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22. Februar 2024 – Ausgabe 9

Leserbriefe zu „Vor aller Augen“ von Giovanni di Lorenzo

Wenn ein Held stirbt, mag mit ihm auch die Hoffnung sterben. Alexej Nawalny war aber nicht nur ein Held, er ist ein Märtyrer. Er ist für seine Überzeugung in den sicheren Tod gegangen, der ihm in Putins Händen erwartete. Er ist für die Freiheit gestorben. Für ein freies, nicht totalitäres Russland. Den ungleichen Kampf mit Putin konnte Alexej Nawalny lebend nicht gewinnen. Als Märtyrer lebt Alexej Nawalny nun weiter. Und mit ihm auch die Hoffnung auf ein besseres Leben in Russland. Der Tod des Märtyrers ist ein Auftrag: „Gebt nicht auf!“ Putin muss den Kampf mit Alexej Nawalny nun weiterkämpfen. Mit einem selbst erschaffenen Märtyrer, den er nicht mehr greifen und besiegen kann. Alexej Nawalny kann ihm nun in jedem Menschen begegnen. Spätestens jetzt muss allen klar sein: Im Verhältnis zu Putin, dem sich anmaßenden Herrn über Leben und Tod, sind alle Menschen letztendlich mögliche Opfer, auch die größten Lakaien im Inland, die willigsten Marionetten im Ausland, selbst die größten Schurken. Der Tod des Märtyrers und der vielfache Tod in der Ukraine sind auch eine Mahnung an uns: Wacht auf! Putin wird erst aufhören, wenn er vor einer unüberwindbaren Grenze steht. Tatsächlich müssen wir nun im 21. Jahrhundert, das doch im Zeichen des Kampfes gegen den Klimawandel und um das globale Überleben stehen sollte, einen Schutzwall gegen den Faschismus bauen.
Reinhard Koine

Wozu braucht es diesen Artikel? Dass Putin ein Verbrecher ist, dürfte hinreichend klar sein. Nawalnys Tod bringt hier keinerlei zusätzliche Erkenntnisse. Ob man Nawalny als Held bezeichnen kann? Nun ja, da habe ich Zweifel. Wer in einen Tümpel mit Krokodilen springt mit dem Satz „Ich hab keine Angst vor Krokodilen“, der handelt nicht heldenhaft, sondern töricht. Ein solcher Akt blinder und trotziger Selbstaufopferung, ohne jegliche Aussicht irgendetwas zu bewegen, nützt niemandem. Und es klingt sehr russisch. Was die NATO-Osterweiterung angeht, wären Sie zu einem differenzierteren Urteil gekommen, wenn Sie das einschlägige Buch vom Mary Elise Sarotte gelesen hätten. Ein langsameres und zurückhaltenderes Vorgehen des Westens in den 90er Jahren hätte zumindestens Chancen geboten, das Verhältnis zu Russland nicht in dem Ausmaß zu beschädigen, wie es geschehen ist. Und Demütigungen Russlands hat es nun wahrlich zuhauf gegeben, auch Selbstdemütigungen Russlands durchs Jelzins Alkoholexzesse. Ob wir heute ein völlig anderes Szenario hätten, wage ich zu bezweifeln, aber durch das Vorgehen der NATO wurden Türen zugeschlagen. Dass der Tod Nawalnys die Botschaft an den Westen enthält, dass Friedensgespräche generell sinnlos seien, ist reiner Empörungsjournalismus. Dieser Krieg kann nur durch Friedensgespräche enden, wenngleich die Erfolgsaussichten aktuell denkbar gering sind. Zu einem Sieg der Ukraine führt in Anbetracht der russischen Eskalationsdominanz und der Übermacht an Ressourcen kein Weg. Wer es versucht, landet unweigerlich in einem Krieg mit Russland.
Mathias Siekmeier

Wenn ich Frau Nawalny waere, waere ich nicht stolz auf meinen Mann, sondern wuetend auf ihn. Er ist von seinen Feinden vergiftet worden, hat das knapp ueberlebt und anstatt auf seine Gesundheit zu achten und seiner Frau ein Ehemann und seinen Kindern ein Vater zu sein, hat er sich freiwillig wieder in die Haende seiner Feinde begeben. Hat er gedacht: Das sitze ich aus und dann, wenn das Land befreit ist, kehre ich wie einst Nelson Mandela aus Gefangenschaft zurück und werde der naechste Praesident. ? Vielleicht. Nun ist er ein toter Held, ein Maertyrer. In dieser Rolle kann er vielleicht viel mehr Menschen mobilisieren als als Gefangener, der vielleicht in Vergessenheit geraten waere. Ich glaube nicht, dass das in Putins Sinn ist. Von daher glaube ich auch nicht, dass das russische Regime seinen Tod gewollt hat. Ein toter Held auf der falschen Seite und seine schoene, tapfere Witwe; das ist bestimmt nicht Putins Plan gewesen.
Maud Downs

Hier haben Sie sich wohl vergaloppiert: „Der Tod Alexej Nawalnys, der direkt oder mittelbar ein Mord war, straft jeden Russlandversteher Lügen, es sei denn, man ist mit politischer Blindheit geschlagen oder ein Bewunderer des despotischen Regimes“ Putin und seine Follower sind abscheulich, aber sie sind nur ein Teil des russischen Volkes. Mit dem gleichen Recht könnte man schreiben, dass den Deutschen nicht zu trauen ist, da ja AFD, Reichsbürger und dergleichen Einfluss gewinnen. Klar, sie sind nicht an der Regierung, aber beschämend stark. Russland war lange Teil Europas, auch kulturell und könnte es mit einer anderen Regierung wieder werden. Für diese Hoffnung möchte ich nicht beschimpft oder für dumm erklärt werden.
Sabine Korsukéwitz

Der Tod Nawalnys ein Weckruf? Vielleicht für manche im Westen, die quasi im Wachkoma neun Monate Bedenkzeit benötigten für die Lieferung des Leopard. Wie schon im Kalten Krieg hatte man die Warnungen der ehemaligen Satelliten überhört, die schon immer wussten, wes Geistes Kind im Kreml haust. Deswegen suchten sie schleunigst die Obhut der Nato. Es ist das Politikversagen vor allem Berlins seit der Krimokkupation 2014, Putin nicht Einhalt geboten, sondern ihn sogar noch mit einer neuen Gaspipeline belohnt zu haben. Unverständlich, wie sich Protagonisten wie Steinmeier mit dieser Schmach im Amt halten können. Auch das wäre Teil eines überfälligen Reinigungsprozesses.
Christoph Schönberger

Di Lorenzo diskreditiert die (leider immer noch zaghaften) Forderungen nach Verhandlungen über ein Ende des Ukrainekriegs als naive „Sehnsucht nach Versöhnung mit Russland“. In der Politik heißt der Vorgang DIPLOMATIE. Diplomatie darf sich nicht scheuen vor „Abscheulichkeiten“ von Diktatoren. Willy Brandts Ostpolitik ist dafür ein Musterbeispiel. Die „Verhöhnung Russlands als Regionalmacht“ ist keine „dumme Bemerkung von Obama, wie di Lorenzo behauptet. Sie beschreibt vielmehr das Ziel US-amerikanischer Außenpolitik, die Kriege führt oder führen lässt, um imperiale und wirtschaftspolitische Interessen weltweit durchzusetzen. Kriege schaffen aber – wie wir aus vielen jüngsten Beispielen wissen – nicht (automatisch) Frieden und Demokratie. Eine Antwort auf seine Frage „Wird Europa künftig in Freiheit leben?“  könnte lauten: Ohne Frieden keine Freiheit!
Bernd Kalvelage

Die richtigen Worte, längst fällig. Dazu eigene Gedanken. Ich bedauere die allgemein kurzsichtigen Betrachtungsweisen der Öffentlichkeit auf die internationale Politik, sehr oft voreingenommen, aus der Sucht der Selbstüberschätzung. Wenn der NATO nachgesagt wird, sie habe sich nach Osten erweitert, spricht den Osteuropäern das Recht ab, selbst Schlussfolgerungen aus ihren geschichtlichen Erfahrungen mit dem russischen Nachbarn zu ziehen.  Russland versteht sich mehrheitlich gegenüber seinen Nachbarn als kulturell überlegen. Deshalb wurden z. B. die ukrainische Sprache verboten. Im besetzten Polen war Russisch Amtssprache. Die Kultur der Ujrauner, Polen, Esten, Letten, Litauer usw. war geduldete Folklore am Rande der russischen Kultur. Wiederholt weisen Äußerungen Putins und seiner Mitläufer darauf hin, was die Träume von der russischen Großmacht, der „Russischen „3l5“ bedeutet. Danach ist Kiew eine russische Stadt (lt. Medwedew, ehem. Präsident und Ministerpräsident Russlands). Putin kennt nur die russischen Interessen in den Nachbarländern, deren Interessen sind Nebensache.
R. Reiger

Wozu dieser gefühlvolle Apell, die Brutalität Putins am Tod Nawalnys erneut zu verdeutlichen. Was ist z. B. mit der Behandlung Julian Assanges durch unsere Verbündeten? Seine bisherigen Folterungen mögen sublimerer Art gewesen sein. Aber auch diesem inzwischen vergreisten Helden drohen über 170 Jahre Haft nach Auslieferung an die USA. Oder mit Edward Snowdon? Auch bei ihm wurde die Aufklärung von Kriegsverbrechen und peinlichen Verstrickungen brutal verfolgt und mit dem Leben bedroht. Wieviel wird uns verschwiegen oder haben wir und wohl auch Sie, werter Herr Di Lorenzo vergessen? Gab es nicht ein halbwegs unterzeichnetes Friedensabkommen in der Türkei vor Ausbruch des jetzigen brutalen Krieges, das von Boris Johnson hintertrieben wurde? Warum erprobte man nicht die damals möglichen europäischen Sicherheitsabkommen nach Putins Rede im deutschen Bundestag 2001? Und dass Putin endgültig aufbegehrte, nachdem der Westen die Ukraine in die Nato aufnehmen wollte, werden viele meines Jahrgangs (1937) der sich politisch der “ Mitte“ zuordnet, verstehen. Was ist mit Kuba, Guantanamo und z. B. dem „anderen 9/11“ 1973 in Chile, als der demokratisch gewählte Allende durch den Einfluss der USA gestürzt wurde. Und haben Sie die Lügen von Bush und Blair vor der Invasion des Irak mit Millionen Opfern auch vergessen? Mir sind die brutalen Entscheidungen eines, zugegeben sonderbaren, aber immerhin Friedensnobelpreisträgers Henry Kissingers näher als larmoyante Schreibtischmeinungen über die gegenwärtigen Brutalitäten des Herrn Putin. Glauben Sie wirklich an einen Sieg der Ukraine über die Atommacht Russland? Wäre es nicht in jedem Fall besser, zumindest auf einen Waffenstillstand hinzuwirken? Zumindest bietet Putin solche Verhandlungen immer wieder an, und sicher wird es so oder so keine Lösung geben ohne Gebietsverlust der Ukraine.
Helmut Morsbach

Zu Ihrem Titel vom 22. Februar: Kein Wort zum Prozess in London in meiner „ZEIT“! „Free Assange“, hätten alle Verantwortungsträger, Diplomaten und mein geschätzter Chefredakteur der ZEIT auf der Titelseite fordern müssen – stattdessen wird alle Energie in die Empörung über Nawalnys grausamen Tod gesteckt. Jeder Vergleich zwischen beiden verbietet sich; aber wenigstens sollte in Nachrufen kurz Erwähnung finden, was an unerträglichen Parolen Nawalnys wider Schwule und Ausländer nicht nur in mir nachklingt; ihn zum Märtyrer zu stilisieren wie in Ihrer Beilage „Christ und Welt“, ist zynisch all denen gegenüber, die seine damaligen Hetzparolen wie ein Schwert ins Herz trafen. Bitte hören Sie sich seine Tiraden gegen alles Russische noch einmal an: Seine damaligen Überzeugungen glichen exakt den rechtsextremen Inhalten, gegen die in Deutschland jüngst Tausende auf die Straße gingen. Und wer meint, dass dies Jugendsünden eines längst vom Saulus zum Paulus Bekehrten seien, möge nachlesen, wie ungnädig Deutsche in vergleichbaren Fällen sogar mit Sünden aus der Schulzeit verfahren bzw. Straßennamen post morten tilgen wegen eines einzigen unliebsamen Datums in der Biographie.
Angesichts seines grausamen Schicksals auszusparen, welches menschenverachtende Gedankengut dieser Märtyrer viele Jahre hindurch öffentlich verbreitet hat, wird der ansonsten in ähnlichen Fällen so penibel recherchierenden Presse nicht gerecht; selbst unter „Wikipedia“ findet sich das Stichwort der „Russischen Märsche“ von 2009 bis 2013. Assange hat amerikanische Folter und Korruption aufgedeckt; aber klar, dass es gerade jetzt nicht ins Weltbild passt, wenn bei den moralisch so sauberen amerikanischen Freunden der Fall Assange angeprangert wird – man müsste dann vielleicht sogar den amerikanischen Botschafter einbestellen, um Assange zu helfen. Undenkbar! So wenig wie wir Armenien geholfen haben während des Völkermordes im vergangenen Jahr, so wenig wird sich Julian Assange auf westliche Freunde verlassen können; er wird unter ähnlichen Haftbedingungen wie Nawalny (Unrechtsstaat) in einem amerikanischen Straflager (Rechtssaat) elend versterben. Bigotte Welt!
Annefine Brommann

Mit Freude lese ich beide Leitartikel, besonders den von Giovanni di Lorenzo “Vor aller Augen”. Die klare Sprache und die präzisen Analysen faszinieren mich. “Ich lasse den Oppositionellen nicht einmal die Tränen der Trauer” milde und dennoch prägnant ausgedrückt für eine gewollte seelische Verkrüppelung des Volkes. “Ich mache mit euch und gegen euch was ich will”; spätestens jetzt sollte allen klar werden, dass dieser Machtbesessene keine Grenzen kennt und dass es um unsere Freiheit geht.
Marilott Grosch

Sie erhalten nicht oft eine E-Mail von claus.hoerrmann@t-online.de. Erfahren Sie, warum dies wichtig ist. Wer sich für eine Versöhnung mit Russland einsetzt, der ist nicht zwangsläufig jemand, der Kriegsverbrechen entschuldigt. Nennen Sie mir bitte nur einen Krieg, in dem keine Kriegsverbrechen begangen worden sind. Die Ampelregierung zieht Deutschland immer tiefer in den Ukraine-Krieg hinein. Es ist für mich schon ein Skandal, dass es keine öffentliche Debatte über die fortlaufende militärische Unterstützung der Ukraine durch Deutschland gibt und die Bürger in die Entscheidungsprozesse nicht einbezogen werden. Schließlich steht unser aller Sicherheit auf dem Spiel. Wir brauchen endlich neue diplomatische Offensive, um aus der Eskalations-Spirale herauszukommen und Wege zum Frieden zu finden. Ihren Aussagen zum Tod des Regimegegners Nawalny stimme ich im Grunde zu. Allerdings hat der russische Staat es bisher auch zugelassen, dass er über X kommunizieren konnte. Im Gegensatz dazu gibt es in Deutschland keine freie Internetnutzung im Strafvollzug. Wo blieb in Deutschland der Einsatz der Regierung für Assange und wo ist ihre Berichterstattung über den amerikanischen Blogger Gonzalo Lira, der vom ukrainischen Inlandgeheimdienst inhaftiert wurde und im Januar im Gefängnis oder Krankenhaus verstorben ist. Ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass Sie mit zweierlei Maß messen.
Claus Hörrmann

100% Zustimmung für die Kernaussage Ihres Leitartikels. Einen Einwand habe ich dennoch. Die Zuschreibung „Russlandversteher „(wahlw. auch „Putinversteher“) ist für eine liberale Gesellschaft fatal. Sie adressiert das Falsche und etabliert eine Bedeutungsumkehr des so wichtigen Begriffs vom Verstehen. Verstehen bedeutet eben nicht, akzeptieren, gutheißen oder gar gehorchen. Erst das Bemühen, Andere verstehen zu wollen, und dann die Fähigkeit, es auch zu können, zeichnet eine liberale Gesellschaft aus. Das gilt weit über den privaten Bereich hinaus und nicht nur für den Resozialisierungsaspekt und die Strafzumessung bei Straftaten, sondern es ist auch die Basis für ein sozialkonformes und eigenverantwortliches Handeln in einer arbeitsteiligen Gesellschaft. Wo ein Verstehen immer schwieriger wird, keimt die Sehnsucht nach Kontrolle und Zwang. So ist es genau umgekehrt, es kann gar nicht genug Putin- und Russlandversteher geben, den es sind die Missversteher, die unsere Freiheit aufs Spiel setzen.
Jürgen Pilz

Hiermit muss ich meine Enttäuschung ausdrücken über ihren Bericht „Vor aller Augen“. Wie kann ein erfahrener Journalist einen so oberflächlichen Bericht für die erste Seite schreiben? Ich wehre mich zunehmend gegen eine kollektive Empörung ohne kritisches Hinterfragen in den Hauptmedien!  Bin ich ernsthaft „…mit politischer Blindheit geschlagen oder ein Bewunderer des despotischen Regimes…“, wenn ich die Opposition in Russland differenziert betrachte, wenn ich den Umgang mit Julian Assange als Vergleich heranziehe, wenn ich mir das zweistündige Interview mit Putin anhöre, wenn ich die Geschichte Europas ab 1990 genauer recherchiere, wenn ich mich auch über Internetkanäle wie „Neutralitätsstudien“ informiere, wenn ich demnächst eine Partei wählen werde, die sich gegen eine weitere Militarisierung ausspricht? Bitte denken sie nach!
Birgit Reinhart

Ich teile Ihren Artikel weitgehend. Allerdings fehlt ein Absatz.  Nach dem Satz „Ein Rätsel, wo die Apologeten und Apologetiken der Verhandlungen mit Russland jetzt die Basis für Friedensgespräche sehen“ vermisse ich einen Absatz beginnend mit „Also … .“ Die moralische Verurteilung von Menschen, die neben militärischer Unterstützung auch Verhandlungen fordern, reicht nicht. Das Rätsel, wie Sie den Krieg ohne Waffenstillstand und Verhandlungen beenden wollen, sollten Sie auflösen. Teilen Sie die Aussagen von Roderich Kiesewetter: „Der Krieg muss nach Russland getragen werden. Russische Militäreinrichtungen und Hauptquartiere müssen zerstört werden. Wir müssen alles tun, dass die Ukraine in die Lage versetzt wird, nicht nur Ölraffinerien in Russland zu zerstören, sondern Ministerien, Kommandoposten, Gefechtsstände.“
Wolfgang Rose

Putin macht, was er will und was der Westen zulässt! Sein Land gilt als unangreifbar und als Angreifer kaum abwehrbar. Er zeigt sein Land als nukleare Großmacht, das auch konventionell aufrüstbereit und -fähig ist. Und an menschen- und vereinbarungsverachtenden Allmachtsfantasien mangelt’s ihm wahrlich nicht. Länder, Mächte, die dem militärisch nichts Vergleichbares entschieden und glaubhaft entgegensetzen können, sind potentielle Opfer. Das werden außer Moldawien und Georgien auch noch Litauen und Polen (obwohl NATO-Staaten) erfahren, wenn Putin den Landzugang über den Suwalki-Korridor von Belarus zum höchstgerüsteten russischen Ostseestützpunkt Kaliningrad (u.a. Iskander-und Überschallraketen) militärisch sicherstellen will, wie er es bereits in Syrien (Tarus) und der Krim (Sewastopol) macht. Ob dann alle NATO-Staaten (insbesondere die USA) eingreifen wollen, darf bezweifelt werden. Und Europa? Da hilft zur Selbsterhaltung nur: aufrüsten, aufrüsten, aufrüsten…Putin ante portas!
Udo H. Bauer

Ich hätte es schön gefunden, wenn Sie neben der allfälligen Berichterstattung über den heldenhaften Herrn Nawalny, der (das steht ja ganz außer Frage) just vom Oberschurken Putin ermordet wurde, auch ein paar Sätze über den Fall Julian Assange übrig gehabt hätten, dem in diesen Tagen die Auslieferung an die USA und dort lebenslange Haft droht, weil er es gewagt hat, Kriegsverbrechen unserer Verbündeten aufzudecken – aber das hätte wahrscheinlich nicht so gut in die „geistig-moralische Kriegsertüchtigung“ gepasst, die mich zu meiner großen Bestürzung nicht nur aus der ZEIT seit zwei Jahren überall anbläst. Es gibt dazu ein angeblich ukrainisches Sprichwort: „Wenn die Fahnen wehen, steckt der Verstand in der Trompete.“
Thomas Movtchaniouk

Es ist Putin, der dem Westen mit der Ermordung Alexej Nawalnys pünktlich zu Beginn der Münchener Sicherheitskonferenz den Stinkefinger zeigt. Unverhohlen und in einer Skrupellosigkeit, die seines Gleichen sucht. Nawalny hätte Putin nicht mehr gefährlich werden können, mit dessen Tod hat Putin den letzten großen Oppositionellen aus dem Weg räumen lassen. Sein eigenes Volk hat Putin längst so eingeschüchtert, dass es gar nicht mehr die Möglichkeit hat, sich gegen das System Putin zu wehren. Ob es tatsächlich im Ukrainekrieg hinter Putin steht, ist damit mehr als fraglich. Wie kann man da ernsthaft glauben, mit diesem Mann auf Augenhöhe verhandeln zu können? Putin geht es um Unterwerfung, in Russland, in der Ukraine und wer weiß noch wo. Ja, Nazi-Deutschland hat den sowjetischen Völkern unermessliches Leid zugefügt, dazu gehörten übrigens auch die Ukrainer, und nein, dieses ist überhaupt keine Rechtfertigung dafür, tatenlos zuzusehen, was Putin jetzt den Ukrainerinnen und Ukrainer in Nazi-Manier antut.  Im Gegenteil! Leider zeichnet sich ab, dass Trump erneut zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt werden kann. Was er von der NATO hält und über die Unterstützung der Ukraine denkt, trompetet er jetzt schon in seiner unsäglichen Art heraus. Putin kann sich nur auf diesen dümmlichen, aber für die westlichen Demokratien gefährlichen Sekundanten freuen. Höchste Zeit, dass sich Europa unabhängiger von der (militärischen) Unterstützung der USA macht; denn Abhängigkeit bedeutet immer auch weniger eigene Freiheit. So oder so.
Regina Stock

Ich verstehe nicht mehr, was es hier nicht zu verstehen gibt! Während der laufenden Weltsicherheitskonferenz dürfen Frau Nawalny und der Rest der Welt aus der ersten Reihe zusehen, wie Putin seinen letzten ernstzunehmenden Gegner Nawalny gut vorbereitet und punktgenau hinrichten lässt. Putin zeigt der Welt im Zenit seiner Macht entschlossen den Stinkefinger und signalisiert: Ihr könnt mir nichts anhaben und ihr seid wehrlos, weil ihr unentschlossen seid! Die Unentschlossenheit und Uneinigkeit der Unterstützer der Ukraine stärkt Putin mit jedem weiteren Tag. Es wäre an der Zeit, die Führer der Unterstützerstaaten einem Konklave zu unterziehen, mit der Vorgabe, alles zu verhandeln und verbindlich zu beschließen, was für einen Sieg der Ukraine gegen Putin jetzt und sofort notwendig ist. Die körperliche Erschöpfung nach dem Konklave würde dem Begriff der Kriegsmüdigkeit eine sinnhaftere Bedeutung geben. Erst nach Abschluss des Konklaves erfolgen die Aufarbeitung und die Erklärung an die Bevölkerung. Die Botschaft: Die beschossenen Investitionen ins Militär und die finanziellen Opfer sind unsere gemeinsame und alternativlose Überlebensversicherung gegen Putin. Die Unentschlossenheit beschlussloser und nicht zielführender Debatten muss jetzt enden. Die Expansion Putins muss hier enden.
Andreas Löbbers

Es ist traurig mitzuerleben, wie aus einer seriösen, liberalen Wochenzeitung ein ideologisches Kampfblatt fehlgeleiteter Transatlantiker wird, die nicht verstehen können – oder wollen – dass die Vorherrschaft der USA beendet ist. Da wird tief in die Trickkiste gegriffen und der märchenhafte Kampf „Gut gegen Böse“ – Putin, der Herr der Finsternis, gegen die demokratie- und freiheitsliebenden Lichtgestalten aus dem Westen wird in Szene gesetzt, um dem dummen Volk klarzumachen, dass es untergehen wird, wenn es bei diesem Kampf nicht bereitwillig Opfer bringt und die richtige, nämlich die Seite der „Guten“ unterstützt. Alice Bota, Michael Thumann und jetzt Giovanni di Lorenzo, um nur ein paar zu nennen, sind von der Seite ernst zu nehmender Journalisten auf die Seite der Märchenerzähler gewechselt, und rühren die Werbetrommel für einen Krieg, der offiziell für Frieden und Freiheit geführt wird (wie alle vorherigen Kriege des Westens von Vietnam bis Irak und Afghanistan) aber deren wirkliche Gründe der Kampf um Ressourcen und geopolitische Vorteile sind. Russland hat den Krieg angefangen, das war falsch und genauso wenig vom Völkerrecht gedeckt wie ein Großteil der Kriege der USA.
Die wichtige Aufgabe von Journalisten ist es Informationen bereitzustellen, damit sich die Menschen eine Meinung über solche Konflikte bilden können. Es ist nicht ihre Aufgabe Meinung zu manipulieren. Alexej Nawalny wird übrigens in der Ukraine sehr viel kritischer gesehen und mitnichten zu einer Lichtgestalt gehypt, denn er hat eben auch die nationalistisch/extremistischen Seiten, die der Teil des Westens, der versucht ihn zu vereinnahmen, um davon zu profitieren, gerne außen vorlässt. Wir leben bereits in einer multipolaren Welt. Dass Hardcore-Transatlantiker das nicht wahrhaben wollen, kann ich verstehen, denn das zerstört ihr „Geschäftsmodell“ es ist aber die Realität und wer Realität negiert, schadet meistens mit seinen Entscheidungen nicht nur den anderen, sondern auch sich selbst. Demokratie braucht eine Presse, die in der Lage ist Sachverhalte realistisch zu analysieren, Ausflüge ins Reich der Phantasie in dem „Gut“ gegen „Böse“ kämpft müssen als solche gekennzeichnet werden und dürfen nicht mit dem analytischen Handwerk vermischt werden, denn Aufgabe der Presse ist es nicht Chaos zu stiften, sondern sie sollte Informationen bereitstellen, die helfen Chaos zu ordnen. Wir brauchen so eine Presse. Sie hätten die Möglichkeit daran mitzuarbeiten – warum tun Sie’s nicht?
Birgit Moeller

ohne die grausamkeit putins damit zu billigen oder zu relativieren, aber die amis, die julian assange lebenslang wegsperren wollen, weil er journalistisch tätig war, sind kein deut besser.
philipp stampe

Nawalny war ein Freund Europas. Er wünschte sich „ein für Russland offenes Europa“. Auch wenn es manchem in diesen Tagen schwerfallen mag, es zu lesen, aber genau das hatte sich auch Putin schon bei der Münchner Sicherheitskonferenz 2007 gewünscht. Wann allerdings, so die Frage gerade in diesen Tagen, wird dieses umworbene Europa neue Wege denken, da unsere Welt sich inzwischen anders verteilt, die Blockbildung aus Zeiten des Kalten Kriegs und Hegemonialverhalten nicht mehr so ganz in unsere global vernetzte Zukunft passen, da es künftig noch stärker um Multipolarität, smarte „Wahlmöglichkeiten“  als um starre Allianzen gehen wird und muss, wie der indische Außenminister es in seinem ZEIT Interview formuliert?  Wird Europa, vor allem auch Deutschland, das Selbstbewusstsein aufbringen, seine Interessen frei wahrzunehmen und seine Partner dafür frei zu wählen? Wird es überlegen, dass wir auf Dauer möglicherweise nicht GEGEN unsere kontinentalen Nachbarn, sondern besser MIT ihnen prosper und in Frieden leben?   Wenig überzeugt mich Giovanni di Lorenzos Ansatz, historische Gegebenheiten zu einem „wackeligen Narrativ“ herabzuwürdigen und diejenigen, die seine Emotion nicht teilen, als Despotenbewunderer hinzustellen, denen „nicht mehr zu helfen“ ist, und die natürlich, um das Klischee abzurunden, auch gern rechtspopulistisch unterwegs sind. Schön wäre, wenn die ZEIT weiterhin trotz aller emotionalen Versuchungen dafür sorgte: audiatur et altera pars.  Ein gut recherchierter Bericht z.B. zum „Istanbuler Kommuniqué“ und zu den Gründen seines Scheiterns in letzter Minute wäre in diesem Zusammenhang nicht übel gewesen. Oder habe ich ihn verpasst?
Stefan Rüll

Sollte es tatsächlich etwas Schimpfliches sein, Russland verstehen zu wollen? Ist man deswegen tatsächlich gleich ein Lügner?  Die Totschlag-Rhetorik des Leitartikels ist grundsätzlich nicht sehr hilfreich. Zumal sie auch die Frage aufwirft, warum der Westen Herrn Jamal Khashoggi deutlich schneller vergessen konnte als er das mit Herrn Alexej Nawalny vorhat.
Christian Voll

Putin ließ Nawalny nicht umbringen, weil er ein Oppositioneller war, sondern weil er den Film über Putins Palast gemacht hat. Für den kriminellen Putin war das zu viel an Bloßstellung, die nur durch den Tod Nawalnys gerächt werden konnte. Das war nicht politisches Kalkül, sondern das Ausleben niedrigster Instinkte.
Rüdiger Weigel

Die „entscheidende Ausweitung“ der westlichen Machtsphäre wurde 2014 vollzogen, indem der demokratisch gewählte Präsident der Ukraine mit erheblicher Unterstützung der Amerikaner aus dem Amt geputscht wurde, um Herrn Selenskyj zu inaugurieren – wie seinerzeit den Schah im Iran. Anschließend wurde das Land hin zur größten Armee des Kontinents aufgerüstet. Dem offiziellen Narrativ gelingt es unterdessen noch immer nicht, Moral und Politik glaubhaft zusammenzuführen. Nawalny heißt im Osten Assange und Kiew Bagdad – und „der politische Moralist fängt da an, wo der moralische Politiker billigerweise endigt“ (Kant: Zum ewigen Frieden. 1795/2008. Fischer. S. 39/191).
Andre Hempel

„Wer sich nach Alexej Nawalnys Tod noch Illusionen über Putin macht, dem ist nicht mehr zu helfen – ist mit politischer Blindheit geschlagen oder Bewunderer des despotischen Systems – hat als Putinversteher eine unstillbare Sehnsucht, sich mit Russland zu versöhnen“ sind Sätze, die mich getrieben haben, dazu Stellung zu nehmen. Denn die logische Konsequenz, die „Abscheulichkeiten“ des Despoten zu beenden, hieße: Tyrannenmord. Zwischen den Zeilen steht das auch in der alternativlosen militärischen Lösung: „Für Deutschland …würde das eine Aufrüstung bedeuten, wie wir sie seit dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr kennen“ , Gewalt kann nur mit  Gewalt beendet werden? Wie kommt ein Mensch dazu solche abgrundtiefen, menschenverachtenden, destruktiven Taten, Verbrechen zu denken, anzuordnen oder selbst zu begehen? Ich bin Arzt für psychotherapeutische Medizin, Psychoanalytiker und überzeugt, dass unsere Persönlichkeit in der frühen Kindheit geprägt wird. Ich habe nach der Kindheit Putins recherchiert und dabei auffällige Parallelen zu Josef Stalins Kindheit gefunden: Beide hatten 2 ältere Brüder, die früh gestorben sind. So wurden die letzten die ersten, die Stammhalter. Beide Mütter waren Christinnen. Wladimirs Mutter ließ ihn gegen den Willen des Vaters heimlich taufen. Stalins Mutter konnte Josef in ein kirchliches Internat schicken mit dem Vorhaben, dass er Priester werden könne. Beide Väter handelten nach dem Motto: wer sein Kind liebt, züchtigt es. Von den Müttern gehegt, gefördert, auserwählt, vielleicht ver-herr-licht, von den Vätern gezüchtigt, geprügelt. verwundet, verletzt, traumatisiert. Ein Leben in einer dauernden Achterbahn von Höhe und Tiefe, von Macht- und Ohnmachtsgefühlen, von Minderwertigkeits- und Überheblichkeitsgefühlen.
Man braucht wohl nicht viel psychologisches Gespür, Einfühlungsvermögen, um sich vorzustellen, wie ein Kind dabei seinen Charakter entwickelt und dabei im Extremfall sich selbst umbringt oder zum allmächtigen, tyrannischen Herr-scher wird.  Der Norweger Johan Galtung (Gründer des ersten europäischen Friedensforschungsinstitutes PRIO 1959 in Norwegen) hat 1993 in Freiburg beim letzten Friedenskongress der IPPNW ein psychologisch schlüssiges, wertfreies Entwicklungsmodell vorgestellt:  den ATM Komplex: – Auserwählt – -Traumatisiert – Mythologisiert. Ein einzelner Mensch, auch eine Gesellschaft (ein Volk, ein System) entwickelt bei unlösbar erscheinenden Konflikten, angstmachenden Veränderungen und Superkrisen eine Überlebensstrategie durch „Erfinden und Propagieren“ einer Art Selbstheiligsprechung , einem  Narrativ von Heldentum,  unangreifbarer Stärke, von Allmacht: den Mythos, oder das Märchen von der eigenen  Einzigartigkeit, Unbezwingbarkeit.  Von dieser Einzigartigkeit unserer Existenz heißt es auch in den Menschenrechten, dass die Würde jedes Menschen unantastbar, das heißt auch unzerstörbar ist. In der Sehnsucht nach gelungenem Leben, Frieden im eigenen Herzen und in den Herzen aller Menschen kann das erahnt werden, was Würde ist. Das Erleben der Würde dieser einzigartigen. allen Menschen angeborenen Eigenschaft, und würdevolles Denken und Handeln das lernen wir wie das Sprechen, Denken, Handeln in der Kindheit, wenn es nicht behindert oder zerschlagen wird.  Jeder Mensch, der verbrecherisch handelt hat aber diese angeborene, unantastbare Würde, hat den Zugang und Umgang durch Gewalt verloren. Er handelt scham- und würdelos, lädt dadurch große Schuld auf sich.
Der Pazifist Jesus riet zur Feindesliebe. Ich verstehe das so, dass wir bei machtmissbrauchenden und destruktiv handelnden Menschen deren angeborene Würde nicht vergessen sollen. Das könnte im Sprechen über sie daran deutlich werden: sie nicht verurteilend als „Teufel, als Despoten, Verbrecher“ zu stempeln.  Das gerechte Verurteilen ihrer bösen Taten obliegt dem internationalen Gerichtshof. Warum wird am Stammtisch, in Talkshows und in Zeitungen so wenig darüber gestritten, wie wir den Institutionen der verbrieften Menschenrechte UNO, IGT   wie auch dem neuesten Völkerrecht dem Atomwaffenverbot   Geltung verschaffen? Liegt es vielleicht daran, dass wir unbewusst am Elend festhalten?  Ein Analysand hat mir nach langer Analyse unter Tränen geoffenbart: „ich habe bisher nach dem Motto gelebt: lieber die altbekannte Scheiße als das unbekannte Glück.“  —- Frieden auf Erden —-
Ludwig Brüggemann

Nawalny wird zum Märtyrer gemacht. Über die Auslieferung von Assange wird zur gleichen Zeit verhandelt und Presse hält sich bedeckt. Zwei Männer, die für die Demokratie ihr Leben riskieren, werden so unterschiedlich behandelt. Sich gegen den bösen Osten zu stellen, ist erwünscht, aber über den Westen darf nicht die Wahrheit gesagt werden.
Jutta Städter

