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12. Mai 2021 – Ausgabe 20

Leserbriefe zu „Warum kann er nicht die Klappe halten?“ Gespräch mit Boris Palmer geführt von Lisa Nienhaus

 

Grundsätzlich bin ich immer sehr angetan von Ihrer Arbeit. Jetzt muss ich mich doch mit einer kritischen Bemerkung an Sie wenden. Soeben habe ich auf der Startseite von Zeit Online ein Interview mit Boris Palmer gesehen. Warum geben Sie einem Provinzbürgermeister ein solches Forum? Für mich gibt es zwei Begründungen: Entweder er hat etwas Hervorragendes / Bemerkenswertes zum aktuellen Diskurs beigetragen oder etwas gesagt, was man an sich (oder den Umgang damit) kritisch reflektieren müsste.

Boris Palmer hat seit Jahren nichts mehr zum Diskurs beigetragen, außer hanebüchenen Behauptungen und Provokationen. Seine ganze Rolle, und, wahrscheinlich nicht aus Zufall, die seines Vaters, wie ich in einem Artikel von Ihnen lesen durfte, besteht nur aus sinnlosen und unsubstanziierten Behauptungen. Seine „Satire“ oder seine Bemerkung zu Flüchtlingen bekommen nur Gewicht, wenn sie reproduziert und multipliziert werden. Er ist kein Rebell, der eine sinnvolle, wenn auch Mindermeinung vertritt. Seine Meinung wird sehr weit vertreten, nur in einem anderen Parteispektrum.

Was interessant wäre, ist der Umgang der Partei mit ihm oder die Multiplikationsketten von solch schwachsinnigen Aussagen. Nun haben die Grünen aber in der langweiligsten Art und Weise reagiert und ein Ausschlussverfahren eingeleitet. Damit ist der Umgang in der Partei mit ihm auch nicht mehr interessant. Sie sind selbst offensichtlich Teil der Multiplikationskette, damit wäre der interessanteste Teil der Berichterstattung Ihr Umgang mit der unsäglichen Boris Palmer Story. Vielleicht wäre das ein Impuls, Ihre eigene Arbeit und die Entwicklung Ihrer Institution zu hinterfragen.

Ich verstehe, dass Sie als Zeitung Trends nachgehen müssen. Mit den Worten von Jon Stewart gesagt, Sie unterliegen hier jedoch einem klaren „Bias to sensationalism“. Sensationsjournalismus wurde bisher von mir nicht mit Ihrem Medium in Verbindung gebracht. Für mich waren Sie immer eine angenehm nüchterne Alternative zu dem Spiegel o. ä. Leider ist so eine Arbeit für mich sehr uninspiriert und langweilig. Sie verlieren mit dieser Entwicklung Ihre herausragende Stellung in der deutschen Medienlandschaft und werden einfach nur gewöhnlich. – Leo Mechsner

 

Nach meiner persönlichen Ansicht , gleitet „DIE ZEIT“ langsam aber sicher mehr und mehr in die Moralistenrolle – Wir sind die Wahrheit und das Licht. Wer nicht unserer Meinung ist, ist ein ,…., oder was auch immer. – Wie lange dauert es noch, bis man von anderen Menschen wegen der Benutzung des Wortes „Neger“ am nächsten Laternenpfahl aufgeknüpft wird, nachdem Mitarbeiter der New York Times deswegen schon den Arbeitsplatz verloren haben. – Wie lange dauert es noch, bis man von anderen Menschen wegen des Besitzes des Korans gelyncht wird, nur weil Menschen Ihrer Auffassung nach dies für schlecht halten?

– Wie lange dauert es noch, bis alle Menschen aus der Mitte schweigen? Dann hört Mann,*, Frau nur noch die Fanatiker und Moralisten aller Couleur brüllen und wüten! – Moralisten und Fanatiker jeglicher Couleur haben in der Menschheitsgeschichte meistens nur für Blut und Tränen gesorgt! – Die Benutzung des Gender * sagt überhaupt nichts aus, wie dieser Mensch sonst mit Minderheiten umgeht. Meine persönliche Erfahrung sagt da: „Wer den Kopf in der Kirche am schrägsten hält und am inbrünstigen singt, ist einer der schlimmsten im Umgang mit anderen Menschen außerhalb der Kirche.

Bitte kämpfen Sie mit allen Ihnen zur Verfügung stehenden gewaltlosen Mitteln, dass in Deutschland wieder eine Streitkultur entsteht, die mit Argumenten zu überzeugen sucht und die Andersdenkenden immer mit Respekt behandelt. Den “kleinen Zweifel” im Hinterkopf : Der andere Mensch könnte unter Umständen vielleicht auch Recht haben. Keiner von uns hat die Wahrheit für sich gepachtet. – Hubert Haller

 

Solange Sie so negativ über Boris Palmer berichten möchte ich nicht einmal ein Probeabo von Ihnen. Das ist keine objektive Berichterstattung für mich und somit die Zeit des Lesens nicht wert. – Ingeburg Wagenmann

 

Warum soll er die Klappe halten? Aha, die Grünen wollen also einen Störer loswerden. Erst selbst unbequem mit alternativen und kontroversen Ideen aufsteigen und dann die Unbequemen in den eigenen Reihen zum Schweigen bringen. Ist das der Weg, um als „etablierte“ Partei mehrheitsfähig zu werden? Bei aller Provokation: Palmer macht immer wieder den entscheidenden Punkt und ist für mich der alltagstauglichste Grüne weit und breit. – Thomas Meichle

 

Die Grünen sind Avantgarde. Wichtiges Instrument der Avantgarde ist auch die Provokation. Die gesellschaftliche oder emanzipatorische Bedeutung der Provokationen von Boris Palmer ist allerdings eher begrenzt, der Anteil der Selbstvermarktung dagegen recht hoch. Die Mechanik: Boris Palmer provoziert. Die Öffentlichkeit ist erregt bis amüsiert. Die eigene Partei ist in Not. Boris Palmer hat Aufmerksamkeit erregt. Leider reagieren nun die Grünen reflexartig mit einem Parteiausschlussverfahren und erhöhen und perpetuieren damit den Aufmerksamkeitseffekt: positiv für Boris Palmer, negativ für die Partei.

So schwer es ihm auch fallen mag, Boris Palmer sollte seine Neigung zu provozieren in den Dienst seiner Partie stellen, oder besser gesagt: in den Dienst der gemeinsamen Sache. Und die Partei sollte verstehen, dass sie Boris Palmer braucht: als erfolgreichen Praktiker, als guten Kommunikator und als Provokateur. Ein gutes vertrauliches Gespräch auf hoher Ebene könnte sicherlich die Basis für eine Fortsetzung der Zusammenarbeit schaffen. Die interne Kommunikation muss gelingen, wo doch die eigentliche Herausforderung die externe Kommunikation im großen Umbauprojekt ist. Fatal wäre, wenn die „Revolution“ beginnt, ihre eigenen Kinder zu fressen, bevor sie überhaupt angefangen hat. – Reinhard Koine

 

Zum Standardprofil eines Rhetorikers gehört es, so eindeutig zu kommunizieren – insbesondere bei der Wahl satirischer, ironischer, doppeldeutiger Stilmittel -, dass eine Skandalisierung verunmöglicht wird. Dass dieses „Charisma vorzüglicher Rede und Schreibe“ nicht jedem gegeben ist, hat zur Etablierung des Lehrfachs Dialektik im Sinne einer Kunst der Gesprächsführung geführt. Ich selbst muss täglich Reden halten, an Sonn- und Feiertagen predigen – dafür genoss ich drei Jahre lang im Studium der Theologie auf der jesuitischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main durch Pater Friedhelm Mennekes von 1993 bis 1995 eine Rhetorikausbildung, gekoppelt an Seminare mit Stimmbildung und Sprecherziehung. Ziel sollte es sein, in freier Rede ohne mitgeführtes Redemanuskript predigen zu lernen.

Dieses tägliche Brot eines jeden in der Öffentlichkeit präsenten Amtsträgers ist Gabe und Bürde zugleich, weil heute freilich jedes Wort mehrfach auf die Waagschale auch der neuen sozialen Medien gelegt wird, Kommentare in Echtzeit geschrieben werden, niemand mehr eine Nacht über seinen gehegten Groll schläft, Missverständnisse mit einem Mausklick weltweit viral gehen. Aber all dies muss Profis bekannt sein! Wenn sich Boris Palmer beklagt, ihm werde „das Gegenteil von dem, was ich eigentlich sagen wollte, unterstellt und mir dann eine Haltung untergeschoben, die ich nicht habe“, dann hätte mein Ausbilder Prof. Dr. Mennekes gesagt: Beruf verfehlt!

Von der Pflicht, gerade bei Tabuthemen (von denen es freilich viele gibt, unter denen aber der Nationalsozialismus und der Rassismus herausstechen) einen Text der Rede oder Schreibe so penibel vorzubereiten und diesen mit einem gerüttelt Maß an Akkuratesse zu veröffentlichen, kann kein Amtsträger entbunden werden, zumal dieser gleichzeitig die Geister unterscheiden muss – also sorgfältig auszuwählen hat, wozu er sich zu Wort meldet. Dass es überhaupt die Öffentlichkeit interessiert, was der Tübinger Oberbürgermeister zum Fall Dennis Aogo zu sagen hat, wage ich zu bezweifeln; woher hat Boris Palmer eigentlich die Zeit, sich zu allem möglichen Tagesgeschehen zu äußern? Es sollte lieber in Tübingen arbeiten, wofür er ja auch gewählt wurde und bezahlt wird, oder sich um seine Familie kümmern bzw. in Ruhe schlafen.

Schließlich ein Wort zum Palmerzitat selbst: Viele Medien haben es gepixelt, andere aus Scham gleich ganz weggelassen. Mich schaudert es beim Lesen – vielleicht der beste Beleg dafür, wie sehr Palmer mit seiner Klage, dass „jedem verständigen Leser“ sofort diese Ironie erkennbar sein müsse, danebenliegt. Das Zitat überhaupt zu verbreiten, ruft bei „jedem verständigen Leser“ Ekel hervor. Wes Geistes Kind ist eigentlich jemand, der solch eine Abscheu nicht empfindet? Gerade in diesen Wochen ein sehr hilfreicher Aufhänger, um auch mit Heranwachsenden, die allzu oft mit sozialen Medien freizügig und blauäugig umgehen, neu ins Gespräch zu kommen. – Felix Evers

 

Sie fragen in Ihrer Überschrift: „Warum kann er nicht die Klappe halten?“ Ganz einfach: D’r Schwob wird erscht mit fufzig gscheit ! – Roland Fischer

 

Danke für Ihr Interview mit Boris Palmer. Es ist entlarvend. Sein Hass auf die sogenannte Cancel-Culture scheint ihn anzutreiben. Man gewinnt den Eindruck, dass er es unbedingt darauf angelegt hat endlich auch gecancelt zu werden, um sich dann als Märtyrer zu stilisieren, der erhobenen Hauptes dem Meinungs-Schafott entgegentritt. Natürlich kann man in Frage stellen, ob es gerechtfertigt ist, dass öffentliche Personen (Fußballer, Politiker, Schauspieler) wegen Äußerungen zu Themen, die meist deutlich ausserhalb ihrer Kernkompetenzen liegen, gleich ihren Job verlieren sollten.

Aber nicht alles was gesagt werden kann, muss auch gesagt werden. Zwischen mundtot und einfach mal die Klappe halten liegt oft ein heilsamer Perspektiv-Wechsel. Die Palmers, Lehmanns, Aogos und Liefers haben ja im Prinzip dasselbe Problem: Eine stark ausgeprägte Binnensicht ohne redigierende Instanz. Ein bisschen Self-Canceling täte bisweilen gut. – Sebastian Pfütze

 

In Ihrem Interview mit Boris Palmer wird ein naheliegender Aspekt bei der Frage, warum Palmer immer wieder mit dümmlichen Aussagen provoziert, mit keinem Wort berührt, obwohl es so offensichtlich ist: Palmer wird von Ihnen für seine erneute Entgleisung mit einem ganzseitigen Interview belohnt; inklusive großformatigem Porträtfoto, das einen sympathisch dreinblickenden Palmer zeigt, der den Betrachter verschmitzt anlächelt. So viel „soziale Ächtung“ und „cancel culture“, von denen Palmer unaufhörlich zwanghaft schwadroniert, gab es bei der ZEIT ja noch nie! (Das war jetzt die Ironie, auf die sich Palmer im Zweifel gerne beruft.)

Ich plädiere nicht dafür, Palmer mit einem Entzug der öffentlichen Aufmerksamkeit zu strafen, aber hätte es ein einspaltiges Interview nicht auch getan? Palmers einziges, gebetsmühlenhaft wiederholtes Scheinargument entlarvt sich spätestens nach der dritten Wiederholung selbst. Kein deutscher Oberbürgermeister wird so oft in bundesweite Talkshow eingeladen wie er, keiner hat bei Twitter und Facebook eine ähnliche Reichweite. (Auf seiner Facebookseite bleiben übrigens selbst widerlichste Kommentare seiner Fans aus dem AfD-Spektrum oft unmoderiert stehen.)

Damit es bei der medialen Belohnung durch Aufmerksamkeit auch bleibt, muss Palmer alle paar Wochen die nächste, leider wieder sehr missverständliche öffentliche Spitze platzieren. Diesmal war seine Entgleisung nicht als Zitat gekennzeichnet. Dafür werden Anführungszeichen oder indirekte Rede verwendet, was Herrn Palmer bekannt sein dürfte. Auch war nicht erkennbar, dass er die zitierten Vorwürfe gegen Dennis Aogo, die von einer AfD-Seite auf Facebook stammen, für erlogen und denunziatorisch hält. Das Tragikomische und mittlerweile Pathologische an Palmer ist, dass er die soziale Ächtung und den „virtuellen Lynchmob“ mit allen Mitteln zu erzeugen sucht, um sie anschließend zu beklagen.

Er führt sich dabei immer wieder selbst ad absurdum. Im Zuge der #allesdichtmachen-Aktion deutscher Schauspieler habe ein Ex-Landesminister gefordert, Jan Josef Liefers vom Bildschirm zu verbannen? Ja, und?! Ex-Landesminister dürfen vieles fordern. Auch das gehört zur Meinungsfreiheit, auf die sich Palmer immer wieder beruft. Kein verantwortlicher Politiker oder Fernsehintendant hat die Forderungen aufgegriffen. Der nach der Aktion ausgestrahlte Tatort mit Jan Josef Liefers hatte Rekordquoten, Liefers durfte in zahlreichen Interviews (auch in der ZEIT) und Talkshows seine Sicht der Dinge verbreiten. Laut Palmer gehe das aber „in Richtung Existenzvernichtung“. Im Englischen nennt man Leute wie Palmer „hot air merchants“, Händler für heiße Luft. Ein alternatives Geschäftsmodell scheint er nicht zu kennen. Falls Sie die in der Überschrift gestellte Frage („Warum kann er nicht die Klappe halten?“) tatsächlich beantworten wollen, sollten Sie vielleicht lieber mit einem Narzissmus-Forscher sprechen. – André Götz

 

Mir völlig unbegreiflich, wie gesellschaftspolitisch Tonangebende rundum Zivilcourage einfordern können und im selben Atemzug einem das „Klappe halten“ bei Themen anempfehlen, die förmlich danach schreien, öffentlich debattiert zu werden. Noch nie während einer langen Lebenspanne fühlte ich mich so brutal im Würgegriff einer humorlosen, blutleeren Gouvernantenriege wie gegenwärtig. „Pfui, das sagen wir so nicht und das und das auch nicht!“ Jawohl, nur fest Wahrheiten unter der Decke halten und ausschließlich dem schönen Schein das Wort reden, super Methode!

Heute also an der Tagesordnung: Ein lockerer Spruch, ein unbedachter Satz und weg bist du. Adieu Verhältnismäßigkeitsgebot! Und was ist die Basis? Eine verlogene Pseudomoral und das unbedingte Verlangen, ein Volk unter Anwendung einer mittelalterlichen Prügelpädagogik in Richtung fragwürdiger Ziele erziehen zu wollen. Leben in diesem Land wird in dem Maße freudloser, wie diese „Pharisäer*innen“ an Oberwasser gewinnen, aber klar, wem das hier nicht passt…. Boris Palmer gehört zum Besten, was die Grünen je hervorgebracht haben und immer, wenn er den Mund auftat, war das in einem tieferen Sinne veranlasst und erhellend. Es ist schmerzlich, dass es nicht mehr Politiker seines Formates und beispielsweise dem Format eines Wolfgang Bosbach gibt! – Konrad Gold

 

Gleich zweimal ärgerte ich mich über Behauptungen in Artikeln von Frau Nienhaus, die einfach aus ihrem persönlichen Eindruck abgeleitet zu sein schienen. Im Interview mit Boris Palmer an der Stelle, an der sie schreibt: „Die meisten Menschen haben auch mit Kontext keine Satire erkannt.“ Das ist doch eine pure Annahme. Gibt es da irgendeine Untersuchung zu? Dann die Stelle: „In der Parteispitze hat er, ganz gleich, mit wem man spricht, keine Unterstützung mehr.“ Auch wieder eine Behauptung. Ich habe ganz andere Erfahrungen gemacht. Mit wem hat Frau Nienhaus denn bei uns Bündnisgrünen gesprochen?

Der zweite Artikel – Die postvirale Klassengesellschaft – strotzt dann nur so vor gefährlichem Halbwissen, klischeehaften Annahmen und unbelegten Behauptungen. Besonders ärgerlich ist die Aussage von Frau Nienhaus zu den Selbständigen. Hier geht es in der Begrifflichkeit auch wirr durcheinander: Unternehmer, Selbständige… Erst heißt es, dass diese Gruppe eher zu den Besserverdienenden gehört, etwas später sind es dann schon die Besserverdienenden (ohne Einschränkung). Hier wird nur ein Klischee aufgewärmt, das schon lange widerlegt ist.

Wenn bei Selbständigen Kosten für Krankenkasse usw. abgezogen wurde, dann unterscheidet sich das durchschnittliche Einkommen von Selbständigen kaum zu denen von Angestellten. Ich könnte hier noch einiges Ungereimtes im Artikel von Frau Nienhaus aufzählen, empfehle Ihnen aber stattdessen einen gestern gelesenen Artikel aus der Taz (was ich nicht oft mache, hier aber der Autor weit genauer gearbeitet hat als es bei der Zeit derzeit Usus zu sein scheint) zum gleichen Thema: https://taz.de/Selbststaendige-in-der-Pandemie/!5765297/S. Pöhl

 

Schade, liebe Frau Nienhaus: Sehr gern hätte ich von Herrn Palmer erfahren, wie viele Prozentpunkte die Grünen nach seiner Einschätzung bei der kommenden Bundestagswahl wohl durch sein Verhalten einbüßen werden. Das könnte den Sieg der Grünen vermasseln! – Dr. Paul-J. Hahn

 

Warum er „die Klappe nicht halten kann“? Weil Boris Palmer doch die offene Gesellschaft vor der Bedrohung der Cancel-Culture retten will. Und eben darum mit genetisch erworbener Profilierungssucht immer wieder als überheblicher, verletzender und jetzt auch noch ordinärer Provokateur auftreten muss. Auf jeden Fall Tübingen soll doch auch in Zukunft so „glänzend“ da stehen wie heutzutage. Das war jetzt aber ironisch gemeint . . . – Petra Kollros-Müller

 

Ist den Cancel-Culture-Jakobinern eigentlich bewusst, dass sie einen Weg eingeschlagen haben, an dessen Ende Bücherverbrennungen stattfinden? – Kurt Schäfer

 

Das Wichtigste ,was ein Politiker wissen muss, es gibt Fraktionszwang. Egsl.was er sonst denkt oder will.Und wenn er dann auch noch die Klappe nicht hält,hat er schlechte Karten.So ist das eben. – Hans-Emil Schuster

 

Boris Palmer ist kein Rassist, aber als Politiker sollte er vielleicht in Zukunft auf Satire verzichten, da es in Deutschland offenkundig viele Menschen gibt, die Satire nicht als solche erkennen können. Im Übrigen dächte ich als Schwuler, wenn ich bei allen Heteromännern nach homophoben Äußerungen suchte, um mich empören und selbst für einen besseren Menschen halten zu können, oder wenn ich gar Heteromänner grundsätzlich für schlechtere Menschen als Schwule hielte, meines Erachtens genauso gruppenbezogen menschenfeindlich wie Heteros, die Schwule als minderwertig o. ä. ansehen. Und für Farbige, Grüne, Rote, Muslime, Veganer*innen, Pazifist*innen usw. gilt meiner Meinung nach Entsprechendes. – Dr. Ulrich Willmes

 

Leider habe ich den Eindruck, dass auch die ZEIT (Frau Nienhaus) die Vorverurteilung von Boris Palmer schon mit zum Gespräch gebracht hat. Von Satire, Persiflage oder Rollenprosa sollten aber meiner Meinung nach nicht nur Feuilletion-Redakteure schon einmal etwas gehört haben. Schon mit der tendenziösen Überschrift – bevor das Gespräch überhaupt begonnen hat und keineswegs etwa als Zitat gekennzeichnet – reiht sich hier die ZEIT ein ins Spiegelkabinett der Zensoren. – Dr.phil. Manfred Treib

 

Mit seinem großen Ego schafft es Boris Palmer, seine obszön-rassistische Äußerung als Aufrichtigkeit und Freiheitsliebe darzustellen und seine Angreifer in die Nähe des illiberalismus und der Cancel Culture zu rücken. Das hat etwas Pharisäerhaftes. Einfach mal die Klappe halten: Dem steht sein Geltungsbedürfnis entgegen. – Heidrun Kraus

 

Warum bringt Boris Palmer nicht wenige Menschen auf die Palme – welches schwarz-weiß-Denken manifestiert die geistigen Verfärbungen, sehen wir zu schwarz oder zu weiß auf der jeweiligen Seite der Hautverfärbungen. Und wird nicht die eigenartige „Identität“ besonders auch von der Optik insgesamt geprägt – ob ich nun ein Zwerg oder ein Riese bin in den Maßen der Bemessenheiten unter uns Menschen, und vor allem auch zu den geistigen Vermessungen: wenn der oder die nicht den Bildungsstand bzw. die Hirn-Kapazitäten hat. All das kann zu Abstufungen führen im Verhalten von Menschen gegeneinander – die Gleichheit aller Menschen gibt es nicht: Lieber schön und reich als arm und hässlich!

Das ist nicht nur im Kapitalismus pur die Realität –jedenfalls bestätigt uns die Werbung durch diese Bespiegelungen: wie wenig schön und ästhetisch und vorzeigbar die meisten Menschen im Volk sich vorfinden im Alltag ihrer (eingeschränkten) Wahrnehmungen! Und da wird auch die vom Dichters Arthur Rimbaud ausgerufene Selbsterkenntnis „Ich – ist ein anderer“ nicht weiterhelfen. Das innen und das außen eines Menschen ist oft nicht miteinander verwandt – : „Gnothi seauton“ – „Erkenne Dich selbst“. Und wann wird der eigene Körper als Tempel wahrgenommen, und nicht als Müllhalde? So viele vollgefressene Weiße sehe ich in Deutschland herumwatscheln – macht dieses System krank? Woher aber bitte soll denn das Selbstbewusstsein in der Masse kommen, wenn man immer nur eine Nummer verbleibt, nichts wesentliches darstellt, nur zu funktionieren hat und austauschbar ausgebeutet wird… Wir in der Masse des Volkes sind die Sklaven der Moderne!

Was ist rassistisch daran, wenn mir von einer Schwarzen als Weißer gesagt wird, dass ich wahrscheinlich kein „guter Liebhaber“ bin: weil mir das als dekadentem weißen Europäer körperlich anzusehen ist… Und diese Vorbesichtigung von ihr stimmte – es war in Puerto Rico, ich war damals ein See-„Männchen“ (von 17 Jahren) auf einem Tramp-Frachtschiff , und ich hatte bei ihr keine sexuelle „Supernummer“ abgeliefert: sie konnte das beurteilen zu ihrem Männergebrauch…

Und wir Männer – in welcher Hautfarbenskala auch immer – sind doch mächtig stolz auf unsere (vorgebliche) Schwanzgröße und unsere angebliche Potenz: und es ist geradezu normal im Konkurrenz-Verhalten und in unserem Dominanz-Gehabe – dass wir uns gegenseitig messen wollen: gegenüber der Frauenwelt, die doch dieses Männergehabe und Erektions-Potenz-Theater erst mit uns und durch uns: provozieren und arrangieren… „Du Schlaftablette“ – ist da noch der harmloseste Ausdruck, dem dabei einem Mann oder Männchen (egal mit welchen Farbnuancierungen) zum bleibenden Hangover-Eindruck wird und auch psychisch verdammt im Lebensrhythmus sich hemmend auswirkt! Da kann man im Extremverfall dann nur noch den weißen, schwarzen, gelben, roten Schwanz einziehen und im Hirnkino verbleiben…

Wenn Boris Palmer hierbei – wie im Männerbild verankert – den N…schw… als Symbol für sexuelle Aktivität und Potenz und Penisumfang benutzt – ist das nicht eine Definition von rassistischer Herabwürdigung, sondern eher eine Wunschvorstellung als dekadenter Weißer, der gerne auch mit dieser scheinbaren Prallheit ausgestattet sein möchte – und mir, dem RvM geht es dabei genauso. Welcher Mann wollte nicht mit seinem prächtigen Schwanz durch die Frauenwelt tigern und im Falle eines Befallens, dann damit zum Liebesritual für beide Beteiligten, sich lustvoll offenbaren… Das ist der Trieb, der uns (fast) alle antreibt – und nochmals: egal in welchen Farbtopf wir von Geburt an gefallen sind. Dort, wo die entsprechende Mehrheit der Menschen in einem Land oder Kontinent die ähnliche Farbe mit sich herumträgt: fällt mann/frau auch nicht auf.

In den USA, dem Schmelztiegel der Verfärbungen: wird dennoch in „Rassen“ und Farbenmusterungen eingeteilt – das geht vom tiefen Süden aus und zieht sich bis in den Norden hoch, verbleibt in auch an der Ostküste, dem sogenannten New-England so. Besonders in Washington habe ich die Diskriminierungen gegenüber den Afro-Amerikanern erleben müssen – ich war als Deutscher entsetzt über dieses Gefälle zwischen der weißen und schwarzen Hautfarbe: die äußere Armut in den Schwarzenbezirken alleine schon war so gravierend, dass man verzweifeln wollte und nicht glauben konnte, dass im politischen Zentrum der kapitalistischen Welt solch eine insgesamte Ungleichheit herrscht.

Ein schwarzer Museumswärter, der namentlich nicht genannt werden wollte, sagte zu mir und meiner Begleiterin in der Metapher zu einem Blues-Song: „Lord, why you have paint me so black!“ „Gott, Herr – warum hast Du mich so schwarz angemalt!“ Und er meinte diese Textzeile sicherlich bezogen auf den Kontinent der USA – denn er lebte als Soldat vier Jahre in Heidelberg, sprach deutsch, und erklärte uns: „Das sei seine schönste Zeit im Leben gewesen, in Deutschland, in Heidelberg!“

Was also ist nun stimmig an den persönlichen Erlebnissen mit vielen Menschen und den einzelnen Begegnungen – denn in der orientierenden Nähe dann entscheiden sich doch erst die auffindbaren Gegenüberstellungen und Mitmenschlichkeiten zu den Gemeinsamkeiten- „Lord, why you have paint me so white“. Und dann müssen wir Weißen in Urlaub fahren, um uns die Sonne auf den Körper knallen zu lassen, um möglichst braungebrannt ganz stolz unsere Verfärbung präsentieren zu können! Was bedeutet das psychologisch im Detail des so eigenartigen Innenlebens und der dann wiederum zeitabwaschbaren „Identität“. Wir wollen also auf Dauer gar nicht braun-„gebrannt“ sein! Passt das alles zusammen?

Und wie es einen weißen Rassismus gibt, existiert ebenso der schwarze Rassismus – man könnte das umschreiben mit dem ersten optischen Überblick zu einer Gruppenzughörigkeit, nicht als Rasse betrachtet, sondern als visuelle Gegenüberstellung. In unserer Menschennatur ist das nunmal so – und muss immer wieder neu abtrainiert werden können – besonders in der Masse. Sind das reflektive Schutzmechanismen – oder aber antrainierte Verfälschungen einer rassistischen Vorfindbarkeit per se… Im persönlichen Begegnen ist das sowieso von Mensch zu Mensch mit Sympathie oder Antipathie verbunden: egal in welcher Farbkonstellation!

Der RvM als Mann und Mensch mit 72 Jahren wird permanent als „alter Mann und Mensch“ diskriminiert – das begegnet einem jeden Tag und kann nur noch durch den klaren Geist als Entgegnung, ausgeglichen werden: außerdem hat man als Oldy selbst zu erlernen, was machbar ist und was nicht! Respekt vor dem Alter kann man nicht erwarten und verlangen – die Verbrauchtheit des Lebens ist einem anzusehen, und demnächst: ab in die Kiste! Ansonsten ist der Mensch nämlich nur noch alt und sieht nicht nur alt aus. Ist das bei Euch Mitmenschen angekommen: Pure Diskriminierung im Alltag. Und das macht verdammt traurig!, wenn man diese Realität nicht innerlich durchfiltern kann.. Also– scheiß´ drauf!

Die leider oft vollgefressenen, unansehnlichen deutschen „Whitebreds“ – ob männlich oder weiblich: sind ja nun wirklich keine Augenweide in der Öffentlichkeit und garantiert keine Leckerbissen für eine vorstellbare sexuelle Erfreuung. Aber lassen wir das – der Kapitalismus verlangt Verbrauch und Konsum und die menschlichen Körper zu diesem System, haben noch nicht erlernt: wie sie den Überschuss an Fressen, nicht in Fett umzusetzen haben… Diese Erfindung muss noch her, damit uns allesamt dies in unserer Verfressenheit nicht optisch angesehen werden kann. Wait and see!

Zwischenzeitlich gibt es in Deutschland – durch den permanenten Zustrom von außereuropäischen Migranten – eine total veränderte Umwelt, in der das Deutschsein ebenso eine Veränderung mitzuerleben hat, auch wenn das nicht gewollt wird: und den Völkerwanderungen der Armut hat die Politik nichts entgegenzusetzen! Hunger und Zukunftslosigkeit werden keine Grenzen respektieren, besonders auch nicht die deutschen Umgrenzungen – dafür gibt der Staat (das Volk der SteuerzahlerInnen) großzügig Geld für die Aufenthalte der Angekommenen – ob sie nun ein Bleiberecht haben oder auch nicht… Angekommen ist aufgenommen!

Und schauen Sie jetzt in die Kauf-Werbungen zu den TV-Kanälen: dort werden fast immer auch dunkelhäutige Menschen mit integriert – mit anderen Worten: die deutschen Weißen haben endlich zu lernen, dass sie nicht nur unter „Whitebreds“ sind, sondern auch die „Blackbreds“ sich hier einteigen in den weißen „Brotteig“ dieses einstigen „Made in Germany“. Ende mit dem „eigenen“ Gelände! Aus Afrika werden die Menschenströme hereinkommen nach Europa und Deutschland, und es werden in der Zukunft viele, viele Millionen sein… Diese zeitliche Schnelligkeit der Migration werden wir „Weißen“ nicht aufhalten können – selbst wenn man mit dem Argument kommt: ersteinmal müssen sich doch die vielen Menschen in den vielen europäischen Ländern miteinander zurecht finden und aneinander auskommen. Das war und ist doch nicht selbstverständlich und bekommt erst allmählich eine positive Gewöhnung.

Doch auch das braucht seinen Zeitanteil, wenn einem verständlich wird: wie primitiv und schlicht die Großteile der europäischen Bevölkerungen (noch) sind – die Mehrheit des deutschen Volkes mit einbezogen. Nix da: das Volk der Dichter und Denker! Jede Menge schlichte Menschen sind hier vorrätig und haben eben auch dadurch ihre Begrenzungen der Aufnahmefähigkeiten in den Wirklichkeiten des heutigen Daseins und in ihrem eingeschränkten Bedenk-Unvermögens… Fremde verbleiben dabei allzu oft in der Fremdheit der Befremdungen.

Boris Palmer würde sicherlich den Zeitgeist ganz anders und heftiger diskutieren und veröffentlichen – wenn nicht diese sogenannte „Cancel-Culture“ vorhanden wäre, die zu den persönlichen Worten jeweils immer gefährlich „am Abgrund“ sich bewegt und Karriere sowie Amt kosten können… Und das ist typisch deutschgrün – diese Aussprüche und auch die dahinter verbleibende Realität, sofort zu ächten und diejenigen Menschen auszusperren aus ihrer ansonsten doch wesentlichen „Gut-Mensch“-Präsentation.

Jetzt hatte Dennis Aogo sich zu dem harten fussballerischen Abstrampeln mit „trainieren bis zum vergasen“ geäußert und dabei niemals im Hintergrund an die Judenvergasung in der Nazi-Bestialität, gedacht – und wumm: hat ihn die Auschwitz-Keule getroffen, warum eigentlich. Er ist doch kein sogenannter deutscher Arier, der sofort und immer alle Wortestrukturen der Vergangenheit, umzudenken hat, bis hin zum: „Mohrenkopf“, „Zigeunerschnitzel“. Karl May-„Indianer“ – vielen Dank Sarotti-Mohr… Klar, werden wir sprachlich uns verändern müssen, besonders aber auch umdenken lernen: nicht nur in der Humanität, sondern besonders in der farbvorhandenen Mitmenschlichkeit. Wenn aber endlose Millionen fremde (und auch „optisch befremdende“) Menschenmassen nach Europa und Deutschland einströmen, werden in den jeweiligen Völkern, im Volk: die Aufnahmewilligkeiten rapide abstürzen – das wird zur gefährdenden Realität!

Wir können uns da politisch nichts vormachen – die Politik hat sich hierbei schnellsten etwas Vernunftvolles einfallen zu lassen und der Ausspruch des Ex-Bundespräsidenten Wulff: „Der Islam gehört zu Deutschland!“ ist auch nur eine Metapher auf die Hilflosigkeit, mit der diese Religionen dann aufeinanderprallen – denn wir sind allesamt Menschen mit manipulierten Verhaltensstrukturen, besonders aber im Religions-Chaos der vielen Götter-Anbetereien. Sigmund Freud meinte einstens: „Religionen seien die Geisteskrankheiten der Menschheit.“

Die Grünen (und auch das ist eine bundesdeutsche dominante Farbe) täten gut daran, diesen „rebellischen“ Boris Palmer in ihren Reihen zu belassen – er spricht vielen im Volk aus (und nicht nach) dem Maul: nur ist ER ein kluger Kopf und hat hoffentlich auch zwischen den Beinen seine positiven großen Erektionen… Alles zusammen macht nämlich auch einen Mann und männlichen domestizierten Menschen pro domo aus. Und die Frauen mögen das unbezweifelbar – alles andere wäre sexuelles Gänseblümchen-Grünzeugtheater: denn im Bett der Realität zählt zwischen den Geschlechtern (und dazwischen) immer zuerst einmal die Qualität des Liebhabers und der Liebhaberin, und da kann mann/frau sich in und hinter einer Hautfarbe nicht verstecken!

Und auch in der Homosexualität „everywhere in every colour in every country“ zählt ganz besonders auch die Schwanzgröße! Und wie oft verlachen Frauen einen Mann mit einem „Schwänzchen“ – auch das zählt mit zur Diskriminierung in dieser Minimierung! Die „Schlaftablette“ jedoch kommt in keiner „Farbverpackung“ gut an! „Hic rhodos – hic salta!“ Und wenn wir keine Witze mehr über die animalischen Triebe im und aus dem Menschen, herausposaunen können, dann werden wir alle den Schwanz einziehen müssen und die andere Hälfte der Menschheit sich Keuschheitsgürtel anlegen…

Auch darum sollte begrünter Boris Palmer nicht „die Klappe“ halten – er bringt das farbig rüber (alsbald vielleicht mit mehr Bedacht), aber hoffentlich nicht nur im eingepackten, reglementierten Grünchen-Ganzkörperkondom! Am Anfang war das (überschaubare) Wort – bedenken wir diese Wortevielfalt: bis hin zur Satire! Ja – und es gibt auch die Nekrophilen und die Zoophilen – und es verbleibt ein ewiges Sodom und Gomorrha auf diesem Planeten: weil wir Menschen die undurchschaubarsten Lebewesen auf diesem Stern sind und permanent von der Sexualität hemmungslos angetrieben Und zudem sind wir allesamt Todeskandidaten! Fait accompli!

Und seien wir deshalb auf der Hut und im Bedacht: „Omne animal post coitum triste“ – egal in welcher Farbenbespiegelung der Haut und der Seele. Doch im Hirn verbleibt die Zentrale unserer Momente und Augenblicke und die Erinnerungen! Alles unter Kontrolle im verdummten Volk? Oder wollen die Restlichen von der Raupe zum bunten Schmetterling mutieren… – Axel Manfred Rumpf von Mansfeld

 

Boris Palmer ist sicherlich nicht fehlerfrei. Aber bei der Lektüre des Interviews mit ihm musste ich an Berichte aus jenen Zeiten denken, in denen man Menschen mit etwas mehr Intelligenz und tieferen Einsichten als jenen, über die die tonangebende Klasse verfügte, gern auf den Scheiterhaufen verfrachtete. Man kann nur hoffen, dass die Grünen, trotz sicherlich berechtigter Sorge um eine wohl kopfstarke Fraktion ihrer potentiellen Wählerschaft, hinreichend Widerstandskraft gegen eine bedrückend um sich greifende Cancel-Culture aufbringen können. – Wolfgang Salzert

 

Zu „Warum kann er nicht die Klappe halten?“ Weil es wichtig ist, die Klappe aufzumachen, wenn etwas schiefläuft! Die Grünen haben Boris Palmer schon länger auf dem Kieker. Mit seinen kritischen Äußerungen zur Flüchtlingspolitik 2015, seinen Einwänden zu Corona-Maßnahmen und früheren, vermeintlich rassistischen Bemerkungen, war er längst nicht mehr auf der Parteilinie und der Parteiausschluss lag mehrmals in der Luft. Nun ist es wohl soweit. Natürlich ist der Ausdruck N…schwanz vulgär und für jemanden, der ein öffentliches Amt bekleidet, so wie er, unwürdig. Boris Palmer provoziert gerne und seine „Satire“ war Mist, ja tatsächlich auch unklug. Satire sollte er dann doch lieber den Profis überlassen. Für einen Rassisten halte ich ihn aber nicht.

Viel wichtiger ist, um was es ihm wirklich geht. Es ist völlig legitim, Cancel Culture und (linke) Identitätspolitik zu kritisieren und ihre Mechanismen/Instrumente offenzulegen. Er setzt damit seinen Ruf und seine politische Karriere aufs Spiel. Das muss man in dieser Zeit leider schon als mutig bezeichnen. Ich stimme ihm zu, wenn er beklagt, dass gesellschaftlichen Konflikten nicht mehr mit Argumenten, sondern oft mit identitätspolitischem Fundamentalismus begegnet wird. Manche Themen werden zudem tabuisiert, das bedeutet das Ende eines jeglichen gesellschaftlichen Diskurses und führt geradewegs in eine unfreie Gesellschaft.

Ich persönlich halte den ganzen identitätspolitischen Fundamentalismus, mit dem Cancel Culture und eine völlig verselbstständigte Political Correctness einhergehen, für sehr elitär. Er spiegelt mit Sicherheit nicht wider, wie die Mehrheitsgesellschaft in Deutschland „tickt“ und was ihr wichtig ist. Auswirkungen auf die Mehrheitsgesellschaft haben Cancel Culture und Identitätspolitik jedoch sehr wohl. Jeder, der im Licht der Öffentlichkeit steht (und nicht nur dort), läuft Gefahr, mit einer „falschen“ Bemerkung oder Meinung seine gesellschaftliche Stellung und vielleicht sogar die berufliche Existenz zu verlieren. Welche Meinung „falsch“ oder „richtig“ ist, bewertet offenbar nur noch eine bestimmte Gruppe mit einer absoluten Unerbittlichkeit.

Rassismus muss mit Entschiedenheit bekämpft werden; auch nicht mit Satire. Das wird nur gelingen, wenn man sich sachlich und argumentativ damit auseinandersetzt und die Wesensmerkmale von Rassismus klar benennt, seine Folgen bewusst macht. Unreflektiert dahingeworfene Rassismus-Vorwürfe hingegen verwischen diese Möglichkeiten nur und haben allenfalls das Zeug zu einer modernen Hexenjagd. Wem soll das helfen?

Politische Persönlichkeiten wie Boris Palmer und Sahra Wagenknecht von den Linken polarisieren, weil sie auch unliebsame Meinungen aussprechen und sich nicht dem linksliberalen Mainstream anpassen. Dass ihre eigenen Parteien sie dadurch nur als „Störenfriede“ ansehen oder zu „Abweichlern“ erklären, ist ungerecht. Der Umgang mit kritischen Geistern in den eigenen Reihen mag anstrengend sein. Eine Auseinandersetzung mit ihnen muss auch nicht immer zu einem Konsens führen. Schaden kann sie aber nicht. – Regina Stock

 

Die Causa Lehmann – Aogo – Palmer könnte wunderbar als Lehrstück über den Unterschied von Reflex und Reflexion dienen. Kaum fallen inkriminierte Worte wie „Vergasung“, „Quoten-Schwarzer“ und „N****schwanz“ (im Original ausgeschrieben), baut sich reflexartig Empörung auf, die Rassismuskeule kommt zum Einsatz, und den jeweiligen Verfassern drohen mehr oder weniger erhebliche berufliche und gesellschaftliche Sanktionierungen. Rassismus ist eine viel zu widerwärtige und gefährliche Erscheinung, um sie bei jeder vermeintlich passenden Gelegenheit ins Felde zu führen und damit zu banalisieren.

Um den Vorwurf des Rassismus zu erheben, bedarf es deshalb eines gründlichen, „reflektierenden“ Blicks auf den Kontext, in dem z.B. rassistische Begriffe benutzt worden sind. Leider schließen sich Empörung und Nachdenken sehr häufig aus. Der Gebrauch eines rassistischen Begriffs ist für sich genommen kein hinreichender Beleg für das Vorliegen einer rassistischen Gesinnung. Es kommt stets auf den textlichen oder kommunikativen Zusammenhang an. (Ich habe z.B. bis zu meiner Pensionierung vor zwei Jahren in meiner beruflichen Tätigkeit als Richter in meinen Urteilstexten natürlich rassistische Ausdrücke benutzt, wenn es in Verfahren mit rassistischem Hintergrund galt den Sachverhalt zu beschreiben. Deshalb bin ich – natürlich – kein Rassist.)

Was ist eigentlich passiert? Palmer kritisiert auf facebook den Umgang mit Lehmann und Aogo wegen derer vermeintlich rassistischen Äußerungen („Trainieren bis zur Vergasung, „Quoten-Schwarzer“).. Ihm wird von einem anderen Nutzer vorgeworfen, den Rassismus u.a. von Aogo zu relativieren. Palmer antwortet – sich selbst widersprechend und damit eindeutig ironisch (Ironie: etwas sprachlich ausdrücken, wobei der Sprechende genau das Gegenteil des Ausgedrückten meint), Aogo sei ein schlimmer Rassist. Unmittelbar anschließend und in derselben Nachricht – er wiederholt nicht einmal das Subjekt des vorhergehenden Satzes – greift Palmer einen nie verifizierten Vorwurf aus der Schmutzkampagne gegen Aogo auf, wonach dieser – auch mit diesem Ausdruck – einer Frau seinen „N****schwanz“ angeboten haben soll.

Es ist für mich offenkundig – und nicht nachträglich konstruiert -, dass Palmer diese Äußerung ebenfalls ironisch bzw. satirisch gemeint hat, um die Absurdität des Rassismusvorwurfs gegen Aogo zu unterstreichen. Palmer bringt also tatsächlich zum Ausdruck, dass nach seiner Überzeugung Aogo weder ein Rassist ist noch die ihm vorgeworfene Äußerung mit dem „N****schwanz“ getan hat. Er äußert also das genaue Gegenteil von dem, was ihm jetzt vorgeworfen wird. Palmer mag – was ich nicht beurteilen kann – ein aufmerksamkeitssüchtiger Egomane sein (wäre übrigens kein Einzelfall in der Phalanx führender Politiker und -innen), der Gebrauch des „N -Wortes“ gleich in welchem Zusammenhang eines Oberbürgermeister unwürdig und der Versuch einer ironischen Ebene in den neuen Medien beim Thema „cancel culture“ von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen sein – als Beleg für eine rassistische Gesinnung von Palmer ist die fragliche Nachricht denkbar ungeeignet.

Das einzige Mittel gegen das auch hier wieder zu beobachtende Phänomen einer vorschnellen Empörung und Verurteilung ist aus meiner Sicht ein seriöser Journalismus, der vor der Bewertung eine gründliche und verlässliche Aufklärung der Fakten versucht. Diesen Journalismus betreibt die ZEIT erfreulicherweise seit Jahrzehnten. Dafür an dieser Stelle meinen herzlichen Dank!

