefe zu „Herr Präsident, ich bin wütend und verletzt“ von Yassin Musharbash

Vielen Dank an die ZEIT und Musharbash für die Antwort auf Frank-Walter Steinmeier. Meine Sorge ist groß, dass der deutsche Journalismus sich wegen eines übergroßen Respekts gegenüber einer bedeutenden staatlichen Instanz von einem politischen und präsidialen Wendehals für seine Anmaßung, deutsche Juden gegen deutsche Muslime „aufzuhetzen“, instrumentalisieren lässt. Die Antwort ist ein journalistischer Lichtblick.
Jürgen Dressler

Bin ich froh, dass Herr Musharbash beim Schreiben immer seine Goldwaage dabeihat und sie fleißig benutzt,
 Klaus Küsters

Ich bin gespannt, ob es eine Reaktion des Bundespräsidenten gibt. Es sollte eine persönliche gegenüber Yassin Musharbash sein, und natürlich auch eine öffentliche, z.B. bei einer nächsten Rede. Hier könnte Steinmeier seinen Fehler korrigieren. Sehr überzeugend die gewaltfreie Kommunikation von Yassin Musharbash: Die klare Ich-Botschaft mit den Gefühlen von Wut und Verletzung. Die klar dargelegte und analysierte Ausgrenzungs- und Stigmatisierungskommunikation von Steinmeier, erweitert um die Auseinandersetzung mit (möglichen oder auch tatsächlich erfahrenen) relativierenden Haltungen von anderer Seite. Das Bedürfnis, gerade vom Bundespräsidenten als integraler Teil dieser Gesellschaft gesehen und angesprochen zu werden. Und die vorgeschlagene Ergänzung der Rede des Bundespräsidenten um den fehlenden Absatz. Eine sehr überzeugende Ersatzvornahme. Ein sehr wichtiger Artikel. Hätte ruhig auch ein Leitartikel sein können.
Reinhard Koine

Danke für den „Absatz“, den der Bundespräsident nicht gesagt aber hoffentlich nun gelesen hat. Leider wie immer erobert die radikale Minderheit die öffentliche Aufmerksamkeit. Da „Die Zeit“ oft beeindruckende Statistiken veröffentlicht, wünsche ich mir, dass einmal das zahlenmäßige Verhältnis eingeschätzt und deutlich dargestellt wird von der radikalen Minderheit zu den vielen hier gut gesinnten Bürgern, die ihre Herkunft oder Religion nicht dazu nutzen, Gewalt zu unterstützen oder auszuüben: von diesen Menschen profitiert Deutschland, sie sollten sicht- und hörbarer werden. Gut, dass „Die Zeit“ dazu beiträgt.
Annette Lukat

Den oben genannten Artikel auf Seite 9 hätten Sie sich bequem ersparen und dafür eine Annonce einer Witzzeitung einschalten können! Dieser „beleidigten Leberwurst“ so viel Platz einzuräumen um unseren (ich bin deutscher Staatsbürger) Bundespräsidenten, so größenwahnsinnig zu attackieren, war in meinen Augen, falsch! Für so private unqualifizierte Empfindlichkeiten sind die treueren Plätze in den Seiten DER ZEIT viel zu schade!
Horst Köppl

Herr Musharbash kritisiert Frank-Walter Steinmeier, dass er in einer Rede sich an „die Menschen mit palästinensischen oder arabischen Wurzeln in Deutschland“ mit der Bitte wendet, sich nicht von der Propaganda der Hamas täuschen zu lassen. Nach meiner Lesart äußert der Bundespräsident damit doch seine Hoffnung, dass viele der Protestierenden nicht schon durch und durch der Hamas verfallen sind. Wo hier die Verletzung zu finden ist, bleibt mir verborgen. Aber, ist es nicht einfach so, dass seit Jahrzehnten Menschen aus diesen Weltgegenden zuzüglich ihrer Glaubensbrüder aus anderen Ländern tatsächlich und weltweit zu den häufigsten Terroristen gezählt werden müssen? Oder habe ich da etwas missverstanden?
Günther Lettau

Ich schreibe diesen Leserbrief im Auftrag meiner Freundin Isabella Ben Mechri und ihres arabischstämmigen Mannes. Beide, Isabella und ihr Mann, waren mit ihren Kindern auf einer großen Demonstration „Free Palestine“ in Düsseldorf, 70.000 Menschen seien gekommen, Menschen verschiedener ethnischer Herkunft, auch Deutsche, Menschen mit ihren Kindern, ganze Familien wie sie. Wer für das Recht Palästinas eintritt, ist nicht automatisch ein Feind Israels und ein Freund der Hamas. Menschen wie meine Freundin Isabella und ihr Mann wollen nur eins – Frieden. Sie sollen aufschreiben, was sie über die Hamas wüssten und was sie darüber dächten, erzählte die Tochter, als sie nach Ausbruch des Krieges von der Schule nach Hause kam, es sei über den Krieg gesprochen worden, und dies sei ihre Hausaufgabe.  „Schreib auf: Wir sind für Frieden, und Kriege gehören in das Museum!“, meinte der Vater und fuhr mit seiner Familie nach Düsseldorf. Den Auftrag, über diesen Krieg aufzuklären, hatten alle Schulen bekommen, und gewiss ist es richtig, tagespolitische Ereignisse auch im Unterricht zu diskutieren.
Eine Grenze aber, meinten meine Freundin Isabella und ihr Mann, sei überschritten, wenn Kinder und Jugendliche migrantischer Herkunft mehr oder weniger genötigt würden, dem zuzustimmen, was als staatsbürgerliche Doktrin gewünscht wird. Ohne ein schlechter Deutscher oder eine schlechte Deutsche zu sein oder es werden zu wollen, kann man eine differenzierte Meinung über die gegenwärtige Situation haben und dann auch seinen Wunsch nach Frieden differenziert ausdrücken. Wenn ich besser hätte laufen können, wäre ich mit zur Demonstration nach Düsseldorf gefahren. Denn das Leid der Menschen in Palästina zu sehen, heißt nicht, das Leid der Menschen in Israel nicht zu sehen. Und das Recht Israels auf dessen Existenz zu vertreten, kann nicht heißen, das Recht der Palästinenser auf Leben und Wohlfahrt nicht zu vertreten. Mit dem Autor Yassin Musharbash und mit meiner Freundin Isabella und ihrem Mann bin ich einig, dass es unsere Aufgabe in dieser schwierigen Zeit ist, für Frieden einzutreten, dass es aber auch wichtig ist, die eigene differenziert verantwortete Position deutlich zu machen.
Ursel Heinz

Vielen herzlichen Dank für Ihren Artikel „Herr Präsident, ich bin wütend und verletzt“. Ich wünschte mir Ihren Artikel, insbesondere den Absatz, der in der Präsidenten Rede fehlte, auf allen Titelseiten aller Zeitungen.
Arnold Tretter

Ich kann Ihre Verärgerung insofern verstehen, als es sicherlich viele gut integrierte, tolerante, rechtschaffene, friedfertige und demokratisch gesonnene „Menschen mit palästinensischen oder arabischen Wurzeln“ gibt. Und doch halte ich auch die Bitten des Bundespräsidenten angesichts u. a. dessen, was bei angeblich propalästinensischen, tatsächlich meistens wohl schlichtweg judenfeindlichen Demonstrationen und Aktionen geschieht, für verständlich – nur hätte der Bundespräsident die Bitten an alle jene Anhänger*innen des Islam richten müssen, die den Koran für wortwörtliche Mitteilungen Gottes und den Religionsgründer Mohammed für ohne Fehl und Tadel halten.
Da der Koran eindeutig sehr judenfeindliche Behauptungen enthält und der Religionsgründer Mohammed eindeutig großes – von kritiklos gläubigen Islam-Anhänger*innen aber relativiertes oder in Recht umgedeutetes – Unrecht an Juden begangen hat (vgl. Sie u. a. den Artikel „Woher kommt der Hass?“ von Abdel-Hakim Ourghi in der gleichen Ausgabe der ZEIT), kann es meines Erachtens nicht verwundern, dass die Judenfeindschaft unter kritiklos gläubigen Islam-Anhänger*innen groß ist. Die Bundesrepublik Deutschland hätte darauf achten sollen, dass nur jene Islam-Anhänger*innen in Deutschland ansässig werden dürfen, die den Koran nicht als wortwörtliche Mitteilungen Gottes, sondern als Glaubenszeugnis des fehlbaren Menschen Mohammed begreifen und die den Koran und Mohammed historisch-kritisch betrachten und nicht kritiklos verehren. Jetzt könnte der Staat immerhin noch versuchen, die religiöse Bildung der Islam-Anhänger*innen, insbesondere der Kinder und Jugendlichen, im Sinne einer historisch-kritischen Rezeption des Koran und des Religionsgründers Mohammed zu verbessern und die Moscheen und muslimischen Gemeinden vom Einfluss der DİTİB und ähnlicher Organisationen zu befreien.
Ulrich Willmes

Sorry, ich bin überrascht. Ihr Alternativtextvorschlag weist für mich nur kleinere Unterschiede auf. Fakt ist, dass die Stimme der für Deutschland „normalen“ Palästinenser fast nicht zu hören ist. Und der Bundespräsident möchte dabei helfen das zu ändern. Das sollte doch in Ihrem Sinn sein.
Christian Voss

Nicht nur Herr Musharbash ist wütend und entsetzt. Auch ich und viele meiner „biodeutschen“ Freunde konnten es nicht fassen, was der Bundespräsident in seiner Rede am 8. November von sich gab. Die einseitige Parteinahme zugunsten Israels im Nahostkonflikt durch unsere Spitzenpolitiker ist mittlerweile derartig penetrant und anmaßend, dass man schon gar keine Lust mehr hat, zu Demonstrationen gegen Antisemitismus zu gehen, da diese regelmäßig zu Kundgebungen mit der Forderung nach „bedingungsloser Solidarität mit Israel“ umfunktioniert werden. Ich bin aber nicht bereit, damit Israel einen Freibrief für das Fortbestehen der Besatzung, der illegalen Besiedelung der Westbank, des Landraubs und der Perpetuierung von Demütigung und Entrechtung der Palästinenser auszustellen. Insofern: vielen Dank Yassin Musharbash für Ihre Antwort auf Frank Walter Steinmeier. Sie haben auch im Namen sehr vieler Deutscher ohne palästinensische oder arabische Wurzeln gesprochen!
Björn Luley

Angesichts von Antidemokraten, Judenhassern und Kalifat-Aufrufen auf sog. Pro-Palästina-Demos in DE/EU nach dem Hamas-Massaker mit diesem Artikel von Yassin Musharbash die eigene verletzte Befindlichkeit aufgrund der als unzulänglich empfundenen Rede von H. Steinmeier derart in den Vordergrund zu stellen, ist schon bizarr. Kann man machen, aber ist es angebracht? Was mich wütend macht, ist u.a. die fehlende, lautstarke Distanzierung von der Hamas und deren Terrorakt durch die fast ausnahmslos muslimischen Teilnehmer dieser Demos.
Ute Siegmund

Ihr Artikel hat mich berührt. In der aktuellen Zeit, wo es so schwer ist, die richtigen Worte zu finden, ist es Ihnen gelungen. Danke, dass Sie sich „so angestellt“ haben. Ihr Text kann nicht nur Herrn Steinmeier, sondern hoffentlich vielen Stimmen der Öffentlichkeit helfen, ihre Worte zu reflektieren.
Ramona Grohs

Ich bin auch sehr irritiert über den Herrn Bundespräsidenten. Denn es gibt noch eine andere Passage in seiner Rede, die deren Einseitigkeit noch deutlicher unterstreicht: Die viel zitierte Aussage „der Schutz jüdischen Lebens ist Bürgerpflicht“. Selbstverständlich – aber nur des jüdischen Lebens? Denn das Wort „Leben“ bedeutet im Kontext der Aussage der Rede nicht nur das einzelne Menschenleben, sondern auch alles, was wir im erweiterten Sinne darunter verstehen, das heißt auch Kultur, Religion, Lebensweise usw. Darauf hat das Bundespräsidialamt völlig zu Recht als Antwort auf meine Kritik an der Aussage des Herrn Bundespräsidenten hingewiesen! Gerade deshalb aber wäre seine Pflicht gewesen zu sagen: „Der Schutz jeden Lebens ist Bürgerpflicht. Dies gilt in diesen Tagen und gerade angesichts der historischen Verantwortung Deutschlands in ganz besonderem Maße für das jüdische Leben in Deutschland.“ Das wäre der angemessene und richtige Appell an alle Bürger, unabhängig von ihrer Herkunft und ihren Wurzeln, zur Bewahrung des Zusammenhalts in unserem Land gewesen.
Hans-Hermann Gröger

Vielen Dank für diesen wichtigen Kommentar. Ausgrenzung und Bevormundung waren sicherlich nicht vom Bundespräsidenten beabsichtigt. Aber die Wirkung auch wohl gemeinter Worte wird erst durch solche Perspektivwechsel deutlich. Und ja, ich stimme Yassin Musharbash voll zu! Sein Textvorschlag muss ausgesprochen werden.
Thomas Au

Was Sie schreiben, ist völlig korrekt und verständlich. Sie sollten jedoch bedenken, dass unser Präsident dazu da ist zu repräsentieren, d.h. nette Reden zu halten, ohne dem konsumverwöhnten denkentwöhnten dt. Michel auf die Füße zu treten, da fehlt halt mal die Tiefe. Der dazu passende Artikel von Samiha Shafy, „was die Menschen in Gaza über die Hamas denken“, steht in derselben Zeitausgabe wie Ihrer. Den konnte Hr. Steinmeier nicht kennen. Was seine Redenschreiber aber hätten kennen sollen wäre die Studie von Amaney Jamal, die wurde am 6.10.23 veröffentlicht.
H. Giller

Egal, ob in Zeitungsartikeln oder im Fernsehen, Herr Musharbash spricht mir schon immer aus der Seele. Seine Antwort auf die Rede von Herrn Frank-Walter Steinmeier hat mich zu Tränen gerührt. Als deutsche Frau mit arabischem palästinensischem Hintergrund werde ich bei jeder Diskussion ums Thema Israel so lange erwartungsvoll angeschaut, bis ich mich ausdrücklich und deutlich von terroristischen Ideologien distanziere. Dabei weiß niemand und auch fragt keiner danach, wie es mir als christliche Frau in der arabischen Welt ging, in der ich die ersten 25 Jahren meines Lebens verbrachte. Ich könnte einen ganzen Zeitungsartikel darüber schreiben!
Lara Thumm

Yassin Musharbash kritisiert in seinem Kommentar über eine Rede vom Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier eine angebliche Vorverurteilung von in Deutschland lebenden Palästinenser und Arabern. Wörtlich heißt es:“ Lassen Sie sich von den Helfershelfern der Hamas nicht instrumentalisieren!“ Mit „Sie“ sind die in Deutschland lebenden Palästinenser und Araber gemeint. Unbestreitbar ist, dass diese Gruppe mit Migrationshintergrund in den Fokus rückt. Klar ist auch, dass hier nicht alle für die Hamas sind und das Existenzrecht Israels anzweifeln. Man muss aber gleichzeitig verstehen, dass die Propalästinademonstrationen dieser Tag auch eine heftige Gegenreaktion auslösen und Zweifel darüber hervorrufen, welche fragwürdige Einstellung die Personen haben, die dieser Gruppe zugehörig sind; und das scheinen nicht wenige zu sein. Daher finde ich den Aufruf des Bundespräsidenten nicht ganz unberechtigt. Man kann ihn als Appell verstehen, denen die Palästinenser und Araber sich annehmen können, um sich eben von dem generellen Vorwurf zu befreien. Für mich fehlt eben diese Selbstreflektion, was man daran sehen kann, dass die Stimmen Arabischstämmiger für Palästina viel lauter sind als die Zweifel an der Hamas-Regierung und ihrem politischen Wirken.
Ragnar Schmidt


Leserbriefe zu „Blubb, blubb“ von Robert Pausch

Hochmut kommt vor dem Fall. Diese Erfahrung holt gerade die Grünen ein. Wer jahrelang den öffentlichen Diskurs dominierte, mit penetrantem Flankenschutz der ÖR, sieht sich jetzt einer Gegenbewegung auf der rechten Seite gegenüber, die plakativ aufs Tablett bringt, was bisher die schweigende Mehrheit eher für sich behielt. Symptomatisch, linksgrüne Multikultivisionen haben sich vor aller Augen in Neukölln und andernorts als Chimäre entpuppt, als Ausgeburt vernebelter Wahrnehmung. Der Hauptgrund auch in Hessen für die „Zeitenwende“. Schon vor 30 Jahren übrigens war das Land quasi Wegbereiter, nämlich Austragungsort der sog. Doppelpasskampagne, die die Migration zum Wahlkampfschlager machte und Roland Koch einen Triumpf bescherte. Schwarz – grün ist aktuell auf dem absteigenden Ast. Bitter für alle Protagonisten des Fortschritts, den die meisten aber inzwischen eher als Bedrohung empfinden.
Christoph Schönberger

Mediales Geblubber hilft mir wenig zur Meinungsbildung. Da schau‘ ich mir lieber die Ergebnisse der Politik unserer Parteien an. Liege ich schief, wenn ich feststelle, dass die deutschen Grünen den weltweiten Boom der erneuerbaren Energien gestartet haben? – Geblubber: „Das bringt nie mehr als 10%“ – Dass Schwarz/Gelb 2012 den Stecker gezogen hat und damit die deutsche Photovoltaik-Industrie in die Insolvenzgetrieben hat? (Zum Glück hat China übernommen). Altmaiers „Brückentechnologie Gas“ hat zur Altmaier-Delle bei der deutschen Windkraft geführt, von der sich die Industrie erst nach den Entschlackungsmaßnahmen von Habeck langsam erholt – und der Zubau von Photovoltaik boomt seitdem. Wenn vom „Heizungsgesetz“ geschrieben wird, dann betrachten die Autoren meist die durchgestochene Skizze des Gesetzes, aber selbst darin finde ich nur Härten für einige der Betreiber von 30 Jahre alten Heizungen. Geblubbert aber erscheint jeder Deutsche betroffen. Vielleicht hilft es, das Köpfchen aus dem Wasser zunehmen und die Früchte politischer Arbeit zu betrachten. Damit kann man auch AfD-Sympathisanten zum Nachdenken bringen.
Almut Stribeck

Vielen Dank für Ihren Artikel über die Grünen: „Blubb, blubb“ in DIE ZEIT vom 16. November 2023. Wieso funktioniert die Spaltung so gut? Weil wir alle persönlich und als Gesellschaft gespalten sind. Keiner möchte da zurückstecken, wo es weh tut. Die Politiker und Wähler der Grünen nicht bei ihren immer häufigeren und längeren Langstrecken Urlaubsflügen, der Größe ihres E-SUVs und ihrer immer größeren Wohnräume. Alle anderen wollen nicht auf ihren Fleischkonsum, den Benziner oder die Ölheizung verzichten. Und über beiden schwebt das mediale Versprechen, dass es doch irgendwie für uns immer so weiter geht. Dabei beschleicht uns immer mehr das schlechte Gewissen, das Sie sehr zurecht mit Ihrer Frage ansprechen: „Was kommt danach?“ Trägt nicht auch DIE ZEIT zu der beschriebenen Spaltung bei? Denn auch Sie verspricht uns, als Gesamtkonzept, dass wir in Zukunft immer luxuriöser leben können und wir unser hohes Konsumniveau niemals einschränken müssen. Leitet uns nicht auch DIE ZEIT in die Irre, wenn es um die, laut Papst, UNO, EU und Wissenschaft, größte Herausforderung der Menschheit geht?
Klaus Siersch

Mir erscheint die Beschränkung einer Lagerlogik auf die Grünen nicht richtig. Bewertet man parteientheoretisch alle Parteien heutzutage – fruchtbar oder realitätsnah –, gerät man wegen ähnlicher Entwicklungen fast zu einem Antiparteieneffekt. In dieser Ähnlichkeit werden politische Ordnungsvorstellungen nachrangig und alle Parteien entwickeln eher syndikalisierte Parteimodelle.
Jürgen Dressler

Solange die Grünen in der Ampel mitregieren, werden sie aus der Sündenbockrolle nicht mehr herauskommen. Dafür werden alle anderen Parteien sorgen, wirklich alle. SPD und FDP werden das Scheitern der Ampel den Grünen in die Schuhe schieben, um ihre Chancen für eine Beteiligung an der Folgeregierung zu wahren. Alle Oppositionsparteien werden die klassischen Grünen-Themen weiter maximal negativ aufladen, um so ihre Attraktivität bei den Wählern zu erhöhen. In Regierungsverantworten können die Grünen nichts mehr erreichen. Der Preis des Mitregierens: Die grünen Kernthemen fallen hinten runter. Und die Option auf ein Mitregieren in einer nächsten Legislaturperiode geht nachhaltig verloren. Spätestens jetzt, wo mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Nachtragshaushaltsgesetz 2021 die Geschäftsgrundlage der Ampel entfallen ist, sollten die Grünen aussteigen. Unter den gegebenen Umständen ist Opposition eine gute Perspektive: Die Grünen kommen aus der Sündenbockrolle raus, können sich erneuern, können die grünen Themen besser anschieben und gewinnen die Chance auf ein Mitregieren in der nächsten Legislaturperiode.
Reinhard Koine

Trotz der vielen klugen Gedanken, die der Autor äußert und das Dilemma der Grünen auf den Punkt zu bringen versucht, bleibt letztlich doch als Fazit hängen: Selbst schuld, ihr lieben Grünen, ihr seid  eben im Kern elitär, sozial blind und interessiert euch als moralisierende Klientelpartei nicht für die berechtigten Anliegen und Sorgen der breiten Bevölkerung. Damit bestätigt Robert Pausch – unbeabsichtigt – das Narrativ von der Abgehobenheit und Realitätsblindheit der Grünen, ohne allerdings in den aggressiven kulturkämpferischen Duktus der Konservativen und Populisten zu verfallen. Was aber noch schwerer wiegt: Er macht die Grünen implizit dafür verantwortlich, dass die Menschheitsaufgabe der ökosozialen Transformation aktuell zum Minderheitsanliegen schrumpft.
Rüdiger Paul

Und wieder sind es die Grünen. Jetzt noch als Spalter der Gesellschaft. 62% hocken in ihrer eigenen Blase – nicht verglichen mit CDU/CSU- Blase, FDP- Blase, AFD- Blase, SPD- Blase, nein, verglichen mit Land- und Stadtbevölkerung und Religionspräferenz. Und verantwortlich dafür, dass Klimaschutz zur Klassenfrage wird, sind sie auch noch – weil der Nutzen des Klimaschutzes so abstrakt ist. Grüne, idiologische Anmutung und soziale Blindheit sollen samt Wärmepumpe auf irgendeine voll isolierte Insel? Ja bitte! Zumindest so lange, bis alle anderen Blasen in der Realität von Verlusten und nötigen Veränderungen angekommen sind und konstruktiv mit anpacken, anstatt erstmal aus Eigennutz gegen alles zu sein und so zu tun, als hätten sie die Weisheit mit Löffeln gefressen.
Anke Fige-Meyer

Irgendwann ist auch mal Schluss… Robert Pausch schreibt allen Ernstes, die Fraktionschefin der hessischen SPD heiße Ines. Er meint ja wohl die der CDU Hessen. Solche Fehler sind unverzeihlich, aber inzwischen typisch für Ihr Blatt. Liest niemand die Artikel Korrektur?
Michael Quirmbach

Seit rund 40 Jahren laufen die GRÜNEN als die maßgeblichen Umwelt- und Energie-Experten überall auf. Teilweise erzählen sie, bzw. „wissenschaftliche Zuarbeiter*innen“ (hier muss ich gendern!) frohe Botschaften über äußerst billigen EE-Strom usw. Nach dieser Logik wäre auch Kernenergiestrom „spottbillig“ (wenn man die Kapital- und Netzeinbindungskosten einfach beiseitelässt). Dass EE-Strom über die Jahreszeiten, Tageszeiten und je nach Wetterlage (hier sind die „Ausfallwahrscheinlichkeiten für Kraftwerke (bspw. WIND) mit „mischenden stochastischen Prozessen“ zu berechnen – also ganz anders als bisher mit dem Standardmodell des „weißen Rauschens“: Ausfall einer GuD-Steuerung in Bayern geschieht unabhängig von einer Störung einer Pumpe in einem Kohlekraftwerk in NRW!) mal viel, mal ganz wenig sogar tagelang verfügbar sein kann, wird auch gerne ignoriert: Wir haben ja „Stromspeicher noch und nöcher!“ etc. etc. handfest klar.
Als Herr Habeck in SLH (ich wohne mit meiner Frau in Lübeck) noch Minister war, schickte ich ihm anlässlich einer fachlich misslungenen Aussage einen Warnbrief ans Ministerium, dass den „Grünen“ solche fehlerhaften Äußerungen böse auf die Füße fallen könnten (inkl. Hinweis, dass ich 9,25 Jahre Berater der BNetzA für Energiewirtschaft war – also etwas Kompetenz haben könnte): Außer Pauschalantwort (eines Referenten?) kam nichts: Lagerdenken? Das Schlimmste, was einem FACH-Politiker passieren kann ist nämlich die öffentliche Wahrnehmung der fachlichen Inkompetenz von ihm selbst und seiner Mannschaft (die ausgesucht wurde!).
Wolfgang Ströbele

Grüne Politik und Energiewende mit weniger Co2 Ausstoß und das Pariser Klimaziel erreichen; was das am Ende kostet, ist ziemlich egal, die Grünen- Intellektuellen Gutverdiener ist das Heizungsgesetz und E-Auto – Pardon – Lastenfahrrad noch bezahlbar – „für die Breite Gesellschaft nicht. Ein Irrtum – den Herr Habeck einfach ausklammert – sind die 2 Millionen, die ihr Essen von der Tafel holen müssen. Auch der Mindestlohn ist kein Weg aus der Armut und die spätere Rente – nicht höher als das Bürgergeld. Die Lebenswirklichkeit für Millionen in Deutschland sieht anders aus – die Würde des MENSCHEN IST UNANTASTBAR bleibt unter der Ampel ein befristeter Traum mindestens bis 2025.
Thomas Bartsch Hauschild

Den Grünen ergeht es ganz klassisch wie dem Überbringer schlechter Nachrichten, sie werden für die schlechte Nachricht verantwortlich gemacht. Wenn jetzt die Mehrheit, zumindest der Hessen und der Bayern, kaum das man mit dem Klimaschutz angefangen hat, schon jetzt genug davon hat, und Angst um ihren Wohlstand haben, kann ich das verstehen. Es wird aber frei nach dem Motto „Augen zu und durch“ kein gutes Ende nehmen. Ich bin Wissenschaftler, die naturwissenschaftlichen Grundlagen sind (leider) eindeutig. Der Treibhauseffekt ist evident, der Klimawandel kommt. Fakt ist, weder Staat noch Wirtschaft können den Klimawandel im Alleingang bekämpfen, es kommt auf jeden Einzelnen an. Ich bin den Grünen daher dankbar, dass sie das Problem so deutlich angesprochen haben, so dass man jetzt nicht mehr sagen kann, man hätte von nichts gewusst. Und sie haben Lösungsvorschläge präsentiert.   Ich gehe davon aus, dass die Grünen eine weitere Chance bekommen werden. Ich gehe auch davon aus, dass sich Boris Rhein verrechnet hat. Viele seiner Stimmen dürften ihm gegeben worden sein in der Hoffnung, dass Schwarz-Grün ihre Koalition in Hessen fortsetzen. Tarik Al-Wazir mag sich nun bereithalten.
Ein sarkastischer Appendix: Ich persönlich kann mit dem Ergebnis der Wahlen im Übrigen sehr gut leben. Denn es nimmt mir den moralischen Zwang mehr für den Klimaschutz zu tun. Konkret heißt das, ich darf wieder mit dem Auto zur Arbeit fahren und muss mich nicht mehr mit der, wohlgemerkt von der CSU kaputt gesparten, deutschen Bahn rumquälen. Jetzt muss nur noch das Deutschland-Ticket scheitern, dann rechnet sich das ÖPNV-Fahren auch finanziell nicht mehr.
Till Borchert

Vielen Dank für den informativen Artikel, den ich allerdings in einem Punkt kritisieren möchte. Der Autor schreibt, „versuchen wir es stattdessen einmal mit Soziologie und Psychologie“. Erstere kommt zur Geltung (Mau), letztere m. E. nur implizit. Die Ansatzpunkte für eine psychologische Betrachtung wären m. E. „Besserwisserei, Abgehobenheit, ideologische Anmutung und soziale Blindheit“. Auch die Aussagen zur Parallel-Gesellschaft der Grünen und ihre „Verachtung“ der AfD-Wähler verdienen analysiert zu werden. Jemand weiß etwas besser. Okay. Jeder Lehrer etc. weiß besser Bescheid als die Schüler. Kann er sein besseres Wissen vermitteln, wenn er dem Gegenüber signalisiert er sei „doof“, weil er es nicht weiß? Wohl kaum. Sofern Paul Watzlawicks Aussagen zur menschlichen Kommunikation zutreffen, gibt es zwei „Kanäle“: Einen digitalen, auf dem die Sachinformationen transportiert werden und einen analogen, der Emotionen etc. umfasst. Letzterer definiert den ersten: Ist der analoge Kanal gestört, funktioniert der digitale Kanal nicht richtig.
Dieser analoge Kanal scheint bei den Grünen empfindlich gestört zu sein, woraus sich neben der Besserwisserei, auch die Abgehobenheit einhergehend mit sozialer Blindheit erklärt. Es sind auch keine Anmutungen, sondern schlicht Zumutungen, d. h. man reagiert nicht mehr auf den Inhalt (die unteren Schichten sind nicht per se. heißt doch, die Message ist angekommen) sondern auf die arrogante Überheblichkeit (s. Dieter Nuhrs Kritik im Zeit-Magazin an R. Lang), was dazu führt, dass Widerstand geleistet wird, womit letztlich dem „Inhalt“ geschadet wird. Kontraproduktives Verhalten. Sofern es sich wirklich um „Verachtung“ handelt, wird es ganz schwierig, weil ich den anderen nicht (mehr) achte bzw. wertschätze, was schlimmstenfalls Wut generiert. Genauso wie der AfD-Wähler sich annehmbar in seine ideologische Wagenburg zurückzieht, tut es auch der Grüne. Psychotherapeutisch sind sich Gegenteile/Extreme immer (!) ähnlich. Alles sehr deutsch (Stichwort: Praeceptor germaniae) und sehr bedenklich.
Gerd-Rüdiger Erdmann