So beunruhigend, wie berührend wahr, was Giovanni di Lorenzo schreibt. Die Kaltherzigkeit und brutale Berechnung, die hier mit Nawalnys Ermordung Ausdruck findet, lassen einen das Blut in den Adern gefrieren. Was mich bereits länger wundert, ist wie wenig der psychologische Hintergrund dieser Person – bei Putin im Besonderen, bei allen Despoten im Allgemeinen – als Maligner Narzissmus erkannt, in den demokratischen Medien vermittelt wird und aufgrund dessen sein gesamtes Verhalten besser eingeordnet werden kann. Es scheint, als ginge die Mehrheit der europäischen politischen Entscheider immer noch von den eigenen ethisch moralischen Werten aus, worauf offensichtlich viele politischen Fehlentscheidungen der Vergangenheit beruhen, mit deren Konsequenzen wir uns jetzt in vielfacher Hinsicht konfrontiert sehen. Es geht hier um eine äußerst gefährliche Persönlichkeitsstörung, die in Form eines kaltblütigen Despoten, der ohne jegliche Regulative willkürlich Kriege anzetteln, Feinde ermorden lassen und sein eigenes Volk und global Millionen Menschen täuschen und belügen kann, weder berechenbar ist noch ethisch moralische Grundsätze hat, stattdessen nur mit Angst und Brutalität herrscht. Ein Narzisst will unter allen Umständen gesehen werden und Angst machen, das ist alles, was sein Handeln antreibt, jede kleinste Missachtung provoziert Brutalität. Dass wir innerhalb der demokratischen Welt darauf eine viel klarere, eindeutige und vor allem furchtlose Haltung auch in Bezug auf die Ukraine zeigen sollten, wäre dann eine logische Schlussforderung. Dazu müssen wir nicht Heldenhaft agieren, können aber alle in vielerlei Weise mehr Mut zeigen als lediglich Sanktionspakete zu schnüren, die wirklich niemanden beeindrucken. – Julia Nawalnaja zeigt uns wie es geht.
Joanna Hegemann

Bin enttäuscht, dass selbst der ZEIT angesichts der geplanten und überfälligen Entkriminalisierung nichts Besseres einfällt, als einmal mehr die von deren Gegnern mantrahaft beschworenen Gefahren von Cannabis zu betonen (Unterüberschrift: „…die Frage, wie zerstörerisch eine bald legale Droge ist“).  Man kann der Ampelregierung vieles vorwerfen, aber zum Glück ist diese diesbezüglich schon einen großen Schritt weiter. Bei der Leserschaft (und somit den besorgten Müttern, Vätern, Großeltern) bleibt die Botschaft hängen: Cannabis ist doch gefährlich – und in Richtung Politik: überlegt Euch nochmal gut, ob die Entkriminalisierung der richtige Schritt ist! Wie in sämtlichen Medienberichten auch hier kein Wort darüber, was die bisherige Gesetzeslage für die zu Kriminellen erklärten Konsumenten und deren Angehörige bedeutet: Führerscheinentzug (und das häufig, ohne jemals berauscht gefahren zu sein!), durchsuchte Wohnungen und Jugendzimmer, Verlust des Arbeitsplatzes und soziale Ausgrenzung – und alles nur, weil sie die Wirkung der Droge Cannabis der des (in meinen Augen sehr viel schädlicheren) Zellgifts Alkohol vorziehen. Doppelmoral vom Feinsten also, wenn man sich die Supermarktregale voller Alkoholika aller Art (und deren Gefahren) vor Augen hält.
Erst letzte Woche musste ich zufällig mitansehen, wie martialisch auftretende Zivilfahnder mit ihrem BMW in den Sportanlagen unserer niederbayerischen Provinzstadt einen harmlos wirkenden, jungen Mann mit Migrationshintergrund filzten und ihm triumphierend sein bisschen Gras abnahmen – aggressiv-herablassender Ton der Polizisten inklusive. Ob denen wohl klar ist, was sie mit jedem dieser „Fahndungserfolge“ im Leben der Betroffenen anrichten?! Können wir es uns als Steuerzahler und Gesellschaft wirklich leisten, solche „Kifferjäger“ (sowie das anschließende Gerichtsverfahren usw.) zu bezahlen – und sollten die nicht besser echte Kriminelle verfolgen statt unbescholtener Bürger??? Und wie kann es sein, dass in einem ach so freien Land Menschen verfolgt werden, ohne jemandem geschadet zu haben außer – wenn überhaupt – sich selbst? Mag sein, dass so „Recht und Ordnung“ in den Augen der CSU oder eines Markus Söder aussieht, der ja bekanntlich immer glaubt, für alle Bayern sprechen zu können. Bin mir aber ziemlich sicher, dass dies die Mehrheit der Bevölkerung (auch in Bayern!) anders sieht.
Peter Müller 

Die russische Seele: Dostojewski (Idiot, Schuld und Sühne) oder Stalin (rigorose Säuberungsaktionen mit Millionen Toten).  Wenn das nicht Parallelen zu Putin aufweist? Damals wie jetzt hat die Welt zugeschaut. Auch heutzutage gibt es noch viele Putin Versteher. Das ist nach dem gewaltsamen Tod (vorsätzlicher Mord!) von Nawalny völlig unverständlich. Russland ist mehr als der verklärte Blick von Nostalgikern auf die russische Seele mit Samowar, Blinis und Kaviar oder Birkenwälder und Wolgalieder. Das Narrativ von Putin zur Erklärung des Krieges gegen die Ukraine und der Bedrohung Russlands (NATO-Erweiterung, Herstellung alter Grenzen) ist nicht überzeugend. Trotzdem wird immer wieder über sofortige Verhandlungen zur Beendigung des Ukraine-Krieges sinniert. Wer bitte soll mit wem reden? Putin will seinen Willen durchsetzen und innerhalb Russlands sein Gesicht nicht verlieren. Wer mit Menschen, den vielen Soldaten und den Oppositionellen im Land, so umgeht und über Leichen geht ist kein wirklicher Verhandlungspartner. Alle Parteien in Deutschland, die anderer Meinung sind, können eigentlich für klardenkende Menschen nicht wählbar sein. Wladimir Putin ist ein despotischer Tyrann, der nunmehr seine KGB-Ausbildung und die entsprechende Vergangenheit auslebt und aus einem Fundus von Möglichkeiten zur Menschenverachtung -und Vernichtung schöpft und somit sein wahres Ich zeigt. Der Westen ist gewarnt und muss gemeinschaftlich Stärke zeigen.  Wenn nicht jetzt wann dann?
Felix Bicker   

Nachdem ich die Zeit N9 zum Einstieg überflogen hatte, kam mir sofort Mt. 7,5 aus der Bergpredigt in den Sinn. „Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge; danach kannst du sehen und den Splitter aus deines Bruders Auge ziehen. „Nawalny auf Seite 1 Gonzalo Lira? Julian Assange? Der Artikel bestätigt für mich dieses spontan Empfinden, da er jegliche kritische Selbstreflexion vermissen lässt. Nach meinem Empfinden trübt der Balken in unserem Auge den Blick zu sehr, als dass wir mit dem Finger auf andere zeigen sollten.
L. Grünsteudel

Ich habe kein Problem damit, Wladimir Putin vor aller Augen als psychotisch zu bewerten, ebenso – und einander bedingend – das heutige Russland insgesamt. Nur: Exakt das Gleiche gilt derzeit nüchtern betrachtet für mich, für uns, für Deutschland und für unsere alten und neuen Bundesgenossen. Das alles hat auch sehr wenig mit Verfassung zu tun. Sehr viel dagegen mit Angsthaltung und Abstiegsangst und aufgesetztem Stolz. Pardon: Der viel lautere Weckruf geht von unserem Erdsystem aus; wir haben es nachaktuellem Befund des IPCC bereits bleibend um kritische 1,5 Grad geboostet, Ende offen. Und um da die Hände frei zu bekommen und Ressourcen mit Augenmaß priorisieren zu können, müssen wir besser heute als morgen einen nachhaltigen Kompromiss erarbeiten, unter Wahrung der wohlverstandenen Interessen. Neudeutsch: der vested interests der größeren Mitspieler.
K. U. Voss

Putin verstehen heißt ja nicht, ihm zustimmen. Aber vielleicht wäre es doch ganz erhellend zu verstehen, wie und warum aus dem Putin von 2001, dessen Rede im Deutschen Bundestag mit stehenden Ovationen bedacht wurde, der Putin von 2022 geworden ist.
Hermann Weigmann

Herr Nawalny entschied sich, gewiss auch getrieben von seinen Bewunderern, für Opposition. Ob er sich Jesus, den verherrlichten Friedensfürsten zum Vorbild nahm, dessen Schmerzensweg und sein Ende die menschengemachten Zustände – besonders in Rechtgläubigkeitswahn – eher verschlimmerte, wissen wir nicht. An glückliche Fügungen und Wunder glaubte er, der rational kalkulierende Hoffnungsträger, gewiss nicht mehr. Mir ist es zu billig, ihn zu glorifizieren, wenn stündlich auf beiden Seiten der Front Dutzende, die als Gezogene keine Wahl haben, als Helden geehrt oder als Verbrecher diffamiert zu werden, für derer Ambitionen zu Kanonenfutter werden, die in Selbstgerechtigkeits-Sichtachsen weit vom Schuss moralisieren und eifernd geifern, geborgen in ihrer Gesinnungs-Blase. Ein dreifach Hoch auf homogene Moral-, Sitte- und Anstands-Gemeinschaft, hüben wie drüben zusammengehalten durch ein Feindbild, das wenige Gewinner und Millionen Verlierer zeitigt. Nicht mehr und nicht weniger als kompromisswillige Friedens- und Verständigungsbereitschaft, statt orthodoxer Rechthaberei wünsche ich.
Andreas Weng

Wir hatten hier – im Nachkriegswestdeutschland und seit `89 mit 16 Bundesländern wunderbar zusammengewachsen zur Bundesrepublik Deutschland – ziemlich wahrscheinlich die beste aller Zeiten. Jetzt steht uns eine neue, viel größere Aufgabe bevor. Jetzt geht es nicht mehr in erster Linie um deutsche oder persönliche Befindlichkeiten und Sehnsüchte. Hallo! Jetzt geht es ums Überleben auf unserem Planeten! Ich relativiere Putins Schuld nicht. Ich entschuldige Putins Horror nicht. Ich will sie nicht kleinreden, die Gefahr aus dem Kreml. Ich mach mir keine Illusionen – auch über Putin nicht. Ich werde die untilgbare Schuld des Landes, in dem ich, in das ich geboren wurde und in dem ich lebe und liebe, unabhängig von Putin ewig mit mir tragen. Ja. Wir müssen uns gegen Putin wehren. Gegen Terror. Gegen Rechts. Doch es wird uns ins Elend führen, wenn wir unsere Zeit damit verschwenden, uns immerfort an Putin und … abzuarbeiten. Ich bin nicht für Kartoffelbrei an Kunstwerken. Ich bin nicht für Festkleben auf Straßen. Doch es führt uns nicht weiter, die „Letzte Generation“(die letzte, die noch etwas bewirken kann, die es wirklich begriffen hat und die es eloquenter erklären kann als alle RepräsentantInnen zusammen) zum Problem zu machen. WIR sind das Problem!
Es geht um mehr als um ein freies Europa. Es geht um mehr als Krieg in Mitteleuropa und Nahost und … Wir haben weder Zeit noch Geld für Krieg! Es geht JETZT um das Überleben auf dem Planeten Erde. Er ist unser Einundalles! Unser eigentliches Problem ist, dass wir vor einiger Zeit aufgehört haben, uns an den Lebensgrundlagen unseres Planeten zu orientieren. In- zwischen ist klar: Es besteht kaum noch Hoffnung, dass die Mächtigen jenen zuhören oder gar ernsthaft deren Rat annehmen, die erkannt haben, was die Stunde geschlagen hat. Die es für jeden und jede verstehbar erklärt haben*. Es bestehen jetzt letzte Momente, uns auf dieser Grundlage von uns aus um eine lebbare Zukunft für die kommenden Generationen zu bemühen, mit all unseren Möglichkeiten gegen die Gleichgültigkeit anzugehen und uns so weitgehend wie es uns möglich ist, zu HeldInnen zu entwickeln, wie Alexej Nawalny einer war.

* durch SCIENTISTS FOR FUTURE dramatisch verdeutlicht mit der Studie „What Lies Beneath Die Unterbewertung des existentiellen Klimarisikos“ mit einem Vorwort von Prof. H.-J. Schellnhuber (1992-2018 Dir. des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung): „Aber der Klimawandel erreicht jetzt das Endspiel, bei dem sich die Menschheit sehr bald entscheiden muss entweder beispiellose Maßnahmen zu ergreifen oder zu akzeptieren, dass sie zu spät gehandelt und die Folgen zu tragen hat.“
* mit meiner Veröffentlichung „Brief an Putin“ derart auf den Punkt gebracht, dass namhafte Persönlichkeiten mir dazu Rückmeldung gaben.
Marlies Jensen

Man kann es so sehen wie Sie und in Putin den Oberschurken erkennen, der vor aller Augen Menschen wie einen seiner erbittertsten Gegner auf ein Weise umbringt, bei der er sich selbst noch nicht einmal seine Hände zu waschen braucht. Dass Sie aber den populistisch missbrauchten Begriff „Putinversteher“ in Ihren Artikel einbauen, widerspricht nach allem, was ich bisher von Ihnen gelesen habe, Ihren – entschuldigen Sie bitte – Differenzierungsvermögen. Wer Wladimir Putin bekämpfen möchten, sei es als Journalist oder als NATO, muss ihn verstehen wollen. Wie soll man sonst mit ihm umgehen? Mit einem plakativen Feindbild ist kein Friede, wie immer der aussehen könnte, zu erreichen. Und den wollen Sie doch hoffentlich. Zum anderen: Wo bleibt der Hinweise auf Julian Assange? Natürlich, Sie schreiben über den russischen Präsidenten und seine Machenschaften, aber wäre es nicht aufrecht und ich meine sogar: zwingend geboten, wenigstens in einem Satz zu erwähnen, dass die USA mit Julian Assange nicht wesentlich anders umgeht als Russland mit Alexej Nawalny? Klar, da gibt es kein sibirisches Straflager, keine Hungerfolter, wie Sie beschrieben haben. Aber auch die USA mit ihren Verbündeten sperrt einen Kritiker weg und plant, ihn zu einer absurd langen und vor allem unmenschlichen Gefängnisstrafe zu verurteilen. Der Australier hat ähnlich wie der Russe die himmelschreienden Ungerechtigkeiten einer Weltmacht aufgedeckt und zur Sprache gebracht. Da gibt es unübersehbare Parallelen, die so gut wie nie publiziert werden. Sie hatten die Chance. Ihr Leitartikel ist das Eine – mit ein bisschen Wohlwollen kann ich die Einseitigkeit sogar verstehen. Doch als Chefredakteur sollten Sie unbedingt dafür sorgen, dass in einem weiteren Artikel – und sie haben ja, weiß Gott herausragende Autorinnen und Autoren! – über die Repressalien gegenüber Assange Rechnung getragen wird. So isoliert bleibt Ihre Kritik an W. Putin unaufrichtig.
Friedrich Brandi

Unterschiedliche Berichte und Bewertungen kommen zum gleichen Ergebnis: Putin ist zu allem fähig. Für mich stellt sich die Frage: war das immer so? Oder ist er dazu gemacht worden? Oder hat man ihn machen lassen, was er wollte? Zurzeit sieht es ganz schlimm aus, in der Ukraine und auch in Russland! Zunächst haben wir es mit einem Narrativ zu tun, wenn die westliche Öffentlichkeit den Krieg gegen die Ukraine mit dem 24.2.22 festmacht. Zumindest die Vorboten waren für die ganze Welt sichtbar: der Krieg gegen Tschetschenien, der Krieg gegen Georgien, der Krieg in Syrien, die Besetzung der Krim und die Besetzung der Ostukraine. Zu jedem dieser brutalen Vorgehen musste jedem klar sein, dass man es mit Putin, einem Kriegsführer, zutun hat! Die Motive sind allzeit bekannt! Ein frustrierter KGB-Mann sah nach dem Mauerfall seine Idee untergehen; er stand wirklich auf der Straße, vor einem Nichts. Solche einschneidigen Erfahrungen können in Brutalität enden, was bei Putin der Fall war und ist. War er auf diesem brutalen Weg nicht wirklich aufzuhalten?  Das muss sich die Weltöffentlichkeit und vor allem der Westen fragen lassen? Ohne sich parteipolitisch festzulegen kann man sagen; Der Rückzug Obamas als Vertreter der Weltmacht USA gab Putin Auftrieb, zu machen, was er will!!! Die Lücke zu füllen, gab Putin die Gewissheit, ohne Russland geht auf dieser Welt nichts! In Deutschland glaubte man die Zauberformel „Wandel durch Handel“. Dass es von Anfang an vor allem ein lukratives Geschäft für die Bundesrepublik Deutschland war, dass sehr schnell in Abhängigkeit endete, wollte man nicht wahrhaben!
Der Auftritt Putins im Deutschen Bundestag wurde frenetisch gefeiert bis auf einen ehemaligen DDR-Gegner Werner Schulz (von den Grünen); er ging aus dem Plenarsaal heraus und war entsetzt, dass die Abgeordneten sich hatten vorführen lassen. Ein großer Fehler war, das Befreiungsstreben der UrainerInnen auf dem Maydanplatz nicht wirklich ernstgenommen zu haben. Der Ruf nach Freiheit nach Befreiung von den Russen in all den Jahrzehnten fand seinen Widerhall in den „Vorschriften“ der EU und der NATO. Ein weiterer Fehler war das Festhalten an der Nordstream-Pipeline I. und II.; sowohl führende Politiker der SPD und auch Frau Merkel, die Kanzlerin sahen darin kein Problem. Den vielen Morden in Russland und außerhalb Russlands auf Landsleute standen der Westen hilflos gegenüber; man appellierte „nur“. Wo war ein Politiker, der klare Grenzen mit Folgen aufgezeigt hatte, mit Folgen, die Putin tatsächlich in die Schranken gewiesen hätten? „Wandel durch Handel“ ist ebenso gescheitert, wie die „Zeitenwende“ Sie hat nämlich nicht die Ukraine stark gemacht und Russland schwach. das Zögern, das Hinhalten und die Uneinigkeit haben Putin gestärkt!!!! Wenn die rote Linie jedoch nicht gesetzt wird und im Ernstfall eingehalten wird, dann ist D I E Befürchtung berechtigt, Putin kann alles machen, was er will!!! Es liegt nach wie vor am Westen, diesen Tyrann in Schranken zu weisen, in jene Schranken, die er zu spüren bekommt und wo er weiß, jetzt ist es vorbei mit dem Traum, weiter zu machen, was er will!!!
Wolfgang Zopora

Es ist zwar keine neue Erkenntnis, aber Herr Lorenzo hat es aufmerksam beobachtet: Herr Putin ist ein Mörder. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass Herr Lorenzo vor ein paar Jahren Herrn Obama dafür geißelte, dass dieser Herrn bin Laden ermorden ließ und sich das Ganze auch noch im Fernsehen anschaute.
Manfred Schwartz

Dissidenten wie Alexei Nawalny und Julian Assange verdienen zweifellos unser Mitgefühl und unsere Solidarität. Ganz unverantwortlich und unvernünftig ist es jedoch, den Tod des prominentesten russischen Oppositionellen als Beweis zu nehmen für die Unmöglichkeit von Friedensgesprächen mit Rußland. Es gibt keinen naturnotwendigen Zusammenhang zwischen repressiver Innen- und aggressiver Außenpolitik. Diktaturen sind nicht notwendig kriegerisch und Demokratien nicht notwendig friedfertig. Eher im Gegenteil, wie die Kriegsbilanz des Westens im 21. Jahrhundert zeigt. Wer von Ihren Lesern erinnert sich nicht daran, dass die Demokraten von der ZEIT am 18.3.2011 zur völkerrechtswidrigen Bombardierung Libyens aufriefen? Ich vermisse die Vernunftinstanz von Helmut Schmidt in Ihrer Zeitung sehr, der Ihrer Agitation, dass Krieg nur durch mehr Krieg beendet werden kann, vehement widersprochen hätte.
Ralf-D. Baier

Der Fall Alexej Anatoljewitsch Nawalny – oder „Die Chronik eines angekündigten Todes“. Russlands einziger echter Politiker (Der Spiegel) wollte viel zu viel, er wollte ein demokratisches Russland. Putin, weit weniger frei und mutig als der unbeugsame Nawalny, hat mit der manifestierten Ermächtigung über das Lebensende seines Widersachers ebendiesem nun die uneingeschränkte Größe eines Märtyrers verliehen. Auch hat der russische Präsident damit ein weiteres Mal mehr Ohnmacht denn Macht, mehr Unsicherheit denn Souveränität demonstriert. Angesichts all dessen sollten jedem Nicht-Demokraten, der die eigene Demokratie nicht wertzuschätzen weiß, diese gar abschaffen will, endlich die braunen Augen aufgehen.
Matthias Bartsch

Es wird die „Jetzt-Situation“ sehr gut beschrieben und auch die Wege zu dieser Ist-Lage zum Teil erwähnt. Aber wir wollen doch aus dieser „Dilemma Situation“ herauskommen und wieder wie normale Nachbarn zusammen leben. Dazu höre ich in letzter Zeit nichts. Ähnlich war es vor 400 Jahren als jeder 30 Jahre lang auf sein Recht bestand und keiner nachgeben wollte. Erst der „Westfälische Frieden“ brachte 1648 einen gewissen Frieden, weil jeder etwas zum Kompromiss beigetragen hat. In einer ähnlichen Situation sind wir heute in der Ukraine auch. Ohne von den jeweiligen Maximalforderungen abzurücken, kann der Krieg noch Jahre dauern. Eine Lösung kann also nur darin bestehen, dass beide Seiten jeweils „etwas“ zurückstecken. Putin will eine gewisse Sicherheit und die Ukraine weiter ihre Selbstständigkeit behalten. Wenn wir nur die Zeit nach dem 2. Weltkrieg betrachten, so gehörte die Krim bis 1954 zum sowjetischen Einflussbereich. Chruschtschow hat dann die Zuständigkeit 1954 an die Ukraine übertragen. Die Gründe dafür sind unbekannt. Putin möchte eine gewisse Sicherheit für Russland erreichen. Dafür sieht er die westlichen Staaten in der Pflicht. Folgende Sicherheiten könnten die Westmächte anbieten:
1. Die Krim wird wieder von Russland verwaltet. Dafür zieht Russland seine Soldaten aus den besetzten Gebieten der Ukraine ab. Die Ukraine bietet Russland einen militärischen Stützpunkt im Land an.
1. Die Ukraine ist damit einverstanden, dass ein Beitritt zur NATO nur im Einvernehmen mit Russland erfolgt. Russland ist damit einverstanden, dass die Ukraine der EU beitritt.
1. Als zusätzliche Sicherheit für Russland bieten die westlichen Staaten (Polen, Ungarn, Deutschland und Frankreich) an, dass Russland in diesen Ländern seine Atomwaffen stationieren darf. Zusätzlich bietet Deutschland Russland einen militärischen Stützpunkt an und verpflichtet sich, wieder Energie (Erdgas, Kohle, Uran usw.) aus Russland zu beziehen.
1. Um diese Punkte zu diskutieren ist vorab die Gründung einer europäischen Sicherheitskonferenz notwendig. Neben den Ländern Ukraine, Russland, Polen, Frankreich und Deutschland können weitere Länder teilnehmen.
1. Die Westmächte können einen Aufbaufinanzierungsplan vorlegen und sich an den Aufbau kosten beteiligen. Es kann Russland vorgeschlagen werden, nur 50% dieser Kosten zu übernehmen, die anderen 50% teilen sich Amerika, Frankreich, Deutschland, Polen und Großbritannien und die restlichen EU-Länder.
Dies sind die ersten Schritte auf dem Weg zu einem längerfristigen und friedlichen Zusammenleben. Die zukünftigen Beiträge zum Krieg in der Ukraine müssen die „Lösung“ des Konfliktes als Ziel haben und nicht die „Verlängerung“ der Auseinandersetzung. Die aktuelle Diskussion nicht nur Waffen, sondern auch Bodentruppen zur Unterstützung in die Ukraine zu schicken, führt uns direkt in den 3. Weltkrieg.
Heinrich Klaus

Ein bemerkenswerter Artikel über Putin! Kurz und schlüssig wird die derzeitige Situation überwiegend aus der Gegenwart heraus erklärt. Nur, stimmt die Beschreibung wirklich? Man kann sie glauben, man muss sie nicht unbedingt glauben. Empfehlenswert ist es allemal hierzu das letzte Interview mit dem ehemaligen US-Außenminister Henry Kissinger zu lesen („Die Zeit“ Nr. 22 vom 25. Mai 2023; hier: „Wenn die Staatsmänner weise wären … „). Zudem wäre eine wichtige Ergänzung das von Mary Elis Sarotte verfasste Buch mit dem Titel „Not One Inch“ und der interessanten Anmerkung: „ein besonnener Mann prüft das Neue mit Hilfe des Alten“ (Sophokles, König Ödipus).
Ludwig und Jana Degenhart

Ihr Artikel in der Zeit-Ausgabe Nr. 9 fügt sich leider ein in das weit verbreitetet Jammern des so überlegenen freiheitlichen Westens über die abgrundtiefe Bosheit des bösen Russen. Wie enttäuschend; vielleicht bin ich auch nur in Anbetracht dessen, wie nachdenklich und sensibel Sie in Ihrer Talkshow rüberkommen, zu einer falschen Einschätzung gekommen.  Ich glaube, das Thema Russland ist in seiner Einschätzung auch, wie so vieles andere, ein Ost/West-Thema. Jemand, der wie ich sein halbes bewusstes Leben in der DDR zugebracht hat, ist in keiner Weise überrascht von der Denkweise eines „Tschekisten“ Putin. Ob Leute von KGB, Sekuritate, Stasi oder wie sie alle heißen oder hießen, sie ähneln sich alle in ihrem Denken und in ihrem Auftreten. Es ist gekennzeichnet von geringem Selbstwertgefühl und Sucht nach Anerkennung, was sich durch Machtgebahren, Einschüchterung und Brutalität Ausdruck verleiht. Wer im Westen sozialisiert ist und sich das nicht vorstellen kann, sollte sich Publikationen z.B. von Peter Wensierski anschauen, er hat das oft gut beschrieben. Zum Glück ist das nur ein Beispiel, es gibt derer einige, leider sind sie nicht in der Mehrzahl, sie sind ja auch eher unbequem.
Und wer sich das mal wirklich verinnerlicht oder sogar selbst erfahren hat, der weiß, man kann vielleicht über manches mit diesen Leuten reden, aber sie in die Enge treiben, sie lächerlich machen oder ihnen mit Überheblichkeit begegnen, ist etwas, womit man bestenfalls nichts, meistens das Gegenteil erreicht – und wobei man als sensibler, empathischer, liberal denkender Mensch immer unterlegen sein wird.  Die einzige Möglichkeit, solchen Menschen beizukommen, sie im Zaum zu halten und sie am Ende einzuhegen, ist, das entgegenzusetzen, was nicht in ihr Denkschema passt: Gewaltlosigkeit, Empathie, Wertschätzung, Verständnis (Verständnis heißt nicht Befürworten!!!! Leider muss man das heutzutage immer dazu schreiben!). Sonst ist man nicht viel anders als sie. Und worüber sie nur ein müdes Lächeln haben werden und was sie in jedem Falle stärkt, ist das Jammern über ihre ach so große Bösartigkeit und Schlechtigkeit (Falls Sie noch nicht von ihr gehört haben, Ihre Kollegin Frau Prof. Krone-Schmalz könnte darüber viele Artikel in Ihrer Zeitung schreiben).  Ich weiß, wovon ich spreche. Ich habe als Leipziger 1989 selbst die Fassungslosigkeit derer erlebt, die mit ihrer Gewalt und Einschüchterung plötzlich keine Chance mehr hatten. Und ich habe es oft genug erlebt und erlebe es leider bis heute, wie viele west-sozialisierte Menschen in grenzenloser Selbstüberschätzung, Arroganz und Überheblichkeit nicht in der Lage waren und sind, ihre eigene Begrenztheit und Fehlerhaftigkeit zu erkennen und dadurch offen zu werden, diese Begrenztheit und Fehlerhaftigkeit bei anderen zu akzeptieren.
Und dazu reicht nicht, mal verschämt die fragwürdige Verhöhnung Russlands durch Obama zu erwähnen.  Ich weiß z.B. nicht, auf welche gemeinsamen Werte Europas und den USA ich bauen sollte, ist es ein völlig antiquiertes und undemokratisches Wahlsystem, sind es die unzähligen angezettelten Kriege und „Regime changes“  (um das verharmlosende neudeutsche Wort für von außen erzwungenen Umsturz in einem fremden Land zu gebrauchen) in der Welt, sind es die rücksichtslos auf den eigenen Vorteil bedachten Maßnahmen für die eigene Wirtschaft (Inflation Reduction Act, LNG-Verkauf in Europa), ist es eine Verteidigungsstrategie, die im Ernstfall weit weg vom eigenen Land und auf Kosten anderer Völker realisiert werden soll und wird, ist es die Rassendiskriminierung, ist es die fehlende Aufarbeitung der eigenen Geschichte des Genozides an der Urbevölkerung, sind es die mit Millionen Menschen gefüllten Gefängnisse, ist es die ungehemmte Waffenvernarrtheit, ist es die Ungleichheit zwischen arm und reich, das „großartige“ Gesundheitssystem und und und…  Wenn ich stattdessen auf die Weltkarte blicke, sehe ich, dass Europa allein wegen der tausenden Kilometer gemeinsamen Grenzen auf Gedeih und Verderb mit Russland eine Einigung zur friedlichen Koexistenz finden muss. Mit einem Land, dass hinter einem Ozean liegt, kann ich das eher nicht erkennen. Ich weiß, dass diese Möglichkeit zur Einigung mittlerweile an die Quadratur des Kreises grenzt. Die „Zeit“ zähle ich (noch?) zu den Medien, die zu differenzierter, deeskalierender Berichterstattung fähig ist und damit die Öffentlichkeit und Politik entsprechend beeinflussen kann. Scharfmacher gibt es leider wie Sand am Meer.  PS.: Das Schicksal des inhaftierten Journalisten Gershkovich (S.3) ist menschlich berührend, wird aber sicher politisch zu einer Lösung (z.B. Austausch) kommen. Wäre es nicht viel wichtiger, an so prädestinierter Stelle eine Recherche zum Fall Assange zu veröffentlichen, u.a. mit der Frage an unsere oberste Diplomatin, wie und wann sie ihr Wahlkampfversprechen zu erfüllen gedenkt?
Thomas Hillig

Wieder einmal wurde das russische Despotengen angeschaltet, wie schon seit Jahrhunderten immer wieder: im Zarenreich bei Iwan dem Schrecklichen, in der kommunistischen Sowjetunion bei Stalin, und jetzt, anfangs des dritten Jahrtausends, in einer nationalistischen Diktatur bei Putin! Wer nicht für mich ist, ist gegen mich! Wird entweder gleich umgebracht oder stirbt einen langsamen, grausamen Tod in einem Lager, weit abseits jeglicher Zivilisation, unbemerkt vom Weltgewissen! Jede Erosion an den Rändern, die es in jedem Großreich gab, wird zubetoniert, jeder Aufstand unterdrückt. Wer Demokratiebewegungen und Dissidenten unterstützt, landet im Gefängnis; erhält er dabei Hilfe von anderen Staaten, droht man diesen mit Nuklearwaffen! Es ist ein schreckliches Dilemma, dass wir die Oppositionellen ihrem Schicksal überlassen müssen, um nicht die atomare Vernichtung unserer Erde zu riskieren! Wieder müssen wir uns in den Bunkern des Kalten Krieges verschanzen und auf Erleuchtung und Vernunft hoffen, die, wenn überhaupt, erst dann kommt, wenn eine irdische Katastrophe die Nationen über alle Ideologien hinweg wieder zusammenbringt!
Ulrich Pietsch

Diesen Kommentar des Chefredakteurs kann ich Punkt für Punkt unterschreiben. Das Thema „Russland“ begleitete mich viele Phasen meines Lebens als Politiker und es war immer eine Gratwanderung der Gefühle angesichts auch der kulturellen Schnittmengen im Bereich der Literatur und Musik, freundschaftlicher Begegnung mit Teilen der Bevölkerung und auf der anderen Seite die Wahrnehmung des politischen Machtapparats, sei es die KPdSU im Kalten Krieg und nach der kurzen Phase Hoffnung nach dem Fall des Eisernen Vorhangs nun die blutigen Kriege des Wladimir Putin.  Diesen Zwiespalt erlebte ich schon 1971 als junger Mann anlässlich einer Reise der Hamburger Jungen Union nach Moskau und Leningrad. Möglich nur über die Valuta- Touristenschiene wegen des dringend benötigten Westgeldes (Dollar) kamen wir mit jungen Leuten freundschaftlich zusammen, nicht mit Funktionären, weil Intourist uns nicht als Politiker akzeptierte. Anders jedoch der Kreml, der die Führung der ersten politischen Delegation nach dem Moskauer Vertrag einbestellte, um eine Warnung an die Regierung Brandt auszusprechen, nicht am Status West-Berlins nach dem Moskauer Vertrag zu rütteln.  In dem Abkommen wurde festgestellt, dass die Berliner Westsektoren auch weiterhin nicht von der Bundesrepublik Deutschland regiert werden und so wie bisher kein Bestandteil (konstitutiver Teil) der Bundesrepublik sind.
Als ich 1986 den leerstehenden und seiner früheren Funktion (Bundesversammlung) beraubten Berliner Reichstag wiederbeleben wollte, indem ich dem Präsidenten des Bundestages vorschlug, das Gebäude zur jährlichen Parlamentssitzung der Volksvertretungen der Bundesländer zu machen, räumte Philipp Jenniger nach Prüfung zwar ein, ich hätte eine Lücke im Moskauer Vertrag entdeckt, sollte damit jedoch nicht an die Öffentlichkeit gehen und überhaupt nur mit ihm und Bundeskanzler Helmut Kohl sprechen. Andernfalls drohen die auf dem Vertrag aufbauenden friedlichen Beziehungen zur UdSSR zu zerbrechen.  Eine positive Phase erlebte ich ab dem Jahr 1991, als ich mich beim Putsch gegen Michail Gorbatschow hinter diesen stellte und Außenminister Hans-Dietrich Genscher per öffentlichen Brief mit Kopie an Helmut Kohl um Ablösung des sowjetischen Generalkonsuls bat, der sich zunächst hinter die Putschisten stellte. Das löste zunächst ein Sturm der Entrüstung gegen mich aus. Vier Wochen war mein Telefon von feindlichen Anrufen gefüllt, bis Genscher meine Analyse teilte. In der Zwischenzeit hat mich meine Fraktionsführung aller Ausschussmandate enthoben. Der Virus des Kreml-Friedens herrschte immer noch.
Mir ermöglichte Genscher und das Außenministerium und nunmehr auch mit Moskau allerdings bis 1996 humanitäre Hilfe und politische Beratung mit meiner Hanse-Brücke auf der Basilius-Insel in Hamburgs Partnerstadt St. Petersburg. Der Wassiljewski-Distrikt ist das Zentrum für Kultur und Wissenschaften, einst von den Zaren ins Land gerufenen Deutschen. 150.000 wurden von Stalin nach Sibirien verschleppt. In diesen Jahren vermieden alle Hilfsorganisationen möglichst Kontakte zur Petersburger Zentrale, weil die als korrupt galt. Eines Tages wurde ich jedoch in das Rathaus einbestellt. Ich sollte Bürgermeister Henning Voscherau die Forderung überbringen, den Bürgermeister für Wirtschaft und auswärtige Angelegenheiten endlich nach Hamburg einzuladen, sonst könne die seit 1957 bestehende Städtepartnerschaft beider Städte in Gefahr geraten. Den Namen Wladimir Putin kannte hier noch niemand. Putin erhielt eine Einladung 1994 zum Matthiae- Mahl und verließ den Festsaal drohend, als der Ministerpräsident Estlands als Gastredner Russland kritisierte. 1996 beendete ich die Hilfe, weil sich das Klima verschlechterte und wir nunmehr Schikanen ausgesetzt waren. Für mich war die Rückkehr der eines zunehmend kalten Klimas zu Moskau nach dem Wechsel Putins in den Kreml keine Überraschung. Leider ging ihm unsere Politik noch lange Zeit auf dem Leim und das auch als die Kriege immer näher an unser Europa rückten. Das „Augen zu“ bei Teilen von Politik und Gesellschaft kritisiert Giovanni de Lorenzo völlig zu Recht.
Peter D. Schmidt