P.S.: Es wäre hilfreich gewesen, wenn in den kursiv gesetzten Passagen der Ablauf der Kommunikation eindeutiger dokumentiert worden wäre. Im Übrigen fehlt bei dem in Anführungszeichen gesetzten Zitat von Palmers Nachricht der Hinweis, dass im Original das inkriminierte Wort „N****schwanz“ ausgeschrieben ist. So erinnert es mich an die Springerpresse in den 60iger Jahren des vorigen Jahrhunderts, die selbst bei wörtlichen Zitaten z.B. von Ulbricht, in denen das Wort DDR vorkam, dieses in Anführungszeichen gesetzt hat, als ob Ulbricht von der „sogenannten DDR“ gesprochen hätte.) – Andreas Kreutzer

 

Boris Palmer nicht ausschließen. Bedingung: sich in Therapie begeben. – Bernhard Mückain

 

Muß man jedes herausgerutschte Wort gleich auf die Goldwaage legen? Darf es von selbstermächtigten identitätspolitischen Scharfrichtern lebenslang aus dem Wortschatz verbannt werden? Irgendwann traut sich, außer uns Alten, keiner mehr, den Mund aufzureißen! Um uns herum werden wir eines Tages nur noch Schmatzen und Schlürfen hören, doch das sind dann keine Sprachäußerungen mehr! Das inkriminierte Aogosche Wort kommt übrigens nicht, wie von Schirach bei Lanz erklärte, aus den unseligen Abgründen des 3. Reiches, sondern aus den Schützengräben des 1. Weltkriegs, wo als letzte Waffe Giftgas eingesetzt wurde („…bis zur Vergasung…“).

Boris Palmer spuckt lieber mal einen kessen Spruch aus, als aus Versehen einen zu verschlucken! Ihn reizt, Schneisen in den Grünen-Wald zu schlagen, wodurch aber mehr Licht und frisches Grün in den in die Jahre gekommenen Baumbestand vordringt! Unserer Parteienlandschaft fehlen neue, noch unbeschrittene Wege; dafür brauchen wir Sarrazins, Maaßens, Wagenknechts, Palmers, am besten mit jüngeren Gesichtern!

Sie stemmen sich wie sperrige Felsbrocken gegen den trägen und trüben programmatischen Mainstream, lassen ihn aufschäumen und frischen Sauerstoff aufnehmen! Immer mehr Bürger (m,w,d), auch bislang unpolitische, werden dann den Wunsch haben, mitzuschwimmen! Alle Parteien sollten ihren enfants terribles dankbar sein; mit jedem Ausschluß(verfahren) jedoch schmieden sie einen weiteren Nagel für ihren eigenen Sarg! – Dr. med. Ulrich Pietsch

 

Dass Boris Palmer glaubt, auf Facebook und Twitter nicht verzichten zu können, zeigt ja nur, wie sehr er schon Teil des Systems geworden und aus der öffentlichen Debatte gar nicht mehr weg zu denken ist. Und natürlich hat er sich wieder einmal im Ton vergriffen, das weiß er selbst und er bedauert es. Doch damit sollte es genug sein, denn die Grünen brauchen ihn so dringend, wie die Luft zum Atmen.

Schließlich ist er der einzige erwachsene Hahn in einem Hühnerhof, auf dem es an fetten Kapaunen keinen Mangel gibt und in die Jahre gekommenen gackernden Hühnern, die – mit wenigen Ausnahmen – den Beweis schuldig geblieben sind, Eier legen zu wollen oder zu können. Und jedes Mal, wenn er „Kikeriki“ sagt, überschlagen sie sich mit ihrem Gegacker und scharren voller Empörung im Dreck, anstatt das zu tun, wozu sie ursprünglich einmal angetreten sind, nämlich Bio-Eier zu legen. – Dr. Claus Doenecke

 

„Wo Argumente fehlen, gibt´s Verbote.“ (Peter E. Schumacher, 1941-2013, deutscher Publizist und Aphoristiker) Warum sollte er denn seine Klappe halten? Lieber mal anständig über das Ziel hinausschießen bzw. hinausplappern, als zu allem ständig „Ja und Amen“ zu sagen! Vielleicht ist Boris Palmer den Grünen zu radikal-grün oder zu grün-radikal; die Grünen jedenfalls mausern sich jetzt schon zur Verbote-Partei-Nr. Eins in Deutschland;herzlichen Glückwunsch! „Je mehr Verbote und Beschränkungen das Reich hat, desto mehr verarmt das Volks (Laozi oder Laotse, vermutlich 6 Jahrhundert vor Christi, chinesischer Philosoph) – Klaus P. Jaworek

 

Als erfahrener Politiker hätte der Tübinger OB wissen müssen, wie die Medien mit seinem „satirischen“ Posting auf Facebook umgehen würden. Das Interview mit Palmer allerdings ist an Arroganz, Voreingenommenheit und journalistischer Hybris kaum noch zu überbieten. Ich schlage vor, dass Lisa Nienhaus mal für einige Monate die Klappe hält. Die gewonnene Zeit könnte sie sinnvoll nutzen für die Lektüre des Buches „Die Unbelangbaren, Wie politische Journalisten mitregieren“, von Prof. em.Thomas Meyer, edition suhrkamp 2692. – Gisela von Mutius

 

Frau Niehaus behauptet: „Die meisten Menschen haben auch mit Kontext keine Satire erkannt.“ Das ist eine Tatsachenbehauptung. Auf welche Erhebung stützt sichFrau Niehaus ? Oder teilt sie einfach nur ihr Bauchgefühl mit? – Christoph Zahrnt

 

Das Weltbild von Herrn Palmer ist: Alles muss gesagt werden dürfen, alles muss auf den Tisch, das Gesagte muss diskutiert werden. Das zeigt die Kälte eines Menschen. Als ob Worte, vor allem, wenn sie ungeprüft verbreitet werden, in einer Gesellschaft keinen Niederschlag fänden. Wenn Menschen den Redner ernst nehmen, können sie über soviel kalte Distanziertheit und Respektlosigkeit nur entsetzt sein. So ein Haltung zerstört eine Gesellschaft. Ich fürchte, dass bereits viele Menschen so denken wie Herr Palmer, aber Freiheit ist doch keine Wert an sich, die Freiheit liegt doch in der Beschränkung! Wo bleibt denn die Humanität und und das Gedankengut unserer Dichter und Denker?

Ich pfeife inzwischen auf unsere sogenannten „Werte“ und eine „Wertegemeinschaft“, wenn deren Inhalte nicht mit Leben gefüllt sind und es lediglich Gedanken sind, die nicht gelebt werden. Aber so ist es heute: man wird zwar bestraft, wenn man ein Kind schlägt, aber wenn man man es gefühlsmäßig quält (auch durch Worte) und schädigt, schaut die Gesellschaft zu oft nur zu. Zu wenig Mitgefühl, zu viel Distanziertheit. Komischerweise klagt Herr Palmer Verständnis für sich und seine Situation und seine Äußerungen ein! Empathie muss man pflegen – soweit man sie überhaupt hat. Davon lebt die Gesellschaft – nicht von einer kalten Bürokratie! – Hannelore Kreß

 

Wenn Boris Palmer anführt, mit seinen fragwürdigen Interventionen allenthalben um die Meinungsfreiheit ringen zu wollen (die ich, ganz abgesehen vom Tübinger Bürgermeister, im vermeintlich intellektuellen Spektrum ebenfalls schon als deutlich vernehmbarer empfunden habe) dann möge er dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe gerne nachkommen. Aber eben nicht, zumal als öffentlicher „Wiederholungstäter“, mit ebenden unredlichen Stilmitteln, denen er angeblich den Garaus machen möchte. Das bedeutet nun mal auch, vorzugsweise auf Ironien und Analogien zu verzichten – selbst wenn die Fasern der Vernunft bisweilen aufs Äußerste angespannt sind. Mittlerweile gilt es einzusehen, dass Zynismus zwar durchaus verständlich, für einen breiten sinnvollen Diskurs jedoch Gift ist.

Vielleicht hilft die Überzeugung, dass die Menschen, hiernach die menschliche Gesellschaft, zwar zu Vernunft und Freiheit befähigt sind. Dass jedoch einer vielfältiger werdenden Gesellschaft in einer sich progressiv verändernden (Um-)Welt nicht zuletzt aufgrund von Unkenntnis und Ängsten der Weg durch die Ebenen einer neugefärbten „Biedermeierzeit“ hin zu einer qualifiziert(er)en Aufklärung nicht erspart bleiben kann. Indes, für die Wahrung und den Fortschritt unserer Demokratie, für mehr gesellschaftlichen Frieden und Gerechtigkeit, ein unbestreitbar annehmbarer Preis. – Matthias Bartsch

 

Es ist doch gut, dass Herr Palmer „seine Klappe nicht halten kann“. Dann wissen wir, was ihm wichtig ist. Er will die Grünen, und unser ganzes Land, vor einem „identitätspolititischen Fundamentalismus“ retten, dem vor allem Leute wie er zum Opfer fallen, und die sich als „Ketzer aufs Schafott“ geführt wähnen. Und wie agiert er? Mit Ausgrenzung, Schmähung, Erniedrigung. Das sind alles autoritäre Methoden, die dem Andern nur Schaden zufügen sollen, einen selbst aber als freiheitsliebend und geistreich erscheinen lassen, wenn man es – Simsalabim – Satire nennt. Sein Vorbild: Böhmermann. Dieser hatte damals für seine pubertären Sodomie-Phantasien gegen den türkischen Autokraten Erdogan, von nicht wenigen deutschen Meinungsführern den feixenden Beifall der vermeintlich Edlen erhalten.

Die Auswüchse und Absurditäten eines identitären Denkens haben ein ernstzunehmendes, destruktives Potential erreicht, dem sich Herr Palmer nicht beugen will. Verständlich. Genauso wichtig wäre es jedoch, dass bisweilen subtile Wirken einer autoritaristischen Denkweise zu erkennen, welche gerne und oft mit einem inbrünstig vorgetragenen Freiheitsanspruch daher kommt, wie auch hier, wenn Satire als Waffe benutzt wird, statt als künstlerische Ausdrucksform einer freiheitsliebenden und menschenachtenden Kultur. Oder grundsätzlich, wenn Menschen bereit sind, sich solchen (Führungs-)Persönlichkeiten wie Palmer oder Erdogan einerseits unkritisch anzudienen oder andererseits, sich an ihnen blind abzuarbeiten. – Jürgen Pilz

 

Dank eines kostenlosen Probe-Abos lese ich seit langem mal wieder DIE ZEIT. Insbesondere die Auswahl der Interview-Partner und die Interviews gefallen mir sehr gut. Die Aktion #allesdichtmachen fand ich grundsätzlich gut, auch wenn ich mir nicht alle Beiträge angesehen habe. Was haben die Akteure gemacht? Sie haben Denkanstöße gegeben und das finde ich wichtig und richtig. Eine Demokratie muss Diskussionen und Meinungen aushalten können, hierauf baut sie auf. Sehr gut gefallen haben mir die Antworten von Jan Josef Liefers in dem Interview mit Jens Spahn. Herr Liefers beansprucht nicht, recht zu haben, sondern lediglich, öffentlich laut denken zu dürfen. Seit einiger Zeit – und nicht erst seit der Corona-Pandemie – scheint mir das nicht mehr selbstverständlich zu sein.

Viele Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, bekommen dies immer wieder zu spüren, aktuell z.B. Boris Palmer. Sie dürfen sich nicht erlauben, kritisch zu sein, und ihre Aussagen werden bevorzugt zusammenhanglos zitiert, um die betroffene Person in dem gewünschten negativen Licht erscheinen zu lassen. Insofern fand ich auch das Interview mit Boris Palmer wirklich interessant. Irgendjemand hat doch mal gesagt, der Kopf wäre rund, damit das Denken die Richtung wechseln könntte. Leider funktioniert das Denken bei vielen Menschen derzeit nur spiralförmig in eine Richtung. Die Zeit-Lektüre lässt mich aber hoffen, dass es noch genügend „runddenkende“ Menschen gibt – „quer“ darf man heutzutage ja auch nicht mehr denken. – Sarah Lemke

 

Ihre rhetorische Frage der Überschrift beantwortet Boris Palmer selbst, kurz vor dem Ende des Interviews. ER sei durch die Familiengeschichte geprägt. Jedermann übernimmt Vor- und Nachteile von den Vorfahren, bis hin zum Trauma. Ich wünsche, daß er sich vom Übervater Helmut Palmer befreit. Seine Mutter war mit Haushalt, Kinder und Geschäft weitestgehend auf sich alleine gestellt, weil ihr Mann „seinen“ Weg gehen mußte. So befürchte ich, daß es Boris Palmers Frau auch so ähnlich erlebt. – Reinhold Pollet

 

Bei der Überschrift zum Interview mit Boris Palmer „Warum kann er nicht die Klappe halten“ frage ich mich, weshalb fragt sich DIE ZEIT, warum jemandem nicht die Klappe halten kann (Titel) und räumt ihm eine ganze Seite ein, die Klappe nicht zu halten (Interview)? Hätte BP beim Befragen die Klappe halten sollen? – Gerald Munzert

 


 

 

Leserbriefe zu „Hier verstecken sich Milliarden“ von Merlind Theile

 

Ich bin, ohne Landwirt zu sein, einer der, scheinbar weniger als 10 % der Deutschen die schon direkt in der Überschrift erkannt haben um was es in dem Artikel v.12.05 geht. Gerade deshalb wollte ich ihn eben nicht lesen weil das so frustrierend ist wie inkonsequent und am Ende auch verlogen und nur am eigenen Interesse orientiert politische Entscheidungen wieder und wieder getroffen werden. Allen Sonntagsreden zum Trotz. – Günter Grimbach

 

Ja, Frau Theile, es liegt sicherlich sowohl an den Journalisten der Print- aber auch der anderen Medien, dass so wenige Europäer nicht einmal wissen, was sich hinter dem Kürzel GAP verbirgt, geschweige denn über die weitreichenden Konsequenzen die sich dahinter verbergen, Bescheid wissen. Ihrer Feststellung, gerade in letzter Zeit sei nach Ihrer Beobachtung relativ viel darüber berichtet worden, wird der interessierte Leser zustimmen, doch nur dieser. Wenn die bisherige Berichterstattung keine breitere Aufmerksamkeit erfahren hat, liegt das zum einen daran, dass sie in den Medien zumeist als ein Thema unter anderen rangiert, ihm nicht die zentrale, für unser aller Leben unmittelbare Bedeutung beigemessen wird, die ihm zukommt, wie Sie im Schlussteil Ihres Beitrages überzeugend betonen.

Menschen lassen sich am ehesten von einer Sache überzeugen, wenn sie ihnen nützt. Eine Berichterstattung dieser Intention könnte gelingen, wenn sie die globale, nationale und ganz persönliche ökologische Bilanz einer nachhaltigen, regionalen und dem Tierwohl verpflichteten Lebensmittelerzeugung aufzeigte, die sich bei Berücksichtigung aller daraus resultierenden Konsequenzen auch positiv im Geldbeutel niederschlüge. – Alois Teodoruk

 

Danke an Merlind Theile für den Crash-Kurs in europäischer Agrarpolitik, der nicht nur „sexy“ geschrieben ist, sondern auch gleich den Vertiefer in Form des GAP-Tickers mitliefert. Wenn viele Leute über das Thema nachdenken, dann passiert auch ein Umdenken. – Peter Airainer

 

Um über ein lichtscheues Thema – nämlich die Europas Gemeinsame Agrarpolitik – zu schreiben, hat sich Merlind Theile für einen lockeren Schreibstil entschieden. Eine gute Entscheidung. Denn dieses Stilmittel erhöht den Effekt: Das unattraktive Thema wird attraktiv. Entspannte Sachlichkeit erzeugt Transparenz, ohne sich in die mit dem Thema verbundene Verstrickungen zu verstricken. Die leicht freche Tonalität wirkt ermutigend für die lesende Zivilgesellschaft.

Das enttarnte Lobbysystem erfährt, wie gnadenlos sichtbarmachende Sachlichkeit ist. Der assistierenden Politik wird es schwerer gemacht, zu assistieren. Wie wenig hätte die lesende Zivilgesellschaft erfahren, wenn Merlind Theile sich für ein Interview mit der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft entschieden hätte. So haben wir nachhaltig viel gelernt. Und Konstantin Kreiser sowie den NABU-GAP-Ticker kennengelernt. – Reinhard Koine

 

Wer seitens der Politik der europäischen Landwirtschaft nicht endlich ans Fell geht, sollte zum Thema Ökologie und Klimaschutz einfach schweigen. Die Sorge um einen „Bauernaufstand“ ist angesichts der heranziehenden Umweltkatastrophen bei entsprechender öffentlicher Klar- und Darstellung das kleinste Übel. – Jürgen Dressler

 

Danke für Ihren GAP-Artikel. Der Einstieg war grandios, denn ich habe mich ertappt gefühlt. Seit Jahren bekommt man als politisch interessierter Mensch mit, dass es EU-Milliarden für die Agrarwirtschaft gibt, aber so wirklich damit befassen, will man sich nicht. Mir fehlen hier aber jenseits von NABU-Bloggern Personen auf der politischen Bühne, die für mehr Transparenz sorgen und Frau Klöckner rhetorisch in Bedrängnis bringen.

Der Artikel bestätigt mich nur darin, dass wir neben der Bildung, Digitalisierung und Ökologie auch in der Landwirtschaft endlich schmerzhafte Reformen auf den Weg bringen müssen und mich diese Verstrickungen von Politikern in Lobbyverbänden nur noch anekelt. Wir brauchen mehr kluge Menschen in der Politik, die ihren Job und den damit verbundenen Einfluss nicht für persönliche Machtgelüste und als Statussymbol missbrauchen, sondern nutzen, um Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen. – Anne Findeiß

 

Der Artikel wirft für mich wieder einmal die Frage auf, wie strukturell verhindert werden kann, dass in das EU-Parlament, in die Länderparlamente und in den Bundestag – und anschließend sogar in die Regierung! – bei jeder Wahl jede Menge Politiker*innen gelangen, die nicht das Wohl der Gesamtbevölkerung und künftiger Generationen im Blick haben, sondern ausschließlich die Interessen einzelner Branchen oder Berufsgruppen oder sogar nur einzelner Unternehmen vertreten, und zwar zum Schaden der Gesamtbevölkerung und künftiger Generationen. Mir scheinen in den Parlamenten inzwischen nicht mehr Parteien, sondern die Lobbyisten die Mehrheit zu haben. – Dr. Ulrich Willmes

 

Frau Theile berichtet über 400 Milliarden € aus dem EU Haushalt, die in den nächsten fünf Jahren für die Landwirtschaftspolitik ausgegeben werden sollen. Sie beschreibt sehr locker und in großen Linien die Geschichte und das Umfeld der EU Landwirtschaftspolitik seit 1957 und beklagt mangelnde Transparenz und Interessenpolitik. Die Finanzierung der 5 jährigen Periode wird immer entschieden, nach einem langen, heftigen, intensiven Ringen um die politische Ausrichtung für die Verwendung der Mittel. An den Diskussionen sind tausende hochqualifizierter Politiker, Fachleute , Journalisten und Betroffene beteiligt, unter anderen Berufsverbände und Umweltorganisationen.

Es wird nach möglichst optimalen Lösungen gesucht und jeder zu Ende durchdachte Vorschlag ist willkommen. Es geht um einen riesigen Wirtschaftszweig einschließlich der Ernährungsindustrie, Ausrüstung und Handel. Es geh um sehr viele Menschen und neben wirtschaftlichen und Umweltbelangen um die gesellschaftliche Entwicklung in den ländlichen Räumen, in denen weit über 50% der EU Bewohner leben. Was die Transparenz angeht, bietet die „Zeit“ und viele andere Medien regelmäßig Beiträge zu den hier betroffenen Themen. – Rainer Heukamp

 

Schade, dass Frau Thiele nicht auf die vielen Petitionen von Umwelt- und Naturschutzorganisationen eingegangen ist, die in den letzten Jahren von Hunderttausenden von Menschen unterzeichnet worden sind, die sich für eine Wende in der europäischen Agrarpolitik eingesetzt haben. Man wüsste ja mal gerne, bei wem die landen und warum sie so wirkungslos bleiben, ja sogar ignoriert oder vergessen werden – wie in diesem Artikel. – Gerlinde Volland

 

Der Artikel über die GAP und ihre Milliardenvergabe in der EU ist vom Stil mal was Neues in der Zeit . Erfrischend klug geschrieben, und am Ende der Lektüre ist man tatsächlich aufgeklärter. Ich danke herzlich. Zur Generation “ schon durchgeimpft“ gehörend beglückwünsche ich die Redaktion zu solch guten Journalist/innen* – Ingeborg Haar Grafenau

 

Warum ich Ihren Artikel gelesen habe? Wegen des Themas und der Autorin. Leider ist der im 3.Absatz versprochene Gewinn ausgeblieben. Es wurde das wiederholt, was seit Monaten in „den Medien“ berichtet wurde. Die Überschrift, kopiert in einen Pflanzenbestand, ist irreführend. Wenn mit den Milliarden Mikroorganismen gemeint sein sollten, die versteckt im Boden leben, so ist die Zahl viel zu gering. Wenn damit aber Euro gemeint sind, so ist die Zahl viel zu hoch. Eine Hektarprämie von größenordnungsmässig 200€ bedeutet 2 Cent pro m² (größer ist die abgebildete Fläche nicht).

Etwa in der Mitte des Textes steht, dass 80% des Geldes an nur 20% der Betriebe geht. Wie oft ist in der Vergangenheit den Landwirten vorgehalten worden, dass 80% des EWG-/ EG-/ EU-Haushaltes in den Agrarsektor fließen. Dieser Anteil hat sich deutlich reduziert. In den etwa 65 Jahren, in denen ich Landwirtschaftspolitik verfolge, waren immer die Landwirte die Dummen, die die Zeichen der Zeit nicht erkennen. Die Nichtlandwirte wussten, wie man Landwirtschaft zu betreiben hat. Die Höfe müssen rentabler werden, sich spezialisieren, sich zusammenschließen, die kleinen Höfe müssen aufhören, und alles möglichst sofort.

Kennen Sie diese Diskussionen noch? Oder den Plan des EWG-Landwirtschaftskommissars Sico Mansholt von 1968, nach dem 80-90% der Betriebe hätten aufhören müssen, in kurzer Zeit? Oder den Ertl-Plan (FDP-Landwirtschaftsminister 1969-83)? Ein Drittel der Betriebe muss auslaufen, ein Drittel muss mit Investitionshilfen auf eine rentable Größe gebracht werden (Niedersachsen begrenzte dann auf z.B. 60 Kuhplätze). Zur Beschleunigung des Strukturwandels gab es zum Beispiel Prämien für die Einstellung der Milchproduktion oder des Betriebes insgesamt. Eine gemeinsame EWG-Landwirtschaftspolitik gibt es erst seit 1968 (von 1962-68 gab es eine „Übergangsphase“ von den nationalen Marktordnungen hin zu den gemeinsamen). Zunächst wurden mit differenzierten Maßnahmen einzelne Produkte gestützt. 1993 dann die Umstellung auf Hektarprämien (von den Grünen schon mindestens 1 Jahrzehnt gefordert), gestaffelt nach dem regionalen Ertragsniveau.

Gefordert von der Grünen Renate Künast wurde die Hektarprämie dann entkoppelt von der Produktion, aber verbunden mit zahlreichen Verordnungen zur Einhaltung gewisser MIndeststandards (Vogel-, Nitrat-, FFH-Richtlinie usw.). Dies wird auch kontrolliert. Wer kennt den heutigen Königsweg? Der Nabu? Er vertritt berechigte Interessen, aber muss nicht 250.000Betriebe wirtschaftlich führen. Volksvertreter bestimmen die Politik. Belange der Landwirtschaft und der mit ihr verbundenen Branchen sind mitzuberücksichtigen. – Adolf Ronnenberg

 

Vielen Dank für den hervorragenden Beitrag zum Thema Agrarpolitik und Lobbyismus. Ich bitte um Fortsetzung zu den Themen Automobil, Pharma, Energie, Gesundheit uvm. Offensichtlich leben wir in einer Lobbykratie, gekrönt von ausufernder Bürokratie. Wo bleibt da noch Platz für die Demokratie. – Peter Bartel

 

Die kreativ gestaltete Seite 3 der genannten Ausgabe möchte ich um eine wichtige Feststellung ergänzen: So wie ursprünglich (1992) konzipiert, befähigen die kritisierten Direktzahlungen der Gemeinsamen europäischen Agrarpolitik (GAP) die Landwirte, ihre Produkte dem Markt zu den heute üblichen (zu) geringen Preisen anzudienen. Die Direktzahlungen gelangen somit vollständig in Form (zu) billiger Nahrungsmittel wieder zum Verbraucher, d.h. zum Steuerzahler.

So wünschenswert der Verzicht auf Direktzahlungen auch sein mag. Die Folgen wären eindeutig. Die wegfallenden Einnahmen aus den Direktzahlungen würden die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirte verschlechtern. Das „Höfesterben“ würde beschleunigt werden, die Agrarprodukte (um ca. 10 bis 15 %) teurer. Die Konsequenzen trügen insbesondere die Verbraucher mit niedrigem Einkommen, die ohnehin einen hohen Anteil ihres Einkommens für die unverzichtbaren Nahrungsmittel aufwenden müssen. Die GAP-Direktzahlungen sind in Wahrheit eine Subvention der Verbraucherpreise für Agrarprodukte zugunsten der Verbraucher/Steuerzahler. Die – oft gescholtene – Landwirtschaft hat trotz Pandemie die Lebensmittelbereitstellung täglich in unveränderter Qualität und ohne die sonst als Krisenfolge deklarierten Preissteigerungen geleistet.

P.S.: Anzeige von ALNATUA Seite 7 vom 12. Mai 2021: Unbestritten entlastet der Bio-Landbau z.B. durch den Verzicht auf synthetische Mineraldünger und Pflanzenschutzmittel die Umwelt. Für die Behauptung „Bio-Landbau ist aktiver Klimaschutz“ fehlt dagegen jegliche Begründung. Der Bio-Landbau verursacht je Hektar Agrarfläche weniger Emissionen. Bezogen auf die Menge der erzeugten Agrarprodukte sind die Treibhausgasemissionen aber zwischen 30 bis 60 % höher als beim konventionellen Landbau. Der Bio-Landbau ist also klimabelastender als die viel gescholtene konventionelle Landwirtschaft. – Gerhard Breitschuh

 

Einen herzlichen Dank für diesen Artikel, der dieses unfassbare Kapitel der Politik der EU und ihrer Mitgliedsstaaten zumindest mal ansatzweise beleuchtet. Dramatisch wird es, wenn man die Belastung der Steuerzahler durch die Agrarausgaben noch ins Verhältnis setzt, zum Beispiel zu den Ausgaben für Bildung, Forschung, Entwicklungshilfe… Völlig unter geht in dem Artikel leider, dass der Schwenk zu erneuerbaren Energien vielen aus der Agrarwirtschaft ohne viel eigens Zutun weitere dauerhafte Milliardeneinnahmen beschert hat – wer sonst kann die Flächen für Solar und Wind in dem benötigten Ausmass zur Verfügung stellen…. Es hat wohl noch keine Branche geschafft, sich permament ein solch überproportionales Stück vom Kuchen zu sichern und trotzdem in der Öffentlichkeit genauso permanent als unterstützungsbedürtig dazustehen. Wenn es nicht so traurig wäre, es wäre schon bewundernswert. Hoffentlich bleibt das Thema auf ihrer Agenda. – Burkhard Plett

 

Ja, bei den Layoutern können Sie sich bedanken, die Seite ist denen gelungen. Aber auch Sie haben zu dem Thema super recherchiert und die Problematik der gerechten Verteilung der Gelder den Leserinnen und Lesern gut erklärt. Man könnte meinen Sie haben sich intensiv mit Elisabeth Fresen ausgetauscht. Sie ist Jungbäuerin mit einer großen Leidenschaft für ihren Beruf. Frau Fresen betreibt einen Biobauernhof mit Mutterkühen im Landkreis Verden und hat daneben seit einem Jahr auch noch einen tollen Hofladen.

Aber um die schwierige Lage der Bäuerinnen und Bauern zu verbessern ist sie auch politisch aktiv. So ist sie die Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und arbeitet mit in der Zukunftskommission Landwirtschaft. Ich hoffe Sie erreichen mit Ihrem Artikel viele Verbraucherinnen und Verbraucher, damit wir alle sensibilisiert werden für die Misere in der Landwirtschaft und uns dafür einsetzen, dass die Gelder gerechter verteilt werden. Von dem Nabu GAP Ticker hatte ich tatsächlich noch nicht gehört, den werde ich jetzt gleich abonnieren. – Marita Horwege

 

Informativer und gut lesbarer, die Zusammenhänge verdeutlichender Artikel! Aber warum nur sollen ZEIT-Leserinnen als so wenig interessiert dargestellt werden, dass sie, um einen Artikel über die Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) lesen zu wollen, mehrfach und z.T. auf fragwürdige Weise motiviert werden müssen? Fehl am Platz fand ich besonders der Verweis auf „Lobbystrukturen“, „Mutlosigkeit“ und „Sex“, der dann allerdings gleich wieder zurückgenommen wurde („…ich wollte bloss sichergehen, dass Sie dranbleiben“): Ich fühle mich durch diese Art der Unterhaltung gegängelt. Ich lese die ZEIT – und da besonders die Artikel zu Themen, die mir wichtig sind – doch freiwillig, wenn auch nie vollständig, weil die Zeit dafür nicht reicht! – Christine Schließer

 

Ich hatte beim hervorragend geschriebenen Artikel von Frau Theile ein Déjà-vu-Erlebnis. Wenn man GAP durch PEP (= praktizierte Energiewende-Politik) ersetzt, was meinem Fachgebiet entspricht, findet sich auch dort alles wieder: Segeln im Windschatten der Öffentlichkeit, die sich durch Unkenntnis der Probleme auszeichnet, ein Regeldickicht, was nur noch Experten verstehen, eine „Trutzburg“ mit absonderlicher Architektur sowie Intransparenz, die den (hier „grünen“) Lobbyisten nutzt.

Und bei GAP und PEP geht um viele Milliarden €, von denen ein großer Teil ziemlich planlos verballert wird: Der gutwillige Bürger bezahlt ja alles, wenn es „schön verpackt“ wird. Bevor dieser Leserbrief in Verzweiflung mündet: Der ab 2023 absehbar kommende Black-Out in einem Wintermonat mit „dummerweise unvorhersehbarem Schlechtwetter“ wird zwar die Menschen aufschrecken. Es bleibt die nur dumme Frage: Wer gewinnt dann die nächsten Bundestagswahlen? – Prof. Emeritus Dr. Wolfgang Ströbele

 

Was für ein überzeugender Beitrag sogar auf Seite 3!DANKE! Das Wesentliche ist mir bekannt. Sie haben es auf den Punkt gebracht. Und gleichzeitig beschrieben, was konservative Politiker befürchten und warum das Lobbyregister so wichtig ist. – Dr. Achim Zeidler

 

Danke, Frau Theile, dass Sie sich des Themas annehmen. Unsere Betroffenheit und das Wissen darüber verhalten sich leider reziprok proportional. Bitte bleiben Sie am Thema dran! – Thomas Höhne

 

Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) mit einer „Trutzburg mit Nebentrakten, Erkern, Türmchen und Kellergewölben“ zu vergleichen, ist kreativ und als Symbol passend – solange es darum geht, völlig ahnungslosen Menschen zu erklären, dass es eine GAP gibt. Beim Weiterlesen jedoch fehlt der Gesamtzusammenhang, weil Sie, Frau Theile, nur halbherzig versuchen, die Entstehung der GAP aus der Historie zu erklären und ihre Aufgabe für die Zukunft zu erläutern. Stattdessen gibt es im Artikel reichlich Sarkasmus, Übertreibung und Aggression. Das ist Social-Media-Sprech und irritiert an dieser Stelle.

Die Landwirtschaft wurde in der Vergangenheit politisch gesteuert, und das wird auch in Zukunft so sein, weil sie a: Lebensmittel produziert, die, ja genau, zu erschwinglichen Preisen angeboten zum Frieden in Europa beitragen, und weil sie b: draußen in der Natur produziert, die ein empfindlicher und dazu ein öffentlicher Raum ist, und die es zu schützen gilt. Für diese Steuerung braucht man ein System. Im Moment bekommt man je ha Fläche einen immer gleichen Betrag von der EU, egal ob der Betrieb groß oder klein ist – gesetzt den Fall, man hält auf seinem Betrieb den EU-Umwelt-Standard, genannt cross compliance, ein.

Das ist erstens nachvollziehbar und zweitens mathematisch gerecht. Drittens sichert dieses System einen erheblich höheren Umweltstandard als den, der z. B. in den USA, Südamerika oder Asien üblich ist. Die Empfänger dieser EU-Gelder werden sogar für alle Steuerzahler einsehbar mit Namen und Gesamtsumme im Netz veröffentlicht. Das ist transparent. Wo gibt es das denn z. B. fürs Kindergeld oder für die Wirtschaftsförderung?

Man versucht seit einiger Zeit, die GAP grüner und sozialer zu gestalten, denn politische Prioritäten haben sich geändert. Dass dabei komplizierte und teilweise ineffektive Instrumente herausgekommen sind, ist eine Katastrophe und für viele Landwirte fatal. Das liegt unter anderem auch an der verkorksten wissenschaftlichen Herangehensweise. So werden in der Umweltökonomie gerne theoretisch entgangene Gewinne ausgeglichen und selten (es gibt auch gute Beispiele) Anreize zur umweltschonenden Produktion geschaffen. Da ist die Praxis, die ja bei der nachhaltigen Produktion auf die Natur angewiesen ist, oft schon viel weiter.

Nicht jeder größere Landwirt ist ein giftspritzender Kapitalist auf Kosten der Steuerzahler. Viele Betriebe haben gute Konzepte, sie kämpfen aber vor allem mit durch die Bodenknappheit steigenden Kauf- und Pachtpreisen und mit Kommunen, die Gewerbegebiete und Umgehungsstraßen planen, als ob das Land unendlich wäre. Und dann gibt es auch solche Menschen, die ungeachtet aller Tore und Schilder durch Naturschutzflächen marodieren und mancherorts die Bemühungen der Landwirte, Lebensräume für seltene Arten zu schaffen, zunichte machen und ihren Müll hinterlassen.

Nein, wir brauchen keinen Sarkasmus. Wir brauchen ein neues System, und das ist eine Mammutaufgabe. Welchen Wert hat ein Kiebitzpärchen? Wie wichtig sind uns magere Wiesen für die Artenvielfalt? So etwas kann man als Steuerzahler nirgendwo per Mausklick bestellen. Ja, wahrscheinlich gibt es bei der Gestaltung der GAP Kungeleien, die hässlich sind und bekämpft werden müssen. Die GAP ist ein europäisches Projekt und damit per definitionem komplex. Es geht um sensible Sachverhalte und es gibt viele Interessengruppen. Es lohnt, dass wir darüber ernsthaft debattieren. Nur eines dürfen wir nicht: Das Thema zur Effekthascherei missbrauchen. – Anna Luetgebrune

 

Ich wollte Ihnen sagen, daß mir Ihr Artikel über die GAP sehr gefallen hat. Ich hätte ,wie Sie richtig vermuten, den Artikel nicht gelesen, wenn nicht dieser witzige Anfang gewesen wäre. Wenn alle Artikel über Lobbyismus und intransparente Regelungen so unterhaltsam und verständlich geschrieben wären, würden sie alle bis zu Ende gelesen. Und das sicher nicht nur von mir. Ich werde jetzt mal Nabu-GAP googeln! Danke, daß ich dank der <Zeit wieder einmal was dazu lernen konnte! – Elke Bickelmann-Junker

 

Kompliment: …einszweidreivierEckstein, wo&wie können die Milliarden wohl versteckt sein?…wer das wirklich wissen will, den haben Sie journalistisch wirklich perfekt durchs Gestrüpp der lobbyistisch-verstrickten Bewilligungshierarchien geleitet. Und dafür großes Leserkompliment weil stilistische Dosierung von Fachwissen und flotter Schreibe ein Beitrag, der angesichts anstehenden Grundsatzentscheidungen den 60 Millionen Wahlgerechtigter zur Pflichtlektüre verdonnert werden sollte und zwar so lange, bis sie kapiert haben worum es geht. Andernfalls die dröge Mehrheit im Nachhinein sich so flugs bekennen mag, davon nichts gewusst zu haben. Sie können Ihre Hände dann im journalistischen Weihwasser waschen…und zwar berechtigt. Weiter so die heißen Eisen munter schmieden, damit der ermüdende Leser zumindest die Zuversicht nicht verliert: es wird aufgedeckt!!! – peter schrader

 

Vielen Dank Frau Theile für Ihren spannend geschriebenen Artikel über die Agrarpolitik der EU. Die so vermittelten Informationen sind so wichtig, dass sie „weitergetragen“ werden sollten. Ich plane, Ihren beeindruckenden Bericht zu nutzen, um auf dieser Grundlage die vermittelten Details auf der eigenen Internetseite des kleinen NRW-SPD-Ortsvereins Rhade in mehreren eigenen Folgen weiterzureichen. Herzlichen Dank für Ihre erfrischende Schreibweise. Natürlich werde ich Sie und die ZEIT als Quelle der Informationen komplett nennen. – Dirk Hartwich

 

Wenn man die Hintergründe zum GAP, Europas Gemeinsamer Argarpolitik, liest, so wünscht man sich einen deutschen „Brexit“. Aber das ist und soll nicht der Weg sein. Vielmehr müsste eine ECHTE Korrektur dieser Trutzburg an Interessen-Schlupflöchern erfolgen. Wenn nicht? Wenn also weiter ein Geflecht aus Politik und Agrarindustrie Böden, Tiere und Pflanzen zerstört, ja dann steuern wir noch umfassenderen Naturkatastrophen und und Kriegen entgegen. Wollen wir das wirklich für uns und unsere Kinder und Kindeskinder? An die Journalistin Merlind Theile meinen Dank für diesen packend und sehr gut verständlich machenden Artikel „Hier verstecken sich Milliarden“. – Beate Nagel

 

Vor Jahr und Tag habe ich der ZEiT eine Hymne gesungen, die bis in mein Studenten-Abo der 50er Jahre zurückging. Heute jubele ich voll dankbarer Freude über Merlind Theiles „Milliarden“. Noch nie habe ich so herzlich und so gern über Geschriebenes gelacht. Und das zu DEM Thema und in diesen Zeiten. – Günter Pohl

 

Danke, Merlind Theile, für Ihren Augen-öffnenden Beitrag, auf diese Botschaft warte ich seit langem. Endlich benennt mal einer die Milliarden, die alljährlich an die Landwirtschaft verteilt werden. Die Lobby arbeitet äußerst erfolgreich, segnet sich mit horrenden Summen und das höchst erfolgreich an der Öffentlichkeit vorbei. Hätten wir doch endlich die Zeichen der Zeit erkannt: Insektensterben (Glyphosat ist wohl gar nicht so harmlos, wie es uns vorgegaukelt wird), übergüllte und überdüngte Äcker und als Folge aufwendige Aufbereitung des Grundwassers, Tierquälerei in Fleisch- und Eierfabriken, und all das wird noch belohnt mit unsren Steuergeldern, die wahrhaftig anderswo notwendig wären. Liebe Journalisten: bleiben Sie am Ball, erzählen Sie immer wieder diese Schieflage in unsrem Staat. Es wird ohnehin lange dauern, bis Transparenz diese für uns Laien kaum durchschaubaren ,verklausulierten Lobby-Segnungen offenlegt. – Maria Sperling

 

Danke, dass Sie sich des Themas angenommen haben. Diese Agrarpolitik der EU, unter einmütiger Unterstützung unserer eigenen Regierung, zeigt, wie sich das politische System von der Agrarlobby instrumentalisieren lässt. Auf diese Weise machen hörige Politiker mit Steuergeld Politik gegen die Bedürfnisse der Bürger nach gesunder Ernährung und einigermaßen intakter Natur und zerstören gleichzeitig Existenzen kleinbäuerlicher Landwirtschaft. Das stinkt zum Himmel! Und es untergräbt die Glaubwürdigkeit der EU. Auch in Deutschland gab es meines Wissens nur einmal eine mutige Landwirtschaftsministerin, die der Lobby die Stirn zu bieten wagte: Renate Künast. Das ist leider lange her. Umso wichtiger ist der Einsatz zivilgesellschaftlicher Kontrolle, wie dieser GAP-Ticker. – Alfred Bröckel

 

Großes Kompliment an Merlind Theile, die mir, einem „Kind vom Dorf“ (aus Burg in der Eifel, gerade einmal 20 Einwohner!), die Gemeinsame Agrarpolitik der EU anhand eines lebhaft-lockeren Schreibstils verständlich vermittelt hat. Trotz praktischer Anschauung und regelmäßiger Lektüre von Printmedien (und immer wieder komme ich zur „Zeit“ zurück) war mir die Komplexität dieses Themas – vor allem mit alltagspraktischem Bezug – nicht derart bewusst.

Es ist einfach die Kunst, einfach zu schreiben und trotzdem der Komplexität eines Themas gerecht zu werden, die die ZEIT allgemein und Merlind Theile im Besonderen auszeichnet. Weiter so – ich bin der ZEIT wieder treu und lese sie die Woche über verteilt, jeden Tag ein anderes Buch. Es freut mich, seit nunmehr 20 Jahren dieser Wochenzeitung treu zu sein. Weiter so – „Wenn man nur an der Oberfläche der Dinge bleibt, sind sie nicht einfach; aber wenn man in die Tiefe geht, dann sieht man das Wirkliche, und das ist immer einfach“ – Konrad Adenauer ist nichts hinzuzufügen. – Alexander Schmitt

 


 

 

Leserbriefe zu „Unterschätzt“ von Peter Dausend

 

Selten habe ich die Verschwendung von intellektuellen Recourcen intensiver erlebt,wie in diesem Artikel, der vor dem Hintergrund der politi- schen Realitäten nicht einmal zur Satire taugt. Wie kommen Sie eigentlich dazu, einer Partei,die kaum mehr Rückhalt in d. Bevölkerung genießt als die AfD, einreden zu wollen,sie hätte mit die- sem Kanzlerkandidaten auch nur den Hauch einer Chance,in das Kanzler- amt einzuziehen? Nun,Meinungsfrei- heit ist ein hohes Gut……… – Sybille Statz

 

Das optimistische Fazit von Peter Dausend greift zu kurz. Schließlich gibt es bei Olaf Scholz gerade beim so wichtigen Begriff Respekt eine riesige Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit, da er noch kurz vor seinem Abgang als Hamburger Bürgermeister der Stadt mit dem Elbtower ein politisches Erbe hinterlassen hat, bei dem eben genau der Fall eintritt, dass ein vornehmlich sehr reiches Publikum am Ende auf die benachbarten ärmeren Quartiere wie die Veddel mit einer starken negativen Symbolkraft für den sozialen Zusammenhalt herabblicken wird.

Wobei im Übrigen noch hinzugefügt werden muss, dass in anderen Metropolen wie etwa New York aus Klimaschutzgründen derartige Gebäude mit einer riesigen Glasfassade gar nicht mehr errichtet werden dürften. Deshalb bleiben leider erhebliche Zweifel an einem geerdeten Umdenken bei der SPD nach dem Motto „Zurück zu den eigenen Wurzeln“, zumal im Zukunftsprogramm unter den genannten großen Missionen ebenfalls ein Mega-Thema wie die Bildung komplett fehlt! – Rasmus Ph. Helt

 

Für mich entsteht sofort der Eindruck, dass Sie Herrn Scholz über diesen Weg protegieren. Wie unschön. Ehrlichkeit und Herr Scholz, das passt nun wirklich nicht zusammen. Also Herr Dausend, so geht das doch nicht. – Claudia Albersmann

 

Der Kanzlerkandidat der SPD hat sich in einem wichtigen Fall (der cum-ex Geschäfte in Hamburg) an Gespräche als Bürgermeister der Stadt Hamburg nicht erinnert. Entweder leidet er an Amnesie, und dann muß man um die Zukunft eines von ihm regierten Landes Angst haben. Allerdings kann er sich dann natürlich bezüglich Wahlversprechen auch auf diese Krankheit berufen. Oder der Erinnerungsverlust war Taktik (vulgo Lüge), und dann befördert er als Kanzler altbekannte Stereotype in Sachen Politik(er). Kann man ihn dann als „unterschätzt“ qualifizieren? – Heinz-Dieter Busch

 

Spontan zu Ihrem Artikel: Gut gebrüllt, Löwe!!! Danke für den Artikel! – Roswitha Müllerwiebus

 

Welch ein Optimismus, welch ein Euphemismus. Was ist an Olaf Scholz denn anders als an anderen SPD-Kanzlerkandidaten? Olaf Scholz ist ein weiterer Kanzlerkandidat in einer illustren Reihe: Frank- Walter Steinmeier 2009 mit 23 % Wählerstimmen, Peer Steinbrück 2013 mit 25,7 % Wählerstimmen und Martin Schulz mit 20,5 % Wählerstimmen. Der Abwärtstrend ist unverkennbar. Martin Schulz wurde mit 100 % und Olaf Scholz mit 96,2 % nominiert. Soso Herr Scholz ist nunmehr ein Feminist. Da wird sich Alice Schwarzer vor Lachen schütteln. Er verzichtet auf Machogehabe und hat, weil es modern ist, Respekt vor Frauen. Was ist denn da der Respekt? „Eine auf Anerkennung, Bewunderung beruhende Achtung vor Frauen!“

Ist das denn in einer Arbeiter -und Volkspartei nicht eigentlich selbstverständlich? All die Ziele in dem Wahlprogramm: „Ausbau der E-Mobilität, widerstandsfähiges Gesundheitssystem, flächendeckende Breitbandversorgung, Befreiung von der schwarzen Null“ (ab 2023 will Herr Scholz die Schuldenbremse – also die schwarze Null- trotz der Kosten aus der Corona-Krise wieder einführen) sind das nicht Ziele aller Parteien, abgesehen von der AfD und den Linken. In seiner Parteitagsrede hat Herr Scholz die alten und neuen Ideen als Aufschwung verkauft. Was ist denn mit den langen Zeiten in denen die SPD regiert und mitregiert hat: von 1966 – 1982, von 1998 – 2009 und seit 2013. War in dieser Zeit, zumindest seit 2013, nicht die Möglichkeit eigene politische Ziele und Ansichten durchzusetzen? Für viele Wähler steht Olaf Scholz immer noch als Mitverantwortlicher für das Hartz-IV-Konzept und die Agenda 2010.