„Die Grüne Blasenkrankheit ist Sonderblüte in der politischen Personalentwicklung. Großzügige Mitgliedsbeiträge und rückspendable Mandatsträger*innen ermöglichen der basisdemokratischen Partei einen besonders breiten Funktionärsapparat, der den Amateurpolitiker*innen in den Rathäusern die Arbeit leichter oder überhaupt erst möglich macht. Je höher die Politikebene, desto größer und in sich kreisender dieser Apparat, der sich meist aus Grüne-Jugend-Talenten rekrutiert. Listenaufstellungen von Landes- bis Europawahlen brauchen langen innerparteilichen Vorwahlkampf. Wer da ganztags den Hörer vom Apparats-Apparat in der Hand hält, hat Startbonus gegenüber klassisch Arbeitenden mit Feierabend in Stadtrat, Initiative und Familie. Die dem einfachen Leben entfremdeten Funktionskader prägen den Ton der Auswahlversammlungen, Kohortenkorrektheit geht vor Breitenverständlichkeit. Diversity statt Vielfalt.
Draußen haben es dann Heizungs-Hetzer leicht, Grüne Wirklichkeitsfremdheit als unsozial zu geißeln. Nur noch die Grüne Kernwähler*innenschaft solidarisiert sich eher mitleidig – und in ähnlicher Blase blasend.  Dass diese Parallelgesellschaft jetzt beforscht wird, kann Grüne Chancen wecken. Diverse „Diversity-Räten“ könnten verlorene Verlierer-Stadtviertel, trostlose Dörfer, bedrohte Berufsgruppen ins Auge zu fassen, in denen Grün unter der 5%-Quote dümpelt. Einfältige Vielfalt ohne soziales Fairständnis füttert Wagenknechte und Schlimmere. Am Wochenende wird die Grüne Europaparlaments-Liste gewählt. Sie könnte Zeichen setzen. „Was Wohlstand schützt“, die vorgeschlagene Programmüberschrift, ist kaum Botschaft an die Verlorenen.“
Hermann Strahl

Aus meiner Sicht finden Bündnis 90/Die Grünen zu selten die richtige Balance zwischen pragmatischem Handeln und ihren moralisch geprägten Haltungen. Als ob sie beide Pole immer auf den falschen Feldern spielen. Das mag in der Tat daran liegen, dass sich die Grünen vor allem mit ihresgleichen austauschen und in ihrem Milieu eine elitär-moralische und von der eigenen Weltsicht überzeugte Haltung pflegen. Das wiederum lässt sich soziologisch erklären, wenn wir auf die Hintergründe grüner Akteure schauen. Schwierig für die Grünen ist es (und darauf haben sie bis heute keine Antwort gefunden), dass die Kritik an ihnen immer polemischer geprägt ist und sie in eine Ecke treibt. Fatal, dass diese Polemik von der AFD auf die CDU/CSU und teils die FDP übergeschwappt ist. Da nehmen es Merz und Söder sogar in Kauf, mögliche Koalitionen zu verspielen, um mit populistischem Bashing zu punkten Das wiederum haben die Grünen nicht verdient. Gleichwohl finden sie darauf seit Jahren keine Antwort.
Frank Schabel

Die Unberechenbarkeit der politischen Halbwertszeit grüner Willenskundgebungen hat dazu beigetragen, dass der Wähler auf der Suche nach einem verlässlichen Halt bzgl. zu erwartender Vorhaben Klimawandel und ökologischer Transformation betreffend Ausschau hält. Dieser ist bei den Grünen in ganz Deutschland mittlerweile schwerlich zu finden. Sie handeln eher nach einem Motto unseres CDU-Altkanzlers Konrad Adenauer: “ Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern“. Der Wähler, die Wählerinnen haben ein feines Gespür für wirkliche Ehrlichkeit oder reinem Opportunismus und schauen entsetzt weg bei der Phrasendrescherei.
Herbert Büttner

Die angesichts der drohenden Umweltkatastrophe notwendige ökologische Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft wird durch Eingriffe des Gesetzgebers allein nicht gelingen, wenn sich nicht gleichzeitig Wertvorstellungen und Verhaltensweisen in der Breite der Gesellschaft verändern. Die Mehrheit der Bevölkerung müsste zu der Einsicht kommen: „Eine andere Welt ist möglich“! Eine Welt, in der „Lebensqualität“ nicht als Selbstoptimierung (miss)verstanden und in Konsumeinheiten pro Zeit bemessen wird. Eine Welt, in der z. B. der Begriff „Verzicht“ nicht von vornherein als unerträgliche Zumutung diskreditiert ist, sondern als freiwillige Entscheidung zugunsten einer besseren Alternative verstanden wird (im Sinne von „Weniger ist mehr!“). Der Slogan der GRÜNEN, „Wir sind bereit, weil ihr es seid!“ im letzten Bundestagswahlkampf weckte bei mir die Erwartung, die Partei werde in der Regierung diese Bereitschaft aufgreifen, (durch Schaffung von Vertrauen auf die Gangbarkeit des Weges) fördern und im Sinne der notwendigen ökologischen Transformation nutzen. Denn Bereitschaft zur Veränderung ist ja quer durch alle Bevölkerungsschichten prinzipiell vorhanden, wie aktuelle Studien gezeigt haben. Wenn die sozial-ökologische Transformation gelingen soll, benötigen wir also nicht in erster Linie kleinteilige „Heizungsgesetze“, sondern vielmehr neue Narrative einer sinnstiftenden, nachhaltigen Lebensweise! Auf diesem Feld waren die GRÜNEN in der Tat schon mal besser!
Wolfgang E. Fischer

Danke für das Zitieren der Studie des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt. Wenn diese Studie einigermaßen zutreffend die gesellschaftliche Realität in Deutschland in 2023 abbildet, wäre dann den Grünen nicht zu empfehlen – aus Respekt vor der Demokratie – schnellstmöglich auf Neuwahlen hinzuwirken? Etwa nach dem Motto: Es ist besser nicht zu regieren, als gegen die Mehrheit zu regieren? Sollten die Grünen nicht den Schritt zurück in die Opposition wagen, nicht weil ihre Positionen falsch seien, sondern weil sie von einer zu geringen Zahl an Wählern geteilt werden? Eine Frage bleibt in ihrem Artikel ungestellt: Wo hat das gegenseitige Bashing von AfD-Sympathisanten und Grünen-Sympathisanten seinen Anfang? In der ersten Hälfte des Artikels wird die Kompromissfähigkeit (das Gegenteil von Bashing) der Grünen bis hin zur Selbstverleugnung deutlich dargestellt. Von der AfD-Seite wird solche Kompromissfähigkeit nicht erwähnt. Liegt etwa der Anfang des gegenseitigen Bashings auf Seiten der AfD, deren Sympathisanten evtl. von Neid, Ängsten, Verschwörungstheorien und Realitätsverweigerung geleitet sein könnten?
Sibrand Basa


Leserbriefe zu „Haltet inne“ von Paul Middelhoff

Herr Middelhoff bringt es mit den letzten zwei Sätzen treffend auf den Punkt. Es ist Krieg! Das haben, wie ich vermute, viele bisher noch gar nicht richtig begriffen. Das palästinensische Volk kann doch nicht ernsthaft glauben, dass kein militärischer Gegenschlag erfolgt, wenn Terroristen diesen Krieg vom Zaun brechen. Wie hätte die israelische Regierung denn alternativ darauf reagieren sollen? Dass etwa hochrangige Diplomaten in Anzügen gleich unmittelbar nach dem 7. Oktober nach Gaza geschickt würden, um vor den Hamas-Terroristen einen Kotau zu machen und gleich darauf ein Bittgesuch in zivilisierter Form zu halten? Absurd!
Michael Ayten

Nachvollziehbare Argumente? Das Thema der Ereignisse in Israel und Gaza weckt verständlicherweise Emotionen. Bei heiklen Themen empfiehlt es sich aber, sich besser von rationalen Gedanken leiten zu lassen.  Dann wird die Argumentation auch nachvollziehbar. Bei aller Empörung über den mörderischen Terror der Hamas bleibt es unverständlich, weshalb sich Israel bereitwillig zu seinen Handlungen zwingen lässt. Es konnte noch niemand erklären, weshalb sich Israel von einer mörderischen Terrororganisation das Gesetz des Handelns vorschreiben lassen muss und diesem auch folgt. Man kann natürlich einwenden, dass es in dieser komplexen Situation keine einfache und eindeutige Antwort auf die Frage nach der richtigen Handlungsweise gibt. Man kann sich aber wünschen, dass wenigstens darüber nachgedacht wird, ob Angriffe auf Krankenhäuser angemessen sind, wenn dort Stützpunkte der Hamas vermutet werden. Um es noch einmal deutlich zu machen, es bleibt schwer zu verstehen, wie man argumentieren kann: Wir können nichts dafür, wenn wir Zivilisten töten, die Hamas hat Schuld, sie benutzt sie als Schutzschilde. Ja, muss man sich denn wirklich darauf einlassen?
Kann man denn nicht die Frage stellen, was in der Vergangenheit dafür getan wurde, den Konflikt mit den Palästinensern zu entschärfen? Kritik an Israel wird ja auch gerne als antisemitisch abgetan. Auch das ist nicht so eindeutig nachzuvollziehen. Um es noch deutlicher zu machen. Wenn jemand sagen würde, in Landraub und der gewaltsamen Vertreibung der Einwohner zeigt sich der typisch jüdische Charakter, dann wäre das eindeutig antisemitisch. So dumpf reden aber nicht einmal notorische Antisemiten. Nun mussten leider schon viele solche Erfahrungen machen, z. B. die Native Americans, auch die Einwohner von Mittel- und Südamerika, von Afrika, von Australien, Neuseeland und der Südsee usw. ohne, dass man Juden dafür verantwortlich machen kann. Wer Israel kolonialistisches Verhalten vorwirft, ist also nicht zwangsläufig Antisemit. Da Emotionen gerne zu Missverständnissen führen, soll, um solche zu vermeiden, ganz deutlich gesagt werden, dass es überhaupt keine Rechtfertigung für mörderischen Terror gibt. Auch wenn es schwerfällt, ist es doch besser, zu versuchen, sich in komplexen und emotional belasteten Situationen von der Vernunft leiten zu lassen als von Dogmen.
G. Zeyer

Israel soll und muss (1) die Hamas besiegen und auflösen, möglichst endgültig. Danach sollte es (2) den völkerrechtswidrigen Siedlungsbau im Westjordanland stoppen und die bislang illegal errichteten Siedlungen zurückgeben. Aus eigenen Kräften wird Israel diesen zweiten Schritt nie gehen können. Die internationale Gemeinschaft sollte Israel daher bei Schritt 2 ebenso unterstützen wie bei Schritt Nummer 1.
Christian Voll

Das Kriegsziel der Hamas ist die Delegitimierung Israels. Die barbarischen Morde vom 7. Oktober sind nur ein Instrument. Was seither geschieht, die Reaktion Israels, war vollkommen vorhersehbar und also auch nur ein Kalkül von Hamas (und Iran). Ebenso der Aufschrei über ein „unerträgliches Ausmaß des Sterbens“. Die Hamas tötet Zivilisten in Israel und über den Umweg der israelischen Armee, auch die Zivilisten in Gaza. Ob Israel sich wehrt oder nicht, erst zu unachtsam, dann zu brutal, es entkommt der Logik dieses Terrors nicht. Das ist kein Krieg, sondern ein Selbstmordkommando mit dem Ziel, dass Israel am Ende vor der Welt als Täter dasteht. Den Gefallen tue ich den Hamas-Terroristen nicht!
Fred Klemm

Die beiden Artikel von P. Middelhoff und E. Finger können nicht unwidersprochen bleiben! Wenn M. schreibt „Israel hat diesen Krieg nicht begonnen“ ist zu entgegnen: Nein, es hat ihn herangezüchtet, seit jüdische Einwanderer ein durch Kolonialmächte regierungslos gemachtes aber keineswegs unbewohntes Territorium in Besitz genommen und nach Ausrufung des Staates Israel systematisch ethnisch gesäubert haben. Nicht grundlos hat kein Geringerer als UN-Generalsekretär Guterres selbst nach dem grauenvollen Verbrechen der Hamas auf die Jahrzehnte lange Entwürdigung und Unterdrückung der Palästinenser durch Israel hingewiesen. Und wenn E. Finger von einem „beispiellosen Massaker…“ spricht, dann hat sie wohl das von Sabra und Schatila vergessen, bei dem im September 82 unter den Augen vom späteren Ministerpräsident Ariel Sharon über 800 palästinensische Flüchtlinge, darunter auch viele Frauen und Kinder, abgeschlachtet wurden. Man kann also schon das „bisschen mehr Ehrlichkeit“ verlangen, das Frau Finger von Israelkritikern fordert. Mit alttestamentarischer Härte folgt Israel seiner stets praktizierten Maxime: Für einen toten Israeli mindestens zehn tote Palästinenser! Und wenn Ehrlichkeit angemahnt wird, dann sollten wir doch zugeben: Kriegsverbrechen bleiben Kriegsverbrechen, ob sie nun an oder von jüdischen Menschen begangen werden!
Frank Doerbeck

Kollateralschaden des Krieges – unter diesem Begriff werden auch das Bombardieren und der dabei bewusst provozierte Feuersturm in dem Artikel ‚Haltet Inne‘ zusammengefasst. Das ist zynisch. Wenn dieses Vorgehen der Engländer jemals klar und entschieden verurteilt und Kriegsverbrechern genannt worden wäre, sehe es heute im Gazastreifen vermutlich anders aus – trotz der ungeheuerlichen Verbrechen der Hamas.
Barbara Nissen

Herr Middelhoff benennt bereits in seiner Unterüberschrift den drittwichtigsten Akteur in diesem schrecklichen Krieg: die US-Regierung. Seiner Schlussfolgerung, dass nur die USA Israel zur Mäßigung bewegen können, betont deren großen Einfluss auf die israelische Regierung. Herr Middelhoffs davon abgeleiteter Gedanke, dass die USA weitere Hilfszahlungen und Waffenlieferungen an Israel an Bedingungen knüpfen könnten, so dass sich Israel an bestimmte Vereinbarungen hält, bspw. einem zeitlich begrenzten Waffenstillstand, zielt in die richtige Richtung. Dieser Tage bekräftigte der US-Präsident erneut, dass die Zwei-Staaten-Lösung „der einzige Weg“ sei. Diese Lösung bezüglich des jahrzehntelangen Konflikts fordert bereits auch seit langem die internationale Staaten-Gemeinschaft. Wenn die auch von der US-Regierung geforderte Zwei-Staaten-Lösung zur Beendigung des Konflikts nicht nur halbherzig gemeint ist, sollte sie die weitere Unterstützung für Israel an die Bedingung knüpfen, dass die israelische Regierung zeitnah entsprechende Verhandlungen mit den Palästinensern einleitet. Die Palästinenser sollten ihrerseits sofort die Geiseln frei lassen.
Reiner Gorning

Die Hamas ein Haufen von Feiglingen, die sich Freiheitskämpfer nennt. Statt die israelische Armee anzugreifen, vergeht sie sich auf brutalste Weise an Zivilisten vom Greis bis zum Baby und nimmt Geiseln. Wie human ist da dagegen das Vorgehen der israelischen Armee. Zwar erobert sie das Krankenhaus in Gaza-Stadt, bringt aber alles mit, um den Krankenhausbetrieb aufrecht zu erhalten. Natürlich sterben bei den Angriffen auch Unschuldige, weil sie von Hamas als Schutzschilde benutzt werden. Wie feige ist doch Hamas.
Dietrich Briese

Vor etwa 2000 Jahre kritisierte ein Mann die bei Moses überlieferte, jüdische Einstellung „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ mit dem Rat, „Wenn dir einer auf die rechte Wange schlägt, halte ihm die linke hin“. Wahrscheinlich würde dieser Mensch heute wegen seiner antisemitischen Hetze bestraft werden, wenn auch nicht gleich mit dem Tod, wie damals. Ohne gegenseitigen Respekt – es muss nicht gleich Liebe sein – gibt es zwischen Israel und Palästina kein friedliches Zusammenleben.
Siegfried Sessler

„Wer glaubt dieses „Völkerrecht“ eigentlich, das es ist?“ Der Autor des Leitartikels führt das Völkerrecht, nicht als erster Journalist seit dem 07. Oktober, als ein Israels militärischen Eingriff legitimierendes Argument an. Zwar kündet er den Opfern beider Seiten des Krieges von Empathie, doch damit hört unsere Verantwortung nicht auf. Sei vorangestellt – mögen wir in einer Zeit leben, in der die Einweisung in Gut und Böse nicht immer so leicht ist, halte ich doch das Völkerrecht allgemein für etwas Gutes. Aber es sollte sich nicht überschätzen. Unsere Rechte, von uns festgehalten in Regeln und Gesetzen, sind in erster Linie eine Manifestierung unserer tiefsten ethischen Überzeugungen. Sie geben uns Antwort auf die Frage „Wie soll ich handeln?“, kann doch nicht jeder von uns in seinem Alltag immer und jederzeit aus einer philosophischen Perspektive an diese Frage herangehen. Aber Rechtsordnungen unterliegen als solche auch den Ansprüchen der Gegenwart, sie sind niemals selbstlegitimierend in sich. Wir können sie im juristischen Kontext heranziehen, um Recht zu sprechen, aber wir dürfen sie nicht benutzen, um moralisch zu urteilen.
Niemals würden wir die Behauptung aufstellen es sei richtig so, wenn der CEO einer Bank um ein Vielfaches mehr verdient als der Sozialarbeiter– rechtens ist das aber, zumindest nach den hierzulande geltenden Gesetzen, allemal. Das israelische Militär mag auf der Jagd nach Terroristen und Tunneleingängen im Trüben fischen – wie dem auch sei, es darf nicht sein, dass dabei unter dem linguistischen Deckmantel des Kollateralschadens ein paar Tausend Zivilist:innen als Beifang enden! Das Vorliegen einer Rechtsgrundlage befreit uns Menschen nicht aus der Verantwortung, diese wo wir nur können nach unseren innersten Werten und Prinzipien zu prüfen, und sie nicht einem Magneten gleich an unseren moralischen Kompass zu halten. So darf doch niemals ein menschengemaches Gesetz wie das Völkerrecht als Vorlage für ein ethisches Urteil dienen. Das halte ich für eine prekäre Umkehrung der Verhältnisse zwischen Recht und Moral.
Mattis Pajewski

Aus meiner Sicht könnte mehr Empathie für die palästinensische Zivilbevölkerung entwickelt werden, wenn folgende Fragen positiv beantwortet werden könnten: Was tut die palästinensische Bevölkerung, um Hamas loszuwerden? Wo sind die Ärzte, die gegen die Militärstützpunkte in ihren Krankenhäusern vorgehen? Wo sind die Lehrer und Eltern, die gegen die Militärstützpunkte in den Schulen vorgehen?  Wo sind die Imame, die gegen die Militärstützpunkte in ihren Moscheen vorgehen? Wo sind die Palästinenser – auch in Deutschland – die den Überfall auf Israel bedingungslos verurteilen und sich für ihre Bevölkerungsgruppe dafür schämen?
Christian Voss

Aufschrei gegen das Schweigen. Es ist wie beim Holocaust, über den es in mir (in Deutschland geborene Bewohnerin dieses Planeten) weint, seit ich als Kind davon erfuhr. Der Terror-Angriff von Hamas auf friedfertige Menschen in Israel, auf Kibbuzim, auf ein Musikfestival, das dem Frieden gewidmet war, ist von jenseits menschlicher Gesellschaft. Er richtet sich gegen alle Menschen. Er übersteigt jedes Gesetz. Kein Wort will dafür stehen. – Die jetzt leidenden Menschen in Israel. Im Gazastreifen und im Westjordanland. In der Ukraine. In Russland. Die Menschen in den Lagern in der Türkei und Libyen und … Die Menschen jüdischen Glaubens in „meinem“ Land jetzt, die sich nicht sicher fühlen können. Die Menschen muslimischen Glaubens, die sich nicht sicher fühlen können in „meinem“ Land. Die Menschen auf dem Grund des Mittelmeers und … JETZT schreit es in mir. Bei all unserem Wissen und Können müssten wir längst über Krieg hinausgewachsen sein. Angesichts des Zustandes unseres Planeten geht es JETZT um weltweites Zusammenwirken, um Teilen, um friedliche Koexistenz, um einen überlebensnotwendigen neuen großen Anlauf zur Völkerverständigung. Da brauchen wir auf nichts warten. Das ist Aufgabe aller Menschen JETZT! VON UNS AUS.
Marlies Jensen-Leier

Ihr Beitrag vom 16.11.2023 auf der Titelseite ist ganz offensichtlich der sogenannten deutschen Staatsraison geschuldet. Das beginnt schon im Leitsatz Ihres Beitrags, wonach nur die USA eine Mäßigung auf die Kriegsverbrecher in Israel einen Einfluss haben würden. Schon solche Artikel wie Ihrer auf der Titelseite haben solchen Einfluss. Die Tatsache, dass im Jahr 1993 schon 110.000 Juden im Land der Palästinenser rechtswidrig lebten, es heute aber schon mehr als 700.000 sind, die geltende internationale Gesetze brechen, fehlt in Ihrem Artikel vollkommen. Bitte stellen Sie und Ihre Leser sich vor, es würden (übertragen auf die Größe der Einwohnerzahl) in Deutschland im Jahr 1993 rd. 800.000 Russen ohne jede Rechtsgrundlage in Deutschland ansiedeln und heute wären es demzufolge schon 1.600.000 die einfach hier ein Stück Land in Besitz nehmen würden. Aber nicht auch noch friedlich dabei wären, sondern wie diese Juden auch mit krimineller Energie und Waffengewalt gegen alle anderen Deutschen vorgehen würden, die sich dagegen wehren wollten. Wie sehen Sie das dann?
Wenn also, das Stammland dieser 1,6 Mio. Menschen uns in Deutschland das Wasser für täglich nur 2 Stunden gewähren würden, aber ihre Autos würden stundenlang, mit eben dem für Deutsche nicht vorhandenem Wasser, ihre russischen Autos waschen. Jeden Tag und immer wieder? Und der Strom zum Kochen, Waschen, Putzen würde jeden Tag nur zu einer bestimmten Zeit für maximal 2 Stunden vorhanden sein? Wie wäre das für Sie als Deutscher dann zu empfinden? Jahrelang und immer erneut, ohne, das Sie nur den Hauch einer Chance haben, dieses zu ändern?
Warum vermisse ich, als Deutscher, in allen öffentlichen Berichterstattungen solche Nachrichten über die Juden in Israel? Als Deutscher, der im Jahre 1944 geboren wurde, also nicht das geringste mit den Hitler zu tun hatte, werde ich stets in diese Machenschaft mit eingedacht. Weil ich Deutscher bin?! Warum werden dann also in der gleichen Denk- und Argumentationsweise nicht ebenso alle Juden in diesem Land, mit den Juden in Israel gleichgesetzt? Warum wird hierzulande ein massives Denk- weil Redeverbot über alles „Jüdische“ verhängt? Wenn ein Aggressor mit Panzern in eine Klinik fährt, dann ist das bereits in Kriegsverbrechen. Wenn in einer Klinik der Strom einfach, unbefugt, abgesperrt wird, dann er-sticken alle Menschen, die an Beatmungsgeräte angeschossen sind, als unmittelbare Folge. Die Sperrung des Stroms ist ein Kriegsverbrechen. Wenn „Frühchen“, die mit Sicherheit keine Aggression ausüben können oder konnten, weil sie einfach zu klein sind, aber angesichts der Handlungsweise der jüdischen Armee mangels Strom zum Tode verurteilt werden und sterben, dann ist das ein Kriegsverbrechen.
Seit 1948, als die Völkergemeinschaft die Teilung von Palästina verfügte, herrscht diese Aggression vor Ort. Warum wird nicht die Zwei-Staaten-Lösung, auch hierzulande stets und immer wieder betont? Warum wird hier in einer Endlos-Schleife immer wieder von dem „Selbstverteidigungsrecht Israels“ gefaselt und dabei diese Zunahme der ungesetzlichen Inbesitznahme von palästinensischem Staatsgebiet nicht angeprangert? Die Antwort ist einfach. Weil der rechtsradikale Kriegsverbrecher Netanjahu, die Auslöschung aller Palästinenser anstrebt, nur von einem Staat und nicht von zwei Staaten ausgeht. Sein Adlatus sagte auch ganz offen, dass die Juden doch die Atombombe gegen die Menschen in Palästina einsetzen sollen. Hitler gebrauchte das Wort der „Ausrottung“. Das Netanjahu-Regime gebraucht an der gleichen Stelle „zur Vernichtung der Palästinenser“ das Wort von der „Atombombe“. Also gegen Menschen auf der Intensivstation, gegen Frühchen, gegen Zivilisten jeder Art.
Ihr Beitrag auf Seite 1 zeigt eine so ganz und gar nicht, mit der Realität übereinstimmende Wortwahl auf. Sieselbst haben nicht das Mindeste dafür getan, dass hier etwas gegen diese absolut einseitige Art der Berichterstattung „pro Juden“ und “gegen Palästinenser“ berichtet wird. Als Journalist wären Sie gehalten, eine objektive Nachricht zu formulieren. Sie aber betreiben Meinungsmache in einseitiger Manier, wie es die sogenannte „Staatsraison“ vorzugeben scheint. Ihr Beitrag ist der Bodensatz auf dem zunächst mal nur Ablehnung, Abneigung entsteht. Mit solchen Beiträgen kam schon in der Weimarer Republik ein Hitler an die Macht. Netanjahu ist der Mann mit derselben dogmatischen Politik. In Israel selbst gingen und gehen Leute auf die Straße gegen ihn. Wann unterstützen Sie, zusammen mit Ihrer schreibenden Zunft, nun diese Juden? Ab dem Zeitpunkt, wenn Sie damit beginnen, steht Amerika in der Regelung der Weltpolitik nicht mehr allein da. Dann gehören auch Sie zu diesen Unterstützern.
H. Schumacher


Leserbriefe zu „Woher kommt der Hass?“ von Abdel-Hakim Ourghi

Ich bin froh darüber, dass Sie eine bezüglich Koran und Islam selbstkritische muslimische Haltung einnehmen. Da ich selbst ein Büchlein über den Koran geschrieben habe, als jetzt ungläubiger Laie, aber mit der Bibel erzogen, fällt mir aber auf, dass Sie in Ihrem Buch über die Juden im Koran nicht auf die Sure 61,7 und 61,8 eingehen. Sie kennen die Stelle sicherlich, darin behauptet Mohammed, Christus habe in der Bibel bei Allah seine Ankunft als Prophet vorhergesagt. Aber weil Mohammed den Juden unterstellt, dass sie die göttlichen Weissagungen nicht immer korrekt aufgeschrieben hätten, sei diese Prophezeiung in der jüdischen Bibel unter den Tisch gefallen. Die Juden nannten das einen Betrug, und Voltaire hat, wie Sie auch wissen, Mohammed deswegen einen Betrüger genannt. Dieses Detail ist für einen halbwegs Bibelkundigen besonders irritierend, weil es auf eine gewisse Unlauterkeit Mohammeds in Sachen Urheberrechte an der jüdischen Bibel bei der Abfassung seines Korans hindeutet.
Klaus Maull

Großen Dank für Ihren o.a. Artikel, so erhellend wie erschreckend. Jedenfalls kann ich jetzt besser die Urgründe des Hasses verstehen. Vielleicht ist der sogar über die Tradition hinaus ins epigenetische Programm der Muslime eingedrungen? Warum meine ich das? Dazu eine reale Geschichte: 1968 – 1972, ich war Studentin in Mainz, habe ich mich um einen spastisch gelähmten Jungen (4-8 Jahre alt) aus Süd-Jemen „gekümmert“, der in Deutschland operiert und behandelt wurde, damit er laufen lernen könne. Nach 2 Pflegefamilien hat er einige Monate mit meiner Freundin und mir sehr freundschaftlich zusammengelebt.  Er hatte einen Onkel, Arzt in Heidelberg, der sich nur selten gemeldet hat, dann aber, zum Schluss des Zusammenseins mit Khaled, seinen Neffen 14 Tage bei sich in Heidelberg zu Besuch hatte. Nach diesen 14 Tagen kam Khaled völlig verändert zurück, voll Hass auf Juden (denen er hier nie begegnet war) und auch gegen uns, sodass wir ihn nach Jemen zurückschicken und bis dahin in einem Kinderheim in der Nähe unterbringen mussten.
Er flog in seine Heimat zurück und wir haben nie wieder etwas von ihm gehört. Ich hatte ein paar Jahre später einen Botschafter des Süd-Jemen gebeten, nachzuforschen, wie es ihm jetzt geht, es kam keine Antwort. Es tut heute noch weh.  Frage: Wie kann es sein, dass ein Kind in so kurzer Zeit einen solchen Hass aufbaut? War das nur „Gehirnwäsche“ seines Onkels oder mehr?  Ihr Artikel und Ihre Aussagen in dem Vortrag von 2019, den ich mir eben anhörte, ist sehr wohltuend und dort liegt doch die Wurzel eines guten Nebeneinander- und Zusammenlebens der muslimischen, jüdischen, auch der christlichen, Religion (vgl. Anlage), die ja alle Humanität und Brüderlichkeit postulieren und sich doch so schrecklich verletzen und z. Teil vernichten wollen.
Anita Schubert