Ich würde mir wünschen so einen großen Artikel, wie der gegen Putin/Russland von 22.02.2024, auch einen großen über Assange und eine ausführliche Analyse über seine Unschuld.
A. De Bussy

Ja, ja, ja! Allem, was Di Lorenzo sagt, ist zuzustimmen, rational und v.a. auch emotional. Nur reicht das? Die Gefahr besteht darin, dass man das Böse personalisiert und weiterhin die Welt in den guten Westen und den bösen Osten, den man durch Putin repräsentiert sieht, aufspaltet. Dabei wird zu leicht übersehen, dass der Herr Putin Angst hat, schlichtweg Angst. Und das Problem liegt darin, dass nicht die Angst im Machtmissbrauch mündet und die Tür zur Gewaltspirale öffnet sondern die Leugnung, ja die Verwerfung der Angst. Das gilt für alle Menschen, ob im Westen oder Osten, ob privat oder öffentlich, ob kulturell oder militärisch, ob verbal oder nonverbal. Da melden sich immer wieder Personen zu Wort, machomäßig auftrump(f)end, um Wissen und Macht zu demonstrieren. Und sie finden immer wieder ihre Fans. Um sich wirklich näher zu kommen, bedarf es der Offenheit, auch und gerade gegenüber der eigenen Angst. Und da müssten sich alle an die eigene Nase fassen, ob nun im Westen oder im Osten, ohne die Angst, ausgelacht zu werden.
Gerd Schillmöller

 


 

Leserbriefe zu „Diejenigen, die den Staat verhöhnen…“ von Ijoma Mangold

Ijoma Mangolds Essay kommt daher wie eine Lektion in Staatsbürgerkunde, gerichtet an die Familienministerin, die Innenministerin und den Verfassungsschutzpräsidenten.  Was er den Politikerinnen unterstellt, nämlich belehren zu wollen, fällt auf den Verfasser selbst zurück. Den Beitrag so zu framen, als seien Nancy Faeser, Viktor Orbán, Recep Tayyip Erdogan oder gar Kaiser Wilhelm Verbündete im Geiste, reduziert seine Glaubwürdigkeit selbst dort, wo er einen Punkt hat.  Skepsis gegenüber staatlichen Maßnahmen ist grundsätzlich angebracht, insoweit ist Ijoma Mangold ganz im Sinne Foucaults zuzustimmen. Doch sein leidenschaftliches Plädoyer für unbegrenzte Meinungsfreiheit unterhalb der Strafbarkeitsgrenze wird der aufgeheizten gesellschaftlichen Realität nicht gerecht. Die Feinde der liberalen Demokratie setzen nicht etwa auf einen gewaltsamen Umsturz (von den „Reichsbürgern“ einmal abgesehen), sondern wollen peu à peu die staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen zersetzen. Sie haben schon jetzt ganze Arbeit geleistet; Hass, Hetze und böswillige Zuschreibungen behindern   einen offenen Diskurs. Den Staat und seine politischen Repräsentanten in unverschämter Weise zu verhöhnen, ist leider nicht nur auf extremistische Randgruppen beschränkt – Stichwort „rohe Bürgerlichkeit“.
Nahezu alle Untersuchungen belegen eine zunehmende „Demokratiemüdigkeit“ und Politikverdrossenheit in weiten Teilen der Wählerschaft.  Versuche der Politik, diesem Trend mittels Aufklärung entgegenzuwirken und sich dabei zivilgesellschaftlicher Organisationen zu bedienen, sind keine autoritären Belehrungs- und Bekehrungsversuche, sondern zwingend notwendig und Ausdruck einer gelebten wehrhaften Demokratie. (Liberal-)konservative Animositäten gegenüber „linken“ oder „woken“ NGOs sollten dann zurückstehen, denn gefordert ist eine Allianz aller Demokraten.  Unterstellungen, dass sich (rot-grüne) Politik anmaße, „die ideologische Meinungsbildung der Gesellschaft zu organisieren“, sind nicht zielführend, ebenso wenig wie der Vorwurf gegenüber dem Verfassungsschutz, er überdehne seinen Kompetenzbereich und wolle „semantische Prüfsiegel“ verleihen. Derlei Überspitzungen, gewiss „urliberalen“ Bedenken geschuldet, dienen in der überhitzten Debatte leider vor allem als argumentative Steilvorlage für Demokratieskeptiker, ganz im Sinne der strategischen Überlegungen der „Neuen Rechten“.
Rüdiger Paul  

Wir schreiben den 18. August 1969. Ein begnadeter Musiker, Gitarrist, betritt die Bühne. Im Laufe seines Konzertes „zersägt“ er die Nationalhymne (!) der USA The Star Spangled Banner. Der Ort des Konzerts war Woodstock. Was würde Frau Faeser dazu sagen, was Jimi Hendrix da gemacht hat? Kunst oder (bei uns) Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole (strafbar nach §90 StGB)? Ach übrigens, die USA existieren immer noch.
Gerd-Rüdiger Erdmann

Die Kritik von Ijoma Mangold an den beiden Regierungsmitgliedern basiert durchweg auf fragwürdigen Unterstellungen und auf der Verharmlosung der Herausforderungen des demokratischen Rechtsstaates durch gewaltbereite und gewalttätige Nazis, Identitäre, Reichsbürger und Höcke-Faschisten in unserer Gegenwart.  Seine Kritik garniert er mit intensiver Polemik, und allerlei Verdächtigungen. Aus einem Gesetz-chen, das wenig bis gar nichts Grundsätzliches verändert, sondern eher die finanzielle Planungssicherheit von bereits existierenden demokratiefördernden Maßnahmen für NGOs verfestigt, leitet der Autor ein „weltanschaulich geschlossenes System“ von NGOs und Bundesregierung ab, dass „ideologische Meinungsbildung der Gesellschaft“ organisiert. Und dann noch die falsche Ideologie fördert. Geht´s noch? Die Kritik des Autors wirkt geradezu obsessiv. Die Protagonisten, die unsere Demokratie und den Rechtsstaat nach eigenen Worten und nach eigenen Parteiprogrammen abschaffen wollen, verlieren sich nicht in lediglich scharfen verbalen Angriffen auf alle Befürworter unseres heutigen Systems, in Verhöhnungen, Beschimpfungen und Verachtung, nein, dieses Verhalten ist deren niedrigstschwellige Angriffsdimension auf unsere Demokratie. Und ja, in „normalen“ Zeiten, kann und soll der Gesetzgeber einer liberalen Demokratie das aushalten. Inzwischen aber ist ja auch dem letzten in Deutschland klar geworden, dass Normalität Geschichte ist, und systematischer und gewalttätiger Rechts-Extremismus kontinuierlich die Gegenwart bestimmt. Das Ausmaß des Rechts-Extremismus ist inzwischen nicht nur unerträglich, sondern de facto demokratiegefährdend geworden. Ja, Ijoma Mangold, der demokratische Rechtsstaat wird angegriffen, verbal, virtuell, real, von innen und von außen. Er muss sich also als wehrhaft erweisen. Laissez-faire war gestern.
Totalitär ist nicht der Gesetzgeber, der sich gegen diese Demokratiefeinde wehrt, totalitär sind die Demokratiefeinde. Nicht nur an dieser Stelle verdreht der Autor Angreifer und Angegriffene. Der vom Autor propagierte „Pluralismus der Gesellschaft“ findet seine Grenzen in der Achtung der Menschwürde. Die Menschwürde aller Bürger in der Gesellschaft zu schützen, gehört zu den Pflichten des Gesetzgebers. Das ist etwas völlig anderes als die Kritik des Autors, die Regierung „strebe die Identität von Staat und Gesellschaft an“. Seine diesbezügliche Polemik, „Staatsbürgerkunde für Kabinettsmitglieder“ zu verordnen, zeigt die gleiche gezielte personenbezogene Verhöhnung, die einerseits die Feudale Demokratische Partei (FDP) regelmäßig an ihre Koalitionäre richtet, andererseits den Markenkern von AFD und deren Gesinnungsgenossen ausmacht. Das Plädoyer des Autors gegen einen starken Staat gleicht purem libertären Gedankengut. Nachtwächterstaat. Massives Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen. Individuelle Freiheit über alles. Auf dem freien Markt der Meinungen haben auch Extremismus und Radikalismus ihren legitimen Platz. In den USA dürfte dieses Misstrauensvotum gegen einen starken Staat, in Inhalt und Sprache, vermutlich die Bestsellerlisten von Republikanern und Trumpisten anführen.
Hans-Jörg Glaß

Abenteuerlich, was Faser und Paus da vorhaben mit dem „Demokratiefördergesetz“. Gut, dass es noch liberale Zeitungen gibt, die darauf hinweisen, dass es tautologisch ist, wenn Demokraten Demokratie verteidigen, und dass es dezidiert antiliberal ist, wenn die Regierung und NGOs einen Schulterschluss vollziehen und Meldestellen für „antileninistisches und transfeindliches Verhalten von Mitbürgern“ unterhalb der Strafbarkeitsschwelle einrichten. Danke, Ijoma Mangold, für Ihre Intervention und den treffenden Vergleich von Fasers Ruf nach dem „starken Staat“ mit dem Strafdelikt der „Majestätsbeleidigung“ im Kaiserreich! Erschreckend zu lesen, wie eilfertig Thomas Haldenwang der Innenministerin beispringt! Es geht tatsächlich um nichts weniger als die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft und eine Verteidigung der Freiheit des Bürgers. Das gilt cum grano salis übrigens auch in Bezug auf die „Demonstrationen gegen rechts“ und die unsägliche doppelseitige Anzeige der „Zeit“ in der “Zeit“ (sic!), die mit ihrer Anspielung aufs “Dritte Reich“ überdies den Holocaust verharmlost.
Marcel Haldenwang

Die liberale Gesellschaft möchte einen wehrhaften Staat gegen rechts (auch aus der geschichtlichen Nazi-Machtergreifungserfahrung heraus). Sie möchte zugleich einen Staat, der sich aus dem gesellschaftlichen Leben heraushält (gerade aus der geschichtlichen Erfahrung des Zusammenfallens von Staat und Gesellschaft im Nazistaat und in der DDR). Auch ich zucke zusammen, wenn die Regierung Demokratie verordnet. Sofort denke ich, dass es Wasser auf die Mühlen der Rechten ist, die sich in ihrem Narrativ bestätigt sehen können, dass eine vermeintlich linksgrüne Gesinnung staatlich flankiert wird. Ja, Kommunikation ist nicht gerade eine Stärke dieser Regierung. Wenn die Menschen verstehen würden, wohin die Gesamtentwicklung geht, dann hätte sie eine Chance, die notwendige gesellschaftliche Transformation konstruktiv mitzugehen, die mit Zeiten- und Klimawende verbunden ist. Es entsteht aber leider der Eindruck, dass die Unentschiedenheit in den entsprechenden Politikfeldern mit einer ostentativen Entschiedenheit bei der Demokratieförderung kompensiert werden soll. Ijoma Mangold legt den Finger in die richtige Wunde und geht dabei allerdings selbst das Risiko ein, dass seine Überlegungen als Unterstützung rechter Narrative missverstanden werden können. So kategorisch, wie er Staat und Gesellschaft trennt, wäre Gesellschaftspolitik obsolet. In einem Staat, der sich aus Gesellschaft maximal heraushält, wären Emanzipation, Diskriminierungsfreiheit und Chancengleichheit prekär. Gesellschaftliche Prozesse müssen in einer Demokratie über das Parlament in staatliches Handeln münden können. Also: Kein entweder oder – es gilt vielmehr beides: Wir wollen weder einen Nachtwächter- noch einen Bevormundungsstaat. Wir wollen Freiheit in Sicherheit.
Reinhard Koine

Danke für dieses beherzte Plädoyer für den Rechtsstaat und für uns, das Volk, den Souverän!“
Martin Gimnich

Mangold hält dem Demokratiefördergesetz entgegen, der Staat sei keine „Gesinnungsgemeinschaft“, er diene ausschließlich der Freiheitssicherung und die Bürgerrechte seien reine Abwehrrechte. Das entlarvt ein Staatsverständnis („Nachtwächterstaat“), welches gerade nicht dem unseres Grundgesetzes entspricht: Dieses etabliert eben auch eine Werteordnung und nicht zufällig steht vor der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2) das Menschenwürdeprinzip (Art. 1). Die Grundrechte bilden zudem, wie das Bundesverfassungsgericht immer wieder hervorhebt, keineswegs nur Abwehrrechte, sondern auch objektive Prinzipien, die staatlicherseits zu schützen und zu fördern sind. Daher ist es geradezu geboten, nicht nur den immer lauter werdenden Verfassungsfeinden in den Arm zu fallen, sondern auch jenen Unterstützung zu bieten, die sich für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung stark machen.
Sven Kerkhoff

Für solche Artikel liebe ich die ZEIT. Ein sehr gutes Plädoyer für die Demokratie!
Kurt Zoller

Herzlichen Dank für die deutlichen Worte und die klare Haltung zu diesem Vorhaben der Bundesregierung. Es freut mich, dass der liberale Geist der ZEIT noch lebendig ist.
Holger Grünewald

Man lege ideologisch fest, was „Staats-Verhöhnung“ ist, und schaffe legislative Grundlagen, um damit politische Gegner auszuschalten. Dies gefällt mir als Willy-Brandt-Geprägten ganz und gar nicht. Um so löblicher, dass wieder mehr Journalisten wie Ijoma Mangold hörbar werden, die nicht Gesinnung, sondern Verfassung in den Mittelpunkt stellen. Dieses Vorbild sollte in die gesamte ZEIT-Redaktion hineinwirken.
Kurt Schäfer

Ein ganz wichtiger Artikel, den Ijoma Mangold da geschrieben hat. Wir müssen sehr aufpassen, dass die Bundesregierung nicht ein Netz von „willfährigen“ NGOs („politische Vorfeldorganisationen“) an sich bindet sich bindet mittels „Staatsknete“. Davon gibt es leider schon viel zu viele: Beispiel: die „Deutsch-israelische Gesellschaft“, die pro Jahr über 2 Millionen an Steuergelder für „politische Aufklärungsarbeit“ erhält, während die „Deutsch-palästinensische Gesellschaft“ Null € Unterstützung erhält. Oder die Israel-Lobby-NGO „Werteinitiative“, die jährlich für über 700.000 € für Israel werben darf…
Björn Luley

Der kluge Text von Herrn Mangold hätte weit nach vorne in den Politik-Teil der ZEIT gehört. Schon der Satz „Es ist nicht die Aufgabe der Regierung, die ideologische Meinungsbildung der Gesellschaft zu organisieren.“ erinnert an eine glorreiche demokratisch-liberale Vergangenheit der ZEIT! Schon die Nähe des „Correctiv-Netzwerks“ zu Geldtöpfen der Regierung ist in einem liberalen Rechtsstaat brisant. Und das „Kompetenznetzwerk Rechtsextremismus-Prävention“ sieht bspw. das „Leugnen der Klimakrise“ als Merkmale der Demokratiegefährdung: Dank der beliebigen Interpretierbarkeit des vagen „Begriffs“ eröffnet dies gefährliche Türen. Orwell: Alle Bürger sind gleich, manche (in staatlich finanzierten „Netzwerken“) sind gleicher als andere!
Wolfgang Ströbele

Akif Pirincci … zum wiederholten Male Zuwanderer als „Schmarotzer“, die sich „mikrobenartig“ vermehren …  Mein erster Gedanke war: Der weiß, wovon er redet. Der wurde verurteilt.  Warum hat man ihn nicht mal gefragt, welches Mittel er dagegen vorschlägt? Bevor man ein Mittel zur breiten Anwendung bringt, muss das natürlich an Probanden getestet werden, auf Wirkung und Nebenwirkung. Wer wäre ein besserer Proband als der Zuwanderer Akif Pirincci? Da habe ich dann gestutzt und mir gedacht, dass Schriftsteller offenbar nicht besser qualifiziert sind, zu Ende gedacht über die Welt zu urteilen, als jeder beliebige Mensch. Denn die Konsequenzen für sich selber hat er wohl noch gar nicht bemerkt.
Hans List

Ein brillant geschriebener Artikel! Vom Missverständnis zweier weiblicher Kabinettsmitglieder über die Aufgaben eines starken Staates und über die staatsfinanzierte „Demokratieförderung“, „Gestaltung gesellschaftlicher Vielfalt und Extremismusprävention“. Bitte um Entschuldigung, aber bei der Erwähnung des Wortes „Vielfalt“ überkommt mich regelmäßig ein allergischer Brechreiz! Es ist inzwischen zu einer ausgelutschten Hohlphrase verkommen, hat die Bedeutung von „Beliebigkeit“ übernommen und wird gebetsmühlenartig dahergeplappert von unseren Zeitgeistmoralisten! Sie schauen nur noch nach rechts und sehen nicht mehr, wie kunterbunt unsere Gesellschaft mittlerweile geworden ist! In absehbarer Zukunft heißt unser Land nicht mehr Deutschland, sondern wirklichkeitsgetreu „Vielfaltistan“! Sollten sich die staatsfinanzierten NGOs nicht auch dem islamistischen Terrorismus widmen, der gefühlt schon mehr Opfer auf dem Gewissen hat (das er nicht hat!) als der Rechtsterrorismus? Da duckt er sich lieber weg, denn er könnte sich schnell dem Vorwurf der Islamophobie aussetzen, der starke Staat!
In einer Demokratie soll jeder aussprechen, was er denkt, außer er predigt Haß! Diese Aufforderung richtet sich auch an unsere Politiker, die ihre Bürger lieber in Watte packen und mit Halbwahrheiten einlullen. Ein kluger Politiker hört den Bürgern zu, auch wenn sie extreme Ansichten äußern. Denn selbst in ihnen kann er kleinere und größere Körnchen Wahrheit entdecken, die er zu einer vernunftgeleiteten Politik bündeln kann, mit der er alle Bürger anspricht! Scholz etwa hat die Parole verkündet: in großem Stile abschieben!, der er wie üblich keine Taten folgen ließ! Er hat die Brisanz der Asylpolitik gespürt. Hätte man statt „Remigration“ nicht auch diesen Ausspruch zum Unwort des Jahres küren können? Frau Fäser, Frau Paus, übernehmen Sie! Lassen Sie die demokratische Gesinnung Ihres Kanzlers überwachen! Ein starker, wehrhafter demokratischer Staat muß die nationalen Grenzen, seine Bürger, ihre Meinungsfreiheit schützen. Er muss sich den gewaltigen aktuellen Herausforderungen stellen, nicht nur über sie reden, sondern sie beherzt anpacken und sich dabei vom Auftrag des Amtseids leiten lassen! Nicht auf belanglose Nebenschauplätze ausweichen und keine Gesinnungsschnüffelei betreiben! Sonst setzt es vom „Souverän“ „ein paar Lektionen Staatsbürgerkunde für Kabinettsmitglieder“!
Ulrich Pietsch

Ein großer Dank an Herrn Mangold für seinen bestechend klaren, hochpolitischen Beitrag. Es gibt sie noch, die kritischen Geister! Die Frage, die sich aufdrängt: Warum im Feuilleton, nicht im Politikteil der Zeitung? So weit reichte der Mut der Redaktion dann wohl doch nicht?
Ulrich Kriese

Chapeau für diesen Beitrag, in dem das lupenrein postdemokratische Gebaren der Regierenden so nüchtern und klar analysiert wird. Im Vergleich zu den hieraus resultierenden Gefahren für Rechtsstaat und freiheitlich-demokratische Grundordnung ist ein möglicher Wahlsieg der AFD in Thüringen oder sonstwo in ostdeutschen Landen nun wirklich ein Mückenschiss.
Andreas Mund

Zuvor sei die Frage an Ijoma Mangold erlaubt: Was ist Ihre (freiheitliche?) persönliche Meinung zur journalistischen Selbstverantwortung und was ist hausinterner vorgegebener ZEIT-Geist als Conditio sine qua non gegenüber der individuellen Meinungsfreiheit in/zu den Veröffentlichungen? DIE ZEIT referiert ein brisantes Thema (um die vorgeblichen Gefahren zu unserer Demokratie) und sendet Ijoma Mangold (mit seiner besonderen Präsens) ins öffentliche diskutierbare Abwägen: „Mit eindringlichen Worten haben in der vergangenen Woche die Ministerinnen Nancy Faeser (Inneres) und Lisa Paus (Familie) dafür geworben, das Parlament möge endlich den Weg frei machen für das Demokratiefördergesetz, mit dem der Bund – so heißt es auf der Homepage des Familienministeriums – „erstmals gesetzlich mit der Demokratieförderung, der Gestaltung gesellschaftlicher Vielfalt und der Extremismusprävention beauftragt werde.“ – somit steigt freigeistig schriftstellerisch-dokumentarisch der ZEIT-Kulturjournalist und Homme de lettres in den ganzseitigen Feuilleton-Artikel ein: „Diejenigen, die den Staat verhöhnen, müssen es mit einem starken Staat zu tun bekommen…“ – und hinterfragt zugleich die (durch welche Lupe erkennbare?) kritische Lage in Deutschland inventarisierend verdeutlichend: „Können Menschen guten Willens ernsthaft etwas gegen ein Gesetz vorbringen, das die Demokratie fördern und die Vielfalt gestalten soll? Einerseits ist es ja fast schon tautologisch, dass Demokraten die Demokratie verteidigen. Andererseits zuckt man zusammen, weil Demokratie auf der Wahlentscheidung freier Bürger fußt und nicht etwas ist, das auf dem Gesetzeswege von der Exekutive verordnet wird. Oder steht es schon so schlimm um unser Gemeinwesen, dass jetzt alle Mittel recht sind?“ Wahrlich kein ZEIT-Placebo zur Ruhigstellung der Diskussionen in Deutschland um die Demokratie – wobei immer wieder rückgewandt verdeutlicht werden sollte, dass die „Weimarer Republik“ nicht rechtzeitig den „Nazi-Spuk“ radikal verboten bzw. diese NSDAP aus dem deutschen Volk quasi verbannt habe…
Hitler bekam zwar Redeverbote in den verschiedenen Reichsländern, auch wurde die SA zeitanteilig verboten und der „Führer“ saß ja auch im Knast in Landsberg: umsorgt und verhätschelt von der Gefängnisleitung bis hin zu seinen engen und engsten AnhängerInnen: „Mein (oder sein) Kampf“ fand also nicht in Landsberg statt – Zeit blieb ihm dennoch: dort dieses politische Buch zu schreiben, das dann später (im Machtbesitz) millionenfach in endlosen Auflagen ins deutsche Volk veräußert wurde… Nur dieser Adolf Hitler mit seiner Dämonie der Redekunst (Marcel Reich-Ranicki benannte Hitler: „…als den größten Redner deutschsprachiger Zunge!“) und seinem martialischen (einstudierten-schauspielerischen) Auftreten: brachte die Wahlerfolge für diese NSDAP. Ohne Hitler keine Nazipartei – ohne Hitler keine sogenanntes „Drittes Reich“. Man kann das vielleicht vergleichen mit dem späteren (getarnten) Autokraten Perikles im Athen des 5. Jahrhunderts – der über Jahrzehnte durch seine enorme Redegewandtheit immer wieder das Volk überreden und somit doktrinär überzeugen konnte: seine Pläne umzusetzen (nicht nur als Stratege, sondern fast schon als ein Autokrat). Es war nur zu deutlich: ohne die Redekunst – erlernbar bei den Sophisten (und Sokrates gehörte ebenso zu dieser Zunft mit der Beischmückung eines Philosophenstatus) – war in dem „demokratischen“ Athen keine Stimme aus dem Volk zu gewinnen: Perikles beherrschte dieses Instrumentarium perfekt!
Und es ist überhaupt nicht erstaunlich, dass Nancy Faeser (SPD) und Lisa Paus (Fraktion Bündnis 90/Die Grünen) nun versuchen wollen, über die Exekutive im Bundestag ein Gesetz durchzubringen: dass sich eindeutig gegen die allgemeine Meinungsfreiheit richtet, gleichzeitig damit versuchen wollen: dass diese (für sie diesbezüglich abweichenden) deutschen MitbürgerInnen „öffentlich“ mundtot gemacht werden sollen, vor dem doch gewollten (undemokratischen) Parteiverbot der AfD möglichst schonmal „zuvor“ denjenigen Wählenden und SympathisantInnen der Maulkorb angelegt wird… – im Klartext: das wäre kein Demokratieförderungsgesetz, sondern eine antidemokratische Förderung zweier Parteien: die verzweifelt erkennen, wie die Wahlprognosen zu den Landtagswahlen und der Bundestagswahl  2024 für sie „in den Keller“ absinken könnten und nun verzweifelt nach einer Lösung suchend: diese AfD (per Verbot) aus dem Rennen um die Macht zu ver/drängen… Ich kann eine Kartoffel nicht in die Form einer Birne schnitzen und dann hineinbeißen und hoffen: dass sie auch wie eine Birne schmeckt (Zitat: Marcel R-R.). Und der weitsichtige Ijoma Mangold schreibt ganz richtig: „Kommt es zu dem geplanten Gesetz, wird die Exekutive entscheiden, welche Vereine und Organisationen in den Genuss der Steuergelder kommen. Das treibt den Schulterschluss zwischen Regierung und Nichtregierungs-Organisationen stärker voran, als es für die urliberale Trennung von Staat und Gesellschaft bekömmlich ist. Es ist das eine, wenn die Amadeu Antonio Stiftung eine Seite im Netz einrichtet, auf der man angeblich antifeministisches und transfeindliches Verhalten von Mitbürgern (Anm. RvM: und Mitbürgerinnen) anonym melden kann – oder ob dieses Portal mit Bundesmitteln gefördert wird. Denn es ist nicht die Aufgabe der Regierung, die ideologische Meinungsbildung der Gesellschaft zu organisieren.“
Brüder und Schwestern – zur Sonne zur Freiheit? Doch welche Hinzufindungen erwirken denn die menschlichen Bedürfnisse außerhalb und innerhalb der gegenseitigen unterschiedlichen Verhaltensstrukturen – wenn ich z.B. die Auffindungen von Sexismus und Rassismus genauer definiere und mich persönlich hinterfragen wollte: wo und wie ich mich genau in der political correctness zu verhalten habe und wer oder was mir das absolut vorschreibt und vorhält… Hier kann man Lisa Paus als Ministerin (für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Kabinett Scholz) zitieren, die da vorgibt: „Wir wollen dem Umstand Rechnung tragen, dass Hass im Netz auch unterhalb der Strafbarkeitsgrenze vorkommt…“ – und desweiteren: „Viele Feinde der Demokratie wissen ganz genau, was gerade noch so unter Meinungsfreiheit fällt.“  Ijoma Mangold orientiert sich da sehr deutlich an der Meinungsvielfalt, wenn er „bedenklich“ hinzu schreibt: „Eigentlich wäre man ja davon ausgegangen, dass „unterhalb der Strafbarkeitsgrenze“ die Gedanken frei seien.
Und umgekehrt ist es ja nicht so, als hätte der Staat für Hass oberhalb der Strafbarkeitsgrenze bisher keine Mittel zur Hand. Gerade wurde der Schriftsteller Akif Pirincci wegen Volksverhetzung zu neun Monaten ohne Bewährung verurteilt, weil er zum wiederholten Male Zuwanderung als „Schmarotzer“, die sich „mikrobenartig“ vermehren, verunglimpft hatte.“ Und was hat denn die aufnahmefreudige Politik erwartet, wenn über eine Million arabische Menschen hier nach Deutschland „herangekommen wurden“, dass sie sich mit den Juden hier in diesem Land freundlichst solidarisieren, dann mit dem Grenzübertritt nach Deutschland: den dortigen arabischen Palästinenser in ihrer Diaspora quasi keine „verwandtschaftlichen“ Empathien mehr entgegenbringen werden… Und dann wird das als deutscher Antisemitismus für die Welt so verdeutlicht – warum nennen wir nicht diese Wahrheiten beim wahren Namen…
Selbstverständlich wird auch schmarotzt! Auch hierbei sollte der sogenannte Staat in seinem Verurteilungsmachtgehabe mal der Mehrheit des Volkes aufs Maul schauen und mit anhören, wie sich diese Mehrheiten an Bürgerinnen und Bürgern zu diesen massenhaften „Zuwanderungen“ äußern und nicht nur im Flüsterton (was schon schlimm genug ist für eine so genannte Demokratie: dass man flüstern muss zu diesen katastrophalen Zuständen) – da müssten ja mehr als zwei Drittel der deutschen Bürgerinnen und Bürger der Volksverhetzung angeklagt werden und mit Akif Pirincci eine neunmonatige Haftstrafe ohne Bewährung gemeinsam absitzen. Und außerdem: was bedeutet denn „ohne Bewährung“? Man kann aufgrund dieser chaotischen Zuwanderungen bzw. Einströmungen nach Deutschland nicht das Maul auf Bewährung halten – diese unfassbaren Veränderungen des Landes sind ganz berechtigt anzuklagen und nicht in einer eigenartigen (willkürlichen?) Bewährung dann aus dieser deutschen Realität zu verdrängen… Das sollten sich die PolitikerInnen der Ampel-Koalition vor Augen halten und nicht gegen das eigene deutsche Volk regieren bzw. agieren… Denn: genau das ist der zentrale Gegenwartsbezug im deutschen Volk: nun endlich etwas gegen diese Verfremdung Deutschlands zu tun – und genau diese deutsche Lebensfrage wird der AfD die vielen Wähler und Wählerinnen zuführen: was also hat das mit rechtsextrem, mit „faschistisch“ oder Hass zu tun! Es ist schlichtweg eine Mehrheitsverdeutlichung: dass es so mit diesem Deutschland der Entfremdungen nicht weitergehen kann – und wenn das eine Ampelkoalition nicht kapiert: wird sie dies durch die Wahlen (und Abwahlen) zu spüren bekommen. Die Politikerinnen und Politiker haben zum Wohl des deutschen Volkes ihre Pflichten zu tun – dafür sind sie gewählt worden! Wenn dem nicht mehr so ist, werden diese PolitikerInnen eben abgewählt.
Das ist dann die wahre Demokratie des Wählers und der Wählerin – die ansonsten nichts zu melden haben, außer dass sie sich von einer jetzigen Regierungskoalition nicht ihr eigenes Land kaputtmachen lassen wollen… Und dies ohne Hass – aber mit der Vernunft des Vorhandenen darlegen müssen und dringend auf die Wahlen warten! Eine kapitalistische Demokratie hat letztlich doch wenig humanitären Stolz außer dem Merkantilen, das vorrangig alles Haben und Vorhaben bestimmt: die Oligarchien und Nomenklaturen das Volk ausbeuten – und hierbei auch die massenhafte Migration (zur Verkapitalisierung und Entgermanisierung) scheinbar mit zu dieser Verplanung sich einfügt… Wir sollten nochmals diesen Perikles beleuchten, der mit seiner pseudodemokratischen persönlichen „Diktatur bzw. Autokratie“ den Staat Athen in den zeitanteiligen Untergang „regiert“ hatte… Wir könnten hier und heute einen demokratischen Ostrakismos (ein Scherbengericht – wie im antiken Athen) einführen – die Namen der missliebigen und mächtigen PolitikerInnen auf die Scherben vom deutschen Volk eingeritzt: sind hierbei durchaus sofort erkennbar! Dabei bedarf es dann auch keiner AfD mehr! Und die hohen Abfindungen und Pensionen der ostrakisierten PolitikerInnen: sollen sie mit in ihre Scherben-Abberufungen nehmen – sich dann dort aufhalten, wo es ihnen freizeitlich beliebt: aber sich umgehend aus ihren Regierungsämtern fortschleichen. Brüder und Schwestern zur Sonne zur Freiheit als die „Sklaven der Moderne“: Die Gedanken sind noch frei – aber nicht mehr die persönliche und öffentliche Meinungsfreiheit in Wort und Schrift! Wir holen uns das zurück! Vorhanden aber bleibt das Bekenntnis zur jeweiligen (friedvollen, helfenden, fürsorglichen) Mitmenschlichkeit bei allen gegensätzlichen Meinungsverschiedenheiten. Jedenfalls sollten wir uns nicht auf eine Bewährungsstrafe berufen – sondern im Namen des Volkes endlich uns wie vernünftige Deutsche verhalten und uns politisch deutschfreundlich (nicht deutschfeindlich) vertreten lassen! Wir sind das Volk und es ist unser (gemeinsames) Deutschland! Und außerdem sollte die 3. Strophe der deutschen Nationalhymne um jene demokratische gleichberechtigte und verständliche Hinzufügung abgeändert werden: Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vater-Mutterland! Danach lasst uns alle streben brüderlich und schwesterlich mit Herz sowie Verstand.
Axel Manfred Rvmpf von Mansfeld