Ganz abgesehen von den Erinnerungslücken in der Zeit als Erster Bürgermeister der Hansestadt Hamburg zur Cum-Ex Affäre um die Warburg-Bank. Nach meiner Meinung ist Olaf Scholz nicht Unterschätzt, sondern erheblich Überschätzt. Olaf Scholz als Kanzler = Ernsthaft? Da müssen die Grünen und sogar die CDU/CSU keine große Angst vor dem Wahltag haben, denn die derzeitige „Sonntagsfrage“ ergibt für die Grünen 26%, für CDU/CSU 25% und für die SPD 14%. Selbst bei anderen Konstellationen als Grün/Schwarz wird der neue Kanzler eine Kanzlerin sein und Annalena Baerbock heißen. Aber eigentlich egal wer 2021 letztendlich Kanzlerin oder Kanzler wird: Die Kandidatin und die beiden Kandidaten sind überschätzte Figuren der Weltgeschichte. – Felix Bicker

 

Na, sie haben vielleicht Mut so etwas in die Welt zu setzen. Die SPD wird sich freuen von einem der besten Journalisten so etwas zu hören. Die haben fertig, um in der Sprache von Trapattoni zu sprechen. Ich rechne eher mit der jetzigen Placierung. Wir sprechen uns später wieder. Mal sehen, wer das bessere Gespühr hatte. – Gunter Knauer

 

So, jetzt ist die Zeit also auch im Wahlkampf angekommen. Man nehme zwei Leitartikel und koche ein Süppchen mit Zutaten, die den Grünen gar nicht schmecken sollen. Man bediene dabei Klischees, die an Stammtischen ausgeliehen sind. Deutschland benötige nach 16 Jahren „Angela Merkel- Feminat“ einen richtigen Kerl. Ein bisschen SPD- Würze dazu (Herr Scholz kann möglicherweise doch Kanzler werden). Auch ein Schuss „Palmer- Öl“ darf nicht fehlen. Ach so, die Grünen haben ihren Erfolg sowieso nur von der Erde ausgeliehen – sie verdanken ihn der Dringlichkeit des Jahrhundertthemas Ökologie. Wegen ihres aus meiner Sicht seriösen Journalismus` lese ich seit Jahren die Zeit. Diese Leitartikel sind diesem Blatt nicht würdig. – Hans Rahn

 

Ich gehe davon aus, dass Herr Dausend seinen Artikel in der gleichen ironischen Art aufzufassen wünscht, wie viele seiner anderen auch. Ich bin 70 Jahre alt, überzeugter Demokrat und habe einfach die Nase voll von den „Scholzens“ unserer Republik. Gedächtnisschwund bei Cum-Ex und Wirecard aber, wenn das Verfassungsgericht dem Klimaschutzgesetz, das mit massiver Unterstützung der SPD beschlossen wurde, Untauglichkeit attestiert, erinnert sich dieser Herr Scholz (und andere seiner Art) sofort und intensiv daran, dass sie es eigentlich schon immer anders wollten. Ich, lieber Herr Dausend, kann nur Respekt vor Menschen haben, die auch bereit sind die Verantwortung, für welche sie stehen, anzunehmen. Wer dazu nicht bereit ist, dem steht nicht zu, von anderen Respekt zu fordern oder gar Respekt als Programm-Monstranz vor sich herzutragen. Neubeginn und Neuorientierung gelingt nicht, wenn man alten Wein in neue Schläuche füllt. – Klaus Mairhöfer

 

In der Wirtschaft gibt es die Regel „structure follows strategy“; auf die Politik übertragen: erst die Inhalte, dann das Personal. Möglicherweise hat Herr Dausend nicht mitbekommen, dass sich die einst staatstragende Partei SPD seit 2005 in drei großen Koalitionen personell, aber vor allem inhaltlich bis zur Unkenntlichkeit verschlissen hat. Ich denke, nicht einmal die potentiellen Wähler der SPD können erklären, wofür diese Partei heute noch steht, jedenfalls nicht für die Zukunftsthemen Klimawandel/Nachhaltigkeit und Digitalisierung/Bildung. So gesehen wird der „Feminist“ Olaf Scholz zu diesen Legislaturperioden übergreifenden Themen wenig beisteuern können. Im übrigen war der „Macho“ Gerhard Schröder der letzte Kanzler, der mit der „Agenda 2010“ eine längerfristige Strategie realisiert hat. – Jürgen Rohlfshagen

 

Braucht eigentlich noch irgendjemand die FDP (*1948), Die Linke (*2007), oder gar die AfD (*2013)? Die SPD (*1863), die wird noch gebraucht, zumindest bis zur Wahl im September 2021, danach geht´s direkt in Richtung „Gnadenhof“! Bündnis 90/Die Grünen (*1993), die wurden lange nicht mehr gebraucht, aber mit einer Annalena Baerbock als Chefin, da könnte es nach den Wahlen so richtig „rund“ gehen! CDU und CSU (beide Jahrgang1945), die „mussten wir bisher aushalten“, die werden sich wohl zwangsläufig, aber auch notgedrungen an die BündnisGrünen ranwanzen, sonst läuft da nicht viel! Vielleicht aber macht doch eine superansteckende „Super-Corona-Mutante“ sämtliche Wahlpläne zunichte, dann machen wir weiter mit „home staying alive“, und „no election in the voting booth“! Nichts Neues in Good Old Germany, die GroKo bleibt, wir bleiben auch; alles bleibt so wie es ist! – Klaus P. Jaworek

 

In diesem Artikel wird von Respekt geschrieben. Ein Finanzminister, der sich bei Untersuchungsausschüssen an nichts erinnern will und dann noch den Daumen hochstreckt zum Zeichen, dass er alle geleimt hat, kann von mir keinen Respekt erwarten. Das gilt auch für diese Schummeltante aus Berlin und den OB in Frankfurt am Main. Was kann man denn von einem Kanzler Scholz erwarten, der jetzt Versprechungen macht wie z.B. Herr Spahn und sich dann in einem halben Jahr an nichts mehr davon erinnern will? – Günter Belschner

 

Ich bin langjähriger ZEIT-Leser. Bei der letzten Ausgabe habe ich gedacht, der Postbote hat statt der ZEIT versehentlich das SPD Parteiorgan „Vorwärts“ in den Briefkasten gelegt. Der Artikel auf Seite 1 von Peter Dausend „Unterschätzt“ geht gar nicht. Ein so unkritischer und für Scholz werbender Bericht passt absolut nicht zum Niveau Der Zeit. Darüber habe ich mich sehr geärgert. Kein einziger Hinweis auf die laufenden Untersuchungsausschüsse in Hamburg und Berlin zu den Themen Cum EX Geschäfte Warburg Bank Hamburg, wo die Hamburger Finanzbehörde anfänglich auf 50 Mio. € aus Cum EX Geschäften verzichtet hat, nach Gesprächen zwischen Vertretern der Bank und Scholz.

Und die Scholz unterstehende Behörde BAFIN hat in dem größten Finanzskandal der Geschichte Wirecard auch geschlafen. Und weiter: Die SPD habe gelernt, die Zukunft „kann man nicht herbeisparen“. Und : „Scholz habe sich aus dem mentalen Gefängnis der schwarzen Null befreit.“ Dagegen berichtet Der Spiegel , dass Finanzminister Scholz trotz hoher Kosten durch die Corona Krise, ab 2023 die Schuldenbremse (=Schwarze Null) wieder einhalten will. Auch davon ist in ihrem Artikel nichts zu lesen. Und ein Hinweis auf die sehr schlechten Umfragewerte der SPD wäre auch mehr als angebracht gewesen. Auch kein Hinweis von Herrn Dausend, das Olaf Scholz bei der Wahl als Parteivorsitzender durchgefallen ist, aber auf einmal als Kanzlerkandidat der richtige Mann sein soll. Nichts von allem ist in dem Beitrag zu lesen. Alles in allem, kein objektiver Beitrag der ZEIT. Schade. – Willy Dalhaus

 

Wo Herr Scholz sich als Feminist bezeichnet, darf Herr Dausend getrost als Anti-Maskulinist gelten. Auch diesen Artikel verwendet er in vorhersehbarer Art und Weise für sein unumstrittenes Lieblingsthema, also für die Abrechnung mit dem Männlichen in der Politik. Ein bisschen einfallslos, aber wohl noch ausreichend für die Seite 1. Na bravo. – Dr. Christian Voll

 


 

 

Leserbriefe zu „Wir brauchen kein Schmerzensgeld!“ von Andreas Heim, protokolliert von Charlotte Parnack

 

Mit Interesse habe ich den Artikel zum Thema Altenpflege gelesen. Nachdem die Pflegeberufe durch die Corona-Pandemie noch einmal mehr in den gesellschaftlichen Focus geraten sind, ist es sicher gut, dass jemand einmal nicht nur auf die problematischen Seiten dieser Berufe schaut, sondern auch das Schöne daran hervorhebt. Allerdings habe ich gar nicht den Eindruck, dass die Altenpflege hauptsächlich wegen der schlechten Bezahlung so negativ angesehen ist – wie es der Artikel suggeriert – sondern wegen der schlechten Arbeitsbedingungen, bei denen der Profit der Pflegeanbieter und unser katastrophales Gesundheitssystem, das falsche Anreize setzt, maßgeblich sind. Diese Aspekte, die zu immer weniger Personal mit immer mehr Aufgaben führen, scheint mir das größere Problem.

Welche Folgen das mit sich bringt, hat Silke Jäger auf der Plattform „Krautreporter“ Anfang Mai 2021 sehr deutlich gemacht und dabei den Begriff der „moralischen Verletzung“ eingeführt. https://krautreporter.de/3829-der-wahre-grund-warum-pflegekrafte-aufgebenHier werden andere Ursachen deutlich als die schlechte Bezahlung. Ein weiterer Punkt ist mir bei Herrn Heims Bericht aufgefallen, den ich überaus kritisch sehe. Er fordert eine höhere Akademisierung in der Altenpflege. Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Nach meiner Auffassung ist es eins der zentralen Probleme unserer modernen Gesellschaft, dass wir glauben, alle Berufe akademisieren zu müssen.

Aber zwischen einer ungelernten Altenpflegehelferin und einem Pflegeakademiker gibt es ja noch einen Zwischenschritt, nämlich die examinierte Altenpflege auf der Basis einer dreijährigen Berufsausbildung. Die Bildungsexpansion in Deutschland ist eine schöne Sache und natürlich ist es gut, wenn viele Menschen gut ausgebildet sind und Zugang zu Hochschulen haben. Aber es gibt auch noch die anderen, die Schwierigkeiten haben, ein Abitur oder eine Fachhochschulreife zu erlangen. Trotzdem können diese Menschen empathische Personen sein, die einen Berufsabschluss erlangen und gute Altenpfleger sein können.

Warum muss man den Ausbildungsberuf der examinierten Altenpflege entwerten, indem man nach einer Akademisierung ruft? Die Vorteile eines Altenpflegers mit akademischem Abschluss konnte Herr Heim in seinem Artikel nicht deutlich machen. Allein der Hinweis auf das Ausland sagt nichts aus, zumal auch nicht deutlich wurde, ob das Ausland eine vergleichbar fundierte duale Berufsausbildung anbietet wie Deutschland. Mein Appell ist: Schließen Sie durch unnötige Bildungshürden niemanden aus, der den Beruf des examinierten Altenpflegers ergreifen möchte. – Erika S. Becker

 

Dieser Artikel ist äußerst klug und richtig! Mein Mann musste das letzte Jahr seines Lebens im Heim verbringen. Die Malaise begann schon mit dem Vorwurf eines Freundes „da wird er zugrunde gehen“. Voller Vorurteil und in Unkenntnis dessen, was zu dem Heimaufenthalt geführt hat, wurde ich mit dieser Aussage konfrontiert. Meine Schuldgefühle, zu diesem letzten Schritt gezwungen zu sein, erhielten deutlich Nahrung. Erst allmählich erkannte ich die Güte, mit der im Heim gearbeitet wurde und konnte den Pfleger*innen vertrauen und sie unterstützen im Bemühen, allen gerecht zu werden. Die Pfleger*innen waren super nett, freundlich, einfühlsam und bis an die Grenze der Erschöpfung für die ihnen anvertrauten Menschen tätig.

Zuweilen war der Mangel an Pflegekräften so groß, dass wir Angehörigen gelegentlich bei der Aufsicht mit eingespannt wurden ( das war noch vor Pandemiezeiten). Besonders eine der Pflegerinnen hatte ein geradezu komödiantisches Talent, mit komischen und unterhaltsamen Einwürfen das Tagesgeschehen zu begleiten und alle aufzuheitern. Ich war voller Bewunderung für diese gekonnten Beiträge. Indem alle Handlungen mit Gesprächen untermalt wurden, konnten die Heimbewohner*innen das Sprechen üben und wurden unmittelbar einbezogen in die notwendigen Verrichtungen. Man macht sich keine Vorstellung davon, wie gut man sich im Heim kümmert, und wie ernst man die Menschenliebe nimmt. Gut, wenn auch die Bezahlung noch stimmt! – Claudine Borries

 

Ich habe Ihren Artikel in der ZEIT gelesen und wollte Ihnen von Herzen danken und bestätigen. Es hat gut getan nach der gestrigen Sendung im Bayerischen Fernsehen, DOK-Thema, „Wer ist verantwortlich für die Corona- Toten im Pflegeheim“ einen solchen Artikel zu lesen. – Raimund Binder

 

Vielen Dank an Herrn Heim, der direkt und zielgenau „das“ Problem der Altenpflege ins Auge nimmt. Auch mir war, trotz mehrfacher Berichte über die Altenpflege, nicht klar, dass Altenpfleger/innen mehr Gehalt bekommen als klassische Handwerksberufe. Auch der Hinweis auf Arbeitsbedingungen, die nicht den Berichten folgen, die solchen armen ausgenutzten Existenzen allen Lebensmut absprechen, sondern ein selbstbewusstes Dasein das Wort reden. Vielen Dank an Herrn Heim und die Bitte an die Redaktion, solch selbstbewusste Menschen häufiger sogenannten Eliten ihre Lebens- und Arbeitserfahrungen zu präsentieren. – Jürgen Gädke

 

Danke! Endlich zeigt uns ein Betroffener authentisch einen Weg auf, ganz ohne Lamento, der nach vorne führt. Für gerechte Entlohnung sollen Tarifverträge sorgen, aber mindestens genau so wichtig sind Wertschätzung und Respekt. Hier sind wir alle gefordert. – Jürgen Müller

 

Wir brauchen kein Schmerzensgeld. So, und jetzt strahlt der Himmel blau über der Pflege. Vor allem dann, wenn ein Pflegedienstleiter berichtet und eine gewiefte Journalistin „protokolliert“. Im gleißenden Sonnenlicht erscheinen Pflegekonzerne wie hier die Evangelische Heimstiftung als Himmel auf Erden. Dabei haben sie jahrzehntelang unter dem Dach der Kirchen und im Schutz eines eigenen Arbeitsrechtes Konzernpolitik betrieben, anstatt ihre Macht als große Arbeitgeber für ihre Mitarbeiterschaft und die Qualität ihres Angebotes einzusetzen. Darf DIE ZEIT so etwas straffrei abdrucken? Ja, sie darf, Satire darf ja auch alles. Und die lebt ja schließlich von der entwertenden Übertreibung. – Rainer Schreier

 

Andreas Heim gewährt einen persönlichen Einblick in seine Arbeit und man merkt, wie sehr er sich mit seinem Pflegeberuf identifiziert. Es ist wichtig, wenn auch einmal jenseits von Pflegekräftemangel, teils schlechter Bezahlung und Arbeitsbedingungen der Augenmerk auf den Beruf selbst gelenkt wird. Meine älteste Tochter ist Notfallsanitäterin im Rettungsdienst. Trotz Überstunden, Schichtdienst usw. „brennt“ sie immer noch für diesen Beruf und ist glücklich mit ihrer Wahl. Auch hier gibt es schon Nachwuchssorgen.

Menschen so unmittelbar zu helfen (wie auch in Pflegeberufen), erfordert hohes persönliches Engagement und verdient natürlich größte Anerkennung, nicht nur finanziell. Genauso nötig ist aber auch ein „Imagewechsel“ für diese Berufe. Wenn sie nur noch als unzumutbar und nicht auch als erfüllend angesehen werden, muss man sich nicht wundern, dass sie keiner mehr ergreifen möchte. Andreas Heim beschreibt das sehr gut. – Regina Stock

 

Ich nehme mir die Freiheit, Ihnen ein Thesenpapier zum Thema Empathie und Pflege zu senden, weil uns der Pflegenotstand sicher noch lange begleiten wird und aus meiner Sicht noch gar nicht umfassend analysiert wurde, was eigentlich falsch läuft. Man redet allgemein vor allem über Personalmangel, vielleicht noch über Vergütungen. Die Probleme gehen allerdings deutlich tiefer. Ich verstehe, dass man das Publikum vor einer sehr negativen Sicht der Probleme schützen will, deshalb nenne ich meinen Essay, der auch eine Art Outline einer längeren Schrift sein könnte, möglichst neutral „Die Empathieformel“.

Würde ich mit der Tür ins Haus fallen, könnte ich von den Ebenen reden, auf denen ich Empathiemangel diagnostiziere, aber das würden die Leser gleich wieder als polemisches Herangehen missverstehen. Ich vertrete keine Organisation und fühle mich daher frei genug, das zu sagen was ich denke und beobachte. Natürlich ist der mir zugängliche Ausschnitt der Wirklichkeit nicht repräsentativ, ich zitiere keine Studien und betreibe keine Sozialwissenschaft. Deshalb liegt mir auch das Schönreden der Wirklichkeit und das Verklausulieren fern. Gern würde ich auf der Basis meines Thesenpapiers Teilnehmerin einer Diskussion zum Thema sein, denn den Austausch halte ich für sehr wichtig. Als Praktikerin sehe ich mich als Unabhängige, die aber die Angewohnheit hat, genau hinzusehen und zu analysieren, gern auch Konzepte zu entwerfen.

Ich kritisiere nur die, die sich nicht der Mühe unterziehen, genauer hinzusehen oder die Dinge behaupten, die bestenfalls in einer kleinen idyllischen Realität existieren und nicht in der typischen deutschen Wirklichkeit. Eine endgültige Empathieformel habe ich natürlich nicht entwickelt. Dafür fehlt mir bisher die Zeit und der Platz. Dies würde sich ja auch nur lohnen, wenn eine eventuelle Leserschaft daran ausreichend interessiert wäre. Ich sehe mein Paper als Sammlung von Denkanstößen, die aus der praktischen Erfahrung kommen, aber natürlich aus einer reflektierten Erfahrung und aus meiner durchaus besonderen Position. Dass Sozialarbeiter im Großen und Ganzen selten als Autoren in Erscheinung treten, halte ich für schade. Sie könnten der gesellschaftlichen Erzählung von den Problemen der Pflege manches Wissenswerte hinzufügen. Hörte man gar auf sie, entstünde eine ganz neue Qualität des Problembewusstseins.

Die Empathieformel. Über digitalen Lifestyle und Realität, Pflegenotstand und Hilfe als empathische Arbeit am Menschen: Wie lässt sich Empathie erzeugen, vermehren und regenerieren? Das ist vielleicht eine komische Frage, aber auch unübliche Fragen sind erlaubt, wenn sie der guten Sache dienen. Ich bin Sozialarbeiterin. Das ist nicht gerade eine Tätigkeit, um die man beneidet wird. Zwar ist das eine gesetzlich geschützte Qualifikation, so dass nicht jede Hergelaufene sich als Sozialarbeiterin bezeichnen darf, aber das macht den Beruf noch längst nicht glamourös. Strenggenommen, darf ich mich gar nicht Sozialarbeiterin nennen, denn die dazu nötige dreijährige Ausbildung habe ich nicht absolviert. Deshalb nenne ich mich lieber Sozialberaterin. Wenigstens Berater darf sich jeder nennen, zu dem Ratsuchende freiwillig kommen. Auch wenn ich mal Pädagogik und Fremdsprachen studiert habe.

Ich berate seit 25 Jahren russischsprachige Ratsuchende zu Fragen des Sozial- und Aufenthaltsrechts, aber auch zu vielen Fragen des Alltags, die man im weiteren Sinne soziale Fragen nennen kann. Wer wenig Geld hat, dem werden auch Fragen des familiären Lebens zu sozialen Problemen. Pflege und Schwerbehinderung gehören ebenfalls zu meinen Themenschwerpunkten. Ich bin Wegweiserin im Dschungel des deutschen Wohlfahrtsstaats. Meine Aufgabe ist es Anträge und Widersprüche zu schreiben. Behördenkommunikation. Um die zu bewältigen, müsste man der deutschen Sprache mächtig sein. Die meisten meiner Kunden sind das nicht, oder nicht ausreichend. Viele strengen sich an, andere verstehen kaum die Gesetze und Formulare. Je mehr Gesetze, desto länger werden die Antragsformulare.

Davon kann ich ein Lied singen. Obwohl ich leider weitgehend unmusikalisch bin. Eigentlich würde ich mich gern als Empathieworker bezeichnen. Denn der Sinn meiner Arbeit ist die Hilfe. Das Verfassen von Schreiben ist nur Mittel zum Zweck. Es ist eine empathische Praxis, nicht so weit weg von heilenden Praktiken. Auch Heilpraktiker und Therapeuten nehmen sich der besorgten und beladenen Menschen an, fragen wo es drückt und zwickt, schenken Aufmerksamkeit und verschreiben ein Mittelchen zur Linderung. Mein Mittelchen – das ist die jeweils individuelle Zauberformel zur Lösung des Problems, geschrieben auf ein Blatt Papier, übersendet an die skeptischen Wächter des bürokratischen Amts.

Die Formel soll sie gütig stimmen, auf dass sie sich in ihrem Verwaltungshandeln an den menschlichen Bedürfnissen und Problemlagen der Empfänger von Leistungen orientieren mögen. Ich stehe oder sitze also zwischen den Verteilenden und den auf Verteilung Angewiesenen. Das ist eine besondere Position. Der Boden des Rechtsstaats hat seine Wölbungen und Dellen. Zwar berufen sich Verwalter von Leistungen und Antragsteller auf dieselben Gesetze, aber der Sachbearbeiter sitzt am längeren Hebel. Ich bin nicht die, die die Entscheidungen fällt, ich bin nur das Sprachrohr der Bedürftigen, ihre verlängerte schreibende Hand, ihr Hilfsmittel in einer für sie fremden sprachlichen und rechtlichen Umgebung, in der sie – das mutet manche anfangs durchaus seltsam an – durchaus Rechte auf verschiedene milde Gaben haben.

Denn der Antragsteller ist kein Bittsteller, sondern jemand, der sich auf gesetzlich verankerte Rechte beruft, der die Zuteilung auch erzwingen und durchsetzen kann, wenn er weiß, wie es geht. Wo kommt hier nun Empathie ins Spiel? Offenbar lässt sich ein Staat, der Zuwanderer am Wohlfahrtsstaat teilhaben lässt, von humanistisch-universalistischen Prinzipien leiten. Der Staat sagt zwar im Aufenthaltsgesetz, dass soziale Leistungen nicht Ziel der Einreise sein sollen und er kann mit Mitteln des Aufenthaltsrechts die Inanspruchnahme sozialer Leistungen hinauszögern. Aber in der Praxis gewährt er letztlich doch unter definierten Bedingungen das Existenzminimum. Das heißt allerdings nicht, dass Behörden und Behördenmitarbeiter empathisch seien oder sein sollten. Der Mitarbeiter soll immer nur das gewähren, was dem Antragsteller nach strenger Prüfung zusteht.

Deshalb gibt es so viele lange und durchaus schwer zu verstehende Antragsformulare, den dazu gehörigen Schriftverkehr mit den geforderten Unterlagen und Nachweisen und die Pflicht zur Mitwirkung als Hürden auf dem Weg zur Leistung. Gebrauchsanleitungen zum Umgang mit der Bürokratie gibt es dagegen kaum. Wenn ich den Weg durch den Dschungel weise, dann muss es bei mir wohl gut um die Empathie bestellt sein. Warum eigentlich? Mag ich etwa meine Ratsuchenden? Das sollte mir die professionelle Distanz eigentlich verbieten. Um mir die anzueignen, hätte ich wohl besser Sozialarbeit studiert. Ich bin skeptisch, was die professionelle Distanz betrifft. Man sagt, ein Arzt dürfe kein Mitleid mit seinem kranken Patienten fühlen.

Er soll nach den Regeln der Kunst diagnostizieren und heilen, heulen soll er nicht. Aber wieviel Distanz kann ich aufbauen, ohne dass mir die Empathie als eigene Motivation fehlt? Schaue ich mir die Ratsuchenden so kalt und herzlos an wie der ideale Behördenmitarbeiter, wie soll ich die Kunden dann gegen die Mitarbeiter verteidigen? Woher nehme ich mein Mitgefühl, dessen Quelle der Wunsch nach Gerechtigkeit ist, woher nehme ich meine Leidenschaft? Der moderne professionelle Mensch ist engagiert und nicht leidenschaftlich. Das Wort Leidenschaft dagegen verrät, dass es um Leidensfähigkeit geht. So wie der Beschwerdeführer, der seine Unzufriedenheit mit einer Entscheidung äußern will, dabei die Schwere und Last des Beschwerens zu spüren bekommt.

Vor einem christlichen Hintergrund darf ich auch die Fremden lieben, sie zu Nächsten machen, sie schützen. Ich bin nicht getauft und dennoch berufe ich mich in meinem Inneren auf ein christliches Menschenverständnis. Mir gottloser Ostberlinerin liegt die praktische Nächstenliebe mehr am Herzen als manchen Kirchgängern. Der Mensch, der problembeladen vor mir erscheint, möge auf eine gute Lösung hoffen. Ich mag ihn nicht von Pontius zu Pilatus schicken. Ich selbst nehme ihm die Last ab, entwirre die Knoten, murmele beruhigend, dass alles machbar ist und schon sitze ich an der Tastatur und entwerfe die rettende Formel. Wäre ich emotionslos und empathiefrei, würde mir diese Arbeit wohl keinen Spaß machen. Und doch ist es nicht einfach, eine ausreichende Menge empathischer Energie zu erzeugen, die mich durch meine mehrstündige Beratung trägt, durch den Kontakt zu verschiedenen Menschen.

Zu sympathischen und unsympathischen. Zu intelligenten und dummen, zu umständlichen Langweilern und gut strukturierten Ratsuchenden. Zu Menschen, die ein riesiges Problembündel vor mir abladen und zu anderen, die dankbar sind für ein paar wichtige Hinweise und gute Ratschläge. Es ist die Erfahrung der Endlichkeit empathischer Energie, die mich nach der Formel suchen lässt, wie sich Empathie verbraucht und regenerieren lässt. Das scheint mir eine lohnende Frage zu sein, auf die es noch keine Antwort gibt. Ich habe Rifkins Empathische Zivilisation gelesen, mit Amartya Sens Idee der Gerechtigkeit habe ich es versucht und Anfang der 90er habe ich John Rawls zu verstehen versucht genau wie später Pikettys Kapital im 21. Jahrhundert. Empathie ist auch ein Modethema für ein paar Superreiche, die neuerdings versuchen Menschheitsprobleme im Alleingang zu lösen.

Immer mal wieder erklärt jemand, der alles an materiellem Reichtum angehäuft hat, dass er der Sachen letztlich überdrüssig geworden wäre, und nun versucht ein bescheidenes und sinnerfülltes Leben zu führen. Naja, Fußgänger sind die meisten von ihnen sicher nicht geworden. Hermann Hesse lässt Siddhartha durch alle Phasen der Askese und des Genusses nach Sinn und Glück suchen, bis er sich schließlich als einfacher Fährmann an einem Platz fühlt, an dem er ebenso dienen und ein bescheidenes Leben führen kann, als auch zum Weisen wird, der im Kontakt zu einfachen Menschen offen und neugierig bleibt. Die endlich erreichte innere Harmonie spiegelt sich in einer natürlichen Eleganz des Wesens, das zu seinem Ausdruck keiner äußeren Mittel mehr bedarf.

Das beeindruckt vor der Folie eines in Arm und Reich gespaltenen Landes, in dem die Bettelmönche und Gurus stellvertretend für die anderen nach der Wahrheit des Glaubens und des Lebens suchen. Ich lese darin auch die Alternative zum Bettelmönch. Das eigene sinnvolle Tun ersetzt die milden Gaben, die abhängig machen von denen, die dem Mönch die Schüssel füllen und derweil ihren Alltagsgeschäften nachgehen, und die Sinnsuche delegieren. Es könnte ein Plädoyer dafür sein, dass jeder arbeiten und Sinn suchen möge. Dass die Sinnsuche nicht Teil der gesellschaftlichen Arbeitsteilung sein möge, die doch angeblich Merkmal des Fortschritts ist. Im sozialen Gewebe menschlicher Gemeinschaften spielen milde Gaben an die schwachen Mitglieder der Gruppe oder der Gesellschaft immer eine Rolle.

Das ist schon in der Familie angelegt, die Kleinen sind zu füttern, die selbst noch keine Nahrung suchen können, die Kranken und die Alten, die weder jagen noch das Feld bestellen können. Religiöse Institutionen waren oft diejenigen, die Abgaben einsammelten und die Armen speisten. Im Fortschritt der Organisationsformen blieb immer mehr in den Klingelbeuteln für die Würdenträger übrig. Der moderne Wohlfahrtsstaat hat sich einerseits von der Religion emanzipiert, andererseits sind religiöse Einrichtungen eine wichtige Säule der praktischen Umsetzung geblieben. Kirchen betreiben Altenheime, Kindergärten, Hospize und Kliniken, Behinderteneinrichtungen und Beratungsstellen. Können diese Einrichtungen heute als Orte empathischer Arbeit beschrieben werden? Im Großen und Ganzen wohl schon.

Kollidiert diese Beschreibung mit der durchaus vorhandenen Profitorientierung? Sicher. Sobald man Gemeinnützigkeit aufgibt, übernehmen die gewiefteren Buchhalter und Controller, deren Arbeit die Zahlen sind. Und natürlich die dazu gehörenden Geschäftsführer, deren Ziel Profitmaximierung ist. Die Reibung zwischen dem Sinn empathischer Arbeit und der Gewinnorientierung der Einrichtungen ist systemimmanent. Das allerdings heißt noch nicht, dass gemeinnützige Einrichtungen automatisch besser und empathischer arbeiten. Empathie ist ja das Hinschauen, Hinhören, Problemlösende, den Menschen Verstehende, Gemeinschaftsstiftende, Heilende, Menschenfreundliche, Nächstenliebende und zwar nicht nur als Absicht sondern als der überspringende Funke der Menschlichkeit.

All das nicht in einer Idylle, in der lauter freundliche und nette Menschen einander zugewandt sind, sondern unter Realbedingungen. Große Felder dieser Arbeit sind die Erziehung von Kindern und die Pflege von Kranken und Alten. Care nennen es die Englischsprechenden. Take care! ist ein englischer Gruß. Pass auf dich auf! Kümmern ist eine gute deutsche Entsprechung. Obwohl es von Kummer kommt. Kummer, Leiden und Sorge sind Grundbegriffe der Empathiearbeit. Sich kümmern, trösten – das ist positiv besetzt. Ein bürokratischer Begriff wie Personensorge eher nicht. Seit die soziale oder erzieherische oder pflegerische Arbeit als Bedarf und Leistung verstanden wird, die jemandem auf Grund eines Gesundheitszustandes oder anderer Probleme zusteht, gibt es für die eigentlich empathischen Momente der Arbeit meist weder Punkte noch Geld.

Das sieht man schon an den Beschreibungen der sogenannten Leistungskomplexe. Dieser Grundkonflikt rührt daher, dass nicht die Empathiearbeiter ihre Leistungen beschreiben, sondern Bürokraten, die Geld für Pflege oder andere Tätigkeiten zuteilen. Meine Vermutung ist, dass die Ausübenden von Caretätigkeiten zwar ursprünglich meist Empathie als Berufsmotivation empfinden, dass die tatsächliche empathische Ausübung des Berufs aber im Lauf der Zeit oft an den Realbedingungen leidet. Überlastungen und Überforderungen führen zu Abstumpfung oder auch zu Burnout, zu Wut und Ärger. Deshalb ist die Frage der Regeneration von Empathie keine nur abstrakte.

Wir können Empathie vorläufig als besondere Qualität der Ausübung von Tätigkeiten mit und an Menschen verstehen, die auf das Wahrnehmen von Bedürfnissen und die bedürfnisgerechte Umsetzung der Tätigkeit gerichtet ist. Ein passender moderner Begriff ist auch die Achtsamkeit, die allerdings meist selbstbezogen ist. Bei der Empathie geht es zuvörderst um die Bedürfnisse des anderen Menschen, mit dem man interagiert. Empathie und Achtsamkeit wären so verstanden ein sich ergänzendes Begriffspaar, das uns darauf verweist innezuhalten und immer wieder zu prüfen, ob unser Umgang mit anderen und uns selbst den positiv mitfühlenden Anspruch erfüllt. Fast banal gesprochen, sollten wir fragen, ob der Sinn nicht abhandenkommt und unser emotionaler Speicher nicht leer ist. Ob wir uns und das Gegenüber noch fühlen.

Ob wir nicht nur Handlungen ausführen, sondern auch mitfühlend und freundlich handeln. Mitfühlend meint ja nicht, dass wir heulen sollen. Aber ein Problem oder eine Situation darf uns schon nahegehen. So nah, dass wir sie möglichst erträglich gestalten sollten, wenn wir sie schon nicht lösen oder auflösen können. Das darf auch mit Humor geschehen, auf dem Grunde eines gegenseitigen Vertrauens und Verständnisses. Viel schlimmer ist es doch in problematischen Situationen zu sagen: hier kann ich jetzt auch nichts tun. Ich habe keine Zeit und keine Kapazität und deshalb schließe ich die Tür und verdränge, was ich gesehen habe. Wenn Rifkin Recht hat, dann bringt die Zivilisation im Prozess mehr Empathie hervor.

Die Menschen nehmen ihre Mitmenschen besser wahr, erkennen, dass sie ähnliche Bedürfnisse haben, sind bereit und in der Lage anderen zu helfen. Dabei helfen wachsender Wohlstand, bessere Bildung, eine freundliche, kindgerechte Erziehung, Menschenrechte, der Rechtsstaat, Emanzipation, die wachsende Sensibilität für Diskriminierung und Benachteiligung, um nur Einiges aufzuzählen. Die Pessimisten dagegen diagnostizieren ansteigende Indikatoren von Ungleichheit und Spaltung der Gesellschaften, eine wachsende Selbstbezogenheit und Vereinzelung, der das Digitale Vorschub leistet. Beide haben irgendwie recht.

Ich schreibe diesen Essay im zweiten Pandemiejahr 2021. Das kleine Virus mit seinen für die Infizierten unvorhersehbaren Krankheitsverläufen, die von Symptomlosigkeit bis Exitus reichen, zeigt wie unter einem Brennglas, wie sich Mensch und Staat in Situationen des teilweisen Kontrollverlusts verhalten. Das Virus ist nur schwer in den Griff zu bekommen, wenn allein seine Anreicherung in der Atemluft bedrohlich ist, ohne dass jemand hustet oder niest. Der Odem der Symptomlosen ist die Gefahr. Spreader kann jeder sein, also sollen wir vor allen Menschen Angst haben, Kontakte meiden. Die Kontaktvermeidung läuft der sozialen Natur des Menschen, seinen innersten Bedürfnissen zuwider.

Der auf sich selbst zurückgeworfene Mensch ist nicht nur jemand, der sich einsam fühlt. In ihm wachsen all die Zweifel, die Panik und Wut, die Monster, die man sonst im Kontakt mit anderen in den Griff zu bekommen versucht. Dabei hat die Vereinzelung schon lange vor Corona begonnen – das zunehmend unbefriedigte Bedürfnis nach körperlicher und seelischer Nähe, auf Anerkennung und Reibung, die Ersatzsuche nach Kontakten und Bestätigung im Digitalen, die Störungen, Süchte und Depressionen der modernen Gesellschaften. Langsam erkennen wir, dass das globalisierte Lebensmodell der Brainworker und die jetzigen Reisebeschränkungen, die sie auf das Homeoffice zurückwerfen, nur zwei Seiten der gleichen kulturellen Errungenschaft sind.

Wenn man für Arbeit und Kontaktpflege nur noch Laptop und Smartphone benötigt, und dies deshalb an jedem Ort der Welt mit Elektrizität und W-Lan machen konnte (die große mobile Freiheit), dann kann man es genauso gut auch in einem Zimmer zuhause tun und dort in Quarantäne leben. Die globalisiert-mobilen Lebensstile einer Mittel- und Oberschicht haben verschiedene kulturelle Implikationen. Man lebt in Wohnungen, die wenig Individualität ausstrahlen, die meist nur als vorübergehende Gehäuse dienen und austauschbar sein sollen, damit man sie jederzeit verlassen, sich woanders einquartieren und andere zeitweise bei sich wohnen lassen kann. Minimalismus, Funktionalität, ein anderes Verständnis von Komfort gehen damit einher.

Das Anhäufen von Dingen ist unter diesen Bedingungen unpraktisch. Zudem kann man alles was man braucht, in derselben Qualität überall kaufen. Man braucht weder Bargeld noch Fremdwährungen, nur ein paar Plastikkarten und gefüllte Konten. Die Ortsänderung digitaler Nomaden lässt sie zwar fast mühelos heute hier und morgen da sein, aber die Umgebung hat wenig Einfluss auf den Lifestyle. Hier der Ausblick auf eine Skyline, da eine nette Altstadt oder etwas tropische Landschaft, Meer oder Berge. Für den Nomaden bleibt all das Kulisse seiner sich nicht wesentlich ändernden Patterns von work, eat, love (or sleep, pray, whatever).

Wenn sich die für Komfort nötige Technik wie Kühlschrank, Klimagerät, Bad und sonstige smarte Einrichtung beliebig duplizieren lässt, dann können die Nomaden auch in der Wüste leben (man möge natürlich dafür sorgen, dass weder Sand noch Schlangen oder Skorpione in die Apartments vordringen und Einheimische, von denen eine Gefahr ausgehen könnte, noch weniger). Lieferdienste schaffen alles bereits Bekannte und Erprobte überall heran. Die Perfektionierung dieses Lebensstils kann menschliche Bindung tendenziell zerstören. Damit in einer zunehmend technisierten Umwelt alles funktioniert, möchte man Störungen ausschließen. Jede Störung ist eine Gefahr für den Komfort, für das Zeitmanagement, für die Leistung und die dringend nötige Entspannung. Störungen, das sind nicht nur technische Probleme wie die Internetübertragungsrate oder ein Computervirus, sondern auch die Lebensäußerungen anderer Menschen sind eine potentielle Gefahr.

Das nicht perfektionierte Leben von Menschen, die diesen Lebensstil nicht leben, kann den Lifestyle der Digital Natives in Frage stellen, die reale Interaktion kann eine Zumutung werden im täglichen Kampf um das perfekte funktionierende Leben und den Narrativ, den der Einzelne von sich erzeugt. Der Narrativ ist längst ein wichtiges Instrument im Wettbewerb mit anderen, in dem der Perfektionist ein detailliertes und optimiertes Bild von seinem Leben und seiner Leistungsfähigkeit erzeugt, denn dieses Bild entscheidet über den äußeren Wert der Person und damit darüber, welche Projekte man/frau managen darf und wie das vergütet wird. Je digitaler der Lebensstil, desto abgehobener von anderen weniger digitalen oder gar gänzlich analogen Realitäten.

Was in Zeiten der Kontaktvermeidung durchaus hilfreich ist, verhindert gleichzeitig immer mehr die „soziale Durchmischung“ und den realen Kontakt, die als wichtig für das Funktionieren demokratischer Gesellschaften gelten. Wenn alles Denkbare und Reale in der Vermittlung über Texte, Bilder, Videos, Streams, Fiktion und Games über Bildschirme flimmert und tendenziell nicht mehr real erfahrbar wird, was macht das mit Empathie und Empathiefähigkeit? Der Bildschirmmensch kann, selbst wenn er sein Gehäuse mal verlässt, nicht ohne sein Smartphone sein, das ihn informiert, navigiert, interagieren lässt und ihn ablenkt vom Blick auf die reale, ungefilterte Realität, auf Obdachlose und Dreckecken, auf Normales, Schönes und Hässliches.

Man hört von Therapeuten, dass es junge Männer gibt, die nur noch auf das sexuell attraktive und geschönte virtuelle Image von potentiellen Partnern reagieren können, nicht auf reale imperfekte Menschen. Auch Frauen sind bei der Suche nach Partnern oder Partnerinnen frustriert von den real herumlaufenden Exemplaren. Mir scheint, dass allein die schiere Menge von digital verfügbaren Daten, Informationen und Bildern in Verbindung mit der Möglichkeit der individuellen Selektion dessen, dem man sich aussetzen will, die Realität als Quelle des Weltbildes und Weltbezugs verblassen lässt. Ohne Realitätsbezug, ohne Encounter, ohne reale Erfahrung kann es aus meiner Sicht keine Empathientwicklung geben. Das betrifft natürlich auch die digitale Bildung. Zwar sind auch Hilfsorganisationen Sender im Flow internationaler Datenströme.

Sie senden Bilder des Elends, der Not und werben um Mitleid und Spenden. Aber ob sich so Empathie herstellen lässt, bezweifle ich. Es geht ja nicht nur um die Spende als Sündenablass. Das mag durchaus einfacher geworden sein. Eine Spende zu überweisen, erfordert nur wenige Klicks auf dem sowieso immer verfügbaren Smartphone. Und es gibt unzählige potentielle Empfänger solch materieller Hilferufe. Welcher wichtiger erscheint – die Hilfe für rumänische Straßenhunde oder somalische Straßenkinder, die Kranken und Leidenden am anderen Ende der Welt – das ist Gegenstand individueller Entscheidung, die arg überfordernd sein kann.

Was soll ich nun prioritär tun? Bäume pflanzen lassen für die CO2-Bilanz, Notleidenden helfen oder mehr oder weniger süße Tiere retten… Wenn es so viele gibt, die an mich appellieren, dann lässt mich das im Zweifel eher zögern. Will ich in meiner näheren Umgebung der Tafel für die Bedürftigen helfen oder ein Freizeitangebot für benachteiligte Kinder unterstützen? Sind die nicht besser versorgt als die ganz Armen irgendwo in der Ferne? Jeder hat nur eine begrenzte Kapazität für Mitgefühl. Die reale Konfrontation mit der sichtbaren und fühlbaren Not eines Menschen oder Tieres ist eine Zumutung. Die unendlich vervielfachten Images von Nöten sind letztlich vor allem Bilder. Wenn sie gut gemacht sind, mögen sie auch Emotionen hervorrufen.

Aber es gibt einfach zu viele Bilder. Und zu wenige Menschen, die dann noch den Hintergrund recherchieren und zu der Überzeugung kommen, dass gerade dieser Notfall ihre emotionale Aufmerksamkeit und eine helfende Handlung verdient hat. Zumal man ja nie wissen kann, wie gut die Hilfsorganisation vor Ort tatsächlich die Not lindert oder nachhaltig aus der Not herausführt. Man weiß ja, dass heute fast jeder ein anrührendes Video herstellen und mit einem Spendenaufruf ins Netz stellen kann. Ich habe oft und lange über die christliche Nächstenliebe nachgedacht. Wie definieren wir die Nächsten im Zeitalter der Globalisierung? Aktivisten verweisen gern auf die Priorität der lokalen Aktivität. Wer im Bewusstsein globaler Bedrohungen lokal handelt, der schafft tendenziell lebenswerte Orte und nachhaltige Entwicklung.

Wer nur Geld in die Ferne überweist, der kann ggf. sein eigenes, vermutlich privilegiertes Leben unbeeindruckt und unhinterfragt weiterleben. Andererseits fallen uns die Nöte der scheinbar weit Entfernten zunehmend auf die Füße. Klimawandel, Destabilisierungen, Viren erreichen uns als Ergebnis des ewigen globalen Austauschs von Luft- und Wassermassen, des stetigen Wachstums der Warenströme und zunehmender Mobilität verzweifelter oder ein besseres Leben suchender oder einfach nur reisender Menschen. Damit wächst auch die Erkenntnis, dass unser Komfort zu Lasten des Lebens anderer Menschen geht. Dass wir uns einschränken, unseren Verbrauch begrenzen sollten. Wie genau das passieren soll, wissen wir aber noch nicht.