Das ist der erste mir bekannte Artikel seit dem 7. Oktober 2023, der darauf hinweist, dass der arabisch-israelische Konflikt seine Ursprünge lange vor der jüdischen Einwanderung in das britische Mandatsgebiet Palästina hatte. Insbesondere ist richtig, dass es keine einseitige Vertreibung von Palästinensern 1948 gab, sondern praktisch ein Bevölkerungsaustausch zwischen Juden und Arabern. Dem Autor kann man nur gratulieren. Vielleicht ist noch erwähnenswert, dass die von ihm beschriebenen Pogrome gegen Juden in muslimischen Ländern im 20. Jahrhundert nicht beendet waren. Dazu nur ein Beispiel: Während des sogenannten Farhud (gewaltsame Enteignung) am 1. und 2. Juni 1941 in Bagdad (im Irak existierte eine jüdische Bevölkerung schon über 1000 Jahre vor der Entstehung des Islam) wurden zwischen 180 und 600 jüdische Frauen, Kinder und Männer grausamst ermordet. Kinder wurden vor ihren Eltern getötet, Frauen vergewaltigt, fürchterlichen Folterungen unterzogen, manche verstümmelt. Torah-Rollen und Synagogen wurden zerstört. In Schussweite stationierte englische Truppen unternahmen nichts, ihnen lag mehr an der Sicherung der Ölquellen (Edwin Black The Farhud 2010, S. 288-306).
Woher kommt der Hass? Ein wichtiger psychologischer Faktor scheint mir der Folgende zu sein: Ein Volk, welches sich immer in der zahlenmäßigen Minderheit befand, deswegen leicht zu demütigen war und als minderwertig galt, (Mandel NJ. The Arabs and zionism bevor World War I, Berkely 1976, S.175) überraschte plötzlich Anfang des 20. Jahrhunderts im britischen Mandatsgebiet Palästina mit durchaus wehrhaften Fähigkeiten. Als man den Judenstaat 1948 nach Ablehnung der Teilungsresolution auslöschen und seine Bewohner ins Meer werfen wollte —so u.a. der damalige palästinensische Führer Ahmed Schukeiri— musste man feststellen, dass selbst die Armeen fünf arabischer Staaten dazu nicht in der Lage waren. Diese Niederlage, der weitere folgten, hat offensichtlich bei den autoritären arabischen Führern eine tiefe chronische Wunde hinterlassen, die sie dazu trieb, ihre Untertanen permanenter antisemitischer Gehirnwäsche zu unterziehen. Dies führt offensichtlich dazu, dass die Vergewaltigung, Folterung und Ermordung wehrloser (Klein)kinder, Frauen und Männer als Heldentat gefeiert wird. Traurig ist, dass auch im Westen uninformierte Aktivisten ins gleiche Horn blasen und so als Steigbügelhalter des Judenhasses fungieren.
Martin Klein

Herr Ourghi beschreibt die historischen und gegenwärtigen Gründe des Antisemitismus nicht weniger Muslime detailreich und zutreffend. Grundsätzlich gilt, wenn das Religionsverständnis lebensbejahend sein soll, kann es nicht bei gesellschaftlichen Umständen und festgelegten Identitätsmustern vergangener Zeiten stehen bleiben und verabsolutiert werden. Denn dann wird Religion zur Ideologie und verlässt damit den universellen und gleichzeitig aktuellen Anspruch aller religiösen Werte. Was also ist zu tun, um Hass erst gar nicht aufkommen zu lassen? Man sollte sich ergebnisoffen zwei Fragen stellen. 1. Was kann Religion heutzutage überhaupt sein? 2. Was kann Religion nicht sein? Standardisierte Rechtfertigungsversuche eigener Sichtweisen können dabei keine gültigen Antworten sein, denn die widersprechen den Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten menschlicher und, wenn man so will, gottgegebener Talente.
Christoph Müller-Luckwald

Zu Ihrer Entscheidung für die Veröffentlichung einer kritischen Sicht auf ein aktuelles Problem beglückwünsche ich Sie. Mein Respekt gilt A.-H. Ourghi. Er hat den Mut, Tatsachen, die jeder wissen kann, wenn er dazu bereit ist, beim Namen zu benennen. Es ist leider eher eine Ausnahme, wenn Insidern, Reformern und Kritikern des Islam Öffentlichkeit gewährt wird. Normalerweise müsste schon lange eine öffentliche Debatte hierüber angestoßen werden. Offensichtlich ist die Furcht der Öffentlichkeit vor dem islamistischen Terror größer als der Mut von Abdul-Hakim Ourghi, Necla Kelek, Seyran Ateš, Ahmad Mansour, Kamel Daoud und vielen anderen mutigen Insidern des Islam. Diese werden auch hier, in einem demokratischen Staat mit dem Tode bedroht. Wo bleibt die Debatte hierüber? Die Öffentlichkeit, die Politiker und die Medien schweigen.
Die Iranerin Chardortt Djavann kam nach Europa, um hier ihre persönliche Freiheit zu genießen, sich anonym und unbehelligt in der Öffentlichkeit aufhalten zu können. Inzwischen ist das nicht mehr überall möglich. „Was guckst du, hast du ein Problem?“ So werden Menschen angeherrscht, die durch arabisch dominierte Stadtgebiete in Deutschland und in Europa gehen. Die Folgen fehlender Identifikation mit den Gedanken der Aufklärung und den Grundsätzen der Demokratie sowie die fehlende Erläuterung dieses Fundaments unseres Zusammenlebens gegenüber Asylbewerbern und Zuwanderern bei der Erstaufnahme erleben wir jetzt. In den Jahren nach 2015 wurde stattdessen aus „The Germans in the Mirror of the foreign“ in gebildeter englischer Sprache zitiert und Auszüge daraus angeboten. Wenn die persönliche Freiheit jedes Bürgers, sich anonym in der Öffentlichkeit aufzuhalten, von allen Teilen der Gesellschaft respektiert würde, wäre der soziale Frieden sicherer. Die offensive, konfrontative Darstellung persönlicher Dogmen in der Öffentlichkeit durch Sprache oder Symbole schränkt diese Freiheit ein. Seit dem anhaltenden Zustrom der Muslime 2015 steht bis heute die grundlegende Entscheidung darüber aus, welcher Islam fähig ist, sich in eine demokratische Gesellschaft zu integrieren.
R. Reiger

Der Artikel von Abdel-Hakim Ourghi ist sehr hilfreich für die gegenwärtig wieder neu aktualisierte Debatte über den Antisemitismus. Er erweitert das Blickfeld und lässt auch andere Ereignisse in neuem Licht erscheinen. Der Antisemitismus ist ja kein neues Phänomen und auch keines, das auf Deutschland oder die arabisch/islamische Welt begrenzt ist. Der Antisemitismus heute von rechts oder links als politisches Phänomen ist relativ jung, aber seine Begründung und Hintergründe sind religiöser Natur. Christentum und Islam wurzeln beide in der jüdischen Tradition, nährten sich vom zivilisierenden Beitrag dieser Tradition. Und beide nahmen es den Juden übel, dass sie sich nicht dem neuen Glauben anschließen wollten. Man hat den Juden nicht verziehen, Juden bleiben zu wollen. Die Christen haben dies mit der Behauptung getan, dass die Juden Jesus, der selbst Jude war, umgebracht zu haben. In der christlichen Geschichte hat es dann in ganz Europa immer wieder Diskriminierung, Verfolgung, Pogrome, Vertreibung gegeben, die im Holocaust kulminierten. Das muss hier nicht belegt werden, es gibt genügend Literatur darüber. Abdel-Hakim Ourghi weist nun dankenswerterweise auf die muslimische Geschichte hin, die in dieser Hinsicht sehr ähnliche Ereignisse aufweist, bis hin zur Zeit nach der Staatsgründung von Israel. Wir müssen uns, als Christen und als Muslime, wegen unserer Geschichte und dem Rekurs auf die jüdische Tradition, vor den Juden verneigen! Der Antisemitismus muss schon wegen unserer eigenen Wurzeln entschieden bekämpft werden.
Eckehard Fricke

Hier geht es nicht nur um den Koran. In den letzten 2000 Jahren gab es Hassschriften „en masse“, die manchmal in religiöse“ Bewegungen eingeflossen sind oder von Fanatikern als Hassrechtfertigung verwendet wurden. Antisemitismus war keine Besonderheit der Muslime (s. Martin Luther und viele Päpste). Die Schlüsselfrage ist: warum müssen wir, um in der heutigen komplexen Welt zu überleben, sklavisch an Ansichten festhalten, die in einer völlig anderen Epoche entwickelt wurden?
Salvatore Algieri

Danke, Herr Ourghi für Ihren Mut, sich der Vergangenheit zu stellen. Es ist die einzige Chance, zum Frieden zu kommen. Doch verlässt mich die Zuversicht, wenn ich an die deutsche Realität denke: Nach 70 Jahren Erinnerungskultur sehen wir immer noch einen dicken Bodensatz von Antisemitismus, von Verleugnung des Holocaust, von Politikern wie Herrn Höcke, Herrn Gauland, demokratisch sozialisiert, die antisemitische verharmlosende Sätze in die Welt setzen und dafür inzwischen 20% Wählerschaft bekommen. Und dadurch den Hass weitertragen, warmhalten, aufwärmen und schlussendlich auch neue Taten entfachen werden. Dann werden wir alle Ihren Mut brauchen, uns dem entgegenzustellen.
Reinhard Hamann

Der 7. Oktober war für mich einfach nur unfassbar grauenhaft: zu welchen Barbareien sind Menschen in der Lage! Mit Hilfe Ihres Artikels habe ich zum einen geschichtliche Einblicke in die Entwicklung des Hasses gewonnen und damit eine Vorstellung, wie das überhaupt möglich war – und leider auch immer noch ist. Zum anderen finde ich es aber auch hoffnungsfroh, dass es Menschen wie Sie gibt, die mit profundem Insiderwissen diese unsägliche Entwicklung beleuchten – und gleichzeitig Lösungsansätze finden, wie Muslime und Juden doch noch friedlich zusammenleben könnten: indem sie gleichermaßen das erfahrene Leid anerkennen! Wir brauchen Menschen wie Sie, um aus dem Islam eine Religion des Friedens werden zu lassen. Ich möchte mich für ihr Engagement bedanken. Und das trotz aller Bedrohung für Sie und Ihre Familie! Einfach beispielhaft! Ich bin in Gedanken bei Ihnen und wünsche Ihnen von ganzem Herzen eine friedliche Zukunft.
Werner Gebauer

Der kretische-griechische Schriftsteller und Dichter Nikos Kazantzakis (1883-1957) ließ als sein Epitaph eingravieren: „Den elpízo tipota. De fovoume típota. Ime léfteros.“ – „Ich erhoffe nichts. Ich fürchte nichts. Ich bin frei.“ Der Islamwissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi schreibt in einem der Hauptsätze seines Artikels über das „Phänomen“: „WOHER KOMMT DER HASS“ – „Es ist nicht islamfeindlich, sich die Wahrheit über den Koran einzugestehen. Im Gegenteil. Ehrliche Erinnerungsarbeit ist Selbstbefreiung. Die bevormundende Sorge um das Wohlbefinden der Muslime aber bedeutet, dass man ihnen nicht zutraut, ihre religiöse und politische Geschichte aufzuklären…“ Charles Darwin (1809-1882) müsste zu unserer geistigen Vernunftsprägung derjenige Natur-Forschende sein: dessen Evolutions-„Theorie“ zwischenzeitlich als die wahre Erkenntnis unseres evolutionären „Menschen“-Daseins jedweden Schöpfungsgedanken einer Gottheit oder Göttern ad absurdum aufzeigt – das genau ist wissenschaftlich eindeutig unwiderlegbar: selbst noch bei allem (letztlich doch nur antrainierten, andressierten Glaubenspotential) sofort durch „nackte Tatsachen“ überzeugbar – auch dass wir durch unsere Vorfahren mit den Primaten verwandt sind. Kein Kind würde in dieser Menschenwelt von seinem Beginn an auf die Idee kommen, irgendwelche Gott -oder- Gottheiten anzubeten, z.B. die Erkenntnis aus sich selbst heraus auffinden: „Ich bin klein, mein Herz ist rein – soll niemand drin wohnen als Jesus allein.“ Der RvM als Kind weigerte sich, diesen Spruch für sich selbst zu verinnerlichen – warum einen Zimmermanns-Sohn als Gottes Sohn anbeten: sein Schulfreund war auch der Sohn eines Zimmermannes: und der hatte ihn nicht abschreiben lassen…
Wer klärt denn WEN (offenkundig) über WAS in den verschiedenen Gottes-Religionen auf, welche Wissenschaftler – und hierbei ist dieser Begriff doch schon wesensfremd zu dem „Glauben und Beglaubigen“ von historischem Wissen zu der unausweichlichen Gegenüberstellung des jeweiligen Nichtvorhandenseins von den (phantasierten) Gottheiten der dementsprechenden Glaubensausrichtungen… Und genau so muss eine wissenschaftliche Religions(er)forschung begonnen werden, abseits und jenseits von irgendwelchen inneren Ausrichtungen eines persönlichen religiösen Empfindens und mitantrainierten Gefühls aus der Tradition heraus: und nur ein diesbezüglich unkomplizierter Atheist (zur vorherigen ausschließlich wissenschaftlichen Ausbildung) kann sich an die Religionsbeobachtungen der Jahrtausende als neutraler Beobachter heranfinden und den Versuch unternehmen: Klarheit und Klartext von „Glauben und Beglaubigungen“ zu trennen und besonders auch: radikal abzutrennen! Die Menschen der Zeiten-Besichtigungen haben sich aus ihrer (tierischen) Natur entfernt – als sie sich Götter und Gottheiten phantasieren konnten und dadurch entrückt-verrückt entgegen ihrer Natürlichkeit wurden: und arrogant gefährlich gegen sich selbst und die Mitgeschöpfe… Wir sollten diesen Planeten Erde als unseren Gastaufenthalt erkennen – um dann bei zeitanteiligem Aufenthalt wieder zu verschwinden, wie wir gekommen sind: nackt und bloß und ohne jedwede (scheinbare spätere Religions-) Identität… Das ist weder eine Art von Blasphemie noch unerträglicher Nihilismus, noch überheblicher Atheismus: sondern nurmehr die vernunftvolle Besichtigung zu diesen Menschendramen… Und wie sagte es ein antiker griechischer Philosoph: „Die Menschen haben von ihren Tragödien nichts hinzugelernt!“
Dem RvM-Leserbriefschreiber war schon mit 13/14 Jahren zu seiner bevorstehenden Konfirmation bewusst, mit welchem Märchentheater er es in der ihm anerzogenen und antrainierten Christen-Religion zu tun hat, weigerte sich bereits innerlich schon als Kind z.B. im Abendgebet (vor dem Zubettgehen) mitzubeten: „Lieber Gott mach mich fromm, dass ich in den Himmel komm…“ Ich hatte auch einen jüdischen Freund in der Schule, mit dem ich über diese verschiedenen „Götter“ sprechen konnte, und wir waren uns einig dahingehend: dass die Erwachsenen uns beide (in den jeweiligen Religionen) belügen – es auch keinen jüdischen Gott Jehova geben kann: wie sonst hätte er (der Allmächtige) es zulassen können, dass Millionen seiner Gläubigen von den Nazischergen massenhaft ermordet werden konnten… In den sogenannten Kreuzzügen, zu denen sich die „christlichen“ Kreuzritter und das soldatische Fußvolk ins scheinbare Heilige Land aufmachten, um dann mit den muslimischen Gegnern (die dieses Land verteidigten) sich gegenseitig abzuschlachten… Mal gewann die eine Seite durch machtvollere Überlegenheit, dann wiederum die andere Seite durch die Kontinuität ihrer heimischen Potentiale und der beidseitigen tragischen Tapferkeit je nach den Momenten der jeweiligen Unausgewogenheit des mörderischen Aufeinanderprallens… Auch hierbei haben wir beiden Schuljungen erkennen können, dass jene Götter: der Christen-Gott und der Gott der Muslime niemals in der Oberaufsicht dieses Abschlachtens existent sein konnten als allmächtige Gottheiten – alles nur durch die andressierten Religionsanfesselungen der Menschen jener Zeiten… Wie auch die germanischen Götter, jener Wotan zu den Axthieben und dem Fällen der „Wotan-Eiche“ durch einen Christen-Priester: dies ab dem Moment für die Germanen letztlich doch ad absurdum erkannt wurde, und welchem Göttertheater sie auferlegen sind… Nein: alles nur Chimären, Hirngespinste menschgemachter Absurditäten – und das zieht sich in der historischen Rückschau ebenso hin zu den „antiken Göttern“ , die längst (heute unproblematisch als Unwirklichkeit memoriert) auf den Marmormüll der Menschheitsgeschichte entsorgt worden sind… Alles braucht also seine Zeit, um irgendwann zu erkennen und zu begreifen: dass man den Mythologien und den Lügen der Priester und Prediger aufgesessen war – und was nicht alles haben die antiken Griechen und die antiken Römer im Namen ihrer Götter für einen Wahnsinn sich gegenseitig und der Menschenwelt angetan, glaubten diesen Irrsinn bis in den Untergang ihrer Imperien hinein. Wie sollte und konnte die Inschrift am Eingang des Tempels von Delphi interpretiert werden: „Gnothi seautón – medèn ágan“ „Erkenne dich selbst – nichts im Übermaß.“
Und dieser Sohn eines Zimmermanns, der als der Sohn Gottes als Christus nun verehrt und angebetet wurde, wird – und den die (orthodoxen) Juden nur als einen allgemeinen jüdischen Mann ansehen, ja geradezu diese gläubigen Christen (bis in die Jetztzeit und sicherlich für alle Zeiten) als meschugge betrachten… Und ebenso auch der (zum Judentum sich bekennende, nicht aber zur jüdischen Religion) als Erfinder der Psychoanalyse Sigismund Schlomo Freud (1856-1939): der die gesamten Gottes-Religionen als „Geisteskrankheiten der Menschheit“ registrierte und verzeichnete… Und konkret erläuterbar zu den Menschen hin: „Weil sie nicht erwachsen sind, sondern wie ein Kind Trost und Hilfe von einem Vater im Himmel sich erhoffen.“  Wir Menschen müssen letztlich doch vernunftvoll erkennen, dass unsere Existenz zeitlich begrenzt ist, wir allesamt einen persönlichen Tod sterben – die Märchenerzählungen von Himmeln und Paradiesen nichts mit der irdischen Wirklichkeit zu tun haben können… Nehmen wir drastisch die Kriege in den Vordergrund: wenn sich unzählige Soldaten gegenseitig abschlachten – die Gottheiten zuschauen und dann aber die Himmelstore weit öffnen, um diesem Massenandrang alsbald im Paradies die jeweiligen Plätze zuzuweisen… Soviel Kopfkarussell kann niemand von einem vernünftig denkenden Menschen abverlangen – selbst wenn die Priester und Prediger einem in allen diesen aufgezählten Religionen: das Blaue vom Himmel runterbeten… Das hat nichts mit Lästerei zu tun, sondern beinhaltet im Gegenteil genau die Beantwortung der Frage in DIE ZEIT gestellt: „WOHER KOMMT DER HASS?“
Denn dieser Hass auf die jeweiligen Ungläubigen der anderen Religionen, beinhaltet ja explizit den absoluten Glauben an die eigene Religion und den Gott dieses Glaubens… Wenn hierzu die anderen Religionen ihren eigenen Gott gegenüberstellen und anbeten: kann es in dieser „Unbezweifelbarkeit“ keinen Konsens geben können – ansonsten der eigene Gott schleichend infrage gestellt würde, ob es denn tatsächlich auch der wahre Gott sei, den man da anbetet und beglaubigt… Woher kommt denn das un/freiwillige Konvertieren – das in den Religionen als die sträflichste aller Abkehrungen von der „Wahrheit“ angesehen wird und auch selbstschützend so im eigenen Glauben absolut verteidigend: vertreten wird. Abdel-Hakim Ourghi hätte in seinem Text vermitteln können, dass die drei monotheistischen Weltreligionen: ältester Mosaischer Glaube, Christentum und Islam in einem Konglomerat der Verwobenheiten sich befinden – und aus ersterer monotheistischer Urreligion die anderen beiden Religionen sich tiefergründig definieren: was gleichbedeutend als Plagiaturen angesehen werden kann und dadurch diese sich auswirkenden Definitionen wiederum zu gegenseitigem Hass verführen… Warum könnte es nicht allgemein moderat und vernunftvoll lauten: Ich glaube nicht religiös: also bin ich ein Mensch im wesentlichen Bewusstsein meiner Unzulänglichkeiten als sterbliche Anwesenheit zur Abwesenheit in der Natur meines vergänglichen Daseins…
„Nicht die Lügen sind die Feinde der „Wahrheiten“, sondern die eigenen Überzeugungen!“ – wie es Friedrich Nietzsche äußerte – er: ein überzeugter Atheist und radikaler Weltgeist der Philosophie. Diesbezüglich sollten wir die Götter-Religionen (auch außerhalb der Monotheismen) auf der Bühne der Menschheit als eine Märchenkulisse registrieren und die Abhängigkeiten zu diesen scheinbaren Göttergewalten allmählich in der zukünftigen Vernunft der Menschheit in die Versenkung verschwinden lassen, ebenso wie die antiken Götter aus den Jahrtausenden sich nicht in den Menschenhirnen erweitern lassen konnten… Das ist unsere Menschenhoffnung der Zukunft: um alle miteinander ein gemeinsames befreites Leben führen zu können, weltweit und mit aller zu ermöglichenden Vernunft im Zentrum unseres Denkens und Bedenkens. Erst dann wird der religiöse Hass insgesamt verschwinden – und dennoch werden andere Konkurrenzen sich erhalten sowie erweitern, die Ungleichheit des Daseins wiederum zusätzliche Wünsche und Forderungen mitbeinhalten, es zu Völkerwanderungen der Armut und zu Kriegen sich fortsetzen… Der Mensch ist das gefährlichste Raubtier auf Erden! Und auch dies zum Ausklang nochmals vermittelt: Kein Volk kann sich als das auserwählte Volk darstellen und kein Glaube kann sich als den alleinig zu bewahrheiteten präsentieren – das wäre der Anfang vom Überdenken zu den dadurch entstandenen und entstehenden Situationen: und dadurch die Beantwortung zu der universellen Frage: „Woher kommt der Hass?“ Um hierbei noch den friedvollen Mahatma Ghandi (1869-1948) zu zitieren: „Unter den vielen Lügenmächten, die in der Welt wirksam sind, ist die Theologie eine der ersten.“
Axel Manfred Rvmpf von Mansfeld

«Der Antisemitismus von Muslimen ist kein neues Phänomen. Er wurzelt tief in der Geschichte unserer Religion. Nur wenn wir uns das eingestehen, können wir Frieden mit den Juden machen» so Abdel-Hakim Ourghi, Islamwissenschaftler und Autor des Buchs „Die Juden im Koran. Ein Zerrbild mit fatalen Folgen“». Es ist ein mutiges Buch. Es ist vor allem auch ein ehrliches Buch. Nur wenn die Realität akzeptiert und nicht beschönigt wird, kann ein Weg in eine gute gemeinsame Zukunft gefunden werden. Allerdings geht’s dabei auch um eine Gratwanderung. Schuldzuweisungen – auch berechtigte – reichen nicht. Beide Seiten müssen den historischen Kontext berücksichtigen. Die eine Seite, um den Dialog fortführen zu können. Die andere Seite, um aus den Fehlern zu lernen. Viele Staaten sind durch Eroberungen und damit auch durch Ungerechtigkeiten entstanden. Eroberungen haben sehr oft demographische Ursachen. Hohes Bevölkerungswachstum reduziert die üblichen Perspektiven und führt zur Suche nach Ersatz auch durch Teilnahme an Eroberungskriegen. Zerrbilder der Angegriffenen und positive Bilder der eigenen Gruppe sollen die Angriffe rechtfertigen. Auf die Art wurden große Eroberungen durchgeführt bis vor die Tore von Wien, bis an den Ganges und an den Atlantik. Das war einmal.
Heute haben sich einstige Paradiese wie Syrien, der Norden Afrikas, Afghanistan etc. durch hohe Geburtenrate in Konfliktzonen verwandelt. Der Reichtum eines Landes beruht heute weniger auf großen nutzbaren Flächen, sondern auf Teilhaben am technischen Fortschritt. Das wird als ungerecht empfunden und ist womöglich eine der Ursachen des Antisemitismus. Dahingegen ist Islamophobie eher auch durch Furcht vor den Folgen der hohen Geburtenraten der Muslime begründet. Solche Folgen werden sichtbar in Ländern wie Syrien, Afghanistan, Jemen, etc.) Ein wichtiger Ausgangspunkt ist weniger das Zuweisen von Schuld, sondern die Notwendigkeit, die Realität zu akzeptieren und Akzeptanz für die nötigen Lösungen zu schaffen. Die wichtigsten Punkt dabei betreffen die Demographie. Solche Punkte sind: Akzeptieren der politischen Realität. Akzeptieren von Bevölkerungsaustausch. Akzeptieren des kategorischen Imperativs nach Kant. Nutzen von Vorbildern. Ein Beispiel zum ersten Punkt: Akzeptieren der politischen Realität. Nach einem Eroberungskrieg wurde das deutschsprachige Südtirol Teil Italiens. Durch Zuwanderung wurde die Hauptsprache im Hauptort Bozen Italienisch. Heute geht es Südtirol gut. Die Wirtschaft floriert, auch weil die Realität akzeptiert wurde. Es gibt keinen Zuwanderungsdruck.
Ein Beispiel zum zweiten Punkt: Bevölkerungsaustausch. Im Vertrag von Lausanne erfolgte ein solcher zwischen Griechenland und der Türkei. Dies auch auf Grund von Überlegungen, die auch die Existenz von Israel rechtfertigen. Ein Beispiel zum kategorischen Imperativ nach Kant, der in etwa besagt: man solle so handeln, dass die Menschheit gut fortbestehen könnte, wenn alle so handelten. Die Geburtenrate der Palästinenser beträgt 3.5. Das bewirkt eine Verdreifachung der Kopfzahl nach 2 Generationen (1.75*1.75=3.06) und eine Verneunfachung nach 4 Generationen. Handelten alle Länder wie die Palästinenser gäb’s 2100 72 Milliarden Menschen. Beispiele zu Vorbildern: solche gab’s z.B. auf der Insel Tikopia (vgl. das Buch «Kollaps»), aber auch in buddhistischen Dörfern (vgl. Buch «Das alte Ladakh»). Dort durfte nur der älteste Sohn Kinder haben. Ähnliches gab’s in weiten Teilen Europas, wo die Geschwister des Hoferbens kinderlose Dienstboten wurden oder ins Kloster gingen (vgl. das Buch «Die Technik reicht nicht» BoD 2016).
Gernot Gwehenberger

Hätte ein nicht arabisch geprägter Mensch diesen Text geschrieben, würde er als rassistisch islamophober Zeitgenosse eingestuft werden. Und wer den Satz: Ich verehre Hitler, weil er die Juden vernichtet hat, mit dem Islam in Verbindung bringt wäre ein übler Verleumder.
Michael Wrasmann

Um es vorwegzusagen: Das Massaker der Hammas am 07.Oktober bleibt eine abscheuliche Tat und derzeit die monströse Spitze einer kopfstehenden Gewaltpyramide seit Kain und Abel. Meist wurde die eigene Religion als Legitimation zur Gewalt gegen Anders-/Ungläubige missbraucht. Dass ausgerechnet Mohammed, noch erleuchtet von der Offenbarung des Koran, einen widerständigen Judenstamm auslöschte, scheint seine Glaubensgemeinschaft bis heute nicht sonderlich zu stören. Seit meinen Schultagen habe ich Lessings Ringparabel verinnerlicht. Und so frage ich eingedenk eines positiv empfundenen dreiwöchigen Aufenthaltes 1969 im Kibbuz Yifat: Ist nicht auch die Würde der Palästinenser wie die der Israelis unantastbar? Was rechtfertigt die widerrechtliche Besetzung des Westjordanlandes, die Besiedelung, die Landenteignung, die Rodung von Olivenhainen, die Wasserverknappung, die Gewaltakte jüdischer Siedler ohne rechtliche Konsequenzen? Seit 1973 sitzen die Palästinenser „wie der Frosch im Kochtopf und mussten ohnmächtig fühlen, dass die Temperatur immer weiter erhöht wurde“. Gerade wir Deutschen mit unserer Verantwortung nach der Shoah sind es den Israelis schuldig geblieben, sie nach dem Jom Kippur Krieg auf dem Weg zur Aussöhnung mit ihren semitischen Geschwistern zu bestärken, ihnen mit USA, NATO und EWG/EU Sicherheitsgarantien zu geben und sie vom damals eingeschlagenen destruktiven Weg abzuhalten. „Der echte Ring vermutlich ging verloren.“
Klaus Ziegenberg