Ihr kritischer Artikel zur gelebten Rechtsstaatlichkeit erhält meine vollkommene Unterstützung. Sehr ordentlich, wie Sie die heute wohl leicht in Vergessenheit geratene Gewaltenteilung darstellen und wie sich daraus für die gewählten Vertreter erforderliche Aufgaben verteilen. Gut ist, dass unsere Vertreter hinschauen und sich Gedanken machen, was schädlich für unsere Demokratie sein kann und verhindert werden sollte. Ja, es ist menschlich, dass sich auch Minister*innen gerne mit ihm/sie lobenden NGOs umgeben, denn trotz einem guten Seelengerüst ist jedes Lob immer verträglicher als die kleinste Kritik. Und ich gebe Ihnen Recht, dass in einem demokratischen Rechtsstaat eine gewählte Regierung immer Kritik aushalten muss und nicht vorauseilend Ideen mit den sie umlagernden NGOs entwickeln darf, um Kritik des Souveräns direkt oder indirekt zu untergraben oder sogar versucht, diese zu verhindern. Der demokratische Souverän ist bequem und nie konsequent, was sein Recht ist, sonst hätte er sich wählen lassen, aber die vielen antirechten Demonstrationen der letzten Wochen zeigen auch, dass es noch genug Mitdenkende gibt, die zukünftig nicht in russischen, ungarischen oder vergleichbaren Verhältnissen leben möchten. Hoffen wir mal, dass die Märsche gegenüber den demagogischen Prognosen zu entsprechende Wahlergebnisse führen und unsere gewählten Vertreter langsam verstehen, dass sein Souverän nicht an der Demokratie verzweifelt, sondern eher Kritik an der Stagnation der Leistungsbereitschaft seiner Verwaltung und deren Kontrolleure übt. Das Ergebnis dieser 70-jährigen wenig flexiblen Staatsverwaltung können wir täglich allein an der verbrauchten Infrastruktur unserer Republik sehen, nicht grottenschlecht, aber auch nicht ansatzweise gut… …das tägliche Leben damit, schnürt den erkennbaren Unmut.
Jürgen Kämper

zugegeben, Ihr Beitrag in der Zeit Nr. 9 hat mich erstaunt. Zugleich möchte ich mich bei Ihnen bedanken. Bedanken muss ich mich, weil aus dem, was Sie schreiben, Unabhängigkeit und Eigenständigkeit des Denkens spricht. Erstaunt bin ich, dass die ZEIT solche Beiträge zulässt. Was ich bei Ihnen finde, ist eine Selbstgewissheit der eigenen stark ausgeprägten Individualität, welche nicht der fortwährenden Vergewisserung durch die Bezugsgruppe bedarf. Damit erlaubt sie die Anerkennung des Anderen. Solcherart lassen sich Verständigung, Frieden und Lebensfreude innerhalb einer Gesellschaft, die durch ein vielfaches Auseinanderfallen in Einzelpositionen gekennzeichnet ist, erlangen. Möglicherweise ließe sich mit einem etwas weiteren Blick auf die Entwicklung von Menschen und Gesellschaft feststellen, dass der Einzelne an der beobachtbar rasch zunehmenden Individualität leidet. Er ist sich seiner nicht sicher, da alte Gewissheiten schwinden und der Umbruch derart schnell vonstattengeht. Er wird einer zunehmend tieferen Trennung von einer Geborgenheit im Kollektiv gewahr, da er gleichfalls der herrschenden Ordnung die Legitimität abspricht oder ihre Grundlagen als gefährdet erkennt. So meint der Einzelne angesichts dieser Unsicherheit, seine Anliegen, Befindlichkeit und Werte nachdrücklich und ohne Rücksicht verteidigen zu müssen.
In grundsätzlicher Form lässt sich ein solches Gefühl der Gefährdung dort erkennen, wo das eigene Weltbild, die Basis eines Wirklichkeitsverständnisses, infrage gestellt wird. Dies ist beispielhaft in der augenblicklichen Auseinandersetzung in der Medizin erkennbar.  Befürwortung der Homöopathie oder dem Respekt vor der Anthroposophie treffen auf verbissene Gegnerschaft, Ausgrenzung, Diffamierung und Diskreditierung. Solch ein Verhalten ist geradezu Voraussetzung für eine anerkannte Zugehörigkeit in gesellschaftlich einflussreichen Kreisen. Mangelhaftes Wissen zu dieser Thematik sowie fehlende Erfahrung hiermit spielen bei der Darlegung von Kritik keine Rolle. Wissenschaft soll dabei nicht dem Erkenntnisgewinn, sondern der Vergewisserung einer bestimmten Betrachtung von Realität (Materialismus) dienen. Ein freier Austausch wird unterbunden. Ich nenne dieses Beispiel, weil genau hierin eine allgemeine Haltung der Unduldsamkeit anderen gegenüber zum Ausdruck kommt und wir erleben, wie allein die eigene Identität bestätigende Bezugsgruppe zum Maßstab scheinbarer Gewissheit und Wahrheit erhoben wird. Solch eine Entwicklung ist natürlich Anlass für den Versuch, ein Verständnis für die dahinterliegenden Gründe zu erlangen. Meine Gedanken hierzu ausführlicher zu erläutern, kann solch ein Schreiben allerdings nicht leisten.
Michael W. Geisler

Herzlichen Dank für diesen herausragenden Exkurs zu den Grundprinzipien der Demokratie, diese scheinen bei einigen politisch Verantwortlichen in Vergessenheit geraten zu sein. Bleibt zu hoffen, dass eine Abkehr der Hysterie in Bezug auf die Lage der Demokratie in Deutschland ernsthaft in Betracht gezogen wird. Weiteres Öl ins Feuer zu gießen, wird nur denjenigen nutzen, die man durch solch albernen Gesetze zu schwächen versucht. Die hierfür geplante großzügige Verwendung von Steuergeldern angesichts knapper Kassen setzt dem Ganzen noch die Krone auf. Weniger ist manchmal mehr. Nochmals vielen Dank, es war eine Freude den Artikel zu lesen und mir dazu meine eigenen Gedanken zu machen.
Raphael Fuchs

Der Artikel geht von einer falschen Prämisse aus:  Demokratie fußt eben nicht, wie behauptet, auf der Wahlentscheidung freier Bürger. Diese ist allenfalls für das Ergebnis der Wahl, nicht aber für die Wahl an sich ausschlaggebend.  Ich weise auf Artikel 20/1 des Grundgesetzes hin: Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. Und in Artikel 21/1 heißt es zu den Parteien: Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muss demokratischen Grundsätzen entsprechen. Die Demokratie fußt also sehr wohl auf Gesetzen, eben dem Grundgesetz.
Hendrik Takes

Vielen Dank an Ijoma Mangold für diesen hervorragenden Artikel zur Sinnhaftigkeit des „Demokratiestärkungsgesetzes von Nancy Faeser. Vor allem dafür, dass wir durch einige Passagen hierin zu Diktatoren wie Erdogan oder Orban aufrücken.   Es wird sehr gut beschrieben, welche angebliche „Hetze“ eine Demokratie auch ohne ein solches Gesetz aushalten muss und weshalb hier kein neues, außerdem äußerst umstrittenes Gesetz erforderlich ist. Denn dieses eröffnet dem Gesetzgeber, also der Bundesregierung, Tür und Tor dazu, gegen jegliche Kritik an ihrer Politik vorzugehen, die man schnell bereit ist, als Hass, Rassismus oder Sexismus zu brandmarken.  Es werden auch hervorragend die Verbindungen der Regierung zu den NGOs und Recherche-Netzwerken wie Correctiv aufgezeigt. Einen kritischen Punkt muss ich noch hinzufügen, der sich jedoch an die Macher der ZEIT richtet. Wieso wird ein solcher für die aktuelle Politik äußerst kritischer Artikel mitten im „Feuilleton“ versteckt?
Bernd Schorr

Nicht immer bin ich mit Ijoma Mangold einer Meinung, aber bei diesem Artikel zu 100 %. Das sich Regierungen zunehmend im Klein-Klein verlieren, damit sie ein paar „machtvolle“ Sätze formulieren können, die man gut weiterverbreiten kann, ist spätestens seit Twitter gang und gäbe. Es lenkt davon ab, dass Hausaufgaben nicht gemacht werden, nicht gemacht werden sollen oder nicht gemacht werden wollen. Das Wahlvolk könnte sich rächen. Jetzt auf der Demokratieförderung herumzureiten ist ein weiterer „Meilenstein“ auf diesem Weg. Wir nutzen nicht die Ressourcen, die wir haben bzw. stärken sie, um den bestehenden Gesetzen Geltung zu verschaffen, sondern: Siehe oben. Es gab einmal ein (Schul-)Fach, das hieß „Politische Bildung“. Darin wurden die Grundlagen des Grundgesetzes, der Gewaltenteilung, etc. thematisiert, um den zukünftigen wählenden Bürgern ein Verständnis für den Aufbau und die Funktionsweise eines demokratischen Staates nahe zu bringen und für die Gestaltungsmöglichkeiten, die sich daraus ergeben. Das alles wurde im Laufe der Jahre abgeschafft oder verwässert. Und wo die Bildung fehlt, müssen halt immer mehr Schräubchen gedreht werden, um das Gebilde zusammen zu halten.
Gaby Krautkraemer

Ihrem Autor kann man nur uneingeschränkt beipflichten, wenn er feststellt, dass es nicht zur Agenda staatlicher Aufgaben zählt, „die ideologische Meinungsbildung der Gesellschaft zu organisieren“. In diesem Sinne muss der Staat sich hüten, durch gesinnungspolitischen Übereifer in die Falle der Identitätspolitik zu tappen. Wenn staatlicherseits nur opportune Haltungen begünstigt und alternative Meinungen ignoriert werden, kann eine zunehmende Spaltung der Gesellschaft aufgrund der Bildung milieugesteuerter Filterblasen nicht verwundern. Ein liberaldemokratischer Staat, der das Sagbare seiner Bürger einhegen will, begibt sich seiner Legitimation. Denn im Kern ist die liberale Demokratie durch einen permanenten Streit um das beste Argument und die Bereitschaft zum Kompromiss gekennzeichnet. Wird dieser Mechanismus durch staatliche Beschneidung des offenen Gedankenaustausches aufgrund einseitiger Förderung politgenehmer Identitätsgruppen untergraben, können Denkzettel an den Wahlurnen die Folge solcher Unausgewogenheit sein! Die Feinde des liberalen Diskurses sind damit auch unter den wohlmeinenden Politikern zu suchen, die einem wertlosen Toleranzverständnis folgen: Einer Toleranz nämlich, die versteckt antipluralistisch ist, weil sie nur die eigene Anschauung respektiert und gegensätzliche Haltungen für unwürdig erklärt!
Christian F. Olejnik

Der Artikel von Herrn Mangold ist informativ und objektiv, er lässt mich aufhorchen. Vielen Dank dafür. Ich (73 Jahre alt) bin in einem linken totalitären Regime aufgewachsen. Die letzten zwei Jahre verfolge ich die Entwicklung in unserem Land mit Grauen, und es hat kein Ende. Und das auch noch. Wenn das geplante Gesetz in Kraft kommt, dann sind wir keine Demokratie mehr. Die linken NGOs werden von uns Steuerzahlern dafür bezahlt, Regierungskritiker und Andersdenkende zu denunzieren. Somit werden aus NGOs eben Regierungsorganisationen. Nicht nur Angesicht der leeren Kassen ist es eine Untat. Es bleibt nur hoffen, dass die FDP nicht nur Bauchschmerzen, sondern richtige Bauchkrämpfe bekommt, und das Desaster stoppen kann. Meine Stimme hat sie.
Eva Knor

 


 

Leserbriefe zu „Gefährlich still“ von Mariam Lau

Danke für diesen Leitartikel !!!
Friedhelm Groppe

Die beiden letzten Absätze über Grüne und Gründe und Union und Mitte sind in ihrer Differenzierung so so treffend & wichtig, laut gesagt zu werden – danke!
Anja Schäfer

Wachen Sie auf. Das größte Übel der letzten Jahrzehnte war und sind die Grünen.!!!
Herbert Loitsch

Es fällt den anderen Parteien so schwer, sich vor die Grünen zu stellen, weil sie sich dabei selbst in den Rücken fallen würden: Vor allem die FDP und die Unionsparteien waren gegen die Grünen verbal übergriffig und haben so das Klima für übergriffiges Handeln mit geschaffen. Geradezu genussvoll (und sehr unchristlich) haben sie ein Zerrbild der Grünen entstehen lassen und so in der Bevölkerung das Wachsen von feindbildbehafteten Vorurteilen gegen die Grünen gefördert. Die Grünen verbal in den Boden zu stampfen war und ist eine unwürdige Ersatzhandlung, um in den Augen der verängstigten Bürger als Retter zu erscheinen. Die Subbotschaft: Wenn nur die Grünen weg wären, dann wäre alles wieder gut. Freilich haben FDP und die Unionsparteien selbst die Sorgen der Menschen in eine Angst vor den Grünen transformiert, statt verantwortungsbewusst die ökologische Transformation, die soziale und wirtschaftliche Gesundung voranzutreiben. Ja, wir sollten alle mit Mariam Lau nach vorne schauen und uns klar machen: Die liberale Mitte in Deutschland hat gemeinsame Feinde. Alle in der Mitte werden gebraucht. Die Mitte sollte sich angesichts der sehr ernst zu nehmenden inneren und äußeren Feinde nicht selbst schwächen. Eine weiter Schwächung können wir uns schon längst nicht mehr leisten. Es geht um gegenseitige Stärkung.
Reinhard Koine

Etwas larmoyant dieser Appell. Hochmut kommt vor dem Fall, das ist der Dornenweg der grünen Partei. Wer über zwei Jahrzehnte das Legitimationsmonopol für sich beanspruchte mit kräftiger Flankierung durch Zeit & Co und den öffentlichen Sendern, sieht sich einem Scherbenhaufen gegenüber. Vom Olymp der Deutungshoheit aus hatte man sich indes nie wirklich für die Bedürfnisse der arbeitenden Mehrheit in Duisburg-Marxloh interessiert. Das rächt sich nun, wo die Bevölkerung konsterniert registriert, dass Multikulti in die Sackgasse geführt hat und Atomausstieg und Heizungsgesetz ein teurer Irrsinn sind. Nein, die Grünen haben keine Anteilnahme verdient, sie zahlen nun den Preis für ihre Selbstüberschätzung und den wirtschaftlichen Abstieg des Landes, den sie angestoßen haben. Zeit für innere Einkehr.
Christoph Schönberger

Da nun der größte Teil des Landes unter Naturschutz steht oder als Reservat oder Weltkulturerbe abgesichert ist, wird es Zeit, die Parteien, die dieses Land regieren unter Schutz zu stellen. Die Ausübung der politischen Macht, die Hilfen des Verfassungsschutzes, die vielen Millionen Euro der Parteienfinanzierung und die treue Gefolgschaft der Medien machen so verletzlich. An der Stelle muss ich dem besorgten Leitartikel widersprechen. Wenn man den Regierungsparteien und besonders den Grünen jetzt noch allen Bauernprotest wegnähme, was bleibt da? Wo der liebevolle Dank für all die Weltrettung ausbleibt, da ist der Hass der Feinde eine letzte Genugtuung. In 20 Jahren will man den Enkeln doch eine Geschichte erzählen. Wie man alles vergeigt hat. Aber es war ein gerechter Kampf um eine gute Sache. Unsere Gegner waren ohne Zahl und der Wähler so gemein!
Fred Klemm

Weil alle Parteien keine offene politische Atmosphäre, erst recht auch keine erforderlich riskanten Inhalte mehr erzeugen, ihre opake Unausgegorenheit weiter pflegen und dem parteipolitischen Nutzen weiterhin den Vorrang geben, verbleibt ihnen für eine rudimentäre Wahrnehmung nur noch ein brutaler Angriff auf die Konkurrenz. Dabei offenbart der überbordende Anspruch auf Populäres und eine Verschleimung des moralischen Anspruchs die eigene Sinn- und Sachleere. Es verbleiben, wie dieser Artikel es bezeugt, lediglich von der Politik beeinflusste mediale Wahrheiten, aber keinerlei Überzeugung mehr bei der Bevölkerung. Ein Teil davon wählt zukünftig mit gleicher Sinnleere die dümmsten Schreier, weil sich eine Verantwortlichkeit für das Gemeinwesen mit Grauen abwendet.
Jürgen Dressler

Die Botschaft von Mariam Lau ist fett zu unterstreichen: Die liberale Mitte hat gemeinsame Feinde! Das Einstehen für unsere demokratischen Grundwerte bedeutet daher auch, Kontroversen im politischen Diskurs hart in der Sache, aber ohne Verunglimpfung des politischen Gegners auszuführen. Zu leicht folgen Unworten sonst Untaten. Weniger Grünen-Apologetik hätte diesen Beitrag allerdings wirkmächtiger gemacht. Denn auch Einseitigkeit in Leitmedien schadet dem politischen Klima.
Thomas Au

Miriam Lau sei für Ihre klaren Worte gedankt. Ich befürchte jedoch, dass parteipolitisches Kalkül weiterhin Vorrang haben wird und vor allem CDU und CSU das von ihr geschaffene Feindbild der „Grünen“ weiter ausmalen werden. Anstand einzufordern wäre naiv, aber man müsste erwarten können, dass die Verteidigung von Versammlungsfreiheit und körperlicher Unversehrtheit im eigenen Interesse erfolgt (siehe Zitat Martin Niemöller).
Sven Herfurth

Unabhängig von den handwerklichen und kommunikativen Fehlern, die die Grünen während ihrer bisherigen Regierungszeit gemacht haben, gilt: wer agiert macht Fehler, wer nicht agiert macht keine. Insofern ist oppositionelle Kritik an der Regierung normal und bei anderer Regierungsverhältnissen würde sich die Opposition entsprechend verhalten. Die Grünen benennen allerdings als einzige, dass wir als einzelne Bürger aber auch unser Gemeinwesen sich drastisch verändern müssen, um den Herausforderungen zu begegnen: a) Klimawandel, b) Kriegsgefahr, c) Migration, d) soziale Ungleichheit und Bildungsdesaster. Hinter jeder steckt die Gewissheit, dass wir unsere Komfortzone, in der wir in den vergangenen fast 80 Jahren gelebt haben, verlassen müssen: a) Ressourcenverbrauch drastisch reduzieren, b) viel Geld für eine verteidigungsfähige Armee ausgeben, c) klare rechtliche Randbedingungen definieren und diese auch exekutiv durchsetzen und d) finanzielle Umverteilung auch gegen die Interessen zahlreicher Lobbygruppen.
Dies hat vermutlich die Mehrheit der Gesellschaft wahrgenommen und unterbewusst verstanden, woraus seit alters her folgt: die Überbringer/Verkünder schlechter Nachrichten werden – sinnbildlich gesprochen „geköpft“. Das geschieht gerade verbal und meinungstechnisch durch große Teile der Öffentlichkeit und der der Presse mit den Grünen. Bedenklich ist die bereits in Ihrer Überschrift angedeutete Ruhe der „Alt-Parteien“ gegenüber den immer direkter und brutaler werden Angriffen. Hier verstecken diese sich hinter den Grünen, um eigene Vorteile daraus abzuleiten. Leider geht diese Rechnung nicht auf und die Angriffe schaden am Ende dem demokratischen Gesamtsystem. Vielleicht haben ja neben Armin Laschet weitere Politiker das Format, sich klar zu einer Front gegen die Demagogen zu bekennen.
Eberhard Goette

Ihrer Analyse kann ich nur zustimmen.  Alle Parteien adressieren ihre Versäumnisse und Fehlentscheidungen der Vergangenheit in Wirtschaft und Gesellschaft an die Grünen. In populistischen Übertreibungen findet ein Überbietungswettbewerb statt.  Höhepunkt war die Rede von Ministerpräsident Söder beim Aschermittwoch der CSU in Passau. Teile der Gesellschaft glauben in der Zwischenzeit, dass die Grünen Vogelfrei geworden sind.  Eine Steigerung wäre nur noch eine Abwandlung der „christlichen „Parole der Kreuzzüge: „Wer einen Grünen tötet, dem öffnet sich das Tor zum Himmelreich“
Gerhart Herzig

Wie oft denn noch? Carl Schmitt ist längst wieder in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen und ersetzt zum Beispiel bei vielen Ernst Fraenkels Pluralismustheorie durch totalitäres Freund-Feind-Denken; und dies nicht nur als Blaupause für die Despoten dieser Welt à la Putin, Xi Ji Ping, Lukaschenko, Assad…: „Die Begriffe Freund und Feind sind in ihrem konkreten, existenziellen Sinn zu nehmen, nicht als Metaphern oder Symbole, nicht vermischt und abgeschwächt durch ökonomische, moralische und andere Vorstellungen, am wenigsten in einem privat-individualistischen Sinne psychologisch als Ausdruck privater Gefühle und Tendenzen. Sie sind keine normativen und keine ‚rein geistigen‘ Gegensätze. Der Liberalismus hat in einem für ihn typischen Dilemma von Geist und Ökonomik den Feind von der Geschäftsseite her in einen Konkurrenten, von der Geistseite her in einen Diskussionsgegner aufzulösen versucht. Im Bereich des Ökonomischen gibt es allerdings keine Feinde, sondern nur Konkurrenten, in einer restlos moralisierten und ethisierten Welt vielleicht nur noch Diskussionsgegner …] Ob man es aber für verwerflich hält oder nicht und vielleicht einen atavistischen Rest barbarischer Zeiten darin findet, daß die Völker sich immer noch wirklich nach Freund und Feind gruppieren, oder hofft, die Unterscheidung werde eines Tages von der Erde verschwinden, ob es vielleicht gut und richtig ist, aus erzieherischen Gründen zu fingieren, daß es überhaupt keine Feinde mehr gibt, alles das kommt hier nicht in Betracht. Hier handelt es sich nicht um Fiktionen und Normativitäten, sondern um seinsmäßige Wirklichkeit und die reale Möglichkeit dieser Unterscheidung. Man kann jene Hoffnungen und erzieherischen Bestrebungen teilen oder nicht; daß die Völker sich nach dem Gegensatz von Freund und Feind gruppieren, daß dieser Gegensatz auch heute noch wirklich und für jedes politisch existierende Volk als reale Möglicheit gegeben ist, kann man vernünftigerweise nicht leugnen.“ (Der Begriff des Politischen, Duncker&Humblot, Berlin 1932 – hier 7. Auflage, Berlin 1963, S. 28f.)
Der Text ist 92 Jahre alt. Und entscheidend ist, dass es sich bei Carl Schmitt nicht um eine deskriptive Analyse faktischer Zustände handelt. Er argumentiert selbst normativ – nicht nur hinsichtlich der faktischen Definition, dass souverän sei, wer über den Ausnahmezustand bestimmen könne. Nein, er schreibt Putin die Blaupause für die vor zwei Jahren erfolgte Invasion der Ukraine, indem er ein um’s andere Mal betont: „Der politische Feind …] ist eben der andere, der Fremde, und es genügt zu seinem Wesen, das in einem besonders intensiven Sinne existenziell etwas anderes und Fremdes ist, so daß im extremen Fall Konflikte mit ihm möglich sind, die weder durch eine im voraus getroffene generelle Normierung, noch durch den Spruch eines ‚unbeteiligten‘ und daher ‚unparteiischen‘ Dritten entschieden werden können.“ (ebd. S. 27) Carl Schmitt negiert jedes international verbindliche Völkerrecht; Interventionen, wie sie heute die UN vorträgt oder der Internationale Gerichtshof in Den Haag würde er kategorisch zurückweisen. Seine Unterscheidungen und diejenigen, die sie in praktische Politik umsetzen, zwingen uns heute selbst, wehrhafte Demokratie nicht nur metaphorisch und symbolisch zu begreifen. Leider bedeuten die uns aufgezwungenen Konflikte – sowohl auf internationaler Ebene wie innenpolitisch – Wehrhaftigkeit ganz unmittelbar konkret und praktisch zu definieren.
Franz Josef Wisch-Rothmund

Wenn die weitaus meisten Übergriffe auf Politikerinnen und Politiker der Grünen verübt werden, so fordert die Leitartiklerin zu Recht, dass sich die anderen demokratischen Parteien vor die Grünen stellen sollten. Stattdessen befleißigen sich Strategen wir Söder oder Merz der Stimmungsmache. Unser Grundgesetz beschreibt die Aufgabe der politischen Parteien als „Beitragen zur politischen Willensbildung“, nicht als Nutzen eines Freibriefs zu Diffamierung und Hetze. Wille bedeutet, dass ein Zweck nach vernünftigen Prinzipen gewählt wird. Willensbildung erfordert also die Anstrengung des rationalen Arguments. Bei der Stimmungsmache ist aber kaum Vernunft im Spiel – Wille wird durch Willkür ersetzt. Entscheidungen nach Lust und Laune – also je nach Stimmung – sind Kennzeichen des Willkürherrschers, des Tyrannen. Das Parteienprivileg unserer Verfassung meint genau das nicht!
Viktor Rintelen

Schon in der Schule wurden die Besserwisser und „Klugscheißer“ wo immer möglich schikaniert, und am meisten gehasst hat man sie in dem Moment, wo man selber oft eher unterbewusst gemerkt hat, dass die ja doch Recht haben: es wird ja seit Jahren weniger Fleisch gegessen und kaum jemand schürt noch mit 220 und „Blinker links“ über die Autobahn, aber zugeben, dass die Grünen genau das seit 40 Jahren für vernünftig und notwendig halten? Niemals! Ausgerechnet die Weihwasserpinsel, die jahrhundertelang am Freitag – Deus vult! – brav ihren Grießbrei gelöffelt haben, erklären jetzt, wo es vernünftige, wissenschaftlich fundierte Argumente dafür gibt den vermeintlichen Untergang des christlichen Abendlands! 99% aller nach dem Krieg aufgegebenen bayrischen Bauernhöfe „starben“ während die CSU den jeweiligen Bürgermeister, den Landrat, den bayrischen und (in wohl 70% der Fälle) auch den bundesdeutschen Landwirtschaftsminister gestellt hat, aber abgewatscht wurden im vergangenen Landtagswahlkampf die Grünen als die „größten Feinde der Demokratie“ – kurz nachdem Söder sehr fotogen 2 Bäume umarmt und damit den Klimawandel für erledigt erklärt hat. Pfui!
Bernd Amling

Das kommt einem schon ein wenig seltsam vor, dass Sie von den anderen sogenannten demokratischen Parteien Hilfe gegen die vielen nicht tolerablen Angriffe auf die Grünen einfordern. Wenn man in Ihrem Artikel „Grüne“ durch „AfD“ ersetzt, ergeben sich erstaunliche Parallelen, nur dass weder die ZEIT noch die rechtschaffenen Regierungsparteien daran Anstoß genommen hätten. Im Gegenteil, sie haben wider besseres Wissen die AfD als Nazis beschimpft, Übergriffe gegen sie beklatscht und zu Demonstrationen aufgerufen, deren Teilnehmer sie offensichtlich völlig falsch eingeschätzt haben. The chickens come home to roost: Die Grünen sollten sich nicht beklagen, wenn sie so behandelt werden, wie sie es bei anderen billigend in Kauf nehmen. Anstand und Fairness müssen für alle gelten.
Johannes Kettlack

Dieser Artikel ist schön verpacktes Grünen-Bashing. Die vorgeheuchelte Unterstützung ist schon sehr verlogen, wenn sie nur dazu genutzt wird stereotype Vorurteile gegen die Grünen auszubreiten. Um nur die schlimmsten Behauptungen zu widerlegen. Im Gegensatz zu Finanzminister Lindner, versucht Wirtschaftsminister Habeck die Industrie in der aktuell schwierigen Lage zu unterstützen. Schon fast bizarr, dass Habeck typische FDP-Forderungen stellt und Lindner mit seiner Ablehnung zum größten Wahlhelfer der AfD mutiert. Das Abschalten der verbliebenen 3 AKW hat zu keiner Belastung geführt, aber den Kauf neuer Brennstäbe und damit neuen Atommüll vermieden. Wegen den Grünen kommt kein Einwanderer mehr, obwohl dies gut wäre, denn ohne Einwanderer werden wir unseren Wohlstand nicht halten können. Und es gibt keinen Bereich, wo die Grünen verlangen, dass jemand sein Leben verändert. Obwohl es nach Überschreitung des 1.5 Grad Zieles dringend notwendig wäre dies zu tun.
Frank Zehnle

Mit Entsetzen habe ich die Nicht-Reaktionen der anderen Parteien gesehen. Man könnte fast vermuten, sie haben klammheimliche Freude empfunden: In der Koalition, weil die Grünen so einen schönen Buhmann für die gemeinsame Politik abgeben, in der CDU, weil sie damit so schön „alles kann bleiben, wie es ist, wenn nur nicht die Grünen wären“ Statements abgeben können, was davon ablenkt, dass sie rein gar keine Ideen für die Transformation haben. Ihre Aschermittwoche hätten abgesagt oder abgebrochen werden müssen. Das wäre ein Zeichen für Demokratie gewesen.
Elsabe Elson

Solange die GRÜNEN den Eindruck nicht los werden, lebensfremd ideologisch ausgerichtet zu sein, wird es vereinzelte Eskalationen immer wieder geben. Nicht nur Landwirte und Landwirtinnen wollen wissen, was GRÜNE bisher in ihrem Beruf geleistet haben, wenn sie/er als Politiker:innen erklären, wie man sein Leben am verantwortungsvollsten gestaltet. Dies haben die Spitzen der Partei bisher zu wenig internalisiert. Im Gegensatz zur AfD, der längst bewusst ist, wie wichtig der Hinweis auf berufliche Leistungen vor der Parteikarriere für Erfolge bei der Wählerschaft ist.
Hans Rentz

Endlich spricht es mal jemand aus! Das Grünen-Bashing, das seit dem Frakasso des Heizungsgesetzes eigentlich permanent in Dauerschleife läuft, ist eine Gefahr für die Demokratie, weil es mittlerweile über legitime Kritik weit hinausgeht und inzwischen zur Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit von exponierten Politiker/innen der Grünen geworden ist. Wie populär diese Kampagne ist, zeigt sich daran, dass auch Frau Lau empfänglich ist für die Mythen, auf denen sie basiert: Nämlich, dass die Grünen von den Menschen erwarten, „dass sie ihr Leben grundsätzlich ändern“ und dass sie „hypermoralisierend“ seien. Klimapolitik – und das war zumindest bis vor kurzem noch ein Kernthema grüner Politik – zielt ja gerade darauf ab, den Einzelnen zu entlasten. Durch gesetzliche Regulierungen, die bei den Hauptverursachern von CO2-Emissionen ansetzen (wozu leider auch Gasheizungen zählen) soll Nachhaltigkeit gerade nicht vom schlechten Gewissen der Mittelschicht abhängen, nicht von individuellen radikalen Verhaltensänderungen, sondern von Änderungen, die wenn Gesellschaft und Wirtschaft an einem Strang ziehen, für den Einzelnen viel weniger radikal sind. Dass es dabei Gewinner und Verlierer gibt, ist klar. Das ist bei jeder politischen Maßnahme so, und das, was man den Grünen in der Tat vorwerfen kann, ist ihr Versuch, diese Tatsache mit dem Mantra „Klimapolitik ist gut für alle“ zukleistern zu wollen. Was daran aber „hypermoralisierend“ sein soll, erschließt sich mir – zugegeben ich bin Grünen-Mitglied – ehrlich gesagt nicht. Es ist vielmehr die Gegenseite, die mit diesem Vorwurf, politische Fragen zu moralischen aufbläht, um sich damit vor unbequemen Entscheidungen zu drücken. Es ist aber an der Zeit, dass auch die anderen Parteien anerkennen, dass diese Entscheidungen nicht dadurch ausgesessen werden können, dass man sie zu ideologischen erklärt. Das wäre zielführender als Solidaritätsbekundungen für die „armen“ Grünen.
Dirk Kerber

Mir kommen gleich die Tränen!!! Diese grün-linke Ampel-Regierung zeigt es uns Tag für Tag, wie man nicht regieren soll, aber sie regiert genau so weiter, von Kehrtwende ist da keine Spur spürbar. Irgendwie hat die Ampel nie ihr eigenes Volk geliebt und irgendwie will sie ihr Volk auch nicht liebhaben. Wir sind das Volk und wir haben uns lange genug von der Ampel drangsalieren lassen; die Bauern-Demos haben mir da endgültig die Augen geöffnet, aber deshalb hasse ich weder die Grünen noch die Roten oder die Gelben! Warum sollte ich die auch hassen? Nein, das mache ich nicht, lieber würde ich alle diese Ampelmännchen auf der Stelle auf die Oppositionsbänke wünschen wollen!
Riggi Schwarz

 


 

Leserbriefe zu „Sollen Senioren zur Fahrprüfung?“ Streit von Stefanie von Berg und Hans-Joachim Stuck, moderiert von Stefan Schirmer und Carlotta Wald

Bin 77 und habe gerade einen Fahrtauglichkeitstest mit Bravour bestanden, um meine subjektive Überschätzung zu objektivieren. Meine Generation sollte einmal ihren Widerspruch auflösen, aus vermeintlichen Unzulänglichkeiten volkswirtschaftlich unverständlich früh in Rente gehen zu wollen, gleichzeitig aber ungeprüft bis zum Tode Auto fahren zu dürfen.
Jürgen Dressler

Ich bin 86 Jahre alt, habe den Führerschein 1956 gemacht und fahre seither unfallfrei. Das Auto benötigen wir dringend, insbesondere zu Arzt- und Physio-Terminen. Meine altersbedingten Einschränkungen sind mir bewusst und ich fahre entsprechend vorsichtig und – insbesondere nachts – fast ausschließlich Strecken, die mir bekannt sind. Gegen entsprechende, altersspezifische Prüfungen hätte ich keine Einwendungen. Wichtig ist aber (nicht nur im hohen Alter!) eine selbstkritische Einstellung.
Klaus Bernhardt

Warum suchen sie sich diese eine Gruppe aus? Sind andere Gruppen denn vor Fehlern gefeit? Warum nicht auch Schwarze, Schwule, Juden oder Linkshänder? Am einfachsten ist es doch, ab z.B. 2025 alle neuen Führerscheine mit einer Gültigkeitsdauer von vielleicht 8 Jahren auszustellen und alle müssen danach einen körperlichen Eignungstest machen. Wäre fair und nachvollziehbar, ohne einzelne herauszupicken.
Thomas Groß

Herr Stuck betont sehr, dass nicht alle Autofahrer über 60 pauschal weniger fahrtüchtig ist. Das ist natürlich richtig. Ob man daraus schließen kann, dass schon eine (aus der Statistik gut begründete) regelmäßige Überprüfung diskriminierend ist, ist für mich eher zweifelhaft. Wenn man das so sieht, sollte Herr Stuck aber konsequenterweise auch fordern, dass in Zukunft nicht mehr alle männlichen Arbeitnehmer pauschal mit z.B. 67 Jahren den Ruhestand beginnen – sondern dass jeder Arbeitnehmer dann in Ruhestand geht, wenn ihm in einer Untersuchung nach für alle einheitlichen Kriterien bescheinigt wird, dass ihm Arbeiten nicht mehr zugemutet werden kann. Bestimmt gibt es Autofahrer, die bis 85 fit genug zum Autofahren sind – was spräche dagegen, dass diese auch bis 75 oder 80 arbeiten können? Man müsste, wenn man Herrn Stucks Argument ernst nimmt, konsequenterweise sagen: Pauschale Rente mit 67 ist Altersdiskriminierung.
Peter Schweizer

Im Klagen über zu viel Bürokratie ist man sich einig – aber das Bedürfnis der „Grünen“ (und des Brüsseler Apparats) jedes Problemchen behördlich in den Griff bekommen zu wollen, führt genau zum Gegenteil. Natürlich gibt es Missstände und Kritik ist berechtigt – daraus folgt aber nicht unbedingt die Notwendigkeit einer behördlichen Regelung – es gibt auch Eigenverantwortung!
Dieter Wurm

Schon 30 j in Berlin lebend aber aus einem Land wo   aeltere Autofahrer werden getestet wo falschparken im behinderten Parkplätze kostet 200 Euro, wo 50 km ueber die geschwindigkeitsgrenze kostet $10,000 plus sperre wo die Polizei tatsaechlich Strafzettel fuer Falschparker aufschreiben SOLLEN wo es ein Tempolimit gibt… UND wird kontrolliert und wo Fussgaenger die Vorfahrt ueber Autofahrer haben wo es keine Ampel gibt und zwar EVERYWHERE…autofahren hier wird kein spass mehr machen oder? So ich bin der Meinung testen…wegen der Sicherheit des Volkes waere ein riesen Fortschritt hier im Autoland
Brian Agro