Die empathische Interaktion bedarf der realen oder virtuellen Nähe und der emotionalen Fokussierung auf einen oder mehrere Mitmenschen. Diese Nähe konnte man schon vor tausenden Jahren mit einem Gebet virtuell herstellen. Man betete für das Wohlergehen oder gegen die Krankheit und hoffte, dass über die Vermittlung des allessehenden Gotts ein Effekt eintreten möge. Wer betet, hilft vielleicht dem Sterbenden nicht, aber er entlastet sich immerhin selbst und muss nicht am Sterbebett sitzen, wenn das gerade nicht praktikabel erscheint. Später erfand man das Telefon für den Zuspruch aus der Ferne. Um die Sache noch unpersönlicher zu machen, gibt es jetzt die Textnachricht. Mehr oder weniger das Gegenteil direkter interpersoneller Interaktion. Alles soweit okay, Smiley. Minimalkonversation. Bloß kein Gespräch mit seinen unvorhersehbaren Wendungen und einem schwer eingrenzbaren Zeitaufwand. Fragen, Antworten.

Viel zu persönlich. Notfalls Sprachnachricht. Plop. Smiley. Akku leer. Man hat sich irgendwie ausgetauscht. Und damit der höflichen Pflicht Genüge getan. Was, wenn der Alte, Kranke oder Sterbende keine Textnachrichten lesen und schreiben kann? Und Videocall oder Anrufe ausbleiben. Wenn er gar kein Smartphone hat? Dann kann er nur hoffen, dass jemand an ihn denkt und für eine mitfühlende Pflegekraft und sein Seelenheil betet. So ist die digitale Kommunikation ein Fortschritt, der zu emotionalem Rückschritt führen kann. Stay connected ist das Versprechen der Telekommunikation. Einlösen kann es nur der kommunizierende Mensch, der manchmal seine Komfortzone verlassen muss, um einfach nur einen Angehörigen anzurufen. Oder hinzufahren. Das ist das Einfache, was manchmal schwer zu machen ist.

Die digitale Generation entfernt sich tendenziell von der imperfekten Realität. Natürlich gibt es Ausnahmen. Wer noch nicht durchdigitalisiert ist, der sucht noch den realen Kontakt. Hat gar Freude an der ungefilterten Realität. Sucht den Ausgleich zur Bildschirmwelt des Digitalen. Bin dann mal weg – Community. Auf dem Weg zu Dir. Empathieworker sind die, die in der Realität mit Menschen arbeiten. Nicht selten empfinden sie Freude an ihrer Arbeit und am direkten, unvermittelten Austausch mit Kollegen. Auch sie nutzen digitale Hilfsmittel zum Austausch, jedenfalls die meisten. Die Arbeit mit realen Menschen kann frustrieren und sie müssen eine hohe Frustrationstoleranz entwickeln. Sie müssen ausdauernd leidensfähig sein und Geduld mit ihren ‚Kunden‘ aufbringen, weil es Menschen sind, mit denen sie unmittelbare Kontakte herstellen müssen.

Selbst der Begriff Kundenkontakt ist irreführend, denn er kommt aus einer Welt des Warentauschs und nicht aus der Empathiearbeit. Es handelt sich also um eines jener Missverständnisse, bei denen Begriffe aus verschiedenen Sphären übertragen werden, um Modelle zu übertragen und damit die menschliche Sphäre des Leidens und Mitleidens vorgeblich zu professionalisieren. Die Exklusion des Wortes Mitgefühl aus der beruflichen Tätigkeit kann leicht zum Ausschluss der Empathie aus der Interaktion führen – siehe professionelle Distanz. Was als Mechanismus des Selbstschutzes gelehrt wird, kann eben schnell zu Gleichgültigkeit und Abstumpfung führen. Professionalisierung führt oft zu ellenlangen Handlungsanweisungen und Dokumentationen des Handelns.

Einerseits soll jeder in der Pflege Tätige auswendig gelernt haben und wissen, was er in bestimmten Situationen tun muss und was nicht. Andererseits soll im Schadensfall und zu Prüfzwecken Handeln und Unterlassen dokumentiert sein. Und obwohl eine bestimmte Professionalität sehr wünschenswert ist, damit die Pfleger in akuten Notsituationen nicht erst anfangen zu googeln, schwächt sich doch tendenziell die Fähigkeit zum empathischen Interagieren im Zuge der sogenannten Professionalisierung der Pflege ab, wenn nicht auch die Empathiearbeit selbst auf ein neues Level gehoben wird. Zwar gibt es Tools wie die Biografiearbeit, um sich in Patienten und ihre früheren Lebenssituationen hineinversetzen zu können.

Zwar gibt es eine professionelle Freundlichkeit, aber in Situationen schlechter personeller Besetzung, wie sie für Caretätigkeiten immer typischer werden, also unter Zeitdruck und Überarbeitung, fällt wahrscheinlich als Erstes die Freundlichkeit und sonstiges empathische Gedöns hinten runter. Das jedenfalls ist meine Befürchtung. Die Pflegekraft, die Patienten weckt, aus dem Bett hebt, wäscht, die Windeln wechselt, das Bett macht und die Pflegebedürftigen anzieht und dabei genau 18 Minuten bis zum Frühstück hat, entwickelt eher eine Ungeduld, wenn „das Mensch“, das hier entsprechend ‚fertigzumachen‘ ist (letzteres ist ein gebräuchliches Wort im Pflegeslang) nicht kooperiert oder Schwierigkeiten macht. Dazu kommt noch, dass die praktische Pflege am Menschen immer weniger von gut qualifizierten oder Deutsch sprechenden Kräften erledigt wird. Manche Ausbildung lässt sich vielleicht durch Herzensbildung kompensieren.

Auch eine nichtdeutsche Hilfskraft kann empathisch sein. Allerdings werden Hilfskräfte deutlich schlechter bezahlt. Und ihre Arbeitsbedingungen sind meist miserabel. Kaum Zeit und kein Raum zum Plaudern. Man muss sich nicht wundern, wenn sie nach wenigen Jahren am Rücken leiden oder an Stress erkrankt sind und ausgetauscht werden müssen, durch neue Arbeitswillige. Es sind Arbeitswelten, die auf Verschleiß gefahren werden. Das zeigt, dass es hier um einen doppelten Empathiemangel geht. Zuerst fehlt die Empathie der Arbeitgeber gegenüber den in der Pflege Beschäftigten. In der Konkurrenz verschiedener Prioritäten – Pflege möglichst viele zu möglichst geringen Kosten und verdiene dabei möglichst viel Geld – haben die Arbeitsbedingungen der Pflegenden meist nicht die höchste Prio. Zwar gibt es rückenschonende Hilfsmittel, mit denen man die Pflegebedürftigen aus dem Bett heben kann.

Wer aber mal zugeschaut hat, wie man das lebende Objekt in das dann schwebende Hebenetz legen muss – was den davon Betroffenen eher ängstigt als beruhigt – der weiß, dass die Hebevorrichtung bestimmt keine Zeit spart und daher eher nur selten zum Einsatz kommt. Zeitdruck und unerfreuliche Arbeitsbedingungen, die man nicht schönreden sollte, sind Ausdruck dessen, dass schon die Arbeitgeber für die Beschäftigten wenig Empathie aufbringen. Wie sollen dann die Beschäftigten dauerhaft Empathie gegenüber den zu Pflegenden aufbringen? Bekannt ist, dass die schweren und unangenehmen Tätigkeiten überwiegend an Hilfskräfte delegiert werden. Wenn es gut läuft, hilft man sich untereinander. Wenn nicht, bleibt der Pflegebedürftige gleich im Bett liegen, weil das Herausheben eben die schwerste Übung ist. Dabei haben wir noch nicht über Demenz und herausfordernde psychische Zustände geredet.

Der Pflege laufen die Pfleger davon – auch in Zeiten und wegen der Pandemie. Es bedarf, so hört man, nicht nur besserer Löhne, sondern auch eines freundlicheren Berufsbildes, um neue (naive) Kräfte in die Pflege zu locken. Ein Pflegedienstleiter führte das gerade in der ZEIT Nr. 20 vom 12. Mai des Jahres unter der Überschrift ‚Wir brauchen kein Schmerzensgeld‘ aus. Weil der Pflegebedürftige so angewiesen ist auf die menschliche Interaktion – so sinngemäß – wäre es doch erfüllend, wenn man derjenige ist, der den dementen zu Pflegenden mit einem netten Lächeln und frohem Spruch auf den Lippen aus dem Bett holt. Der ihn bei seinem Namen nennt, den dieser schon vergessen hat. Naja, der Pflegedienstleiter macht das ja nun nicht mehr. Der kümmert sich um Vieles. Um Pläne, Dokus, Medgaben, Instruktion. Wenn er ein guter PDLer ist, kennt er wenigstens seine Pflegebedürftigen.

Wenn es ihm graust vor dem Anblick der Realität, dann wird er sich eher hinter seinen Schreibtätigkeiten verschanzen. Je weniger Deutsch die Hilfskräfte können, desto weniger können sie dokumentieren. Die Dokus werden dann eben durch qualifizierte Kräfte geschrieben, die deshalb gerade nicht vor Ort sind. Da dokumentiert man dann für die Abrechnung und Prüfung das, was eigentlich geschehen soll und nicht das was tatsächlich geschieht. Vor Jahren noch zeigte man mit dem Finger auf die Migrantenpflege, wo es mit den Dokus und der Korrektheit nicht zum Besten stand, jetzt ist die Trennung von Pflege und Doku normaler Alltag in vielen unterbesetzen und von migrantischen Hilfskräften getragenen deutschen Pflegeeinrichtungen.

Noch ein paar Jahre früher unter Rot-Grün gab man Geld für Kampagnen zur interkulturellen und kultursensiblen Pflege aus. Man erklärte den deutschen Pflegern, wie sie mit altgewordenen Migranten umgehen sollten. Dass man diese nicht wie deutsche Menschen, sondern unter Berücksichtigung ihrer kulturellen Besonderheiten pflegen müsse, dass sich die Essensauswahl im Heim zu vergrößern habe, helal und koscher und bitte kein Schwein. In der Realität der von migrantischen Pflegern und Hilfskräften bewältigten Pflege der deutschen Alten, gibt es keine Regierungskampagne, in der die migrantischen Hilfskräfte zu den kulturellen Besonderheiten der Deutschen geschult würden. Die multikulturelle Öffnung deutscher Pflegeheime schien damals eine lohnenswerte und geldwerte Sache zur Erschließung neuer Zielgruppen.

Ohne dass im Ergebnis die Bewohner multikulturell geworden wären. Stattdessen hat sich eher die monokulturelle Migrantenpflege entwickelt. Türken pflegen Türken, Russen pflegen Russen. Und die Pfleger sind multikulturell geworden. Warum äußert niemand die durchaus berechtigte Sorge, dass die migrantischen Pflegehelfer mit ihren oft nur rudimentären Deutschkenntnissen die deutschen Bewohner missverstehen oder unqualifiziert mit ihnen interagieren könnten? Wenn fast der ganze Pflegesektor an Personalmangel und chronischer Unterbesetzung leidet, dann kann man sich den Luxus einer vollwertigen Pflege mit der dazugehörigen empathischen Kommunikation immer weniger leisten. Dann gilt wieder „satt und sauber“ als das letzte Gebot. Und auch das wird nicht immer eingehalten. Demente Patienten sind sowieso nicht in der Lage, sich über Patientenzufriedenheit zu äußern, die muss man nicht befragen.

Das Grundproblem deutscher Pflegepolitik, das uns auch unter Coronabedingungen wieder auf die Füße gefallen ist, besteht darin, dass niemand die Probleme des Pflegesektors lösen will. Dazu müssten diese Probleme zunächst analysiert und benannt werden. Das könnte schon mal peinlich werden. Solange es nur wenig aussagekräftige Prüfergebnisse und Statistiken über dehydrierte und ruhiggestellte Bewohner gibt, oder nur mal hier und da ein Skandal hochkocht, scheint die Lage beherrschbar. Die Personalnot will man mit besseren Löhnen irgendwie in den Griff kriegen. Das Problem sind dabei nicht die tariflichen Vollzeitstellen, sondern die gerade für Hilfskräfte übliche Anstellung in 20-30 Stunden-Verträgen, die den Chefs volle Flexibilität und den Beschäftigten Hungerlöhne sichern. Oder Pflegelöhne, die vom Jobcenter aufgestockt werden. Dass die weitaus meisten Pflegenden Frauen sind, die nicht selten auch noch eigene Kinder oder Eltern versorgen müssen, verschärft das Problem weiter.

Zeitlich mag die 30-Stunden-Woche ja die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern, finanziell aber passt es eben nicht. Der Mindestlohn hinkt den Mietpreisen der Großstadt hinterher. Zumal ja auch von niedrigen Löhnen noch diverse Abgaben zu zahlen sind und der Mindestlohn immer als Bruttostundenlohn angegeben wird, damit es besser klingt. Auch die sog. Arbeitsmarktinstrumente, die dem Arbeitgeber die Eingliederung Arbeitsloser zur Hälfte finanzieren, haben so ihre Haken und Ösen. Es gibt oft keine Mindestvorgaben, was die Arbeitnehmer verdienen sollen. Will sagen, Aufstockung ist besser als keine Aufstockung, aber von attraktiven Löhnen und Arbeitsbedingungen kann keine Rede sein. Erst recht nicht davon, dass Arbeitgeber in der Pflege sich in der Gesundheitsvorsorge für ihre Beschäftigten engagieren würden. Dass sie etwas gegen Stress und für die Rücken der Mitarbeiter unternehmen würden. Klar mag es Ausnahmen geben. In dem Ausschnitt der Wirklichkeit, den ich sehe, gibt es sie nicht.

Dass Pflege und Personalnot ein Begriffspaar sind, ist noch keine rettende Erkenntnis. Ja, es gibt Vereinbarungen des Gesundheits- und Arbeitsministeriums. Eine Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg. Hört, hört! Es gibt Bestrebungen bei der Vergütung. Man sucht nach Hebeln bei den Versorgungsverträgen. Ausgerechnet die Caritas stellt sich quer. Die Care im christlichen Namen trägt. Es gibt die Anwerbung von Pflegekräften im Ausland. Das heißt noch lange nicht, dass alle Beteiligten wirklich hinschauen würden, was im Einzelnen die Probleme sind. Noch weniger, dass die Probleme jenseits marginaler Verbesserungen angegangen würden. Immer mal wieder ist von weniger Bürokratie und Papier die Rede. Die Papierhaufen werden dicker.

Jetzt geht es zusätzlich um Datenschutz und Corona. Digitale Lösungen sind Mangelware. Wenn eine Videodokumentation und -überwachung an den Persönlichkeitsrechten scheitert (wohl zurecht), dann bleibt es beim Papierkrieg. Der zudem nicht mal die Realität abbildet und qualifizierte Kräfte zeitlich bindet. Der Fortschritt besteht dann darin, dass die Pfleger Planänderungen per Whatsapp bekommen. Dass man Angehörigen auf deren Wunsch das Video eines Geburtstags im Altenheim aufs Smartphone schickt. Die Probleme einer alternden Gesellschaft sind mit dem letzten Pflegestärkungsgesetz nicht gelöst worden, obwohl mehr Geld in die Pflege geflossen ist.

Fließen musste, weil man die Pflegebedarfe Dementer nicht mehr länger ignorieren konnte und sich mit der Pflegelobby darauf geeinigt hat, dass die Altersdementen nur dann in Pflegeheimen versorgt werden können, wenn man ihnen Pflegegrade zugesteht, also ihre spezifischen Bedürfnisse in den MDK-Begutachtungen messen und bepunkten kann. Trotzdem ist die letzte Reform in Sachen Transparenz gründlich misslungen. Das liegt an einem wichtigen Realitätsindikator – der Zeit. Bis 2017 waren die Bedarfe in der Pflege an Zeitvorgaben gekoppelt. Man versuchte immerhin den Zeitaufwand für Pflegetätigkeiten zu messen und zu normieren und die entsprechende Einstufung und Geld- oder Sachleistungen an den sich daraus ergebenden Aufwand von professionellen Kräften und Angehörigen zu koppeln.

Zwar war die Leistung der Pflegekasse eine Teilleistung, aber der Bedarf war ggf. durch Sozialamt oder Eigenanteil aufzustocken, bis Geld, Leistung und Zeitaufwand irgendwie zusammenpassten. Diese wesentliche Bedingung ließ man 2017 geldsparend fallen. Damit passte man den Anspruch an die Realität der Personalnot an. Hielt man es früher aus hygienischen Gründen für sinnvoll, Pflegepatienten in der Regel 3 x wöchentlich zu duschen (der normierte Zeitaufwand für nichtprofessionelle Kräfte betrug immerhin 40 Minuten), so konnte man jetzt sagen: einmal Duschen pro Woche muss auch reichen. Und schon mussten Sozialämter weniger aufstocken oder konnten sagen, der Pflegebedarf ist aus der Leistung der Pflegekasse zu decken, die sich dann unter der Hand in eine Vollleistung gewandelt hatte, ohne dass in der Regel mehr Geld zur Verfügung stand. Besonders wichtig: der Verweis auf den Faktor Zeit und auf hygienische Bedürfnisse konnte im Widerspruchsfall nicht mehr greifen.

Überhaupt wurden die Module der Begutachtung und Bepunktung so intransparent gestaltet, dass sie weder Pflegebedürftigen noch Angehörigen Angriffsflächen bieten sollten. Nur die im Laptop programmierte Software kann überhaupt die Punkte berechnen, die über den Pflegegrad entscheiden, weil die zunächst vom Gutachter verteilten Punkte pro Modul, in denen es für die Bemessung des Hilfebedarfs noch um die Frage selbständig oder unselbständig geht, in einem völlig intransparenten Bewertungscode umgerechnet werden. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Ähnlich intransparente Mechanismen verschleiern die tatsächlichen Defizite und Mängel auch in anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, in denen der Mangel verwaltet wird, weil die Zielgruppe sich nicht ausreichend verteidigen kann.

Die Verteilung der Mittel folgt immer weniger den Bedürfnissen der Betroffenen. Stattdessen tragen die Verwalter der Mittel Sorge, dass sie selbst nicht zu kurz kommen. Qualitätsstandards sind oft das Papier nicht wert, auf denen sie ausgedruckt werden, um dann in einem Ordner im Regal zu verstauben. Mind you, in den Qualitätsstandards tauchen auch keine Festlegungen zum empathischen Verhalten der Mitarbeiter von Careberufen auf. Patientenzufriedenheit ist also Glückssache. Das deutsche Fernsehen zeigt oft singende und tanzende Rentner in hübscher Kleidung, wie sie in von Parks umgebenen Seniorenresidenzen ihren Lebensabend genießen (ggf. auch mal im gelungenen Widerstand gegen eine lebensunfrohe Heimleitung).

Mit der Realität hat das wenig zu tun. Genauso wie die diversen Formate der Privatsender zu Hartz IV-Themen nicht die Wirklichkeit abbilden. Beiden ist eines gemeinsam, sie signalisieren den Nichtbetroffenen, es sei alles so, wie es sein solle. Der Leistungsbezieher ist selbst schuld und kann froh sein, dass der Staat sein Nichtstun alimentiert. Die eigentliche Pflege mit stinkenden Windeln oder Einsamkeit, Verwirrung und Verwahrlosung kommt nicht vor. Neuerdings höre ich, wenn ich völlig unverschämt nach einer halben Stelle für meine ehrenamtliche Sozialberatung frage, das Thema Sozialberatung sei völlig aus der Mode. Migranten sollen sich gefälligst nicht als sozial schwache und bedürftige Menschen inszenieren. Schlimm genug, dass man ihnen nach Stand der Dinge Leistungen zahlen muss. Modethemen seien Antidiskriminierung und Rassismus, Identitätsfragen. Vielleicht noch Empowerment (aber Vorsicht, das klingt nach Aktivisten).

So weit sind wir also schon in der gesellschaftlichen Realitätsverweigerung. Was nach hinschauendem Ermessen nötig ist, darf nicht sein. Es soll auch gar nicht kritisch hinterfragt oder bearbeitet werden. Es ist viel leichter, die Dinge einfach zu ignorieren als z.B. in schwerer täglicher Arbeit Integration, Inklusion und empathische Erziehung und Pflege zu leisten. P. S.: Für das Nichtgendern aus Schreibfaulheit entschuldige ich mich vorab, es möge verziehen werden und soll niemanden diskriminieren. – Kristine Leithold

 

Das relevanteste Gesetz der Menschheit ist – das der Menschlichkeit, das der Menschenwürde. Die gesamtgesellschaftliche Bedeutung der Mitmenschen, die in medizinischen, pflegerischen und sozialen Berufen und Diensten tätig sind, kann also kaum überschätzt werden. Dass die oftmals überaus anspruchsvollen, physisch wie psychisch sehr anstrengenden und nicht selten höchst verantwortungsvollen Aufgaben immer noch nicht mit annähernd angemessener Anerkennung und mit durchweg leistungsgerechten Vergütungen einhergehen, resultiert nicht zuletzt aus der Ignoranz und Illusion einer zunehmend älter- und versorgungsbedürftiger werdenden Gesellschaft.

Gewiss, es ist wunderbar, dass es für diese ganz wesentlichen Berufe ganz besondere Menschen mit ihren außerordentlichen Berufungen und Engagements gibt. Und dass diese Menschen in ihren Traumberufen zu Traummenschen geworden sind, ohne deren verlässliche Unterstützung für Leib und Leben keine Gesellschaft bestehen kann. Gegenüber diesen wahren Leistungsträgern und Helden – abseits der CEO-Offices und rasenbeheizten Spielfelder – sollten wir in der Tat ausgesprochen klar und vernehmlich unsere Wertschätzung zum Ausdruck bringen. Freilich nicht nur am internationalen Tag der Pflege; oder etwa, wenn sich Inzidenzwerte wieder auf einem bedrohlich hohen Level bewegen. – Matthias Bartsch

 

„Eine der schwersten und hartnäckigsten Krankheiten, deren Kur die Philosophie übernimmt, ist die Geschwätzigkeit; denn der Unterricht, als das einzige Mittel dagegen, lässt sich nur bei solchen gebrauchen, die hören; Schwätzer aber hören niemanden an, sondern reden immer. Das Unvermögen zu hören, ist das erste Übel, das dem Unvermögen zu schweigen, entspringt.“ (Putarch von Chäronea, 45-120, griechischer Philosoph, Historiker und Konsul von Griechenland) – Riggi Schwarz

 

Ganz großartiker Artikel von Andreas Heim. Ich habe 16 Jahre in Pflegeeinrichtungen gearbeitet, in leitender Funktion, auch einige Jahre als Einrichtungsleitung und bin mittlerweile seit 11 Jahren im Ruhestand. Habe aber noch einige Jahre in einem Unternehmen mitgearbeitet, welches rumänische Fachkräfte ausgebildet und in ihrem anfänglichen Arbeitsprozess begleitet hat. Meine Aufgabe war, diese Mitarbeiter ein halbes Jahr in den Einrichtungen zu begleiten um rechtzeitig Probleme bearbeiten zu können. Somit hatte ich auch nach meiner Berentung noch Einblick in unterschiedlichste Altenpflegeeinrichtungen.

Herr Heim bringt die Problematik wunderbar auf den Punkt, es ist die Darstellung des Berufes des Altenpflegers in der Öffentlichkeit. Der Stellenwert dieses außerordentlich wichtigen Berufes in unserer immer älter werdenden Gesellschaft spielt so gut wie keine Rolle, daran muss schwerpunktmässig gearbeitet werden und Veränderungen stattfinden, auch von Seiten, oder vor allem, der Politik. Mit negativen Berichten in der Presse werden wir überhäuft, darum war dieser Artikel längst überfällig, danke Herr Heim. – Marianne Auner

 

Vielen Dank für diesen Artikel; ich habe daraufhin mich direkt an Fresenius gewandt als auch auf linkedin gepostet, doch keine Antwort bekommen. Wie hat Fresenius reagiert und wie die Politik? Bleibt ihr dran an diesem Thema und anderen Varianten, die Pandemie zur Subventionierung des eigenen Geschäftes zu nutzen, ohne wirklich Not zu leiden? Danke! – Hanspeter Hollender

 

Vielen Dank an Herrn Heim, der vielen Menschen, die in der Pflege von Senioren Verantwortung tragen, aus der Seele spricht. Er hat mit vielen Vorurteilen, Fehleinschätzungen und fehlerhaften Berichterstattungen, die auch immer wieder in der „Zeit“ vorkamen, aufgeräumt. Ich wünsche mir, dass viele junge Menschen diesen Artikel lesen und den Weg in eine Pflegeausbildung finden. Sie erwarten gutes Geld, Wertschätzung und ein herausfordernder, aber sinnerfüllter, Arbeitsalltag. Und nicht zu unterschätzen: der Arbeitsplatz ist sicher, auch in Pandemiezeiten! – Ralf Kraemer

 


 

 

Leserbriefe zu „Übermütig“ von Bernd Ulrich

 

Das waren zwei kluge Leitartikel von Peter Dausend und Bernd Ulrich, mit denen ich mich gut identifizieren kann. Auch mich beschleicht ein leises Unbehagen, wenn ich an die Wahlfavoriten Grüne / CDU-CSU denke: Auf der einen Seite immer wieder die Rechthaberei und/oder Naivität der „besseren Menschen“, die mich immer wieder beschämen, auf der anderen nach dem Abgang von Angela Merkel nur blasse Köpfe und unscheinbare Leere. Vielleicht komme ich meiner alten Partei SPD, die ich eigentlich schon abgeschrieben hatte, wieder näher. – Günter Erdelkamp

 

Die drei Säulen „Emissionen, Handlungen und Lebengrundlagen“ von Bernd Ulrich wären das perfekte Programm. Was aber, wenn den „Grünen“ die nötige Sachkenntnis von Größenordnungen und Problemen der „Energiewende-Politik“ fehlt oder der Mut, vor ihren Wählern zuzugeben, dass „die praktische Weltrettung“ in der Sache viel schwieriger und teurer ist als bisher weis¬gemacht? Da hilft auch keine Verdreifachung der Windräder oder Photovoltaik-Anlagen bis 2030:

Bei Dunkelheit ab 16:30 Uhr (oder Schneebedeckung, …) im Winterhalbjahr 2030 ist PV-Strom immer weg und wenn zu¬dem auch praktisch Windstille herrscht, bricht das Stromsystem bei einem abendlichen Strombedarf dank E-Mobilität und Wärmepumpen von stundenlang über 95.000 MW zusammen. Seit wann befassen sich „Die Grünen“ mit konkreter Umsetzung einer sachlich schwierigen und teuren Politik? Dank der Wikipedia-Artikel eines in Energiefragen fünftklassigen Kommunalpolitikers der „Grünen“ mit Künstlernamen „ANDOL“ gibt es alle Lösungen schon. Weiter labern ist doch schöner!

Dabei hält das „grüne“ Wuppertal-Institut in seinem Gutachten für FFF vom Oktober 2020 eine Menge an gespeichertem Wasserstoff von 666 Mrd. kWh ≈ 30 Millionen Tonnen H2 für sehr bald nötig. In der Praxis sind wir derzeit noch Lichtjahre (Faktor 1.000) davon entfernt, geschweige dann, dass wir sie „grün“ erzeugen könnten! Ähnlich „kompetent“ traute sich der Berliner Bürgermeister Wowereit zu, den BER in Eigenregie in kurzer Zeit funktionsfähig zu erstellen. Also dann „Tschüss“ mit der Vorbild-Funktion der „deutschen Energiewende“ für die übrige Welt: Ein Ende in Pleiten, Pech und Pannen ist wahrscheinlicher! – Prof. Emeritus Dr. Wolfgang Ströbele

 

Das könnte den Grünen am Wahltag noch Übel aufstoßen. Palmer ist zu einer festen Größe geworden. Das war ein Eigentor. Es wird aber trotzdem für die Grünen reichen, um unseren Staat mitzuregieren. Die neuen Grünen sind klüger geworden. Ich hätte niemals gedacht, daß ich die Grünen in Betracht ziehen würde, sie zu wählen. Bernd Ulrich, der alte Haudegen, schreibt unter anderem: Den Grünen fehlt es hier und da womöglich an revolutionärer Disziplin. Wie das ? – Gunter Knauer

 

Die Grünen, Linken und die CDU ziehen jeweils mit zwei markanten Gesichtern in den Wahlkampf. Wir sollten das auch tun. Lebenserfahrung gepaart mit jugendlicher Unbekümmertheit. Und noch etwas. Keiner der Wahlkämpfer hat Europa deutlich im Auge. Klima allein mit inländische Absichtserklärungen zu plakatieren greift zu kurz. Deutschland alleine hat kaum Chancen, hier Maßgebendes zu bewirken. China dazu zu bewegen, die Versklavung der Uiguren bleiben zu lassen, wird ebenfalls Deutschland alleine nicht erreichen.

Weltklima und Außenpolitik mit Europa zu verknüpfen lässt hingegen aufhorchen. Global denken ist angesagt. China macht uns das vor mit seinem Marsch zur führenden Weltwirtschaftsmacht. Die USA mit dem Erfolg seiner Marsmission. Russland mit der Zurschaustellungen seiner Militärpotenz in der Ukraine und auf dem Roten Platz. Und Europa? Lasst uns zu neuen Ufern aufbrechen. Meine Partei hat die geschichtliche Legitimation, Glaubwürdigkeit dazu. Seid frech, seid angriffslustig! Und lasst euch auch mal einen Witz einfallen! – Wolfgang Giesler

 

Danke möchte ich Ihnen sagen, für Ihren Artikel vom 12.05.21 mit der Überschrift „Übermütig“. Der Übermut, oder auch die Arroganz der Macht, die die „Grünen“ gerade Ihre Mitmenschen spüren lassen, die Ihnen Kritik entgegen bringen, kennt kein Erbarmen. „Es müssen Opfer gebracht werden“, so die Aussage einer „Grünen“ im Dorf Havixbeck bei Münster, zu einem Landbewohner, der 3 x 200 m hohe Windanlagen im Abstand von nur 550 m, um seine Hofstelle bekäme, sollten diese Anlagen, übrigens in einem Landschaftsschutzgebiet, genehmigt werden. Sogar Habeck, als er in Havixbeck war, um seinerzeit für den „Grünen BM Kandidaten“ zu werben, sagte, „ Der dreifache Abstand zur Höhe der Anlagen sollte es schon sein“.

Unser neuer „Grüner BM“, wohnhaft in Münster, also nicht hier im Dorf, sagte zu unseren Schwangeren, die unter dem Minimalabstand der WKA leben müssten, bei der letzten Ratssitzung : „Wenn Sie Probleme bekommen, wenden sie sich doch an den Kreis, der ist zuständig für die Genehmigungen“. Wie scheinheilig ist das denn, wenn er versucht, alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die einer eventuellen Genehmigung im Wege stehen könnten. Die „Grünen“ werden sich an ihrem „Übermut“ verschlucken. Schon jetzt gibt es genügend Beispiele für Ihre Rechthaberei, falsche Radikalität, Identitätspolitik, ihrer moralischen Überheblichkeit und ihrer Scheinheiligkeit. – Gabriele Schleiner

 

Vielen Dank für diese treffenden Worte. Die identitätspolitischen Anteile des grünen Wahl- und Grundsatzprogrammes werden von den Medien mit erstaunlicher Zuückhaltung behandelt: Die Reform des Abstammungsrechts der „Pakt für das Zusammenleben“ den Feminismus, der nun auch ein Anliegen der Männer werden soll (und der schon in der frühen Phase der Grünen zu so bizarren, gegendiskriminierenden Regeln wie dem Frauenstatut führte) den „Gender-Check“ Äquivalente Repräsentation soll „notfalls“ durch Quoten erzwungen werden die sexuelle Identität, deren Primat vor dem biologischen Geschlecht in`s Grundgesetz soll Transsexualität soll keine Krankheit sein, geschlechtsumwandelnde Maßnahmen aber dennoch von den Krankenkassenbezahlt werden.

Das neue Einwanderungsrecht wird starke Reize auch für illegale Immigration setzen („Raus aus der Duldung“). …. Auch abseits der Formulierungen im Wahlprogramm findet sich viel grundsätzlich Fragwürdiges: Die Sprache der Grünen wird immer mehr vom intern verpflichtenden Stern geprägt, der nun auch Eingang in Doppelwörter wie den/die Kanzer*innenkandidat*in findet. Mit dieser kaum umkehrbaren Tendenz (welcher Grüne sollte das zurückschrauben…?) verliert die Bevölkerung eine gemeinsame Sprache. Die große Lebenslüge der Grünen ist schließlich, dass der Abbau von Barrieren zu mehr Vielfalt führt. Das mag für den eigenen Stadtteil gelten.

Aus der Vogelperspektive ist jedoch das genaue Gegenteil der Fall. Nicht nur die globale Artenvielfalt, sondern auch die Diversität kultureller Errungenschaften schwindet mit dem Abbau von Barrieren dahin. Man mag das als unvermeidbar hinnehmen, sollte es aber nicht ignorieren oder gar glorifizieren. Die Identitätspolitik kann in der ideologischen Ausprägung, wie sie sich bei den Grünen findet, zum echten Spaltpilz werden. Die Grünen könnten damit – national und international – die Einheit riskieren, die wir für eine erfolgreiche Bewältigung der erdsystemischen Krisen Artensterben und Erderwärmung brauchen. – Dr. Christian Voll

 

Ich beobachte, dass wer es als PolitikerIn zu etwas bringen möchte, fällt in aller Regel mehr durch Machtgeilheit als Selbstzweck auf als durch konkrete, langfristige politische Inhalte. Leider. Plakatives Beispiel gefällig? Armin Laschet am Abend der letzten Europawahl, bei der die CDU herbe Stimmverluste kassierte: „Aus irgendeinem Grund ist das Klimathema […] plötzlich ein weltweites Thema geworden“. Irgendein Grund, plötzlich – geht’s noch?! Dass CO2-Emission die Atmosphäre erwärmt, ist seit Ende der 1930er wissenschaftlich bewiesen. –

Ist es dagegen nicht toll, wenn eine Partei und ihre PolitikerInnen unwankelmütig für eine konkrete Sache einstehen – und zwar nicht aus kurzfristiger Popularität, sondern aus Überzeugung, dass es wirklich Not tut? So wie die Grünen für Umweltpolitik. Und verspricht eine langfristige Auseinandersetzung mit einem Thema nicht auch mehr Kompetenz in der Sache als wenn man „plötzlich“ dem fahrenden Klimazug hinterherrennt?

Bernd Ulrich schreibt in „Übermütig“ nun, die Grünen hätten „ihren Erfolg von der Erde nur geborgt“. Er verdanke sich der Dringlichkeit des Jahrhundertthemas Ökologie. Das klingt so, als ob die Grünen nur Glück gehabt hätten, auf das richtige Pferd gesetzt zu haben. Offenbar hat Herr Ulrich sich schon daran gewöhnt, dass bisher denen Macht zugesprochen wurde, die am lautesten wankelmütig ihre Fahne in den Wind stellen, und übersieht, dass sich in Wahrheit die einstigen Volksparteien das dringendste Thema des Jahrhunderts nur von den Grünen borgen, während die Grünen einfach für ihre schon immer aktuellen und langfristigen Inhalte einstehen, anstatt bloß Macht durch Themenbingo zu verteidigen.

Außerdem widerspricht sich der Autor gewissermaßen selbst, wenn er etwas despektierlich von einem vermeintlich kurzfristigen Ausborgen schreibt, jedoch gleichzeitig – und das vollkommen zurecht – Klimapolitik zum Jahrhundertthema erklärt. Wenn die Grünen weiterhin ihrer Überzeugung treu bleiben (und eben nicht anfangen, Themenbingo zu spielen), dann dürfte ihr Erfolg genauso nachhaltig sein, wie das Jahrhundertthema lang ist. – Julius Dahms

 

Klimaneutralität soll in Deutschland neuerdings 2045 erreicht werden, d.h. von da an darf nur noch H2-Verbrennung stattfinden, denn dabei entsteht Wasser. Benzin, Holz, Kohle, Erdgas, Diesel etc. dürfen nicht mehr genutzt werden, darin ist Kohlenstoff enthalten, der zu CO2 verbrennt. Die Welt emittierte 2019 36000 Millionen Tonnen CO2, Deutschland 805 Millionen Tonnen, nur 2,5 % der Weltemission. Die Welt wird 2050 voraussichtlich 43000 Millionen Tonnen ausstoßen, also 12 % mehr. Deutschland soll dann 0 Tonnen emittieren. Ich überschlage, wieviel Windräder für die Bereiche Verkehr, private Heizungen, öffentliche Stromversorgung, chemische Industrie und Rohstahlerzeugung nach heutigem Energieverbrauch zusätzlich aufgestellt werden müßten, um das Ziel zu erreichen.

2020 sind in der BRD 31109 Windräder mit einer Gesamtleistung von 63 GW installiert, d.h. im Mittel hat jedes Windrad eine Leistung von 2 MW. Insgesamt erzeugten alle Windräder 131,7 TWh (Terawattstunden= 10^12 Wh= 10^12 *3600 Ws= 3,6*10^14 J; 1 J=1Ws). Daraus errechnet man, dass sich jedes Windrad im Mittel 131,7 TWh/ (63*10^9 MW) = 2090 h mit seiner Nennlast drehte. Das nennt man die Voll-Laststundenzahl. Es gibt Erfahrungswerte seit zwanzig Jahren: Die Voll- Laststundenzahl an Land, onshore, ist etwa 1800 h, offshore sind es 3500 h. An Solarzellen waren 2020 installiert 53,8 GWp, Peakleistung, Spitzenleistung mittags bei klarem Himmel, (1GW= 10^9 W), installiert. Die Solarzellenfläche in der BRD erzeugte 51,6 *10^12 Wh Stromenergie, daraus ergibt sich für die Solarzellen- Voll-Laststunden 959 h, mehr ist auf unserer Breite nicht zu holen; also jede Solarzelle erzeugt in Deutschland die Energie= Produkt von Spitzenleistung kWp * Voll-Laststundenzahl.

2020 wurden 452 Windräder hinzugebaut mit einer Gesamtleistung von 1650 MW, d.h. neue Windräder haben eine Nennlast von ca. 4 MW, die ich für die weitere Rechnung benutze, und ich rechne nur mit 3000 h Voll-Laststunden, weil auch an Land neue Windräder aufgestellt werden. Ein solches Musterwindrad kann also jährlich im Mittel 4 MW*3000h= 12*10^9*3600 Ws= 4,32*10^13 J Stromenergie erzeugen. Entweder wird der Strom direkt verbraucht oder der nicht sofort nachgefragte Anteil wird durch Elektrolyse in H2 gespeichert, woraus bei Bedarf später Strom oder Wärme gemacht werden kann.

Die öffentliche Stromversorgung lag 2020 bei 600 TWh, die Hälfte davon wird schon grün erzeugt, 2045 schätzt man den Verbrauch auf 1000 TWh. Für die öffentliche Stromversorgung benötigt man also, wenn man den Bedarf durch die Energie des Musterwindrades dividiert, 300*10^12*3600 Ws/(4,32*10^13Ws) =25000 Windräder. Bei 1000 TWh, wieder 300 TWh erneuerbarer Strom abgezogen, sind es 58300 Windräder.

Der Autoverkehr schluckte 2019 20000 *10^6 l Diesel, Dichte 0,83 kg/l. Zudem 27000*10^6 l Benzin, Dichte 0,75 kg/l. Der Dieselbrennwert ist 42800 kJ/kg, der Wert für Benzin ist 43700 kJ/l. Diesel und Benzin müssen komplett durch H2 ersetzt werden. Damit ergibt sich eine verbrauchte Dieselenergie von 7,1*10^17 J, für Benzin ergibt sich auf die gleiche Art 8,85*10^17 J. Die Summe beider Anteile teile ich durch die Energie des Musterwindrades 15,95*10^17J/ (4,32*10^13 Ws) = 36921 Windräder. Der private Heizölverbrauch belief sich 2019 auf 458*1015 J, und der Erdgasverbrauch für die Heizung auf 1,03 *10^18 J, die Summe ist 1,488 *10^18 J. Teilt man wieder durch die Energie des Musterwindrades ergeben sich 34400 Windräder.

2020 wurden in der BRD 35*10^6 t Rohstahl erzeugt. Das Fraunhoferinstitut schätzt, dass man statt des Kokses 1900 kWh H2/t Rohstahl benötigt, das sind für Rohstahl 35*10^6*1900 *1000 *3600 Ws=2,4 *10^17 J, oder wie vorher gerechnet 5600 Windräder. Die chemische Industrie hat ihre Roadmap für Klimaneutralität bis 2050 veröffentlicht. Demnach verbrauchte sie 2018 54 TWh an elektrischer Energie. Um klimaneutral zu werden, wird sie ab 2035 jährlich für Strom und Prozeßenergie 628 TWh benötigen, also ca. 570 TWh mehr als bisher. Das wiederum durch die Jahresenergie des Musterwindrades dividiert ergibt 47500 Windräder, welche Strom und H2 für die Chemie bereitstellen.

Somit ergeben sich für Verkehr, öffentliche Stromversorgung, private Heizung, chemische Industrie und Rohstahl rund 149400 zusätzliche Musterwindräder, größtenteils offshore. Bei 1000 TWh öffentlichem Strombedarf im Jahr 2045 benötigt man 174400. Das sind sehr überschlägige Zahlen. Und sie sind mit einem Wirkungsgrad von 100 % für Erzeugung, Transport und Verwendung von H2 abgeschätzt. H2 ist nicht leicht zu handhaben, es ist wird flüssig bei -260 °C, als Gas wird Wasserstoff in Autos mit einem Druck von 700 bar gespeichert. Entsprechend hoch muß der Druck in den Ladestationen überall in der BRD sein. Oder man verbrennt das H2 wieder in Kraftwerken und schickt den Strom zu den Ladesäulen. Ein Wirkungsgrad von insgesamt 50% für die gesamte Wasserstoffindustrie ist nicht unwahrscheinlich, dann kommt man auf die doppelte Anzahl von Windrädern, rund 300000-350000 Windräder à 4 MW offshore. Der Anschaffungspreis von Windkraftanlagen liegt bei etwa 900 Euro pro kW. Das 4 MW-Musterwindrad kostet demnach 3,6 Millionen Euro, 150000 zusätzliche Windräder folglich 540 Milliarden Euro. Die Wasserstoff- Elektrolyseanlagen müssen auch noch bezahlt werden.

Noch einige Überschlagszahlen zur Solarenergie. Die Sonne strahlt am oberen Rand der Atmosphäre 1,4 kW/ m^2 Strahlungsleistung, das ist die Solarkonstante, am Erdboden noch 1 kW/m^2. Solarzellen können davon nur 20%, Wirkungsgrad 0,2, in Strom umwandeln. Für 1 kWp Spitzenleistung am Erdboden benötigt man also 5 m^2 Solarzellen, oder anders herum 5 m^2/ kWp. Alle Sonnenstunden im Jahr aufsummiert entsprechen 1000 h voller Sonne zur Mittagszeit in unseren Breiten. Aus 1 kWp erhält man in hiesigen Breiten 1000h* 1 kWp= 1000 kWh. Die installierte Solarleistung der BRD beträgt 53,8 GWp= 53,8 *10^6* 1000 Wp. Dafür benötigt man etwa die Fläche von 5*53,8*10^6 m^2= 269 (km)^2. – Klaus Maull

 

Ist Jürgen Trittin die Zukunft der Grünen? Hat er wichtige Posten innerhalb der Partei inne? Beides muss aktuell wohl verneint werden. Ist ein Seite-1-Artikel zu seinen Positionen gerechtfertigt? Das relativiert Bernd Ulrich selbst, um dann aber direkt in der Nische weiterzumachen: „Einige bei den Grünen …“ spezifiziert er mit „hinteren Listenplätzen“ und „Twitter-Bubbles“. Relevanz? Geht so … Was ich mir für Seite 1 wünsche: keine Klein-klein-Meckerei, sondern ein Thema, das Horizonte öffnet. – Thomas Mechelke

 

Den derzeitigen Erfolg der GRÜNEN als „von der Erde nur geborgt“ zu charakterisieren, empfinde ich als Häme – gerade der Verweis auf die Verantwortung zu Nachhaltigkeit im Umgang mit diesem Planeten kam von dieser Partei seit ihrem Bestehen und wurde von den anderen erst später und auch aufgrund des zunehmenden politischen Drucks z.T. und vermehrt ins politische Programm mit eingegliedert. Die Tatsache, dass der Handlungsbedarf in Umweltfragen immer dringlicher und offensichtlicher wird, ist leider dem extrem besorgniserregenden Zustand genau dieses Planeten zuzuschreiben und nicht herbeigeholtes Instrument für Parteipolitik.