Leserbriefe zu „Lichtgestalt, ausgeknipst“ von Petra Pinzler

Welche Mission vertritt diese Lichtgestalt eigentlich, sehr geehrte Frau Pinzler? Deindustrialisierung und Verelendung der Massen aufgrund der Auffassung, dass es ohne die Menschheit keinen Klimawandel gäbe? Was ja letztlich auf Klimaleugnung hinausläuft? Thunberg zählt zu jenen verhaltensauffälligen Leuten, die erklären, dass man durch den Verzicht aufs sündhafte Schnitzerl den Milliarden Jahre währenden Klimawandel stoppen könne – und die sich wie tobsüchtige 5jährige gerieren, wenn man widerspricht. Their fault. Der Ökologismus ist ein misanthropischer Todeskult, weswegen so viele Klimaschützer so wenig für Menschen übrig haben! Antimenschliche Ideologien passen aber selbstverständlich sehr gut zum Antisemitismus, der letztlich die Quintessenz des irrationalen antihumanen Hasses ist!
Prominente Klima“schützer“ wie Thunberg, Barack Obama, Antonio Guterres, Tilda Swinton, Aileen Getty, Judith Butler, Roger „Auschwitz is just another fuckery“ Hallam etc etc etc sind immer auch empfindungslos, wenn Juden abgeschlachtet werden. Und: Schon Hitler war in dieser Angelegenheit rührig: Umweltschutz, Vegetarismus, Biodynamik, lokale und saisonale Diät, Vollkornbrot statt „verjudetes giftiges“ Weißbrot, Tofu statt Schnitzel etc. etc. waren Kernelemente der nationalsozialistischen Politik – inklusive eben Holocaust und Islamophilie. Himmler war in den Großmufti von Jerusalem richtiggehend vernarrt und schenkte ihm zwei muslimische SS-Divisionen. Kommt es in den antisemitischen islamophilen Klima“schützern“ zu einem Recycling des Nationalsozialismus? Ich hoffe nicht!!
Matthias Urban

Aktivisten schaue nicht nach links oder rechts. Sie wählen sich ein Ziel. Dann ordnen Sie alle anderen Probleme diesem Ziel unter. Verächtlichmachung, Diffamierung, üble Nachrede und Diskreditierung anderer Argumente sind keine Seltenheit. Die praktische Vernunft bleibt dabei auf der Strecke. Mit Ideologien sind hoffentlich und glücklicherweise keine Mehrheiten zu gewinnen.
R. Reiger

Mit Verlaub, aber mir drängt sich der Eindruck auf, dass die ehemalige Vorzeigeikone und Gallionsfigur Greta Thunberg sich da in etwas verrannt hat. Vielleicht ist es jugendlicher Leichtsinn. Auf jeden Fall wirkt sie etwas verblendet. Vielleicht irre ich mich aber auch. Vielleicht sollten wir uns alle ein Palituch umwerfen. Und einen Kotau vor den Hamas-Terroristen machen. Falls die Thunbergianer dieser Welt tatsächlich auf dem absteigenden Ast sitzen, dann bekommt das Kürzel FFF eine ganz andere Bedeutung.
Fertig für den Friedhof. Fragwürdige Fokussierung endet im Fiasko. Fatale Führung im Fall.
Michael Ayten

Unsere Kohlenstoffemissionen transformieren ein lebensfreundliches Holozän in ein risikoreiches Anthropozän, wo die irdische Leistung vom Ökosystem sinkt. Wurde das Problem von der Politik begriffen? … Das Kind G. Thunberg rührte ans Herz; aber nicht am Verstand. Sonst wäre folgendes Berliner parlamentarische Fazit „ein höherer Preis für Kohlenstoffemissionen wäre sinnvoll, aber schadet dem Wettbewerb“ nicht möglich. Danach war fff-Bewegung erledigt, da Sie das Herz der Politik nicht erreichte: Ähnlich der alttestamentarischen Erzählung von Abraham & Isaak sind politische Väter bereit ihren Sohn für ein „monetäres Weltbild als höhere Macht“ zu opfern. Seit 9/11 wird die religiöse Dimension politisch ignoriert: Was bitte ist Israel? Eine theokratische Idee vom „gelobten Land“ oder ein konkreter geografischer Bezug? Nach alttestamentarischer Erzählung entfaltet sich durch den Gottesbezug ein territoriales Gebiet. Bei Gottvergessenheit verlor das jüdische Volk das Gebiet. De facto leben wir in einer globalen Schoah; und wir verlieren sukzessiv die Kontrolle über eine evolutionäre Abwärtsspirale. Zynischerweise macht ein unversöhnlicher Hass einen Sinn, da der Hass die natürliche Tötungshemmung senkt und Tote keinen Bedarf an Ressourcen haben – kurzgefasst Artreduzierung als Lösung. Und das Alles, weil wir uns weigern eine axiomatische Wirtschaftstheorie naturwissenschaftlichen Einsichten anzupassen.
Matthias Losert

Ich bin der Meinung, dass die Politisierung der Bewegung ein Risiko darstellt. Die Klimabewegung hat ihre Stärke darin, dass sie ein einfaches und verständliches Ziel hat: mehr Klimaschutz. Wenn die Bewegung nun auch andere Themen in den Vordergrund stellt, wird sie komplexer und schwerer verständlich. Dies könnte dazu führen, dass sie ihre breite Akzeptanz verliert. Ich halte es daher für wichtig, dass die Bewegung sich auf ihre Kernaufgabe, den Klimaschutz, konzentriert. Natürlich kann die Bewegung auch andere Themen ansprechen, aber dies sollte nicht im Vordergrund stehen. Die Bewegung sollte sich darauf konzentrieren, die Menschen für den Klimaschutz zu mobilisieren und die Politik zu mehr Klimaschutz zu drängen.
Stefan Pachmayr

Greta Thunberg hat sich bewusst in die Öffentlichkeit begeben, jetzt macht sie den Fehler, als junger Mensch Leidenschaft für eine Sache zu zeigen, zu wenig über beide Seiten zu reflektieren. Bei der Wut über Tausende toter Zivilisten einen Menschen als Lichtgestalt ausgeknipst zu bezeichnen, einen jungen Menschen, der noch dazu lernen kann, das empfinde ich als billige reißerische Schlagzeile.
Brigitte Faber

Ihr o.g. Artikel hat mich nach dem kürzlichen „Kopferhitzung“ (s.u.) nochmals bewegt mit einer Enttäuschung und einem Schmerz, wie ihn vielleicht Gewaltlosigkeits-Vertreter oder Christen empfinden würden, wenn Ghandi oder Jesus plötzlich mit einer gewalttätigen Organisation sympathisieren oder sich verbünden würden.  Vieles dazu habe ich schon zum Artikel „Kopferhitzung“ geschrieben, weshalb ich den Leserbrief dazu nochmals als Weiterleitung an den Schluss setze.  Luisa Neubauer und Maja Göpel haben einiges zu dieser Tragik gut auf den Punkt gebracht.  Das Schlimmste ist wohl nicht was „Greta“ und ihre Verbündeten gesagt haben, als was sie nicht gesagt haben, zu beiden Seiten in diesem tragischen Konflikt. So kann erneut der Eindruck entstehen, dass sie in ihrer Einseitigkeit und Pauschalisierung das Wohl der Palästinenser gleichsetzen mit einem Erfolg der Hamas und ihrer Kriegsverbrechen.  Eine zulässige Stellungnahme dürfte sich mit dem Leid der unschuldigen palästinensischen Opfer solidarisieren, nicht aber mit Siegeshoffnung für Terroristen oder Solidarisierung mit Demonstranten, die eine solche ihrerseits hegen. Allerdings setzt eine glaubwürdige und konsequente Solidarisierung mit den israelischen Opfern und dem Existenzrecht Israels ebenso eine Differenzierung voraus, dass dies keine Zustimmung zur Annexions- und  Siedlungspolitik besonders der radikalen rechten und religiösen Kräfte in Israel bedeuten darf oder gar muss, genauso wenig, wie  im 2. Weltkrieg eine Empathie und Solidarisierung  mit den Bomben-Opfern von Dresden  keine Erfolgshoffnung für die Nazis  bedeuten durfte, die ja auch eine Art „Befreiung“ ihres Volkes für sich reklamierten.
Der Krieg in Gasa wäre ansonsten  eine Gelegenheit gewesen, beide Seiten zu ermahnen, endlich die Klima-Erhitzung als  gemeinsamen Feind zu erkennen, und zum Kampf gegen diesen sonstige Feindschaften durch friedliche und  möglichst gerechte Verhandlungen und Kompromisse beizulegen, in denen die völkerrechtlich legitimen Interessen beider Seiten bestmöglich berücksichtigt werden.   Durch die nun eingetretene einseitige und pauschalisierende Stellung- und Parteinahme sind die ohnehin schon prekären Chancen  einer noch rechtzeitigen Rettung  des Klimas in die Nähe des Nullpunkts gesunken, besonders international,  und der globale Norden wird es viel leichter haben, G. Thunbergs ökologische Botschaften abzutun als extremistische Spinnereien  und der globale Süden wird sich bestärkt sehen,  die weitere Verschlimmerung der Klimakrise  als alleinige Verantwortung oder Schuld des Nordens zu deklarieren  ohne irgendeine eigene Verpflichtung zur Problemlösung beizutragen, sei es nur zur zielführenden korrekten Verwendung  der geforderten klimabezogenen Hilfs- und Entschädigungs-Gelder.
Damit ist möglicher Weise der letzte Sargnagel für einen internationalen Erfolg der Hauptziele der FFF eingeschlagen, nach allen sonstigen  unterschiedlich schlimmen anti-ökologischen Heucheleien, Vernachlässigungen und Handlungen fast aller Länder der Welt. Selbst mit Null Rücksicht auf Schuldenbremsen würden wir die Rettung des Klimas und der sonstigen Zukunfts-Voraussetzungen m.E. nicht schaffen, ohne Ergänzung durch mehr Arbeit (dafür), „Verzichte“, „Verbote“, Steuern, Abbau fossiler Subventionen, Lernen und Lebensstiländerungen.  etc.  Angesichts der weitgehenden Ablehnung und  Tabuisierung von all dem auch international durch Presse, Wähler und Politik  bin ich inzwischen ziemlich pessimistisch, nicht für mich selbst (als 71jähriger Rentner), aber für die nächsten Generationen,  „kämpfe“ allerdings dennoch weiter, aber nicht mehr wegen „Sieges-Zuversicht“, sondern fürs Gewissen, um die wirklich betroffenen und konsequent und ehrlich für die vor allem ökologische Zukunft arbeitenden nicht im Stich zu lassen, zumindest solange es noch wenigstens mikroskopische Chancen gibt.
Peter Selmke

Mich überrascht die Entwicklung in keiner Weise. Schon vor fast vierzig Jahren hat Roger Scruton, einer der von der Linken meistgehassten konservativen Denker, in seinem Buch „Thinkers of the New Left“, später Neuauflage als „Fools, Frauds and Firebrands“, die Kaperung aktivistischer Bewegungen durch die postmoderne Linke auf der Suche nach dem neuen „revolutionären Subjekt“ vorhergesagt. Mit dem Auftauchen von FFF ergab sich sozusagen ein Glücksfall der Geschichte: Eine derart medienpräsente und ideologisch leicht manipulierbare (weil überwiegend von gutsituierten Jugendlichen ohne jede Lebenserfahrung getragene) Bewegung der fundamentalen Systemkritik hatte es schon lange nicht mehr gegeben. Und wie so oft erfolgte die ideologische Infektion auch dieser von apokalyptischen Denkmustern geprägten Bewegung in kurzer Zeit: Mit der Implantation der Ideologie der „Klimagerechtigkeit“ konnte bereits in der Frühphase von FFF der dauerhafte Grundstein für den mühelosen Brückenschlag zur politischen Auseinandersetzung gelegt werden.
Matthias Wagner

Frau Thunberg wird m. E. zu Unrecht kritisiert. Sie kann im Thema Nahostkonflikt nicht firm sein. Geschichte stand am Freitag auf dem Stundenplan und da hat sie gefehlt. So ein Pech!
Friedrich Freese

«Greta Thunberg sympathisiert immer offener mit den Palästinensern und spaltet so die Klimabewegung» Es ist an sich verständlich, dass Thunberg auch zum aktuellen Konflikt im Nahen Osten Stellung nimmt. Doch auch dabei ignoriert sie – wie gewohnt – den demographischen Aspekt. Dieses Verhalten schadet nicht nur dem Bekämpfen des Klimawandels. Denn das Abholzen der Urwälder und Umwandeln in Viehweiden und Palmölplantagen geschieht vornehmlich, um Lebensunterhalt (Arbeit, Nahrung, Bodenschätze) für die wachsende Weltgesellschaft zu liefern. Thunbergs Verhalten schadet aber auch der Suche nach Lösungen im Nahen Osten. Ihr Verhalten ist begründet durch das weit verbreitete einseitige Schuldzuweisen an den Westen. Dabei könnte der Westen durchaus auch als Vorbild dienen beim Lösen des demographischen Problems (weltweit und im Gazastreifen). Dies auch weil der Westen beim Lösen keine materielle Hilfe von außen bekam und daher weitgehend auf die beschränkten, lokalen Ressourcen angewiesen war.
Dazu folgendes: Die Berichte aus Nahost machen betroffen. Doch die Vorwürfe an den Westen wecken auch persönliche Erinnerungen an den zweiten Weltkrieg und regen an zu Vergleichen im Bereich der Demographie. Dazu folgendes: Am 16. Oktober 1944 wurde das Kaiviertel in Salzburg aus 6000 Meter Höhe von Bomben getroffen. Es gab 245 Tote (33 Kinder, 125 Frauen). Meine Mutter war mit uns 3 Geschwistern im sogenannten „Luftschutzkeller“ als die Nachbarhäuser getroffen wurden. Bald danach gingen wir bei Alarm in die Stollen in den zwei Stadtbergen. Meine jüngere, wenige Monate alte Schwester bekam die „Stollenkrankheit“ und der Arzt riet dringend zu einem Ortswechsel. Daher zogen wir zur Großmutter nach Göriach, einem kleinen Dorf auf 1200 Meter in den Alpen. Der Anfang war etwas schwierig. Zum Beispiel: Fremde Kühe fraßen die Windeln von der Leine, denn die Blockhütte der Oma stand auf Allmend. Sie meinte zu Mutter: Ich könnte dir ja helfen, aber du sollst spüren, wie es ist mit vielen Kindern. Als Magd hatte sie ihre beiden ersten Kinder abgeben müssen. Mit 28 Jahren heiratete sie Großvater, der 58 Jahren alt war (anno 1912). Erst in dem Alter hatte er die Mittel beieinander, um die Blockhütte (Baujahr 1673) kaufen zu können. Arme und Dienstboten (davon gab es viele) konnten keine Familie gründen. Großvater starb mit 68 und hatte drei Kinder. Doch nur mein Vater, der mit 17 über die grüne Grenze nach Deutschland ging, konnte eine Familie gründen. Seinen beiden Geschwistern fehlten die Mittel. Dass Dienstboten und Arme nicht heiraten konnten, wurde akzeptiert.
Der lokale wirtschaftliche Niedergang bewirkte, dass das Heiratsalter bei Männern auf 35 Jahre und bei Frauen auf 30 Jahre stieg. Der Anteil der Ledigen stieg steil an. (Details und Quellen auch im Buch «Die Technik reicht nicht» BoD 2016) Das Beispiel illustriert: Der Wohlstand in Europa beruht auch darauf, dass man bezüglich der Geburtenrate mit den vorhandenen Ressourcen auskommen musste (Stichworte: Klöster, Enterben der Geschwister des Hoferbens). Hilfe von außen war nicht vorhanden. Wir in Europa halten uns nicht für besser, aber wir können nicht die Verantwortung übernehmen für die absehbaren Folgen von unbegrenztem Wachstum von Kopfzahl und Konsum. Eine Grundlage für ein gutes Fortbestehen muss das Befolgen des kategorischen Imperativs nach Kant sein, auch auf dem Gebiet der Demographie, etwa: Handle so, dass gutes Fortbestehen gesichert ist, wenn alle so handeln wie du. Gäb’s wie im Gazastreifen weltweit die Geburtenrate 3.5, dann gäb’s im Jahre 2100 nach vier Generationen 72 Milliarden Menschen. Denn nach 2 Generationen gäb’s den Faktor 3 (1.75*1.75=3-06) und nach 4 Generationen den Faktor 9. Im Gazastreifen gäb’s dann 18 Millionen Menschen. Das Problem dabei ist weniger der Mangel an Ressourcen, sondern vor allem auch der Mangel an „normalen“ Perspektiven. Weil solche fehlen, werden Perspektiven genutzt beim Raketen- und Tunnelbau und beim Beitragen zur hohen Geburtenrate.
Gernot Gwehenberger


Leserbriefe zum Titelthema „Schmerz lass nach“ „Muss das so wehtun?“ von Nora Voit

Mich wundert ein wenig, dass in diesem gut recherchierten und informativen Artikel kein einziges Wort über Akupunktur zu finden ist. Ein guter Freund von mir hatte so starke Migräneattacken, dass die stärksten Schmerzmittel versagten und er zeitweise arbeitsunfähig war. Seit er sich regelmäßig akupunktieren lässt braucht er überhaupt keine Schmerzmittel mehr
Gerhard Schnitzler

Vielen Dank für den o.g. Artikel, der die Leidensgeschichte von Schmerzpatienten und Migränikerinnen aufgreift. Als eine Frau, die seit ihrem 6. Lebensjahr, d.h. seit nunmehr 60 Jahren, unter schweren Migräneanfälle leidet, könnte ich jetzt einen langen Erfahrungsbericht beisteuern, möchte mich jedoch auf einen Aspekt des Artikels konzentrieren: Migräne als Nebenwirkung der Corona-Impfung. Ich selbst habe wegen langjähriger Tropenaufenthalt seit meiner Kindheit unzählige Impfungen erhalten und noch bei keiner Impfung eine Nebenwirkung erlebt, nicht mal in geringster Form (z.B. Gliederschmerzen) und nicht mal bei solchen, die dafür besonders bekannt sind (z.B. Gürtelrosenimpfungen). Nach der Corona-Impfung hatte ich jedoch drei Monate Kopf- und Gliederschmerzen und danach noch ca. 1 1/2 Jahre Schmerzen über den linken Kopf-, Nacken- und Schulterbereiche (meine Migräneseite). Die Neurologen, die ich konsultiert hatte, erklärten mir, dass solche Folgewirkungen bei Migränikerinnen nicht selten seien. Manche hätten sogar Gesichtslähmungen, die jedoch irgendwann wieder verschwänden. Schön, dass ich das auch mal erfahren habe! Das stand nämlich nicht in dem Aufklärungsblatt, das ich vor der Impfung erhalten habe. Was ich damit sagen möchte: Ich selbst halte es (im Gegensatz zum Arzt der Autorin) für sehr wahrscheinlich, dass eine Verstärkung des Migränegeschehens durch die Corona-Impfung bewirkt werden kann.
Marion Messerschmidt

Dafür, dass der Artikel unter „Schmerz lass nach!“ sogar Titelthema der Ausgabe 48 war und im Radio beworben wurde, bin ich enttäuscht. Zwar wohlfeil formuliert und auch mit ehrlichen Beispielen aus dem Leben der Autorin versehen, werden da Erkrankungen zu sehr auf das Thema Schmerzen reduziert. Wenn es mal nur die Schmerzen wären! Dabei bringen viele der genannten Erkrankungen enorme Bewegungs-, Wahrnehmungs- oder Kognitionsprobleme mit sich, von Schmerzstärke oder Schmerzmittelkonsum unabhängig. Ich als Migränikerin verdrehe an manchen Tagen Worte, Zahlen und Vokale, kann kaum gerade sitzen, sehe schwarz vor Augen … Dann ist ein Kalender ein Kolinder, ich weiß nicht, ob ich Wang-Richter oder Richter-Wang heiße, verwechsle Judy Winter mit Elke Sommer, links mit rechts, b mit d, überweise falsche vierstellige Beträge an Phantasiekontonummern und zuweilen fehlt mir ein kompletter Migränetag in der Erinnerung.
Der Frage, ob die modernen Menschen im Vergleich zu Vorgenerationen schmerzempfindlicher geworden sind und zu viele Schmerzmittel nehmen, finde ich wie Äpfel mit Birnen vergleichen, denn unsere Vorfahren haben dafür bei Schmerzen schneller zu Alkohol, Mohnsaft, Schwefelbädern und Ähnlichem gegriffen oder sind zeitweise radikaler aus dem Alltag ins Bett gefallen. Lange hatte Migräne unter Nichtbetroffenen das Image der Hysterie, der spookyhaften Psychokrankheit und eines Spannungskopfschmerzes mit rätselhafterem Namen. Das sollte nun vorbei sein. Wenn man aber allzu lange über gestiegenen Tablettenkonsum, Psychotherapie, individueller Schmerzwahrnehmung schreibt und dem in der Betrachtung zu viel Platz einräumt, könnten Leser wieder zu den Vorurteilen von früher zurückkehren und glauben, mit etwas Achtsamkeit und einem Schmerztagebuch sei alles gut. Ich wünsche mir eher einen Artikel, der auf die neuen Migräne-Erkenntnisse aus den USA mit dem Sieben-Tesla-MRT eingeht.
Die Wahrheit ist doch: Bei Migräne und vielen anderen Krankheiten geht es einem ans Leder! Endometriose kann zu Gewebewucherungen im gesamten Bauchraum bis hin zum Darmverschluss führen, Polyneuropathie bis hin zum Verlust des Gehens, Rheuma zum Erblinden usw. Ob man nun viel oder wenig Schmerzmittel nimmt: Auch Migräne geht einem an die Wahrnehmungs-, Lebens- und Überlebensfunktionen, also Doppelsehen, Schwindel, Verlangsamung, Erbrechen guter Speisen, im Straßenverkehr kann man leichter unter die Räder kommen und manchmal geht es so weit, dass man sich nicht einmal mehr an den Namen der Lieblingszeitung erinnert.
Ilona Wang-Richter

Seit vielen Jahren haben mein lieber Gatte und ich DIE ZEIT als Printmedium abonniert. Das läuft für uns unter der Rubrik ,,Was mein Leben reicher macht“. Ihr Artikel ,,Muss das so weh tun“ ist mehr als überfällig und ich danke Ihnen, dass Sie dem Schmerz und vor allem der Hölle der chronischen Migräne ein Gesicht in der Öffentlichkeit geben. Schöner wäre allerdings für Sie, wenn Sie diesen Artikel nicht hätten schreiben können oder zumindest nicht aus eigener Erfahrung hätten berichten müssen. Meine Leidensgeschichte begann ebenfalls in der Kindheit und schloss mich vom normalen Leben junger Menschen aus. Nach 35 Arbeitsjahren im Gesundheitswesen und später als Pharmareferentin wurde ich mit ca 22 Migränetagen (mit Aura) im Monat berentet. Was habe ich alles verschrieben bekommen, ohne dass meine Migräne auch nur ansatzweise nachließ! Aufgrund einer Gerinnungsstörung ist meine Schmerzmittelauswahl zudem deutlich minimiert. Und Triptane, ich bin mittlerweile fast 60, werden für mich immer mehr zur akuten Gefahr und die NW immer heftiger. Ich nehme sie trotzdem, wenn ein besonders schwerer Anfall naht. Mein lieber Neurologe hatte es sogar geschafft, dass ich Cannabispräparate einnehmen durfte. Keine Wirkung!
Nach meiner ersten Covid-19 Impfung (welche ich damals glücklich entgegennahm) geriet ich in einen Migränestatus. Mittlerweile habe ich ca. 25 Migränetage im Monat. Doch den Zusammenhang zur Impfung wollte niemand sehen. Wie bei Ihnen! Eine Antikörpertherapie werde ich nicht beginnen. Amerikanische Studien zeigen, dass diese die Frequenz der Anfälle noch erhöhen können. Ihre Erfahrung hat meine Entscheidungsfindung erleichtert. Letztendlich muss man diese asozial machende Krankheit wohl hinnehmen. Mit dieser Anlage wird man/ frau/d geboren und warum sollte das irgendein Medikament ändern können. Wir sind trotzdem wertvolle Menschen und können WEGEN der Migräne die seltenen (schmerzfreien) Momente feiern und wissen um das große Glück dieser Momente. Ein lieber Partner an der Seite verstärkt dieses Glück noch ungemein. Auch das haben wir gemeinsam. Und so verbleibe ich mit den besten Wünschen für Sie und für alle chronisch schmerzgequälten Menschen dieser Welt. Vielleicht hat Ihre Migräne irgendwann mal Mitleid mit Ihnen und zieht sich ein wenig zurück. Ich wünsche es Ihnen sehr.
Heike Westermann

Wenn die Millionen Schmerzpatienten weiter auf dem Weg der Schmerz-Medikamenten Einnahme bleiben, werden Sie – im schlimmsten Fall – mit durchgebrochenem Magengeschwür = exodus rechnen müssen. (Starke Schmerzmedikamente, über längeren Zeitraum eingenommen schädigen nachweislich die Darmschleimhaut) „Wisse die Wege „Hildegard von Bingen, Weg 1: der Schmerz ist lokalisiert am Schädel – über dem Auge = nach TCM gehört das Auge zur Leber und liegt auf dem Gallenblasen Meridian. Der Körper sagt: Ich habe Probleme Toxine zu entgiften, die im Gehirn abgelagert sind und / oder vermutlich im Mundraum liegen. Weg 2: T E S T: Elektroakupunktur nach Dr. Voll / Kinesiologie n. Klinkhart, die Toxine finden, Weg 3: die Osteopathie untersucht den Schädel auf verschobene Schädel/ Halswirbel Knochen, und das Kiefergelenk. Ursache: Unfall oder Stoß, Schlag, akut oder seit der Geburt. Weg 4: weitere Optionen: die chinesische Medizin – die ayurvedische Medizin – die tibetische Medizin haben ganze Völker Jahrtausende lang gesund gehalten. Wenn ein Weg nicht zum Erfolg führt, gehe einen anderen.
Charlotte Probst

Mein Rat an Sie: Akupunktur. Sechs sehr angenehme Sitzungen (Akupunktur ist „Schlafen mit Nadeln“), die ich selbst bezahlt habe und die mir ein gutes halbes Jahr Beschwerdefreiheit gebracht haben – völlig ohne Medikamente und all ihren Nebenwirkungen. Ein Versuch ist es wert.
Dominique Moldehn


Leserbriefe zu „Das Unbehagen an Judith Butler“ von Anna-Lena Scholz

Vielen Dank für das Teilen Ihres Unbehagens! So verstehe ich den Titel Ihres Beitrages, vielleicht auch, weil ich nach einigen Medienberichten über die von Judith Butler unterschriebenen offenen Briefe ein Unbehagen spürte und mich sehr nach Aufklärung sehnte. Diese Aufklärung ist Ihnen sehr gut gelungen! Nicht, weil ich nun wüsste, was Sie denken oder – geschweige denn – was ich denken müsste. Aber die Zusammenstellung dessen, was Sie uns als Leser*innen mitgeben, war sehr bereichernd! So viele unterschiedliche Aspekte und alle haben mich bei meinem Denken einen Schritt weitergebracht. Was bleibt ist ein Unbehagen, das Unbehagen, dass mein Auffassen von Antisemitismus (nicht Auffassung, aber das schiere Auffassen) manchmal Missverstehen gleicht, v.a. dann, wenn ich zu schnell glaube, nun die „richtige“ Auffassung zu kennen…
Corina Güthlin

Wie anmaßend und moralisch unterentwickelt muss eine Journalistin sein, die glaubt eine große Philosophin wie J. Butler interpretieren und korrigieren zu können. Die Professorin hat in ihrer Stellungnahme zum Gazakrieg fair, gerecht und hochwertig ihre Position bekundet. Die Stellungnahmen von Scholz dazu finde ich zwar dem journalistischen Mainstream entsprechend, jedoch absurd und in der anhaltenden und ausgelaugten „Sprachschleife von der Selbstverteidigung Israels“ unsäglich dumm und peinlich.  Was derzeit an Töten und Morden in Gaza durch israelische und amerikanische Waffen geschieht, halte ich für ein Kriegsverbrechen und jeder/jede, die dies unterstützt und rechtfertigt, ist für mich mitverantwortlich an diesen Verbrechen. Beachtlich, dass die Aussagen von Judit Butler in diesem Medium abgedruckt wurde.
Claudia Lutter-Kurka 