Der Argumentation von Frau von Berg stimme ich in allen Punkten zu. Ich als Seniorin bin also dafür, bei älteren Menschen die Fahrtauglichkeit zu testen. Es profitieren alle davon und dagegen spricht so gut wie nichts.  Bei Herrn Stuck dagegen überzeugt mich kein einziges Argument. Seine Mutter fährt mit 94 Jahren noch gut Auto – und deshalb können andere Senioren das auch?  Eigenverantwortung? Wo klappt das denn? Und seine Beispiele (auf eine Leiter steigen, Skifahren) passen überhaupt nicht zum Thema Autofahren, wie Frau von Berg richtig anmerkt. Mit dem Handy telefonieren als Unfallursache ist sowieso schon verboten. Bleibt noch die Altersdiskriminierung. Aber auch die ist sachlich nicht richtig, denn es ist keine Diskriminierung, sondern Fakt, dass bei älteren Menschen natürlicherweise allerlei Abnutzungserscheinungen auftreten.
Nicht mehr so gut sehen, besonders bei Dunkelheit, nicht mehr beweglich sein usw.  Schließlich die Benachteiligung von Menschen, die auf dem Dorf wohnen und vielleicht nicht mehr so leicht woanders hinkommen, wenn sie nicht mehr Autofahren können. Ich bin sehr für den Ausbau von öffentlichen Verkehrsmitteln, schließlich sollen ja nicht nur ältere Menschen weniger Autofahren, sondern alle. Aber wer aufs Dorf gezogen ist, wird ja wohl gewusst haben, dass er nicht mehr alle Annehmlichkeiten der Stadt genießen kann. Mich nervt zunehmend, dass viele Deutsche immer egoistischer und anspruchsvoller werden: Der Staat hat gefälligst dafür zu sorgen, dass ich es gut haben kann.  PS. Ich habe mich vor einiger Zeit an stattauto gewandt, weil ich mein Auto verschenkt habe. Dort hörte ich, dass sie Menschen über 80 nicht aufnehmen. Mein sportlicher Ehrgeiz war geweckt. Ich dachte mit dem Kampfbegriff Diskriminierung kann man viel erreichen und schrieb in diesem Sinne an stattauto. Und jetzt bin ich im Besitz der stattauto-Mitgliedschaft! Ein vielleicht doch zweifelhafter Sieg. (Wenngleich ich natürlich noch super Autofahren kann!)
Adelheid Becker

Immer wieder kommt der Aufruf, ältere Autofahrer auf ihre Fahrtüchtigkeit zu prüfen. Ich bin 85 Jahre alt und fahre noch Auto. Körperlich und geistig bin ich noch recht fit. Ich habe ein 100prozentiges Sehvermögen, trage keine Brille und sehe auch im Dunkeln noch recht gut. Ich habe auch keine Horizontverengung (wurde geprüft). Trotzdem ist mir klar, dass im Alter die Gefahr eines Unfalls recht groß ist. Oft hat die Verbindung zwischen Gehirn und Körper nachgelassen, und der Körper handelt nicht so schnell, wie das Gehirn es befiehlt. Dessen bin ich mir bewusst.  Ich fahre einen Kleinwagen, der auch gut durch enge Straßen kommt, und mit dem man nicht rasen kann. Ich benutze das Auto im Stadtbereich zum Einkaufen, Freunde und Verwandte besuchen oder um Ärzte zu konsultieren. Ich wage mich schon lange nicht mehr auf die Autobahn, der starke Verkehr dort macht mich nervös und deshalb nicht mehr so verkehrssicher. Für weite Strecken nehme ich Bus und Bahn. So geht das mit dem Fahren ganz gut, und meine Familie kontrolliert mich auch öfter.  Es ist tatsächlich diskriminierend, bei alten Leuten die Fahrtüchtigkeit anzuzweifeln. Denn es gibt sehr viele jüngere Fahrer, deren Fahrtüchtigkeit zweifelhaft ist. Viele junge Fahranfänger sind oft leichtsinnig und halten sich nicht an die Verkehrsregelungen. Aber auch Berufstätige, Mütter, Hundehalter und Fahrer, die viele Mitfahrer im Auto haben, sind oft abgelenkt und passen nicht genau auf den Verkehr auf. Und es gibt viele Fahrer, die starke Medikamente genommen haben, die die Fahrtüchtigkeit einschränken. Es gibt in jeder Altersgruppe gute und schlechte Autofahrer. Und deshalb sollten Autofahrer aller Altersgruppen alle paar Jahre auf ihre Fahrtüchtigkeit geprüft werden.
Ingrid Grenzmann

Sollen Senioren zur Fahrprüfung? Bei der Lektüre des interessanten Streitgesprächs kamen ein paar sehr wichtiger Aspekt gar nicht vor Was ist das Kriterium für die Abgabe der Lizenz zum Führen eines Fahrzeugs? Das Tragen eines Hörgerätes, die Dioptrienzahl der Brille oder vielleicht, ob man den Tacho nur noch mit Lesebrille erkennen kann. Und wer darf sich denn erheben, dieses Urteil zu fällen? Und dann sind da noch die Kosten? Wenn das genauso gehandhabt wird, wie bei der Tauglichkeitsprüfung zum Wiedererhalt des Führerscheins, wenn man in Flensburg das Punktekonto überzogen hat, dann werden Rentner bald nicht mehr am Straßenverkehr teilnehmen können. Die meisten könnten sich das nämlich gar nicht leisten. Frau von Berg, ihre persönlichen Erfahrungen, die sie geschildert haben, kann ich verstehen. Ich fand es aber nicht sehr repräsentativ. Wir haben den schleichenden Verlust der kognitiven Fähigkeiten bei Familienangehörigen schon dreimal erlebt. In jedem Fall wurden die Führerscheine rechtzeitig freiwillig abgegeben, weil die Betroffenen selbst ihre Unsicherheit am Steuer bemerkt hatten. Ein unsres Familienmitglied war sogar erst Mitte Vierzig, der auf Grund einer Erkrankung nicht mehr fahren konnte.
Also ist das Alter auch nicht immer das Kriterium und das Wichtigste ist, seine Lieben bei solch schweren Entscheidungen gut zu begleiten. Außerdem müssen die Älteren allein schon wegen der Demografie in Zukunft immer länger arbeiten, nur zur Arbeit fahren sollen sie möglichst nicht? Zu Bedenken ist auch der Unterschied zwischen der Teilnahme am Verkehr in Ballungsgebieten mit sehr hoher Verkehrsdichte und damit erhöhten Unfallrisiken und ländlichen Gebieten mit wenig Verkehr. Also solltet ihr Politiker das ganze Thema erst einmal richtig durchdenken, bevor so ein Vorschlag in den Ring geworfen wird. Apropos Grüne – und ich denke selber ökologisch – gehen immer zu Fuß oder fahren mit dem Fahrrad, wenn es irgendwie geht: ist auch noch viel gesünder! Wird für diese Fortbewegungsarten auch eine Gesundheitsprüfung notwendig?
Andreas Hoffmann

Irgendwie passt auch diese Meinung wieder gut ins Bild: wenn es um Diskriminierung von den Grünen nahen Milieus geht, wird die Gegenseite sofort an den Pranger gestellt. Hier jedoch, bei den ohnehin viel zu vielen Autofahrern, ruft Frau von Berg kurzerhand dazu auf, eine ganze Generation ab 60 unter Generalverdacht zu stellen, weil Studien längst nachgewiesen hätten, dass ab diesem Stichtag wohl nur noch Tattergreise hinterm Lenkrad sitzen, die Bremse und Gas verwechseln. Das von Herrn Struck angesprochenen Floridamodell mit verpflichtenden Überprüfungen aller Verkehrsteilnehmer in einem bestimmten Turnus, wird dagegen abgelehnt, auch wenn es sicher ein deutlich wertvollerer Beitrag zur Unfallvermeidung wäre. Allein der Gedanke, dass sich die lieben Kinder rührend um ihren alten Herrn kümmern und einen Kabinenroller „verordnen“ ist ein sicher wohlmeinendes aber letztlich absolut nicht hinnehmbares Unterfangen und gibt Einblick in eine bizarre Gedankenwelt. Auch Frau von Berg würde gern alles ihren Vorstellungen nicht Entsprechende reglementieren oder am besten gleich verbieten. Es passt ins Bild, leider.
Thomas Harnisch

Nein, sollen sie nicht! Die Forderung der Grünen- Politikerin von Berg, Menschen über 60 alle 5 Jahre einer medizinischen und fahrpraktischen Untersuchung / Prüfung auf Verkehrstüchtigkeit zu unterziehen ist schlichtweg naiv und unverhältnismäßig. Mit dieser Maßnahme würde ein Bürokratie- und Verwaltungsmonster in die Welt gesetzt, dessen Größenordnung jedes Vorstellungsvermögen übersteigt (den demoskopisch bedingten steigenden Aufwand noch gar nicht mitgerechnet). Unser derzeitiger dysfunktionaler Staat wäre schon bei der Planung überfordert. Allein in Berlin warten derzeit 20.000 Menschen auf ihre (erste) Fahrprüfung, Wartezeit mind. 4 Monate! Grund ist „ein Mangel an Fahrprüfern.“  Wollten wir nicht endlich Bürokratie abbauen? Die Verhältnismäßigkeit dieses verkehrspolitischen Overkills erschließt sich mir in keiner Weise, denn in der Altersgruppe der 18- 24- jährigen Verkehrsteilnehmer ist jeder 5. der Unfallverursacher, in der Gruppe der „Alten“ (65- 75 plus) nur jeder 13. Dies mit der geringeren jährlichen km-Leistung der Älteren zu begründen ist schlicht unredlich. Ein weitaus höheres Gefährdungsrisiko im Straßenverkehr besteht meines Erachtens durch jene Verkehrsteilnehmer, die trotz eines gesetzlichen Verbots mit dem Smartphone am Ohr während der Fahrt an Konferenzen teilnehmen oder ihren e- Mail- Eingang sortieren. Hier sollte die Polizei, sofern verfügbar, schärfer kontrollieren. Zweifellos ist auch immer dann über einen Entzug der Fahrerlaubnis zu entscheiden, wenn medizinische, also physische oder psychische Einschränkungen vorliegen, welche die Fahrtauglichkeit gravierend einschränken, aber das betrifft alle Altersgruppen!
Michael Deil

die Verbotspartei „Die Grünen“ kann es einfach nicht lassen. Jetzt fordert eine ihrer Politikerinnen, dass sich Personen über 60 alle 5 Jahre auf ihre Fahrtüchtigkeit untersuchen lassen sollen. In Berlin würde das schon an den fehlenden Prüfern scheitern. Hier müssen Prüflinge monatelang warten, bis sie ihre Fahrprüfung ablegen können. Ich habe für die Grünen einen anderen Vorschlag. Wie wäre es damit, Politiker zu nominieren, die einen Berufs- oder Studienabschluss haben? Es kann nicht sein, dass Söders Hündin Molly eine abgeschlossene Ausbildung hat, dies aber für viele Politiker nicht zutrifft.
Rolf Schikorr

Sie fordern, dass man Autofahren ab 60 nur noch mit regelmäßiger Fahrtüchtigkeitsprüfung darf.  Aber arbeiten und Steuern zahlen sollen bitte alle bis mindestens 67. Gerne auch noch länger, richtig? . Bravo! Mir fehlen die Worte!
Petra Eysenbrandt

Manche Mitarbeiter im EU-Bürokratiemoloch in Brüssel, die suchen ganz verzweifelt, vielleicht auch wirklich nur aus lauter Langeweile, ständig nach irgendwelchen Möglichkeiten oder neuen Arbeitsfelder. Ihr Ziel könnte man die Entbürokratisierung nennen! Aber wer will diese wirklich? Einfacher scheint es da für die Mitarbeiter dort zu sein, dass man noch mehr Regeln ins Spiel einbringt. Bei dem Gespräch, da fahre ich in der gleicher Spurrinne mit dem Formel-1-Fahrer Hans-Joachim Stuck, der diese Fahrprüfung, nur für Senioren, für einen hausgemachten Blödsinn hält. Wenn man schon einen neuen Unfug einführen will, dann aber nur, wenn jeder an diesem Spiel teilnehmen muss. Mit Hilfe der künstlichen KI, dürfte das doch ein Klacks sein. Jeder Autofahrer wird beim Autofahren beobachtet und sofort bewertet, ob er überhaupt noch fahrtauglich ist. Wer beim Fahren kurz patzt, der muss erstmals kurzfristig stehen bleiben, aussetzen und einen Test über sich ergehen lassen. Fällt dieser nicht gerade so günstig für den Autofahrer aus, so ist der „Lappen“ bzw. sein Führerschein-Kärtchen einfach weg!!!
Klaus P. Jaworek

Die Diskussion über die Führerscheintauglichkeit ist sinnvoll und vor allem überfällig. Ich befürworte einen Führerschein-TÜV total! Es sollte im Fünf-Jahres-Rhythmus ein zwingender Seh-, Hör-, Reaktions- und Fahrtest (an einem Simulator) durchgeführt werden. Das sollte allerdings für alle gelten, die ein Kraftfahrzeug lenken wollen – unabhängig vom Alter! BerufskraftfahrerInnen kennen das schon lange. Sie müssen regelmäßig nachweisen, dass sie fahrtauglich sind. Tun sie das nicht, ist der Lappen weg. Ganz einfach!
Achim Bothmann

Die Idee, eine verbindliche Fahrprüfung/Fahrtauglichkeitsprüfung ab dem 60.oder 65.Lebensjahr würde ich als die Geburt eines weiteren sinnlosen Bürokratiemonsters ansehen! 1. Die Lebensarbeitszeit wird verlängert, also auch über das 65. Lebensjahr hinaus, d.h. man muss als Senior/in irgendwie zur Arbeit kommen. 2. Die Versorgung mit öffentlichen Verkehrsmitteln als Alternative zum eigenen Auto ist zumindest auf dem Land z.T. miserabel. 3. Es stimmt, dass sich immer mal wieder Verkehrsregeln oder-situationen ändern. Meines Erachtens würde es völlig ausreichen, wenn Fahrschulen für ältere Autofahrer Info-Veranstaltungen anbieten würden, um Autofahrer wieder auf den neuesten Stand zu bringen. Meinetwegen könnte man eine Bescheinigung darüber an die Versicherung schicken. 4. In Deutschland wird ohnehin viel zu schnell gefahren, d.h. Senioren, jugendliche Verkehrsteilnehmer, Radfahrer etc. sind somit generell die „schwächeren“ Verkehrsteilnehmer. Eine Reduzierung der Höchstgeschwindigkeiten insgesamt, wie sie in allen übrigen EU-Ländern schon seit langem besteht, könnte einen sehr großen Effekt auf Rücksichtnahme, Reaktionszeit, Unfallhäufigkeit und Entspanntheit aller Verkehrsteilnehmer führen!
Angelika Schirdewahn

Nur diejenigen, die bei Autofahren besonders auffallen durch häufige Unfälle sollten eine obligatorische „Fahrprüfung“ machen müssen. Und nicht „jeder“ ab einem bestimmten Alter … (Bis 70 arbeiten, aber ab 60 keinen Führerschein mehr?) Und das Argument von Frau von Berg überzeigt mich gar nicht: Dass im ländlichen Raum der ÖPNV besser ausgebaut werden müsse um den älteren Herrschaften ihre Mobilität zu erhalten … Da können Sie lange drauf warten, wenn das überhaupt geschieht …
Matthias Schoder

Ich bin 74 Jahre alt und fahre regelmäßig mit dem Auto. Wenn eine Gesundheitsprüfung – für die Fahrtauglichkeit, dann für alle in regelmäßigen Abständen. Ich finde es viel gefährlicher, wie sich die Autos entwickeln. Alle Funktionen nur noch mit Bildschirmberührung. Manche Funktionen kann man erst mit mehreren Klicks erreichen. Das viel gefährlicher, vom autonomen Fahren ganz zu schweigen. Wenn ich den Scheibenwischer oder den Blinker betätigen will und ich muss erst auf den Bildschirm schauen vergehen Sekunden, in denen ich von dem Fahrgeschehen auf der Straße abgelenkt bin. Das muss verboten werden sonst kann ja jeder behaupten auch das Telefonieren beim Fahren ist genauso ungefährlich. Diese Fehlentwicklung durch die Autobauer muss unterbunden werden.
Rolf Geyer

 


 

Leserbriefe zu „Wie von Sinnen“ von Bernd Ulrich

Es zeigt sich immer deutlicher: Eine Ampel auf Bundesebene funktioniert nicht. Jedenfalls diese Ampel nicht: Die drei Männer an der Spitze sind zu einer Entwicklung hin zu einem funktionierenden Team nicht fähig, auch nicht zu einer gemeinsamen Selbstkorrektur. Wer sich zuerst bewegt, um einen Konsens zu ermöglichen, hat verloren. Jede Schwäche wird von den anderen „Partnern“ sofort zur eigenen Stärkung genutzt. Allzu oft hat Robert Habeck dies erfahren. Auch Selbsterhöhung durch Erniedrigung des Koalitionspartners findet inzwischen völlig ungenierte statt. Die drei Männer kämpfen zu viel um die Macht und viel zu wenig um die Sache. So erzeugen sie das verstörende Bild von Unreife, Realitätsverweigerung, Verantwortungslosigkeit, Inkompetenz. Was Macht ausstrahlen soll, kommt nur als Ohnmacht an. – Die reale Erschütterung der beteiligten Parteien wird nachhaltig sein. Unvorstellbar, künftig mit der FDP eine Koalition zu bilden. Sie wäre auch in einer Kooperation mit der Union ein unkalkulierbarer Unsicherheits- und Störfaktor. Alle wissen inzwischen: Es ist besser, wenn sie nicht regiert. Politikverdrossenheit macht sich breit, wo wir doch vor dem Hintergrund der Zeitenwende eine mutige und entschlossene Politik brauchen. Alle in der Ampel nicht angegangenen Fragen werden jede Folgeregierung noch stärker herausfordern. So vertun die Ampelparteien zulasten von Deutschland eine Chance, die sie nur jetzt haben.
Reinhard Koine

Ich habe mich seinerzeit riesig gefreut, dass die Grünen und die SPD, na gut, mit der FDP zwar, eine Koalition hinbekamen und Regierungsverantwortung übernahmen. Zu Beginn der „Ampel“ schien eine neue Kommunikationskultur, gar ein neuer Polit-Stil aufzusteigen, die den gesamten Journalismus des Landes überraschte, irritierte und viele Menschen nach der Durststrecke der Merkel-Jahre erfreute. Das ist jetzt gefühlt lange her und irgendwie vorbei. Ich habe bis vor kurzem die “ Ampel“ immer noch hochgehalten, weil ich zutiefst glaube, dass sozialdemokratische und grüne Werte wesentlich in diesen Zeiten sind aber: mir geht die Puste aus bei all dem Versagen. Zugegeben: die Demonstrationen für Demokratie und gegen Rechtsextremismus lassen mich wieder aufatmen: dort Vielfalt, politisches Interesse, diskussionsfreudige freundliche Menschen mit klarer Haltung sinnlich direkt zu erleben tut unendlich gut und macht mir den Mut, den die Regierung vermissen lässt. Aber, es führt nichts an der nüchternen Erkenntnis vorbei: mit Ihrer Analyse in der aktuellen Zeit haben Sie – leider- in jeder Hinsicht ins Schwarze getroffen. Tragisch mutet besonders folgender Abschnitt Ihres Artikels an: „Die Mitte dieser Gesellschaft hier nicht in die Pflicht zu nehmen und nicht in eine neue Selbstwirksamkeit zu führen, ist ein historisches Versagen.“ Tragisch insbesondere deshalb, weil nicht nur die Mitte der Gesellschaft längst weiß, dass es genau darum geht und dazu auch bereit ist, viele sich sogar dazu auch in der Lage sehen. Was fehlt, sind Ehrlichkeit, Orientierung und klare zukunftsorientierte panikfreie Projektansagen der Regierenden für die nächsten Jahre. Stattdessen vergeigt die „Ampel“, als habe sie den Knall immer noch nicht gehört. Das ist einfach richtig tragisch und auch nicht ungefährlich. Danke für Ihre klaren pointierten und bildhaften Ausführungen, lieber Herr Ulrich. Ich musste herzhaft lachen bei der Vorstellung von Robert Habeck, der auf seine Triangel einhämmert. So traurig der Anlass für die Metapher ist, das Lachen darüber war befreiend!
Birgit Finken

Haben Sie die Hoffnung oder auch Gewissheit, dass Ihren Artikel jemand aus der Politik liest? Es wäre ja toll, sonst schreiben noch zwei Jahre so weiter, oder?
Artur Habel

“ Daraufhin fordert Katarina Barley…es müsse über einen europ. Nuklearschirm geredet werden…“ Das Originalzitat: – Zur Frage, ob die EU daher eigene Atombomben brauche, antwortete sie damals: „Auf dem Weg zu einer europäischen Armee kann also auch das ein Thema werden.“ – Ich verstehe nicht, wie man aus diesem Zitat eine Forderung ableiten kann. Das ist überschaubar gut zitiert. Und fördert letztlich nur den Verdruss über „die“ Medien, die ungenau oder parteiisch berichten. (Wobei das unbeirrte Festhalten von Frau Strack-Zimmermann den Namen Barley als „Barlei“ auszusprechen von überschaubarer Informiertheit zeugt.)
W. Michel

Bernd Ulrich entdeckt plötzlich seine Zuneigung zur “ Mitte der Gesellschaft „, die die Schlüssel in der Hand hat und sich notwendigem Verzicht stellen sollte. Doch warum sollte sie mit einem unsinnigen Heizungsgesetz und dem törichten Atomausstieg sympathisieren? Oder sich mit einem untauglichen Flüchtlingsregime arrangieren? Die Mitte der Gesellschaft ist grüner Deutungshoheit überdrüssig und will in Vielem ein Rollback, vor allem ein Ende des Flüchtlingszustroms. Realistisch wohl nur mit einem Regierungswechsel, aber Neuwahlen sind einstweilen noch der Kit für die Ampel.
Christoph Schönberger

Bernd Ulrich lässt seinem Frust ungeniert freien Lauf – und stellt der Ampel ein vernichtendes Zeugnis aus. Was er damit bewirken will, ist unklar, denn an einen Neustart der Koalition glaubt er offensichtlich nicht, einen möglichen Ausweg aus der Misere über vorgezogene Neuwahlen bringt er erst gar nicht ins Gespräch. Immerhin gesteht er den wichtigsten Protogonisten der Ampel politisches Talent zu – das sie allerdings im rot-grün-gelben Koalitions- Korsett kaum entfalten könnten. Der notorische Seitenhieb auf den ungeliebten Kanzler darf allerdings nicht fehlen. Auch verweist Ulrich zu Recht auf eklatante Versäumnisse der Vorgängerregierungen. Die Strategie der Ampel, sie wolle der Bevölkerung keine substanziellen Veränderungen zumuten und jeden noch so kleinen Schritt in Richtung Klimaneutralität sozialpolitisch abfedern – „you never walk alone“ – mag zunächst wenig ambitioniert klingen, ist aber angesichts der gesellschaftlichen Beharrungskräfte und organisierten Lobbyinteressen durchaus realistisch. „Ererbte“ Besitzstände anzutasten, kommt hierzulande einem politischen Himmelfahrtskommando gleich. Die entgrenzten Bauernproteste sprechen eine deutliche Sprache. „Blut-Schweiß-und-Tränen-Reden“ angesichts sich zuspitzender Krisen wirken nicht positiv-aufrüttelnd, sondern im Gegenteil:  sie mobilisieren das Widerstandspotenzial der „Wut-Bürger“ und „Wut-Bauern“.
Rüdiger Paul

Ich gratuliere der FDP zur Klugheit, ihre existenzielle Ausweglosigkeit mit einem Suizid zu beenden. Als pathologische Erkenntnis dient ihre politische Schnöseligkeit allemal.
Jürgen Dressler

Sehr unterschiedlicher Sachkenntnis- und Ideologie-Stand der drei Partner erschwert „operative Koordination“: Eher dirigistische GRÜNE ignorieren bisher viele realen Sachprobleme ihrer dürftig begründeten „Energiewende-Politik“. Die SPD verschreckt mit einem verkappten bedingungslosen Grundeinkommen ihre traditionellen Wähler und verschärft den Fachkräftemangel. SPD, GRÜNE sowie zahlreiche Medien watschen bevorzugt die FDP als Sündenbock mit „Markt- und Schuldenbremse-Fixierung“ ab: Als ob „mehr Geld“ die Sachprobleme löst! Die FDP kann nicht dusselige Umverteilungs- oder riskante Energiemaßnahmen verhindern. Zu dritt gegen die Wand! Wen wundert da „Wählerflucht“?
Wolfgang Ströbele

Vielen Dank für Ihre Worte, die ich lange nicht mehr gehört habe: sittlicher Ernst, Durcheinanderreden, Unernst, Kohärenz, Charakter, Versagen… So schreibt man gutes Deutsch, das der Leser gerne liest und ich von der Zeit erwarte.  Sehr gut.
Stefan Heinrich

Schön, dass die Kritik am Handwerk der Regierung in der Zeit angekommen ist.  Viele Bürger erleben Politik seit vielen Jahren als Schaffung eines immer dichteren regulativen Netzwerkes, welches für Sie nur Kosten oder Nachteile erbringt.  Gesetze werden von oberlehrerhaften Moralvorstellungen und Partikularinteressen getrieben und bewirken auf Grund von handwerklichen Fehlern zumeist noch nicht einmal, was ihr Zweck gewesen sein soll. Das Verstecken hinter internationalen Verträgen und Institutionen wie der EU macht es keinesfalls besser.  Jeglicher breitangelegte Konsens, welcher die Grundlage demokratischer Systeme sein muss, ist dadurch verloren gegangen.  Helfen kann nur noch ein wahrhafter regulatorischer Kahlschlag. Sollte dieser ausbleiben haben Populisten aller Couleur freien unbegrenzten Nachschub. Der regulative Kahlschlag wird kommen die Frage ist nur wer den Gewinn einfahren wird.  Es sollte weniger mit Bert Brechts Lösung „Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?“ als mit Helmut Schmidt „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“ gedacht werden, um eine konsensfähige Politik mit Zukunft zu gestalten.
Michael Horbaschk

Bravo, Herr Ulrich! Ihr Artikel zeigt, gut nachgedacht und analysiert. Leider gibt es davon viel zu wenig, auch von Der Zeit nicht. Diese Regierung ist, wie von mir bereits im letzten Jahr geschrieben, „der Untergang der Nation“. Daran ändern auch Demos der Bürger nichts mehr. Sie ist ein Haufen von Amateuren, deren politisches Handeln weder Vernunft noch Kompetenz noch eine auch nur ansatzweise Orientierung an den Interessen Deutschlands erkennen lässt. Armes Deutschland!
Elisabeth Sintermann

Ich freue mich immer, einen Artikel von Bernd Ulrich zu lesen und ich teile seine Einschätzung der Lage, in der sich die Ampel und das Land zurzeit befinden. Allerdings finde ich es ebenso wichtig, in Rechnung zu ziehen, dass die jetzigen politischen Akteure einer schier übermächtigen Ballung von Krisen gegenüberstehen, einem Zeitenwechsel, einzigartig in der Geschichte der BRD, in dem jede vorstellbare andere Regierung nicht weniger ins Schlingern gekommen wäre. Ob Merz, Söder, Wagenknecht, usw. sie alle wirken auf mich sehr absolut in ihren Forderungen, wie das Land den vielen Herausforderungen gerecht werden könne. In ihrer Position ist es leicht, die Regierung in den Keller zu reden, als die schlechteste der Nachkriegszeit zu beschimpfen. In der Verantwortung sieht alles grundlegend anders aus. Ich meine nicht, dass die Regierung nicht kritisiert werden soll, aber die Kritik sollte in einem Rahmen stattfinden, der eine irgendwie geartete Verständigung unter den Akteuren noch möglich erscheinen lässt. Mit offener Feindseligkeit verlässt man wohl den Boden, den es für den Erhalt demokratischen Grundverständnisses braucht. Und wenn Politik sich ehrlich machen würde, müssten alle zugeben, dass sie weder wissen, was ihre jeweiligen Ansätze in der Realität bewirken würden, noch wie das von den Medien kommentiert würde.
Was mir fehlt, ist ein Politiker, der den Menschen in dieser schwierigen Situation die Wahrheit sagt: dass alle Verantwortung für diese Demokratie übernehmen müssen, weil sie ein gemeinsames Projekt aller ist und dass das bedeutet, dass es Einschnitte geben wird, die Verzicht für jeden bedeuten. Und dass er um die Bereitschaft jedes einzelnen kämpft, diese Verantwortung auch explizit zu übernehmen, jeder in seinem Bereich. Ich glaube, jeder einigermaßen bewusste Mensch weiß im Grunde seines Herzens, dass es so nicht weitergehen kann und dass die goldenen Zeiten vorbei sind. Es braucht jemanden, der das auch offen ausspricht und so dazu beiträgt, dass es zu einer Grundstimmung in der Gesellschaft werden kann. Ich weiß, das hört sich utopisch an, solange nicht jemand beginnt, diese Mauern der Illusion niederzureißen, alles könne so bleiben wie bisher. Ich glaube, die Bereitschaft vieler in dieser schwierigen Zeit, einer offenen Botschaft zuzuhören, ist viel größer, als sie Politiker meinen. Jedenfalls größer als dauernde taktische Spielchen zu erleben. Leider hat die gute alte SPD im Moment mit Olaf Scholz einen Leader, dem das am allerwenigsten zuzutrauen ist. Tragisch für die SPD und für uns alle.
Hans Gödde

Eines vorweg: Bedrohungen, Hass und persönliche Beleidigungen sind inakzeptabel – Punkt. Unzufriedenheit und legaler Protest gehören aber zur Demokratie und müssen ausgehalten werden. Mitleid mit den Grünen – warum? Was sollte die AfD in diesem Fall sagen? Es handelt sich bis heute um eine legale, demokratisch gewählte Partei – ob’s dem sogenannten mainstream jetzt passt oder auch nicht. Da werden ganz andere Geschütze aufgefahren – immer zurecht? Auch wenn Herr Habeck mit gut gespielter Betroffenheitsmimik Fehler einräumt – die Grünen haben knallhart und von Beginn an versucht „grün ideologische“ Politik durchzusetzen…Stichpunkte: Atomausstieg, Heizungsgesetz, Agrarwende, Liefeerkettengesetz (EU) – koste es, was es wolle! Wenn die FDP nicht gegengesteuert hätte – was ihr in der Wählergunst leider anscheinend nicht zugute kommt – dann wäre „Gute Nacht Deutschland“ schon jetzt.