Und dies sollte in der Tat im Fokus bleiben, denn für eine potenzielle Regierungsbildung werden die Koalitionsverhandlungen knallhart werden, und es wird massiver pädagogischer Begleitung bedürfen für die notwendigen Maßnahmen, die selbst für GRÜNEN-Wähler und sogar -Mitglieder nicht unbedingt als angenehm empfunden werden könnten. Verkürzungen und mangelnde Differenzieung sind dem Platzmangel geschuldet. Leider wähle ich im Nachbarland – in der Bundesrepublik wäre der Wahlgang für mich weit weniger problematisch. – Barbara Duc Goninaz

 

Jede Partei hat ihren Grund, und jede Partei hat ihren Abgrund. Sie haben die Trennlinie für die Grünen sehr präzise, wortgewaltig und unterhaltsam beschrieben. Ich habe die Aussicht über die Klippe sehr genossen und hoffe aus Gründen, dass sie sich nicht allzu zahlreich herunter stürzen. – Heiner Gröschner

 

SEHR GEEHRTE HERREN DAUSEND UND ULRICH, NUR SCHON FÜR IHRE BEIDEN KOMMENTARE LOHNT SICH DAS JAHRESABO. – PETER BLASER

 


 

 

Leserbriefe zu „Weniger Ärzte, hohe Gewinne“ von Götz Hamann und Karsten Polke-Majewski

 

In Deutschland gibt es Krankenhäuser in kirchlicher, öffentlicher und privater Hand. Die Patienten und das Personal haben die freie Wahl in welchem Krankenhaus sie behandelt bzw. angestellt werden wollen. Wenn nun ein privater Krankenhausbetreiber effizient und erfolgreich arbeitet und dabei Gewinn macht ist das absolut in Ordnung und verdient keine Polemik. Wer aus ideologischen Gründen nur staatliche Krankenhäuser möchte, sollte sich mal im National Health Service im Vereinigten Königreich umsehen. Persönlich war ich fast vier Jahre in London beschäftigt und kann nur sagen, viel Glück. – Ernst Lothar Helwig

 

Der Mangel an Personal bei den Helios Kliniken hat mich Anfang 2020 als Patient in der Notaufnahme fast das Leben gekostet. Ich wurde von meinem Hausarzt mit dem Verdacht auf eine Lungenembolie zur Notfallambulanz der Heliosklinik in Siegburg geschickt. Dort musste ich trotzdem ich eine Notfalleinweisung des Hausarztes vorweisen konnte 5h ! warten bis ich einen Arzt zu Gesicht bekam, der schliesslich eine akute Lungenembolie feststellte und eine stationäre Aufnahme veranlasste. Aufgrund dieser Erfahrung kann ich nur dringend davon Abraten in einer Notsituation eine Helios Klinik aufzusuchen.

Wichtig ist mir in diesem Zusammengang, daß der Arzt trotz erkennbarer Überlastung und Stress sehr freundlich und professionell handelte und sich sogar für die lange Wartezeit, für die er selbst nichts konnte entschuldigt hat. Es ist skandalös, was den Patienten und dem Personal vom gierigen Helios Management zugemutet wird. Die anschliessende Behandlung auf der Privatstation war allerdings professionell, freundlich und medizinisch einwandfrei.

Sämtliche Ärzte und Krankenschwestern waren trotz erkennbarer Überlastung immer freundlich und nahmen sich die notwendige Zeit ( eine Ärztin kam sogar noch als sie eigentlich schon ausser Dienst auf dem Heimweg war in mein Zimmer um mir einige Dinge zu erklären ). Die eigentlich untragbare Situation wird also durch überdurchschnittliches Engagement des Personals aufgefangen. Auf meine Beschwerde per mail beim Management der Klinik bezüglich der chaotischen Situation in der Notaufnahme, bekam ich nur eine nichtssagende Antwort die offenbar den einzigen Zweck der juristischen Absicherung hatte. – Harald Schmidt

 

Wer hat begonnen mit der Privatisierung des Gesundheitswesens? Die Entwicklung in den letzten Jahren in den Krankenhäusern, Altenheimen, Tagespflegestätten ist besorgniserregend! Man kann nur auf eine neue Regierung hoffen, die dieses Kapitel – und dazu noch die riesenhaft gewachsenen privaten Wohnungsgesellschaften und weiterer Interessenten um unser aller Gemeinwesen zu privatisieren – gründlich überarbeitet und dann auch das Gemeinwohl mehr ins Auge faßt.

Die gesamte Demokratie kann an den Turbo-Kapitalisten zugrunde gehen. Der Anfang wäre wohl gemacht mit einem Lobby-Register aller in der höheren Politik Tätigen, die mit ihrer täglichen Arbeit in ständigem Konflikt stehen, wenn sie auf der einen Seite bei Amtsantritt auf Gesetzestreue schwören um alsdann ihre privaten Interessen stets in den Vordergrund zu stellen. Ich habe keine Hoffnung, dass diese Amtsträger den Ast, auf dem sie sitzen, auch nur beschneiden, wenn schon nicht ganz abzusägen bereit sind. – Ingrid Schröter

 

Sie beleuchten die Geschäftspraxis des Helios Konzerns und bezeichnen diese, richtigerweise, als „Skandal“. Ich sehe den Skandal jedoch gar nicht so sehr darin, dass von Helios in 2020 die Freihaltepauschale womöglich über Gebühr genutzt wurde. Klar, hier geht es um Milliarden und Fehler wurden gemacht. Corona ist aber eine Ausnahmesituation, vieles musste kurzfristig und ohne ausführliche Abwägung entschieden werden. Womöglich wurden durch die freigehaltenen Betten auch Menschenleben gerettet.

Der Skandal ist in meinen Augen vielmehr, dass das oberste Ziel von Helios/Fresenius die maximale Rendite ist. Dieses Ziel ist keine Ausnahmesituation sondern hat seit vielen Jahren System. Bei Ihren Beispielen aus den Münchner und Leipziger Kliniken musste ich sofort an einen beinahe identischen Fall in 2019 denken. An der Helios Mariahilf Klinik in Harburg kündigte, mit einem offenen Brief, beinahe die komplette medizinische Führung der Geburtshilfe. Auch in ZEIT Online wurde berichtet, siehe Anhang.

Ich selbst arbeite im mittleren Management in der Finanzbranche. Nach allem was ich weiß und was die Berichte aus München, Leipzig und Harburg sagen, ist Helios kein guter Arbeitgeber. Das ist das eine. Helios ist aber auch kein gutes Investment: Zuerst werden, durch die Überlastung, Fehler gemacht. Dann geht die Mitarbeitermotivation in den Keller. Die Spitzenkräfte verlassen den Konzern. Das Image wird schlecht. Immer weniger Patienten kommen. Die Konzernspitze scheint die wahren Verhältnisse in ihren Kliniken aus dem Blick verloren zu haben. Oder geht die Strategie am Ende doch auf? Würde Vater Staat den Marktführer mit vielen Milliarden retten, weil sonst das Gesundheitssystem zusammenbrechen würde?

Natürlich muss die Verwendung der (öffentlichen) Mittel im Gesundheitsbereich nicht zuletzt unter wirtschaftlichen Abwägungen erfolgen. Aber: Dieses Rendite-Ziel schafft völlig falsche Anreize. Wenn die Deutsche Bank durch ihr Ziel „25% Rendite“ in massive Schräglage gerät wankt das Finanzsystem. Wenn ein Krankenhaus durch sein übersteigertes Renditeziel die medizinische Versorgung nicht mehr in notwendiger Qualität leisten kann sterben Menschen.

Wer möchte in einem Krankhaus behandelt werden, für das es „unmöglich“ ist, eine „essenzielle Diagnostik“ zu erhalten und in dem sich „Fehler häufen“? Jetzt ist noch Corona. Danach hat das Gesundheitsministerium aber ein vielleicht noch dickeres Brett zu bohren: Die Finanzierung und Steuerung des deutschen Gesundheitssystems grundsätzlich neu auszurichten. – Mathis Manz

 

Vielen Dank für den sehr informativen Artikel. Mehr oder weniger verhält sich der Krankenhauskonzern ja wie man es von einer Firma im Kapitalismus erwartet. Deshalb wäre der Hinweis interessant gewesen, wer denn gleich nochmal für die Privatisierung des Gesundheitssystem verantwortlich war, gerade jetzt im Jahr der Bundestagswahl. – Frank Hrebabetzky

 

Mit großem Interesse habe ich ihren Artikel in der aktuellen ZEIT gelesen. Es ist seit Jahren bekannt, wie Helios agiert. Neu ist daran nichts…Ändern wird sich an der Situation auch nichts. Diese Helios-Strategie finden Sie aber nicht nur bei Helios, sondern bei allen Krankenhausträgern in unterschiedlicher Ausprägung. Dass Sie Herrn Busse als Kronzeugen auftreten lassen für Krankenhausschließungen ist erstaunlich. Herr Busse arbeitet mit Annahmen. Er behauptet, dass nach der Pandemie weniger Patienten in die Krankenhäuser kommen werden, und deshalb müssen natürlich Krankenhäuser geschlossen werden. Obwohl ich sicher kein Superforecaster bin – Ich halte dagegen und arbeite auch mit einer Annahme: Die Pandemie-Lage entspannt sich (Impfungen!), alle stehen in den Startlöchern, um sich wieder in das Leben zu „stürzen“ (Urlaub!), dann werden tatsächlich noch mehr Patienten in die Krankenhäuser kommen als vor der Pandemie. Lassen wir uns überraschen. – Prof. Dr. Dr. Ernst Hanisch

 

Idealerweise kündigen die verbliebenen Ärztinnen und Ärzte bei Helios und wechseln in andere Kliniken. Keine Ärzte, keine Gewinne. – Peter Kirsch

 

Alles klar der Aktienkurs geht vor Gesundheit, und der „Staat“ unterstützt diese Helios-Kliniken mit Leib und Seele, was will man mehr. Kunst und Kultur liegen am Boden, vielleicht auch schon im dunklen Keller am Kellerboden, ausichtslose Lage, aber ohne „KuK“ gehts auch! Unser Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ist jederfalls der große Erfinder von Dingen, wie diesen längst erfundenen Seifenblasen, die immer noch einfach zerplatzen, und irendwie verpuffen, als hätte es sie nie gegeben. Aber unser Bundes-Jens wird sich sicherlich köstlich daran erfreuen, der alte Lausebengel! Naja, im September 2021 da kommt dann die Quittung für uns alle. Wer aber diese Quittung erhält, das mag ich mir jetzt im Augenblick lieber nicht vorstellen müssen! – Klaus P. Jaworek

 

Vielen Dank, dass Sie sich dem Thema Helios Kliniken und deren Streben nach Profitmaximierung angenommen haben. Obwohl ich selber nicht als Ärztin bei Helios gearbeitet habe, ist es doch in der Ärzteschaft allseits durch Erzählungen von Kollegen und Freunden bekannt, dass Helios Gewinne auf Kosten der (psychischen) Gesundheit seiner Mitarbeiter und auf Kosten der Patientensicherheit erwirtschaftet. Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie diese unhaltbaren Zustände einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen. – Dr. med. Nora Kalckhoff

 

Sichere Energie, sauberes Wasser, Gesundheitsvorsorge – das sind unveräußerliche Bürgerrechte und damit Aufgaben des Staates; sie zu privatisieren, birgt Risiken. Die Profitabilität ihrer Kliniken steht nach Aussage des Fresenius-Chefs im Vordergrund – nicht etwa das Wohl der Patienten oder der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter! Es ist unerträglich, dass sich private Klinikbetreiber in der Coronakrise bereichern – auf Kosten der Pflegekräfte, der Ärztinnen und Ärzte und der öffentlichen Hand . Wie kann es sein, dass die von Arbeitgebern und Arbeitnehmern aufgebrachten und hart erarbeiteten Krankenkassenbeiträge in die Taschen der Aktionäre wandern?

Sie gehören der Solidargemeinschaft der Versicherten und nicht stillen Teilhabern! Rekordgewinne in Millionenhöhe zu erwirtschaften geht nur auf Kosten der Beschäftigten und deren Ausbeutung: Stellen werden gestrichen, nicht wiederbesetzt, der Arbeitsdruck wächst. Hinzu kommt aber auch eine „Rosinenpickerei“: Nicht wirtschaftlich arbeitende Abteilungen – meist handelt es sich um Kinderkliniken – werden geschlossen oder garnicht erst geschaffen. – diese gehen dann zu Lasten kommunaler Träger sprich zu Lasten der Steuerzahler. Es ist an der Zeit und Aufgabe der Politik, diese unerträglichen Verhältnisse zu ändern. – Dr. med. Dieter Weber-Klukkert

 


 

 

Leserbriefe zu „»Wir verbieten doch nichts«“ von Hannah Knuth

 

Ich möchte die „Macherinnen von Deutschlands bekanntestem Wörterbuch“ in Ihrer entspannten Einstellung nur unterstützen. Als Traditionalist (74) aktualisiere ich ständig und seit Jahrzehnten „meinen“ Duden und schmeiße die überholte Fassung dann in den Papierkorb. Trotz dieser scheinbar innigen Liebesbeziehung stelle ich jedes Mal fest, wie groß meine Geringschätzung für ihn ist. Ich kann mich kaum erinnern, ihn jemals benutzt zu haben, geschweige von ihm beeinflusst worden zu sein. Mein Hang zur eigensinnigen Verwendung der deutschen Sprache bleibt von jeglichem Einmischungsversuch unberührt. Empfehle Gleiches. – Jürgen Dressler

 

„Der Duden spiegelt nur den Sprachgebrauch“ eines von ihm erfaßten Feldes: „aus Zeitungstexten…Romanen, Reden, Gebrauchsanleitungen“. Dieses Teilfeld wird verdeckt geschmälert durch Vorgaben von Redaktionen, Lektoren, Frauenbeauftragten. Der methodische Mangel berechtigt ihn nicht zu Verallgemeinern. Mit dem Wechsel von der allgeschlechtlichen Sprache zur paarigen, betreibt der Netz-Duden Änderung statt Beschreibung. „Der Eindruck, Mieterinnen seien nicht gleichwertig“, entsteht, wenn man mittels angeblichem ‚gendern‘ die Hälfte der Leute aus der allgeschlechtlichen Figur Mieter wegen ihres Leibes entfernt; weil man ‚gender’widrig gesellschaftliche Stellung und eigene Beschaffenheit vermengt. Wörtliches und leibliches Geschlecht ebenso. Die geschlechtsbetonte Redeweise leitet unversehens das Geschlecht, das sie fördern soll, von der gleich lautenden Teilmenge einer Gattung ab, der eigene Endung fehlt.

Geschlechterübergreifend wirkt „das generische Maskulinum“ in gleicher Weise wie das Neutrum und das Femininum, wenngleich häufiger. Ob DIE Fachkraft, Person, Waise: DER Mensch bleibt stets DAS Kind seiner Eltern; ohne Geschlechtswandel. „Wir geben Orientierung“: Beim Duden sollte man wissen, daß die Verhältnisse und die Sicht darauf zur Wortdeutung führen. Sprachregelungen gehen an Denkweisen vorbei. Die Gedanken sind frei. – Ulrich J.Heinz

 

Endlich lerne ich die Personen kennen, die über unsere Sprache bestimmen. Das richtige Schreiben und die Deutsche Sprache überhaupt ist unter die Räder gekommen. Die „Zeit“ nimmt das Thema auf, was eigentlich überfällig war. „Rettet unsere Sprache“ müsste es heißen. Der Rat der deutschen Rechtschreibung ist gefordert, den Quatsch der heutigen Generation wieder auf ordentliche Beine zu stellen. – Gunter Knauer

 

Natürlich verbieten „die Macherinnen von Deutschlands bekanntestem Wörterbuch“ nichts. Je mehr ich aber über die „Genderisierung“ der Schriftsprache und des Sprechens nachdenke, ich komme immer zu demselben Ergebnis: Das haut nicht hin. Das im Artikel angeführte Beispiel Mieter/Mieterin zeigt das nur zu deutlich. Selbstverständlich ist „der Mieter“ eine männliche und „die Mieterin“ eine weibliche Person. Aber eben nicht nur. Denn etwas unter den Tisch, nämlich dass „der Mieter“ außerdem eine Person im abstrakten Sinne, also ein Allgemeinbegriff sein kann, der außer dem Merkmal des Mietens keine weitere Konkretion aufweist. Die Damen mögen zwar nichts verbieten, aber sie unterschlagen die allgemeinbegriffliche Bedeutung von Nomina. Auch die Katze ist nicht nur ein weibliches Tier, das miaut, sondern eben auch „nur“ ein miauendes Tier.

Ich habe nicht den Eindruck, dass die Sprachgemeinschaft auch unter der grassierenden pater- und maternalistischer Führung derzeit in großer Zahl dazu überzugehen gedenkt, den Allgmeinbegriff auf dem Genderaltar zu opfern. Nach des Tages Müh und Last will man sich eben doch einfach nur unterhalten, und zwar ohne zwanghaftes Bemühen, jede Silbe erst einmal auf die binäre m/w-Goldwaage zu legen. Unsere Nomina werden nun einmal in drei Kategorien unterteilt. Dass die nun männlich, weiblich, sächlich heißen, hat mit zu behebenden gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten nichts zu tun. Vielleicht sollte man sie einfach nur nummerieren, dann würde vielleicht auch – Vorsicht Allgemeinbegriff – dem Letzten klar, dass die Sprache keine Schuld trifft. – Bernhard Huber

 

Sie fragen beschönigend: „Wie hütet man eine Sprache, wenn immer alle mitreden wollen?“ Es geht hier nicht um irgend-eine Sprache, sondern um das hohe Gut unserer Muttersprache (Martin Heidegger: „In ihrer Behausung wohnt der Mensch“). Und es wollen nicht alle mitreden, sondern – vermeiden, meines Erachtens zu Recht, dass drei Germanistinnen in eigener Machtvollkommenheit daran herumschrauben. (Zitat: „Vergangenes Jahr entschieden (sic!) Kathrin Kunkel-Razum, Laura Neuhaus, Ilka Peschek und ihr Team, dass sie 12.000 Berufs- und Personenbezeichnungen im Online-Duden überarbeiten.“). Autoritäre Eigenmächtigkeit widerspricht dem demokratischen Prinzip Sprache resp. dem des „…Duden …als oberste(r) Instanz“. – Dr. agr. Gernot Henseler

 

Der Artikel hat mich doch ein bisschen verwundert. Bisher dachte ich immer, dass ich mich auf den Duden zumindest in Bezug auf Rechtschreibung und Grammatik verlassen kann. Aber wenn die sich einfach der Mehrheit beugen, auch wenn diese falsch liegt, so ist es ja kein Wunder, dass die Leute immer dümmer werden. – Angelika Adler

 

Wenn ich morgens meiner noch verschlafenen Familie verkünde: „Ich gehe zum Bäcker“ dann wissen alle Anwesenden, dass ich in der Filiale unseres ortsansässigen Bäckereiunternehmens eine Bäckereifachangestellte antreffen werde und keinen „Bäcker“. Und die Verkäuferin ist auch keine Backende, weil die Backenden in der Zentrale mit den anderen angestellten Frauen und Männern tätig sind. Das Bewusstsein verändert die Sprache. So wurde „gefälligst“ früher als höfliche Bitte gemeint, heute als harsche Aufforderung. Schwul war ehemals ein Schimpfwort und ist heute die selbstverständliche Bezeichnung für männliche Homosexuelle. Aber verändert auch die Sprache das Bewusstsein? Die DDR-Führung ließ einen „antifaschistischen Schutzwall“ errichten.

Trotzdem war allen Bürgern der DDR klar, dass diese Mauer nicht die Faschisten draußen, sondern die eigenen Bürger drinnen halten sollte. Vom „Zerknalltopftreibling“ will ich gar nicht erst anfangen. Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen nannte man früher „Krüppel“, heute spricht man von Menschen mit Erwerbs- oder Teilhabeminderung. Trotzdem finden sie seltener einen Job, solange viele Arbeitgeber die hohen Hürden des Kündigungsschutzes fürchten. Es ist ein hehres Ziel endlich Geschlechtergerechtigkeit herzustellen. Aber ob es wirklich mehr weibliche Hauptverwaltungsbeamte geben wird, wenn sie die Berufsbezeichnung Bürger:Innenmeister:innen tragen werden? Ich fürchte: nein. – Kay ten Doornkaat Koolman

 

Wie grenzenlos unbedarft kann man eigentlich sein zu meinen, dass die Aufnahme einer Marke in den „Duden“ eine „Auszeichnung“ sei und der Markeninhaber/inhabende sich gefälligst zu freuen habe. Als Duden-„Macherinnen“ sollten Frau Kunkel-Razum und Frau Ilka Peschek die simpelsten rechtlichen Voraussetzungen für das „Machen“ eines Wörterbuches vertraut sein, und Ihnen, Frau Knuth, hätte es gut zu Gesicht zustanden, sich darüber zu informieren. Eine Marke ist eben eine Marke, ein Wörterbuch ein Wörterbuch und ein ausklappbarer Regenschirm ein ausklappbarer Regenschirm. Der „Duden“ selbst hat sich eine Reihe von Marken eintragen lassen, so dass die einschlägigen Bestimmungen im Hause Duden bekannt sein sollten.

Sie lauten: „Erweckt die Wiedergabe einer eingetragenen Marke in einem Wörterbuch, einem Lexikon oder einem ähnlichen Nachschlagewerk den Eindruck, daß es sich bei der Marke um eine Gattungsbezeichnung für die Waren oder Dienstleistungen handelt, für die die Marke eingetragen ist, kann der Inhaber der Marke vom Verleger des Werkes verlangen, daß der Wiedergabe der Marke ein Hinweis beigefügt wird, daß es sich um eine eingetragene Marke handelt.“ (§ 16 MarkenG) Die Unionsmarkenverordnung regelt die Eintragung analog. Die Vorschriften ermöglicht den Markeninhabenden, Einfluss auf die Wiedergabe ihrer Marken in Wörterbüchern und vergleichbaren Nachschlagewerken zu nehmen, sofern die Bezugnahme auf die Marke den Eindruck einer Gattungsbezeichnung für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen erweckt.

Tut sie das nämlich, können die MarkeninhaberInnen oder -Innehabenden ihre Marken im Extremfall vergessen. Denn es kann einen Verfallsgrund darstellen, wenn sich die Bezeichnung zur bloßen Gattungsbezeichnung entwickelt. Aus gutem Grunde wehrt sich Google gegen das „googeln“… Hingegen kann nicht verlangt werden, dass im Nachschlagewerk der Bezug auf die Marke insgesamt unterbleibt. So zu tun, als seien Markeninhabende die dunkle Seite der Macht, die allein die Definitionshoheit in Wörterbüchern begehren, ist dumm bis böswillig. – Marlies Weidenfeller

 

Vielen Dank für den sachlichen Artikel. Er ruft nach einer Fortsetzung. Z.B. könnten Sie über den tatsächlich weitgehend unbekannten Rat für Deutsche Rechtschreibung berichten, der eigentlich unschwer als eine Art „graue Eminenz“ im Hintergrund zu erkennen ist. Von wem wird er beauftragt, wem ist er rechenschaftspflichtig, welchen Stellenwert haben seine Regeln, sind diese anfechtbar, und wenn ja, in welcher Art und Weise?

Zudem wird in ihren Ausführungen ein Schwachpunkt des Duden offensichtlich. Wieviele Autoren haben die 5,9 Milliarden Wörter in der Datenbank hinein befördert? Sind diese 5,9 Milliarden Wörter tatsächlich repräsentativ für den allgemeinen Sprachgebrauch? Aus dem Bauch heraus würde ich vermuten, dass in Zeiten und Copy/Paste und immer undurchsichtigeren Medien-Netzwerken immer weniger einzelne, voneinander unabhängige Personen für diese 5,9 Milliarden Wörter verantwortlich sind. Es mögen immer noch sehr viele Autoren sein, ob sie wirklich die „Gesellschaft“ repräsentieren, wage ich allerdings zu bezweifeln. Wer hat also die Macht über die Wörter?

Kann man Wörter gezielt in die Datenbank „einschleusen“? Wenn z.B. ein einzelner Akteur es schaffen würde, ein von ihm gewünschtes Wort auf unterschiedlichen Kanälen 46-mal in dieser gigantischen Datenbank unterzubringen, hätte er dann die Macht, als Einzelperson neue Wörter zu prägen? Findet die gesprochene Alltags-Sprache in der Datenbank ausreichend Beachtung? Wörter sind eine sehr wichtige Komponente im Streit um Ideen und Macht. Es ist wichtig, die Mechanismen zu kennen, die den Wörtern zu einer Anerkennung im Duden verhelfen. Viele Akteure berufen sich in gelegentlich aggressiv anmutender Weise auf den Duden.

Eine zentrale Frage der Lingustik, die m.E. deutlich zu kurz kommt, ist, welche Akteure in einer neuartigen, durchdigitalisierten und vernetzten Medienlandschaft Sprache produzieren und gestalten. Über einen Artikel, der das Zustandekommen der Duden-Datenbank näher beleuchtet, würde ich mich sehr freuen. Und zur Ehrlichkeit gehört nicht zuletzt: Im online-Duden wurde nicht nur dem Wort „Mieterin“ ein eigener Eintrag gegönnt, weil der Platz dafür – im Gegensatz zur gedruckten Version – problemlos zur Verfügung stand. Diese simple „Entschuldigung“ geht am eigentlichen Streitpunkt vorbei und entspricht eher einem Alibi.

Denn dem „Mieter“ wurde wie beiläufig auch seine kategoriale Bedeutung genommen, er wurde auf die männliche Version einer vormals geschlechterübergreifenden Kategorie reduziert. Für diese geschlechterübergreifende Kategorie finde ich im neuen online-Duden kein Wort mehr. Können Sie mir eins sagen? Insofern wurde das generische Maskulinum tatsächlich gestrichen, obwohl es in der Alltagssprache überall gang und gäbe ist. Der Duden weicht hier von seinem Prinzip ab, Sprache widerzugeben, sondern greift lenkend in die öffentliche Diskussion ein. Die offiziellen Ausflüchte des Dudens sollte sich die ZEIT als anerkanntes Leitmedium nicht kritiklos zu eigen machen. – Dr. Christian Voll

 


 

 

Leserbriefe zu „Die Freiheit zu sterben“ von Heinrich Wefing et al.

 

Die Freiheit zu Sterben? Kein Problem in der Schweiz oder Holland und Belgien.Aber nur für Ansässige.Eben,Eidgenosse oder Beneluxer sollte man sein. – Hans-Emil Schuster

 

Es ist schon erstaunlich, dass eine Zeitung, die ja bisher als Flaggschiff des Liberalismus in Deutschland gilt, einen derart unkritischen und wenig recherchierten Artikel zu dem liberalen Urteil des BVG in Sachen Suizidfreiheit bringt. Da wird die selbstbestimmungsfeindliche Haltung der reaktionären Kräfte im Bundestag nachgebetet. Mit den Vertretern der seriösen Kreise, die sich für Freitodhilfe engagieren, hat offensichtlich niemand eingehend gesprochen. Wieder wird mehr oder minder deutlich der Verdacht erzeugt, es gehe diesen Kreisen um kommerzielle Interessen.

Genau dem könnte ein Gesetz dadurch begegnen, dass es entsprechend dem Schweizer Modell, nach dem die Schweizer Freitodhilfevereine (immerhin bei 8 Mio. Einwohnern ca.160 000 Mitglieder) sich strikt ausrichten, streng verboten und auch vom Staat strafbewehrt kontrolliert ist, aus einer Suizidbeihilfe in irgend einer Weise kommerziellen Gewinn zu erzielen. Und das zudem, wie hierzulande üblich, verlangt und kontrolliert, dass eine Suizidhilfe, übrigens immer mit ärztlicher Übewachung, nach den strengen Regeln gehandhabt wird, welche das Schweizerische Bundesgericht festgelegt hat:

Eigenverantwortung, Urteilsfähigkeit des Sterbewilligen, lang anhaltender Sterbewunsch. Jede einzelne Freitodhilfe (pro Jahr ca. 1200) wird post mortem polizeilich überprüft und bei Nichteinhaltung der Bestimmungen strafrechtlich sanktioniert. Ein so ausgerichtetetes Gesetz wäre auch in Deutschland zu wünschen. Darüber sollte vielleicht einmal in der ZEIT berichtet werden, natürlich kontrovers, aber dann mit Blick auf beide Seiten. Und ein entsprechend liberaler Kommentar würde zur vielgepriesenen Liberalität der ZEIT durchaus passen. – WALTER FESENBECKH

 

Suizidprävention und Palliativversorgung wurden in den letzten Jahren erheblich ausgebaut. Das ist richtig und wichtig. Doch ist es eben deshalb immer weniger erforderlich, das Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben so einzuschränken, wie das Teile der politischen Klasse in verfassungswidriger und neopaternalistischer Weise offenbar vorhaben. Denn der freiheitliche Staat hat auch einen Schutz- und Gewährleistungsauftrag gegenüber den Sterbewilligen.

Er darf die Freiheitsbotschaft des Bundesverfassungsgerichts nicht ignorieren und ist deshalb verpflichtet, Regelungen und Strukturen zu schaffen, die es ermöglichen, das Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben ohne große faktische und rechtliche Hindernisse auszuüben. Dies bedeutet zunächst und vor allem, dass die restriktiven Vorschriften des Betäubungsmittelrechts liberalisiert werden müssen. – Prof. Dr. iur. Ulrich M. Gassner

 

Mir als jemand, der von Alter und Konstitution dem Thema nahe ist und der sich ernsthaft mit der Materie befasst, zeigt sich der Beitrag ist von bedauerlicher Einseitigkeit. Schon im Einstieg heißt es, in Deutschland gebe es seit dem einschlägigen BVerfG-Urteil „immer mehr“ Hilfe beim Suizid. Tatsächlich waren vorher und sind heute auf dem Gebiet gerade einmal zwei Gruppierungen aktiv, die unter das Rubrum „geschäftsmäßig“ fallen. Dass es nun „mehr“ konkrete Hilfe gibt ist logisch, zuvor gab es legal hierzulande keine, war diese Form der Hilfe doch verboten.

Und wenn es heißt, „viele“ Abgeordnete hätten das BVerfG-Urteil als Affront empfunden – was meint denn viele – zehn, hundert, fünfhundert? Dann wird behauptet, die Befürchtungen des erklärten Sterbehilfegegners Hermann Gröhe hätten sich als berechtigt erwiesen, es werde jetzt mehr assistiert gestorben. Und: Die Sterbehilfeorganisationen berichteten über steigende Fallzahlen. Eine nannte keine Zahl, die andere eine ohne Bezug auf frühere Zeiträume. Aber klar, wenn es vorher verboten war, ist jeder einzelne Fall eine Steigerung. Über eine künftige Entwicklung lässt sich allerdings nur spekulieren. Korrekt ist allerdings, dass bei einer Organisation die Zahl der Mitglieder wächst. Dies kann nicht verwundern, wenn man bedenkt, dass die Vereine über mehrere Jahre in ihren Aktivitäten eingeschränkt, bzw. gar nicht aktiv waren.

Bezeichnend ist weiterhin auch, wenn über die Grünen-Fraktionsvizin Kirsten Kappert-Gonther berichtet wird, diese habe einen Fall von Patiententötung durch einen Pfleger erlebt und daraus den Begriff „tödliches Mitleid“ abgeleitet. Was hat eine derartige Straftat mit dem in Rede stehenden begleiteten Suizid zu tun? Und, so wird Kappert weiter zitiert, es sei beängstigend, dass jetzt Sterbehilfe Vereine „durch die Heime ziehen“ und statt Hilfe zum Leben Hilfe zum Sterben anbieten. Was für eine, durch nichts belegte, Unterstellung findet hier Raum.

Der Beitrag schließt mit einem Verweis auf die mögliche schwarz-grüne Koalition nach der Bundestagswahl, für die eine Neuregelung ein interessantes Vorhaben sein könne: zum Schutz der Schwächsten gegen ein Übermaß an Kommerzialisierung. Kommerzialisierung? Vielleicht hätten die Autorin und Autoren ja auch einmal mit Menschen sprechen können, die Sterbehilfe n Anspruch nehmen möchten, Ihre Beweggründe, ihre Ängste, ihre Möglichkeiten. Und sich darüber informieren, wie die Sterbehilfsorganisationen in der Praxis vorgehen. Das ist nach meinem konkreten Wissen nicht mal so eben, und morgen bist du unter der Erde. Dabei geht es hier um ein besonders heikles und sensibles Thema – was diesem empathiebefreiten Beitrag wirklich nicht anzumerken ist. – Jochen Krahn

 

Ich verstehe die Diskussion nicht. Hat der Fahrplan der Deutschen Bundesbahn keine rechtliche Grundlage? Und ermöglicht die Freiheit zu sterben? In der Regel haben Ärzte danach doch keine lösbare Aufgabe mehr. Und die Bundestagsabgeordneten hätten vorher den Menschen Hilfe erlauben müssen. – Reinhard Kniepkamp

 

Der von den Redakteuren/innen gewählte Untertitel ist leider etwas missverständlich formuliert. Es braucht kein Gesetz, um sterbewilligen Menschen dabei zu helfen, ihren Wunsch, würdevoll aus dem Leben zu scheiden, umzusetzen. Es braucht nicht die Gnade selbsternannter Lebensschützer aus der Politik, dass man sein Leben beenden darf. Nichts anderes hat das Bundesverfassungsgericht gesagt. Schon heute ist es den Menschen „erlaubt“, sich vor einen Zug zu werfen oder sich die Pulsadern aufzuschneiden. Das tun schon jetzt tausende jedes Jahr ohne dass sie dafür eine Organisation brauchen.

Die selbsternannten Lebensschützer aus der CDU müssen sich aber fragen lassen, warum sie sich bis heute einem generellen Werbeverbot für Tabakwaren oder einem Tempolimit auf unseren Straßen konsequent verweigern und so tausende Todesopfer in Kauf nehmen. In Kauf nehmen kann man wörtlich nehmen, weil es hier ja um die Profite von mächtigen Industriezweigen geht. Da kann man dann beim Schutz des Lebens schon mal ein Auge zudrücken. Nicht so bei Menschen, für die ein Weiterleben nur noch Qual bedeutet, die aber dummerweise keine Lobby für sich haben. Auch will man nicht auf sie verzichten, damit man noch , wie jüngst bei den „Beatmungs-WG‘s“ zu sehen, in ihr Überleben investieren kann. – Wolfgang Felbinger

 

Ich finde es gut, dass die Zeit dieses Thema immer wieder aufgreift. Diskussionen zu diesem Thema sind wichtig und beide Seiten müssen die Standpunkte des anderen anhören. Ich kann sowohl die Ängste der einen Seite (Menschen werden genötigt sich umzubringen bzw. Umbringen als Kurzschlussreaktion) als auch der anderen Seite (qualvolles Dahinsiechen) gut verstehen.

Die Aussage „Für Gröhe zielt die Achtung der Menschenwürde »nicht nur auf eine Summe individueller Rechte, sondern auch auf ein gesellschaftliches Klima, das dem Einzelnen signalisiert: Du bist gewollt.« ist löblich. Wenn das Herrn Gröhes Überzeugung ist, dann würde ich erwarten, dass er daran interessiert ist, die Situation der Personen zu verändern, die zu dem Entschluss führt, sich umbringen zu wollen. Der Suizidbeihilfe einfach strafrechtlich oder durch Einführung nahezu unüberwindbarer Vorgaben einen Riegel vorzuschieben, geht aus meiner Sicht an seinem Ansatz (Achtung der Menschwürde durch Vermittlung „Du bist gewollt“) vorbei.

Pflegeheime sind auf körperliche Pflege ausgerichtet, nicht auf „Du bist gewollt“. Wieviel Zeit hat das Pflegepersonal am Tag pro Person zur Verfügung zur Einzelbetreuung außerhalb körperbezogener Pflege und Nahrungsaufnahme? Dh für Einzelgespräche, einen Spaziergang draußen? Als zweiten Punkt frage ich mich, was Personen, die unerträgliche Schmerzen haben und/oder eine unheilbare Krankheit, deren weiterer Krankheitsverlauf absehbar ist, davon haben, dass sie gesellschaftlich gewollt sind. Sie dazu zu nötigen, zu verhungern und zu verdursten oder sich vor den Zug werfen zu müssen oder unter Qualen auf den Tod zu warten, ist für mich weder ein Zeichen dafür, dass jemand „gewollt“ ist, noch dass demjenigen an Menschenwürde viel liegt. – Andrea Paulsen

 

Suggestiv: Bild und Text. die Überschrift ist für den tendentiösen Artikel bezeichnend. Unter einer dunklen Wolke „die Freiheit zu sterben“. Andersrum wird ein Schuh draus. Unter rotem, friedvollen Abendhimmel und untergehender Sonne muß es „die Freiheit zu sterben“ geben. Todkranke Menschen, des Leidens, der Hoffnungslosigkeit überdrüssig flehen händeringend die Ärzteschaft an, um ihnen die Chance friedvoll einschlafen zu dürfen, zu ermöglichen. Ca. 70-80% der Bevölkerung, je nach Meinungsumfrageinstitut, sind für die assistierte Serbehilfe. Ca. 10.000 Menschen/p.a. bringen sich oft unter großer Verzweiflung und oftmals bestialisch um. Wer sich outet, dem kann ggf. geholfen werden. Doch letztlich ist es der Würde und Menschlichkeit geschuldet einen humanen Lebensabschied zu ermöglichen. – Ulrich Thumm

 

Den Satz „Ärztinnen und Ärzte dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten“ hat der Deutsche Ärztetag jetzt endlich aus der Berufsordnung für Mediziner gestrichen, und ex Gesundheitsminister Gröhe sieht seine Befürchtungen bestätigt, dass seit dem Karlsruher Urteil (Selbstbestimmung über den eigenen Tod) mehr assistiert gestorben wird. Wie war die Rechtslage vorher?

Schwerstkranke Menschen, die keine Aussicht auf Heilung mehr haben und deren Schmerzen durch Medikamente nicht mehr gelindert werden können, haben lt. Bundesverwaltungsgericht seit einigen Jahren Anspruch darauf, tödlich wirkende Medikamente zu erwerben. Jeder Einzelfall ist zu prüfen. Die zuständige Behörde ist das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte, das dem Bundesgesundheitsminister untersteht. Jens Spahn, der vorgesetzte Minister, hat diese Behörde angewiesen, die Anträge pauschal abzulehnen. Er verwehrt den Leidenden ein ihnen zustehendes Recht und verdammt sie zu einem unnötigen qualvollen Todeskampf. Selbst nach dem o. a. BVerfG-Urteil vom Februar 2020 hat sich daran nichts geändert!

Wer auf dem legalen Weg in Deutschland Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen versuchte, lief also in eine Sackgasse. Zudem mussten Ärztinnen und Ärzte, die Sterbehilfe leisten wollten, den Entzug ihrer Approbation befürchten. Wenigstens diese Gefahr besteht nun nicht mehr. Aber sowohl Jens Spahn als auch Hermann Gröhe wollen zurück zur Strafbarkeit der Sterbehilfe. Wer bewahrt uns vor solch mitleidlosen Gesundheitsministern? – Ernst-Wilhelm Timpe

 


 

 

Leserbriefe zu „Mit oder gegen die Parteien?“ Streit von Gesa Müller-Schulz und Cedric Röhrich

 

Ich möchte Herrn Röhrich in seiner CDU-Gläubigkeit daran erinnern, dass Glyphosat unsere Natur noch Jahrelang dank eines Umweltministers Schmidt(CSU) belasten wird, dass erst durch die Skandale um Alfred Sauter und Peter Gauweiler das Lobbyregister in der CSU eine Chance hat, dass die skandalösen Zustände in der deutschen Schlachtindustrie dank der CDU längst noch nicht ausgestanden sind und dass dier Abgeordnetenbestechung und der Abgeordnetenbestechlichkeit erst auf Druck der Europäischen Union in Deutschland mit Zustimmun der CDU/CSU zum Straftatbestand wurde.An diese Partei und ihre Zukunftsfähigkeit glaubt Herr Röhrich? Glaubt er auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten? – Lutz Landorff

 

Problemfall Kasus. Korrekter Gebrauch der deutschen Sprache sollte – auch in diesen linguistisch turbulenten Zeiten – Selbstverständlichkeit bei einem Leitmedium wie der Zeit sein. „Mit“ will mit dem Dativ benutzt werden, während „gegen“ den Akkusativ bevorzugt. Eine etwas längere, aber dafür grammatisch einwandfreie Alternative könnte sein: „Mit den Parteien oder gegen sie“. – Harald Geißler

 

Beim Lesen der Überschrift auf Seite 10 der o.a. Ausgabe “Mit oder gegen die Parteien?” sträubten sich meine Nackenhaare. Auch wenn mein Deutschunterricht schon einige Jahrzehnte zurück liegt, halte ich diese Formulierung für grammatikalisch falsch. Vielmehr müsste es m.E. heißen: Mit den oder gegen die Parteien? Von einem Medium wie der ZEIT erwarte ich eigentlich trotz des Zeitdrucks, dem die Herstellung eines Printmediums unterliegt, einen korrekten Umgang mit der deutschen Sprache. – Reiner Gunkel

 

Entweder: Mit den oder gegen die Parteien. Oder: Mit oder gegen Parteien. Aber bitte nicht: Mit oder ohne die korrekte Grammatik sondern bitte nur mit der korrekten Grammatik. – R.Wilkes

 

Cedrik Röhrich setzt auf den Zeitgeist und will innerhalb der CDU Karriere machen – Gesa Müller-Schulz will Dampf machen, weil außer den GRÜNEN der Rest der politischen Parteien allzu zögerlich ist. Beide vergessen eines: All diejenigen, die wider jahrzehntelange bessere Einsichten aus Umweltschutz- und Klimabereichen im politischen Raum die Ausbeutung von Erde, Pflanze, Tier, Mensch und damit die Zerstörung des Lebenszusammenhaltes auch mit Vergiftungen und der Verlagerung der Folgen auf die nächsten Generationen bis heute mit allen Mitteln unterstützt und mitgemacht haben, sollen wieder unterstützt werden, um umzudenken.

All jene aber, die gegen eine Mauer von Verhöhnung die Graswurzelarbeit verrichteten, um den Lebenszusammenhalt zu erhalten, und keine Hilfen erhielten, sollen wieder hintenanstehen. – Solch Grundeinstellung zu Unrecht aus der Vergangenheit (Vergiften ist ein Straftatbestand) entspricht der Haltung der BRD zu den NSDAP-Tätern, die sich über die Rattenlinie via Flensburg wieder in eine Gesellschaft einmogeln durften, in der sie vorher entsetzlich wüteten und bis heute ihre Spuren hinterlassen. – Man wird nicht von heute auf morgen alles umändern können; das wissen auch die GRÜNEN; aber deren Erfahrungen sind zusammen mit den Erkenntnissen der Klimaforschung und FFF (Gretha Thunberg brachte es auf den Punkt), nicht einfach nur wieder in die Ecke zu stellen nach dem Motto:

War gut, was ihr gemacht habt – nun seid mal ruhig, wir in der bisherigen Politik machen es nun. – Das Umdenken und anders Handeln braucht jetzt im Pollitischen die Führung der Originale, sonst wird wieder alles nur verwässert und die lebensnegativen Folgen den nachfolgenden Generationen in unverantwortlicher Weise in die Wiege gelegt, sprich: Unrecht wird nicht verantwortet, sondern vergütet. – Hanna Leinemann

 

Das Streitgespräch zwischen Frau Müller-Schulz und Herrn Röhrich zeigt exemplarisch das Problem der Klimaaktivisten und der Politik. Anzuerkennen ist, daß beide sich weiterentwickeln und das z. B. Frau Müller-Schulz auch versucht persönlich ihr Leben zu ändern. Dabei wird erwähnt, dass Frau Müller-Schulz eine Organisation zur Wiederaufforstung gegründet hat. Dazu zwei Fragen: Welche Flächen sollen den in Deutschland wiederaufgeforstet werden? Meines Wissens nach kümmern sich da schon genügend (und das auch nachhaltig) Grundbesitzer drum. Und die zweite Frage bezieht sich auf die Arbeit selber, als Waldbesitzer kenne ich mich da zufällig aus, die Wiederaufforstung braucht einen langen Atem, da reicht es nicht, nur Bäume zu pflanzen! Man muss sich je nach Art mindestens noch fünf bis zehn Jahre intensiv kümmern, damit die gepflanzt Bäume nicht in Himbeeren, Brombeeren u. a. untergehen!

(Und dann ist die Arbeit auch noch nicht getan, damit dann z. B. Bauholz draus wird muss man regelmäßig ca. 4 mal pro Baumleben durchforsten, teils die Bäume entasten usw. Und dann bekommt man wie derzeit gerade mal 80 € pro fm für einen schönen Fichtenstamm, damit sind leider nicht mal die Kosten gezahlt, geschweige denn die hineingesteckte Arbeit von 3 Generationen!) Das sollten alle Klimaaktivisten bitte aktiv angehen (also mal konkret dem Forstwirt bei den Pflegemaßnahmwn helfen), da lernt man so einiges zum Thema Nachhaltigkeit (und sicherlich auch über die persönlichen Grenzen und das Glück nach echter Arbeit das Ergebniss konkret zu sehen).