Ich finde es verdienstvoll, dass mir der Artikel ein bissl das Werk von Frau Butler nahegebracht hat. Ansonsten bin ich eher unzufrieden: Was soll ich mit Aussagen wie, „Starphilosophin, Linksintellektuelle, eine der bekanntesten Denkerinnen der Gegenwart, deren Denken eine ganze Generation (welche?) geprägt habe, feministische Geschlechtstheoretikerin“, anfangen? Sorry, hört sich an wie Verlagswerbung. Enttäuschend und erhellend sind Aussagen wie, „dass jede Gewalt, auch die Selbstverteidigung, letztlich den Aggressor selbst verletzt“, „gewaltloser Widerstand könne „auf durchaus aggressive Weise verfolgt werden“. Diese Aussagen zeugen von Unkenntnis von dem, was Aggression ist. Alleine schon das Wort „Wider-stand“ (im engl. wäre es Re-sistance) impliziert Aggression. Gemeint ist wohl aktive, offene, relativ gut erkennbare Aggression. Aber gibt es nicht auch passive und strukturelle (z. B. Apartheid)? Ist das nicht bekannt? Hamas und Hisbollah seien Teile des globalen, linken Widerstands. Warum? Sind die Gemordeten vom 7.10.23 anders tot als die vom rechten Bombenattentat auf das Oktoberfest in München 1980? Rechtfertigt „links“ alle Mittel? Bei genauerer Betrachtung richtet sich rechter Terror gegen die Bevölkerung (München, Bologna), mordet unterschiedslos, linker richtet sich mehr gegen „Repräsentanten des Systems“ (s. RAF, ETA, Rote Brigaden).
Sofern man dies als Unterscheidungskriterium akzeptiert, ist die Hamas etc. rechts. Die Aussage, „die jüngst eskalierte Gewalt würde auf Israel zurückgeführt“, kann man doch nur treffen, wenn man von Eskalationsspiralen absieht, wobei es aber etwas später heißt, „es ist falsch die Verantwortung aufzuteilen“ und nur Israel verantwortlich zu machen. Ist das nicht widersprüchlich? Butler sei die „Überschreitung einer aufgeräumten binären Ordnung der Welt“ gelungen. Gab es die je? Weiß man nicht um die Politik der katholischen Kirche? Die abschließende Aussage von Kafka ist, auch wenn sie von Kafka ist, falsch. Wenn ich etwas richtig (!) auffasse, kann ich es nicht mehr missverstehen. Auffassen ist eine andere, viel umfassendere Qualität des „Wahrnehmens“ als verstehen. Aber, irren ist menschlich.
Gerd-Rüdiger Erdmann

Ihre Autorin Anna-Lena Scholz überschreibt ihren Artikel mit “DAS UNBEHAGEN”, aber was ist ihr Problem? 1. In ihrem Essay von Mitte Oktober hat sich J. Buttler klar zu den grauenvollen Morden der Hamas positioniert. 2. Frau Buttler hat außerdem einen offenen Brief sehr kontroversen Inhalts unterzeichnet, was ihre Haltung gegenüber der Gewalt, egal von wem sie ausgeübt wird, in keiner Weise relativiert. 3. Aus ihren Werken “Am Scheideweg” und “Die Macht der Gewaltlosigkeit” werden die für diesen Konflikt einzig denkbaren Lösungsansätze zitiert: “…dem Fremden ins Antlitz blicken…”; “…jede Gewalt, auch die Selbstverteidigung, verletzt letztlich auch den Aggressor selbst.” Dass die Autorin, welche Frau B. als “zugewandt und warmherzig” kennengelernt habe, ihr nun bescheinigt, sie würde mit ihrer Sicht der Dinge “danebenliegen” und ihr mit dem Kafka-Zitat auch noch “ falsches Auffassen und Missverstehen” zuschreibt, ist geradezu zynisch. Kein Wunder, dass Frau Buttler keine Lust mehr darauf hat, in Deutschland Vorträge zu halten.
Christoph Späth

Ich gehöre auch zu den Fans der israelischen Demokratie, des Rechtes auf Verteidigung dieses Staates. Israel musste Kriege führen. Ich werde trotzdem die toten Zivilisten in diesem Konflikt niemals rechtfertigen und auch nicht die israelische Siedlungspolitik. Palästinenser wurden vertrieben (1948) auch von Israelis, viele leben seit 75 Jahren in Flüchtlingslagern (1982 ermöglichte die israelische Armee Massaker in S. und Chatila und schaute zu, nach UN-Bericht), wenn man das alles nicht sagen darf, dann stimmt etwas nicht, 1982 ging man in Israel auf die Straße, weil es dort eben Demokratie gibt, ich hoffe das bleibt so
 Brigitte Faber

Jüdische Philosophinnen haben es schwer mit ihrem Staat Israel und dem politischen Selbstverständnis seiner Politikereliten. Der Eichmannprozess und die Kommentare der Prozessbeobachterin Hannah Arendt stießen damals in Israel auf Kritik. Das alte Problem bei dem Aufeinandertreffen von Philosophie und Staatsräson bzw. Politik zeigt sich heute wieder bei der Philosophin Judith Butler wegen ihrer Haltung zum 7.Oktober und ihrem -angeblich- mangelhaften Verständnis für die Gräuel des Hamas-Massakers an den Zivilisten auf dem Boden Israels. Heute ist es allerdings wesentlich komplizierter da die palästinensische Hamas den Angriff aus einem mörderischen Selbstverständnis heraus mit der politischen Zielsetzung verbindet, Israel zu vernichten und sein Staatsgebiet zu übernehmen. Dem steht aber, so die mittlerweile bei den demokratischen Staaten des Westens sich verfestigende Überzeugung, eine 2-Staaten Lösung für die endgültige Befriedung des Konfliktes Israel und Palästina gegenüber.
Aber genau so konsequent wie die Hamas hatte der israelische Ministerpräsident Netanjahu mit seinen Regierungen aus extremreligiösen, orthodoxen und von Siedlerideologen besessenen Parteien nie eine2-Staatenlösung verfolgt. Es herrschte also eine Art absurdes politisches Gleichgewicht zwischen den staatenlosen Palästinensern und den ihre Gebiete kontrollierenden Israelis. Aber eben ein Zustand der schreienden Ungerechtigkeit gegenüber den Palästinensern. Es gibt inzwischen immer mehr Israelis die Netanjahu das vorwerfen. Diese politischen Widersprüche zu bewerten und die damit verbundene Verquickung zwischen Staatsideologie und Religion auf beiden Seiten als Urproblem des Dauerkonflikts aufzudecken bleibt leider oft der Philosophie überlassen. Wenn Politik und Religion derart miteinander verzahnt sind versagen sie auf schreckliche Weise -wie immer, wenn es um die Not und Verzweiflung oder gar die Vernichtung unbeteiligter und unschuldiger Menschen geht. Das zeigte sich schon bei dem russischen Überfall auf die Ukraine, wo ein Putin mit der russisch-orthodoxen Kirche ein Zweckbündnis suchte und fand. Das der Philosoph(in) sich damit den Angriffen von Politik und Religion aussetztadelt ihn eher. Aber die Philosophie findet leider oft die ehrlichsten Antworten.
Klaus Reisdorf

Vergangene Woche dankte ich für die ausgewogene Berichterstattung zu dem Geschehen in Israel und Gaza seit dem 7. Oktober und im Besonderen für den wundervollen Artikel von Navid Kermani. Heute danke ich erneut, diesmal im Besonderen für den wundervollen Artikel von Anna-Lena Scholz. Sie helfen mir, Judith Butlers Tun besser zu verstehen und jedenfalls zu verstehen, dass es – wieder einmal – nicht so einfach ist mit den Verurteilungen und Ehrerbietungen.
Sibylle Riffel


Leserbriefe zu „Dabei sein ist gar nichts“ von Matthias Kalle

Nach o g. Bericht fällt es mir schwer, sachlich und ohne Emotionen zu schreiben. Entweder ist der Autor noch nie beim Sport selbst in der Rolle des Verlierers/Gewinners gewesen, oder er ist Literaturwissenschaftler wie der zitierte Jan Philipp Reemtsma. Und ob man an und aus Niederlagen wächst!! Ich habe diverse Sportarten betrieben. Mannschaft und Einzel.  Niederlagen und Siege. Und ich kenne genug Sportler, die alle bestätigen können, dass u.a. Ehrgeiz, als auch die Motivation aus einer Niederlage entscheidend für die – hoffentlich erfolgreiche – weitere Entwicklung im Sport waren. Dazu gehört auch das Eingestehen einer Niederlage, mit dem Respekt gegenüber dem Gegner. Übrigens war das Beispiel aus dem Fußball nur Wasser auf den Mühlen der Fußball Kritiker – verwöhnte Egomanen.
Ralf Abel

Woher nimmt der Autor die Gewissheit, dass jeder ein angeborenes Recht hat, zu gewinnen, dass die Würdigung des Sieges kein Teil des Wettbewerbs ist, und dass man als Gewinner zu Recht (!) Angst davor haben sollte „…von den Verlierern eine aufs Maul zu bekommen“? Auf welche kulturellen Traditionen beruft er sich da? Das Alte Testament? Soll das Satire sein oder ist es ein Aufruf zur Gewalt?
Leonhard Preiss

Daumen runter für Ihren Artikel und den ganzen Zirkus Maximus. Gibt es jetzt eine Satirekolumne in der ZEIT? Ein Rest zivilisiertes Verhalten sei im Profi-Männerfußball wohl noch geboten. Den pädagogischen Auftrag unserer Fußballmillionäre bitte ich zu beachten. Die Schiedsrichter des Amateurfußballs werden es ihnen danken. Wir reden hier von einem Spiel und nicht von Krieg. Wobei, bei der ganzen Kohle, die dabei über den Tisch geht, ist Männer-Profifußball Politik mit anderen Mitteln. Was habe ich mich gefreut, dass Sepp Blatter endlich weg ist. Was fiel mir die Kinnlade runter, als sein Nachfolger sich als noch gierigerer Turbokapitalist enttarnte. Was heißt da eigentlich noch Sieg und Niederlage? Zurzeit siegen arabische, menschenrechtsverachtende Königshäuser, die noch schnell ihre Petrodollar irgendwo unterbringen müssen.
Ihre kriegerische Auseinandersetzung zu dem Thema ‚Bedeutung von Sport und Spiel für die Persönlichkeitsentwicklung‘ im Allgemeinen und ‚das Balzverhalten des paarungsbereiten Fußballfänchens‘ im Besonderen ist völlig am Thema vorbei. Wenn sich Profifußballer und Profifußball-dabei-seiende (sog. Fans) anschreien, anspucken, sich die Ohren abbeißen, um des Sieges Willen, dann nenne ich das barbarisch-pubertär. Solches vom Lehrpersonal zu rügendes Schulhofgedisse. Da müssen umgehend die Eltern zum Krisengespräch eingeladen werden. Niedrige Misserfolgstoleranz oder mangelnde Impulskontrolle, wie Sie sagen. Sport ist so etwas leider nicht. Aus Mario Balotelli ist zurecht kein Fußballgott geworden. Dessen Sozialisation mal genauer zu betrachten, kann ich Ihnen wärmstens empfehlen.
Sie zitieren Jan Philipp Reemtsma zum Thema. Dessen Expertise halte ich hier für mindestens voreingenommen. „Man geht an Niederlagen zugrunde…“ Klar, dass ein traumatisiertes Entführungsopfer eine ganz besondere Sichtweise auf Niederlage und Demütigung hat. Scheint mir notwendig bedingt. Repräsentative Lehrmeinung daraus heranzuziehen, finde ich unpassend. Im Spiel haben wir Spaß miteinander. Wer spielt, gewinnt, heißt es. Mit fairen Mitteln einen archaischen Wettkampf zivilisiert austragen und hinterher sich gemeinsam darüber freuen, dass der Verlierer heute nicht mehr den Göttern geopfert werden muss oder aus dem Dorf gejagt wird. Gleichzeitig das Erleben einer Mikro-Solidargemeinschaft, für die man kämpft, die ein gemeinsames Ziel verfolgt und gemeinsam gewinnt oder verliert. Das sollte es sein. Darum Fair Play, darum Respekt vor allen Mitspielenden. Call me pxxxx! Ihr Machismo stinkt mir auch gewaltig, Sie Gefühlsultra. Ich erinnere mich lieber an Eddy-the-Eagle, Bob-Team Jamaika 1 und den FC St. Pauli. Die sind mir sympathischer und auch viel lustiger als charakterlose, steuerverkürzende Messis, Immer-Gewinner-FC Bayern (wie öde das ist) oder anal-vergewaltigende Ronaldos. Wer ist hier eigentlich der Versager, Herr Kalle?!
Andreas Fesser

Stimmt schon. Diese Heuchelei im Sport, insbesondere im Profisport, geht mir auch auf den Geist. Neulich, ich weiß nicht mehr, welches Finale das war, war ich ziemlich überrascht, dass die Verlierermannschaft sich ausnahmsweise mal nicht die Silbermedaille direkt vom Hals gerissen hat. Dieses dämliche Spalierstehen für die Sieger sollte man sich auch sparen. Aber ansonsten bin ich anderer Meinung, aber das bezieht sich mehr auf Kinder und Gesellschaftsspiele. Zum Glück hatte ich als Kind relativ wenig mit anderen Kindern zu tun, die bei einer Niederlage wie Kinski ausgerastet wären. Mir selber war es wichtiger, dass überhaupt gespielt wurde. Natürlich sollte man ein Spiel ernst genug nehmen und auch einen gewissen Ehrgeiz entwickeln, das Spiel zu gewinnen („kooperative“ Spiele sind im Normalfall Schwachsinn), aber dieser Ehrgeiz sollte nie krankhaft sein. Es gibt nicht nur schlechte Verlierer, sondern auch schlechte Gewinner und ich weiß nicht, was schlimmer ist. Dass Dabeisein „gar nichts“ sei, würde ich so nicht stehen lassen wollen. Das ist neoliberaler Quatsch!
Thomas Manthey

Es sind schon einige wenig ansehnliche Wunden im weltweiten Sport, in die der Autor seine Finger legt. Zurecht. Aber daraus schlussfolgernd in den Raum zu stellen, dass das Verlieren im Wettkampf nur eine anhaltende Demütigung darstellt und das persönliche Heil nur im „schlechten Verlieren“ liegt, zeugt von wenig eigenen Erfahrungen im (Wettkampf-)Sport. Und führt all die tagtägliche Arbeit von vielen Millionen Übungsleiterinnen und Übungsleitern ad absurdum, die ihren Zöglingen Respekt, Fairness, Teamgeist etc. nahezubringen versuchen. Uns vom Fair Play zu verabschieden, hieße dem ungezügeltem Treiben der Körperertüchtigung (bis, zum Ende gedacht, hin zum mortalen Ende eines Teils der Teilnehmer) das Wort zu reden. Dies will ich mir gar nicht weiter vorstellen.
Albert Mehl

Ist Ihnen eigentlich schon mal die Idee gekommen, dass es beim Sport zuallererst um die sportliche Betätigung gehen sollte und nicht ums Gewinnen? Um die Schönheit der Bewegung, um gute Spielzüge? Wenn man es so sieht, kann man durchaus auch „gegnerisches“ Können anerkennen und genießen. Wenn aber, wie von Ihnen beschrieben, das Erheben über den “ Gegner“, ja, offensichtlich auch das Erniedrigen der anderen Mannschaft das Ziel sein soll (und allenthalben im Sport auch ist), hat das mit Sport nichts mehr zu tun, sondern   mit Kampf und letztlich mit der Einübung kriegerischen Verhaltens. Das wird schon kleinen Kindern so beigebracht. Es ist der Einübung demokratischen Verhaltens und Kooperation, die eigentlich die Grundlage des Zusammenlebens in unserem Staat sein sollte, völlig abträglich. Ja, es geht im Leben viel um Kampf. Aber wir sind in unserem Staat gut damit gefahren, den Kampf möglichst einschränken zu wollen. Das zu üben ist wesentlich zur Verhinderung neuer Fehden und Kriege. Wer das nicht verstanden hat, sägt an den Grundfesten unseres Gemeinwesens.
Dagmar Aßmann

„Mensch ärgere dich nicht“, an dieses Brettspiel muss man denken, wenn man den Artikel von Matthias Kalle liest. Haben die schlechten Verlierer tatsächlich besser verstanden, warum es im Leben geht, wie es in der Überschrift heißt? Oder haben wir eine Kultur aufgebaut, die ein Siegen um jeden Preis glorifiziert und Preise gibt es auf allen Gebieten für herausragende Leistungen. Schon in der Schule werden Schülerinnen und Schüler durch Noten miteinander verglichen und dass es auch anders geht, zeigen überall in die Zukunft weisende Schulformen, die ohne Benotung und statt eines ständigen Vergleichens Spaß am Lernen vermitteln. Eine Kultur des Miteinanders und nicht ein Gegeneinander kann für alle weniger Stress bedeuten, ohne dass weniger Leistungen erbracht werden, wie es Frederic Laloux in seinem Buch „Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit“ eindrucksvoll aufzeigt.
Eine Kultur des ständigen Vergleichens wird ad absurdum geführt, wenn es um ein Miteinander von Menschen mit und ohne Einschränkung geht. Wie reagiert ein Sportsystem, bei dem es vorrangig um Sieg und Niederlage geht?  Es schafft Sportspiele für behinderte Menschen. So wird eine Kultur des Siegens abgesichert und für die Pflege dieser Kultur ist der Artikel von Matthias Kalle ein gutes Beispiel. Geht es auch anders? Zum Beispiel Sport treiben aus Spaß an der Freude, um sich selbst und seinen Körper zu erleben, Sieg und Niederlage sind da gar nicht so wichtig, vor allem, wenn man nicht auf den Sport im Fernsehen oder im Stadion schielt.
Helmut Gattermann


Leserbriefe zu „Darf man Erdogan empfangen?“ Streit von Franziska Brandmann und Macit Karaahmetoglu, moderiert von Simon Langemann und Mark Schieritz

Ich habe heute ein Interview mit Frau Feldmann auf DLF gehört. Sie zeigt deutlich, wie die Atmosphäre zurzeit in Deutschland ist. Nämlich sehr beängstigend und verunsichert viele Menschen – insbesondere die Muslime. Zur Antisemitismus-Debatte – Interview Deborah Feldman, Publizistin https://www.deutschlandfunk.de/zur-antisemitismus-debatte-interview-deborah-feldman-publizistin-dlf-25dcca15-100.html
Sadiqu Al-Mousllie

Wieso hält die Bundesregierung an dem geplanten Besuch Erdogans, in der verabredeten Form fest? Unsere Außenpolitik möchte wertegeleitet sein. Wir haben ein Problem mit Antisemitismus in Deutschland. Erdogan hat die Hamas als Freiheitskämpfer bezeichnet, die Kurden in seinem Land sieht er als Terroristen. In Deutschland leben etwa 3 Millionen türkischstämmige Mitbürger, viele von ihnen sind viele Anhänger Erdogans. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob Herrn Erdogan eine Plattform (Pressekonferenz im Rahmen eines Staatsbesuchs) für seine unsäglichen Ansichten gegeben werden darf. Die Welt braucht einen Feuerlöscher und keinen Brandbeschleuniger.
Andreas Tischler

Diese Betrachtung berührt eine grundsätzliche Frage der deutschen Außenpolitik. Trotz aller Bekenntnisse ist nicht zu erkennen, welchen Grundsätzen sie folgt. Wir haben (hoffentlich) eine starke Bindung an die Denkweise der Aufklärung. Diese Identität wird jedoch nicht gelebt. Offenbar sind die politischen Mandatsträger von der Kraft der Aufklärung nicht mehr überzeugt oder sie scheuen vor einem öffentlichen Bekenntnis zurück Jedem Diskurs über Meinungen sollte eine Debatte über Tatsachen, die jeder wahrnehmen kann, vorausgehen. Erdogans öffentlichen Bekenntnisse zu den Zielen des Islamismus, zur Moslembruderschaft, deren Vorbilder die SA und die SS waren, gehören dazu. Bei seinem letzten Besuch zeigte Erdogan seinen Anhängern in Deutschland das A4bia-Zeichen, die gestreckte Hand mit dem in die Handfläche geklappten Daumen. Protestiert er damit gegen Diktatur und Willkürherrschaft, wie es im arabischen Frühling interpretiert wurde? Meines Erachtens keinesfalls.
Vielmehr erinnert er mit dem A4bia-Handzeichenan an seine religiösen und politischen Ziele. Die vier Finger der gestreckten Hand mit dem in die Handfläche geklappten Daumen bedeuten, die Moscheen sind unsere Kasernen, die Kuppeln unsere Helme, die Minarette unsere Bajonette und die Gläubigen unsere Soldaten. An dieser Tatsache wird weder Verharmlosung noch üble Nachrede vorbeiführen. Churchill stellte einmal fest, ein bedingungsloser Apeaser ist derjenige, der das Krokodil füttert, in der Hoffnung, dass es ihn als Letzten frisst. Der Kern der Aufklärung im 18. Jahrhundert war die Gewinnung von Erkenntnissen zur Erklärung von Ereignissen. ES ging nicht um Sieger und Verlierer im Streit der Meinungen, sondern um die Abwägung von Gründen (Tatsachen) für Ereignisse. Das Bekenntnis zu diesen Gedanken der Aufklärung ist offenbar verloren gegangen.
R. Reiger

Frau Brandmann wirkt auf mich wenig überzeugend. Es kommt darauf an, was man ihm sagt und wie man das Gespräch führt. Hier traut sich Frau Brandmann evtl. selbst zu wenig zu.
Christian Voll

Man darf Recep Tayyip Erdogan nicht nur empfangen, man muss(te) das auch tun, und Olaf Scholz hat das getan, das ist ein Bestandteil einer übergrünen Willkommenskultur. Wenn die Grünen bellen, dann kuscht der Rote Olaf und die gelbe FDP übt sich weiter in der Rolle einer mitregierenden Opposition! „Wer nicht kann, was er will, muss wollen, was er kann. Denn das zu wollen, was er nicht kann, wäre töricht.“ (Zitat von Leonardo da Vinci, 1452-1519, ital. Maler, Bildhauer, Architekt & Philosoph) Zwischen Olaf Scholz und Recep Tayyip Erdogan liegen schon immer Welten, denn der türkische Präsident hat schon immer eine völlig andere Meinung zum Weltgeschehen im Allgemeinen so auch zum Nahost-Krieg im Besonderen, als sie eben unser Bundeskanzler hat. Trotzdem brauchen wir ein sehr mächtiges Bollwerk im Osten und dieses Bollwerk heißt Türkei und die „Wartung“ des Bollwerks, das kostet uns natürlich eine Kleinigkeit. Gott sei Dank hat da die Ampel eine Zauberformel aus dem Zylinder gezaubert, die aus Schulden Sondervermögen machen kann! „Wir müssen lernen, entweder als Brüder miteinander zu leben oder als Narren unterzugehen!“ (Zitat von Martin Luther King, 1929-1968, US-am. Pastor & Bürgerrechtler)
Klaus P. Jaworek

Das Streitgespräch zwischen Brandmann und Karaahmetoglu ist insgesamt ganz interessant, einerseits stimmt es, was Frau Brandmann sagt, dass Erdogan und die Ditip die Freiheit, die wir in der BRD haben, bewusst missbrauchen, um ihr Süppchen kochen zu können und wir hier vor allem der Ditip zu viele Zugeständnisse machen, weil dadurch ein großer Teil der Türken hier von einer Integration direkt abgehalten wird.  Nach dem schrecklichen Brandanschlag mit Toten in Solingen habe ich als SV Lehrer zusammen mit der Schulleitung an unsrer Berufsschule einen Tag des Gedankens dann mitveranstaltet, wo alle Schüler zusammenkamen und Gespräche stattfanden und die Türkischstämmigen Schüler dann sprachen und wir gemeinsam darüber mit Reden über alle Probleme redeten, Es ist aber leider so, das bestätigen jedische oder kurdische Personen, dass türkischstämmige Personen teils sehr berechtigt über Hintansetzung oder Diskriminierung reden, selbst aber völlig frei andere diskriminieren in der Reihenfolge Griechen, Kurden, Armenier. Und das beanspruchen sie für sich, als sei dies etwas anderes, als wenn es ihnen auch geschieht. Das Schauspiel Köln brachte vor einigen Jahren ein Schauspiel „Istanbul“ heraus, in dem nun professionale Schauspieler des Theaters mit Laien gemeinsam auftraten, da wurde von den Laienspielern – die schon 25 Jahre und länger in der BRD leben, teils Geschäftsleute aus der Keupstraße waren – mit großer Selbstverständlichkeit behauptet, der Völkermord an den Armeniern hätte gar nicht stattgefunden, der wäre eine Erfindung. Der inzwischen verstorbene Autor Akhanli war auch auf der Bühne als Laie, und es wurde auch bestritten, dass im Dersim 1937/38 ein kleinerer Völkermord an den alevitischen Kurden stattgefunden hätte.
Leider ist es so, dass 9 von 10 türkischstämmigen Personen hier in der BRD genau so denken. Als Erdogan bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Scholz dann uns Deutschen vorwarf, wir hätten durch das Schuldbewusstsein am Völkermord mit 6 Millionen Juden im 3. Reich deshalb beim Thema des Staates Israel eine für ihn falsche Position, weil wir einen Schuldkomplex hätten. Die richtige Antwort von Scholz hätte da lauten müssen, in der Türkei wurden ca. 1,5 Millionen Armenier umgebracht, das würde aber ihn und die Türkei jetzt nicht aber davon abhalten gemeinsam mit Aserbeidschan genau jetzt gegen Armenier aufzutreten und Aserbeidschan seinen Beistand anzubieten, diese Erinnerung wäre von Scholz die richtige Antwort auf den Vorwurf von Erdogan gewesen. Mich würde es schon interessieren, wie der Abgeordnete Karaahmetoglu zu der Frage der Armenier-Morde steht. Bisher ist alleine der Ernährungsminister Özdemir von den Grünen hier mit einer klaren Aussage vorhanden gewesen. Es stimmt schon, was Karaahmetoglu sagt, man muss mit Erdogan reden, man muss aber auch eine Gegenrede wagen und sich nicht alles gefallen lassen, sonst glaubt Erdogan er kommen mit Allem durch.
Ulrich Keck


Leserbriefe zu „Soll mein Sohn hier arbeiten?“ von Stefanie Flamm

Ich bin Sozialarbeiter (i.R.). Im Laufe meiner 37 Berufsjahre haben mir die Gerichte rund 250 Menschen als Vormund und Betreuer anvertraut, die meisten davon im Bereich der Behindertenhilfe.  Hier gleich mal Kritik am Artikel: Volljährige Menschen stehen nicht unter Vormundschaft, sondern seit rund 30 Jahren unter rechtlicher Betreuung, soweit dies erforderlich ist (BGB 1814).  Ich habe alles erlebt: Menschen, die es geschafft haben, aus der Werkstatt auf den ersten Arbeitsmarkt zu kommen. Ein Teil hat sich jahrelang dort gehalten, ein Teil war froh, wenn er nach einer Verschlechterung des Gesundheitszustands oder einer Schließung der Firma wieder in die Werkstatt gehen durfte. Einer hat es sogar zweimal geschafft: als es ihm wieder besser ging, bekam er eine zweite Chance in einer anderen Forma.
Einige wurden im Laufe der Zeit schwächer und kamen in die Förderstätte. Auch von dort gab es Rückkehrer. Die meisten aber waren froh, wenn sie durch die Werkstatt eine Tagesstruktur hatten, etwas zum Barbetrag für Heimbewohner dazu bekamen. Sie wären auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht einsetzbar gewesen: nicht verkehrssicher, keine aktive Sprache, häufige Erschöpfungszustände mit mehreren zusätzlichen Pausen, viele gesundheitsbedingte Fehlzeiten etc. etc. Wer diese Einrichtungen abschaffen will, macht viele Menschen unglücklich. Raul Krauthausen und Katrin Langensiepen verkennen die Bandbreite der Lebenswirklichkeiten von Menschen mit Behinderungen und fokussieren einseitig auf agile, sprach- und kampagnenfähige Menschen (wie sie selbst), die auch keine Betreuer brauchen. Eine Fehlsicht, der die Bundesregierung schon beim Bundesteilhabegesetz aufgesessen ist. Fehler sollte man nicht wiederholen.
Gerhard Wendler 