Es wird Zeit für die politische Wende – je früher, desto besser.
Reinhard Mayer

am Anfang Ihres Artikels war ich zunächst angesichts Ihrer früheren Artikel  etwas erstaunt und enttäuscht mit etwa dem Gedanken  „mal wieder ein Artikel,  der alle Schuld der Regierung und der Ampel und ihren Streitigkeiten gibt,  ohne Verantwortung für Opposition, Medien, Unternehmen, Gewerkschaften, Bürger und sonstige auch in anderen Ländern der Welt, die sich alle genauso wenig einig werden,  und die als Interessen- und Klientelgruppen  allzu oft ihre jeweilige Klientelschutz-Partei dazu drängen oder gar zwingen,  alles gewünschte praktisch 100% durchzusetzen, was natürlich unerreichbar ist und statt vernünftigen Kompromissen und Plänen fast nur in permanentem Streit und Dissens resultieren kann. Ihr Schreiben erinnerte mich an einen Artikel vom 11.1. 24 „Wer lähmt hier wen?“,  der das bequeme und einseitige  Ampel-Bashing vermied  und berechtigter Weise eine Kritik der Kritiker, ja sogar vieler Bürger,  einschloss, die es sich oft viel zu leicht machen  und viel zu viel erwarten, in etwa nach dem Mythos oder Märchen,  dass  für wen oder was auch immer  mehr getan und bezahlt werden kann und soll,  ohne dass  irgendjemand oder fast alle dafür mehr arbeiten oder zahlen müssen, außer vielleicht „der Staat“,  als ob der Arbeit und Leistungen — zusätzlich zum bisherigen — aus dem Nichts schöpfen könnte wie ein Perpetuum mobile.  Fast alle sagen nur, was sie jeweils nicht wollen und, dass sie jeweils nichts beitragen können, weder mehr Steuern noch weniger Subventionen noch fürs gegebene Geld mehr arbeiten. Aber niemand auch in der „Ampel“ will sich den Mund verbrennen  und sagen woher die  gebrauchten Milliarden Euro und Arbeitsstunden denn kommen sollen,   oder dass der Staat letztlich wir alle sind, die uns auch über die heiklen Fragen nicht einig werden und streiten, denn wenn einige von uns entlastet werden oder mehr Rechte genießen sollen, bedeutet das logisch, dass alle anderen — im Durchschnitt — mehr belastet werden und mehr Pflichten haben, für die Rechte der anderen zu arbeiten oder zu zahlen.
„Der Staat“ ist kein Flaschengeist, der uns bequem und gratis alle Wünsche erfüllen könnte, ohne ihn auch selbst zu unterstützen oder zu „füttern“, oder wenigstens irgendeinen Kompromiss oder „Plan“ mitzutragen oder wenigstens zu akzeptieren.   Und Schulden sind auch keine Gratisquelle für Leistungen, sondern werden von künftigen Menschen oder Inflationsopfern bezahlt, die sich keinen „Ausgleich“ erstreiken können.  Abbau von Korruption und Verschwendung?  Natürlich, aber auch das verlangt erst einmal mehr Arbeit und vielleicht weniger Datenschutz, und des einen Verschwendung ist des anderen „Recht“ oder Notwendigkeit. Dass der Staat wir alle sind, gilt für vieles geforderte:  Mehr Wohnraum für weniger Geld pro qm,  mehr Geld für die Bauern, mehr Integration samt Unterbringung, Sprachschulung  und Ausbildung der — legalen — Flüchtlinge und Migranten,  mehr Inflationsausgleich für Rentner und Arbeitnehmer und  auch für die Staatsdiener,  zu denen indirekt auch die Bahn-Mitarbeiter gehören,  mehr Bildung und Inklusion,  mehr Geld für Zukunfts-Investitionen, für innere und äußere Sicherheit und insbesondere für Klimaschutz und — oft tabuisiert — auch für Entschädigungen und Hilfen auch zum Klimaschutz für den globalen Süden,  etc. etc. Am besten aufgespießt wurde damals das ganze illusionäre Wunschdenken — eigentlich aller Oppositionsparteien — mit dem ironisch überspitzten Satz  „Mit uns geht es auf direktem Weg ins Schlaraffenland, in eine Welt ohne Zielkonflikte und komplizierte Abwägungen . . . „, sinngemäß alle gegensätzlichen sich eigentlich ausschließenden Wünsche auf einmal erfüllt, indirekt sogar versprochen, ohne dass irgendwer dafür mehr arbeiten müsste, sei  es auch nur um die noch untätigen  Migranten zu integrieren, unterzubringen, in der Sprache zu schulen und auszubilden.  Und genau das ist es anscheinend, was viele erwarten und was unausgesprochen ihre Bedingung für neues „Vertrauen“ ist.
Für vieles kann die Ampel eigentlich nichts, was sie an Problemen aus der Welt, aus der Gesellschaftsentwicklung und von Vorgänger-Regierungen auf dem Hals hat. Aber die großmäuligen Pläne und teils „Versprechungen“, alle Probleme der Gegenwart und der Zukunft zu lösen, alle Herausforderungen zu meistern, ohne — zusätzliche — Beiträge der Bürger, sei es an Geld, an Arbeit oder an „Zumutungen“ oder „Verzichten“ auf jeweils anderes, das fällt ihr zunehmend auf die Füße. Es wurde nicht einmal der Versuch gemacht, ob die meisten Bürgerinnen und Bürger mit einer vernünftigen Erwachsenenansprache schon zu erreichen wären, wenn man ihnen sagt: „Es gibt nun mal eine Häufung neuer und Zuspitzung lange bekannter Probleme und dabei weniger zu verteilen – und es gibt eben Leute, die diese Lasten tragen müssen.  Das können wir paar Leute in der Regierung nicht allein, wir brauchen Euch und Eure Vernunft, Euren Gemeinsinn, euren Fleiß und Eure Mit-Verantwortung für die Zukunft der Kinder und Enkel.  Niemand ist so genial, auch die Opposition nicht, das alles ohne eure Mitarbeit und Mitfinanzierung zu schaffen.  Und niemand kann das im erforderlichen Tempo mit völliger auch subjektiv von jedem empfundener Gerechtigkeit schaffen.  Und wir wollen doch den Kindern und ihren Fürsprechern nicht nur die Wahl lassen, entweder kaputtes Klima und kaputte Infrastruktur zu erben oder aber einen noch viel riesigeren Schuldenberg, der sich nicht von allein bezahlt macht, wenn es nicht um Verbesserungen geht, sondern nur um Vermeidungen von Verschlechterungen der Zukunft.“ Nach den lange gepflegten und von fast allen befeuerten Erwartungen und Illusionen und Märchen hätte es allerdings auch der begabteste Redner nicht leicht mit so einer Erwachsenen-Ansprache, vor allem gegen den Befund, dass vielen der eigene Geldbeutel wichtiger ist als das Klima  und auch sonstige Zukunfts-Vorsorgemaßnahmen,  und gegen den vielstimmigen Chor der Gegner auch in vielen Medien,  die jeweils behaupten,  es sei kein grundsätzliches Problem, sondern nur das der falschen Regierung.  Zur Not gelte es eben, einer Partei die Chance zu geben, die bisher noch nicht in Regierungsverantwortung erprobt ist und deshalb bisher als einzige nicht „versagt“ hat.
Es bräuchte  nicht nur Politiker*innen, sondern auch Medien und Privatmenschen,  die den Mut nicht nur zu „Visionen“, sondern auch zu  Ehrlichkeit und Realismus haben  und zu einer „Vision“, die sich vor allem dadurch auszeichnet,  dass alle oder ausreichend viele  „mit anpacken“, und auch die Dilemmas und Hindernisse einer Regierung anerkennen,  und nicht etwa von ihrer Klientelschutz-Partei die 100%ige Durchsetzung all ihrer Gruppen- und Klientel-Interessen verlangen;  dass ausreichend viele sich nicht darauf beschränken nur selbstgerecht zu kritisieren und zu fordern. Und deshalb war ich dann so erleichtert und erfreut über die letzte Passage Ihres Artikels  mit dem Rückblick auf die vergangenen Jahrzehnte  und den illusionären und selbstgerechten Anspruch,  dass alle jetzigen und künftigen Regierungen  diesem Maßstab gerecht zu werden haben,  mit Aufrecht Erhaltung oder gar noch Verbesserung allen Wohlstandes, aller Bequemlichkeiten und aller Besitzstände, zumal die damalige „Normalität“ und die damaligen Annehmlichkeiten oder „Verbesserungen“ vielfach nur durch Verkauf der Zukunft insbesondere der jetzigen Kinder  ermöglicht wurden. Sie haben sooo Recht:  Unser aller Verhalten muss sich ändern, und es braucht nicht zuletzt auch für eine politische Handlungsfreiheit eine „staatsbürgerliche Opferbereitschaft. diese epochalen Tatsachen nicht anzusprechen und dagegen anzuregieren, ist ein Verzweiflungsprojekt. Die Mitte dieser Gesellschaft hier nicht in die Pflicht zu nehmen und nicht in eine neue Selbstwirksamkeit zu führen, ist ein historisches Versagen. Aber gut, das kann die Ampel ja alles ändern. Wenn auch nicht mehr lange.“
Natürlich ist für vieles „die Politik“ gefordert, ein anderer Begriff für „der Staat“.  Aber wer bestimmt denn durch Wahlen, durch Medienkommentare, durch Mitgliedschaften, durch Steuern, durch Hinnahme oder Blockade politischer Entscheidungen,  durch Belohnung oder Bestrafung in den nächsten Wahlen,  welche Politik gemacht wird oder gemacht werden kann, und welche nicht?  Wer bezahlt oder erarbeitet denn die geforderten „Anreize“ z.B. für Klimagerechtes Verhalten?   Die Neurowissenschaft und Herr Latif haben leider weitgehend, aber nicht ganz Recht:  Vielen „Gehirnen“ ist die Zukunft „fast egal“, aber nicht allen, und nicht in jeder Hinsicht:  Menschen nehmen große Mühen auf sich für Karrierefrüchte in der Zukunft, für künftige Gesundheit und sonstiges künftiges Wohlergehen ihrer Kinder oder Enkel.  Aber beim Klima, beim Frieden und auch anderen gesellschaftlichen Zukunfts-Vorsorgen scheint es anders zu sein: irgendwie  herrschen hier viel Wunschdenken, Gewohnheiten und Verlassen auf andere wie „die Politik“  oder  „technologische Innovationen“,  ohne zu berücksichtigen,  dass auch die nicht zaubern können, denn sonst hätte es die vielen  Vorläufer-Katastrophen wie Ahrtal-, Ostsee- und andere  Fluten, Dürren, Waldbrände etc. und auch den PISA-Schock, den Fachkräftemangel und den Wohnungsmangel wie auch den Ukraine-Krieg  nicht geben dürfen.  Wer glaubt, eine „bessere Politik“ hätte das Zauberkunststück hinbekommen, was die bisherige nicht geschafft hat, erinnere sich,  dass fast alle Parteien beteiligt waren,  und wir deren Stimmanteile und damit oft Blockade-Macht gewählt haben, und dass manche Protestler, selbsterklärten   „Retter“  und „Bringer einer besseren Welt“  in der Geschichte  ihr Land vom Regen in die Traufe oder in die Hölle gebracht haben.
Außer um unser Land, unsere Landtage, Europa und die atlantischen Beziehungen geht es ja auch um „den Planeten“, bzw die Zukunft aller seiner Bewohner incl. der menschlichen. An der Mitverantwortung aller incl. mehr Ehrlichkeit, Gemeinsinn und Realismus müssen wir alle arbeiten, die Politik, die Bürger und Zeitungsleser, die Medienschaffenden, die Tarifpartner  etc. etc. Auf Dauer wird unsere Demokratie und unsere Zukunft erst dann zu retten sein, wenn ihre Befürworter sie nicht nur mit Lippenbekenntnissen redend und demonstrierend propagieren, sondern auch wirkliche Mitverantwortung übernehmen, auch — mehr — dafür zu arbeiten und zu bezahlen.  Diese Mitverantwortung braucht jedes Gemeinwesen und auch jede Demokratie; sie brauchen mehr als nur Fordern und Beschlüsse, so demokratisch sie auch motiviert sein mögen.  Und für solch einen Bewusstseins- und Kulturwandel braucht es, wenn überhaupt möglich, deutlich mehr Zeit als für eine Vertrauensfrage.
Peter Selmke

 


 

Leserbriefe zu „Unter uns Palästinensern“ ZEIT-Gespräche von Mariam Lau und Annabel Wahba im ZEIT Magazin

Wo wird denn bitte nur auf den 7. Oktober geschaut? Wer verteilte Süßigkeiten am Tag darauf? Wer bedroht und bedrängt Veranstaltungen an Universitäten?  Zweifellos ist das Regime Netanjahu ungeeignet und unwillig zu einer friedlichen Lösung des Nahostkonflikts. Ebenso die Autonomiebehörde. Aber die Täter Opfer Umkehr darf, bzw. dürfte nicht gelingen. Kann man sich ein Land auf der Erde vorstellen, das auf so einen Überfall mit Maß und Umsicht antwortet?
Karl Boscher

Dieser Artikel ist Gold wert! Genauso wie gute Lehrer an den Schulen. Leider gibt es zu wenige davon. Also mehr von beidem!
Otfried Wolf

Ich bin ABSOLUT empört über den Beitrag und das Cover zum aktuellen Zeit Magazin. Sie berichten hier in einer tendenziösen Weise OHNE Juden, von denen es nur noch sehr, sehr wenige gibt in Europa, auch nur zu Wort kommen zu lassen. Die Leute, die hier sprechen dürfen, haben alle eine sehr fragwürdige Sicht der Lage. Um es schonend auszudrücken. Berichten Sie doch mal darüber, warum es so aussieht in den Köpfen dieser Leute und der Leute in den betroffenen Ländern. Warum der Islam eine viel größere Bedrohung für die Freiheit und das Zusammenleben darstellt, als jede andere Ideologie und warum es so aussieht in Gaza, Iran, Somalia, Afghanistan, Libanon, Pakistan…etc…Nennen Sie doch in Ihrer journalistischen Arbeit mal das Kind beim Namen, satt solche tendenziösen Beiträge zu bringen. Do your job ZEIT!
Philipp Kurz

Zunächst einmal vielen Dank dafür, dass Sie dieses wichtige Thema aufgreifen und in einem sehr interessanten Gespräch mit vielen sehr guten und reflektierten Aussagen der eingeladenen Persönlichkeiten aufbereiten. Es war sehr bereichernd und perspektiverweiternd dies zu lesen. Sehr gut finde ich, dass Sie mit der 18-jährigen Youmna der jüngsten und einer weiblichen Figur der Eingeladenen den Platz auf dem Titelbild geben! Als nicht so glücklich erachte ich jedoch die neben ihr stehende Aussage als herausgezogene Botschaft. Wie im Gespräch ersichtlich wird, ist der Konsens der Beteiligten durchaus, dass es keine ,,Legitimierung für ein Massaker“ gibt und ,,Alles, was danach passiert ist und was davor geschah, eine andere Sache ist.“ So wird durch das Titelbild jedoch in Zügen das Bild einer den 7. Oktober irgendwie relativierenden Person mit palästinensischem Hintergrund wiedergegeben. Viele andere geäußerte Aussagen wären weit weniger provokativ aufzufassen, jedoch sehr perspektiverweiternd für den Blick und die Geschichte von Deutsch-Palästinensern gewesen und hätten das durchaus in Teilen negative Bild von ihnen als vorurteilsbehaftet entlarvt. Äußern möchte ich mich auch kurz zu Harald Martensteins Kolumne ,,Über Denunzianten gestern und heute“: Denunzianten im 2. Weltkrieg, die den Tod ihrer Mitbürger:innen in Kauf genommen haben, mit heutigen Awarenessstellen zu vergleichen, finde ich mehr als unpassend und relativierend. Insgesamt gefällt mir Ihre Zeitschrift jedoch sehr gut!
Luna-Mariella Müller

Sie haben ein tolles Interview mit Palästinensern geführt und geschafft, die Haltung ihrer jungen und älteren Generationen darzustellen, ihre Flüchtlingsproblematik aufzuzeigen und die komplizierte Geschichte der Palästinenser im Kontext der aktuellen Geschehnisse zu reflektieren.  Und dann: dieser Titel!  Ich bin wirklich entsetzt, wie Sie es schaffen, die differenzierte Haltung der Deutsch-Palästinenser auf eine so banale Titelzeile „Ich finde es nicht richtig, dass man sich nur auf den 7. Oktober fokussiert“ zu reduzieren. Vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen bekommt dieser Satz eine ganz andere Aussage, als ursprünglich gemeint – und bedient damit alle Vorurteile und Ressentiments in diesem Konflikt. Diese Vereinfachung hat keine der GesprächspartnerInnen verdient. Schauen Sie mal ins Netz, wie Sie den Rechten mit dieser Zeile in die Hände gespielt haben. Das ist unter ZEIT-Niveau, da wünsche ich mir mehr Sensibilität seitens der Redaktion.
Dorothea Meyer

Der Titel des neuesten ZEIT-Magazins ist eine Unverschämtheit. Er erweckt den Eindruck, der 7. Oktober sei in irgendeiner Weise kontextualisierbar. Ist er aber nicht. Und mir dreht sich der Magen herum, wenn ich mir diese Titelseite anschaue. Ich habe immer eine Zwei-Staatenlösung gefordert, tue das heut noch, das Leid der Menschen in Gaza ist mir noch nie egal gewesen, Israels Regierung stehe ich seit Jahren kritisch gegenüber. Aber dass seit Monaten permanent versucht wird, eine absolut durch überhaupt gar nichts zu entschuldigende Barbarei und grausamste Verbrechen an unschuldigen jüdischen Menschen am 7. Oktober in irgendeinen Kontext zu stellen und Sie das mit Ihrem Magazin-Titel derart unterstreichen – das ist einfach nur furchtbar.
Anika von Greve-Dierfeld

Ich bin langjährige Leserin Ihres Magazins und der Zeit. Die zitierten Zeilen auf dem aktuellen Cover haben mich sehr irritiert, um es sachlich auszudrücken. Ich habe das gesamte Interview gelesen und finde es richtig und wichtig, die Stimme der Palästinenser zu Wort kommen zu lassen. Trotz der provokativen Schlagzeile wollte ich unvoreingenommen an den Text herangehen. Mein Credo ist schon immer gewesen, auch die Geschichten und Ängste „der anderen“ zu hören. Zwischendrin stieß ich auf Sätze wie die auf dem Cover, die ich anders sehe, denen ich widerspreche und die ich zutiefst ablehne. Aber das muss ich aushalten, denn es gibt verschiedene Sichtweisen, Erfahrungen und Meinungen. Insgesamt finde ich die Geschichten aus dem aktuellen Magazin also sinnvoll und wichtig. Allerdings und jetzt komme ich zu meiner eigentlichen Frage: warum haben Sie sich bewusst für dieses Zitat auf dem Cover entschieden? Meiner Ansicht nach trägt eine solche Aussage (so hervorgehoben) auf beiden Seiten lediglich zur weiteren Entzweiung und Ablehnung bei, obwohl gerade solche Geschichten, bei denen man den einzelnen als Mensch mit eigener Geschichte wahrnimmt so wichtig sind. Schade.
Ariella Chmiel

Aua!! Das größte, menschenverachtende, brutale Massaker seit der Shoah, zudem extremste Gewalt gegen Frauen, so dermaßen zu relativieren! Sie sollten sich schämen!!
Melanie Schulz

Welch ein tolles Gespräch mit den fünf Palästinensern! Ich fand es außerordentlich lehrreich und auch beruhigend, dass es offenbar auch unter den Palästinensern hierzulande besonnene, differenzierende Stimmen gibt, die man sonst eigentlich nie zu hören bekommt. So wie es ja auch unter Israelis solche geben soll, die nicht gleich tödlich beleidigt reagieren, wenn man es wagt, sie auch auf die Missetaten ihres eigenen Staates hinzuweisen. Das macht Mut, gerne mehr davon!
Gebhard Boddin

Es treibt mir fast Tränen in die Augen, dass Sie auf die Titelseite von Heft Nr.9 die Aussage „Ich finde es nicht richtig, dass man sich nur auf den 7. Oktober fokussiert“ bringen. Es wurden grausamste, sadistischste Verbrechen begangen UND es sind immer noch viele Geiseln in Gaza, ob tot oder lebendig weiß man nicht. In meinem Umfeld erlebe ich vor allem eine absolute Gleichgültigkeit gegenüber den Massakern vom 7. Oktober, man bezieht keine Stellung und wenn, dann doch eher für die Palästinenser. Von daher frage ich mich WER fokussiert sich auf den 7. Oktober? Die deutsche Bevölkerung geht in dieser Sache nicht auf die Straße, ich bin schon froh über unsere Politiker, die in dieser Sache wenigstens klar Position beziehen, denn das ist in Europa ja auch eher sonst nicht so der Fall. Im Text ist mehrfach die Rede davon, dass Palästinenser unter Waffengewalt und der Versicherung in einer Woche wieder zurückkommen zu können, vertrieben wurden. Da ist vielleicht auch wichtig zu erwähnen, dass das die arabischen Waffenbrüder waren. Leider haben die arabischen Staaten in der Folge überhaupt nichts für die Palästinenser getan, im Gegenteil, es wurden ihnen wichtige Rechte verwehrt. Auch die Weigerung Deutschlands den geflüchteten Palästinenser hier eine Arbeitserlaubnis zu erteilen ist unfassbar. Der Artikel ist interessant und wichtig, aber die Titelseite geht meiner Meinung nach gar nicht.
Birgit Siller

Es ist richtig und wichtig, dass „DIE ZEIT“ in jeder Woche seit dem 7.10.23 sich dem Thema des Nahostkonflikts annimmt und es aus verschiedensten Perspektiven beleuchtet. So auch diese Woche in den beiden hervorragenden Beiträgen im „ZEITmagazin“ von Frau Mariam Lau und Annabel Wahba als auch Evelyn Fingers herzzerreißendem Interview des Geiselangehörigen Yuval Danzig und Wolfgang Thielmanns Berichte weiterer Geiselangehörigen in der Rubrik „Glauben und Zweifeln“. Für beide Beiträge bin ich SEHR DANKBAR! Eine sensible und kluge Gesprächsführung zeichnet sie aus! Im Gesprächsformat des „ZEITmagazin“ wird in vorbildlicher Weise versucht, einen differenzierten Blick zu werfen auf Positionen von Menschen palästinensischer Herkunft und man stellt fest, es gibt weder DIE Juden noch DIE Palästinenser, sondern jeder hat aufgrund seiner ganz persönlichen Herkunft und Geschichte einen jeweils ganz eigenen Blick auf das Geschehen. Und Differenzierung tut not, weil nur damit zu einem konstruktiven Gespräch auf beiden Seiten kommen kann, zum Bemühen um Verständnis für die andere Seite, um ein Deeskalieren beider Seiten durch faktenorientierte und geschichtsbewusste Debatte.
Besonders bin ich Herrn Khorchides für seinen klugen Hinweis dankbar, dass die Hamas mit ihrem Terroranschlag am 7.10. auch die Menschen im Gazastreifen selbst zu ihren Geiseln ihrer „Politik“ gemacht haben (das fällt gerne unter den Tisch indem man Israel alleinig für die Katastrophe im Gazastreifen verantwortlich macht, passt ja insgesamt bestens in die antisemitische Haltung vieler, auch vieler Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft); ebenso Herrn Khorchides kritische Distanz zu dem „Aber“ im Kontext zu dem Verteidigungskrieg Israels im Gazastreifen: denn es kann KEINE RECHTFERTIGUNG geben für diesen beispiellosen Terrorangriff am 7.10. auf unschuldige jüdische Zivilisten! Unbedingtes JA zu Hassouns Bemerkung, dass Begegnung zwischen Menschen beider Seiten und KENNTNIS über deren jeweilige Geschichte enorm wichtig sind! Und noch eine Randbemerkung zu dem Verhalten der Lehrerin, deren Stellungnahme in einer „sechs“ mündete!? Ähnliche Inkompetenz seitens des Lehrers sich einem Diskurs zu zweifellos schwierigem Thema zu stellen hat auch unsere Tochter (mit jüdischen Wurzeln) in der Schule erlebt zu Zeiten der 2. Intifada. ERSCHÜTTERND das Interview mit dem Sohn des 74jährigen Vater Alexander Danzig und die Gesprächsprotokolle der anderen Betroffenen im Rahmen der Sicherheitskonferenz.
Dazu kann ich nur Folgendes sagen: es wäre die Pflicht und Notwendigkeit eines UN-Generalsekretärs Antonio Guterres gewesen in den Tagen unmittelbar nach dem 7.10.23 an die Hamas eine Deadline zu stellen: innerhalb von einer Woche sämtliche Geiseln freizulassen ( BEDINGUNGSLOS!), ansonsten hat Israel jedes Recht, sich zu verteidigen mit der Gefahr einer völligen Zerstörung des Gazastreifens  im Zuge der Eliminierung dieser Verbrecher und ihrer Führung (dies notgedrungen, denn das Tunnelsystem, u.a. erbaut mit missbräuchlich verwendeten Geldern der internationalen Gemeinschaft, liegt unter dem Gazastreifen als Rückzugs-, und Waffenbeförderungsstruktur der Hamas, dementsprechend wird es zu tausendfachen zivilen Opfern kommen). Guterres hat KLÄGLICH versagt und das gehört auch zur Wahrheit, warum heute die Terrorgruppe Hamas überhaupt noch Forderungen im Rahmen der Freilassung von über 100 Geiseln stellen kann. DAS IST EIN SKANDAL! Allen Geiseln und ihren Angehörigen kann man nur ein baldiges Ende dieses Martyriums wünschen, unvorstellbar, wie diese Menschen leiden und wahrscheinlich ihr Leben lang unter diesem Trauma leiden werden. Dafür gibt es keine Worte! P.S.: wir haben selbst Familie in Israel und verfolgen auch aus diesem Grund sehr genau die Debatten dazu!
Berta Walter-Hamza

Israels Hardliner MP Netanjahu und seine ultra-rechte reaktionäre Regierung führen die USA, die US-Regierung Biden und uns Europäer sinnbildlich metapherhaft beschrieben – am Ring durch die Nase durch die Manege, und er führt die Welt gekonnt „hinters Licht“. Er macht das ja schon Jahrzehnte, wurden den Palästinensern immer wieder versprochen, dass sie einen eigenen Staat erhalten werden, und parallel wurden immer mehr Gebiete in der Westbank von radikalen Siedlern widerrechtlich mit Gewalt, Zerstörung und Willkür in Besitz genommen.   Zionisten wie Netanjahu nehmen sich das Recht heraus, in ihrem Sinne ganz Palästina zu ihrem Eigentum zu erklären – da wird auch schon Mal die Bibel als Begründung angeführt. Für Palästinenser ist da kein Platz – sie sollen verschwinden – nach Jordanien oder Ägypten oder sonst wohin.   Was da abläuft in Gaza und auch dem Westjordanland ist für mich ein Genozid, ein Völkermord. Gaza wird bald nicht mehr Lebensraum sein können – das Einleiten von Meerwasser in das Tunnelsystem der Hamas hat begonnen. Trinkwasser wird verseucht, Anbauflächen für Nahrungsmittel sind zerstört, Bauten werden einstürzen. Da ist kaum – keine – Chance mehr, dort zu leben, wenn die israelische Armee mit ihrem Dauerbombardement so weiter macht.
All das und die 29000+ Toten, Kinder wie Frauen, rechtfertigen all dies nicht. Und auch klar: Netanjahu macht das alles, solange er an der Macht ist – und da muss er vollendete Tatsachen schaffen als Zionist. Das hat System, das ist ein klarer Game-Plan. Koste es – was es wolle – auch das Leben der Hamas-Geiseln. Wir müssen hier als Europäer und besonders Deutsche im anderen Sinne klare Kante zeigen und Israel das Stoppschild zeigen mit konkreten Maßnahmen. Die Nibelungentreue als Folge der Gräuel früherer Generationen rechtfertigt nicht diese aktuellen Formen von Gewalt und Willkür. Leider bekommen hier Kritiker am israelischen Vorgehen medial keine/nur wenig Beachtung. Ich würde mich freuen, wenn Journalisten ab und zu mal Al-Jazeera und BBC ansehen.   Am Ende dieses Konfliktes wird es weitere geben – das Ende des einen wird der Anfang des anderen. Generationen von palästinensischen Kindern wachsen auf mit einem zerstörten Leben ohne Perspektive. Das wird sich alles rächen, weil Menschen eines Schlages Netanjahu nur ihre eigene Agenda und Sichtweise zulassen. Einer Zwei-Staaten-Lösung hat er bereits die Absage erteilt. Dieser Konflikt/Krieg ist die Basis für andere und dies weltweit. Leider. Schlimm. Und wir schauen zu und lassen – gefühlt – einseitig nur die israelische Sichtweise zu. Ich würde sagen: Ursache und Wirkung über Jahrzehnte. Netanjahu und seine ultra-rechte Regierung sind für mich gleichermaßen (Kriegs-)Verbrecher und Mörder wie Hamas.
Sven Jösting

Die Palästinenser sagen teils überlegte, hoffnungsstimmende Sachen. Auch machen ihre Geschichten betroffen. Doch ohne jede Einordnung wirkt das ziemlich grotesk, wenn man gerade hier in Berlin nur mal vor die Tür geht.
Philipp Drögemeier

 


 

Leserbriefe zum Titelthema „Wozu Putin fähig ist“ „Bis zum Letzten“ von Michael Thumann

Es wird darüber diskutiert, ob Letteland (wie es sein Präsident erklärte) in drei oder erst fünf Jahren abwehrbereit ist. In Deutschland wird von 10 Jahren gesprochen. Auf jeden Fall ist die G Das diese Gefahr nicht besteht, ist heute ganz unvorstellbar. Und doch – nach dem Überfall Putins auf die Ukraine, war längere Zeit überhaupt nicht die die Rede. Heute bedroht Putin ganz Europa. Was lässt dies als selbstverständlich erscheinen? Wo will Putin hin? Diese Frage – die immerhin alles Weitere entscheidet steht – auch im Freitag, – überhaupt nicht zu Debatte.
Louis Hay

Der Herrscher im Kreml schreckt eben doch zurück: vor der Opposition im Land, den Freiheitsbestrebungen in der Ukraine und vor der Nato. Zwar konnte er den Leib eines Oppositionellen, Nawalny, eliminieren lassen, nicht aber seinen Geist und die Opposition in den Köpfen und Herzen der Menschen. Und davor schreckt er zurück, um sich vor ihnen mit den Mitteln der Unterdrückung abzuschotten. Und vor den Entwicklungen in der Ukraine und ihrem Wunsch, in EU und Nato aufgenommen zu werden, indem er dort mit Waffengewalt einmarschiert ist. Den Sieg errungen hat er bislang nicht, hinter der Ukraine steht die Nato mit der Weltmacht USA, und vor der schreckt Putin zurück. Er ist als ehemaliger Geheimdienstler noch immer schlau genug, mit einem Überfall auf ein Nato-Land nicht Kopf und Kragen zu riskieren. Überhaupt ist er nicht Politiker, sondern der Geheimdienstmann geblieben, der nach Boris Jelzins geistigem Verfall und Entscheidung die Macht über eine Weltmacht übernahm. Ein verhängnisvoller Fehlschluss Jelzins. Das Beispiel Hitler mahnt, dass aus der Bedeutungslosigkeit hoch und an die Macht gekommene Leute das Unglück der Welt und Menschheit sind. Es lehrt auch, dass selbst die grausamsten Absichten und Ziele Hitlers und seiner Nazi-Schergen, vor nichts zurückzuschrecken, nur im eigenen Untergang endeten.
Axel Spellenberg

Ich bin mir nicht sicher, ob Herr Putin sich wirklich radikalisiert hat oder ob er nur, solange es ihm opportun erschien, den Gemäßigten spielte. Seine Reaktion im Jahr 1994 auf die Rede des ersten estnischen Staatspräsidenten Lennart Meri beim Hamburger Matthiae-Mahl (https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/aussenpolitik/id_100348414/estlands-premier-kaja-kallas-mahnt-zu-weniger-naivitaet-gegenueber-putin.html) zeigt meines Erachtens, dass er wohl damals schon imperialistische Vorstellungen hatte. Und die Ermordung eigener Landsleute mutmaßlich durch den russischen Geheimdienst mittels Bomben im Jahre 1999, die Herr Putin angeblichen tschetschenischen Terroristen in die Schuhe schob, um den zweiten Tschetschenienkrieg – der Herrn Putin in Russland populär machte – zu rechtfertigen (https://www.perlentaucher.de/buch/yuri-felshtinsky-alexander-litwinenko/eiszeit-im-kreml.html und https://taz.de/Kaukasus-Experte-ueber-Putins-Invasion/!5840920/ und https://de.wikipedia.org/wiki/Sprengstoffanschl%C3%A4ge_auf_Wohnh%C3%A4user_in_Russland und https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/297700/vor-20-jahren-zweiter-tschetschenienkrieg/), zeigt meines Erachtens, dass Herr Putin schon als Ministerpräsident auch gegenüber der eigenen Bevölkerung völlig skrupellos agierte. Da kann man nur hoffen, dass die Politiker*innen und vor allem auch die Bevölkerungen der europäischen NATO-Staaten endlich aufwachen, die Bedrohung durch Russland nicht länger ignorieren und sich nicht länger auf den Schutz durch die USA verlassen. Die mangelnde militärische Unterstützung der Ukrainer*innen durch die meisten NATO-Staaten lässt mich leider Schlimmes befürchten.
Ulrich Willmes

Diese exakte Beschreibung eines Tyrannen und die sich daraus ergebende und vermehrende Gefahr für Europa verlangen in Erinnerung und Würdigung der verantwortlichen Reaktion aller Alliierten, auch der Sowjetunion, des zweiten Weltkrieges auf die deutsche Tyrannei eine Kriegsankündigung gegenüber Putin. Nur eine Prävention der NATO wird zeigen, inwieweit seine Sympathisanten wie China ihn seinen Wahnsinn weiterleben lassen.
Jürgen Dressler

Kann es sein, dass der ehemalige Bundeskanzler noch immer diesem bestialischen Mörder die Hand reicht? Beschämend, auch für unsere Demokratie.
Beate Kollmeier

Putin hat sich zur Rechtfertigung seines aggressiven und unterdrückerischen Agierens eine Agenda zurechtgesucht, auf der ganz oben steht, dass die Ukraine kein rechtmäßig eigener Staat und dass die Nato eine Bedrohung für Russland sei. Diese Agenda setzt er als Glaubensprinzip mit Absolutheitsanspruch ein. Ob er diesen Glauben vor sich selbst immer durchhält, ist schwer zu sagen, aber die Berufung darauf vertritt er nach außen gottgleich, angelehnt an 2.Mose 20,4: „Du sollst neben mir keine anderen Götter haben.“ Da sollten ihn seine ebenfalls selbsternannten rechtgläubigen (griechisch: orthodoxen) Christen an eine Jesus zugeschriebene Aussage aus der Bergpredigt (Matthäus 5,5) erinnern: „Selig sind, die keine Gewalt anwenden, denn sie werden das Land erben.“
Christoph Müller-Luckwald

Wie Nawalny ermordet wurde, mit welch abscheulicher Methodik Putin da vorging, entlarvt den russischen Präsidenten endgültig als menschliches Monster. Der jetzige Umgang von Putins Apparat mit der Mutter von Nawalny und seiner Witwe zeigen die Verachtung Putins für jede menschliche Rücksichtnahme oder Geste. Trauernde, die in den Städten Blumen für den Ermordeten an Gedenkstätten ablegen wollen werden, wie gerade frisch infizierte Gegner der perversen Staatsräson vertrieben oder in Gefängniswagen weggekarrt. In den Propagandasendungen (es gibt nichts anderes mehr) werden die Mütter gefallener Soldaten gezeigt, wie der Staat versucht, mit großzügigen Geschenken (Pelzmäntel) aufkeimenden Hass oder Wut der Trauernden auf Putins verbrecherischen Krieg im Keim zu ersticken. Solche perversen Einfälle hatten sicher auch die Nazis und der Vergleich des Hitler-Regimes mit dem Putin-Regime drängt sich leider immer stärker auf. Das russische Volk und seine Reaktion auf Krieg und Unterdrückung durch Putin bleibt weiterhin ein Rätsel. Es kann doch nicht nur an ihrer fehlenden historischen Erfahrung liegen, dass sie so unempfindlich für demokratische Werte sind. Erschreckend an der russischen Bevölkerung bleibt, dass ihr eine diktatorisch aufgezwungene innere Ordnung in ihrer politischen Eindimensionalität und Brutalität genügt.
Die Forderung nach demokratischen Zielen oder gar Regierungen stellen nur die Kritiker einer winzigen Elite, die ihre Opposition seit der fast 24 Jahren dauernden Putin-Herrschaft mit ihrer Ermordung oder Straflager bezahlen müssen, wo sie meistens, wie jüngst Nawalny, elendig verrecken. Der andere Teil der russischen Elite wird von Putins Staatsapparat erfolgreich korrumpiert und an ihrer Spitze tummeln sich Milliardäre die Putin aus der Hand zu fressen haben. Ein falsches Wort von ihnen über Putin und sie fallen zufällig von irgendeinem Balkon in den Tod. Kommen wir zu Europa und hier auf die politischen Kontakte einiger ihrer Parteien zu Putins Russland. Hier fallen Deutschland und Frankreich besonders ins Gewicht. Der RN in Frankreich (früher FN) mit ihrer Galionsfigur Marine Le Pen und ihrem Vorsitzenden Bardella verstecken die Ungereimtheiten über finanzielle Hilfen von Putin so gut es geht. Typisch die Reaktion der Partei auf den Tod Nawalnys und Le Pens öffentliche Bekundung ihrer Trauer. Sie vermied es jedoch, hier den zwingenden Zusammenhang zum Verantwortlichen Putin zu erwähnen. Was dann mehr als erstaunt ist die zunehmende Beliebtheit Le Pens mit ihrem RN-Parteivorsitzenden Bardella, die bei der französischen Bevölkerung einen deutlichen Vorsprung in aktuellen Umfragen gegenüber der Partei von Staatspräsident Macron erreichen. Jetzt hat sogar Marine Le Pen Alice Weigel von der AfD zu einem Gespräch eingeladen, um drohende Verwerfungen bei der kommenden Wahl des Europaparlaments zu vermeiden.
Das Wort Remigration will sie der AfD untersagen da eine Nähe zu solchen Begriffen in der Familie der europäischen Rechtsextremisten (RN und AfD gehören dazu) schädlich für den Erfolg ihrer Partei in Frankreich wäre. Fraglich natürlich, ob das nach einem Erfolg des RN bei den nächsten Präsidentenwahlen 2027 noch gilt. Sahra Wagenknecht versucht mit ihrer neuen Partei in der deutschen Parteienlandschaft Fuß zu fassen. Mit ihrer bewussten Oberflächlichkeit und Sprechblasenqualität ihrer politischen Zielsetzung macht sie den gleichen Fehler wie die inzwischen politisch verquere AfD, die sich in einem Orientierungstaumel zwischen halb bürgerlich und rechtsradikal befindet. Beiden zu eigen ihre immer abstoßender wirkende, mehr oder weniger offene Nähe zum System Putin. Sahra Wagenknecht versucht es sogar wieder mit der uralten Masche der Politiker, nämlich Angst bei den Menschen vor einem Krieg zu schüren, wenn man Putin nicht nachgibt. Ihre Forderungen nach einem Stopp der westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine und anschließenden Verhandlungen mit dem Diktator Putin klingt irgendwie nach Trump. Nur ist sie politisch nicht so dumm wie der amerikanische Ex-Präsident und deswegen spielt sie hier falsch. Wer heute in Europa eine demokratische Partei gründet, kann nicht Putins Verbrechen an der Ukraine und seinen Kritikern kleinreden oder verharmlosen. Putin plant offensichtlich die Rückführung des jetzigen Russlands in die Grenzen der alten UDSSR und will die danach souverän gewordenen Staaten, wie jetzt die Ukraine, militärisch besiegen und wieder einkassieren. Der vor 2 Jahren begonnene Überfall der friedlichen Ukraine wurde anfangs mit der völlig absurden Behauptung begründet das Land stünde vor einem faschistischen Umsturz.
In der aktuellen russischen Propaganda ist es inzwischen aber schon der Westen, der als Angreifer zusammen mit der Ukraine Russland überfallen haben soll. Also eine totale Umkehrung der Realität in einem brutalen Eroberungskrieg Putins gegen die relativ kleine Ukraine. Die Folgen von Putins Größenwahn sind zerstörte ukrainische Städte, hunderttausende Tote an Zivilisten und Soldaten -natürlich auch russischen Soldaten, und ein zunehmend alarmierter Westen. Die USA und Europa versuchen mit Waffenlieferungen der Ukraine militärisch zu helfen, was sich anfangs schwierig gestaltete da das Land nicht Mitglied der NATO ist. Ein Ende des Krieges ist nicht in Sicht aber die Gewissheit im Westen steigt, dass Europa und die USA den außer Rand und Band geratenen Putin militärisch bremsen müssen.
Klaus Reisdorf