Insgesamt bin ich jedesmal wieder erstaunt, wie die verschiedenen Akteure das Klima retten wollen. Ich denke wir kommen nicht umhin, dazu die bei vielen lieb gewonnenen Angewohnheiten (mehrmals im Jahr in den Urlaub fahren, gerne auch in ferne Länder, Essen aus aller Welt zu jeder Jahreszeit und wenn die (meist gar nicht mehr vorhandene Kompetenz zur) Planung mal wieder schief ging wird es halt weggeworfen weil es schon verdorben war, ständig billig neue Kleidung, Möbel usw. kaufen und dann gute, noch nicht defekte Gegenstände, entsorgen, bauen mit viel Beton statt mit Holz (was bei jedem staatlichen Bau und auch beispielsweise bei vielen Bauten von großen Konzernen z. B. Edeka derzeit im ganzen Land exzessiv umgesetzt wird) und die Liste ließe sich noch lange fortsetzen) grundsätzlich zu ändern.

Auch das kann man sehr gut auf dem Land lernen, wir haben nie aufgehört nachhaltig zu leben und haben dank solider Ausbildung auch die Fähigkeiten dazu. (Dazu nur ein Beispiel aus meinem Leben: gestern haben wir Baustahlmatten für eine spätere (derzeit noch nicht genau bekannte) Verwendung eingelagert, diese warten jetzt auf die Drittverwertung, erste Nutzung war für ein Wildgegege in der Nähe, dort haben wir sie dann vor 15 Jahren gekauft und für unser Wildgehege verwendet, dieses haben wir jetzt abgebaut und werden stattdessen eine Rinderweide bauen, wo wir viele Teile des alten Wildgeheges wiederverwenden oder eben für eine spätere Nutzung aufbewahren. Und in diesem Sinne handeln wir immer schon, wir haben also nie aufgehört nachhaltig zu wirtschaften, auch wenn wir als konventioneller Betrieb Pflanzenschutz und Düngung betreiben, was sinnvoll eingesetzt sehr wohl nachhaltig ist!)

Daher wäre ein sehr wichtiger Ansatz zu mehr Nachhaltigkeit, daß schon sehr lange von den Landfrauen geforderte Unterrichtsfach Lebenskunde. Dieses wird von vielen, leider nur müde belächelt, ist aber ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg! Wenn es die Kinder nicht von Anfang an lernen, wie man mit Lebensmitteln umgeht, wann was Saison hat, wie man Lebensmittel konservieren kann, wie man Dinge reparieren kann, generell, wie man mir Geld umgeht usw., dann können sie es im späteren Leben auch nicht. Zu besichtigen an der aktuellen Bevölkerung, die leider nur mit viel Glück (meist über das Elternhaus) diese Dinge gelernt hat.

Daneben bin ich jedes mal wieder erstaunt, wie wenig wissenschaftlicher Sachverstand in der Politik gefragt ist, da gebe ich Frau Müller-Schulz recht. Sogar aktuell muss ich wieder lesen, dass die Wiederkäuerhaltung ein großes Klimaproblem darstellt und das die Bundesregierung im aktuellen Klimaplan wieder fordert, dass die Landwirtschaft da Methanemissionen einsparen muss. Leider hat sich dazu wohl immer noch nicht der Stand der Forschung rumgesprochen (selbst bei vielen Wissenschaftlern noch nicht): es ist ein Kreislauf:

Die Pflanze (z. B. Gras) nimmt CO2 aus der Luft auf und wächst damit dank Photosynthese (und produziert netterweise sogar O2 für uns), die Kuh frisst das Gras und produziert aus einem Teil (!) des damit aufgenommenen C dann dank ihres genialen Verdauungstrakts (wir können das Gras ja nicht verwerten, das ist auch das Problem, denn solange Vegetarier usw. kein Gras essen, haben wir ein echtes Problem mit dem per se schon mal artenreichen Grünland) CH4, welches in die Atmosphäre entweicht (die anderen Teile des C baut sie in ihren Körper ein, oder es ist in der Milch oder den Exkrementen wo es ebenfalls zurück in den Kreislauf kommt und z. B. zu Dauerhumus, sogar eine CO2 Senke! werden kann). In der Atmosphäre hat das CH4 eine Halbwertszeit von rund 10 Jahren, bevor es wieder zu CO2 abgebaut wird um z. B. wieder von Pflanzen aufgenommen zu werden.

Wenn nun die Tierbestände konstant bleiben, ist es ein klimaneutraler Kreislauf! Wenn die Tierbestände abnehmen (wie in den letzten Jahrzehnten (zumindest in D)) dann gibt es eine positive Treibhausgasbilanz! Nur wenn die Tierbestände zunehmen, führt es über einen kurzen Zeitraum zu einer negativen Treibhausgasbilanz. (Alles nachzulesen bei Frank Mitloehner, Clear Center, CAU Kalifornien.) Derzeit wird in D immer noch versucht, den Wiederkäuern die Methanemissionen abzugewöhnen. Ergebnisse der zahlreichen Studien dazu ist, dass wir (bislang) kein „Rezept“, keinen Futterzusatzstoff haben, der die Methanbildung im Pansen reduzieren/verhindern könnte und dass die Kuh, wenn sie kraftfutterbasiert gefüttert wird, weniger Methan ausstößt.

Ein Irrweg, da wir die Kuh ja nicht brauchen um Kraftfutter zu verwerten, sondern sie mit so wenig Kraftfutter wie nötig gefüttert werden soll, und so viel Gras (Grobfutter) wie möglich fressen soll (weil wir das ja bisher nicht verwerten können). Weitere immer wieder geschriebene Dinge sind z. B. dass Soja angebaut wird, damit wir ein Eiweißfuttermittel haben. Soja ist eine Ölpflanze und der größte Teil der Wertschöpfung wird mit dem Öl, dass in die chemische Industrie, den Verkehr usw. geht gemacht, die Landwirtschaft verwertet dann die Reste als (sehr wertvolles) Eiweißfuttermittel. Auch der Raps ist eine Ölfrucht. Da würde ich mich freuen, wenn das auch mal bei den Journalisten besser hinterfragt würde, was so geschrieben wird.

Leider könnte ich noch viele derartige Dinge im Zusammenhang mit der Land- und Forstwirtschaft bringen. Daher sollte an erster Stelle schon mal im Journalismus mehr Sachverstand genutzt werden, und Artikel vorab noch von einem Landwirt, Agrarwissenschaftler quergelesen werden, bevor wieder ein sehr einseitiger Bericht, der nur Teile der Zusammenhänge erfasst, veröffentlicht wird. Gleiches gilt natürlich auch für die Politik, dort werden viele Entscheidungen durch Unkenntnis der komplexen Zusammenhänge und unter Einfluss mächtiger Lobbys getroffen, die dann nicht zum beabsichtigten Ziel führen.

Und ganz klar wird es immer Zielkonflikte geben, so geht eine tiergerechte Haltung in vielen Fällen eben mit mehr Ammoniakemissionen einher, um nur ein Beispiel zu nennen. Und wir in der Landwirtschaft versuchen hier definitiv und laufend diese Zielkonflikte so gering wie möglich zu halten und lassen uns auch immer wieder was neues Einfallen. Insgesamt (und das sollte auch mal geschrieben werden) ist die Landwirtschaft ein „Industriesektor“, der so viele Innovationen umsetzt und einen so hohen Produktivitäszuwachs hatte seit dem letzten Weltkrieg wie kein anderer Industriezweig!

Im Fazit werden wir also nicht umhinkommen, unsere Lebensweise dramatisch zu ändern! Kein (oder möglichst weniger) Einsatz fossiler C-Quellen (Erdöl, Erdgas, Kohle –> Die Halbertszeit von CO2 in der Atmosphäre beträgt übrigen mehr als 1000 Jahre, d. h. alles was wir aus fossilen Quellen entnehmen wird sehr lange die Klimaerwärmung befeuern), d. h. z. B. Flug- und Individualverkehr mit Verbrennern muss, solange kein echter klimaneutraler Treibstoff verfügbar ist, eigentlich eingestellt werden (und da zählen all die pseudo Klimabgaben für Kompensation an anderer Stelle leider überhaupt nicht, das ist leider eine Milchmädchenrechnubg, nur wenn das fossile C nicht aus dem Boden kommt, trägt es nicht zum Klimawandel bei, d. h. also eigentlich geht keine Reise mehr, die nicht zwingend notwendig ist), Heizungen mit fossilen Brennstoffen müssen schnell stillgelegt werden und dürfen auf keine Fall noch neu installiert werden, Lebensmittel dürfen nicht mehr weggeworfen werden (hier würden nur hohe Strafzahlungen für den Handel und den Verbraucher einen Fortschritt bringen), bauen geht nur noch mit Holz um nur die wichtigsten Punkte zu nennen.

Und jetzt mal Hand aufs Herz, können wir das in den nächsten 10 Jahren bewerkstelligen? Ich bin da (leider) nicht sehr überzeugt, insbesondere was den Großteil der Wirtschaft und Bevölkerung angeht. Die einen wollen ihr Geschäftsmodell nicht ändern und werden sich mit Händen und Füßen wehren, genausowenig werden die meisten Menschen ihr Verhalten nicht derart radikal ändern. Daher sollte die Politik an den großen Stellschrauben fossile Energien (mit Beton und Verkehr) Wegwerf-Konsumartikel und Lebensmittelverschwendung beherzt angreifen, uns dabei die Wahrheit sagen und dann haben wir schon viel erreicht.

(Und an erster Stelle diese Dinge auch gleich konsequent im öffentlichen Dienst umsetzten!) Den Rest der Welt wird es noch eine Zeitlang wenig interessieren, wodurch wir unweigerlich bis auf 3/4 Grad Klimaerwärmung kommen werden. Darauf sollten wir uns auch einstellen. Und die Landwirtschaft steht dann mitten im Feuer und es wird nur noch drum gehen, wie wir möglichst ausreichend Lebensmittel produzieren können, damit die Menschen noch was zu essen haben (ich will hoffen, dass es nicht so weit kommt). Daher ist die Landwirtschaft ein großer Teil der Lösung und die meisten Landwirte tun bereits all das was der Rest der Bevölkerung gerade dabei ist wahrzunehmen, trotzdem müssen wir immer noch als Prügelknabe der Nation herhalten.

(Nur eine Zahl zeigt schon, wie wenig die Landwirtschaft derzeit Wert ist: die Lufthansa wurde mit 9 Mrd. € gerettet, die Landwirtschaft bekam die sogenannte „Bauermillarde“, die dann auch noch über Investitionförderung an der Landwietschaft vorbei in den Maschinenbau fließt…) Wir werden noch gebraucht und wenn jetzt keiner die Betriebe weitermachen will weil die Stimmung (aufgrund des Prügelknabendaseins, zu dem der Journalismus und viele NGO’s und so manche politische Kraft einen gewaltigen Teil beitragen) derart schlecht ist, wird uns das noch dramatisch als gesamte Gesellschaft auf die Füße fallen.

Das wissen zur nachhaltigen Bewirtschaftung eines Betriebs werden die Gelehrten jedenfalls nicht umsetzen können, da braucht es schon einen Landwirt der auf einem Betrieb aufgewachsen ist und dabei die Zusammenhänge kennengelernt hat. Jetzt ist es doch ein größerer Beitrag geworden, aber irgendwann muss man die Dinge, die aus meiner Sicht in die komplett falsche Richtung laufen mal ansprechen, da man ja ständig Artikel zur Landwirtschaft und zum Klimawandel liest… – Stefan Thurner

 

Schwer auszuhalten, die Ausführungen einer Ultra-Klimaaktivistin. Die neoliberale Ausbeutung der Natur hätte zu zur Entstehung und Verbreitung des Covid Erregers geführt. Ohne Belege, ohne Begründung, geschweige denn Beweise, darf sie derartiges äußeren. Ich bin einigermaßen fassungslos, auch darüber, dass eine solche Aussage, selbst in einem Streitgespräch, als abschließende Aussage unwidersprochen stehen darf. Wie erklärt Frau Müller Schulz die wesentlich höheren Todesraten der früheren Pandemien und Seuchen wie Pocken, Pest, Tuberkulose, spanischen Grippe?

Also bevor die neoliberale Ausbeutung ein Wachstum der Weltbevölkerung von 2 Milliarden auf 8 Milliarden (in 100 Jahren) und eine Verlängerung der durchschnittlichen Lebenserwartung um viel Jahre, ja Jahrzehnte, zum Resultat hatte. Was sagen die „Tausende von Experten“ dazu? Putzig schon fast die naiven Ausführungen zu den CO2 Einsparungszielen. Genau 88% müssen es sein, nicht 90%, nicht 85%, nein, genau 88%. In Deutschland. Um 2030 eine maximale Erhöhung der globalen Erd-Temperatur von 1,5K zu gewährleisten. 88% von 2% (Deutschlands Anteil). Frau Müller-Schulz weiß natürlich auch, wie sich China, Indien, Brasilien und all die anderen Länder bis dahin entwicklen.

Wo ist diese Formel, dieses Model, welches alle, ich meine wirklich alle, Einflussfaktoren berücksichtigend, die Welttemperatur 2030 mit einer solch kleinen Toleranz liefert, dass Deutschlands Beitrag dazu mit genau 88% Einsparung angegeben werden kann? Also nicht 87%, nicht 89%, nein, genau 88%! Das ist absurd. Nicht absurd ist die Aussage, dass der Verbrauch fossiler Rohstoffe zu Energiegewinnung, nur ein Übergang in der Menschheitsgeschichte sein kann, nicht wirklich nachhaltig, wenn wir in Jahrhunderten und Jahrtausenden denken. Wimpernschläge für eine Erde, die 5 Milliarden Jahre hinter sich hat. Und erstaunlich, aber auch wieder nicht, ist, dass das Thema Überbevölkerung totgeschwiegen wird. – Dietmar Baier

 


 

 

Leserbriefe zu „Rechnung mit vielen Unbekannten“ von Mark Schieritz

 

Das Robert Koch „Institut“ besitzt eine Internetseite wie eine Geröll-Lawine. Darauf nützliche Informationen zu finden ist so schwierig, wie es für die Schweizer Bergrettung schwierig sein wird, wenn Eiger, Mönch und Jungfrau zusammenbrechen. Nach über einem Jahr schaffen sie es immer noch endlose Texte zu schreiben und widersprüchliche Tabellen zu veröffentlichen, die letztendlich für jeden, jegliche Interpretation zulassen. Der Nutzwert geht gegen Null. Warum hat dieses Institut keine funktionierende Kommunikationsabteilung mit TextrevisorInnen und Informations-Grafik-DesignerInnen? – udo schill

 

Es ist bemerkenswert, welch mathematische Kniffe verwandt werden (müssen?), um die teils abstrusen Vorhersagen (im Nachhinein zu rechtfertigen. Zumal es grundsätzlich ziemlich unseriös erscheint, einerseits vor Inzidenz-Zahlen >2000 zu warnen, diese Werte für den Fall der Fälle aber umgehend wieder infrage zu stellen. Gleichwohl nahmen Nagel, Lauterbach, Brinkmann & Co mit ihren – letztlich falschen (!) – Prognosen maßgeblich Einfluß auf Entscheidungen in Politik und Gesellschaft, doch Konsequenzen müssen sie freilich keine ziehen. Was bisweilen verwundert, schließlich läge man seinerzeit selbst mit einer verkündeten Inzidenz von 0 deutlich weniger daneben, würde aber u.U. vom Verfassungsschutz beobachtet. – Mario Mahn

 

ENDLICH eine differenzierte Berichterstattung über Prognosen, Szenarien und scheinbar überraschendes Nichteintreten dieser, die der ZEIT würdig ist. Danke! Geht doch! – S. Riffel

 

Vielen Dank für Ihre Zusammenstellung von Corona Statistik und Prognosedaten und das Aufzeigen der niedrigen Prognosequalität. Leider haben Sie vor der Analyse der Ursachen des Problems abgebrochen. Die Anwendung von Statistik auf Corona ist wie in jedem Mathematik Lehrbuch zu lesen ist vollständig Unzulässig. Statistik ist die Lehre von der Großen Zahl. Glücklicherweise sind Corona Erkrankungen ein seltenes Ereignis geblieben. Die Infektionen sind in Deutschland meist unter der 1:1000 Schwelle die Erkrankungen nochmals deutlich darunter geblieben. Gemäß EU Definition ist eine „seltene Erkrankung“ mit einem Auftreten von unter 1:2000 definiert. Wohlgemerkt die Erkrankung! Wenn Ereignisse selten sind taugen diese eben nicht für Statistik. Nochmals ungünstiger für die Anwendung statistischer Methoden, wenn nicht alle betrachteten Fälle dem gleichen Muster folgen.

Gerade bei Corona Infektionen treten oft sogar innerhalb einer eng zusammen lebenden Gemeinschaft sehr unterschiedliche Verläufe zwischen keiner Infektion und schwerer Erkrankung auf. Die Corona-Mechanik ist schwer zu Erklären und in kann keinesfalls als einheitliches Muster betrachtet werden. Somit handelt es sich für Statistik Methoden um komplett verbotenes Territorium. Die sehr beliebtem Computermodelle tun jedoch nichts anderes als Statistische Modelle mit Zufallsvariablen kombinieren und dann daraus Szenarios zu berechnen. Das Ergebnis ist nicht mehr als die Illustration der verwendeten statistischen Parameter. Aus einer solchen extrem wenig belastbaren Datenbasis Handlungsempfehlungen abzuleiten kann ich selbst in höflicher Sprechweise nur als verwerflich bezeichnen. Eine halbe Wahrheit ist eben auch eine halbe Lüge.

Natürlich ist es sehr viel schwieriger Anstelle dieser einfach zulänglichen Koinzidenz oder Korrelationsdaten echte Kausalitäten zu suchen. Für eine solide Argumentation und Handlungsempfehlung ist aber eine Klärung von Ursachen und Zusammenhängen unabdingbar. Wahre Größe zeigt sich darin zugeben zu können, dass man etwas nicht oder noch nicht verstanden hat. Nun warum finden sich so viele Wissenschaftler die diesen verwerflichen Weg der schnellen Prominenz wählen?

Die Ursache findet sich in unserem System der Wissenschaftsförderung. Wissenschaft wird überwiegend durch die staatlich finanzierten und politisch besetzten Forschungsgesellschaften in Form von Drittmittel finanziert. Die Währung hier vorne in der Schlange zu stehen sind Prominenz, Linientreue und Politiknähe. Im Strafrecht würde man dieses Verhalten als Betrug, das Erreichen eines Vorteils durch das vorspiegeln unwahrerer Tatsachen, betrachten. Im Falle der Wissenschaft wird kein Staatsanwalt ermitteln, aber die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft als Ganzes wird schwer beschädigt. – Michael Horbaschk

 

Vielen Dank für Ihren Artikel. Sie tun gut daran, zu betonen, wie sehr naturwissenschaftliche Modellrechnungen von Annahmen abhängen. Es ist gute wissenschaftliche Praxis, Annahmen klar zu kommunizieren, und es ist frustrierend, wenn dies im öffentlichen Diskurs nicht geschieht. Leider erscheint mir Ihre eigene ‚Extrapolation‘ auch nicht gerade als ein leuchtendes Beispiel klarer Kommunikation. Sie nehmen an, je ein Infizierter stecke zwei Gesunde an. Sie folgern daraus, daß im einfachsten Fall nach zwei Tagen acht Menschen neu infiziert sind. Wieso nach zwei Tagen und nicht nach drei Minuten? Sie haben noch gar nicht gesagt, wie viel Zeit es für die Ansteckung braucht; und ohne diese Information fehlt die Zeitdimension. Vielleicht meinen Sie ja, daß ein Infizierter pro Tag zwei Gesunde ansteckt?

Dann kommt es noch darauf an, wie lange es dauert, bis ein frisch Infizierter andere anstecken kann, und wie lange er danach ansteckend bleibt. Letzteres ist sicher länger als 5 Tage der Fall, also würde jeder Infizierte bis zum Ende des betrachteten Zeitintervalls ansteckend bleiben. Bei einer angenommenen Inkubationszeit von einem Tag wäre die Zahl der täglich Neuinfizierten nach meiner Rechnung: am ersten Tag 2; am zweiten Tag: 3 Altinfizierte *2=6; am dritten Tag: 9 Altinfizierte *2=18; am vierten Tag: 27 Altinfizierte *2=54; und am fünften Tag: 81 Altinfizierte *2=162. Sie schließen aber, daß nach fünf Tagen nur 32 Menschen neu infiziert sind. Das legt die Vermutung nahe, daß Sie in Wahrheit davon ausgehen, daß sich die Zahl der neu Infizierten täglich verdoppelt.

Das wäre für mich eine sehr viel einfacher auszusprechende und leichter zu handhabende Annahme als die Zahl der Ansteckungen, die von jedem Infizierten ausgehen. Dann gibt es nach zwei Tagen allerdings erst vier neu Infizierte und nicht acht, wie Sie schreiben. Es ist eben manchmal nicht leicht, präzise Annahmen umgangssprachlich zu formulieren, oder umgekehrt, umgangssprachlich klar erscheinende Annahmen in mathematisch handhabbarer Form zu präzisieren! Und je mehr man sich auf Details einläßt, desto komplizierter wird es. – Thomas von Schroeter

 

Es ist schon beschämend, daß keiner der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Größe hat, einen durch falsche Grundannahmen verursachten Irrtum einzugestehen. Stattdessen: Es war ja keine Prognose, sondern nur ein Szenario! Frau Priesemann setzte im Fernsehinterview noch einen drauf: „Wir liefern nur verschiedene Modellrechnungen und sind nicht verantwortlich, wenn Politiker daraus den worst case auswählen“.

Die Statements klangen aber ganz anders: Mitte April verlautbarten Drosten, Brinkmann, Ciesek, Karagiannidis u.a.: “ Liebe Entscheidungsträger, wie hoch sollen die Zahlen denn noch steigen, bevor Ihr reagieren wollt? Wir verpassen jede Ausfahrt zur Senkung der Zahlen. Dies ist ein Notruf.“ Und Frau Brinkmann bei Markus Lanz: „Wenn wir jetzt nicht die Maßnahmen ergreifen und die Kontakte reduzieren, rauschen wir in eine dritte Welle, die die zweite Welle in den Schatten stellen wird“. Kein „könnte“ oder „möglicherweise“!

Frau Merkel jedenfalls fühlte sich gezwungen („die Intensivmediziner flehen uns an“), einen Anschlag auf den Föderalismus durchzusetzen. Ich würde als Politiker keine Berater mehr auswählen, die sich, wenn Gegenwind kommt, aus der Verantwortung stehlen und mir den schwarzen Peter zuschieben. Auch an Ostern vor einem Jahr fand die vorhergesagte Krankheitswelle nicht statt. Auf eine Aufarbeitung warte ich bis heute, immerhin wurden damals – völlig unnötig – massenhaft Klinikbetten für Covid-Erkrankte freigemacht. – Dr. Matthias Staiger

 

Nach einigen Wochen Diskussion um die 7-Tage-Inzidenz musste ich mir erst einmal durch eine klassische Kurvendiskussion klar machen, was dieser Wert – das Verhältnis der Neuinfektionen bezogen auf die Bevölkerung des Erhebungsgebietes – aussagt und was dieser Wert nicht aussagt. VIelleicht können Sie mit diesen Überlegungen etwas anfangen – ich muß gestehen, dass ich nicht mehr alle Artikel über Corona in der ZEIT gelesen habe:

Kurvendiskussion III Siebentageinzidenz: Halten Sie es für beruhigend, wenn die 7-Tage-Inzidenz 100 Infizierte auf 100.000 Einwohner konstant bleibt? Ich möchte sie etwas beunruhigen, vor allem, wenn eine Pandemie wie die jetzige, ein Jahr und länger dauert, und vor allem, wenn Impfungen durchgeführt werden und zudem noch im hohen Tempo. Ich spreche hier nicht davon, ob es realistisch ist, dass eine hohe 7-Tage-Inzidenz bezogen auf die Einwohnerschaft realistisch konstant auf einem hohen Niveau bleiben kann, auch nicht davon, ob nicht eine so hohe Infektionsrate instabil ist und nach oben gehen wird. Ich spreche davon, wie Sie einen konstanten Wert der 7-Tage-Inzidenz, ins Verhältnis gesetzt zur gesamten Einwohnerschaft, interpretieren würden.

Konstante Siebentageinzidenz – eine Beruhigung? Schon bei einem normalen Verlauf der Pandemie würde im Zeitablauf beispielsweise ein Wochenwert von 1 Promille der Gesamtbevölkerung ein Anstieg der Infektionshäufigkeit bedeuten. Warum? Weil in der Vergangenheit sich bereits Menschen infiziert haben und nur zu einem geringen Promillesatz ein zweites Mal erkranken. Diese Aussage bedeutet, dass ein konstanter Anfall von beispielsweise 100 Neuinfizierten innerhalb einer Woche auf 100.000 Bewohner heißt, dass sich anteilmäßig mehr angesteckt haben von denjenigen, die sich überhaupt noch anstecken können. Innerhalb der Gruppe, die sich überhaupt noch infizieren können, muss das Infektionsgeschehen sich intensiviert haben, wenn sie immer noch die gleiche Anzahl Personen liefern kann wie vorher die Gesamtbevölkerung.

Da wir von einer konstanten Zahl von Angesteckten ausgehen, die pro Woche in diesem Beispiel ein Promille der Bevölkerung ausmachen, wird es dann natürlich sehr lange dauern, bis ein relevanter Teil durch Ansteckung immun geworden ist – also 10 Wochen, bis ein Prozent der Bevölkerung geschützt ist durch Erkrankung und 100 Wochen, bis es 10 Prozent sind. Aber immer bedeutet dieser Wert am Anfang einer Pandemie eine zwar erschreckende Zahl, nach langer Dauer der Pandemie bedeutet es bei Krankheiten, bei denen man sich nicht ein weiteres mal anstecken kann, ein Alarmzeichen, weil das Infektionsrisiko für diejenigen steigt, die sich überhaupt noch anstecken können.

Konstante Siebentageinzidenz bei energischer Impfkampagne: Anders ist es und schneller steigt die Zahl derjenigen, die sich nicht mehr anstecken können, wenn die Immunität nicht durch Erkrankung und Genesung erfolgt, sondern wenn sie durch bewusste erfolgreiche Impfung erfolgt. Gegenwärtig werden in der BRD bis zu 1 Million Personen pro Tag geimpft, die nach 14 Tagen o.ä. einen gewissen Schutz haben, selbst nicht (schwer) erkranken und wenn, dann nicht lange andere anstecken können. Das heißt, wenn wir optimistisch sind, sind nach Ablauf einer Woche bei einer Einwohnerschaft von 100 Millionen 7 Prozent der Einwohnerschaft neu geschützt, das heißt dieser Anteil der Bevölkerung kann nicht mehr angesteckt werden oder schwer daran erkranken und kann diese Erkrankung höchstens nur kurze Zeit und mit geringerer Quote durch Ansteckung weiterreichen. Wenn dann die 7-Tage-Indzidenz bezogen auf die gesamte Einwohnerschaft gleich hoch bleibt, zum Beispiel bei 1 Promille oder 100/100.000, dann bedeutet dies, dass das Infektionsgeschehen bei den Nicht-Geimpften und nicht durch Erkrankung und Genesung Geschützten im gleichen Maße ansteigt.

Das macht man sich am besten theoretisch klar, wenn man das Ende einer solchen Pandemie anguckt: wenn nur noch 1 Promille der Bevölkerung nicht geschützt ist und die Siebentageinzidenz immer noch bei 100 liegt, bedeutet dies, dass sich 100 Prozent der verbleibenden Gefährdeten infiziert haben müssen. Das wird nicht geschehen, aber Sie sollten wissen, dass eine konstante Inzidenz bezogen auf die Einwohnerschaft dann diese Auskunft geben würde oder besser, sie verbirgt.

Der Frühling und die Impfkampagne: Bedenken wir nun, dass gegenwärtig neben den Genesenen und den Geimpften auch wie im letzten Frühjahr das Wetter hilft und die Ansteckung durch Aufenthalt in schlecht gelüfteten Innenräumen ohne Verhaltensänderung geringer wird, weil die Menschen sowieso eher draußen sich begegnen, dann ist das langsame Sinken der 7-Tage-Inzidenz bei gleichzeitig hohem Impftempo keine Beruhigung, sondern ein Alarmzeichen, das nicht wahrgenommen wird, weil die falsche Zahl oder Größe zur Betrachtung der Situation herangezogen wird.

Eine auskunftsfähige Größe sowohl am Beginn als auch am Ende wäre nicht die Zahl der in einem Zeitraum, einer Woche durch Tests erkannten Infizierten bezogen auf die gesamte Einwohnerschaft, sondern bezogen auf die Zahl der Personen, die sich überhaupt noch anstecken können, d.h. Zahl der Einwohner abzüglich der Zahl der Genesenen und wichtiger der Zahl der wirksam Geimpften. Wie es angesichts der einfach zu erschließenden Zusammenhänge eine Siebentageinzidenz von 100 auf 100.000 Einwohner oder überhaupt eine absolute Zahl der Neuinfizierten bezogen auf die Einwohnerschaft in ein Infektionsschutzgesetz schaffen konnte, bleibt ein Rätsel oder eben kein Rätsel, weil politisch gewollt offenbar eine beruhigende Größe ausgegeben worden ist, die bei genauer Kenntnis gar nicht beruhigen kann, um Erleichterungen der Kontakte bei der Arbeit, in der Ausbildung und im Freizeitverhalten durchzusetzen.

Wer beurteilen will, wie sich das Infektionsgeschehen entwickelt und wie gefährdet die Noch-Nicht-Geschützten sind, kann dafür nicht die Siebentage-Inzidenz bezogen auf die gesamte Einwohnerschaft heranziehen, sondern muss auch für die lokale Beurteilung jene Messgröße heranziehen, die die Zahl der Neuinfizierten in einer Woche ins Verhältnis setzt zu den Bewohnern in der Erhebungsregion, die sich überhaupt noch infizieren könnten. – Dr. Jürgen Bönig

 


 

 

Leserbriefe zu „Die Kolonisierung unserer Ohren“ von Hannah Schmidt

 

Nach „Flugscham“ nun also „Hörscham“! Bisher habe ich meinen Musikgeschmack am Werk des Komponisten/der Komponistin ausgerichtet, jetzt soll ich also vor Einlegen der CD darauf achten, ob koloniale oder rassistische Motive meine Auswahl beeinflussen. Wäre es da nicht einfacher, die Gemeinde der Musikhörenden erkennt z. B. Mozart die Zauberflöte ab und benennt eine „Person of Color“ aus dem 18. Jahrhundert vom Stamme der Haussa, wohnhaft im Norden des heutigen Nigerias, zum Komponisten? Dann könnten wir wieder ohne schlechtem Gewissen die Zauberflöte hören.

Allerdings müssten wir auch die anderen Stämme, z. B. Yorouba oder Fulbe, berücksichtigen, also müssten dann „La Traviata“ oder „Carmen“ einem/einer „Composer of Color“ zugeschrieben werden. Die Autorin sollte sich umgehend nach Afrika aufmachen und nach lokalen Komponisten des 18. oder 19. Jahrhunderts Ausschau halten, die von uns schändlicherweise bisher nicht gehört wurden, damit wir unser Musikverhalten politisch korrekt und ohne Scham ausleben können. Fazit: selten so einen Stuss gelesen! – Joachim Heisig

 

Dass Bach, Beethoven oder Mozart jetzt und posthum ihrer Genialität enthoben werden sollen, allein aus dem Grund, weil sie weiße Männer waren, setzt dem Rassismusdiskurs der letzten Zeit die Krone auf. Und die Autorin des Artikels hat es anscheinend kaum mehr ausgehalten, bis die Diskussion (ist sie das?) jetzt endlich nach Europa rüberplätschert. Ich frage mich, wem nützt diese Diskussion? All denen, die nicht an die Genialität der drei genannten heranreichten? Wir haben heutzutage – Internet sei Dank – die Möglichkeit beinahe alles, was es weltweit an neuer und alter Musik gibt, zu streamen. Wir können unvoreingenommen lauschen, staunen, ablehnen, uns mit Hintergrundinformationen versorgen, immer wieder hören; wie es uns gefällt.

Wenn ich mich daraufhin in meinem Freundinnen- und Bekanntenkreis bei denen umhöre, die sich mit Musik befassen – ob Klassik, Jazz, Rock, Weltmusik, usw. – spielt eine Sache bei der Beurteilung der Musik und des Gehörten überhaupt keine Rolle: Geschlecht oder Hautfarbe der Musizierenden oder Komponisten. Mir scheint, es soll uns jetzt suggeriert werden, dass Musik nur dann Qualität und Werte hat, wenn sie so divers wie möglich daherkommt und dass man bitteschön mal hören möge, ob es denn wirklich schon wieder die Darbietung oder Komposition eines männlichen Interpreten oder Komponisten sein muss. Nein, muss es natürlich nicht, völlig egal. Aber wenn es eine Abstimmung mit den Ohren gäbe, würden die Meisten wahrscheinlich wieder das Geniale eines Bach, Beethoven oder Mozart wählen. Also lasst uns hören, was wir wollen. – Olaf Hoffmann

 

Sind eigentlich Rassismus, Kolonialismus, Sexismus und weiß Gott sonst noch für -ismen inzwischen die einzigen Deutungsgrundlagen für Entwicklungslinien menschlicher Gemeinschaften, von Wissenschaft und Kultur? Und was berechtigt eigentlich manche zu der Überzeugung, dass sämtliche vorangegangenen Deutungen falsch und unsere heutigen die einzig richtigen sind? Woher die Sicherheit, endlich Erlösung gefunden zu haben für die Probleme der Ambivalenz menschlichen Lebens? Heute heißt es ‚Die Kolonisierung unserer Ohren‘, vor fast einem Jahrhundert sprach man von der ‚Verjudung der Physik‘, kaum zwei Jahrzehnte später von ‚Bürgerlicher Biologie‘. Ähnlichkeiten? Scheinbar nicht.

Dabei sind die zugrundeliegenden Denkmuster exakt dieselben: Die Definition einer moralisch unbefleckten, die Deutungshoheit und das Recht zur Maßregelung besitzenden, gesellschaftlichen Gruppe. Die vorgetragenen Grundgedanken werden, stringent und, ganz dem Zeitgeist entsprechend, ohne jede Mäßigung verlängert, dazu führen, dass man diskutieren wird, ob weiße Männer (Frauen sind derzeit noch im Schonraum, aber warten wir’s mal ab) die Musik von Farbigen oder von Asiaten noch werden öffentlich spielen dürfen. Und ob wir fallweise Orchester mit ausschließlich LGBT+ oder LGBTQIA-Musikern brauchen. Nach Lesen des Beitrages frage ich mich ernsthaft, wie lange wir noch Puccini – mit seiner Integration asiatischer Musikelemente – auf den bald neu-kanonisierten Spielplänen unserer Opernhäuser haben werden.

Denn dem Zeitgeist nach handelt es sich unzweifelhaft um kulturelle Aneignung, und seine Partituren gehören verb(r)annt. Und was bedeutet die ausgesprochene Liebe vieler Japaner zur Musik Mozarts? Ist gewiss nur Ergebnis eines besonders perfiden westeuropäischen Feldzugs zur Kolonisierung asiatischer Ohren. Juden durften weiland erst keine arischen Helden verkörpern, und nur wenig später überhaupt nicht mehr auf die Bühne. Alles war akademisch stringent begründet, man musste nur die ‚richtigen‘ Kriterien bemühen.

Der Vergleich mag abwegig erscheinen, ist es aber nicht. Es ist erschreckend, wie sich heute akademischer Neorassismus durch eine sich aufgeklärt und vielfältig dünkende, in Wahrheit sich immer mehr fragmentierende Gesellschaft frisst. Und es ahnen offenbar nur wenige, wie nahe wir mit gut gemeinter ‚Entkolonialisierung‘ von Wissenschaft der Kultur dem eliminatorischen Rassismus der 30er und 40er Jahre des vergangenen Jahrhunderts bereits gekommen sind. – Dr. Matthias Wagner

 

Der Rassismusdiskurs hat die Musikkultur erreicht. Von Phil Ewell werden hier diskriminierende Strukturen erkannt. Diese liegen aber nicht in der Musik selbst, weder in der europäischen Musik noch in der Musiktheorie. Europäische Musik mit mehr als 2000-jähriger Tradition ist ein vielfältiges Kulturerbe, mit großem öffentlichem und privatem Aufwand erforscht und gepflegt. Wenn auch außereuropäische Musik im hiesigen Kulturkreis weniger vertreten ist, heißt das nicht, dass sie objektiv gesehen eine geringere Qualität aufweist, sondern nur, wie sehr europäische Menschen ihre eigene Kultur immer noch lieben und häufig auch selbst praktizieren.

Um diese Liebe können sich natürlich auch andere Musikkulturen bewerben, was im Rahmen der Globalisierung und weltweitem Vertrieb von Musik heute kein Problem mehr darstellt. Ewell hat recht, wenn er den musikalischen Kanon der klassischen Musik als menschliches Konstrukt ansieht. Dieses Konstrukt wurde nach gesellschaftlichen Bedürfnissen räumlich und zeitlich auch immer wieder angepasst. Aber will er einen neuen Kanon nach seinem Gusto zwangsweise verfügen, ohne die Zuhörer selbst darüber entscheiden zu lassen, was sie hören wollen? – Dr. Regine Fischer

 

Als musikbegeisterte Leserin studierte ich Ihren Artikel „Die Kolonisierung unserer Ohren“ (Zeit Nr. 20/2021) mit großem Interesse. Die Argumente wirken auf den ersten Blick schlüssig, halten sich bei genauerer Untersuchung aber nicht. Ja, im Europa des 18. Und 19. Jahrhunderts (und auch weltweit) hatten überwiegend weiße Männer das Sagen. Allerdings ist die Projektion der Probleme – Patriarchie und Rassismus – auf die Musik selbst verfehlt.

Werfen wir dem Samba vor, dass er aus Brasilien kommt und dass diese Musik hauptsächlich von (afro-)brasilianischen Künstlern verfasst wird? Bisher nicht. Werfen wir dem Jazz vor, dass er überwiegend von US-Afroamerikanern komponiert und aufgeführt wird? Auch nicht. Fakt ist: in verschiedenen Regionen der Welt entstanden über die Jahrhunderte hinweg verschiedene Musikstile. Die Klassik ist einer davon, und es gibt noch hunderte andere.

Kein Musikstil ist inhärent rassistisch oder patriarchal, denn Musik steht jedem offen. Vereinzelt gab es bereits Frauen, die sich in dieser Branche durchsetzen konnten, beispielsweise Clara Schumann oder Fanny Hensel, deren Werke jedoch nur durch ihren Bruder, Felix Mendelssohn Bartholdy, berühmt wurden. Ähnliches gilt für People of Colour, beispielsweise den im Artikel erwähnten Joseph Bologne, Chevalier de Saint-Georges.

Das wahre Problem ist die öffentliche Wahrnehmung und Kategorisierung. Diese müssen sich also verändern; vor allem aber die damit einhergehende Wertung. Während man musikalisch durchaus zwischen komplexer und weniger komplexer Musik unterscheiden kann, ist diese Unterscheidung nicht an ethnische Komponenten gebunden. Es gibt sowohl unterkomplexe Musik verschiedener Ethnien, zum Beispiel die berühmten 4-Akkord-Songs im Pop (meist weiß) oder manche Ausprägungen des Rap (oft nicht-weiß). Komplexe und kunstvolle Musik aller Ethnien gibt es aber eben auch, Jazz oder die traditionelle Musik verschiedener Länder wurde früher in der Tat zu Unrecht herabgewürdigt und sollte neben der Klassik stehen, nicht unter ihr.

Auf eines können wir uns hoffentlich einigen: die Musik an und für sich ist eine Kunst mit verschiedenen Kategorien. Sie selbst ist nie das Problem; Musik ist schuldlos und steht jedem offen. Die Wertschätzung für große Werke darf nicht schwinden, obwohl oder weil sie von weißen, männlichen Komponisten erschaffen wurden. Der Kanon sollte dringend um Genres ergänzt werden, um zu zeigen, dass die Klassik ein Stil unter vielen ist, großartig, aber eben kein Standard, an dem sich alles messen sollte. Innerhalb der jeweiligen Genres täte ein diverserer Fokus sicher gut – beispielsweise, indem mehr Stücke von Joseph Bologne oder Clara Schumann aufgeführt werden.

Wie es im Artikel selbst so schön ausgedrückt wird: Es geht darum, „denen, die aufgrund diskriminierender Strukturen bis heute weitgehend stumm geblieben sind, eine Bühne zu geben und damit die klassische Musik in ihrem eigentlichen Reichtum abzubilden“. Die Praktiken können rassistisch und misogyn sein (obgleich die künstlerische Repräsentation schon viel diverser geworden ist!), die Musik selbst ist es nicht. – Julia Aroha Weber

 


 

 

Leserbriefe zu „»Gut, dass Sie mich fragen!«“ von Anna Mayr

 

Ein Hausbesuch von Anna Mayr in Köln Chorweiler, auf Augenhöhe. Sie zeichnet eine vielfältige Lebenswelt als Wimmelbild. Eine Lebenswelt, die hinter den stigmatisierenden und auch ausgrenzenden Begriffen wie „sozialer Brennpunkt“, „Armut“, „Problemviertel“ gemeinhin verborgen bleibt. Sichtbar werden ehrbare Menschen, die in ihrer Unterschiedlichkeit nebeneinander und miteinander leben und Teil unserer Gesellschaft sind. Mit ihrer Reportage stellt Anna Mayr Öffentlichkeit und Nähe her, wo sonst Unkenntnis und Distanz sind. Ein wichtiger Beitrag der ZEIT: Diese Menschen gehören dazu, nicht nur wenn Pandemie ist. Links oder rechts liegenlassen ist keine gute Idee. – Reinhard Koine

 

Vielen Dank, liebe Frau Mayr, für diesen wunderbaren Artikel! Er berührt mich deshalb so stark, weil ich mich ertappt fühle: Wir machen uns ein Bild von der Wirklichkeit, ohne sie wirklich zu kennen. Weil Ihr Text im Grunde völlig nüchtern und wertfrei ist, öffnet er die erstaunliche Erkenntnis: Die Menschen, die in einem vermeintlichen „Problemviertel“ leben, sind ja wie wir (die sich teurere Wohnungen leisten können). Sie fühlen sich wohl, sie fühlen sich schlecht, sie kümmern sich um Kinder und ums Kochen, sie gehen zur Arbeit, manche auch nicht. Schlimm (und irgendwie auch ganz schön respektlos den Menschen gegenüber), wie uns unsere Vorurteile den Blick auf die Realität verstellen! – Kirsten Weßling

 

Vielen Dank für diesen exzellenten Beitrag. Während meiner 22 Jahre währenden Beschäftigung im Umfeld der Ford Werke ging ich regelmäßig meine Mittagspause in Chorweiler verbringen. Ich habe mich dort immer sehr wohl gefühlt. Trotz der geradezu grotesk hässlichen Bauten. Anscheinend ist dort etwas gelungen, was in Köln Meschenich (Kölnberg) aufs schrecklichste gescheitert ist. Dort bin ich aufgewachsen. – Mirko Strick

 

Ihr Artikel über Köln Chorweiler ist großartig! Herzlichen Dank für die Idee und die Umsetzung. Man ertappt sich selbst aus der Ferne bei vielen Vorurteilen. – Klaus von Zahn

 

Mit dem Befremden musste ich heute auf der 2. Seite den Satz lesen, den man im Artikel „Gut, dass Sie mich fragen!“. Die Autorin Anna Mayr schrieb den folgenden Satz: „2. Etage, erste Klingel: eine gehörlose alte Dame. Verständigung unmöglich.“ Hier liegt der Verstoß Ihrer Wochenzeitung gegen diverse Gesetze vor. Im gleichen Artikel kann man auch einen Satz lesen wie „Na ja…die Vorurteile gibt es.“ Verständigung unmöglich? Diese Bemerkung ist nicht zutreffend. Frau Mayr hätte einen Gebärdensprachdolmetscher bestellen können. Auf Rechnung Ihres Verlages ist eine Verständigung möglich. Andere Möglichkeiten einer Verständigung bestehen auch. Einfach so schreiben wie „Verständigung unmöglich“ ist in hohem Maße diskriminierend und liegt hier eine Ehrverletzung vor. Die Würde ist unantastbar, dies wurde von Ihrem Verlag verletzt.