Ich arbeite als Sozialarbeiter an zwei Förderschulen in Steglitz – Zehlendorf. Die Schulen haben Schüler*innen mit den Förderschwerpunkten Lernen, Körperlich-Motorische Entwicklung, Autismus und Geistige Entwicklung. Ich habe den besonderen Auftrag an beiden Schulen, die Schüler*innen beim Übergang Schule / Beruf zu beraten und zu begleiten. Eine der Schulen, Biesalski – Schule, trägt das Qualitätssiegel „Schule mit exzellenter Beruflicher Orientierung seit 2014. Wir haben verschiedene Methoden für die nachhaltige, adressatengerechte Ansprache bei der beruflichen Orientierung entwickelt. Unser Bestreben ist es immer wieder unsere Angebote an die aktuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten der einzelnen Schüler*innen auszurichten. Erst Mittwoch letzter Woche haben wir den „Markt der Berufe“ veranstaltet. Dabei handelt es sich um eine kleine Messe in unserer Turnhalle, die das „ganze“ Spektrum der Möglichkeiten zu der Frage „Was nach der Schule?“ zeigen soll.
Wir haben dazu Betriebe eingeladen die unterschiedlichen „Betriebstypen“ gehören: Betriebe die Arbeitsplätze für Menschen anbieten, die im eigenen betrieblichen Rahmen qualifiziert werden. Ausbildungsbetriebe, Träger, die geförderte Ausbildung in unterschiedlichen Varianten anbieten, (Förderung durch die Jugendhilfe oder die Agentur für Arbeit), Inklusionsbetriebe, Beratungseinrichtungen / z.B. Handwerkskammer Berlin, Werkstätten für behinderte Menschen, Angebote zu Freiwilligenarbeit. Teilgenommen haben letzten Mittwoch 17 Aussteller. Die geringe Zahl der ausstellenden Betriebe / Institutionen hat das Ziel, eine angenehme und entspannte Atmosphäre für die Schüler*innen zu schaffen. Etwa 160 Schüler*innen haben den Tag dieses Jahr besucht. Ein weiterer Bestandteil unserer orientierenden Angebote sind an REBOUND angelehnte Trainings. REBOUND – Trainings kommen aus der Drogenprophylaxe. Wir haben die Trainings für unsere Zielgruppen in Risiko- und Lebenskompentenztrainings umgebaut. Wir sind der Überzeugung, dass alle Jugendlichen / jungen Erwachsenen mit diesen Themen umgehen müssen!
Wir beginnen die Trainings oft mit der Eingangsfrage: „Welches Risiko hast du heute gemanagt?“ Die erst Reaktion ist oft „Schulterzucken“…. Wir fragen dann weiter nach: „Wie bist du hierhergekommen?“ „Wie hast du die Straßen überquert?“ „Hast du dich dem Wetter entsprechend angezogen?“ Schnell kommt bei allen Schüler*innen die Erkenntnis des eigenen Managements ihrer Risiken. Vor dort aus arbeiten wir weiter mit dem Ziel, dass sich die Schüler*innen der Gefahren bewusst werden und sich den Gefahren ggf. bewusst aussetzen und die Situation dazu gestalten!
An der anderen Schule arbeiten wir sehr stark mit gut ausgestatteten Werkstätten, um den Schüler*innen authentische praktische Erfahrungen zu ermöglichen. So haben wir z.B. eine sehr gut ausgestattete Bäckerei, die verschiedenste Brötchen herstellt und dann im Pausenverkauf an die Schulgemeinschaft verkauft. Eine andere Firma betreibt ein Bistro, dass belegte Brötchen herstellt. Außerdem denken sich die mitarbeitenden Schüler*innen immer wieder weitere Snacks aus. Die Produkte werden dann im Schülerbistro in einer Pause an die Schulgemeinschaft verkauft. Die Schülerfirmen werden in Fach WAT in der 1. -4. Stunde mittwochs und donnerstags betrieben. Im Rahmen meiner Tätigkeit versuche ich alle Schüler*innen individuell bei der beruflichen Entscheidung zu unterstützen. Wir nutzen dazu auch die gesetzlichen unterschiedlichen Möglichkeiten, wie das Jugendhilferecht und das Unterstützungssystem der Agentur für Arbeit.
Martin Stadler

Als Mitarbeiter eines großen sozialen Trägers mit um die 1000 Werkstattplätzen kann ich gut nachvollziehen, dass sich die Autorin Stefanie Flamm und ihr Sohn eine andere berufliche Zukunft vorstellen. Menschen müssen die Chance bekommen, über die Gestaltung ihres Lebens und wie sie ihren Lebensunterhalt verdienen wollen, eigenverantwortlich zu entscheiden. Und daran hapert es leider, obwohl jetzt überall das Hohe Lied vom „Wunsch- und Wahlrecht“ erklingt. Werkstätten für Menschen mit Behinderung können Menschen durch Bildung und Ausbildung in die Lage zu versetzen, auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen – dies setzt aber die großflächige Bereitschaft von Unternehmen voraus, sich Menschen mit Behinderung als potentiellen Mitarbeiter vorzustellen und als Kollegin oder Kollegen zu betrachten.  Genau daran mangelt es – nein, schlimmer noch, es findet im Grunde kaum statt. Auch Förderinstrumente haben diese Grundeinstellung in der Wirtschaft nicht ändern können. Solange Unternehmen nicht bereit sind, Arbeitsplätze mit der entsprechenden personellen Begleitung und dem nötigen sozialen Umfeld bereitzustellen, wird sich an dieser Situation nichts ändern. Obwohl es sicher vieles am System Werkstatt zu kritisieren gibt – und hier schätze sich die erfrischenden Denkanstöße von Raul Krauthausen -, sich allein auf Werkstätten zu fokussieren, greift zu kurz.
Heiko Engel

Ihr Artikel war sehr gut und brachte die Zustände auf den Punkt. Zumindest das wollte ich ihnen als alter zuständiger Beamter schreiben. Denn ich habe lange gezögert, ob ich mich äußere: es ändert ja nichts. Denn, wie Sie auch selbst erkannt haben, es hängen ja die ganz soliden Einkünfte von tausenden Erzieher/innen, Sozialarbeiter/innen und Psychologen an diesem System. Die werden sich „die Butter vom Brot“ nicht mehr nehmen lassen. Und bei den anderen, technischen Betreuern ist ja auch nicht gerade die Creme der jeweiligen Fachrichtung vertreten: der Übergang vom Betreuten zu den Betreuern ist häufig fließend nach meinen Erfahrungen. Wo sollten denn diese Leute hin? Aber zwei Punkte an dem aktuellen System könnten auch positiv gesehen werden, auch wenn es Ihnen persönlich nicht hilft. Mit der Abschaffung der Wehrpflicht fiel auch der Zivi-Dienst weg, sodass in diesen Werkstätten keine gut qualifizierten jungen Männer mehr für einen Hungerlohn ausgebeutet werden. (Die haben teilweise CNC-Maschinen bedient!)
Und Zweitens: die Gesellschaft – allen Sonntagsreden zum Trotz – akzeptiert keine „Behinderten“ mehr in der Arbeitswelt. Während meiner Lehrzeit (1967!) als Schlosser in der Schwermaschinenindustrie, war es noch selbstverständlich, dass „Behinderte“ die schmutzigen Arbeitsanzüge einsammelten und wuschen, die Waschräume reinigen oder in der Werkskantine arbeiteten. Zu niedrigen, aber akzeptablen Löhnen. Das war damals so, weil wir ja auch die ganzen Kriegsversehrten integrieren – und akzeptieren – mussten. Muss ja heute kein Unternehmen mehr, und damit ist auch die Akzeptanz für „Behinderte“ gewichen. Wo sollen diese also hin? In der WFB haben sie ja wenigstens eine Aufgabe. Ich sehe – etwas resigniert – nur einen Weg: machen wir es den Beschäftigten in den WFB´en und in den Wohnheimen wenigstens so nett wie möglich. Da ist noch vieles machbar!
Werner Pude

Die Beschäftigung mit dem Thema der Behindertenwerkstätten gewinnt nicht zwangsläufig, indem sie mit eigenen Erfahrungen der Autorin verbunden wird. Im Gegensatz zu Stefanie Flamm stehe ich als Mutter eines geistig schwer behinderten Autisten voll und ganz hinter unserem System der Förderschulen und Werkstätten. Während Frau Flamm anscheinend Werkstattpersonal, -verwaltung und Therapeuten als Nutznießer eines ungerechten Systems betrachtet, bin ich der Meinung, diese Fachleute verdienen es, besser bezahlt zu werden. Für meinen Sohn war die Werkstatt das große Los.
Ute Baumann

Wieder einmal habe ich voller Interesse einen Medienbericht zu den Werkstätten für behinderte Menschen verfolgt! Ich möchte Ihnen auf diesen Artikel aus der Sicht der Mutter eines schwerbehinderten, nonverbal sprechenden Menschen mit schweren geistigen und körperlichen Beeinträchtigungen antworten. Natürlich ist die Inklusion aller Menschen das Ideal, das wir auf dieser Welt oder zumindest in diesem Land leben können und sollten. Auch die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen ist mehr als erstrebenswert, die allen Menschen die „volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft“ garantieren soll. Eine solch gerechte Welt ist ein absoluter Traum! Dennoch bin ich dankbar, dass es Förderungszentren für Vorschulkinder, Förderschulen und später Werkstätten für behinderte Menschen und nicht zu vergessen auch die Wohngruppen der „besonderen Wohnform“ (vormals stationär) gibt! Mein Sohn hat in diesem System seinen Platz gefunden, ich bin und war als Mutter froh, ihn jeweils dort unterbringen zu können, und unterstütze dieses System seit nunmehr 27 Jahren ehrenamtlich. Ich bin auch über- zeugt, dass ich dies nicht mache, weil ich inzwischen desillusioniert bin, sondern weil ich viele Menschen kennengelernt habe, die dort gerne in einer guten Gemeinschaft leben und dieses System unterstützenswert finden.
Die Inklusion, so wie sie laut der Behindertenrechtskonvention durchgeführt werden soll, vergisst allzu oft die Menschen, die so schwer behindert sind, dass sie nicht selbstständig leben und arbeiten können, die (schwer) pflegebedürftig und betreuungsbedürftig sind – und viel- leicht auch für ihre Umwelt nur schwer verständlich kommunizieren können. Menschen, die eine feste Tagesstruktur benötigen. Zu „diesen Menschen“ gehört beispielsweise mein Sohn. Er kann nicht lesen und nicht schreiben, rechnen hat er auch nicht gelernt. Für ihn war es wichtig, in einer Förderschule lebenspraktische Fähigkeiten zu erlernen, z.B. Hauswirtschaftsunterricht angeleitet durch Piktogramme. Einen Schulabschluss hätte er niemals erlangen können. Er könnte an einer Arbeitsstelle auf dem Ersten Arbeitsmarkt nicht bestehen, würde untergehen und hätte zu seinen Kollegen keinen Kontakt. Außerdem benötigt er während seiner Arbeit ausgiebige Pausen, hat manchmal Tage, an denen er nur wenig produktiv ist/sein kann. Bevor die Werkstätten für behinderte Menschen aufkamen, hätte er sein Leben „an Mamas Rockzipfel“ verbracht – und ich bin mir nicht sicher, ob der ausreicht, um auf ein Leben vorzubereiten, dass zwangläufig einmal ohne Eltern weitergeführt werden muss.
Mein Sohn geht gerne in die Werkstatt, er braucht diese Arbeit und ist sehr stolz auf die Arbeiten, die er in einer WfbM macht. Gut, ich habe das Glück, dass es ihm dabei egal ist, wie viel er verdient. Er ist nicht in der Lage, diesen Nachteil seiner Arbeit zu erfassen. Wahrscheinlich denken Sie beim Lesen meiner Antwort, dies sei genau die „Parallelwelt“, die Sie in ihrem Artikel beschreiben. Mag sein, es ist tatsächlich eine Parallelwelt, aber haben wir in Deutschland nicht viele Parallelwelten, in denen Menschen einen Platz finden und sich – mehr oder weniger – wohl fühlen? Immer der Letzte im Kindergarten, in der Schule, bei der Arbeit zu sein, ist sehr frustrierend und wenig erfüllend. Ich bin froh, dass mein Sohn trotz seiner schweren Behinderung einen Platz gefunden hat, an dem er offensichtlich gerne ist. Ich würde mir in der Diskussion um die Werkstätten für behinderte Menschen erhoffen, dass dieser Aspekt mehr Berücksichtigung findet.
Anette Lascho


Leserbriefe zu „Was die Menschen in Gaza über die Hamas denken“ von Samiha Shafy

Ich muss gestehen, dass ich doch mit einem recht skeptischen Gefühl diesen Beitrag zu Ende lese. Unter anderem deshalb, da mir doch ein gewisser Euphemismus, also eine Schönfärberei durchschimmert. Beispielsweise wenn davon die Rede ist, dass eine sogenannte Minderheit von 20 Prozent für einen bewaffneten Widerstand plädiert. Bei einer ungefähren Einwohnerzahl von 2.084 Millionen Menschen im Gazastreifen käme man da auf 416.800 Befürworter. Das ist, mit Verlaub, eine beträchtlich hohe Zahl an Menschen, die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit hinter den Hamas-Terroristen versammeln würden. Und auch die Überschrift halte ich für bedenklich, wenn es heißt: Bis zu den Anschlägen hielten die meisten von ihnen die Terrororganisation für korrupt und erkannten das Existenzrecht Israels an. Wenn dem wirklich so wäre, dann sähen die derzeitigen weltweiten Pro-Palästina-Demonstrationen vermutlich anders aus, sagen wir moderater, verhaltener, gemäßigter. Dies ist jedoch bedauerlicherweise nicht der Fall.
Michael Ayten

Wieso sind Palästinenser nicht verantwortlich für die Hamas? Sie haben sie doch bei den letzten Wahlen 2006 gewählt, und zwar mit viel größerer Mehrheit als wir den Hitler!
Werner Koetz

Fast jeder träumt von einer Welt ohne Hass, Krieg und Gewalt. Zu den Vertretern des „fast“ gehören unter anderem die Mitglieder der Hamas. Diese gewann die für arabische Verhältnisse sehr freien Wahlen in den Autonomiegebieten im Gaza-Streifen deutlich. Jede Wählerin, jeder Wähler konnte wissen, wofür die Hamas steht. Somit kann man nicht davon sprechen, dass die Bewohner des Gaza-Streifens Opfer der von der Hamas ausgehenden Gewalt sind. Sie sind es ebenso wenig wie seinerzeit die Deutschen, die Hitler wählten und dafür im von Hitler entfesselten Krieg büßen mussten. Auch sie konnten wissen, was Hitler wollte. In der aktuellen Debatte wird leider oftmals bestenfalls am Rande erwähnt, dass sich das Volk in freien Wahlen für die Hamas entschieden hat. Das unterscheidet den Gaza-Streifen beispielsweise von Afghanistan, dessen Volk die Taliban ebenso wenig gewählt hat wie einst die Herrscher von Moskauer Gnaden. Deutschland hatte zumindest im Westen das Glück, nach der bedingungslosen Kapitulation von den Alliierten Freiheit und Demokratie spendiert zu bekommen. Dieses Glück wünscht man auch den Bewohnern des Gaza-Streifens und der israelischen Regierung jenen Weitblick, den die Regierungen in Frankreich, Großbritannien und den Vereinigten Staaten einstmals bewiesen haben. Zuvor muss aber das Hamas-Regime ebenso besiegt werden wie einst das Hitler-Regime. Denn beide verbindet der Traum von einer Welt voller Hass, Krieg und Gewalt.
Torsten Berndt


Leserbriefe zu „In schlechter Verfassung“ von Andreas Voßkuhle

Voßkuhle beklagt den Rückbau der Verf. Gerichte in zahlreichen Ländern, streift aber Deutschland nur am Rande. Doch es gibt auch hier Kritik am höchsten Gericht und die entzündet sich zuweilen an dessen „Übergriffigkeit“, die dem Primat der Politik zuvorkommt.  Ein weiterer Vorwurf: das Gericht als Ersatzgesetzgeber, was Voßkuhle leider übergeht. ZB die Bestands- oder Ewigkeitsgarantie zugunsten der öffentlichen Sendeanstalten. Der Widerspruch des Gesamtbudgets von 9 Mrd. zum Auftrag der Grundversorgung ist evident. Auch der überbordende Datenschutz ist ein Produkt aus Karlsruhe. Aus der Volkszählung 1983 wurde “ freihändig“ eine Art Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung geschaffen. Schließlich erinnert das Berufungsverfahren zum Gericht eher an Klüngelei im Hinterzimmer. In der Schweiz erfolgt die Besetzung spiegelbildlich zum Wahlergebnis. Noch hat es z. B. kein AfD Delegierter nach oben geschafft. Interessant die Regelung in Kanada, wo ein Urteil durch Parlamentsbeschluss revidiert werden kann. Das entschärft den Antagonismus zwischen Politik und Verfassungsgericht.
Christoph Schönberger

Ich möchte ein aufrichtiges Dankeschön an DIE ZEIT und im Speziellen an den Autor dieses Textes, Andreas Vosskühle aussprechen. Der Beitrag ist nicht nur besonders lesenswert, er ist ebenso auch pädagogisch wertvoll. Ich werde ihn darum behalten und fortan in meinem Privatarchiv verwahren. Merci Beaucoup.
Michael Ayten

Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts stellt zu Recht fest, dass in einigen Staaten die Verfassungsgerichte entmachtet oder in ihrer Funktionsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt werden. In Ländern mit autoritären Regimen sind gerichtliche Kontrollen politischen Handelns unerwünscht, da sie die Bewegungsfreiheit der Regierungen zu sehr einschränken. Der Artikel Voßkuhles kommt zur rechten Zeit, da in mehreren Mitgliedstaaten der EU die Entmachtung der Verfassungsgerichte die Grundlagen der rechtsstaatlichen EU in Frage stellen. Der Artikel Voßkuhles kommt aber auch deshalb zu rechten Zeit, weil bei manchen Verfassungsgerichten sich eine gewisse Tendenz zur Selbstermächtigung entwickelt hat. So ist meiner Meinung nach das Bundesverfassungsgericht kürzlich mit seinem Urteil über die Interpretation der Schuldenbremse zu weit gegangen. Das Gericht schränkt dort die politische Entscheidungsfreiheit des Bundestages und der Bundesregierung sehr, wenn nicht zu weit ein.
Eine gewisse Flexibilität in der Haushaltsgestaltung sollte den politischen Organen zustehen. Hier wäre statt einer „paternalistischen Haltung“ (so Wolfgang Janisch in der SZ) ein vom BVerfG oft vernachlässigter „judicial restraint“ angebracht gewesen. Diese richterlich gegenüber politischem Handeln gebotene Zurückhaltung lässt das BVerfG leider häufiger vermissen, insbesondere in seiner Rechtsprechung zur Europäischen Union. Regierungskontrolle ist gewiss notwendig. Spielräume sollten jedoch nicht übertrieben verengt werden, weil es sonst zu einem „gouvernement des juges“ kommen kann. Der Gefahr einer Entmächtigung der Verfassungsgerichte steht die gefährliche Selbstermächtigung dieser Gerichte gegenüber.
Johann Schoo

Der Beitrag von Voßkuhle ist gut recherchiert und überzeugend. Auch die von ihm empfohlene Errichtung einer Barriere kann hilfreich sein. Dessen ungeachtet nutzt am Ende des Tages auch Art. 79 Abs. 2 GG nichts, wenn sich die Staatsvölker in unseren Bundesländern und im Bund weiter dazu hinreißen lassen, bestimmte Kräfte verstärkt zu wählen. Diese Kräfte, einmal quorumsmächtig mit entsprechenden Hebeln ausgestattet, würden sich vermutlich einen Teufel darum scheren, dass die Verfassungsgerichte bis dahin eine solide Arbeit verrichtet hatten. Dass das BVerfG über keine „Truppen“ verfügt, ist dann nebensächlich. Das dürfte man dann im Übrigen noch nicht einmal als Krise des Demokratiemodells bezeichnen, denn „das Volk“ hätte es ja dann so gewollt – inclusive der billigenden Inkaufnahme totalitärer Auswüchse. Richtig: Minderheiten müssen nach dem Demokratieprinzip die Chance haben, zur Mehrheit werden zu können. Dass der Demokratie insofern ein Selbstabschaffungsmechanismus immanent ist, ist inkludiert.
Jörg Berwanger


Leserbriefe zu „Mehr Erotik wagen!“ von Hanno Rauterberg

Wieder einmal singen wir das Lied, dass alles immer schöner und besser für uns wird. Aber geht es nicht auch bezüglich des Wohnens darum, mehr Einklang mit der Natur zu wagen? Auch wenn diese auf den ersten Blick nicht erotisch ist, ohne sie haben wir gar keine Erotik: Wir Menschen sind soziale Wesen, die es Richtung Ballungsgebiete zieht, denn je mehr zusammenkommen, je vielfältiger das Angebot für Arbeit, Freizeit und soziale Erotik. Damit wachsen Großstädte unaufhörlich auf Kosten der Randgebiete: Sie werden immer dichter und damit teurer, die dafür nötigen Verkehrstrassen und Distributionszentren zersiedeln die umliegenden Gemeinden. Die Bewohner der Stadt und der Randgemeinden pendeln mit Auto oder Flugzeug immer öfter und immer weiter weg auf der Suche nach erholsamer und erlebnisreicher Natur. Dafür wird dann noch mehr Landschaft zersiedelt. Ebenso unaufhörlich nimmt die Anzahl der qm Wohnfläche pro Person zu. waren es in den Siebzigern noch 25 m2, in den Neunzigern 30 m2 sind wir inzwischen bei fast 50 m2! Gegen eine solche Verdopplungsrate kann kein Land, geschweige denn eine Stadt je erfolgreich anbauen und zwangsläufig erotischer wohnen wir dadurch auch nicht.
Die Milliarden, die nun für die Verdichtung der Städte ausgegeben werden, gießen nur Öl in die oben beschriebenen, immer heftiger lodernden Flammen. Viel besser wäre es, wenn die Politik Initiativen entfaltet, um die Peripherie aufzuwerten, dort Industrie, Forschung und Dienstleister anzusiedeln und dort auch für günstigen kommunalen Wohnraum zu sorgen. Auch wenn die jetzige Gesetzeslage Stadträten das alleinige Bestimmungsrecht über ihr Schicksal gibt, ungerecht gegenüber den anderen Gemeinden und schlecht für unsere Zukunft ist das trotzdem. Viel zeitgemäßer wäre es, wenn Stadt, Land und Bund sich einigen könnten, dass jegliche städtebauliche Entwicklung so natur- und klimaneutral wie möglich erfolgen muss. Dabei muss auch ans Pendeln gedacht werden. Wir werden nicht nur durch immer größere und luxuriöse SUVs und Wohnungen glücklicher, sondern auch durch tagtäglichen Zugang zu erholsamen und erlebnisreichen Dörfern, Städten und Natur. Für die richtige Balance sind wir alle verantwortlich, keinesfalls sollten Städte alleine darüber entscheiden dürfen. Aber auch DIE ZEIT verspricht uns, als Gesamtkonzept, dass wir in Zukunft immer luxuriöser leben können und wir unser hohes Konsumniveau niemals einschränken müssen. Leitet uns nicht auch DIE ZEIT in die Irre, wenn es um die, laut Papst, UNO, EU und Wissenschaft, größte Herausforderung der Menschheit geht?
Klaus Siersch

Oh Mann, spricht mir dieser Artikel aus der Seele! Welch ein Glück für uns Leserinnen und Leser, dass Hanno Rauterberg immer häufiger aus dem engeren Gehäuse der Kunstkritik ausbricht und sich über neue Entwicklungen – zum Beispiel in der Architektur – Gedanken macht. Und was er uns hier zu sagen weiß, ist faszinierend. Ja, wie sich Räume anfühlen, anhören und wie sie riechen, ist nicht weniger bedeutsam als ihr Aussehen, und einer auf sensorische Qualitäten bezogene „Architektur der Sinne“ ist der bewusstseinszersetzenden aktuellen Architektur mit ihren überfrachteten, unser Leben strukturierenden und strangulierenden Technik bei Weitem vorzuziehen. „Lebenssteigernde“ Architektur muss alle unsere Sinne ansprechen wie ein Waldspaziergang., die „Aura“ des Hauses sollte unseren Empfindungen, Gedanken und Träumen Raum geben und darf nicht zu einer seelenlosen Schaltzentrale hinterfragbarer Betätigungs- und Unterlassungsgebote verkommen. Lasst uns Frau und Herr im Haus bleiben und nicht Befehlsempfänger einer „wohlmeinenden“ technischen Instanz, die den „Herz- und Handlanger“ Zufall und das Unwägbare aus unserem Dasein verbannen.
Ludwig Engstler-Barocco

Als Befreiung von unglaubwürdig gewordener Tradition gestaltete moderne Architektur einst das individuelle und gesellschaftliche Leben funktionalistisch um. Bereits das Team 10 stellte vor über 50 Jahren die Frage, wie wir unser in der Folge modernistisch verformtes Leben befreien können. Die heutigen Herausforderungen wie der Klimawandel erhöhen die Dringlichkeit dieser Fragen. Kann die Digitalisierung helfen? Ich glaube kaum. Die Digitalisierung verlängert die Herrschaft des Funktionsprinzips, verwandelt Gebautes in eine Benutzeroberfläche und suggeriert so einen Gewinn an Freiheit. Aus Häuser werden Gehäuse. Mit der Geräteästhetik wird aus Architektur einer Ware, die Trends und Moden unterworfen ist und sich leichter vermarkten lässt. Kein Beitrag zur Nachhaltigkeit. Kein Beitrag zur Lebendigkeit. Die Verformung des Lebens setzt sich in einer neuen Dimension fort. Das Leben braucht einen Ort, Materialien, das Innen und das Außen, Räume und Wege, Licht und Schatten.
Reinhard Koine

Das im Beitrag von Hanno Rauterberg groß veröffentlichte Beispielbild erinnert mich an das Barbiehaus – Retro-Architektur der 60er oder 70er Jahre. Häuser, die in Form einer Cola Dose oder Lasagne errichtet werden, mögen spektakulär sein und die Eitelkeit der Schöpfer befriedigen. Alltagstauglichkeit, Lebensqualität und Schönheit der Stadt befördern sie eher nicht. In Hamburg besteht aktuell ein Baustopp für den „Elbtower“. Darf es nicht etwas weniger sein? Warum nicht öfter auf im Alltag bewährte Bautraditionen anknüpfen und diese behutsam weiterentwickeln. „Mehr Erotik“ und Natur haben insbesondere die Jugendstil- Reformarchitekten in der Fassadenkunst gewagt, ohne die Vergangenheit zu leugnen oder nur schlicht zu kopieren.
Katrinka Delattre     


Leserbriefe zu „Nur weg von ihm“ von Anne Kunze

Dieser Artikel und ähnliches müssten jeden Tag auf der Titelseite stehen. Wir Männer müssen uns realisieren, dass die Beherrschung unserer Aggressivität dringend notwendig ist, um für uns alle eine friedliche und humane Zukunft zu schaffen. Wir sind nicht vorbestimmt so zu sein, das zeigt der Biologe Robert Sapolski in seinem Buch „Gewalt und Mitgefühl“. Bitte sehen Sie den Anhang mit seinem Bericht über „Rousseau mit Schwanz“.
Klaus Siersch

Vielen, vielen Dank an Frau Kunze für diese tolle Recherche. Es ist absolut wichtig, dass dieses Thema in die Öffentlichkeit getragen wird. Nur so kann das Leid, das unzählige Frauen hinter verschlossenen Türen von ihren Männern erfahren, gesellschaftlich angegangen werden. Meiner eigenen Mutter erging es genauso. Sie wurde in regelmäßigen Abständen immer wieder von ihrem Ex-Mann verhöhnt, entmenschlicht und gedemütigt. Dies über Jahre hinweg. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion gelang es ihr, aus diesen Verhältnissen auszubrechen. Sie fand Zuflucht in einem Frauenhaus. Später stellte man ihr und meinen zwei jüngsten Geschwistern, die mit ihr auf der Flucht waren, eine Wohnung zur Verfügung. Ihr Ex-Mann posaunte die Nachricht über ihre Flucht per Telefon an seine ganze Verwandtschaft, sodass nach dieser intensiven Mobilmachung und relativ kurzer Zeit er und seine Helfershelfer ihr bereits auf die Schliche kamen. Sie stellten ihr nach und lauerten ihr auf. Ich habe dieses penetrante und unerhörte Stalking teilweise selbst miterlebt, als mein Bruder und ich uns schützend vor die Wohnungstür stellten und ihnen keinen Einlass gewährten. Die Polizei musste gerufen werden, um den uneinsichtigen Herrn dann endlich in Handschellen abzuführen. Eine unangenehme Geschichte im Nachblick.
Natürlich kann und möchte ich an dieser Stelle nicht pauschalisieren, doch ich habe die Erfahrung gemacht, dass insbesondere in bildungsfernen Familien, die dazu meist noch aus dem Globalen Süden stammen, die systematische Geringschätzung für Frauen an der Tagesordnung steht. Das Problem ist einfach, dass viele dieser Menschen kein aufgeklärtes Weltbild in sich tragen. Und solange dieser Umstand vorherrscht, wird dieses toxische Gedankengut an die nächste Generation weitergereicht. Ein riesengroßes Dankeschön und meinen aufrichtigen Respekt an alle Sozialarbeiterinnen, die dagegen angehen und den Frauen in Not eine helfende Hand reichen.
Michael Ayten

Ich frage mich, warum Artikel über Gewalt an Frauen und beispielsweise Frauenhäuser stets geframed und extrem reißerisch dargestellt werden müssen. Gilt hier nicht der gleiche Objektivitätsmaßstab wie bei anderen Artikeln. Die Umschreibung einer Statistik mit „fast jeden Tag passiert das und das“, jede „Minute das und das“ ist keine objektiv-journalistische Darstellung einer Statistik. Eine Kontextsetzung fehlt ebenso vollständig, z.B. dreimal am Tag versucht ein Mann einen Mann zu töten, etc. Des Weiteren suggeriert der Artikel, dass man aufgrund von FAST(was heißt das?) 365 versuchten Totschlagsdelikten im Jahr auf einen generellen Frauenhass unter 84 Millionen Menschen in Deutschland schließen kann. Die Zimmer im Frauenhaus sind immer voll. Aber wieviele Zimmer hat das Frauenhaus und für wieviele Einwohner ist es da? Mich empört dieses Thema genauso wie sie und jedes dieser Einzelschicksale, aber es wäre gut, wenn zumindest die Fakten um die Einzelschicksale objektiv dargestellt werden. Und die sind auch objektiv dargestellt schlimm genug. Das liefert der Artikel leider nicht, sondern agiert vom Objektivitätsgehalt auf Bildzeitungsniveau.
Fabian Effhauser