Der Westen nimmt zwar offiziell nicht am Krieg teil, unterstützt die Ukraine aber mit Waffen, Informationen und Beratung. Deshalb birgt ein Erfolg Russlands enorme Sprengkraft für unser gesellschaftliches Selbstverständnis und unser Verteidigungsbündnis: die Menschen in den Nato-Mitgliedsstaaten werden sich entsetzt fragen, wieso wir zusammen 1000 Milliarden Dollar für die Verteidigung ausgeben, wenn eine unfreie, gleichgeschaltete und wirtschaftsschwache – BIP wie der einzelne US-Bundesstaat Texas – Diktatur wie Russland mit seinem Rüstungsetat von lächerlichen 80 Milliarden nicht in die Schranken gewiesen werden kann. Wenn so ein Gegner uns in Schach halten kann, dann taugen unsere Rüstungsgüter allein dazu, der Rüstungsindustrie volle Auftragsbücher zu bescheren, nicht aber zu unserer Verteidigung. Bevor auch nur ein Euro mehr in den Verteidigungshaushalt gesteckt wird, muss unsere Nato-Strategie auf den Prüfstand. Ich bin von unserer Verteidigungsfähigkeit nicht mehr überzeugt.
Klaus Werner

Ich wünsche mir für Die Zeit viele Leser in den Parlamenten, die nach einer realistischen Einschätzung der russischen Staatslenkung suchen. Michael Thumann arbeitet zwei Aspekte der Politik Putins heraus: die Strategie des Schachspiels in der Außenpolitik und die dynamische Gleichschaltung nach innen, die ohne einen Stoppmechanismus im Land ist. Es liegt journalistischer Berufsethik fern, Panik zu verbreiten. So bleibt es dem geneigten Leser überlassen, eins und eins zusammenzuzählen, und die Summe zu ziehen aus dem „Fehlen von Kontrollmechanismen“ und dem Ausnutzen „gegnerischer Schwächen“.
Wilfried Eckstein

Tatsächlich sollte der Westen sich wehrhaft präsentieren. Dazu braucht es aber keine verbalen Eskalationen, sondern eine effektive Verteidigungsstrategie. Die Drohkulisse des Westens im Falle einer russischen Aggression gegen die Nato sollte nicht aus Pappe sein. Wer allzu laut bellt, weckt damit jedenfalls immer auch den Verdacht, eine echte Schwäche kaschieren zu wollen. Eine gewisse entschlossene Stille würde Herrn Putin evtl. mehr irritieren als allzu lautes Gepolter.
Christian Voll

Kriege werden verwaltet, die Verläufe analysiert, geplant und entschieden. Zum Beispiel eine weitergehende Aufrüstung mit noch weitergehenden Flugbomben in Verbindung mit einer durchgehenden Unterstützung des Kriegsgeschehens auf unbestimmte Zeit. Das „moralische“ Mandat steht in demokratischer Mitte, aber weitere tausende Soldaten werden sterben, grausam und jenseits der Mitte: an der Front. Jahrzehnte haben wir gehört, Krieg sei in keinem Fall ein Mittel zur Problemlösung, es gäbe immer eine andere, eine politische Lösung, eine menschlichere. … Warum stirbt diese wertvolle Erkenntnis einen zehntausendfachen Tod – auf dem Schlachtfeld? Am ursächlichen Aggressor kann es nicht liegen, den gibt und gab es in jedem Krieg. Ist der Preis aus Verhandlungen wirklich zu hoch, wenn sie das Leben auch nur eines Menschen retten!? Ist der Preis nicht akzeptabel, wenn im Ergebnis der Verhandlungen die beteiligten Westmächte den Wiederaufbau der zerstörten Regionen (Ukraine Ostgrenze) und eine umfassende Versorgung der dort lebenden Menschen in vertraglichem Rahmen garantieren, selbst, wenn über diesen besetzten Gebieten (vorübergehend) die russische Flagge weht. Nur ein Mensch, der lebt, kann hoffen! Wir führen diesen Krieg nicht, aber wir haben Einfluss auf die Zahl seiner Toten.
Bernd Kropfgans

Die Ukraine hat — z. T. nach jahrhundertelangen Bestrebungen — nach dem Zerfall der Sowjetunion die volle völkerrechtliche Souveränität erlangt.  Und diese Souveränität wurde bereits vor zehn Jahren — nicht erst mit dem Überfall auf die gesamte Ukraine vor zwei Jahren — in absolut nicht hinnehmbarer Art und Weise unter Missachtung des Völkerrechts und geschlossener Vereinbarungen verletzt, um neben kolonialer Politik auch imperiale Ansprüche des russischen Riesenreiches mittels Terror und Krieg durchzusetzen.  Dazu lohnt es sich, ein bezeichnendes Detail für ein Psychogramm des derzeitigen Mannes im Moskauer Kreml aufzuzeigen:  Iwan IV., im Jahr 1547 Begründer des Russischen Zarenreiches – im westlichen Europa „Der Schreckliche“ genannt –, war einer der berüchtigtsten, grausamsten und pervertiertesten Gewaltherrscher mit sadistisch-psychopathischem Charakter. Orgien von Gewalt, Mord, Terror, Massenexekutionen waren an der Tagesordnung – unter seiner Herrschaft waren die Menschen in ständiger Angst und ständigem Schrecken. Gleichzeitig beginnt durch Russland die Eroberung der Länder östlich des Urals mit teilweise völliger Vernichtung der einheimischen Bevölkerung.  Und dieser erste Zar im Reich dient dem ehemaligen KGB-Agenten und derzeitigen Potentaten im Moskauer Kreml als Vorbild: Im Jahr 2016 wird nämlich mit voller Zustimmung und Unterstützung Putins in der russischen Stadt Oriol „zu Ehren“ Iwan IV. ein neues Denkmal errichtet — noch Fragen offen?“
Josef Draixinger

Besser kann man das „System Putin“ nicht darstellen. Er kennt nach innen nur noch Unterdrückung und Brutalität gegen jeden, der es auch nur im geringsten wagt, eine aus Putins paranoider Sicht gegenteilige Ansicht zu haben. Dass schon das Niederlegen von Blumen als Gedenken an den getöteten Nawalny bestraft wird, ist nur ein Beispiel. Seine Wirtschaft, außer der „Kriegswirtschaft“, schwächelt entgegen den amtlichen Statistiken. Warum müsste er sonst ein Dekret erlassen, dass alle enteignen werden können, die sich ihm nach seiner Lesart widersetzen. Es gibt leider keine wahrnehmbare Opposition mehr. Seine Drohungen nach außen, verbunden mit den Fake-News durch seine Trollfabriken, sollen den westlichen Demokratien Angst machen und sie destabilisieren. Frieden in Europa gibt es aber nur, wenn die Ukraine Putins Aggression standhält und ihn von ukrainischem Gebiet zurückdrängt. Dafür muss der Westen aber endlich die notwendigen und besten Waffen und die zugesicherte Artilleriemunition liefern.
Albrecht Aurand

 


 

Leserbriefe zu „Bald ausgestorben?“ von Max Hägler

Ferdinand Dudenhöfer wird zitiert mit der Aussage: Die Elektromobilität sei von der Politik fallen gelassen worden.  Dann empfehle ich den Autoherstellern und ihren Zulieferern sich in ihre SUVs zu setzen, Autobahnen zu blockieren und vor dem Brandenburger Tor eine Geländewagen-Demonstration abzuhalten. Wahlweise könnte auch ein Oldtimer vor dem Kanzleramt angezündet werden. Als letztes Mittel empfiehlt es sich, während einer Bundestagsdebatte Tennisbälle und Schoko-Taler in Richtung Regierungsbank zu werfen, um eine Sitzungsunterbrechung zu erzwingen. Die Reaktion könnte eine Wiedereinführung der Elektroauto-Prämie sein. Oder zumindest ein neues Selfie von Robert Habeck und Christian Lindner. Ach ja, und dann noch eine kleine Korrektur zur Dino-Werkzeug Fotomontage: Im Gegensatz zu den Sauriern stirbt die Autoindustrie nicht aus – sie wandert aus! Nochmals Danke für Ihren faktenreichen Beitrag und die aktuelle ZEIT, die wie immer äußerst lesenswert ist.
Thomas Meichle

Merkwürdig, Reifenhersteller streichen Standorte und schmeißen Tausende raus, wegen der Elektromobilität. Als ob E-Autos auf Holzrädern fahren. Scheinwerferhersteller setzen Zehntausende vor die Tür, als ob E-Autos ohne Beleuchtung auskämen. Bosch entlässt Tausende, als ob E-Autos keine Fahrstabilität bräuchten. Und alle streben ins Ausland. Das erinnert mich unangenehm an die späten 80er. Erst wurde gebarmt, die Wirtschaft bekäme keine Arbeitskräfte mehr, und ein paar Jahre später war Einstellungsstopp, Massenentlassung und Verlagerung ins Ausland. Der „Standort Deutschland“ wurde zum Schimpfwort. Da kommt mir die Warnung von Heiko Mell in den VDI-Nachrichten in den Sinn: „Wer es einmal tut, der tut es immer wieder.“
Hans List

Es gehört zu den traurigsten Kapiteln der Nachkriegszeit, die deutsche Vorzeigeindustrie auf dem Altar eines vermeintlichen ökologischen Fortschritts geopfert zu haben. Mit dem Aus für den Verbrenner wurde die technologische Spitzenstellung abgetragen und China befindet sich plötzlich auf Augenhöhe mit Daimler. Bei 1,8 Mrd. Fahrzeugen weltweit wird die E-Mobilität jedoch noch auf Jahrzehnte eine Chimäre bleiben, schon weil die nötige Infrastruktur in Indien oder dem afrikanischen Busch fehlt. Den Preis, den Deutschland zahlen wird, heißt Deindustrialisierung und keiner übernimmt dafür Verantwortung. Zwar könnte nach der Bundestagswahl das Rad zurückgedreht werden, fraglich aber, ob die Industrie sich nochmals auf die Launenhaftigkeit der Politik einlassen wird. Der Abstieg scheint unaufhaltbar.
Christoph Schönberger

Besten Dank für Ihren unaufgeregten Artikel. Leider muss man bis zum Ende durchhalten, um die Zitate der hellsichtigeren Industrievertreter zu finden. Vorher muss man sich durch das übliche Klagen über die ach so schlimmen Bedingungen kämpfen. Diese Bedingungen werden zum Anlass genommen mal wieder die Gewinne zu optimieren und in den Firmen für kreative Unruhe zu sorgen. Oder, wie es so schön heißt, disruptiv aufzumischen. Das ist das unerträgliche Berater-Sprech, dass wir alle auswendig können. Eine Krise wird zum Anlass genommen kräftig zu jammern und dabei die eigenen Fehler den „Umständen“ zuzuschreiben. Dabei offenbart sich auch die allgemeine Kurzatmigkeit in den Managementetagen, die vielfach beklagt, gleichzeitig aber belohnt wird. Über die Ergebnisse braucht sich niemand zu wundern. Die Leidtragenden sind zuerst die Arbeitnehmer und dann die gesamte Volkswirtschaft. An dieser Spirale wird sich nichts ändern, solange die Mitarbeiter lediglich als Kostenfaktor und nicht als Know-How-Träger gesehen werden. Man sollte die Zitate von Frau Kirschbaum-Rumpf in den Eingangshallen der deutschen Industrieverbände in Stein meißeln. Die „Antriebswende“ als Grund für Stellenabbau ist ein besonders perverses Beispiel der Jammerei. Warum sind davon Reifenhersteller betroffen? Oder Firmen, die Gestänge zum Verstellen von Scheinwerfern herstellen?
Und dann wird auch noch das „auf Betreiben ihrer Betriebsräte“ erfolgte Insourcing für hohe Kosten verantwortlich gemacht. Warum sind die hidden Champions so erfolgreich? Weil sie sich eine Fertigungstiefe erhalten haben, die die Großen schon seit Jahren aufgegeben haben – weil sie die Kostenoptimierung auf die Spitze getrieben haben. Kostenoptimierung steht hier nicht für nachhaltiges Wirtschaften, sondern für Gewinnmaximierung auf Kosten der Substanz. Übrigens, wenn Bosch stellen in der Forschung streicht, dann ist das nicht unbedingt ein Zeichen der Kurzsichtigkeit, oder gar Notlage. Es kann auch ein Zeichen der Konsolidierung in einem vorher mit Personal aufgeblasenen Bereich sein. Auch hier wird eine unternehmerische Fehlentscheidung korrigiert, indem man sie mit den äußeren Umständen erklärt. Und dann wird auch noch die Elektromobilität „von der Politik fallen gelassen“. Es ist alles so maßlos traurig! Die Streichung der Förderung, aus der Not geboren, war richtig, weil sie Fehlanreize gesetzt hatte. Die Breitenwirkung wurde massiv verfehlt. Die Oberklasse hat profitiert, die elektrischen „attraktiven Kleinwagen Modelle“ fehlen im Angebot. Der Ketzer könnte behaupten, E-Autos müssten doch billiger sein, wenn sie weniger Teile brauchen als Verbrenner. Ich bin aber kein Ketzer. Die E-Fahrzeuge sind teurer, weil die Batterien zu teuer sind, weil man deren Entwicklung und Produktion anderen überlassen hat. Auch so eine beratergetriebene Fehlentscheidung: Konzentration auf das Kerngeschäft.
Und da sind wir bei den „Ökonomen“ angelangt, die „diskutieren“, ob es auch ohne Industrie geht. In der Medizin sind Versuche an Menschen nur unter extremen Auflagen erlaubt. In der Ökonomie ist das anders. Da werden ganze Volkswirtschaften zu Versuchskaninchen. Das Ergebnis kann man in England und den USA bewundern. In beiden Ländern hängt mit dem Abwandern der Industrie unmittelbar der Aufstieg des Populismus zusammen. Ich verweise nochmal auf die weisen Worte von Frau Kirschbaum-Rumpf. Deren Sicht der Dinge hätte im Mittelpunkt des Artikels sehen müssen. Der Wettbewerb innerhalb der globalen Marktwirtschaft ist eisig. Wie schafft man in dieser frostigen Umgebung ein nachhaltiges, humanes System? Der Staat muss dafür die Voraussetzungen schaffen, die Wirtschaftsführer müssen machen, anstatt zu jammern. Dazu wünsche ich mir mehr Beiträge. Gene auch positive Beispiele wie es besser geht. Auch aus anderen Ländern. Wir schauen zu selten nach draußen, weil wir glauben alles besser zu wissen. Fail! Würde meine Tochter sagen.
Bernd Roos

Tausende von Arbeitsstellen sollen bei den Zuliefernden der Autoindustrie in den nächsten Jahren abgebaut werden. Da sollte es doch in vielen anderen Branchen ein großes Aufatmen geben; ebenso wie bei den Arbeitnehmern; denn täglich wird doch berichtet, wie schwer es in unserer gesamten Wirtschaft wiegt, dass es bei uns einen so großen Fachkräfte Mangel gibt. Dass Umschulung und Wohnortwechsel evtl.  große Hürden nach einer Entlassung sind, wird nicht verkannt, sollten aber in den meisten Fällen zu meistern sein.
Günther Kampf

Ich vermisse in dem Artikel Vorschläge zum konstruktiven Umgang mit der Situation. Bei uns im Raum Nürnberg/Fürth hat 2008 – nach Grundig und AEG – auch noch Quelle geschlossen. Das war ein Schock für die Region. Nach nur drei Jahren lag die Arbeitslosenquote unter der von 2007. Die meisten Menschen haben andere Beschäftigungen gefunden. Wir haben kein Problem mit Arbeitslosigkeit, sondern einen akuten Fachkräftemangel in gesellschaftlich relevanten Bereichen. Ich würde mir wünschen, dass mehr die Zukunft gestaltet statt nur dem Vergangenen hinterher getrauert wird. Womöglich ist diese Verzagtheit und Fantasielosigkeit die größte Gefahr für Deutschland.
Thomas Schwerdtner

 


 

Leserbriefe zu „Was bleibt für mich übrig?“ von Christian Endt, Mark Schieritz (Text), Paul Blickle und David Schach (Daten)

Bei diesen Rechnungen muss m. E. auch noch bedacht werden, dass die Sozialabzüge nicht komplett „weg“ sind. Die Rentenbeiträge tragen später zur Rente bei, während das Bürgergeld meines Wissens keine Rentenpunkte bringt.
Rolf Frerich

Das Diagramm suggeriert, dass Bürgergeldempfänger das Kindergeld behalten können. Tatsächlich zählt das Kindergeld bei den Bürgergeldempfängern als Einkommen und wird mit dem Bürgergeld verrechnet. D.h., dass Bürgergeld wird um den Betrag des Kindergeldes gekürzt.
Rüdiger Weigel

Die Grafik mit dem Sozialrechner ist informativ, auch wenn nicht alle Sozialleistungen berücksichtigt wurden, die man zum Bürgergeld als Zusatzleistungen erhalten kann. Aber auch ohne diese Zusatzleistungen stellt sich die Frage, was von einem System zu halten ist, bei dem man selbst mit einem Verdienst von 4.000 € brutto unterhalb der Zuwendungen beim Bürgergeld liegt und nur dann mehr zur Verfügung hat, wenn man sich mit ergänzenden Anträgen auf Sozialleistungen wie Wohngeld mit der Bürokratie herumschlägt. Es ist nachvollziehbar, dass manche, auch weniger Verdienende sich nicht gerne als solche „outen“ möchten, nur um beim Staat „betteln“ zu gehen, obwohl sie hart gearbeitet haben. Wenn sie trotz der Anreize zur Nichtarbeit durch Bürgergeld arbeiten gehen, ist dies vor allem die Haltung, für sich selbst sorgen zu wollen. Nicht nur den Paketträgern sei Dank.
Diethelm Schroeder

Es ist schon spannend, dass der einzige Anreiz dafür, den 3.000€-brutto-Job ihres Beispiels anzunehmen, darin besteht, dass man zusätzlich weitere Extra-Sozialleistungen erhält. Und natürlich kann man den Arbeitnehmer bei weiter steigendem Gehalt nicht unendlich weiter alimentieren, sonst wäre man in der Nähe des bedingungslosen Grundeinkommens. Von daher muss in diesem System irgendwann ein Punkt kommen, in dem es sich nicht mehr lohnt, mehr leisten und damit mehr zu verdienen. Aber solange es diesen Punkt gibt, ist irgendetwas grundlegend falsch im System.
Christian Voll

Um wie viel einfacher wäre der Sozialstaat, wenn es das bedingungslose Grundeinkommen gäbe. Jede Arbeit und jede Mehrarbeit würden sich lohnen. Der Steuersatz auf den Bruttoverdienst könnte so festgelegt werden, dass der Staat das Grundeinkommen für alle finanzieren kann.
Lothar Kiefer

Christian Endt und Mark Schieritz nehmen in ihrem Artikel über den neuen Bürgergeldrechner unter die Lupe, wo das Lohnabstandsgebot noch erfüllt ist und wo nicht. Doch wer von den Geringverdienern interessiert sich für eine säuberliche Auflistung aller ins Spiel kommenden Geldbeträge? Für viele dürfte es eher um die Frage gehen, wie viel sie für ein paar Stunden Arbeit in der Woche schwarz dazuverdienen können solange sie gleichzeitig Bürgergeld bekommen. Was sagen Arbeitsmarktforscher dazu? Und was wissen die Autoren des Artikels darüber?
Jean-Claude Will

 


 

Leserbriefe zu „Titel“ ZEIT Magazin allgemein

Was hat die ZEIT geritten, in der Ausgabe vom 22.02.2024 auf dem Cover des ZEITmagazins eine Palästinenserin im Kopftuch und mit Kufiya – stehend für „from the river to the sea“, was in Deutschland z.B. auf Demonstrationen als verbale Äußerung verboten ist, weil es das Existenzrecht Israels in Frage stellt – abbildet? Und dazu der Text der jungen Dame „Ich finde es nicht richtig, dass man sich nur auf den 7. Oktober fokussiert“. Ungeheuerlich und wie die Exil-Iranerin Monireh Kazemi auf X zurecht postet: Das ist ein wirklich böswilliges Cover. Das alles, nachdem in der Sonnenallee Baklava nach dem Angriff der Hamas am 07.10.2023 verteilt worden ist, an der FU in Berlin Auftritte von Kunstschaffenden seitens des pro-palästinensischen und links -grün versifften, woken Mobs niedergebrüllt worden sind und ein israelischer Student von einem arabischen Kommilitonen vor Kurzem krankenhausreif geschlagen worden ist. Die ZEIT sollte sich schämen, in der Art zum Chronisten der Ungeheuerlichkeit zu verkommen und Richtig und Falsch nicht mehr benennen zu können. Eine solche ZEIT brauche ich jedenfalls nicht und beim nächsten ähnlich gelagerten Lapsus kündige ich mein Abo.
Meinolf Wächter

Vielen Dank für das Interview mit unterschiedlichen Menschen palästinensischer Herkunft. Auf X wird das Titelbild hundertfach geteilt immer wieder mit dem Vorwurf, dass das ZEITmagazin antisemitische Inhalte teilt und dafür eine Plattform bietet. Ich finde, dass das Titelbild und auch das zweite Foto mit der Bildunterschrift dem Artikel überhaupt nicht gerecht wird. Es gibt so viele positive und auf Frieden ausgerichtete Zitate in diesem Interview, die für eine Bildunterschrift genommen hätten werden können. z.B. „Es gibt keine Legitimierung für ein Massaker.“ (Hassoun) Das ZEITmagazin trägt durch diese Titelbilder mit den reißerischen Bildunterschriften so zu Konflikten in Deutschland bei. Das ist sehr schade. Ich vermute mal, dass Herr Volker Beck ebenso wenig den Artikel gelesen hat, wie all die anderen Menschen auf X, die alle den kompletten Artikel verurteilen, so dass er sich veranlasst sah, aus dem Titelbild ein Bild von Hitler mit entsprechender Unterschrift zu machen. Ich finde das Medien auch einen gesellschaftlichen Auftrag haben, Konflikten verschiedener Gruppen entgegen zu wirken. Und das wäre so leicht gewesen mit diesem wirklich guten Interview. Vielleicht wäre es in diesem Fall möglich, die Bezahl -Schranke aufzuheben, um möglichst vielen Menschen die Möglichkeit zu geben, den Artikel auch zu lesen oder andere Zitate und Fotos des Artikels zu veröffentlichen. Ich als Bürgerin dieses Landes möchte einfach gerne wissen, wie Menschen aus diesen Gruppierungen denken. Ich habe jüdische Freunde aber Menschen mit palästinensischen Wurzeln kenne ich momentan nicht. Daher hat mir das Interview auch sehr gut gefallen.Vielen Dank dafür.
Nadja Széplábi

Das Titelbild mit dem Slogan der verschleierten Frau, die (den Hamas-Slogan) zitiert: „ich finde es nicht richtig, dass man sich nur auf den 7. Oktober fokussiert“, ist die schlimmste menschenverachtende Äußerung, die es jemals in der „Zeit“ auf eine Titelseite geschafft hat. Entsetzlich!
Elisabeth Mayer

ehrlich gesagt empfinde ich ihre zeitung mittlerweile als hässlich. diese einschätzung bezieht sich nicht etwa auf das design sondern den inhalt. seit wochen berichten sie aufreizend einseitig über den aktuellen nahostkonflikt und ziehen dabei alle register, um andersgelagerte einschätzungen mit gigantischen bleiwüsten einzukesseln, man könnte auch sagen, mundtot zu machen. selbst die internationale isolierung deutschlands durch u.a. nahmhafte köpfe hat sie nicht dazu bewogen, ihre meinung zu dem thema zu überdenken. und nun plötzlich eine kehrtwende auf ihrem magazintitel, wo genau das vorher von ihnen totgeschriebene argument, dass man nicht nur auf den 7. oktober fokussieren darf, der aufmacher ist? wtf?!! jetzt könnte man annehmen, dass sie am ende doch noch zur vernunft gekommen sind, aber aufgrund der tatsache, dass exakt dieser zeitliche ablauf der bericht- und kommentar-erstattung bereits in der jüngeren vergangenheit (z.b. coronapolitik) so abgespult wurde, legt die vermutung nahe, dass sie am ende der informations- und meinungs-verwertungskette einfach nur jede position journalistisch ausschlachten wollen, was, und damit schließt sich der kreis, einfach nur hässlich ist.
philipp stampe

Das aktuelle Titelbild des Zeit-Magazins ist in seiner schnoddrig-gedankenlosen Empathielosigkeit, die billige Provokation als aufklärerische Ausgeglichenheit verkauft, in meinen Augen ein ganz erbärmliches Stück Journalismus. Das erste Mal habe ich mich geschämt, dass wir die ZEIT abonniert haben.
Ekkehard Rüger

Wer so etwas auf eine Titelseite bringt, ist offen judenfeindlich. Wie kann das sein? Wieso geht das durch? – Ich bin immer wieder ein Kritiker des israelischen Staatsgebahrens gewesen, jedoch was hier im ZEIT-Magazin offen versteckt als Zitat aufgemacht wird, hätte ich nicht für möglich gehalten nach 1945. – So steht es auf einer Stufe mit Verharmlosung und Leugnung von KZs. – Gibt es nicht einen Presserat? Moralische Instanzen? Rügen? Kläger? – Für mich hat sich diese Wochenzeitung „ZEIT“ nun zu 1200% disqualifiziert.
Michael Rode

 


 

Leserbriefe zu „Ich bin ein überzeugter Nationalist“ Gespräch mit Subrahmanyam Jaishankar geführt von Jörg Lau und Anna Sauerbrey

Der indische Außenminister Jaishankar bezeichnet sich selbst als „überzeugten Nationalisten“ und das glaube ich ihm gerne, denn wie fast alle Nationalisten biegt er sich die Geschichte so zurecht, wie sie ihm passt, sonst würde er nämlich nicht behaupten, die Wurzeln des Nahostkonflikts (oder präziser: des israelisch-palästinensischen Konflikts) gingen auf das Jahr 1948 zurück, womit er natürlich die Staatsgründung Israels meint. Diese Wurzeln reichen mindestens bis in den Ersten Weltkrieg zurück.
Thomas Manthey

Der Auftritt, den die Organisatoren der Sicherheitskonferenz Indiens Außenminister Subrahmanyam Jaishankar zugedacht hatten, war sehr bemerkenswert. Sie hatten ihn für eine Podiumsdiskussion an der Seite von US-Außenminister Blinken eingeteilt. Die Moderatorin fragte nach, wieso Neu-Delhi meine, es könne seine Bündnisse und die in ihnen relevanten Belange einfach so frei wählen. So kaufe Neu-Delhi immer noch russisches Öl. Jaishankar, der wohl geahnt hatte, in welcher Absicht er auf derselben Bühne wie Blinken platziert worden war, bestätigte, Indien habe „vielerlei Optionen“ und fragte prompt zurück: „Warum sollte das ein Problem sein? Wenn ich klug bin, vielerlei Optionen zu haben, sollten Sie mich bewundern.“
Roderich Buhlheller

Was Herr Jaishankar nicht sagt: in der seinen Worten zufolge „zutiefst pluralistischen und demokratischen Gesellschaft“ Indiens sind Minderheiten wie zum Beispiel die der Christen Repressalien bis hin zur Verfolgung ausgesetzt.
Maria Burger

Haben sie vielen Dank für das aufschlussreiche Interview. Aus meiner Sichtweise hat ihnen Außenminister Jaishankar eine Lehrstunde in der neuen Weltordnung gegeben. Viele ihrer Fragen zeigen mir, dass sie selbst dort noch nicht angekommen sind und ja – sich auch damit schwertun. Der globale Norden insgesamt tut sich schwer mit dem Selbstbewusstsein des globalen Südens, aber wir bekommen die alte Weltordnung nicht zurück. Und das ist auch gut so. Hier empfehle ich das Buch von Parag Khanna „Unsere asiatische Zukunft“. Und mit Blick auf ihre letzte Frage und die absolut großartige Antwort des Ministers kann ich nur sagen: 1:0 für ihn.
Ute Szameitat

 


 

Leserbriefe zu „Anna Mayr entdeckt: Nützliche Nichtstuer“

Bis vor wenigen Jahren gehörte selbst ich zu den „Entscheidern“, wenn man diesen hochtrabenden Begriff auch auf einen Hausarzt in einer Landpraxis anwenden darf. D. h., entschieden haben gewöhnlich meine Mitarbeiterinnen, ich habe mich mit der Verantwortung begnügt! So haben wir uns gegen die Einstellung einer MfA-Azubine entschieden, was beschäftigungspolitisch falsch, inflationstechnisch offenbar richtig war. Mit dem eingesparten Gehalt konnte ich nun meinen Konsum bescheiden erweitern: ein paar Urlaubstage, ein Gläschen Crémant, eine Pizza quattro formaggi oder -stazioni mehr! Damit verstieß ich allerdings wieder gegen meine eigenen inflationssenkenden Bemühungen! Die Wirtschaft erscheint mir ohnehin wie ein mystisches Buch mit sieben Siegeln, dessen Text zu verstehen es offenbar mehrere „Weise“ braucht! Noch nie aber hat einer von ihnen beim Verkünden der Prognosen mit der berühmten Zusatzfloskel geendet: ich weiß, dass ich nichts weiß! Jeder Arbeitswillige sollte eine Tätigkeit, einen Beruf ausüben, der ein bisschen Leidenschaft in ihm weckt, nicht nur nach Geld! Wessen Leidenschaft eher am Bürgergeld hängt, sollte zeitweise zu einer Arbeit für die Gesellschaft, die ihn mit ihren Steuergeldern unterstützt, verpflichtet werden; die bisher nur unzureichend von zu Sozialarbeit Verknackten oder Ehrenämtlern geleistet wird – natürlich gegen angemessene Bezahlung.
So kann er das Aufbrechen einer weiteren gesellschaftlichen Kluft verhindern und zugleich zu einer mäßigen Ankurbelung des Konsums beitragen, ohne die Inflation gleich anzuheizen – damit etwa „Pralinenfabriken“ weiter ihre Köstlichkeiten produzieren können! Ihr Beispiel mit den 3000 geimpften Berliner Katzen und den Ratten habe ich leider nicht hinreichend durchschaut, obwohl meine Tochter neben zwei Kleinkindern fünf Katzen versorgt; meine Frau und ich zusätzlich 3-5 Asylkatzen in unserem Garten! Was geschieht, wenn sie alle Ratten gefressen haben? Unwahrscheinlich, aber denkbar! Werden sie dann nicht mehr geimpft? Kommen sie dann ins Tierheim, wo Kosten für Futter und Streu anfallen? Sie müssen entschuldigen, ich bin inzwischen im Trump-Alter, in dem man mit intellektuellen Funktionseinbußen der verbliebenen grauen Zellen rechnen muss!
Ulrich Pietsch

leider sind Pralinen ein ganz schlechtes Beispiel für sinkende oder wenigstens stabile Preise, wie man auf S. 26 ja nachlesen kann und was bei tagesschau24 genauso bestätigt wurde. Man kann deswegen eigentlich nur hoffen, dass die Arbeitslosenzahlen noch dramatisch ansteigen, damit Schokoladenprodukte endlich wieder billiger werden und nicht mehr für uns Schokojunkies gestreckt werden müssen.
Thomas Manthey

Wie herrlich komplexitätsreduzierend ist dieser Beitrag: Man nehme aus der Vielzahl volkswirtschaftlicher Kennzahlen eine eher weniger bedeutende hinaus und erkläre dem Finanzminister, dass er sich selbst widerspricht. Ich bin mir nicht sicher, ob das ernst gemeint ist oder der Erheiterung Ihrer Leser zu verstehen ist.
Jürgen Bergmann

In dem Artikel steht der Satz „Vielleicht erinnern Sie sich an Christian Lindner, der vor einigen Wochen versuchte, eine Horde Bauern zu besänftigen…“. Die Wortwahl der Frau Mayr ist unangemessen, beleidigend und bedarf einer Entschuldigung.