Ich fühle mich auch verletzt. Weitere Schritte werde ich wegen diesem Satz einleiten, da ein Verlag, der eine hochwertige Wochenzeitung herausgibt, eine große ethische Verantwortung hat, da viele Verantwortungsträger Ihre Zeitung lesen. Eine solche Bemerkung wie „Verständigung unmöglich“ verfestigt bei den Lesern eher auf unbewusster Ebene den Vorurteil über die Gehörlosen, mit denen man sich nicht verständigen kann. Helen Keller sagte unter anderem den Satz: „ Blindheit trennt von den Dingen, Taubheit von den Menschen.“ Dagegen kann man angehen, indem sich die Nichtbehinderten mehr um die Verständigung bemühen, anstatt die Gehörlosen zu diskriminieren. Diese Autorin bemühte sich nicht und hat sich somit in diskriminierender Weise verhalten. Ich fordere Sie zur Stellungnahme und Distanzierung auf. Eine Entschuldigung ist auch zu erwarten. – Wolfgang Bachmann

 


 

 

Leserbriefe zu „Verbrechen – von Männern verübt, von Frauen aufgeklärt“ von Peter Kümmel

 

Ich muß gestehen; ich gucke keine Kriminalfilme. Das Leben ist zu schön (obwohl ich immer anderes höre), um es vor dem Fernseher zu verbringen. Ich beginne auch oft einen Satz mit „Ich“. Wie ich hörte, gilt das als unfein. Ich schreibe ihnen auch nur, weil ich eine Kriminalabteilung in Deutschland kenne, die nur mit Männern besetzt sind. Bei mir in Singapur gibt es das fast gar nicht. Weil es keine Kriminalität gibt. Ein Paradis. Warum ist das so? Weil es keine westliche Demokratie gibt. Das ist der Tod für viele Menschen. Deutschland spricht immer von Freiheit und Demokratie. Ein Märchen! Immer wenn ich nach Deutschland komme, überlege ich mir genau wo ich verkehre. In Singapur undenkbar. Auch ihr Blatt sollte sich daran machen, in dieser Beziehung, die Wahrheit zu veröffentlichen. – Gunter Knauer

 

Seit ich vor 10 Jahren mir den Film „Ein Tick anders“ anschaute, hat es mir die Schauspielkunst von Jasna Fritzi Bauer angetan. In vielen Filmen hat sie aus ihren Rollen etwas besonderes gemacht. Als ich auf der Zeit-Ausgabe vom 12. Mai ihr Foto bemerkte, war mein Interesse geweckt. Ich werde mir auf jeden Fall am Pfingstmontag den neuen Bremer Tatort anschauen. Ich freue mich schon darauf, Frau Bauer gemeinsam mit Luise Wolfram und Dar Salim als Tatort-Kommissarin zu sehen. Die Figur der Kommissarin in „Die Toten von Marnow“ wurde von Petra Schmidt-Schaller in einer besonderen Art und Weise ausgefüllt. Diese Mischung aus Kühle und Emotionalität stand ihr gut.

Die weitere Hauptrolle wurde allerdings auch von Sascha Alexander Gersak ganz besonders gespielt. Sofia Helin wird mit „The Bridge“ aufgeführt. Das ist aber nicht ganz so richtig, da Diane Kruger dort die Hauptrolle spielt, welche auch eine gute Schauspielerin ist. Sofia Helin verkörpert hingegen die Kommissarin Saga Norén in der dänisch-schwedischen Serie „Die Brücke“. Das ist schon eine besondere Figur einer Polizistin, nicht unbedingt einfach zu handhaben ist, aber sehr kompetent. „The Bridge“ ist hingegen ein amerikanisches Remake auf „Broen“ bzw. „Bron“, wie „Die Brücke“ im Original auf dänisch und schwedisch heißt. – Roland Matthias

 

Erschreckend wie oberflächlich Peter Kümmel die Art Sexualität zu leben bei Sorger Noren als „Nothandlung“ abqualifiziert. Diese Ermittlerin ist Autistin mit einer intellektueller Spezialbegabung und einem ganz eigenen Gefühlsleben, über welches man nicht mit klischeehaften Wertmaßstäben urteilen sollte. – Maria Damm-Klein

 

„Verbrechen wurden zwar von Männern verübt, aber von Frauen gewollt. Und am Ende von Männern aufgeklärt“ (überliefertes Motto in klassischen Kriminalgeschichten aus dem 19. Jahrhundert) – das sind die einleitenden Worte von dem Autor Peter Kümmel Sehr verwegen (um mit einer spätmittelalterlichen Sprachüberlieferung zu reagieren) Herr Kümmel, Ihr Einstieg in die Thematik „neue Vermittlerinnen im ARD-Tatort“! So dachte ich am Anfang, aber als Sie am Ende Ihres Beitrages die Einleitung in ähnlicher Form wiederholen/vertiefen – Verbrechen werden von Männern begangen, aber von Frauen gewollt, ausgelöst oder insgeheim gebilligt – und zur Untermauerung noch das Zitat aus der 1898 erschienenen amerikanischen Short Story „Das blaue Hotel“ von Stephen Crane: usually there are a dozen to forty women really involved in every murder – hinzufügen, konnte ich mich und die LeserInnen sich einer speziellen Absicht nicht erwehren….

Dieser Absicht folgen Sie, verbinden Sie mit der einleitend genannten unzweifelhaft diskriminierenden These bzw. plappern sie nach (sorry!) und nennen dazu noch Ihr neues Statement (siehe Untertitel) „Nähe zum Bösen aus Lebens- hunger“ – ein neuer Typus von TV-Kommissarinnen hat die Ermittlungen übernommen – Die neu geschaffenen Kommissarinnen beschreiben Sie als traumatisiert durch einen Gewalt-Hintergrund in ihrem Leben, sie wurden bitter – „Frauen, die der Mann nicht mehr begehren kann (muss)…“ (Hier wird ein realistischer Exkurs in die aktuelle Statistik erforderlich: Für 89% oder mehr Verbrechen sind Männer verantwortlich.)

Wer ist häufigster Verursacher der späteren Traumata dieser bitter gewordenen Frauen? Oder ist Mann nur kriminell, weil Frau es so will? Landen wir wieder beim Thema – Frau, die Sünde, die ewige Verführerin? Die „neuen Kommissarinnen 2021“ wurden, nach Ihren weiteren Details, von Männern geschaffen. Das Motto aus dem 19. Jahrhundert wurde auch von Männern geschaffen. Und die Schlussthese im Feuilleton-Beitrag „Die Frauen in den Schauergeschichten von heute erfreuen sich noch immer am Verbrechen. Aber sie lassen sich das Vergnügen nicht nehmen, es selbst aufzuklären“ stammt von Ihnen, Herr Kümmel! – Christel Heer

 


 

 

Leserbriefe zu „Einfach machen“ von Martin Spiewak

 

Arroganz eines Zeitungsbeamten. Martin Spiewak hat ein gutes Gefühl für Themen, das muss man konzedieren. Immer wieder finde ich als Lehrer bei ihm erfrischende Gedanken zu den Themen Schule und Bildung. Immer wieder allerdings strotzen seine Beiträge auch vor Unwissen, Fehlern und Ressentiments und zeugen von fehlender praktischer Erfahrung. Ich könnte als langjähriger ZEIT-Leser inzwischen ganze Abhandlungen darüber schreiben. Wenn er nun aber zum wiederholten Male wie in seinem wiederum nicht in gendersensibler Sprache gehaltenen letzten Artikel „Einfach machen“ Lehrer*innen als „Unterrichtsbeamte“ diskreditiert und von „Dienst nach Vorschrift“ faselt und damit wohlwissend und en passant Lehrer*innen als wenig engagiert darstellt, möchte man fast das langjährige ZEIT-Abonnement kündigen.

Ich bin in meinem ganzen Lehrerleben keinem einzigen „Unterrichtsbeamten“ und keiner einzigen „Unterrichtsbeamtin“ begegnet, der oder die lediglich „Dienst nach Vorschrift“ macht – was auch immer das im Kontext Schule sein soll. Ich kenne (fast) nur hochprofessionelle, schülerorientierte und außerordentlich engagierte Kolleg*innen, die einen permanenten Reformprozess nicht nur unglaublich flexibel mittrugen und mittragen, sondern oft sogar eigeninitiativ anstießen und anstoßen. Dem „Zeitungsbeamten“ Martin Spiewak möchte ich gerne Folgendes raten: Versuchen Sie es doch einmal einige Jahre als „Unterrichtsbeamter“ in der Schule. Mal schauen, ob Sie die Probezeit schaffen… – Norbert van der Linde

 

Beim Titelbild zum Artikel „Einfach machen“ (Spurtende junge Frau mit geballter Faust und Stöckelschuhen) – stellte sich mir die Frage: Wie gross ist der Wettbewerbsnachteil einen Marathon in Stöckelschuhen zu laufen und kann das durch eine geballte Faust ausgeglichen werden? – Lothar Henke

 

Haltungsnoten statt Leistungsmessung. Dem Beitrag von Martin Spiewak in der ZEIT vom 12. Mai 2021 „Einfach machen“ liegt derselbe Fehler zugrunde, den „fortschrittliche“ Bildungspolitiker und Erziehungswissenschaftler allenthalben begehen. Sie sind fasziniert von der polierten Oberfläche einer Schule, loben ihre kreativen Ideen und schülerzugewandten Lernformen. Letztlich vergeben sie Haltungsnoten, die über das, was beim Lernen wirklich wichtig ist – den Zuwachs an Wissen und Kompetenzen – nichts aussagen. Es wäre so, als würde man beim Fußballspiel künftig auf die Spielergebnisse verzichten und stattdessen die Performance der Spieler bewerten: „dribbelstarker Spieler im Eins-gegen-Eins“ oder „passsicherer Stratege im Mittelfeld“.

Es gehört zu den Schwächen einer schülerzugewandten Pädagogik, dass sie keine Rechenschaft darüber ablegt, ob ihre „kreativen“ Methoden auch gute Lernergebnisse zeitigen, die sich in hochwertigen Schulabschlüssen niederschlagen. Es ist sicher kein Zufall, dass die Grund- und Stadtteilschule Alter Teichweg in Hamburg, die den Deutschen Schulpreis bekommen hat, auf ihrer Homepage alle möglichen Informationen zum Download bereithält (z.B. ein Zertifikat „Gewaltpräventive Schule“), nicht aber die Informationen, auf die es wirklich ankommt. Die Ergebnisse von Kess und Kermit sucht man vergebens, auch die Ergebnisse der VERA-Vergleichstests und des ISQ-Bildungstrends werden nicht präsentiert. Eltern wüssten sicher auch gerne, wie hoch die Quote der Schüler ist, die die Schule nach der 10. Klasse ohne Abschluss verlassen.

Vor Corona blieben in Deutschland jährlich 50.000 Schüler ohne Schulabschluss. Experten rechnen für dieses Jahr – pandemiebedingt – mit einer Zahl von bis zu 100.000 Schülern ohne den niedrigsten Schulabschluss. Studiert man den ISQ-Bildungstrend, erfährt man den Grund für Schulversagen. Eine erhebliche Prozentzahl unter den deutschen Schülern liest und rechnet auf den weiterführenden Schulen noch auf Grundschulniveau, mehr als die Hälfte erreicht nicht die erwünschten Durchschnittsstandards. Es gehört zur Ehrlichkeit einer Schule, die Öffentlichkeit darüber zu unterrichten, wie viele Schüler ihrer Schule zu den Schulversagern gehören. Dann könnte man sich ein seriöses Urteil darüber erlauben, ob die „kreativen“ Lernmethoden, die in unseren Schulen angewandt werden, tatsächlich dem Kerngeschäft dienen: einem wirksamen Unterricht, der den Schülern zu guten Schulabschlüssen verhilft.

Mit der Berliner Schulinspektion mache ich seit Jahren leidvolle Erfahrungen. In deren Erfassungsbögen für Schulqualität dominieren politische Vorgaben, die nicht durch pädagogische Evidenz abgesichert sind. So erhalten Schulen eine Abwertung, wenn sie bei der Gestaltung des Unterrichts die Prinzipien „innere Differenzierung“, „selbstständiges Lernen“ und „kooperatives Lernen“ vernachlässigen. Dabei bleibt unhinterfragt, ob diese Lernmethoden überhaupt wirksam sind. Es gibt wissenschaftliche Befunde, die belegen, dass sie Kindern mit geringem kulturellem Kapital eher schaden. Solche Schüler brauchen traditionelle Lernmethoden mit einer engen Anleitung durch die Lehrkraft. Die Berliner Schulinspektion lässt zudem den wichtigsten Beleg für Schulqualität, die Leistungen der Schüler, völlig außer Acht.

Es werden weder die Qualität der Schulabschlüsse noch die Ergebnisse der Vergleichstests (VERA, IGLU) in die Bewertung einbezogen. Leidtragende dieses Versäumnisses sind Schulen, die sich den Herausforderungen einer schwierigen Schülerschaft stellen, die dabei aber nicht die von der Politik gewünschten Lernmethoden anwenden. So hat der Leiter der Berliner Friedrich-Bergius-Sekundarschule Michael Rudolph den Unterricht an seiner Schule strikt an dem Ziel ausgerichtet, jedem Schüler zu einem Schulabschluss zu verhelfen. Sein Erfolgsrezept: klare Regeln und Rituale und wiederholtes Üben des Grundwissens. Selbstbestimmten Unterricht hält er für seine Schülerklientel aus bildungsfernen Milieus für wenig hilfreich.

Der Erfolg gibt ihm recht. Seine Schüler erhielten deutlich bessere Schulabschlüsse als die Schüler an Sekundarschulen, die die methodischen Vorgaben der Politik befolgen. Die Berliner Schulinspektion zeigte sich ungehalten. Sie attestierte Rudolphs Schule „erheblichen Entwicklungsbedarf“. Der Unterricht sei zu wenig individualisiert und zu stark ausgerichtet auf den Abruf fachlichen Wissens, sozialer Normen und Sekundärtugenden. Was lernt man daraus? In Berlin zählen nicht die Ergebnisse, sondern die Methoden. Ein Berliner Schüler kann, wenn er den Schulabschluss nicht schafft, wenigstens sagen, er sei mit fortschrittlichen Lernmethoden unterrichtet worden.

Michael Rudolph machte seinem Unmut über solche Ungereimtheiten in einem Zeitungsinterview Luft: „Warum ist bei einer Inspektion die erreichte Leistung der Schüler egal? Hier liegt die Erklärung, warum Berlin bei Vergleichsstudien immer auf den letzten Plätzen landet: Leistung ist unwichtig“. Es wäre schön, wenn auch die Medien dem Hype um die polierte Oberfläche von Schule mit der Frage begegneten: Wie wirksam sind die „fortschrittlichen“ Lernmethoden? Im Zeitalter von Transparenz und Offenheit sollte es keiner Schule mehr erlaubt sein, der interessierten Öffentlichkeit ihre Schulleistungsdaten vorzuenthalten. – Rainer Werner

 

Schule – Alles schlecht in Corona Zeiten? Ich habe 18 Jahre mit einer vollen Stelle in den Fächern Sozialwissenschaften, Sport und Mathematik an einer Gesamtschule in NRW gearbeitet. Seit Oktober 2019 war ich zu einer 18-monatigen krankheitsbedingten Auszeit gezwungen und kehrte im Februar 2021 an meine Schule zurück. Für ein Schulhalbjahr konnte ich langsam mit wenigen Stunden wieder in den Unterricht einsteigen. Dort wurde ich mit gravierenden Neuerungen an meiner Schule konfrontiert. Unterricht wie ich ihn kennengelernt hatte, gab es nicht mehr: · Das WLAN an der Schule funktioniert flächendeckend. Früher gab es ein Faxgerät im Sekretariat. · In allen Räumen sind Beamer installiert. Früher waren in den meisten Räumen defekte Tageslichtschreiber. · Alle Lehrer verfügen über einen Dienst-Laptop, bedürftige Kinder haben ein Leih-Tablet. Früher stand Lehrern kostenlos Kreide zur Verfügung. ·

Die Unterrichtsplattform IServ funktioniert einwandfrei: Videokonferenzen, Emails, Aufgabenmodul, Dateimanagement. Früher verschickten wir Briefe. · Die Schule hat einen Youtube-Channel für Erklärvideos. Früher war im Intranet der Schule die Youtube-Seite geblockt. · In den Klassen sitzen im Wechselunterricht maximal 15 Kinder. Es herrscht eine entspannte Arbeitsatmosphäre. Früher waren bis zu 31 Kinder in einer Klasse mit 40m². · Nachmittags findet in der Sek I kein Unterricht statt. Die Kinder können zu Hause mit den Freunden spielen. Früher ging die Schule in der Sek I dreimal bis 15.30 Uhr. · 15 Kinder können mit zwei Lehrern alleine das Schwimmbad nutzen. Früher waren 3 Klassen mit 80 Kindern gleichzeitig im Bad. · Auch in der Sporthalle sind maximal noch 30 Kinder, es ist angenehm ruhig.

Früher lärmten hier 90 Kinder. · Ich habe Förderstunden mit 2 bis 3 schwachen Schülern in Mathe bekommen und bei den Kindern beängstigende Lernfortschritt festgestellt. Früher saßen immer 30 Kinder in meinem Matheunterricht. · Ich musste jeden Tag nur noch maximal 4 Stunden unterrichten und war sehr entspannt. Es blieb viel Zeit, guten Unterricht mit digitalen Hilfsmitteln vorzubereiten. Früher gingen die Schultage oft von der 1. bis zur 11. Stunde und ließen nicht viel Platz für Unterrichtsvorbereitung. Liebe Bildungspolitiker, lasst doch das System einfach so!

Baut noch ein paar mehr Schulen, in denen dann ein bisschen mehr Platz für alle ist und stellt noch ein paar LeherInnen ein. Wenn ihr dann noch die Lehrpläne entschlackt (Lesen, Kopfrechnen, Schreiben ist wichtig!), überflüssige Fächer (z.B. Religion und Wirtschaftslehre) streicht, endlich vom 45-min Korsett abrückt und eure Schulleiter einfach mal machen lasst, dann sind wir spätestens in 15 Jahren auf Platz 1 des PISA-Rankings! – Frank Wehmeyer

 


 

 

Leserbriefe zu „Verhandeln Frauen anders?“ Gespräch mit Jamila Ali Rajaa und Helga Schmid geführt von Lea Frehse

 

In sich steigernder Häufigkeit fällt mir auf, dass in Texten der ZEIT das Unsteigerbare gesteigert wird. Als jüngstes Beispiel nenne ich Seite 6 der aktuellen Nummer 20. Dort ist von einer „hochrangigsten“ Diplomatin die Rede, wo doch von einer höchstrangigen Diplomatin geschrieben werden sollte. Jedenfalls nach Duden. Aber vielleicht gibt es sprachliche QuerdenkerInnen in Ihrem Lektorat, die alternative und hochfrequentiertetste Komparationsformen der Diktatur der Sprachlogik vorziehen. Aber so wie man ein Pferd nicht von hinten aufzäumen soll, soll man Adjektive auch nicht von hinten steigern. – Rainer Nolte

 

Die Anmerkung der Redaktion zu Kat (Alltagsdroge wie Kaffee) ist zumindest leicht irreführend: Kat enthält Cathin, ein Amphetamin. Über die Wirkung auf eine Gesellschaft muss man sich nur Jemen (vor dem Bürgerkrieg), Somalia oder Äthiopien anschauen. – Peter Pielmeier

 

ZEITText „hochrangigsten“ ist sprachlich falsch, weil der Superlativ das falsche Wortelement steigert. Die gemeinte Steigerung von hoch ist höchst. Also wäre richtig: „höchstrangigen“. Dieser systematische Fehler ist mittlerweile recht verbreitet. Versuchen Sie, ihn künftig zu vermeiden. – Friedrich Westerworth

 

Ja! Tolles Interview, erschreckender Titel. Das Frauen anders verhandeln und damit auch andere Ergebnisse erzielen, ist in der Verhandlungsforschung hinreichend analysiert und belegt. Die Frage sollte sich nicht stellen, aber leider werden die Erkenntnisse in der deutschen Debatte, vor allem über Frauen in Führungspositionen und den Gender Paygap geflissentlich ignoriert. Dabei gibt es mit “Women don’t ask” (Babcock und Leschever 2003) schon lange eine recht gute populärwissenschaftliche Zusammenfassung der Erkenntnisse. Man muss nur das Thomas Killmann Konfliktmodell mit dem persönlichen Erfahrungshintergrund spiegeln, um zu sehen: Männer verhandeln häufig egoistischer, Frauen beziehungsorientiert (oder nachlesen z.B. bei Brahnam et al. 2005).

Auch entsprechende Analysen zu Lewicki’s SINS scale zur ethischen Bewertung von Verhandlungstaktiken belegen wiederholt, dass Männer häufiger bereit sind, rücksichtsloser zu verhandeln um ihre Ziele durchzusetzen (z.B. Ma 2010, oder Westbrook et al. 2011, Herbst et al 2017). Schön ist, wie das in dem Interview exemplarisch vorgeführt wird: Fr. Ali Rajaa gleich am Anfang “Helga, …., antworten Sie doch bitte zuerst”. Fr. Schmid bringt es dann später entscheidend auf den Punkt: “Das ist es, was mich frustriert: Frauen sind so aktiv, auch in der Diplomatie, im Hintergrund. Aber wenn es wirklich zur Sache geht, sollen sie Platz machen”.

Hier werden genau die oben genannten Verhandlungsmechanismen vorgeführt: Frauen nehmen sich eher zurück, um das Beziehungsgeflecht zu schützen und zu fördern. Männer sind eher bereit, Beziehungen zu zerstören, um Ihre Eigeninteressen durchzusetzen. Das sind in Wirtschaft, Politik (und häufig auch in Familien) einheitliche Mechanismen, die die individuelle Gehaltsentwicklung genauso beeinflussen wie internationale Konflikte. PS: Hope not to Mansplain. – Prof. Dr. Tilman Eichstädt

 


 

 

Leserbriefe zu „»Schuld und Sühne sind keine historischen Kategorien«“. Gespräch mit Götz Aly geführt von Ijoma Mangold

 

Zwei interessante Interviews, zwei verschiedene Sachbereiche, zwei beschuldigte Personengruppen – eine Erkenntnis: Die Menschen können von Macht, Geld, falschem Ruhm und Eitelkeiten nicht lassen. Die Vorwürfe: Halbherziges Handeln, mangelnde Empathie, fehlende Selbstkritik und Einsicht. Nicht nur in der Politik, auch in anderen Gesellschaftsbereichen. Die Enttäuschung meinerseits ist groß:

Die EKD hilft nur sich selbst: Nichts hergeben, weder Geld, noch Zugeständnisse, noch aufrichtigen guten Willen. Die Museumsverantwortlichen (insbesondere in Berlin): Festhalten an fremdem Eigentum, Worthülsen und Lügen als Entschuldigung, Eigennutz und mangelnde Empathie darüber, dass sich andere Nationen über Rückgaben ihres Eigentums freuen würden. – Wir haben das Sagen, wir haben die Macht. Wie gesagt: Die Enttäuschung ist groß. – Klaus Prinz

 

Wie wenig das Unrechtsbewusstsein bezüglich der deutschen Kolonialverbrechen noch immer ausgeprägt ist, macht auch das städtische Ehrengrab auf dem Poppeldorfer Friedhof in Bonn für Lothar von Trotha, einen der Hauptverantwortlichen des Genozids an den Herero und Nama in Südwestafrika mit Zehntausenden von Toten deutlich. – Ludwig Engstler-Barocco

 

Aufmerksam habe ich das Interview mit Herrn Götz Aly gelesen. Nach Rücksprache mit dem Experten für die Kolonialzeit in der Südsee Herrn Prof. Dr. Hermann Hiery von der Universität Bayreuth halten diese Ausführungen einer kritischen Überprüfung nicht stand. Laut Auskunft von Herrn Prof. Hiery wurden die Kolonien nicht wie beschrieben ausgeraubt,sondern es wurde mit den verschiedenen Exponaten Handel getrieben Zum größten Teil wurden die Dinge erst hergestellt und anschließend an die Kolonialherren verkauft. Darüber hinaus ist zu bemerken, dass nur sehr wenige oder gar keine Kolonialherren vor Ort waren. Die Kolonien waren im Besitz des Kaiserreiches, aber deutsche Verwalter und „Ausbeuter“ überhaupt nicht anwesend..

Angeblich legt das Luf-Boot Zeugnis ab von einer Hochkultur. Auf welche Quellen beruft sich her Aly? Mitnichten ist eine derartige Behauptung richtig und lässt sich durch nichts beweisen. Berlin verfügt angeblich über 65000 Exponate,die überwiegend“ auf räuberische und und unredliche Art zu uns gelangt sind.“ Nichts an der Behauptung ist wahr. Herr Aly ist Experte auf dem Gebiet des Nationalsozialismus und sollte sich“ aus Dingen -Zitat Prof. Hiery-von denen er keine Ahnung hat“ heraushalten. Wenn Sie über derartige Themen schreiben,sollten Sie Fachleute zu Rate ziehen und sich nicht auf „Experten“ berufen,deren wissenschaftliche Expertisen dazu sehr fragwürdig sind. Ich für meine Person bin sehr enttäuscht, dass in derartig reißerischer und aufdringlicher Art ein Artkel veröffentlicht wird, dessen Wahrheitsgehalt sehr gering ist.

Seit mehreren Jahren lese ich „die Zeit“ und bin neben vielen sehr guten Recherchen auch auf Ausführungen gestoßen,die mir sehr fragwürdig erschienen. Dieses Interview hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Nicht aufdringliche und reißerisch aufgemachte Artikel sind gefragt, sondern gut recherchierte und solide Ausführungen.Auf Dauer können Sie nur so Ihre kritischen Leser bei der Stange halten. – Dr. Rüdiger Zier

 


 

 

Leserbriefe zu „»Ich werde euch alle töten!«“ von Anne Hähnig et al.

 

„Man kann nicht behaupten, dass die deutschen Behörden ahnungslos gewesen waren“, so schreiben Sie. Im übernächsten Absatz werden dann 5 Behörden genannt. 5 von zig-tausend. Die Behörden, bei denen ich gelernt, gearbeitet habe, kennen Abdullah H. nicht, sind also in dieser Beziehung ahnungslos. Sie sind ja auch nicht zuständig, dürfen sich nicht damit befassen. Verwaltung würde zusammenbrechen, wenn sich jede Behörde in Deutschland (sagen wir mal alle Gemeinde- und Kreisverwaltungen) um Abdullah H. kümmern würde. Zu Recht bemüht sich die ZEIT, bemühen sich viele Medien, Ausländer, Asylanten… nicht pauschal zu beurteilen, zu verurteilen. Aber wie oft habe ich schon gelesen (auch in der ZEIT) oder gehört, „die deutschen Behörden haben versagt“. Vielleicht haben 3 Behörden in einem Fall nicht gut reagiert und schon haben „die Behörden“ versagt und damit Millionen von Beschäftigten im öffentlichen Dienst.

Nun kann man argumentieren, jede Behörde, jeder dort Beschäftigte ist Teil eines „Systems“, in dem jede(r) seine Aufgabe hat und wenn einer versagt, funktioniert das ganze System nicht. Im weiteren Sinne aber gehört zum „deutschen System“ auch die Vierte Gewalt, die Medien. Deutschland ist gut/ schlecht durch eine Krise gekommen, heißt es manchmal. Dann sind im Prinzip alle Bürger des Landes mit eingeschlossen. Diesen Brief hätte ich schon viel früher, bei echtem „Behördenversagen“ schreiben sollen. Aber vielleicht denken Sie noch mal über Verallgemeinerungen nach. – Adolf Ronnenberg

 

Warum dürfen gemeingefährliche Geisteskranke zeitlich unbegrenzt in geschlossenen Anstalten festgehalten werden, gemeingefährliche Fanatiker aber nicht? Natürlich darf niemand allein aufgrund seiner Gesinnung eingesperrt werden, aber wenn jemand seine Mordabsichten selber glaubhaft verkündet, warum wird er dann trotzdem nicht weggesperrt? Wer glaubhaft vorhat, „Ungläubige“ zu töten, sollte meines Erachtens nicht frei herumlaufen dürfen. Und alle, die „Gläubige“ dazu motivieren, „Ungläubige“ physisch zu verletzen oder gar zu töten, handeln meines Erachtens nicht weniger verbrecherisch und sollten ebenfalls entsprechend bestraft werden. Damit meine ich auch jene Leute, die im Internet Hass auf Andersdenkende und Anderslebende schüren und verbreiten.

Soweit sie das in den sogenannten sozialen Medien – Facebook, Twitter, Instagram, YouTube usw. – tun dürfen, sollten auch die Betreiber*innen dieser Plattformen dafür zumindest mit hohen Geldstrafen – Milliarden Euro bei Milliardengewinnen – zur Rechenschaft gezogen werden. Allerdings halte ich Haftstrafen für Unternehmer*innen, die aus Gewinnsucht die Verbreitung von Beleidigungen, Lügen, Hass, Aufrufen zur Gewalt usw. zulassen und fördern, für weitaus angemessener. Übrigens: Auch ich war mit meinem Mann schon als Tourist in Dresden – zu unserem Glück an einem anderen Tag. – Dr. Ulrich Willmes

 

Vielen Dank für den ausführlichen Bericht über den Attentäter von Dresden. Er zeigt mal wieder die Ohnmacht und den mangelnden Willen unserer Behörden auf. Hier ist ein IS-Anhänger, der nicht nach Syrien abgeschoben werden kann und der dann hier in Deutschland Menschen tötet. Was hätte der Rechtsstaat anders machen können. Ich denke, es ist an der Zeit, IS-Anhänger auch nach Syrien abzuschieben. Es ist an der Zeit, abgelehnte Asylbewerber sofort abzuschieben. Es ist an der Zeit, radikale Imane die deutsche Staatsbürgerschaft abzuerkennen und radikale Moslemverbände zu verbieten. Vor allem ist es wichtig, den Einfluss des türkischen Präsidenten auf die hiesigen muslimischen Gemeinden zu begrenzen.

Es kann nicht sein, dass die Finger in die Wunden der muslimischen Gemeinden nicht nur von demokratischen Muslimen getätigt werden. Die dann auch noch geschützt werden müssen (z.B. Taslima Nasrin, Ahmad Mansur, Cem Ödzemir usw). Viele Politiker, Moderatoren und Pressevertreter trauen sich nicht mehr die Wahrheit zu sagen, bzw. wollen es auch nicht, weil sie blind sein wollen. Ich will beileibe nicht alle Muslime in einen Topf werfen. Die meisten respektieren unsere Werte. Aber ich sehe aus meinem Umfeld, dass wir alle frustriert sind, anlässlich der Ohnmacht unserer Behörden und den mangelnden Durchsetzungswillen der Organe. – Helmut Köther

 


 

 

Leserbriefe zu „Der grüne Kapitalist“. Gespräch mit Michael Otto geführt von Uwe Jean Heuser und Marc Widmann

 

Lieber Herr Otto, es ist ja ein ganz anständiges Interview, welches dort wiedergegeben wird. Dass Sie trotz Allem „Kapitalist“ sind, ist verständlich und akzeptabel. Nur in einem Punkt liegen Sie etwas daneben. Dass Sie als Unternehmer eine Steuerphobie haben, auch das ist verständlich. Nur diese Aussage – ich zitiere – „… Wenn es heißt, erst ab 150.000 Euro im Jahr soll der Steuersatz steigen, dann trifft das den Enizelhändler oder den Handwerksbetrieb mit vielleicht 200.000 oder 300.000 Euro Gewinn im Jahr. Die brauchen aber im Augenblick jeden Cent, um aus ihrer schwierigen Coronalage wieder rauszukommen…“ (Ende des Zitates), ist etwas – sagen wir – verwirrend.

Ihnen ist da, scheint mir, ein Fehler unterlaufen. Ich hoffe, nicht mit Vorsatz. Wenn ein Einzelhändler oder Handwerksmeister nach Abzug aller Kosten des Unternehmens, aller kalkulatorischer oder sonstiger Absetzungen, Abschreibungen, Rückstellungen, Steuern, Abgaben etc. 200.000 oder 300.000 Euro übrig hat (ca. 17.000 bzw. 25.000 Euro im Monat!), ist das kein kleines Unternehmen, sonder schon ein anständiger Mittelständler. Und ein derartiges Unternehmen kann vorsorgen für schlechte Zeiten! Und der Staat darf meines Erachtens selbstverständlich Steuern verlangen, von mir aus auch 50 %!

Außerdem gibt es in dieser Einkommensregion etliche Möglichkeiten, die Steuerpflicht noch zu minimieren, von denen wir normal Sterblichen gar keine Ahnung haben. Doch ich kenne mehr Selbständige, die nach allen Abzügen eher 20.000 oder 30.000 Euro im Jahr übrig haben, die mit Mühe ihre Versicherungen und ihre Altersvorsorge bezahlen können und sich über Steuern auf den kärglichen Rest nicht wirklich so große Sorgen machen müssen. Ich habe nach einer längeren Krankheit Industriekaufmann gelernt. – Matthias Lohse

 

„Kürzlich hat ein großer Discounter das Kilo Schweinefleisch um einen Euro teurer verkauft, damit die Bauern höhere Einnahmen haben und mehr für die Tiere tun können.“ Frage: Wie viel, oder besser, wie wenig Cent von dem Euro kommen beim Bauern an?? Der Verkaufspreis von Milch wurde vor einigen Jahren um 10 Cent erhöht, aber es kam nur ½ Cent beim Bauern an. Da gehe ich lieber zu einem richtigen Fleischer, auch wenn es davon nicht mehr so viele gibt. – Klaus Rozinat

 

Lieber Herr Otto,ich bin großer Fan von Ihnen und freue mich seit Jahren über Ihr Engagement im Natur- und Umweltschutz. Weil Sie so vieles richtig machen, möchte ich doch eine kleine aber relevante Aussage von Ihnen richtig stellen. Sie kritisieren ine Einkommensteuererhöhung, weil sie mittelständische Unternehmer an Investitionen hindere. Da ich selbst Unternehmer bin, möchte ich dem Widersprechen: Die Einkommensteuer errechnet sich aus dem, was am Ende des Tages für Sie übrig beibt. Es sind bereits alle Betriebskosten, Investitionen, und Kreditforderungen abgeflossen. Sogar Investitionsrücklagen für zukünftige Investitionen können vor der Steuer geschützt werden.

Was dann übrig bleibt, wird an die Teilhaber*innen ausgeschüttet. Das ist Ihr Einkommen. Bei haftungsbeschränkten Gesellschaften (z.B. GmbH) kann Ihnen das auch keiner mehr nehmen. Eine höhere Einkommenbesteuerung der Unternehmer könnte im Besten Fall dazu führen, dass ein Unternehmer lieber investiert als in einen hohen Steuersatz zu riskieren. Gleiches gilt für die Vermögensteuer. Brachliegendes Vermögen hilft der Ökonomie nicht. Hier könnte eine Vermögenssteuer ihre Lenkungswirkung entfalten. – Martin Kruckenberg

 


 

 

Leserbriefe zu „Ein Blitz ging durch ihn hindurch“ von Iris Radisch

 

Wenn es bei Karl Kraus heißt: Das Werk kann den Menschen nicht rechtfertigen; nur der Mensch das Werk; hält man es bei Camus für möglich, dass das Werk den Menschen rechtfertige. Wieso? Weil es so ist. (August Walla) – Paul Zwirchmayr

 

Wenn ich eine Ihrer Rezensionen gelesen habe [zuletzt die über den Briefwechsel zwischen Maria Casarès und Albert Camus], fühle ich mich jedesmal bereichert. Sie bringen Ihre innere Anteilnahme am Werk und Autor in einer besonderen, Ihnen eigentümlichen literarischen Sprache zum Ausdruck, die mir sehr zusagt. Damit gelingt es Ihnen immer wieder, mir Bücher, Autoren oder Themen nahe zu bringen. Ich werde auf besondere Aspekte und Zusammenhänge aufmerksam gemacht. So manche Feststellung, manche Bemerkung, manche Erklärung und manches Urteil lässt sich transferieren, auch aufs eigene Leben und Erleben. Ich hoffe, ich kann noch viele Beiträge von Ihnen lesen! – Bernd Schmidt

 

Ich war nach Lesen des Artikels geschockt, dass Frau Radisch „den erhabenen Balzgesang“ Camus mit Rührung und angehaltenem Atem gelesen hat. Mir fehlen die Worte für dieses Ekelpaket von Mann, der „das Gespenst aus der Vergangenheit“, wie er seine Frau nennt, systematisch in die Psychiatrie getrieben hat. Ein gegebenes (Ehe)Versprechen zieht er um den Preis ihres Selbstmords durch, öffentlicher Dauerbetrug ist ganz problemlos akzeptabel. Warum hat diese arme Frau nicht selbst den Absprung geschafft und sich befreit, statt sich auch noch schwängern zu lassen? – Dr. Aide Rehbaum

 


 

 

Leserbriefe zur Infografik „Hoffnungsträger“ von Matthias Schütte (Infografik) und Günter Schütte (Recherche)

 

Russisch Roulette von AstraZeneca ist ein sehr beliebtes Glückspiel, das von zwei Spielern gespielt wird. Ein Spieler nimmt die Dose mit Impfstoff von AstraZeneca in die rechte oder linke Hand und öffnet diese Dose. Danach nimmt er die beigelegte Spritze und befestigt die Nadel am Spritzkörper. Nun wird die Nadel der Spritze in die Dose gesteckt und der flüssige Inhalt der Dose wird mit großer Sorgfalt auf die Spritze aufgezogen. Warnhinweise können beachtet werden! Der zweite, der passive Mitspieler, der unbedingt sitzen muss, macht unterdessen seinen linken oder rechten Oberarm frei.

Der Spieler mit der Spritze sticht nun die Nadel der Spritze in die Oberarmmuskulatur des passiven Mitspielers und drückt einfach ab! Das Spiel ist aus. Das Russisch Roulette von AstraZeneca wurde bisher millionenfach gespielt. Wieviele (passive) Mitspieler das Russisch Roulette von AstraZenca nicht überlebt haben, dazu gibt es leider keine wirklich gesichterten Angaben. – Klaus P. Jaworek

 

In der Zeile Wirksamkeit, acht Impfstoffe für die EU, scheint hier wohl eine Fehler unterlaufen zu sein. Sie geben die Wirksamkeit BioNTech/Pfizer mit 95% und Astra-Zeneca mit 60% an. Der erste Wert bezieht sich wohl auf 2 Impfungen, zweiter nur auf eine Impfung. Sollte es tatsächlich so sein, sehe ich mich bei meiner ersten Impfung im Impfzentrum vollkommen fehlinformiert, ich hoffe nicht bewußt! – Bernd Kramer

 

The following link from Astrazenica shows a different efficacy as in your article, also it is not clear how many doses are being measured. https://www.astrazeneca.com/media-centre/press-releases/2021/covid-19-vaccine-astrazeneca-confirms-protection-against-severe-disease-hospitalisation-and-death-in-the-primary-analysis-of-phase-iii-trials.htmlI write this with the background of a witch hunt being carried out in the EU against Astrazenica, accuracy is very important otherwise one would think this article is a part of this witch hunt! Or have I misunderstood your figures? – Christopher Mercer

 


 

 

Leserbriefe zu „HEIMWEGE“ von Lutz Seiler

 

Könnten Sie bitte dem Klimakrise-Querdenker Lutz Seiler nicht so viel Platz bei seiner Klimazerstörung einräumen. Ich kenne die Strecke Berlin-Stockholm gut, sie kann recht passabel mit dem klimaneutralen Zug zurückgelegt werden. Dazu muss man nicht fliegen und nicht mit dem Auto fahren, noch hinzu nicht einen doppelt so langen Umweg. Eine junge Frau aus den Medien zeigt ja immer wieder auch, dass es auf der Strecke gut mit dem Zug geht.

Die Zeit propagiert zusammen mit Lutz Seiler sich nicht an wissenschaftliche Erkenntnisse zum Klimaschutz zu halten! Mit dem Verhalten von Lutz Seiler erreichen wir garantiert nicht die Klimaziele von Paris. Wenn Corona-Querdenker in Ihrem Blatt zu Wort kamen, haben Sie ausführlich die wissenschaftliche Faktenlage gegenüber gestellt. Das erbitte ich in Zukunft auch, wenn Klimakrise-Querdenker wie Lutz Seiler zu Wort kommen. Danke! – Christian v.Appen

 

Muss denn das sein? Wenn ein alter Mann immer noch nichts verstanden hat und weiterhin seinen Beitrag zum Klimaschutz nicht leisten mag, traurig, aber muss DIE ZEIT ihm dafür auch noch so umfangreich Platz in ihrem Blatt einräumen, so dass wir alle ihm dabei ausführlich zusehen können? Lutz Seiler hat einst einmal ein schönes Buch über Hiddensee geschrieben und ich hatte vermutet, er habe deshalb auch etwas für die Natur übrig. So kann ich mich täuschen. Bitte nicht mehr diese rückwärts gewandten Ansichten von alten Männern, die mit ihrem Verhalten die Zukunft devastieren. Danke! – Achim Michael Hasenberg

 


 

 

Leserbriefe zum Titelthema „Wie Väter uns prägen“ von Tillmann Prüfer

 

„Warum ein Vater anders sein darf als eine Mutter“ Ein Vater bedarf also nicht nur einer Erlaubnis, anders als eine Mutter zu sein, sondern diese Erlaubnis muss auch noch begründet werden. Habt Ihr sie denn noch alle? – Frank Hrebabetzky

 

„Und warum ein Vater auch anders sein darf als eine Mutter“ – und die Mutter? Den Männern gehört auch als Vätern der Himmel,denn die Frauen werden schon dafür sorgen, dass der Laden „Familie“ läuft. Sie sind Mütter und nicht „anders“. Ihre Verlässlichkeit in der Ausfüllung des vorgesehenen Rollenbildes verschafft den Männern ihre Freiheit. Besser hätte man in einem Halbsatz in der Überschrift nicht zusammenfassen können, wie Frauen und insbesondere Mütter in der Bundesrepublik Deutschland in den vergangenen 70 Jahren und bis heute subtil immer wieder auf ein klar begrenztes Rollenbild reduziert werden. Und keinem fällt’s auf. – Dr. Anne Margarian

 


 

 

Leserbriefe zu „Stunde des Patrioten“ von Ulrich Ladurner

 

Patriotismus und Nationalstolz an und für sich sind keine falschen Einstellungen und sind in Italien ziemlich ausgeprägt. Aus dieser inneren Haltung heraus leitet Draghi auch die Forderung zu mehr Respekt gegenüber seinem Vaterland ab. Abgesehen davon, dass gegenseitiger Respekt allgemein die Basis für ein korrektes Miteinander bilden, so sind in diesem Zusammenhang doch Leistung und Erfolg die Voraussetzung für Vertrauen und Respekt gegenüber dem Staat Italien zu sehen. Die Geschichte und vor allem die letzten 20 Jahre lehren uns, dass im Umgang mit öffentlichen Mitteln und Beiträgen, welche aus harter Arbeit anderer Länder stammen, äußerste Vorsicht geboten ist.

Zwei zentrale Schwachstellen in Italiens Wirtschaft sind die Produktivität und der kranke Süden. Während ein nicht unwesentlicher Teil des Recovery – Kuchens in das Fass ohne Boden des Süden Italiens und deren dubiosen Kanälen (man erinnere sich an die Kassa für den Süden) fließen soll, sind für die Steigerung der Produktivität wenige bis keine Ansätze zu sehen. Insofern ist die Sorge anderer europäischer Länder über die Verwendung der Hilfsmittel in Italien mehr als berechtigt. – Hard Noflatscher

 

Was für ein starker und intelligierter Mann. Mario Draghi ist der kommende Mann auch für die Politik. Der Mann macht genau das, was die beamteten Politiker nicht machen. Draghi formt in aller Diskretion und Stille sein Kabinett – wie sie schreiben. In Deutschland unvorstellbar. Auch in den deutschen Medien wäre der Teufel los. Draghi gehört eigenlich nach Brüssel, dann würde aus der EU endlich ein Union.

Wenn ich die Diskussion über die „Gendersprache„ lese und höre, habe ich oft das Gefühl unter dämlichen Menschen zu leben. Welch eine Wohltat wieder nach Singapur zurückzukehren – meinen eigentlichen Wohnsitz. Überhaupt, Asien gehört die Zukunft. Italien geht mit Draghi einen guten Weg. Deutschland ist ohnehin dabei, international kaum noch eine Rolle zu spielen. – Gunter Knauer

 


 

 

Leserbriefe zu „Was suchen wir im Baumarkt?“ von Sebastian Kempkens und Julia Kopatzki

 

Was im Baumarkt gesucht wird? Das ist doch klar.Irgendwas Günstiges,um zu Hause eine dringende Reparatur oder Verschönerung auszuführen.Da kommt sich der Hausherr besonders schlau vor,spart er doch den teuren Handwerker.Aber so einfach ist das nicht. Da wird bemerkt, da fehlt noch ein Teil. Oder ein Werkzeug. Also wieder zum Baumarkt.Beim Heimwerken dann,die Angst,ob das Material reicht.Und ob die Fähigkeiten reichen, die Pläne auszuführen.Für Murks wird’s reichen,und das war’s dann.Also, unterstützt das gewerbliche Handwerk,die Leute da können es besser. – Hans-Emil Schuster

 

Das muss ich heute loswerden …. Was für ein wunderbarer Beitrag über die Baumärkte als „Krankenhäuser des Handwerks“ in der letzten Ausgabe der ZEIT. Schlagartig bekam ich gute Laune! ˋSchneider: Ich hatte einen Kunden, der kam und sagte: Nagel. Ich so: Hammer. Und er guckte mich an: Ne, ich brauche einen Nagel. Und ich so: Ja, da haben wir jetzt doch mal einen ganzen Satz draus gemacht.´ Welch geniale Frühstückslektüre! Der Tag war geritzt. Und auch heute muss immer wieder kichern, wenn ich daran denke. – Christof Blumentrath

 


 

 

Leserbriefe zu „Wie man seinen Weg findet“ von Stefanie Kara

 

In ihrem Artikel soll der Vogel den Winkel zwischen geografischen Nordpol und magnetischen Nordpol ( Deklination ) erkennen. So kurios es aber klingt, in der Nähe des geografischen Nordpols liegt der magnetische Südpol. Erklärung: der Pol der Magnetnadel, der nach Norden zeigt wird Nordpol genannt. Also wird er von einem Südpol angezogen der im Norden liegt.Auch nachzulesen im Lexikon ABC der Physik. Eine Berichtigung wäre schön. – Fritz Leitzig

 

Mir scheint, dass die Aussage „“je höher die Sonne, desto näher am Äquator“ nicht korrekt ist. Wenn man beispielsweise am 20. Juni zwischen Äquator und nördlichem Wendekreis segelt, müsste gelten: „je höher die Sonne, desto näher am nördlichen Wendekreis“. – Dieter Schuster

 


 

 

Leserbriefe zu „WORTSCHATZ“

 

Das Wort „schmulen“ in der Ausgabe vom 12.Mai 2021 weckte Erinnerungen an die Kindheit in Berlin. Zu diesem Versteckspiel gab es noch einen Reim besonderer Art, über den wir heute noch lachen : Eins, zwei, drei vier Eckstein,/ alles muss versteckt sein./ Wer hinter mir und vorder mir/ an allen beiden Seiten,/ muss dreimal hinternander dranne sein. – Marianne Reichardt

 

Das Wort ist mir aus meiner Brandenburger Kindheit vom Versteckspiel vertraut. Wenn der/die Sucherin zu schnell gezählt hatte, rief man melodisch: bleib da wo du bist und schmule nicht! Das zugehörige Substantiv scheint Schmu zu sein. Wenn jemand beim Kartenspiel zu mogeln versuchte, sagte man: du machst Schmu! – Martin Müller

 


 

 

Leserbrief zu „Regierung, bitte aussteigen!“ von Claas Tatje

 

Ein interessanter Beitrag, vielen Dank. Ja, Zitat:“Denn Erfahrungen mit Staatsbeamten als Manager sind in der Airline-Branche längst gemacht worden, und sie waren mies“. Natürlich darf dem Staat „Talentlosigkeit“ zugeschrieben werden, insbesondere aus ideologischen Gründen. Also eine schweizerische Fluggesellschaft hatte vor der seinerzeitigen Übernahme durch die Lufthansa einen VR und ein Management, das in liberalen Kreisen gut vernetzt und folglich auch gestützt war. Dieses Management (keine Staatsbeamten) erlangte aber vor allem deshalb Berühmtheit, weil es Strategien verfolgte, die untauglich waren und zum Grounding der Unternehmung führten.