Leserbriefe zu „Er strahlt und strahlt und strahlt“ von Dirk Asendorpf

Der sehr informative Beitrag über die Endlagerung des hochradioaktiven Atommülls endet mit dem Vorschlag, statt des gesetzlich geforderten „bestmöglichen“ Endlagers, das erst in einer sehr fernen Zukunft in Betrieb gehen kann, ein „nur sehr gutes“ Endlager zu einem früheren Zeitpunkt zu bauen. Die Risiken, die vom derzeit zwischengelagerten Atommüll ausgehen, sprechen zweifelsfrei für diese Alternative. Doch wie kann man das geltende Gesetz ändern und die Standortsuche beschleunigen? Die Landesregierungen z.B. von Niedersachsen und Baden-Württemberg, wo viel Atommüll zwischengelagert wird, könnten hier Vorarbeit leisten, indem sie Standorte im eigenen Bundesland benennen und anbieten. So liegt tief unter der Schwäbischen Alb der Opalinuston, eine Jura-Formation, in der die Schweiz ihr Endlager errichten wird, was quasi eine Empfehlung ist. Kriterien bei der Standortsuche sollten auch die Logistik (Nähe zu einer Bahnlinie) und eine mögliche kommerzielle Nutzung der Abwärme des Atommülls sein. Hoffentlich spielt dieses Thema bei den nächsten Wahlen eine Rolle. Ich würde meine Stimme einer Partei geben, die sich für ein „sehr gutes“ Endlager in Baden-Württemberg einsetzt.
Wolfgang Caesar

Zu Ihrem Artikel gratuliere ich Ihnen, die Thematik „Sicherheitsverzehr bei der Zwischenlagerung durch eklatante Zeitverzögerung bei der Endlagersuche“ ist schon lange überfällig. Schließlich wird mit der gegenwärtig praktizierten Methode auch sehr viel Geld ausgegeben.  Ganz nebenbei kommt in Ihrem Artikel zum Ausdruck, dass die BGE plant (bzw. nicht zu verhindern imstande ist), gegen das Endlagersuchgesetz zu verstoßen. Ein Gesetz ist in einer normal funktionierenden Demokratie nach dem Grundgesetz die höchstrangige Rechtsvorschrift, die man nicht stillschweigend in einem Detail „außer Kraft“ setzen kann. Schließlich ist dieses Gesetz vom Bundestag beschlossen worden (in dem allerdings die größte berufliche Abgeordnetenfraktion die der Juristen ist, die gewöhnlich nicht sehr viel von der Materie, sondern mehr von den juristischen Spitzfindigkeiten versteht).  Es wird auch deutlich, dass das zuständige Ministerium nicht die Notbremse zieht und das Endlagersuchgesetz in dem betreffenden Detail ändern lässt (z.B. durch ein einfaches „Artikelgesetz“, das nicht erst noch im Bundesrat bestätigt werden muss). Bei dieser Gelegenheit könnte auch die „sichere Verwahrzeit“ von 1 Mio. Jahre geändert werden, wie es z.B. für Finnland akzeptiert ist: 100.000 Jahre. Denn die Zahl 1 Mio. Jahre ist sehr willkürlich gewählt, da der Inhalt der Castor-Behälter, der zum größten Teil aus Atomen des Urans besteht, auch noch nach 1 Milliarde Jahren strahlt (Halbwertszeit des Isotops U-238: 4,5 Milliarden Jahre, dann ist von der Ausgangsmenge erst einmal die Hälfte zerfallen).  Ich wünsche Ihnen Mut für weitere derartige Artikel.
Dietmar Zappe

Da das Thema „Nutzung der Atomkraft in Deutschland“ in Gestalt eines geistigen Zombies die Diskussion permanent begleitet und der Ausstieg penetrant als „ideologisch“ eingestuft wird, hätte ich folgende Anregungen für eine weitere Behandlung des Themas: Die Kosten der Atomkraft werden in einem vergleichbaren Artikel aufgearbeitet (gerne auch im Wirtschaftsteil). Dazu gehören u.a. auch die tatsächlichen Kosten für den Rückbau eines AKW – siehe Greifswald Kosten für die Sanierung der Asse Umrechnung auf die kWh. In einem weiteren Artikel vergleichbarer Art, werden die tatsächlichen Sachstände zur Weiterentwicklung bzw. Weiternutzung der Atomkraft aufgezeigt, u.a. Stand SMR – in den USA wurde die Fertigstellung des weltweit ersten SMR-Kraftwerkes vor kurzem eingestellt. Frankreich liegt mit der Entwicklung der AKWs der nächsten Generation und der Vorstellung zur atomaren Kreislaufwirtschaft > 10 Jahre im Verzug und eine Fertigstellung ist nicht in Sicht frühester Wiedereinstieg in Deutschland unter Berücksichtigung der notwendigen sicherheitstechnischen Ertüchtigung der vorhandenen AKWs. In einem Fazit der Trilogie könnte dann abschließend auch noch einmal betrachtet werden, wie viel CO2 dem Beton und den zugehörigen Baumaßnahmen entfleuchen wird. Danach dürfte es dann zulässig sein, in Bezug auf den Atom-Ausstieg von einem Fakten-basierenden Entschluss wirtschaftlicher Vernunft zu sprechen und nicht von einem ideologischen Vorgehen.
Axel Felsch


Leserbriefe zu „Diese Sprache! von Christine Lemke-Matwey“

Am Anfang ungläubiges Kopfschütteln über den Satz, den die FAZ, Ressort Geisteswissenschaften, ihren Lesern zumutet. Wird wohl kein Einzelfall sein. Dann Gelächter über den Schlusssatz, mit dem Sie dem Wichtigtuer eine schallende Ohrfeige verpassen. Er verdient es, noch mal zitiert zu werden: “Und irgendwie ist ja auch toll, dass das deutsche Feuilleton es sich leisten kann, zu niemandem zu sprechen als zu sich selbst.“
Wolfgang Butzkamm

Solch aufgeplusterte Hohlprosa sollten die Leser mit homerischem Gelächter quittieren! Damit strafen sie den Dünkel des Schreiberlings am meisten!
Ulrich Pietsch

Ihre Parodie hat mir sehr gut gefallen.
Gerke Pachali


Leserbriefe zu „Dieses Kassel!“ von Thomas E. Schmidt

Ohne die Motive und deren sicher komplexe individuelle Entwicklungsgeschichte von Herrn Hokoté und Frau Ettinger – als hier exemplarisch Betroffene – zu kennen, verstärkt sich mein Eindruck, dass auch die nächste documenta-(Leitung) nicht die geringste Chance haben wird. Meinungs- bzw. künstlerische Freiheit und absolute Antisemitismusverdachts-Freiheit gleichzeitig zu gewähren, scheint sich aufgrund der widersprüchlichen subjektiven Perspektiven auf die hier relevante Gemengelage gegenseitig auszuschließen und damit jeden damit befassten Entscheidungsträger oder Gremium zu überfordern – so sehr diese sich auch um differenzierte Kommunikation bemühen werden. Um dieses emotional aufgeladene Dilemma aufzulösen, empfehle ich den Rat von Margot Friedländer: einfach Menschsein und an das Gute in jedem Menschen zu glauben. Wenn ihr das gelungen ist, sollte es doch möglich sein?!? Ansonsten hat die Hamas sogar hier in Kassel einen kleinen Sieg errungen.
Barbara Rogge

Ihren aktuellen Artikel finde ich fabelhaft, weil ich in ihm einen Schritt in meine Richtung sehe (vielleicht bin ich da ja Opfer meiner Sicht).  Die heutigen Presseartikel sind übereinstimmend wenig differenziert, die Südd. hält Ruangrupa offensichtlich für die Büchsenspanner der Hamas. Ich sende Ihnen anliegend meine Gedanken dazu, nachdem ich auf das Bild von Lebel, E. Baj u. a. gestoßen war (zuletzt im Sommer in Wolfsburg): Grand Tableau Antifasciste Collectif – es ist ganz offensichtlich eine Vorlage für das Banner von Taring Padi und macht deutlich, wie absurd die Vorwürfe waren: Hakenkreuz und SS-Runen haben keinerlei Anstoß erregt. Ich habe dies am Samstag in Kassel erklärt und lediglich eine Rüge von Nathan Snaider erzielt. Sonst gab es keine Reaktion. (S. die Presse dazu). Die Politik hat die Kunst völlig unterworfen. Heinz Bude machte schon Andeutungen, dass Kassel ja noch andere Schätze hat: die Grimmwelt und Parks, die Weltkulturerbe sind: das klang für mich schon, als ob er sich am Ziel wähnte. Auffällig ist ja auch, wie homogen das Personal bei allen Veranstaltungen ist: Symp. HfbK, jetzt in Kassel. Die Künstler werden auf die Anklagebank gesetzt (seinerzeit HA). Moralismus speist sich vor allem aus zwei Quellen: chronisch schlechtes Gewissen und Selbstgerechtigkeit.
Peter Freudenthal

Zu dem o.a. Artikel ein kleiner Beitrag. Die SZ berichtete über die kritische Haltung der Kulturstaatsministerin Claudia Roth gegenüber Herrn Koskote´, Mitglied der Documenta-Findungskommission, weil diesem eine Nähe zur BDS-Bewegung nachgesagt wird. In der NZZ erschien in der Ausgabe vom 11./12. November auf der Seite 1 folgender Beitrag: „Im Jahr 2019 verurteilte eine Mehrheit der Abgeordneten des Bundestages die BDS-Bewegung… die AfD enthielt sich… Gegen die Verurteilung stimmte die Linkspartei und einige Vertreter des linken Parteiflügels der Grünen. Zu den Grünen Hardlinern zählten Lisa Paus (heute Familienministerin) und CLAUDIA ROTH.“ Dazu fallen einem nur die bewährten Sprüche ein: Frau Roth befleißigt sich der Methode „Haltet den Dieb!“  Man könnte auch sagen: Die schärfsten Kritiker Elche waren früher selber welche.
Peter Knoll


Leserbriefe zu „Heiter bis glücklich“ von Claire Beermann im ZEIT Magazin

ENDLICH, ENDLICH, ENDLICH WIEDER! DIE LETZTEN MONATE WAREN RICHTIG ÖDE OHNE IHRE SEITE. HOHER UNTERHALTUNGSWERT UND EINFACH UNBESCHWERT SCHMUNZELN. BITTER NÖTIG IN DIESER BESCH…….. ZEIT. HERZLICHEN DANK
PETER BLASER

Wie schön: heiter bis glücklich ist wieder da!! :)
Susi Sanner

Interessant: Frösche sehen von hinten aus wie halbe Hähnchen. Klasse! Loriot bei Reclam! Damit ist der Klassikerstatus gesichert. Aber warum haben Sie Matthew McConaugheys Schniedel gepixelt? Kürzlich hat sich eine Leserbriefschreiberin über Ihr Foto beschwert, das die nackte (aus meiner Sicht vor allem selbstbewusste) weibliche Theatertruppe zeigte, die Probleme mit ihrer Harfe im Zug hatte und gefordert, dass Sie auch Männer nackt zeigen. Ich schließe mich dem an: Gleiche, unverpixelte Nacktheit für Alle!
Thomas Manthey


Leserbriefe zu „Ihr aber, seid ihr immer noch hier?“ von Peter Kümmel

Bei der Nennung der starken Schauspieler fehlt Lina Beckmann! Hoffentlich nur ein Versehen, denn sie hat mich am meisten überzeugt!
Helmut P.Hagge

Wie kam es dazu Peter Kümmel einen abschließenden Kommentar über das Anthropolis-Projekt schreiben zu lassen. Entweder hat er seine Teilnahme für die Vollständigkeit der 5 Teile nicht gemeistert, oder hat einen Widerwillen für die Schauspielerin Lina Beckmann. Der zweite Teil „Laios“ ist eine Solopartie, die getragen wurde von dieser Ausnahmedarstellerin. Herr Kümmel hat ihr und das ungewöhnliche Spiel keines Wortes gewürdigt. Eine nicht zu erklärende Vorgehensweis, die diese Kritik disqualifiziert.
Volker Maleck


Leserbriefe zur Literaturbeilage zu Weihnachten „Warum wird einer etwas? Ich weiß es nicht“ Gespräch mit Michael Krüger geführt von Ijoma Mangold

Welch ein Genuss, das Interview mit Michael Krüger zu lesen. Verständliche Fragen, klare, nicht „verschnörkelte“ Antworten. Michael Krüger – un Homme de lettres.
Hartmut Wagener

Im Gespräch mit Michael Krüger – der sich eher als Dichter und Schriftsteller autochthon vertiefend empfindet (und nun im höheren verdichteten Alter) weiterverpflichtet fühlt, entfernter denn als ehemaliger Geschäftsführer und Verleger des Hanser-Verlages (für das literarische Programm) anteilig ungeregelt nun „privatisierend“ – hätte der Schriftsteller, Moderator und DIE ZEIT-Feuilletonist wesentliches mehr an Verinnerlichungen aus dem nun fast 80jährigen Literaten-Bergwerk herauskristallisieren können: gleichzeitig vermittelnd doch dessen Buch „Verabredungen mit Dichtern. Erinnerungen und Begegnungen“ – verlegt im Suhrkamp-Verlag) einen enormen Fundus an persönlichen Mitbelebungen und Erlebnissen, erbringt. Doch irgendwie gibt sich Michael Krüger in diesem Interview-Gespräch eigenartig unausgiebig, ja geradezu selbstverunsichert: indem er Ijoma Mangold zu dessen variablen Hinterfragung: „Man nennt diese Art von Selbstzweifeln auch das Impostor-Syndrom“ – dies bereits gesamtgesprächlich konzertiert vorwegnimmt und antwortet: „Vermutlich bin ich den Verdacht nie losgeworden, dass ich jemand bin, der von nichts wirklich etwas versteht. Ich bin ja in diesen Beruf reingerutscht. Eigentlich war ich Buchhändler. Ich habe eben nie einen Hörsaal von innen gesehen – außer später als Dozent… Dabei habe ich ab meinem 25. Lebensjahr über Editionsprobleme geredet, als wäre das mein Metier. Wie ein Hochstapler!“ Nein: dieser Michael Krüger ist ein (philanthropisch-verfügbarer) durchaus auch pessimistischer Tiefstapler im Sinne eines persönlichen Fundaments an unvergleichlichen Begebenheiten und Begegnungen zur kulturellen Belebung dieses Landes mit auch ganz bewussten Selbstzweifeln – und ohne Zweifel einer der großen Verleger des literarischen Deutschlands in dem universalen Verbindungsnetz zur Weltliteratur…
Wie aber kommt man zu solch einer (wichtig verfügbaren) Selbstbezweiflung, wo doch eher das Autodidaktische davor bewahrt, in/an all diesen gesteuerten Konditionierungen eben nicht gefesselt zu sein – wobei doch der Dichter und Schriftsteller (Michael Krüger) genau diese „Vereinnahmungen“ vermeiden sollte und wohl auch wollte (?): abgesehen davon, dass Michael Krüger als Verlagslektor und Verlagsleiter genau dieses innere freigeistige Feingefühl sehr deutlich verwirklicht hat: um seine Autoren und Autorinnen zu begleiten und wohl auch kongenial in ihrer Welt mitzuempfinden… Was wollen Literaten denn mehr, als von solch einem empfindsamen Verleger (und kunstvollen Bruder an Gemeinsamkeiten) in das Verlagsprogramm mit einbezogen zu werden! Eher also könnte man Michael Krügers anteilige Interview-Tiefstapelei als unverbürgtes „fishing for Compliments“ erfühlen, wenn da nicht der verinnerlichte Anteilseigner seines eigenen literarischen Lebens, dichterisch enorm mitspielt und schelmisch sein kann… In der Überschrift in DIE ZEIT lautet die wohlweisliche Selbstbefragung von Michael Krüger, abgedruckt im Interview: „Warum wird einer etwas? Ich weiß es nicht.“ Erkennbar eher und wahrnehmbarer wäre als Erklärung: Es gibt keine Identität und Persönlichkeit, keine persönliche Authentizität innerhalb der erforderlichen Selbstdarstellung – in all den zeitlichen Veränderungen der eigenen Person werden wir vom Kind zum alten Mann (oder alten Frau) durch die Vernebelungen unserer inneren Unauffindbarkeiten getrieben, sind von und mit so vielen abhängig selber Opfer, Gefangene der Sexualität und der sogenannten Liebe: und zumeist doch nur Plagiate der vielen vergangenen Leben (in den Vorfindungen des Kunstkarussells aller Zeiten)… Das sollte man auch besonders als Dichter und Schriftsteller sich verdeutlichen in den Wiederholungen der Wiederholungen der Wiederholungen… Und wie deklarierte es Bert Brecht: „Es gibt kein geistiges Eigentum!“ Und manch eitler Hahn kräht glaubend daran: dass die Sonne nur durch ihn aufgegangen sei…
Niemand und nichts hat jemals etwas Unzusammenhängendes erfunden: ohne zuvor und daraufhin Erkennbares mit einzubeziehen in seine eigene Variante von Gefühlsäußerungen aus dem anwesenden Gewesenen und den Verwirrungen im Jetztzustand… Wir sind Anwesend und Abwesend mit mehr oder weniger Intensität zu den Verrücktheiten und Euphorien, Erniedrigungen, Abstürzen, Verlusten des Lebens: Thats all! „Niemand ist eine Insel“ – und genau diese Aussage prägt sich ein, wenn Michael Krüger auf die Frage von Ijoma Mangold: „Warum werden reiche Leute so gerne Mäzene von Künstlern, aber nur so selten von Verlagen?“ – etwas seltsam die andere Kunstbranche bzw. die Sammelnden höflich desavouiert, und ungenau gezielt antwortet: „Die Kunst hat es geschafft, die größten Schachtürken als hochbedeutsam hinzustellen. Das ist der Literatur nur ganz selten gelungen. Lesen ist Arbeit. Wer ein Bild über dem Sofa hängen hat, ist fein raus, er muss nicht erklären, was er sieht: Hauptsache, es war teuer.“
Man kann das so nicht unwidersprochen hinnehmen, auch wenn die Malerei in ihrer exzessiven Entrümpelung des Naturalismus: bis hin zur Unkenntlichkeit sich austobt – und z.B. für ein Jackson Pollock Trop-painting Bild (No. 5, 1948) genau 140 Millionen Dollar bezahlt wurde – für das Leonardo da Vinci Ölbild „Salvator mundi“ ein Ölscheich 450 Millionen Dollar hinblättere… Soll hier vielleicht gegengerechnet werden für diese Bilder „über dem Sofa“ oder sonstwo in einem Privatbesitz von Millionären und Milliardären… Literatur hat ein ganz anderes Universum! Somit – forget it! Ein zeitgenössischer Künstler, eine Künstlerin: haben keinen Anspruch auf „angemessene“ Preise für ihre Arbeiten – der Markt bestimmt das Preis-Tabellarium in der Öffentlichkeit des Besitzenwollens von Kunst! Ansonsten soll doch übers Sofa hängen, wer und was man will – früherkennbare Kunst (der gegenwärtigen Zukunft) möge doch gerne mit dabei sein: und umso vorausschauender für diejenigen mit Gespür und selbstbewusster Erkennbarkeit ihrer Kunstauffassungen! Wahr ist aber auch: dass in der Literatur kein literarischer Betrug (in den aufgefüllten Köpfen der Lesenden) sich einschmuggeln kann! – wenn ein Text literarische Qualität hat, wird er sich von dem Kitsch und Schund endlos weit herausfiltern lassen: und da kommt niemand durch mit irgendwelchen Fisimatenten und Schaumschlägereien. Ein Peter Handke und Jon Fosse haben ihren Literatur-Nobelpreis durch den Wert ihrer Werke, zugeeignet bekommen – da gibt es keine Kriterien dagegen als Kritiken mit Aushebelungen zu postulieren: es sind literarische Geistesgrößen! Wenn der Literaturkritiker Denis Scheck das Schreibvolumen von Sebastian Fitzek als das „Eichmaß für die größte Menge an Zumutungen pro Seite“ bezeichnet – werden damit Millionen Menschen in eine Kategorie zur „Nulllinie der deutschen Literatur“ mitdegradiert. Soll also ein Denis Scheck nett sein zu dieser Menge an Menschen – aber warum brauchen diese Massen jenes Lesefutter ohne Tiefgang? Auf der Frankfurter Buchmesse standen an jenem Wochenende: Hunderte von Menschen in Schlangen: um von Sebastian Fitzek ihre Bücher signiert zu erhalten…: Euphorien ohne Ende!
Back to the roots: Ijoma Mangold lässt sich zu sehr auf diese „Koketterie“ zu Antworten des mit allen verlegerischen Wassern gewaschenen Michael Krüger, ein – indem er diese ZEIT-Interview-Schiene weiterhin seltsam eskapistisch befährt: „Die Minderwertigkeitsgefühle des Autodidakten sind das eine. Aber gleichzeitig waren Sie immer von Geistesgrößen wie Jürgen Habermas, Umberto Eco oder Philip Roth umgeben, die sich in Ihrer Gesellschaft genau richtig gefühlt haben. In Ihrem Buch erzählen Sie von „The Boys“, die Sie in New York trafen, das waren die drei Lyriker und Nobelpreisträger Derek Walcott, Seamus Heaney und Joseph Brodsky.“  Und M. Krüger antwortet: „Zu den Boys hatte ich natürlich immer ein unmittelbares Verhältnis. Jemand, der Gedichte schreibt, hat mich immer interessiert, denn ich habe bis heute nicht rausgekriegt, warum das einer tut.“ Ijoma Mangold erstaunt in seiner Gegenfrage: „Sie haben es selbst getan und nun noch immer. Warum?“ Was „denn getan“ und (warum) „nun noch immer…?“ Nein – das Interview mit einem fast 80jährigen Verleger, Schriftsteller und Dichter: hätte vielleicht doch in die tieferen Schichten des lebenslangen Dabeiseins und der Innenwelt zur Außenwelt sich einfinden dürfen? Dennoch, bereichernd im Sinne einer Zurkenntnisnahme dieses sicherlich dichterischen Melancholikers mit Depressionen ergänzt sich das Gespräch der beiden auf zublinzelnder Augenhöhe – denn: ohne diese Verinnerlichungen zu Höhen und Tiefen und mittleren Lagen, wäre ein solches Erleben und Leben auch garnicht möglich: zumal Michael Krüger im Universum des Dichtens durchaus bewandert ist; selbst wenn er (ich wiederhole:) wohl hierbei selbstverloren (zu diesem Empfinden-müssen) aussagt: „Jemand der Gedichte schreibt, hat mich immer interessiert, denn ich habe bis heute nicht rausgekriegt, warum das einer tut.“ Himmel der Dichtkunst nochmal: dieser Michael Krüger reitet doch auf jenem Pegasus seit Jahrzehnten! Wohin denn noch in all den Selbstzweifeln – auch über den Styx hinweg wäre er willkommen bei Erebos und Hades oder darfs auch der Parnass sein…
Vorerst noch Hienieden: Dieses Interview fand in Joseph Bierbichlers Lokal „Zum Fischmeister“ am Starnberger See, statt – irdischer bajuwarischer mit Esprit geht’s wohl nicht mehr! Und hierbei möchte ich auch auf die Kneipe „Café Weiß“ in Stuttgart zu schreiben kommen: dort saß als Stammgast im hinteren Bereich beständig der vielseitige Wendelin Niedlich, hinter ihm auf der Bank und auf dem Fenstersims „seine“ Bücher, die er den eher selten nüchternen Mitzechern empfahl, davon erzählte und anpreisend weitergeben konnte… Darunter auch Bücher vom Hanser-Verlag: Gedichte, Romane, Erzählungen… Und Wendelin Niedlich erzählte auch von Ambach, vom Schauspieler und Dichter und Original Sepp Bierbichler (seinem Freund) und der zudem auch literarischen Geselligkeit im „Zum Fischmeister“ – dessen dort dichterischen Impressionen, wo er auch Michael Krüger mit anwesend, vorfand… Von beiden Dortigen hielt er große Stücke – wie er auch im Café Weiß in Stuttgart „Gott, Teufel (u.a. einstens Ministerpräsident) und die Welt“ kannte, die ihn schätzten und seine verinnerlichte Weisheit im auch seltsam-bedeutsamen Still-in:Sichsein, erspürten… Seine arrangierten Lesungen dort in dieser Kneipe: begeisternd zu Marcel Proust „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ – beinhalten nichts anderes, was auch Michael Krüger als Dichter und Schriftsteller zu vermitteln hat: die Suche nach/zu sich selbst und der somit auch ungern verlorenen Zeit. Somit besonderen Dank an Michael Krüger und Ijoma Mangold für die durchaus nicht verlorene Zeitanteiligkeit (für uns Lesende) zu diesem gemeinsamen Gespräch in Sepp Bierbichlers „Zum Fischmeister“. Und erinnern wir uns an ein Zitat von (Hans Gustav Bötticher), dem Dichter, Schriftsteller, Maler, Seemann und Kabarettist Ringelnatz: „Jeder spinnt auf seine Weise – der eine laut, der andere leise.“  – und zutreffend erkennbar von/durch Michael Krüger „Warum wird einer etwas? Ich weiß es nicht.“ Der Dichter Arthur Rimbaud weiß es: „Ich ist ein anderer.“
Axel Manfred Rvmpf von Mansfeld


Leserbriefe zu „Mayday, Mayday, Mayday“ von Hauke Friedrichs

Der Artikel von Hauke Friedrichs ist überfällig. Alle Medien haben sich mit positiven Berichten über den „NEUEN“ im Verteidigungsministerium überschlagen. Da wurden nur Aktionsfotos und markige Worte präsentiert. Zweifel an der Durchschlagskraft von Herrn Pistorius durfte ich nie unwidersprochen äußern. Jetzt, so langsam wird wohl kapiert, dass Fotos auf oder in Panzern nicht ausreichen, um das Verteidigungsministerium zu führen.
Manfred Mengewein

Boris Pistorius (SPD), der Bundesminister für Verteidigung, fordert derzeit eine „Kriegstüchtigkeit“ für unser Land, obwohl das Grundgesetzt (GG) im Artikel 1, Abs. 2 das gar nicht vorsieht und deshalb auch nicht mag. Wir, das Volk stehen in dieser Frage auch wieder einmal außen vor und ob wir uns wirklich ertüchtigen wollen, das spielt für ihn anscheinend keine große Rolle. Mag sein, dass Herr Pistorius selbst gar nicht ganz genau weiß, wie er das alles meinen soll, aber unterstellen wir ihm mal eine „friedliche“ Absicht! Der SPD-Politiker und ehemaliger Bundeskanzler Willy Brandt (1913-1992) sprach bei der Entgegennahme des Friedensnobelpreises 1971 in Oslo davon, dass der Krieg kein Mittel der Politik sein darf.  Es geht darum, so sprach er weiter, die Kriege abzuschaffen, nicht nur sie zu begrenzen. Gut diese Worte wurden vor langer Zeit gesprochen und vielleicht kann sich Boris Pistorius an diese Worte nicht erinnern (das kann ja vorkommen), deshalb will er den Frieden mit allen kriegerischen Mitteln, die er hat, erkämpfen!
Klaus P. Jaworek


Leserbriefe zu „Aufstieg eines Burschen“ von Martin Hogger et al.

Halemba ist wieder einmal ein Paradebeispiel für den ewig wandernden Nazi. Von Polen nach Deutschland emigrieren und dann mal gucken, wo man am besten reinpasst. Die Unterschiede zwischen katholischer Kirche, Junger Union, AfD und Drittem Weg sind ja auch nur marginal und fließend. Hauptsache, die Verbindungen (nebenbei noch ein bisschen bei der libanesischen Shisha-Mafia abhängen; die Fechtwunden sind ja recht gut verheilt, vielleicht sollte er mal zum Hammer greifen und sich den Schädel damit polieren, was in diesen Kreisen ja die neueste Mode ist, siehe vorletzte Ausgabe) helfen diesem Schleimbolzen, der nicht weiß, wo er hingehört (mal sehen, ob er irgendwann einmal ganz links außen landet, unwahrscheinlich wäre das nicht), dabei, Karriere zu machen. Ein bisschen Einschüchterung und inner“partei“liche Wahlmanipulation ist man von dieser kriminellen Vereinigung AfD ja längst gewohnt. Von der „Denk“struktur sehe ich gewisse Ähnlichkeiten zwischen Halemba und Aiwanger.
Zur Reichskriegsflagge: Damit als Schüler zu posieren scheint Mode geworden zu sein. Ich bin kürzlich mal die Abikurs-Fotos in meinen alten Schülerjahresberichten durchgegangen und habe zu meinem Erstaunen festgestellt, dass ein Kurs (bzw. einige Teilnehmer; Geschichte oder Englisch, müsste ich noch einmal nachschauen, es waren auch noch andere, unverfänglichere, Flaggen zu sehen) sich vor ein paar Jahren u. a. mit dieser Flagge ablichten ließ. Als „Schulstreich“ würde ich das jedenfalls nicht durchgehen lassen, erst recht nicht die Aktionen, die sich Aiwanger und Halemba geleistet haben. Schon seltsam, was heute alles so durchgeht … 1990 war das noch etwas anders. Da wurde von der Schulleitung noch ein Aufstand veranstaltet, weil der Exhibitionist auf dem Cover unserer Abizeitung angeblich nach den Karikaturen im „Stürmer“ ausgesehen habe. Wochenlang war die Auswahl der möglichen Cover zuvor im Foyer zu sehen, komischerweise sind diese „Ähnlichkeiten“ damals niemandem (von der Schulleitung) aufgefallen.
Thomas Manthey

Daniel Halemba sitzt nun als jüngster Abgeordneter im Bayerischen Landtag zu München. Er bekam bei der letzten (demokratischen) Landtagswahl in Bayern 2023 genügend Stimmen und deshalb sitzt er jetzt dort, wo er jetzt sitzt. Von der AfD kann man halten, was man will und mag, diese Partei ist nicht verboten und deshalb können Personen, die sich für die AfD bei Wahlen aufstellen lassen, auch gewählt werden und das war auch bei Daniel Halemba der Fall. Ich verstehe deshalb diesen ganzen Zinnober nicht ganz, der um die Person Daniel Halemba betrieben wird. Ist dieser Mensch für die ZEIT wirklich so interessant, dass man ihm gleich eine ganze Seite in der ZEIT N° 48 widmen musste? Ich für meine Person habe wirklich besseres zu tun, als ständig ein Auge auf diesen jungen Menschen Halemba zu werfen. Wenn ich da so an die Politiker der Ampel denke, dann wird mir wahrlich „schwarz“ vor den Augen, was diese Damen und Herren der Ampel-Regierung so in Berlin tagtäglich verzapfen. Wenn das so weitergehen sollte, dann sehe ich für demnächst sehr, sehr „schwarz“ für Deutschland; sorry CDU/CSU!
Klaus P. Jaworek


Leserbriefe zu „Die neue Befreiung“ von Hanna Grabbe und Martin Spiewak

Mit Interesse haben meine Mutter und ich euren Artikel zur Pille und alternativen Verhütungsmethoden gelesen. Meine Mutter fand ihn super, weil er ihre Erfahrungen wieder gespiegelt hat und mich hat er enttäuscht, weil er die Annahme, dass Frauen für die Verhütung zuständig sind, komplett unangetastet lässt. Für mich und meine Freund*innen ist klar: zum schwanger werden gehören zwei dazu. In einer Analyse von Haltungen zu Verhütung “meiner Generation” fände ich es relevant, Alternativen abseits des Kondoms, bei der auch Menschen mit Hoden Verantwortung übernehmen könne, zu beleuchten. Vielleicht ist es euch eine Recherche wert, warum die Forschung zu reproduktiver Selbstbestimmung für Männer derart langsam voran geht!
Pau Hoffnung

Normalerweise schreibe ich weder Leserbriefe noch Kommentare auf Zeit Online, doch der Artikel „Die neue Befreiung“ (ZEIT Nr. 48) ist derart inhaltlich falsch/ schlecht recherchiert und tendenziös meinungsmachend geschrieben, dass ich mich dazu äußern möchte:

Ich wende seit 10 Jahren die NFP/Sensiplan-Methode an, habe vorher lange die Pille genommen. Den NFP-Kurs hatte mir meine Gynäkologin empfohlen. So (negativ), wie Sie die Natürliche- Familienplanung-Methode im Artikel darstellen, erlebe ich sie keineswegs, im Gegenteil finde ich sie eine super Alternative zur Pille, erstens aus ganz persönlicher Erfahrung; zweitens finde ich sie äußerst nützlich, um als Frau den eigenen Körper besser kennenzulernen und zu verstehen (etwas, worin viele Frauen ganz grundsätzliche Wissensmängel haben… und ist es etwa besser, jahre- oder sogar jahrzehntelang unreflektiert ein Hormonpräparat einzunehmen, wie es so viele Frauen in den 70ern, 80ern und 90ern getan haben, im blinden Vertrauen auf ihren Arzt und die Wissenschaft? Ohne darüber nachzudenken, was das mit dem weiblichen Körper macht, wenn er jahrelang keinen echten Zyklus hat und stattdessen dauerhaft eine hormonell vorgegaukelte Schwangerschaft durchlebt?) Drittens kann frau Krankheiten und Zyklusunregelmäßigkeiten frühzeitig erkennen, da sie viel besser mit ihrem Körper vertraut ist und Symptome frühzeitig erkennt.
Diesen Fall habe ich kürzlich erlebt, dank NFP konnte ich sehen, dass ich statt einer Krankheit nur einen monophasischen Zyklus hatte (Wissen Sie, was das ist? Lernt man u.a. im NFP-Kurs.) Viertens ist die Methode die beste existierende Methode für das umgekehrte Ziel, damit kann man bei Kinderwunsch sehr präzise den Eisprung bestimmen. Und nebenbei erkennt man jenseits der 40 auch sehr frühzeitig Symptome für den Beginn der Wechseljahre. Ach ja, und falls man schwanger sein sollte, weiß man es dank der Beobachtung des eigenen Körpers bereits einige Tage VOR dem nächsten Perioden-Termin. Ihre Argumente kann ich deshalb überhaupt nicht nachvollziehen „Beratungsaufwand der Frauenärzte“? Sachlich irreführend und als Argument untauglich: Meine Ärztin hat mich darüber genauso (kurz oder lang..) beraten wie zu allen anderen Methoden, wie Pille, Spirale etc. (letztere wird in Ihrem Artikel gänzlich verschwiegen – warum?), den „Zeitaufwand“, den Sie hier anführen, hat die Person, die einen NFP-Kurs anbietet, nicht die Frauenärztin; diese vermittelt nur ggf. an einen Kurs weiter, genauso schnell wie sie ein Pille-Rezept schreibt.
Unsicher? Sie suggerieren mit ihrem Text, dass NFP genauso unzuverlässig und suspekt wäre wie seinerzeit Knaus-Ogino. Das diese letztere (historische) Methode noch zeitgemäß wäre, sagt niemand, auch die NFP-/Sensiplan-Kurse belehren sehr deutlich über die Unzuverlässigkeit von Knaus-Ogino. Deshalb ja die vielfältige Symptombeobachtung incl. Temperaturmessung (die übrigens kein großer Aufwand ist!) Das „Ausrechnen“ allein nicht zuverlässig ist, ist allen NFP-Anwenderinnen klar, entschuldigen Sie bitte. Schwer zu erlernen? Nein. Ich hatte 5 Kursabende, an denen ich etwas Nützliches für mein ganzes Leben und meine Gesundheit gelernt habe. Das ist nicht zu viel Aufwand, und mit einem guten Kursleiter erlernt man es schnell, zuverlässig und praktikabel. Insgesamt ist Ihr Artikel so sehr tendenziös und suggestiv geschrieben, dass ich mich wirklich zu fragen beginne, von welchem erzkonservativ orientierten medizinischen Dachverband die ZEIT dafür bezahlt oder maßgeblich beeinflusst wird. Ich möchte das nicht glauben, leider drängt sich der Eindruck aber massiv auf. (Es ist ja leider nicht der erste ZEIT-Artikel, in dem medizinische Alternativen in Bausch und Bogen verdammt werden, und das in einer minimal informierten Weise, wie sie der ZEIT und gutem Journalismus unwürdig ist. der Grund würde mich interessieren!).
Und zu guter Letzt: NFP sei altbacken und man müsse mit „großen Zetteln“ hantieren, weil Benutzerinnen leider vergeblich auf eine App warten? Das ist an so vielen Punkten sachlich falsch… hier nur das Wichtigste: es gibt eine sehr gute App, die ich seit einigen Monaten benutze. Siehe Foto. Sie haben mit diesem Artikel vielen Frauen, die – zu Recht! – nach Verhütungsalternativen suchen, einen echten Bärendienst erwiesen. Gerade, weil viele Ärzte zu Ihrer Leserschaft gehören. Ein:e  ältere:r Gynäkolog:in wird sich nach der Lektüre in ihren Ressentiments bestätigt zufrieden zurücklehnen, statt sich interessiert u zum Nutzen ihrer/seiner Patientinnen mit dieser sehr guten alternativen Verhütungsmethode zu beschäftigen.
Christiane Arnhold


Leserbriefe zu „Für rare Münze“ von Thomas Fischermann

Was hat dieser Artikel in der Rubrik Wirtschaft verloren!? Noch dazu wird dafür eine halbe Seite verschwendet! Sowas wäre allenfalls als Notiz in „Entdecken“ vertretbar. Dafür sollten Sie teures Papier und mein Abonnentengeld nicht verschwenden. Dienstleistungen sind teuer in Deutschland und daher werden sie hier kaum noch angeboten. Das wissen wir alle. Und die Disziplin, den Wagen wieder zurückzubringen, fehlt hierzulande immer mehr.
Matthias Preis

Welch eine Zeit – und Energieverschwendung, dieser Artikel. Welche „Fachkräfte“ möchten Sie denn für die Tätigkeit des Wageneinsammlers rekrutieren? Begeistern? Gründen Sie ein „start -up“ – oder probieren Sie es selber aus. Nichts ist unmöglich in diesem Land.
M. Trampe


Leserbriefe zu „Darf man die Kunst von Arschlöchern schätzen?“ von Susanne Mayer

Ab welchen Zeitpunkt wird ein Arschloch zum Arschloch? Wer bestimmt das? Wer bestimmt eigentlich, ob Kunst gut, schlecht oder so lala ist? Alles nur eine reine Geschmackssache, wie oder was? Im Schauspiel „Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand“ von Johann Wolfgang von Goethe kommt dieses Zitat vor: „Vor Ihro Kayserliche Majestät, hab ich, wie immer schuldigen Respect. Er aber, sags ihm, er kann mich im Arsche lecken!“ Wohlgemerkt im Arsch, nicht am Arsch – ist man durch solche markigen Worte, selbst schon zum Arschloch mutiert? Dieser Gottfried „Götz“ von Berlichingen zu Hornberg, „mit der eisernen Hand“ wurde um 1480 geboren, sein Todestag war am 23. Juli 1962. „Götz“ war ein deutscher Reichsritter. Er wurde vor allem durch seine Rolle im schwäbischen Bauernkrieg und als Vorbild der gleichnamigen Hauptfigur in Goethes Schauspiel „Götz von Berlichingen“ bekannt.
Klaus P. Jaworek

Walter Benjamin sagte, „es ist niemals ein Dokument der Kultur, ohne zugleich ein solches der Barbarei zu sein“. Damit ist eigentlich alles gesagt. Trotzdem ein kleiner Nachtrag zu der Aussage, „wieso das Monsterhafte typisch männlich ist“! War da nicht letztens ein Skandal, weil eine Künstlerin sich gegenüber Mitarbeitern unkorrekt verhalten hatte (Stichwort: Ende von Metoo)? Was ist mit den diskriminierenden Äußerungen von J. K. Rowlings? Was ist mit dem „Männerverschleiß“, sagen wir mal von Marlene Dietrich? Homo homini lupus…oder jagen nur Rüden?
Gerd-Rüdiger Erdmann


Leserbriefe zu „Wer guckt denn da?“ in ZEIT leo, die Seite für Kinder

Das ist ja mal eine lustige Seite! Ich sehe manchmal auch Gesichter, menschliche Gestalten und andere Formen in der Tapete, wenn ich länger auf der Toilette sitze. Aber das würde nichts bringen, wenn ich da ein Foto von senden würde, weil ich mit ziemlicher Sicherheit der Einzige bin, der diese Dinge sieht. Das „Gesicht“ links vom Brot hätte gut in die „Rappelkiste“ gepasst. Ich sehe da eine gewisse Ähnlichkeit zu Ratz, nur der „Haarschopf“ passt besser zu Rübe. Der Türknauf rechts (drittes Bild von unten) erinnert mich auch an irgendeine bekannte Figur, nur komme ich gerade nicht drauf, an welche …
Thomas Manthey

„Man sieht oft etwas hundert Mal, tausend Mal, ehe man es zum allerersten Mal wirklich sieht“, so sah es der deutsche Dichter, Schriftsteller und Übersetzer Christian Morgenstern (1871-1914) das Sehen. Vielleicht liegt es auch da dran, dass ich als Künstler, doch etwas anders auf die (un)gewöhnlichen Dinge des Lebens sehe, aber oft, sehr oft bis immer, sehe ich fast überall solche Gesichter, wie sie im Artikel „Wer guckt denn da?“ gezeigt werden. Vielleicht sehen diese Dinge zuerst mich und diese machen sich durch ihre Sichtweise bemerkbar. Wer weiß das schon so genau! „Man muss Dinge auch so tief sehen, dass sie einfach werden“, so sah der deutsche Politiker Konrad Adenauer (1876-1967) viele Dinge; übrigens war er auch von 1949 bis 1963 der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland.
Klaus P. Jaworek


Leserbriefe zu „Man muss über diese Dinge auch lachen“ im ZEIT Magazin, Gespräch führt von Paul Middelhoff, Bilder Absolute Felter

Ich möchte mich ganz herzlich für das Interview mit Dan Savage bedanken und die ganz reizenden Bilder von Absolute Felter. Wie die Illustrationen zeigen, kann Sex/Liebe auch Spaß machen, spielerisch sein und nicht unter dem heutigen ”Optimierungsgedanken” gesehen werden. Wenn ich meine frühen Erfahrungen (Ende der 50er Jahre, dann natürlich in den 60ern) mit dem ”strengen” (man ”betrügt” seinen Partner nicht) und zum Teil ziemlich prüden Verhalten meiner Enkel, die zwischen 25 und 32 sind, vergleiche, kommt es mir oft vor wie ”Großmutter erzählt uns ein Märchen”. Was schwappt da aus Amerika herüber? Wir haben damals so vieles ausprobieren können, ohne Angst und mit einer gewissen Leichtigkeit („…wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon um Establishment…”), was den jungen Heutigen wohl oft frivol vorkommen mag. Deshalb freue ich mich auch so über das Interview.
Hilde Wecke

Erstaunlich, dass man bei einem so langen Gespräch über Sex ohne das Wort Liebe auskommt.
Ulrich Hüttemann


Leserbrief zu „4 Ärzte, 100 Patienten, 0 Blutkonserven“ von Lea Frehse

Das OCHA opt benennt in seinen Tagesberichten seit Beginn des Konflikts den täglichen humanitären Versorgungsbedarf mit 100 Lastwagenladungen pro Tag (nicht 750 wie sie berichten). Können Sie diese Diskrepanz erklären? Mich wundert auch, wieweit Sie und die OCHA opt immer noch im „fossilen Zeitalter“ gefangen sind und – wie das Kaninchen auf die Schlange – gebannt allein auf das Thema „Treibstoff“ schauen. Dass es in Gaza Photovoltaik gibt (vielleicht nicht so viel wie in den Hochglanzbroschüren aller Helferorganisation seit 2019 versprochen, vgl. das Projekt der Konrad-Adenauer-Stiftung) wird systematisch ausgeklammert und bisher nur (einmal) im Zusammenhang mit Schäden erwähnt bzw. beim (hochpreisigen) Verkauf von Trinkwasser aus privaten Wasserentsalzungsanlagen.
Und was die Treibstoffmengen angeht: Die Ocha opt hat den Bedarf der Kliniken 2013-18 auf 20,4 Mio. l, also ca. 10.000 l /Tag (eine halbe bis ganze Truckladung) beziffert. Neu (und ohne Priorisierung) werden jetzt 200.000 l/Tag „für alles“ genannt. Und was praktische Politik angeht: Es wäre eine Option, von Israel konkret eine weite Öffnung für Hilfslieferungen im Südteil des Gaza-Streifens zu verlangen (also weg vom Kern der militärischen Auseinandersetzung). Dass Israel diese Logik bereits mit der Wiedereröffnung von zwei seiner drei in den Gazastreifen führenden Trinkwasserleitungen akzeptiert, wäre doch ein guter Ansatzpunkt. Und würde auf den zweiten „Gegner“ Israels zielen: Die Weltöffentlichkeit.
Martin Hommel


Leserbrief zu „Wird das wieder gut?“ von Fritz Habekuss

Mein Brief ist der Versuch, einen Aspekt in Ihren Ausführungen naturwissenschaftlich zu korrigieren. Es geht um Ihren Satz in der Rubrik „Moore“: “Dabei ist die Wiedervernässung der einfachste Weg, um Kohlenstoff aus der Atmosphäre zu binden und so den Klimawandel zu bremsen“. Leider ist diese Aussage falsch. Moore sind CO-2 Speicher. In Mooren ist im Torf – der über Jahrtausende akkumuliert wurde – viel CO2 gespeichert. In geologischen Zeiträumen kann daraus – durch Sediment-Überdeckung und Gewichtauflast – Braunkohle werden. Nach Entwässerung wird er allerdings durch Mikroben mineralisiert, das CO2 entweicht wieder in die Atmosphäre. Das Moor wird so zur CO2-Quelle wie das Verbrennen von Braunkohle (oder das Verbrennen von Torf). Das Problem bei Mooren ist also, dass durch Entwässerung an sich gespeichertes CO2 frei wird (Moorschwund) den atmosphärischen CO2 Gehalt erhöht.
Die Senkenleistung – also CO2- dass durch Moorwachstum (z.B. Wachstum von Sphagnum) ist bei den bei uns vorherrschenden oligotrophen Niedermooren, Übergangsmooren und Hochmooren eher sehr gering. Für die unmittelbare Bindung von Kohlenstoff aus der Atmosphäre müssen wir uns also andere, wirksamere Senken ausdenken. Moorschutz ist dagegen erforderlich, um eine Erhöhung des CO2-Gehalts in der Atmosphäre zu vermeiden. Ich schreibe Ihnen dies, weil Sie mit Ihrer naturwissenschaftlichen unrichtigen Aussage leider nicht alleine sind, sondern diese sich – insbesondere in Naturschutzkreisen – weit ausgebreitet hat. Für einen wirksamen Klimaschutz ist aber die genaue Unterscheidung von -CO2-Senken, CO2-Speichern -und CO2-Quellen und sowie der dazugehörigen Prozesse, die Übergänge und Zusammenwirkungen bestimmen, entscheidend.
Jürgen Gauer


Leserbrief zum ZEIT Magazin allgemein

Mal wieder in Topform, das ZEIT-Magazin!

Amerika und Dickpic auf der Frontseite (aber dezent und kuschelig, weil aus Filz), Keeling-Kurve als Text (genial) und nicht so angsteinflößend, wie das Cover von Greta Thunberg-Buch, und Martenstein schreibt über KI! Selbst die Sonnenbank ist auch ein bisschen Thema. Und Scorcese trifft auf Kendall. Endlich wieder ein „Lebensgefühl“-Magazin (obwohl auch die Frühstücksausgabe ziemlich geil war, man denke nur an den Text von Herrn Prüfer, da war ich sogar etwas verliebt). Weiter machen!
Polina Dekarz


Leserbrief zu „Ins Grüne geplant“ von Marcus Rohwetter

Durchschnittliche Kosten für eine Wohnung von 5100€ pro m² Wohnfläche können mit einer Miete von 18€ pro Monat und m² Wohnfläche (= 216€ pro Jahr = 4,2 % von 5100) finanziert werden? Rechnen Sie noch mit einem Zinssatz von 2% oder mit tilgungsfreien Darlehen? Oder gehen Sie davon aus, dass das Objekt vollständig mit Eigenkapital der Investoren finanziert wird und Letztere auf Abschreibung für das Gebäude verzichten? Oder gehen Sie davon aus, dass der Bau zur Hälfte mit zins- und tilgungsfreien Darlehen des Staates gefördert wird? Und gehen Sie davon aus, dass Reparaturen während der Darlehenslaufzeit bzw. des Abschreibungszeitraumes (= 80% der ursprünglichen Baukosten) aus Mieterhöhungen bezahlt werden?  Mir scheint, auch Sie haben „auf Glück gebaut“.
Adolf Ronnenberg


Leserbrief zu „Dunkle Vorahnung“ von Heike Buchter und Max Hägler

Zweifellos ist Musk ein beispielloser Vollblut- Unternehmer mit der Energie eines Kraftwerks, leider aber auch mit der Sicherung eines Kuhstalls. Seine oft von der Presse euphorisch bejubelten Elektroautos waren nie überirdisch; alle etablierten Automobilhersteller konnten technisch wie preislich gleichziehen, nur taten sie das richtigerweise weniger spektakulär, denn der z.Z. stagnierende Bedarf an E- Mobilen wird angesichts der Preise und der allseits bekannten Alltagsprobleme bis auf Weiteres überschaubar bleiben. Schwer zu glauben, dass die Markteinführung des monströsen Cybertruck daran etwas ändern wird. Elon Musks Space-X-Trägerraketen folgen überraschenderweise den Gesetzen der Schwerkraft und ähneln hinsichtlich ihrer Flugdauer und -höhe auffallend den Flugkörpern aus nordkoreanischer Produktion. Die mit gewaltigen Massenentlassungen einhergehende Übernahme des Nachrichtendienstes Twitter und dessen weiterer Geschäftsverlauf nach der Umtaufe in „X“ bleibt absolut spannend, insbesondere nach Musks Verbreitung antiisraelischer Hetze, was bereits einige Großkunden zum sofortigen Ausstieg veranlasst hat. Weiter so!
Michael Deil


Leserbrief zu „Was mein Leben reicher macht“

Ich war etwas überrascht, warum in Ihrer Rubrik „Was mein Leben reicher macht“ einmal nur kurz und bündig der Name Johann Sebastian Bach stand. Dann fiel mir auf, dass das Oberthema diesmal „Musik“ war. Dass insbesondere Camp Cope und Angie McMahon momentan mein Leben reicher machen, wissen Sie ja schon zur Genüge, aber falls Sie einmal das Oberthema „Literatur“ haben sollten, dann könnten Sie für mich einfach ebenso kurz und bündig „Albert Camus“ hinschreiben (und zwar schon seit ca. 35 Jahren). Die Ziege hat übrigens einen äußerst lustigen Blick.
Thomas Manthey


Leserbrief zu „Die Position: Lasst künstliche Intelligenz für euch schreiben!“ von Juan M. Lavista Ferres

Anwendungen der künstlichen Intelligenz, die auf sogenannten Large Language Models – großen Sprachmodellen – basieren, werden seit etwa einem Jahr an Universitäten, durch Herausgeberinnen von Fachzeitschriften und bei Forschungsförderorganisationen wie der DFG heiß diskutiert. Soll man zugestehen, dass Studierende ChatGPT gebrauchen, um Essays, Hausarbeiten oder Laborberichte zu schreiben? Kann man nicht eigentlich froh sein, dass Wissenschaftlerinnen sich nicht mehr die Nächte und Wochenenden um die Ohren schlagen müssen, um Förderanträge zu überarbeiten, sondern das ganze an die KI übergeben können? Viele, unter ihnen der Autor Juan M. Lavista Ferres, der im Gastkommentar in der Zeit Wissen vom 15. November dafür plädiert, die KI für uns schreiben zu lassen, sind jedenfalls davon überzeugt, dass die verbalen Fähigkeiten von ChatGPT und Co. die von jenen übersteigen, die Englisch nicht als Muttersprache sprechen. Sicher muss man einem Microsoft Chief Data Scientist Begeisterung für die Technologie zugestehen. Natürlich gibt es Anwendungen, die die Wissenschaft vereinfachen, weil sie relativ stupide, aber zeitintensive Arbeiten übernehmen. Auf jeden Fall sind Übersetzungsprogramme nützlich, wenn einem ein Wort nicht einfällt oder der Satzbau holpert. Der Unterschied zwischen dem, was jetzt schon gut genug ist und was nicht, und was wir als Wissenschaftlerinnen umarmen sollten und was nicht, liegt allerdings essentiell darin, ob die Anwendung wissenschaftlichen Text kreiert oder nur verbessert. Diese Unterscheidung wird im Kommentar von Juan M. Lavista Ferres nicht gemacht.
Textschaffende Programme wie ChatGPT tragen mitnichten dazu bei, dass Nicht-Muttersprachler besser Englisch lernen. Die Erfahrung zeigt, dass der künstlich geschaffene Text kaum mehr reflektiert wird, dass alles, was ChatGPT kreiert, als besser, weil flüssiger wahrgenommen wird. ChatGPT erschafft Text, der von unkonkreten Worthülsen wie “Konstrukt” und “Konzept” wimmelt, greift aber in der frei zugänglichen Version zumindest momentan weder auf neuere Veröffentlichungen (nach Januar 2022), noch auf Veröffentlichungen hinter Paywalls zurück. Sicher werden diese Schwächen in zukünftigen Versionen verschwinden, aber die Annahme, Wissenschaft durch Forschende würde besser, wenn man die Kommunikation an Anwendungen der künstlichen Intelligenz ausgelagert, greift trotzdem zu kurz: Als Doktormutter und Betreuerin von Bachelor- und Masterarbeiten im sozialwissenschaftlichen Bereich unterrichte ich wissenschaftlichen Nachwuchs darin, Texte gezielt zu rezipieren, eine Synthese des Feldes zu erstellen, Hypothesen abzuleiten und Ergebnisse im Kontext bestehender Forschung zu diskutieren. Die intensive Beschäftigung mit Text, mit Argumenten und Interpretationen ist ein wesentlicher Bestandteil der wissenschaftlichen Ausbildung und der Wissenschaft selbst. Es mag sein, dass KI in manchen Naturwissenschaften die Kommunikation übernehmen kann, in den Geistes- und Sozialwissenschaften würde man damit einen wichtigen Teil der forschenden Tätigkeit an sich an den Computer übergeben.
Als Pädagogin schreibe ich nicht alles einfach neu, was Nachwuchswissenschaftlerinnen mir zu lesen geben. Ich kommentiere, mache Vorschläge für Veränderungen am Text, erläutere, wo und warum eine andere Struktur, ein anderes Wort überzeugender oder schlicht deutlicher sind. Ich wäre eine schlechte Betreuerin, wenn ich den Text des Nachwuchses einfach löschen und durch meinen eigenen ersetzen würde, da ich meinen pädagogischen Auftrag damit nicht erfülle. Auch ChatGPT geht nicht pädagogisch vor; der Lerneffekt für den wissenschaftlichen Nachwuchs ist gering, wenn einfach ein Text generiert wird. Das Argument Juan M. Lavista Ferres‘, dass KI die Sprache verbessert, geht nicht auf – vielleicht ist der Text auf dem Papier lesbarer, aber der oder die Lernende macht auf diese Weise sicher keine Sprachfortschritte. Nicht-Muttersprachler laufen Gefahr, KI-generierte Texte als höherwertig zu ihren eigenen zu bewerten – ich beobachte das jetzt schon im universitären Alltag – und womöglich die Motivation verlieren, an ihren Kenntnissen und dem wissenschaftlichen Gebrauch der englischen Sprache zu feilen. Wissenschaftliches Schreiben lernen wir allerdings durch Übung, wissenschaftliches Englisch durch Praxis. KI-Anwendungen werden uns in der Zukunft Zeit sparen, viele Routinearbeiten übernehmen und unser Englisch verfeinern. Darauf zu hoffen oder gar zu spekulieren, dass wir der KI das Schaffen, Schärfen und Präzisieren von Ideen überlassen können, lässt allerdings außer Acht, dass gute, innovative Wissenschaft bedeutet, in neuen, ungedachten Bahnen zu denken. ChatGPT gibt nur Bekanntes wieder, denkt nicht selbst, ist nicht kreativ. Es handelt sich bei textgenerierenden Anwendungen mitnichten um eine Demokratisierung der (Wissenschafts-)Sprache, vielmehr besteht die Gefahr dass innovative Texte nur von jenen kommen, die Englisch auf Muttersprachniveau sprechen und andere der falschen Überzeugung erliegen, dass die künstliche Intelligenz die Kommunikation durch den Wissenschaftler selbst unnötig macht.
Tina Kretschmer


Leserbrief zur Infografik „Vermessen“ von Anne Gerdes (Infografik) und Christoph Drösser (Recherche)

Als leidenschaftlicher Geographie-, Reise- und Wissensfan habe ich mit Freuden gesehen, dass sie die interessante Vergleichssicht der Größe, Höhenlage und Tiefe der größten und einiger weiterer großen Seen auf Seite 46 in der Rubrik „Wissen“ zeigen. Da ich gerade in Uganda war und auch auf dem Viktoriasee gefahren bin, fiel mir allerdings gleich auf, dass die angegebene Höhenlage des Viktoriasees nicht stimmt. Ganz Uganda liegt auf einem Hochplateau von mehr oder weniger 1.000 Meter über dem Meeresspiegel. Da kann der Viktoriasee nicht auf 135 m Höhe liegen. Tatsächlich liegt der Viktoriasee auf 1.135 Metern über dem Meeresspiegel. (Siehe z.B. Wikipedia) Dass man hier nicht nur die erste „1“ vergessen hat, sieht man an der grafischen Darstellung in der Vergleichssicht.
Christi Degen


Leserbrief zu „Stimmt’s?“ „Auf Satellitenbildern kann man noch Ost- und West-Berlin sehen“ von Christoph Drösser im Zeit Magazin

20-mal? Nein 115-mal! Die Lichtausbeute wird in lm/W (Lumen pro Watt) gemessen, Gaslicht hat eine Lichtausbeute von 0,1 (verschmutzt) bis maximal 1 lm/W (frisch geputzt), in der Regel eher 0,6 lm/W, da dieser Krempel schnell verschmutzt. Die Müller-Licht LED „Retro“ von dm, die hier auf dem Tisch liegt hat 806lm/7W=115lm/W, ist also 115-mal besser als das langweilige Gaslicht. Es geht aber weiter: die Lebensdauer der LED ist 15000 Stunden, beim Gaslicht muss alle 200 Stunden der Lampenputzer mit der Leiter kommen, den ich mit meinen Steuergeldern bezahle, und in Dubai sind Leuchtmittel unter 200 lm/W und 25000 Stunden Lebensdauer schlicht verboten.
Ulrich Bosshammer


Leserbrief zu „Wie komme ich dahin?“ von Ilka Piepgras im ZEIT Magazin

Frau Piepgras schreibt übers Berner Oberland und schlägt eine Wanderung von Grindelwald/First zum Bachalpsee vor, in dem sich bei gutem Wetter der Eiger spiegeln soll. Das kann nicht sein, es spiegeln sich im Wasser das Schreckhorn und allenfalls noch das Finsteraarhorn. Bitte überprüfen Sie` s mal.
Henri Müller