Die Folgegesellschaft der seinerzeit von der Lufthansa übernommenen Unternehmung spart in dieser Zeit am richtigen Ort, weigert sie sich doch, ihren Mitarbeitenden in Genf den dortigen kantonalen Mindestlohn zu bezahlen. Auf dem Hintergrund ideologischer „Staatsverdrossenheit“ empfehle ich immer, konsequenterweise doch auf Staatsaufträge zu verzichten, gelten Staatsausgaben aller Art in derartigen Kreisen doch grundsätzlich als „Verschleuderung“ hart verdienten Geldes. Ja, die Sache mit Staatsaufträgen ist eine hochinteressante, fast so interessant wie jene mit den Subventionen. – Oskar Gröflin

 


 

 

Leserbrief zu „Kennt Liebe ein Gesetz?“ von Katja Nicodemus

 

Vielen Dank für das Interview mit Anthony Hopkins. Nur eine Anmerkung dazu, bitte: man muss nicht nach Fern-Ost sehen, um seine ersten Äußerungen über seine Haltung mit „zenhaft“ zu beschreiben. Im Nahen-Osten gab es auch Texter, die das vor 2.500 Jahren formulierten: Kohelet (in der Bibel). Die Haltung des Kohelet stimmt mit Hopkins Fazit zum Leben und seiner „Nutze den Tag“-Einstellung überein. Die antiken Römer meinten auch schon „respice finem“. Den Tod also wissend im Hinterkopf wird das tagtägliche Leben deswegen zunächst sinnlos, aber es abverlangt von uns täglich, das beste herauszuholen und stiftet damit den Sinn des Lebens – Das Beste zu machen, was man kann, und zwar nicht auf Kosten Anderer. Was Hopkins mal so eben ausrollt, ist die Königsdisziplin, wie Menschen eingestellt sein können. Grandios. – Daniel Pein

 


 

 

Leserbrief zu „Karlsruher Frühling“ von Roland Müller

 

Die Karlsruher Schauspieldirektorin Bergmann will also nicht mit „Rechten, Nazis und der AfD“ reden. Weiß sie eigentlich, was sie sagt? Will sie wirklich nicht mit Teilen der CDU/CSU und FDP und mit kleineren Teilen der SPD reden? Hätte Die Zeit einen Artikel über einen Schauspieldirektor veröffentlicht, der nicht mit „Linken“ reden wolle, weil sie (Stalin, Mao, Pol Pot) Dutzende von Millionen Menschen auf dem Gewissen haben? Mit einem solch undifferenzierten Artikel trägt Die Zeit leider dazu bei, Hass auf alles, was nicht links ist, zu verbreiten. – Rolf Schikorr

 


 

 

Leserbrief zu „Jetzt melken sie die Maus“ von Marcel Laskus

 

Wie schade, dass die Maus nun so kommerziell ausgebeutet wird. Erst neulich fiel mir im Tiefkühlregal eines Supermarktes die neue „Meistertorte Die Maus“ unangenehm auf: hatte sie doch satte 22 Prozent Zucker und fast 12 Prozent Fett. Hier erweist die Maus als „Ikone des Pädagogischen Fernsehens“ Kindern im Hinblick auf eine gesunde Ernährung einen Bärendienst. Hier der Link zur Torte: https://www.coppenrath-wiese.de/produkt/die-maus-multifrucht-joghurt-torte.aspx#tabs-1Imke Wolf

 


 

 

Leserbrief zu „Ist das noch Sozialismus?“ von Christoph Dieckmann

 

„Es liebte die Sterne: Jutta Hoffmann, Egon Geschonneck, …“ Wer ist denn Egon Geschonneck?? Erwin, Matti, Heike, … aber Egon?? Sie sollten sich mal 2…3 Filme anschauen.. – Klaus Rozinat

 


 

 

Leserbrief zu „Die Angst vor dem Impfstoff“ von Andrea Böhm

 

Für Deutschland: Der positiv-getestete Mensch wird weiterhin krankgeredet! Die Intensivstationen platzen aus allen Nähten, 20 % davon sind „Covid-Patienten“! Ein Land befindet sich im intensiven Pandemie-Rausch. Testen, testen, testen und impfen, impfen, impfen, tönt es laut; und die heilige Inzidenz-Kuh schwebt weiterhin über uns! Wer will da eigentlich noch ein Leben nach Corona? Für Afrika: siehe unter Deutschland!!!!! „Die Welt ist eine Irrenanstalt, in der jeder beliebige den Doktor spielt!“ (Pavel Kosorin, *1964, tschechischer Schriftsteller) – Riggi Schwarz

 


 

 

Leserbrief zu „Nein, ja, nicht direkt“ von Christine Lemke-Matwey

 

Wo treiben sie sich den ..rum. Was schreiben sie denn da. Eine 1+ bekommen sie von mir. Wie kommen sie auf Käthe Gold. Die Frau kennt doch kein Schwein – ausser mir. Das Anstellen haben sie schön zu Papier gebracht. Ich gehöre zur Kategorie 1. Damit sie Bescheid wissen, wenn wir uns treffen sollten. – Gunter Knauer

 


 

 

Leserbrief zu „Flieg oder stirb“ von Ulrich Stock

 

Wenn Ulrich Stock über Jazz schreibt, kann man sicher sein, dass bei der Lektüre an der einen oder anderen Stelle ein Funke überspringt und sich kleine Freudenfeuer entzünden: Momente, in denen uns bewusst wird, welches Glück es bedeutet, am Leben zu sein. – Ludwig Engstler-Barocco

 


 

 

Leserbrief zu „Morning Glory“ von Stefanie Flamm

 

Ja, die Morning Glory, die hatte ich auch mal im Garten. Aber was ich evtl. stattdessen empfehlen kann, ist die ordinäre „Platterbse“, sieht der Wicke etwas ähnlich, ist unheimlich dankbar, kommt immer wieder, erträgt viel Sonne u. wuchert alles zu, in schönen Farben. Und im Monk House war ich 2017, allerdings bei Super-Sonnenschein, im Hochsommer, so daß die unteren Zimmer gar nicht so düster aussahen. Tatsächlich hat mich deren Mut zur Farbigkeit beeindruckt. Und der Blick nach hinten raus, war doch toll. – Susanne Hüttner

 


 

 

Leserbrief zu „Game Boy“ von Marvin Ku

 

Wo bleibt die elterliche Verantwortung? Wo wurden diesem Kind” Antidepressiva “in Form eines Zugangs zu Kunst, Kultur, Sport, Natur, Freunden, familiären Gemeinsamkeiten, Herausforderungen in den Ferien, oder gar häuslichen Pflichten angeboten? Warum so wenig elterliche Autorität? Softes Dulden ohne Eingreifen, keine Wertevermittlung. Blutleeres Spielzeug für zunehmend blutleere Kinder. Die Generation Kopf runter ist zutiefst zu bedauern. – Imme Artmann

 


 

 

Leserbrief zu „Die postvirale Klassengesellschaft“ von Lisa Nienhaus

 

Nach einer Erhebung vom Oxfam besitzen 162 Multimilliardäre so viel wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat für Deutschland 45 sehr reiche (Unternehmer-) Familien ausgemacht, die so viel besitzen wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung in unserem Land. Einen diffusen Blick auf die Netto-Einkommensverteilung (nach Steuern und Transfers) zu werfen und dann von der „neuen Gleichheit“ zu schreiben, ohne die Vermögensverteilung oder die Möglichkeiten zur Vermögensbildung zu berücksichtigen, ist mindestens irreführend.

Die vom Bundesfinanzministerium veranschlagten Ausgaben von 130 Milliarden Euro an Hilfen in der Pandemie, kommen grob geschätzt zu 100 Milliarden Euro den Unternehmen bzw. ihren Eignern zugute und 30 Milliarden Euro teilen sich Rentner*innen, Student*innen, Transferbezieher*innen und ihre Familien (siehe Christoph Butterwegge „Ungleichheit in der Klassengesellschaft“). Es ist geradezu absurd, das Homeoffice als neue „Achse der Ungleichheit“ ausmachen zu wollen, als ob weniger Homeoffice auch weniger Ungleichheit bedingt. Stattdessen werden die relevanten Parameter wie Anhebung des Mindestlohns, der Steuerprogression für Einkommen, Vermögen und Erbschaft zur Eindämmung der Ungleichheit ausgeblendet. Denn nicht das Corona Virus oder das Homeoffice fördert irgendeine Ungleichheit, sondern eine reiche Gesellschaft, die ihren ärmeren Mitgliedern zu wenig zugesteht. – Ralph Winkler

 


 

 

Leserbrief zu „WEITER KÄMPFEN!“ Gespräch mit Katharina Kracht und Henning Stein von Evelyn Finger

 

„Niemand kann für eine Sache kämpfen, ohne sich Feinde zu schaffen.“ (Friedrich Engels, 1820-1895, deutscher Philosoph und Politiker) Da unterscheiden sich die beiden christlichen Kirchen keinen Deut, wenn es um die Aufklärung von Missbrauch geht, dann wird konsequent gemauert. Es ist halt doch einfacher den unangehmen Dreck unter einen riesengroßen Teppich zu kehren, und diesen unangehmen Dreck unter dem Teppich liegen zu lassen, um ständig darauf herum zutrampeln, ohne dass man ihn sehen muss, bis er klitzeklein zertrampelt ist, und der unangehme Dreck, nicht mehr als unangehmer Dreck zu erkennen ist. Wer in einer solchen Wahrheitskommission sitzen könnte, das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen; aber wenn das irgendwie in Australien und Irland klappen kann, vielleich gibt es dann auch bei uns noch Hoffnung hierfür, denn die Hoffnung soll bekanntermaßen zuletzt sterben. – Klaus P. Jaworek

 


 

 

Leserbrief zu „Ein unverschämter Bau“ von Tobias Timm

 

Sehr schade, dass das Glas der Fenster nicht mehr die Originaltönung hat, die wesentlich zur Gesamtwirkung – von außen, wie auch von innen – beigetragen hat. Wäre es möglich, dass Sie Ihren sehr guten Artikel evtl. ergänzen könnten, warum dies nicht originalgetreu erfolgt ist. Trotzdem freue ich mich schon auf einen Besuch. – Manfred Scheffer

 


 

 

Leserbrief zu „Gefährliche Sehnsucht“ von Georg Seeßlen

 

Wenn Herr Seesslen gleich zu Beginn seiner fulminanten Ausführungen zum Begriff „Heimat“ konstatiert, dass man das „Wort ‚Heimat‘ … auf direkte Weise kaum in eine andere Sprache übersetzen kann“, dann muss ich ihm doppelt, will sagen: bilungual widersprechen. Zum einen mit dem bereits seit einigen Jahrhunderten kursierenden Slogan Ubi bene, ibi patria. Und zum andern mit der weniger akademisierten, alltagsnäheren Heimatverständnis-Version, die ich in einem kanadischen Souvenir-Laden entdeckte: Home is where you poop most comfortably.

Insofern ist „Heimat“, entgegen Herrn Seesslens Diktum, keine „gefährliche Sehnsucht“, kein „deutscher Mythos“ – und schon gar kein „Mythos des deutschen Kleinbürgertums“, sondern Ausdruck eines globalen, vielleicht sogar intergalaktischen, milliardenfach schicht- und klassenübergreifenden menschlichen Bedürnisses, mithin einer völlig ungefährlichen „Sehnsucht“ nach einem Ort, den wir alltäglich total unideologisch und entspannt, also most comfortably geniessen … – Dr. F. Klaus Koopmann

 


 

 

Leserbriefe zu „Vaterschaftstest“ von Tillmann Prüfer im ZEIT Magazin

 

…der Vater „darf“ anders sein als eine Mutter? Nein, sowas! Wer ist die Person, die das erlaubt? Um einen schon etwas älteren Spruch zu verwenden: „ der Vater IST anders als die Mutter.. und das ist auch gut so!“ ( der Vollständigkeit halber: den Artikel habe ich noch nicht gelesen, kommt noch, mich hat nur diese Schlagzeile so „gefreut“.) – Christoph Schmidt

 

Pünktlich zu Vatertag und Himmelfahrt: die Apotheose väterlicher Weinerlichkeit. Seit Monaten überblättere ich konsequent besagte Seite im Magazin, oft mit einen Knurren und leiser Formulierung von Kraftausdrücken aus meiner Ruhrgebietsjugend. Das muss die ZEIT gemerkt haben. Nun muss ich dafür büßen: 9 Seiten Väterchen Tillmann – das hab ich nicht verdient. – Kurt Eimers

 

Vorab: Ja, aus Ihnen ist noch richtig was geworden. Seit Sie in der ZEIT über Ihre Töchter schreiben, ist Ihr Text immer der erste, den ich aufschlage. Inzwischen lese ich sogar Texte über Mode – wenn sie von Ihnen sind. Ich selbst bin Jahrgang 1946, habe einen Sohn und zwei Enkelkinder: ER, 26, SIE 23 und habe das große Glück, schon beim ersten Mal die Liebe meines Lebens gefunden zu haben: Wir sind seit 1967 immer noch sehr gerne verheiratet, als Partner und Freunde. Als Kriegskind bin ich ohne Vater aufgewachsen und hatte für diese Rolle keinerlei Vorbild. So habe ich mich ganz auf meine – 13 Jahre ältere – Frau (Psychologin) verlassen.

Und dabei habe ich dann von beiden – Frau und Sohn – sehr viel lernen dürfen, manchmal schmerzlich müssen; eine wichtige Phase meiner Reifung. Nun wieder zu Ihrem Text über gute Väter: – Was für eine gelungene Mischung aus persönlichen und professionellen Aspekten. – Viele Ihrer Reflexionen haben mich sehr persönlich angesprochen. – Meine Frau hat Ihren Text schon an unseren Sohn, Jahrgang 1971, weiter geleitet. Fazit: Großes Lob mit Schleife. Ich freue mich schon auf Ihren nächsten Text in den kommenden Ausgaben. Was werden Sie erst schreiben, wenn Sie die Freuden des Opas erleben?! – Hans-Joachim Habermann

 

Ein guter Text. Aber: Muss Herr Prüfer für alle Inhalte herhalten, die etwas mit dem Thema „Vater“ zu tun haben? Gibt es aktuellen keinen weiteren „jungen Vater“ in der Redaktion, der von seiner Erfahrung berichten möchte? Obwohl die schiere Anzahl der Töchter von Herrn Prüfer macht ihn schon zu einem Experten auf dem Gebiet. – Polina Dekarz

 

Ihr Artikel „Varerschaftstest“ hat mich wunderbar unterhalten – und gleichzeitig belehrt. Das ist eine schöne Mischung. Sie gefällt mir um so mehr, als mich mit 81, drei Töchtern und einem Sohn im Alter von 43 bis 54 Jahren und acht Enkelkindern (5 – 19), die Frage nach dem „Guten Vater“ nicht mehr umtreibt, – eigentlich auch in meiner „aktiven“ Zeit nicht sonderlich belastet hat. Wenn ich im Rückblick die Jahre betrachte, ist jetzt die Zeit des story telling.

Dazu nutze ich gerne kleine Gedichte, Gebrauchslyrik von „Väterchen“. So nennen mich nachsichtig unsere Vier. Ich schicke Ihnen eines dieser Poeme. Es entstand im Mai 2011, beleuchtet die Lage aus Sommer 1972, und war gerichtet an einen Freund zu dessen 67. Geburtstag und seine Frau. Das Bild erhellt die Überschrift. – Wolfgang Sielemann

 

Wie war der Titel, „wie Väter uns prägen?“ Aber außer dem Gejammer über Vater und Großvater bringt Tillman Prüfer seitenlang nichts zum Thema ein. stattdessen belästigt er die Zeit Abbonenten mit seiner autistischen Angststörung und versucht das in einem unsäglichen Artikel abzuarbeiten. „Meine Frau fährt Auto, weil ich Angst davor habe…..“ was soll man da noch sagen. mir tut jede der vier Töchter nur leid. „Plazenta eingraben,“ so ein Scheiß. wer will das wissen?? – Uli Stöckle

 

Ich möchte, dass Sie wissen, dass ich immer – wirklich immer – als erstes, wenn die neue ZEIT da ist, die Seite im Zeit-Magazin „Prüfers Töchter“ lese! Sie und ihre Töchter sind mir über die Jahre sozusagen ans Herz gewachsen. Teilweise habe ich auch Fotos von Texten verschickt und damit zum Beispiel meine Tochter getröstet, die damals gerade mit ihrer 2-Jährigen in der Trotzphase steckte. Ich danke Ihnen also für das Lächeln, das Sie mir in den Alltag gebracht haben und auch für das Gefühl von „reg dich net uff – iss ja alles net so schlimm“!

Heute – passenderweise am Vatertag – ist aber eine neue, andere Qualität dazu gekommen. Es ist mir klar geworden, was für ein Problem mein Vater mit mir hatte. Dieses Korsett, in dem er steckte, hat ihm gar nicht die Möglichkeit gelassen, eine emotionale Beziehung zu mir aufzubauen. Er ist mit Schlägen, Zwang und Krieg aufgewachsen und musste als 13-Jähriger bei Kriegsende allein aus Tschechien zu seiner Familie zurück finden. Er hat nie gelernt zu reden oder Zuwendung zu zeigen, alles war Verantwortung und Pflicht.

Erst als er Opa war und sterbenskrank konnte er seinen Enkeln gegenüber loslassen. Unsere Verbindung war Zeit seines Lebens im Gefühlsbereich gestört und ich habe es nicht vermocht, daran etwas zu ändern. Ich bin sehr froh, dass mein Enkelkind einen Vater hat, der da ist, der auf sein Kind eingeht und der nicht perfekt ist und Fehler macht. Das Wichtigste ist das hier und jetzt und dass die Liebe zwischen Eltern und Kindern da ist ohne Anspruch auf Perfektion. In Ihrem Artikel haben Sie viele Aspekte beleuchtet, Sie haben aber auch sehr persönliche Situationen geschildert. Das ist sehr berührend und beeindruckend. Als Leserin danke ich Ihne auch für diese Offenheit. Ich hoffe, dass ich noch viel über „Prüfers Töchter“ lesen kann und dass Sie einen schönen „Vatertag“ hatten! – Karin Gellrich

 

Herrn Prüfers Bericht und Analyse hat mich sehr beschäftigt. Sollten Sie den nachstehenden Text als Leserbrief für mitteilenswert halten, ungern gekürzt: ich würde mich freuen. Mein Vater war ein lebenslustiger, tatkräftiger und zuweilen streitbarer Sauerländer. Wir gerieten in Kindertagen bei ausgedehnten, sonntäglichen Wanderungen öfters in plötzliche Sommergewitter. Selbst im strömenden Regen, bei Blitz und Donner, verließ ihn sein Optimismus nicht:

“Seht Ihr, da hinten wird es schon wieder hell. Du musst nur ganz genau gucken.“ An diese später geflügelten Worte denke ich oft. Sehr gerne würde ich mich heute, mit Anfang 60, nochmals mit meinem Vater austauschen, am liebsten, als er zwischen 70 und 80 war. Er war und ist mir in Vielem Vorbild – genau wie meine leise, langsame, kluge und gütige Mutter.

Meine erste Frau schenkte unseren drei wunderbaren Jungs das Leben; der Älteste ist 30, der Jüngste 23. 21 Jahre lang in überwiegender Alleinerziehung durfte ich sie nun begleiten – und wurde dabei zur Vaterkuh. Vielleicht kann ich eines Tages auch Enkel für dann Opas beste Bohnensuppe begeistern – und für den gefürchteten Kartoffelsalat. – Dr. Martin Meier

 

Ihr Artikel ist ausgezeichnet und hat mir geholfen, etwas aus meinem Leben und dem meiner Eltern und eines Großvaters besser zu verstehen. Ich bin 75 Jahre alt und habe zwei Söhne mit 8 Jahren Altersunterschied. Bin kein Leserbriefschreiber. Im Magazin lese ich Ihre Beiträge über Ihre Töchter als erstes. – Frédéric Falk Voelker

 

Wunderschönes Titelblatt von Vater und Sohn. Sieht aus wie unser Daniel, Vater von zwei Jungens mit seinem kleinen Leo. Ob die Schöpferin Aline Zalko ihn kennt ? Wohl eher nicht. – Saskia Martin

 

Der gesamte theoretische, gar wissenschaftliche, so auch ein wenig 70-erJahre verkrampft wirkende Unterbau – Lieber Herr PRÜFER… – eher gewöhnungsbedürftig. So viel kann man garnicht falsch machen, wie einem all die blutleeren, oft genug auch kinderlosen Fachleute an einen hin-schwätzen wollen. Kinder – das ist in erster Linie VERANTWORTUNG; sie als Mandat, als Freibrief für (Macht-)Missbrauch, oder gar für Experimente fehlzuinterpretieren, ist ruch- und charakterlos; ihr – der Verantwortung – zu entfliehen, ist schlimmer als Fahnenflucht. Die AUFGABE von uns Erwachsenen (vermutlich den Zuständigen) – den Chargesgegenüber ist eine individuelle, nicht verhandelbare, eine absolute solche – woher auch immer dies Mandat auf uns zukommt – zumal den Vätern; die Lateiner sagten:

Mater semper certa est (Pater semper incertus est) Pater est, quem nuptiae demonstrant. Aus eigener Erfahrung – eher wohl Generation Ihrer Eltern – hier ein paar Stichworte, oder Schlaglichter, mit denen ich meine Erfahrung mit drei Töchtern und einem Sohn – die Jüngste jetzt knapp 50 – gerne Außenstehenden gegenüber zusammenfasse. Erinnert werden sollte daran, dass das mitten in der Hoch-Saison eines unverantwortlichen pädagogischen Beliebigkeits-Jung-Bolschewismus, und verantwortungs-befreiten Anarchismus geschah; wir durften viel Prügel für unseren Weg beziehen – indes nicht so von der inzwischen längst erwachsenen Brut. Es genügt nicht – wie die Folklore suggeriert – dass ein erst ein Mann sei, wenn er – u.a. – einen Sohn gezeugt habe; er sollte ihn, aber auch die sicher selbst gezeugten Töchter, wirklich glaubwürdig aufgegleist haben.

Wenn ich so Ihre regelmäßigen Artikel über Ihre Töchter Revue passieren lasse, habe ich allerdings den erfreulichen Eindruck, dass Ihr das gemeinsam – die Kinder mit eingeschlossen – recht locker auf die Reihe bekommt. habent sua fata libelli – in der Übersetzung des eher miserablen Latein-Schülers: …(seufzend) auch Libellen haben ihre Väter; daraus abgeleitet: ab dem Alter von ca. 17 Jahren bist Du für Deine Visage selbst zuständig – sprich: Du hast keinerlei Anspruch darauf, bei Deinem Vater – wahlweise Deinen Eltern – die Ursache für Deine Mittelmäßigkeit zu verorten (wie es besonders prominent Hermann Hesse tat). Eine Tochter variierte solche Erkenntnisse ihrer Eltern in: Man kann bei der Wahl seiner Eltern nicht vorsichtig genug sein. Einzig essentiell für die Erziehung/Begleitung der Kinder sind nach meiner Auffassung Humor und Phantasie.

Ziel für das Ergebnis dieser Jahre bis ca. zum Abitur (muss man ganz speziell auch immer wieder mal den so grotte-ungeeigneten Lehrern hinreiben): fröhliche Gesichter (nach unterstellten 13 Jahren eines derart unengagierten Schul-Systems). Erziehungs-Auftrag liegt bei Dir – weder an ein Internat, noch an Ganztags-Betreuung zu delegieren. Dauer – (meine) Faustregel 21 Jahre (ich habe es noch erlebt, dass man erst mit 21 volljährig war); unterstellt man nun – wie in meinem/unserem Fall – 10 Jahre Abstand zwischen dem ersten und dem letzten Kind – oder 15+ Jahre wie bei Ihnen – addiert sich diese Spanne noch einmal zu den angenommenen +/- 21 Jahren.

Diese gesamte Phase ist grad heutzutage in der Debatte um die so schrecklich dogmatisierten Leistungs-Ansprüche von Frauen im Beruf von erheblicher Bedeutung – allein, weil sie dann nach heute sehr üblichem späten Eintritt in die Elternschaft schnell schon mal 50, oder gar erheblich darüber sind – ehe sie dann noch Präsidentin der Weltbank werden können – wie so gerne suggeriert wird. Dieser Weg gelingt nur ganz selten, und unter allenfalls ganz exzeptionell privilegierten Bedingungen. Eine Frau, die das offensichtlich zuwege gebracht hat, prägte dafür den Satz They can’t have it all; das ist halt rudimentärste Biologie – punktum.

Why Women Still Can’t Have It All – The Atlantic Statt Erziehung benutze ich gerne den Begriff Anleitung; mehr ist es auch nicht; und mehr sollte es unter der Annahme normal gesund geborener Kinder auch nicht sein. Dem Vorwurf eines gewissen Maßes an in die Erziehung mit eingebauten Darwinismus weiche ich ganz gewiss nicht aus. Wir haben die Kinder sehr früh zentrifugiert – wie wir das nannten – sehr früh in ein hohes Maß an Selbständigkeit entlassen – das oft genug auch von Dritten sehr beschumpfene Gegenteil von Helikopter – nach der Konfirmation in den Sommerferien nur noch anspruchsvolle Jobs in caritativen Einrichtungen im Ausland – sicher immer unter sorgfältiger Vorbereitung grad auch unter Mithilfe der Freunde im betreffenden Ausland – aber ganz gewiss nicht die vermeintlich so gut gemeinten, weil so unsinnig teuren Sprachkurse in Brighton – morgens zwei Stunden, nachmittags zwei Stunden – und ansonsten die jungen Menschen unter ihresgleichen – womöglich noch aus der gleichen Schule, sicher aber nicht unter Britischen Jugendlichen.

Die Kinder bestätigen uns heute noch den so selbst empfundenen Nutzen solcher eher zentralistischen (gar hierarchischen) Anleitung; der Auslands-Aufenthalt…, das frühe Erlernen des Einsatzes für die Schwächeren… dann weit wichtiger als das daheim versäumte Sommer- oder Feuerwehr-Feschtle. Eltern machen die Vorgaben – allein schon, weil die Kinder garnicht abzuschätzen wissen, was ihnen bekommt, nützt, gut tut. Kinder werden nicht dadurch selbständiger, dass sie durch selbst-verursachte Fehlleistungen scheitern; Frust alleine kann kein Erziehungsziel sein; Frust-Toleranz zu erlernen allerdings schon. … und auch nicht dadurch, dass sie qua unterlassener Anleitung und Aufsicht erst mal das Haus, gar das ganze Dorf abgefackelt haben. Frühzeitiges Erlernen von Verantwortungs-Bereitschaft, Urteilsfähigkeit und –willigkeit, Verantwortungs-Fähigkeit, -Eignung. Viel Sport – OK, das nimmt heute vermutlich jeder für sich in Anspruch. Herumlungern am Strand in Mallorca.

Ich bevorzugte den Begriff Herausforderung– im von uns damals vielleicht allzu fanatisch betriebenem Ski-Sport – wie auch sonst im Mannschaftssport – statt (Einzel-)Leistungssport – im Sport gleichermaßen wie im Schul-Orchester; oft genug gegen heftigsten Widerstand der Lehrer und Vereins-Trainer, die Leistungssport weit höher werteten. By the way – keines der Kinder wiederholte auch nur je ein Schuljahr – und alle wurden von ihren Eltern in der Haltung bestärkt, dass das auch möglich ist, ohne stets nur der Klassenbeste sein zu müssen – eine gesunde, ausgeglichene Haltung gegenüber Begriffen wie (verkrampftem) Ehrgeiz, oder Streberei um der Streberei willen. Nicht jeder muss ein Einstein werden.

Eindeutige Ansagen auf der Basis eindeutiger Subordinationsstufung zwischen Eltern und Kindern. Kinder wünschen Anleitung – und sind in der Regel todunglücklich, wenn ihnen die Orientierung unter was auch immer für noch so verstiegenen Dogmen und Ideologien – realiter aber mangels Reife und Verantwortungs-Verständnis – vorenthalten wird. Eltern haben keinen Anspruch darauf, ihren Kindern die Zukunft und ihre Integrität durch Verweigerung der Zuständigkeit, oder durch Verwahrlosung ihrer natürlichen Veranlagungen vorzuenthalten – den Weg dorthin unkenntlich/unbegehbar zu machen. Ganz großer, bewusst so gewählter Vorzug – die Lebensweise in einem sehr großen ehem.

Gesindehaus auf einem großen Bauernhof im Kreis Ravensburg (Oberschwaben) – daher allein schon die Möglichkeit, einander aus dem Wege gehen zu können. Abstand, Distanz muss man zum gesunden Nutzen der Kinder regelrecht trainieren – gegen den heute so omnipresenten Unfug der ewigen Kuschelei grad zwischen den Müttern und ihren Kindern (rein statistisch betrachtet, werden die Eltern eher mal platt gefahren als die Kinder; die müssen dann auch ohne diese widerwärtigen Abhängigkeiten klar kommen). – Wenn eines der Kinder zum Randalieren neigte, weil es sich nicht ausreichend ausgelastet/herausgefordert fühlte, schickte man es zum Michel – dem Nachbar-Bauern – zum Aushelfen im Stall; mein Sohn hätte mit 15 Jahren den Hof (Milchwirtschaft) in allen seinen alltäglichen Funktionen alleine ingang halten können, wenn’s mal drauf angekommen wäre. Gut – auch in dieser Idylle gab’s am Gymnasium die Drogenprobleme; aber man durchschaute sehr schnell die Zusammenhänge, und konnte sehr direkt und sehr robust intervenieren.

Auch dabei lernten Kinder Mut, Zielstrebigkeit, sense of urgency, Eindeutigkeit, Verantwortung… – Hinstehen-Können (Nastande). Spiel-Konsolen, Schmart(!)Phones, Stöpsel in den Ohren, ständiges Gedabbel… gab’s zugegebenermaßen noch nicht. TV brauchten wir nicht – zu was auch, wenn es für die Kinder kaum Anlässe gab, sich zu langweilen. War man gemeinsam unterwegs – z.B. zum Skilaufen am Sonntag in Arosa – genügten die alten 404 von Peugeot – immer mit bereits ein paar hundertausend Kilometer gebraucht gekauft, aufgegeben erst, wenn sie einem unter’m Hinter wegrosteten – damals nahezu der einzige ausreichend große Kombi für eine Familie von sechs Personen – plus in der Regel noch zwei oder drei Freunde/Altersgenossen der Kinder. Da brauchte es dann nicht auch für jedes Kind noch die zwei Dutzend erquängelten Plüschtiere; die Kinder wussten sich bestens mit sich selbst zu beschäftigen – hinten im Gepäckraum des großen Kombi – keine, oder nur rudimentäre Sicherheitsgurte.

Und nach einem voll ausgeschöpften Ski-Tag waren sie ohnehin müde genug, so dass es gerade noch zu dem reichlich eingepackten Stollen, den Lebkuchen, etc. langte. Vier Kinder – vier sehr unterschiedliche Charaktere – allein schon als Ergebnis der verwegenen Rassen-Mischung in unserer Familie; so stellen sie das ja auch dar. Das bedeutet zwar viel individuelle Zuwendung/Begleitung – aber noch lange nicht für jedes Kind sein Extra-Süppchen. Charakter… – hier stimmen wir sicher in besonders hohem Maße überein. Niemals sollten wir – wie es die Utopisten aus den K-Gruppen, den Pederasten jener Jahre, und deren Vorgänger von 1984 ja sich vorstellten – auch nur einen Gedanken auf dessen Steuerbarkeit zu verschwenden; er ist so sehr Grundausstattung, wie es die Haut- und die Augenfarbe ist. –

Mir schien es wichtig, die aus dem Charakter herzuleitenden Eigenschaften eines jeden einzelnen der Kinder in dem Maße zu kanalisieren/moderieren, dass jeweils als Stärken oder Schwächen in einer gegebenen Gesellschaftsordnung empfundene Eigenschaften weder das Individuum, noch seine Umfeld beschädigen. PS – damals bestärkten uns auch immer wieder mal die Beiträge des Ihnen sicher auch bekannten Axel Hacke, und der Marie Marks. – Hans von Schack

 

Ich habe den Artikel mit dem vielversprechenden Artikel „Vaterschaftstest“ von Tillmann Prüfer gelesen, weil mich das Thema interessiert. Etwas Substantielles habe ich darin nicht gefunden außer ein paar vage Hinweise, die ich klarer und deutlicher von Eric Fromm kenne. Am Ende habe ich mich gefragt, wozu ich den Artikel gelesen habe. – Dr. Walter Engel

 

Mit großer Spannung habe ich mir das Zeitmagazin vom letzten Do genommen und den Artikel gelesen, der beschreiben sollte, wie Väter uns prägen. So zumindest war es auf der Titelseite angekündigt. Dann, auf der Titelseite des Zeitmagazins, ein anderer Titel, mit anderem Inhalt: „Ich will ein guter Vater sein.“ Nein, ich nicht, ich wollte gerne lesen, wie Väter und prägen. Dann, der Artikel im Zeitmagazin, wieder ein anderer Titel: „Vaterschaftstest“ Ich ahnte, worauf das Ganze hinausläuft… Schade! Präsentiert wird eine der üblichen Blah Blah-Geschichten im autobiographischen Stil von einem dieser Berliner „neuen Väter“, der dann doch noch am Ende sein Happy End erlebt, obwohl er sein ganzes langes Müslileben gezweifelt hat, ob er seine Vaterrolle gut ausfüllt.

Nein, hatte ich anders erwartet. Ich wollte gerne lesen, wie Väter und prägen, nicht, dass die Hebamme einem jungen Mann die Plazenta mitgibt und er damit nichts anfangen kann. Auch nicht, wie sich die Beziehung unseres Protagonisten entwickelte und er dann die Liebe seines Lebens getroffen hat. Alles am Thema vorbei, denn der angekündigte Inhalt, nämlich wie Väter und prägen, lässt sich auf maximal 3 Zeilen eindampfen. Insgesamt ein sehr schwacher Artikel, die vielleicht etwas für den Grünwähler in Erziehungszeit aus Berlin Mitte bis Prenzlauer Berg ist, aber nichts für jemanden, der lesen will, wie Väter und prägen. – Norbert Lohan

 

Es ist spannend zu sehen, wie sehr sich Väter heute um Ihre Kinder, bzw. speziell Herr Prüfer um seine Töchter bemüht. Ob Väter Töchter erreichen und ob es wirklich um die Töchter geht oder doch mehr darum, ein guter Vater zu sein, das wird die Zeit zeigen. Ich kann Vätern heute nur empfehlen „Die Vaterfalle“ von S. Steinbrecher (Verlag Rowohlt) zu lesen. Ich hätte mir sehr gewünscht, dass mein Vater dieses Buch gelesen hätte, denn es schildert sehr eindrücklich wie sich Töchter mit dem ersten und wichtigsten Mann in ihrem Leben fühlen und hilft damit interessierten Vätern ihre Töchter besser zu verstehen. – Dr. Annette Bruce

 


 

 

Leserbriefe zu „Über die Ankündigung eines Heino-Konzerts und die relativ weit gehende Definition von »Hetze«“ von Harald Martenstein im ZEIT Magazin

 

Als Erstes lese ich immer Ihre Kolumne, und mit Vergnügen. So auch diesmal über „Heino“ und die Tabuisierung des „Deutschen“. Es ist sicher nicht sinnvoll von mir, auf eine Satire beckmesserhaft ernst einzugehen. Sie sehen die Sache völlig richtig – in der DDR blieb am Ende z.B. nur noch das „Neue Deutschland“ übrig… Ansonsten hatte sich das „Deutsche“ in der Völkerfreundschaft verflüchtigt. Nur, ein bisschen Recht hat auch der Tonhallenchef, selbst wenn ihn im Untergrund der Ausdruck „deutsch“ vielleicht stört – „Deutscher Liederabend“ ist doch wie „Grüne Bohnensuppe“, oder nicht? Eine grüne Suppe mit Bohnen – ein deutscher Abend mit Liedern. Aber vermutlich soll es doch ein Abend mit deutschen Liedern sein… Na ja, nichts für ungut. Ich freue mich auf Ihre nächste Kolumne, v.a. wenn’s ums Gendern geht. Mit freundlichen Grüßen Steltner – Prof. Dr. Ulrich Steltner

 

Bitte weiter den Spiegel vorhalten, auch wenn eine gewisse selbstverliebte Pseudoavantgarde den Anblick ihrer selbst kaum ertragen kann und Sie hilfloserweise als ewig-gestrig verunglimpft. Danke für die Kolumne! – Dr. Christian Voll

 

Mit leichtem Stirnrunzeln verfolge ich die zunehmende Leser-Häme, die über Ihre Kolumnen ausgeschüttet wird! Ich hätte da einen Vorschlag: verbringen Sie Ihre kreativen Stunden auf dem stillen Örtchen; dort können Sie „beschissene“ Textpassagen gleich runterspülen und den shitstorm, der Sie als „ironisierender alter weißer Mann“ gleich aus vier identitätspolitischen Himmelsrichtungen anstänkert, als Fürzchen an Nase und Ohren vorbeiziehen und durch das offene Klofenster zu den Adressaten zurückwehen lassen; die erleben dann einen doppelten Gülle-Genuß! Wie auch Sie bin ich bekennender Nicht-Heino-Fan!

Ich kriege zwar keine Pickel, doch mein zerebrales Hörzentrum haut mir ein paar saftige (imaginäre) Watschen runter, wenn Heino-Töne in mein Ohr, seinen periferen Sensor, dringen! Gleiche Reaktion, wenn es von (allzu vielen) orientalischen, indischen oder fernöstlichen Weisen geärgert wird! …land ist, wie man sieht, gerade dabei, sich abzuschaffen: seine Sprache, der Genderpuristen das Geschlecht aus dem Leib reißen; seine Schrift, die durch eingefügte Punkte und Striche zu einer unleserlichen Buchstaben-Morsezeichen-Melange verkommt; seinen Namen, dem offenbar ein unausrottbares Rassismusgen innewohnt! Aus BRD wird – BRD: Bunte Republik Diversistan!

Deutsche Liederabende, französische Chanson-Soirees, die Schwyzer Shantysänger, die Amrumer Alphornbläser genießen dann strengen Minderheitenschutz; dreifach gleich die „alten weißen Männer“ – dann, wenn immer mehr In-Die-Jahre-Gekommene aus Angst vor Altersdiskriminierung und dem drohenden Verlust jugendlicher Frische sich in die goldenen Hände der Plastischen Chirurgen begeben! Dort tauschen sie zwar nur die Falten, Doch sind es dann nicht mehr die „Alten“! (je nach Belieben Groß oder klein geschrieben!) – Dr. med. Ulrich Pietsch

 

Nein, Herr Martenstein, ich spüre keinen „antideutschen Selbsthass“, wenn auch ich, die Wortwahl auf dem Plakat der zu bewerbenden Veranstaltung kritisiere. Erkennen Sie nicht den nationalistischen Beigeschmack? Wir wissen alle, welchen Raum das Nationalistische schon wieder in der Öffentlichkeit beansprucht. Und gerade deshalb, weil ich gerne in diesem Land lebe, fürchte ich den kurzen Weg vom Nationalismus zum Faschismus. Machen wir uns nichts vor, der Firniss, der über unserer unsäglichen Vergangenheit liegt, ist immer noch sehr dünn. Ich bin dankbar Europäer sein zu dürfen und freue mich über die Vielfalt der Kulturen auf deutschem Boden. Das Heino-Konzert wird nicht „unverfänglich“ beworben, sondern unsäglich. „Heino goes Klassik“.

Ist die deutsche Sprache wirklich so arm? Und der Untertitel „Deutscher Liederabend“, zurecht von Intendant Becker kritisiert, zeigt, wie subtil hier mit Worten gespielt wird. Merken Sie wirklich nicht, welche Botschaft hier transportiert wird? Erstens werde ich den Eindruck nicht los, das es sich hier um einen klassischen Pleonasmus handelt. Ein deutscher Sänger, der nach meinem Kenntnisstand zumindest überwiegend immer deutsch sang, zeigt durch Hinzufügung des Wortes „deutsch“ zum Terminus „Liederabend“ die Absicht etwas bedienen zu wollen. Heino macht keinen Hehl daraus, wo er politisch steht, auch wenn er angeblich öffentlich ein Verbot der AFD fordert.

Unterstützung bekommt er vom OB Düsseldorfs, der die Spitzfindigkeit der Konzertankündigung nicht erkennt, besser: nicht erkennen möchte. Traurig ist das Verhalten des Intendanten, sich der Anweisung des OB zu beugen. Da fehlt wohl was in der Hose. Traurig ist auch Ihre undifferenzierte Argumentation, der Versuch das Vorgefallene ins Lächerliche zu ziehen und von „Einheitssoße“ zu fabulieren, worum es hier überhaupt nicht geht. Als Kolumnist hatten Sie schon bessere Zeiten. – Manfred Trinkhaus

 


 

 

Leserbriefe zu „Prüfers Töchter“ von Tillmann Prüfer im ZEIT Magazin

 

Vatertags-Loyalität: Steigerung väterlicher Autorität: Ihrer Tochter Luna kann ggf. mit einer simplen Maßnahme geholfen werden; „ggf.“ je nach Bauform der heimischen Hütte. Dazu kann ich gern aus eigener Erfahrung berichten. Auch das potentielle Katzentier dürfte Freude haben.. Das Zeitmagazin hat mit seinem handlichen Format die Vorteile kommoden Umgangs; die „Mutterzeitung“ sollte sich vielleicht doch mal eine Beispiel nehmen: …das Beste aus… (:-); ermöglich mir – danke – jedenfalls die Lektüre ohne house-blow-up . – Hans-Christoph Hacker

 

So etwas reaktionaeres haette ich von den Toechtern im Zeitmagazin nicht erwartet :)! Aus tierschutzrechtlicher Sicht ist eine gekaufte Rassekatze in einer kleinen Stadtwohnung nicht zu vertreten. Ich empfehle: https://www.petakids.de/tierische-freunde-sie-warten-im-tierheim-auf-dich. Hier wandern die armen Coronatiere bereits zurueck ins Tierheim. – Uta Filz

 


 

 

Leserbrief zu „HILFE! Ist es okay, die Gegenwart mit ihren schlechten Nachrichten zu verdrängen?“ Gespräch mit Thomas Auchter geführt von Alard von Kittlitz im ZEIT Magazin

 

Das Gespräch von Alard von Kittlitz (Journalist und Schriftsteller) mit dem Psychoanalytiker Thomas Auchter fand ich sehr bemerkenswert. Thomas Auchter ist eben auch nur ein Mensch, dem diese Pandemie sehr stark zu schaffen macht. Er gibt sich nicht als ein Mensch, der (s)eine feste Wahrheit, vielleicht auch besser gesagt, (s)eine Meinung für immer und ewig gepachtet hat. Er ist ein Wahrheitssucher, der seine „Patienten“ ernst, sehr ernst nimmt, und der sich an dieser Pandemie und auch an dieser Pandemie-Politik reibt. Thomas Auchter ist ein Mensch, der diese Lockdown-kritische Kampagne richtig einzuordnen weiß! „Satiren, die der Zensor versteht, werden mit Recht verboten.“ (Karl Kraus, 1874-1936, österreichischer Schriftsteller, Publizist, Satiriker, Lyriker & Dramatiker) – Klaus P. Jaworek