Hubertus Fehring

 


 

Leserbriefe zu „65-Stunden-Woche“ von Jana Gioia Baurmann und Johanna Schoener

Unfassbar: Schadet der Mangel nicht auch den Kindern, je kleiner sie sind, umso mehr?? Kinder kommen in der Diskussion über Vereinbarkeit von Familie/Beruf bei uns nicht vor! In unserer Gesellschaft nimmt man die Bedürfnisse der Kinder, vor allem der Kleinsten, nur wahr über Auffälligkeiten der Kinder, bezieht sie aber nicht auf das nicht kindgerechte Aufwachsen. Dabei weiß die Wissenschaft ziemlich genau, wie Kinderbetreuung aussehen müsste. Negiert die Wirtschaft auch komplett wesentliche wissenschaftliche Erkenntnisse auf ihrem Gebiet? „Der Staat“ kann es nicht richten, denn kompetente Erzieher*innen kann man nicht auf die Schnelle in ausreichender Zahl backen! Art 2.1 des GG sagt: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit…“ Kleine Kinder nicht? Diese müssen sich anpassen, spätestens vom 2. Lebensjahr an. Wie sollen daraus freie, kreative Bürger werden? Art.6.2: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht…“
Ein sozialistischer oder autoritärer Staat wird die Kinderbetreuung „soviel wie möglich “ an sich ziehen. – In einer Demokratie kann die Fremdbetreuung der Kinder, „so kurz wie möglich!“ nur familienbegleitend, nicht familienersetzend sein! Ich wünsche mir von der ZEIT einen Artikel (mit sozialpädiatrischer Beratung!), der die Situation des Kindes, vor allem des Krippenkindes, beschreibt. Von der Wirtschaft wünsche ich mir, dass sie sich mit Flickwerk nicht zufriedengibt, sondern familienfreundliche Bedingungen für Eltern kleiner Kinder schafft – auch die Möglichkeit, in Teilzeit Karriere zu machen für Mutter und Vater! Dass das geht – und den Betrieben gut tut – haben Studien gezeigt. “ Die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft erkennt man daran, was sie für ihre Kinder tut.“
Ursula Augener

Glücklich die Eltern, die ihre eigenen Eltern in der Nähe haben. In meiner Generation (60+) habe ich viele Bekannte, die sich um ihre Enkel kümmern, die das sehr gerne tun und dabei zum Teil weite Wege in Kauf nehmen. Wir hätten viele Probleme weniger, wenn wir nicht die Großfamilie abgeschafft hätten: zu große Wohnungen bei den Älteren, zu kleine Wohnungen bei den Familien, Einsamkeit, fehlendes Personal in den Kitas und Pflegeheimen, die Doppelbelastung der Mütter. Mir ist klar, dass man das nicht von heute auf morgen ändern kann, und es ist sicher auch nicht für jede Familie passend. Das Zusammenleben mit den (Schwieger-)Eltern kann auch für Spannungen sorgen. Aber man sollte vielleicht beim Planen von Neubauten Ideen miteinbeziehen, die generationenübergreifendes Wohnen ermöglichen. Das muss ja nicht unbedingt die eigene Familie sein. Außerdem sollten Arbeitnehmer ein Freistellungskonto bekommen für Kindererziehung. Wenn das nicht ausgenutzt wird, weil beispielsweise die Kinder in den ersten Jahren von der Oma betreut wurden, sollte die freie Zeit später umgewandelt werden können in Zeit für Pflege.
Roswitha Zeuner

Dem Artikel merkt man die Enttäuschung an, dass das in der Merkel-Ära gegebene Versprechen einer Rundumversorgung des Wahlvolks von der Wiege bis zur Bahre nicht gehalten wurde. Die Kinderbetreuung ist nur ein Beispiel, denn es fehlen überall Arbeitskräfte, in den Schulen, in der Pflege und in der Privatwirtschaft. Die Nulltarifmentalität, Mutter Staat wird es schon richten, gefährdet die Zukunftsfähigkeit Deutschlands. Weder die Klimatransformation noch das Ziel der Kriegstauglichkeit sind zu erreichen, wenn wir als Gesellschaft nicht bereit sind, mehr zu arbeiten. Wenn die Politik jetzt Rückgrat zeigte, wäre das ein starkes Zeichen.
Hans-Günther Vieweg

 


 

Leserbriefe zu „Der schönste Ort der Welt?“ von Lea Frehse und Hanno Rauterberg

Kunst und Kultur in Saudia-Arabien sind nicht frei. Sie sind Instrumente, um die Herrschaft zu stabilisieren. Auftragskunst und geduldete Kunst. Und Liebhaberei des unumschränkt Herrschenden. Sie sind auch Ausdruck von Herrschaft: Größe und Macht. Der Park ist eine Machtdemonstration, auch wenn sich die Natur letztendlich entfalten darf, wie sie möchte: Eine bis ins Weltall ausstrahlende gigantische Schöpfung in der Wüste, wie sie sonst niemand auf der Welt haben wird. Alles in hoher Qualität. Nur das Beste.  Optimale Voraussetzungen für den Architekten. Die objektiv sichtbare Bewegung in Saudi-Arabien ist sicherlich auch Ausdruck eines Veränderungswillens: Die Entwicklung von reiner Willkür zu einer paternalistischen Sorge um das Eigentum – das eigene Volk und das eigene Land. Dies erinnert an die Fuggerei oder an die Siedlung Adlershof von Alfred Krupp, der seine (moderne) Villa Hügel in einen großen ungeduldig errichteten Englischen Garten baute. Die ganze Bewegung erinnert an Konzepte aus dem Ende des 19. und dem Anfang des 20. Jahrhunderts: Die Gartenstadt von Ebenezer Howard, die Wohnmaschine von Le Corbusier (Unité d’Habitation, vertikale Stadt). Aufbruch. Es wächst in Saudi-Arabien der Schein von Liberalität und Weltoffenheit. Aber auch der Schein öffnet Räume und lässt Phantasie entstehen. Der Geist ist aus der Flasche.
Reinhard Koine

Da berichten Sie von der berauschenden wie gleichzeitig skurril-gigantomanen Erstellung des größten Parks der Welt, in Saudi-Arabien, in Riad. Sie schreiben über die Planung des ‚deutschen Architekten‘ und erzählen mit zugeneigten Worten von Eckard Gerber, von seinem Büro und den vielen Mitarbeitern, sogar vom Wüstensand an seiner Hose. Aber dass sein zentrales Büro in Dortmund liegt – das taucht auf einer ganzen Seite Text nicht auf – ein seltsam Ding oder präziser noch: welch Krampf! Käme Gerber aus einer der ‚Gott-wir-sind-so-toll‘-Hybris-Städte wie Hamburg, Berlin, München wäre deren Erwähnung sicherlich ausreichend kleidsam. Architekt Gerber kommt aus dem Ruhrgebiet, aus einer Region, die seit Jahrzehnten zunehmend erfolgreich versucht, den Strukturwandel von der Arbeitsregion zur Kultur-/Dienstleistungsmetropole zu bewerkstelligen. Und die es braucht, dass solche Erfolgsgeschichten wie die von Eckard Gerber auch mit Herkunftserwähnung an die nationale Öffentlichkeit gebracht werden: denn auch das wäre wieder ein Mosaikstein zu einer geänderten Blickweise auf das Ruhrrevier. Sehr schade, dass Sie das nicht sehen. Eigentlich haben wir (hier im Ruhrgebiet) jetzt unbedingt etwas gut bei Ihnen.
Martin Beilmann

Es hat mir große Freude bereitet ihrem Einblick in ein grandioses Projekt unter einem, zumal diktatorischen, Herrscher in der arabischen Welt zu folgen! Ganz besonders auch deshalb, weil in ihrem Artikel die Nebenwirkungen zwar nicht verschwiegen aber eben auch nicht der erhobene Zeigefinger der üblichen westlichen Sichtweise erhoben wird. Ganz im Gegenteil, es wird gezeigt, was möglich ist, wenn man nur wirklich will, welche Kräfte freigesetzt werden können. Und siehe da, die sonst so auf ihre Freiheit bedachten Künstlerinnen und Künstler kommen aus dem großartigen Westen zurück und sind es plötzlich leid, die immer gleichen unbeantwortbaren Fragen nach den universalen Menschenrechten von uns gestellt zu bekommen. Warum nur? Weil sie sehen, dass es eine Zukunftsvision gibt, dass man einer jungen Mehrheitsbevölkerung eine spannende (und das ist sie!) Zukunft verspricht. Da wird nicht im unerträglichen Gezänk verharrt und der Weltuntergang herbeigeredet, da zeigt sich plötzlich ein unerwartetes Gegenmodell zu unserer Lebensweise, dass am Ende sogar noch funktionieren kann. Es wäre uns zu wünschen, wir hätten auch nur einen Bruchteil dieser (fast scheint es aus unserer Sicht grundlos) optimistischen Zukunftshaltung. Wir brauchen endlich Politiker, die sich gegen alle Widerstände daran machen diese optimistische Haltung ihren Wählern zu präsentieren und sie tatsächlich in sicht- und spürbare Ergebnisse zu verwandeln. Nicht in der nächsten Wahlperiode, jetzt!
Thomas Harnisch

 


 

Leserbriefe zu „Ein geraubtes Leben“ von Pia Rauschenberger und Stella Schalamon

Ich möchte mich von Herzen für ihr Dossier bedanken. Es hat mich sehr berührt, meinen Bruder habe ich leider verloren, wie schön das es noch solche Geschichten gibt und ich empfinde nicht als Freude für diese 2 Brüder, die sich wieder gefunden haben. Es bleibt nach dem Lesen nichts als tränenreiche Liebe für dieses Schicksal in dieser oft so dunklen Zeit. Danke für dieses Stück, es bleibt in meiner Erinnerung, fest verschlossen.
Rene Kremer

Es war spannender als ein Krimi zu lesen – welch ein Schicksal der Brüder Miguel und Daniel Santucho, die sich letztendlich finden konnten – Gott sei Dank!! Für mich allerdings mit einem herben Gefühl der Traurigkeit verbunden: ich weiß, dass mein Vater bei seinen Einsätzen als Soldat im Zweiten Weltkrieg einen Sohn mit einer Sizilianerin und eine Tochter in Österreich gezeugt hat – beide etwas älter als ich (*1948). „Guido“ und „Siegrid“ werde ich wohl nie finden…
Karin Meyer-Jungclaussen

Wer dieses Dossier gelesen hat, weiß und vor allem fühlt, was Putin den Kindern antut, die er aus der Ukraine hat entführen lassen.
Rüdiger Weigel

 


 

Leserbriefe zu „Ich laufe gegen Mauern“. Gespräch mit Ulrike Malmendier geführt von Kolja Rudzio und Marc Widmann

Mein Brief ist etwas lang geworden, weil Sie grundsätzliche Fragen ansprechen, die nicht nur unterschiedliche Kulturen, sondern auch wirtschaftswissenschaftliche Fragen betreffen. Die Wirtschaftskrise ist von der Finanzkrise zu unterscheiden. Sie kann von einer Finanzkrise ausgelöst werden, wie im Jahre 2008 in den USA. Es war zu viel Wohnraum gebaut worden, für den es keine solventen Käufer gab. Die Banken hatten sehr viele faule Kredite gegeben. Mit anderen Worten: sie hatten sich verspekuliert. Das Finanzgeschäft ist von seiner Natur aus Spekulation: Die Bank gibt Geld in der Hoffnung auf mehr Geld. Der größte Teil des Geldes sind Einlagen von Privatpersonen (mehr als 90 %), die beim Konkurs nicht zurückgezahlt werden können. 2008 kam es zum Konkurs einer renommierten US-Bank. Um nicht noch weitere Banken krachen zu lassen, griff der Staat ein. Ohne Intervention des Staates hätte es eine Kettenreaktion von Bankenpleiten gegeben. Das ist die „reinigende“ Funktion von Krisen: „The survival of the fittest“ hatte Darwin das Prinzip des Kapitalismus genannt. Die Folge der Banken-Rettungsaktion sind Schulden des Staates, also der US-Amerikaner. Die Industrie investiert Geld in die Produktion und macht dank der Arbeitskräfte einen Gewinn, wenn ihr der Verkauf des Produktes gelingt. Jede Wirtschaftskrise ist eine Überproduktionskrise, weil im Kapitalismus erst der Markt entscheidet, ob zu viel produziert wurde. Sie eliminiert alle Unternehmen, die nicht auf dem technischen Stand sind oder zwingt sie zur weiteren Technisierung. Zugleich entlässt sie die überflüssig werdenden Arbeitskräfte und erzeugt Arbeitslosigkeit bei den Menschen.
Bei gleichem Stand der Technik kann nur durch Verlängerung der Arbeitszeit oder Verbilligung der Arbeitskraft ein höherer Preis erzielt werden. Das hat die Auslagerung vieler Industriezweige nach Asien bewiesen. Das zeigt bis heute auch die Europäische Union, weil die Arbeitskosten in Polen niedriger sind als in Deutschland, in Rumänien niedriger als in Polen. Subunternehmen holen sich Arbeitskräfte sogar aus Asien. Aber irgendwann ist das Verbilligen der Arbeitskraft bei gleicher Arbeitsleistung ausgereizt. Also gibt es einen immanenten Druck, Arbeitskraft durch Technik zu ersetzen, die Produktionssteigerung möglich macht und damit den Herstellungspreis senkt. Dann sinkt auch der Verkaufspreis, wie wir bei der Textilindustrie deutlich sehen. Aber es sinkt auch der Profit, weil weniger Arbeit gebraucht wird. Bei technisch hochwertigen Produkten wird durch Neuerungen künstlich der Preis erhöht. Apple mit seinen Smartphones, die in China produziert werden, ist dafür ein Beispiel. Der wichtigste Industriezweig in Deutschland ist die Autoindustrie. Auch da gibt es den Mode-Effekt (Porsche, Mercedes…) und die modischen Neuerungen, aber vor allem die Aufrüstung: jedes neue Modell ist grösser und leistungsstärker und kann teurer gemacht werden. Dieser Druck führt letztlich zur Roboterisierung der Produktion. Die vollautomatisierte Fabrik mit einem Überwachungsposten macht die Menschen in der Produktion (also die Menschheit) überflüssig. Am weitesten fortgeschritten ist die industrielle Landwirtschaft, wo der Mensch nur noch Überwachungsfunktionen hat.
In der deutschen Automobilindustrie sind wir noch nicht ganz so weit, aber massenhafte Entlassungen und Verlagerung in Billiglohn-Länder stehen an, weil zu viele Autos produziert werden. Das gilt weltweit und besonders in Deutschland. Weltweit bestimmten bis 2023 General Motors, Toyota, Volkswagen, Ford, Stellantis (Fiat, Chrysler, Opel, Peugeot, Citroën…), Renault-Nissan, Hyundai den Automobilmarkt. Ford kooperiert mit Stellantis. Auf den hinteren Plätzen 11 und 12 sind BMW und Daimler zu finden, davor hat sich inzwischen der chinesische Staatskonzern SAIC geschoben. 2009 hatte die Weltwirtschaftskrise zu einem Produktionsrückgang von 20 % in der Industrie, zu Arbeitslosigkeit und zu einer Hungerkrise geführt, die Revolten auslöste (Arabischer Frühling). Die Wirtschaftsleistung ging zurück, aber Konjunkturprogramme in gewaltiger Höhe sorgten dafür, dass die schlimmste Weltwirtschaftskrise seit fast einem Jahrhundert in den reichen Industriestaaten entschärft werden konnte. Die Staatsverschuldung wuchs von 64 % auf 80 % in Deutschland, 70 % auf 90 % im Durchschnitt der EU, 64 % auf 102 % in den USA, 169 % auf 226 % in Japan. Konflikte zwischen Staaten nahmen ebenso zu wie der Nationalismus (Brexit Großbritanniens…). https://de.wikipedia.org/wiki/Staatsverschuldung#Staatsverschuldung_in_Industrieländern
2019 war erneut eine wirtschaftliche Rezession mit noch schlimmeren Auswirkungen, weil die Covid19-Pandemie ausbrach und ihre Folgen nur mit massiver Schuldenaufnahme gemildert werden konnten. Deutschland als kreditwürdiger Staat bekam das Geld zinslos. Ende 2022 war das Schuldkonto Deutschlands mit 2,6 Billionen € wieder 66 % der Jahreseinnahmen, das der USA schon höher als das Bruttoinlandsprodukt eines Jahres: 137 %, und seitdem ist es trotz Wirtschaftswachstum weiter gestiegen und beträgt 34 Billionen US-Dollar (124 % eines Jahreshaushalts), so dass die Kreditwürdigkeit gesunken ist. Aktuell hat jeder US-Bürger rund 100 Tausend Dollar Schulden im Ausland. Hauptgläubiger der USA sind China, Japan und die Schweiz. Die Pandemie hat die ökonomische Krise von 2019 überlagert, jedoch nicht bereinigt, so dass Präsident Biden Ideen aus dem „Green new deal“ übernommen hat, um die Wirtschaft anzukurbeln. Der „Green new deal“ sollte Gesundheit, Bildung und gute Arbeitsplätze für alle schaffen, Minderheitenrechte schützen und Generationengerechtigkeit schaffen. Er proklamierte eine lebenswerte Zukunft. Sein Anspruch war eine soziale und ökologische Transformation. https://www.boell.de/de/2020/03/17/zur-entstehungsgeschichte-des-green-new-deal-revival-eines-begriffs. Ähnlich wie Präsident Roosevelt nach der Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre wollte Biden durch Schuldenmachen neue Impulse setzen, was ihm auch gelungen ist, die Wirtschaftskrise scheint endlich überwunden. Aber er hat das Konzept, die Vision nicht übernommen, sondern nur Elemente daraus. Er hat die gesellschaftliche Spaltung und Fragmentierung nicht aufhalten können und wurde durch die Republikaner bekämpft und so behindert, dass er nicht einmal mehr den vergleichsweise geringen Betrag für die Unterstützung der Ukraine aufbringen konnte. Trump hat wie alle Faschisten ein Programm und kann den Pöbel auf die Straßen schicken.
Ein ähnliches Schicksal erleidet die Grüne Partei in Deutschland, weil die bürgerliche Opposition von CDU/CSU und FDP mit allen Mitteln gegen eine grüne Vision kämpft, obwohl die „Grünen“ sie gar nicht mehr vertreten. Dabei haben die bürgerlichen Parteien das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, denn der grüne Wirtschaftsminister hätte der Automobilindustrie geholfen, die Krise zu überstehen. Sie hat gegen die chinesische Konkurrenz keine Chance, weil sie Luxusartikel, aber keine preiswerten Autos herstellt. Deswegen war die Kaufprämie notwendig. Es wird sich zeigen, ob auf dem deutschen Markt VW, Daimler und BMW weiterhin Automobile herstellen werden. Der Konzentrationsprozess hin zu Monopolen schreitet voran. Daran ändern auch Start-ups nichts. In einer solchen Situation Investitionen in Startups zu propagieren, wo das Geld fehlt, Weltmarktführern aus der Not zu helfen, ist kein probates Mittel für staatliche Intervention. Es gäbe hoffentlich in Deutschland einen Aufschrei, wenn Versicherungen oder Pensionskassen ihr Geld verspekulieren. Die US-amerikanische Kapitalmarkt-Kultur ist brutaler Wildwest. Natürlich gibt es überlebende Gewinner, aber von den vielen Gescheiterten spricht man nicht. Der Österreicher René Benko hat diese Glamourwelt imitiert. Ich bin als junger Mann auch auf einen solchen Star hereingefallen und habe meine Aktien beliehen, um mehr Geld riskieren zu können. Jungen Menschen zu suggerieren, es gäbe immer Wachstum, ist unverzeihlich. Aber die meisten Wissenschaftler haben kein historisches Gedächtnis. Sie haben schon wieder vergessen, dass vor kurzem noch (2008) die US-Finanzwelt vor dem Abgrund stand und dass die Krise jahrelang Negativzinsen zur Folge hatte.
Die Krise gehört zum Kapitalismus ebenso wie die Verlierer, nur die Gewinner zu sehen ist auf einem Auge Blindheit. Bei der Finanzkrise 2008 waren sehr viele kleine Leute Opfer der US-amerikanischen Risikobereitschaft, „Geld in Industrien zu stecken, ohne sich groß mit Regularien aufzuhalten“ (Ulrike Malmendier im ZEIT-Interview 22.2.2024), weil sie ihr Haus verloren haben. Warum? Weil auch die privaten Haushalte überproportional verschuldet sind und die Versicherungen ihnen trotzdem Geld für den Hauskauf aufgeschwatzt haben. Es gehört zum „american way of life“ des weißen Einwanderers, dass er sich „schieflacht“ (aaO) über den Looser. Dort kann ein Trickser mit schmutziger Weste Präsident werden, denn der Erfolg gibt ihm recht und heiligt die Mittel.
Gerd Stange

Im Interview mit Ulrike Malmendier wird in Ihren Fragen sowie in den Antworten Wirtschaftswachstum als notwendig und erstrebenswert dargestellt. Auch die Zeit sollte jedoch in Zeiten gravierender ökologischer Krisen hinterfragen, wofür die Wirtschaft eigentlich genau wachsen muss, welche ökologischen Schäden mit Wirtschaftswachstum verbunden sind (jede wirtschaftliche Aktivität verbraucht natürliche Ressourcen) und welche Alternativen es zum blinden Streben nach Wirtschaftswachstum gibt.
Peter Pütz

Wenn man es nur oft genug wiederholt, wird es trotzdem nicht wahrer. Der Aktienfonds der Rente in Schweden ist nur ein kleiner Teil des dortigen Systems und wie schon einmal in der ZEIT berichtet, sieht die Leiterin des Fonds diesen nicht als entscheidend an. Zudem zahlen in Schweden ALLE in das Rentensystem ein (wie in den USA). Schade, daß selbst gestandene Zeit-Interviewer auf diesen fundamentalen Unterschied zum deutschen System nicht hinweisen können. Ansonsten fragt man sich, was Frau Malmendier zur Wirtschaftsweisen macht. Ihre „Rezepte“ sind Allgemeinplätze, die man in jedem Wirtschaftsteil einer Zeitung liest.
Wolfgang Michel

 


 

Leserbriefe zu „War doch nicht so gemeint“ von Alard von Kittlitz im ZEIT Magazin

Kompliment für diesen Artikel! Ich habe mich selbst schon oft über derlei Pseudo-Empathie-Marketing geärgert, wusste aber nie so genau, warum eigentlich. Sie haben es sehr gut auf den Punkt gebracht: Über ein ‚Seien Sie nicht so faul.‘ kann man schmunzeln und nimmt die Treppe. Man fühlt sich sofort nett aufgenommen in die Community der Faulpelze. Das übergriffige ‚Fürsorge-BlaBla‘ treibt einen in die Abgrenzung und ist in meinen Augen damit sogar gemeinschaftsvernichtend.
Matthias Reuper

Ich fühlte mich schon lange Zeit schlecht, war ich doch genauso angewidert von diesen menschenverachtenden Marketingfloskeln. Endlich weiß ich, ich bin nicht allein mit meiner Ablehnung, und ich bin dankbar, dass der Autor das Thema öffentlich anprangert. „Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag“ einer verständlicherweise genervten Supermarktkassiererin ist noch harmlos verglichen mit dem überall angewandten Statement „Wir wollen Dir ein besonderes Benutzererlebnis bieten“, gefolgt von einem beliebigen Halbsatz in deutscher Sprache, der undeutscher nicht sein kann, weil er meist holprig und uninspiriert aus dem (wahrscheinlich) Amerikanischen übersetzt wurde – und zwar nicht von einem mitfühlenden Menschen, sondern von einem kaltherzigen, KI-gefütterten Computer. Allein schon das „Du“ geht mir dabei gegen den Strich, eben weil ich weiß oder zumindest vermute, dass der Absender der Botschaft einen Dreck auf mein persönliches Wohlbefinden gibt. Wenn dem nicht so wäre, dann hätte er sich sicherlich die Mühe gemacht, mich persönlicher und in der Tat mitfühlender anzusprechen. Chance vertan – HAVE A NICE DAY – der verbal ausgestreckte Mittelfinger tut wieder seinen Dienst!
Michael Weineck

vielen Dank für Ihren Artikel „War doch nicht so gemeint“ im ZEITmagazin Nr. 09 vom 22.02.2024. Ich teile Ihre Schilderungen voll und ganz: Gipfel eigener Erfahrung ist ein Tarifwechsel der Stadtwerke Potsdam aus 2022. Aus Überzeugung beziehe ich seit mehr als 10 Jahren zu 100% Ökostrom (damals „Ökostrom fix 24“). Der neue Ökostromtarif wurde mit „EWP-PotsdamLiebe“ benannt. Ich empfinde diese Tarifbezeichnung bis heute als einen Frevel an einem tief emotionalen Begriff, und das bei gleichzeitiger Preissteigerung um 60% (von 28,26 €/kWh auf 45,16 kWh), sei sie begründet oder nicht.
Jürgen Klemisch

 


 

Leserbriefe zu „Eine neue Mathematik“ von Christoph Drösser

Ein paar philosophische Anmerkungen zu Ihrem Artikel: Es gibt unendlich viele Primzahlen oder Es gibt nicht eine größte Primzahl. EUCLID’s Beweis: angenommen es gäbe nur die ersten 5 oder 6 Primzahlen (2  3  5  7  11) + 1 = 2311 ist Primzahl (2  3  5  7  11  13) + 1 = 30031 = 59  509 ,  59 und 509 sind Primzahlen . Man denke sich eine Zahl mit Billionen aber Billionen Dezimalstellen. – Diese Zahl aufzuschreiben, stößt an Grenzen der Lebenszeit. – Zu entscheiden, ob diese Zahl Primzahl ist, stösst an Grenzen des Machbaren. Was meint: Es existieren beliebig große Primzahlen? – Existieren sie in den Köpfen von Menschen als Objekte? – Existieren sie als gedankliche Prozesse in unseren Köpfen? – Existieren sie in den Köpfen von Schimpansen oder Antilopen? – Existieren sie in einer Platonischen Welt, Heimat mathematischer Konstrukte? Noch schlechter sieht’s bei RAMSEY-Zahlen aus: R(3,3) = 6, R(4,4) = 18, R(7,7) = ? Obwohl deren Existenz per Induktion gesichert ist, stößt man bei deren Berechnung an Grenzen der Kombinatorischen Explosion. Macht man als Mathematiker Aussagen über mächtige endliche Mengen, gerät man in Schwierigkeiten. Macht man als Mathematiker Aussagen über unendliche Mengen, gerät man in ernste Schwierigkeiten. Vielleicht müssen Mathematiker dem Projekt Lean so viele Code Zeilen hinzufügen, dass sie das Interesse daran verlieren.
K.Miltenberger

Wir sind ein Team von Wissenschaftler:innen, die an der Technischen Universität München arbeiten und seit vielen Jahren, teilweise seit Jahrzehnten, auf dem Gebiet Proof-Assistenten und Theorembeweiser forschen. Zu dem Artikel „Eine neue Mathematik“, der in DIE ZEIT Nr. 9/2024 erschienen ist, möchten wir gerne Stellung nehmen. Wir freuen uns sehr, dass DIE ZEIT über mathematische Themen berichtet, müssen aber folgende Punkte richtigstellen:
1) Verzerrte Darstellung der Geschichte von Proof-Assistenten: Der Artikel suggeriert, dass Proof-Assistenten wie Lean erst in jüngster Zeit als neue Technologie entstanden sind und hauptsächlich in den USA entwickelt wurden. Diese Darstellung ist irreführend. Tatsächlich gibt es eine Vielzahl an aktiven Proof-Assistenten, die seit Jahrzehnten in Europa entwickelt wurden. Ein prominentes Beispiel ist Isabelle, ein leistungsfähiger Proof-Assistent, der in der Forschung und Lehre weit verbreitet ist und seit 30 Jahren u. a. in Cambridge und München entwickelt wird. Ein anderes prominentes Beispiel ist Coq, ein Proof-Assistent von französischen Universitäten und Forschungseinrichtungen. Es wäre fairer, diese langjährige Tradition zu erwähnen und nicht den Eindruck zu erwecken, dass Proof-Assistenten eine neue, rein amerikanische Innovation sind.
2) Lean vs. andere Theorembeweiser: In dem Artikel wird Lean als der einzige „sinnvolle“ Proof-Assistent dargestellt. Dies ist nicht richtig. Die Community dokumentiert 100 wichtige Probleme in der Mathematik (https://www.cs.ru.nl/~freek/100/), die in verschiedenen Proof-Assistenten zu lösen sind. Tatsächlich wird hier Isabelle mit 89 gelösten Problemen als führender Proof-Assistent aufgeführt, während Lean mit nur 76 gelösten Problemen an vierter Stelle liegt. Schon 2014 wurde der Beweis zur Keplerschen Vermutung mit Isabelle formalisiert und verifiziert (https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/keplersche-vermutung-mathematiker-beweist-kugelstapel-theorie-a-986851.html). Es wäre angebracht, diese Vielseitigkeit anderer Proof-Assistenten anzuerkennen und sich nicht nur auf Lean zu konzentrieren.
3) KI-Forscher und Isabelle: Der Artikel vermittelt den falschen Eindruck, dass der zitierte Wissenschaftler Christian Szegedy an KI für Lean arbeitet. Tatsächlich basieren Szegedys neueste Arbeiten (https://arxiv.org/abs/2303.04488, https://arxiv.org/abs/2205.12615) auf KI-Ansätzen für Isabelle und nicht für Lean. Wir bitten um Richtigstellung.
Insgesamt halten wir es für wichtig, dass DIE ZEIT ihre Leser:innen umfassend und korrekt informiert und dabei die Vielfalt der mathematischen Forschungsmethoden berücksichtigt. Wir hoffen, dass diese Aspekte in zukünftigen Artikeln ausgewogener beleuchtet werden. Wenn Sie weitere Fragen bezüglich Isabelle oder anderen Proof-Assistenten haben, stehen wir Ihnen gerne für Rückfragen bereit.
Die Mitarbeitenden des Lehrstuhls für Logik und Verifikation der TUM

 


 

Leserbriefe zu „Das bisschen Kiffen“ von Michael Allmaier

Wie kann eine Mutter ihr Kind rausschmeißen, weil es kifft? Es ist ja nicht so, als würde er sich was spritzen oder ähnliches. Eine Mutter sollte immer für ihr Kind da sein, gerade wenn es noch nicht volljährig ist. Soll die Obdachlosigkeit des Kindes etwa das „Drogenproblem“ lösen? Das reitet ihn nur noch mehr in schlechte Milieus rein.
Constanze Winter

Da musste ich sofort an den Schlagertitel „Das bisschen Haushalt…sagt mein Mann“ gesungen von der Schauspielerin, Sängerin und Schriftstellerin Johanna von Koczian (1933-2024), denken.   Einige Zeilen davon habe ich etwas umgedichtet:
Das bisschen Kiffen geht von ganz allein, das bisschen Kiffen kann so schlimm nicht sein, das bisschen Kiffen ist doch halb so wild, das bisschen Kiffen ist doch kein Problem, das bisschen Kiffen, oh, wie wohl das tut, das bisschen Kiffen ist für den Kreislauf gut.   Der Originaltext heißt es:   Das bisschen Haushalt macht sich von allein, das bisschen Haushalt kann so schlimm nicht sein, das bisschen Kochen ist doch halb so wild, das bisschen Wäsche ist doch kein Problem, das bisschen Garten, oh, wie wohl das tut, das Rasenschneiden ist für den Kreislauf gut.   (Songwriter: Henry Mayer & Hans Bradtke)
Klaus P. Jaworek

 


 

Leserbriefe zu „Wer blockt hier wen?“ von Mark Schieritz

Ohne den Gesamtkontext herzustellen, wird in diesem Artikel der vermeintliche Grund für die Bezahlkarte „die Verhinderung von Überweisungen und Heimatland“ genannt. Hier hätte unbedingt erwähnt werden müssen, dass es keinerlei Datenlage zum Umfang von Rücküberweisungen gibt – aber es wird noch besser: Es gibt nicht mal Schätzungen! Hier wird also – ohne faktische Grundlage – erneut das gefühlte Hauptargument für diese Bezahlkarte wiederholt, das bisher überhaupt keiner Prüfung unterlegen hat.
Stephanie König

«Nun streitet die Ampel auch noch über die Einführung einer Bezahlkarte für Flüchtlinge.» Solche Schwierigkeiten beim Entscheiden wecken Erinnerungen an folgende Story: Ein Bauer bekommt Besuch von seinem Bruder, einem Politiker. Der Bauer hat viel zu tun und so bietet der Politiker Hilfe an. Der Bauer zeigt ihm einen Haufen Kartoffeln und bittet den Politiker den Haufen auf zwei Behälter zu verteilen, die kleinen Kartoffeln in den linken, die großen in den rechten. Nach einer Stunde kommt der Bauer vorbei und findet den Politiker vor dem Haufen sitzen, mit einer Kartoffel mittlerer Größe in der Hand. Er kann sich nicht entscheiden, wo die hingehört. Noch schwieriger wäre die Entscheidungssuche, wenn nicht einer, sondern mehrere Politiker zu Besuch kämen und sie gemeinsam entscheiden müssten. Nochmals schwieriger wäre es, wenn zwar alle vom Sinn der Aufgabe überzeugt wären, aber unterschiedliche Interessen bezüglich der Größe der beiden Haufen hätten. Probleme sind einfach zu lösen, wenn es eindeutige Argumente gibt. Etwa wenn eine Wiese abrupt an einem Abgrund endet, ist klar, wo der Zaun stehen muss. Anders ist es, wenn die Wiese in einem runden Bogen immer steiler in den Abgrund übergeht und man eine möglichst große Fläche einzäunen will. Da gibt’s dann einen Zielkonflikt zwischen den Zielen Sicherheit und Profit.
Ähnlich ist es beim Problem der Migration. Die Schwierigkeit beruht auf dem ungelösten Zielkonflikt zwischen den Menschenrechten auf Lebensunterhalt und dem Menschenrecht auf Eigentum. Wo da die Abgrenzung gezogen werden muss – im Interesse eines übergeordneten Ziels – ist nicht klar. Dazu kommt, dass sich die Umstände ändern können. Im Extremfall bedeutet eine fehlende Obergrenze beim Asylrecht eine fehlende Grenze für den Schutz des Eigentums. Im frühen Mittelalter war die Sache klar. Der Schutz des Eigentums hatte Vorrang, sonst lohnte es sich nicht, Felder zu bestellen und Handelsrouten zu befahren. Darum galt «um eines Strickes wert». Wer etwas klaute, was mehr wert war als ein Strick, dem drohte die Bekanntschaft mit dem Strick. Heute wäre so etwas absurd. Allerdings auch heute noch müssen Entscheidungen getroffen werden. Diese müssen entweder autoritär erfolgen oder in internen Beratungen, die ebenfalls autoritär durchgesetzt werden müssen. Das Problem ist, dass etwa bei der Migration sich die Situation seit der Deklaration der Menschenrechte geändert hat und frühere Gesichtspunkte – auch humane – anzupassen sind. Tragfähige Lösungen für den genannten Zielkonflikt innerhalb der Menschenrechte sind unabdingbar.
Hier wäre die Antwort der Wissenschaft gefordert. Eine Methode beim Einfordern einer solchen, könnte sein: Verweisen auf die Folgen ungebremster Entwicklungen. Dazu ein Beispiel aus dem Bereich der Demographie, illustriert durch den Vergleich der demographischen Entwicklungen in Italien (Teil des globalen Westens) und im Gazastreifen (Teil des globalen Südens) anhand aktueller Zahlen. Die Zahlen von Italien werden hier verwendet, weil erst kürzlich in den Nachrichten vermeldet wurde, dass dort die Geburtenrate auf 1.25 gesunken ist. Italien hat 59 Millionen Einwohner. Der Gazastreifen hat 2 Millionen Einwohner und die Geburtenrate 3.5. Beim Fortsetzen der Entwicklung hätte der Gazastreifen nach einer, zwei, drei bzw. vier Generationen Einwohnerzahlen von 3.5, 6.1, 10.7 bzw. 18.8 Millionen. Italien hätte hingegen nach einer, zwei, drei bzw. vier Generationen Einwohnerzahlen von 36.9, 23.0, 14.4 bzw. 9.0 Millionen. Nach vier Generationen gäbe es somit im Gazastreifen mehr als doppelt so viele Einwohner wie in Italien. Vier Generationen sind überschaubar. Entwicklungen wie die genannte können nicht lange fortgesetzt werden. Daher müssen Wege gesucht werden für einen humanen Ausstieg aus dem exponentiellen Wachstum von Konsum und Kopfzahl und für ein faires Verteilen der entsprechenden Verantwortung zwischen den Staaten des globalen Südens und des globalen Westens.
Gernot Gwehenberger

 


 

Leserbriefe zu „Warum ist das so teuer geworden?“ von Marlen Seidel

Auffällig sind die genannten Gründe steigender Preise bei den erwähnten importierten Lebensmitteln, trotz allgemein sinkender Inflation: Zerstörte Ernten infolge Extremwetterereignissen (z.B. sehr starke Regenfälle, Dürren). Deren Ursache dürfte der Klimawandel sein. Dieses wichtige Thema ist zurzeit weitestgehend aus den Medien verschwunden. Klimawandel-bedingte Teuerung beliebter Lebensmittel deutlich zu machen, ist deshalb auch ein wichtiger Ansatz zur Schärfung des Bewusstseins. Denn unzureichende Maßnahmen gegen den fortschreitenden Klimawandel werden uns zunehmend teuer zu stehen kommen. Auf vielen Ebenen.
Reiner Gorning

Hoffentlich haben es nun alle verstanden: Der Klimawandel bedroht unsere Lebensform direkt. Wenn es in Südeuropa bald keine Landwirtschaft mehr gibt, dann gibt es auch bald keine billigen Erdbeeren mehr zu Weihnachten für „den deutschen Verbraucher“! Das wird erst zu einem Aufschrei führen und dann hoffentlich zu einem Umdenken.
Bernhard Seilz

 


 

Leserbriefe zu „Moskau im Emsland“ von Jonas Waak

Das stimmt nicht! Das russische Gas hat einen höheren Brennwert. Deshalb muss man bei Umstellung auf dieses Gas am Heizkessel den Brenner wechseln oder den Heizkessel (wie es meinem Bruder passierte), weil es für ältere Kessel keine Teile mehr gibt.
Michael Klehr

Bereits 2014 wurde beschlossen, die Atomkraftwerke umzurüsten, so dass Brennelemente des US-Herstellers Westinghouse verwendet werden können. Mit der Notwendigkeit, möglichst unabhängig zu sein und Liefereng-pässe zu vermeiden, ging die Europäische Union 2014 die Strategie für eine sichere europäische Energieversorgung an. Mit der Ukraine, Bulgarien und auch Tschechien setzen bereits Länder in Osteuropa auf Westinghouse als zusätzlichen Kernbrennstofflieferanten für ihre Reaktoren russischer Bauart. Das staatlich kontrollierte tschechische Energieversorgungsunternehmen wird den Brennstoff für das Kernkraftwerk Temelín ab 2024 für rund 15 Jahre von Westinghouse und dem französischen Framatome beziehen. Beide Unternehmen haben eine Ausschreibung gewonnen, die notwendig wurde, weil der Vertrag mit der bisherigen russischen Brennstoffherstellerin Tvel JSC plangemäß Ende 2023 ausgelaufen ist. Westinghouse unterschrieb eine langfristige Vereinbarung mit dem slowakischen Energieversorgungsunternehmen, die VVER-440 Brennelemente für ihre Kernkraftwerke Mochovce und Jaslovske Bohunice zu lizenzieren und zu liefern. Auch Bulgarien wird den Brennstoff für das Kernkraftwerk Kosloduj wechseln von seinem vorherigen russischen Lieferanten TVEL (100%-ge Tochterfirma Rosatoms), zu U.S. Westinghouse und französischem Framatome  für die VVER-1000 Reaktoren. Westinghouse besitzt eine Kernbrennstoff-Fabrik in Västeras, Schweden, die Kernbrennstoff für osteuropäische Länder lieferte, außerdem auch in Springfields, Großbritannien und kooperiert mit dem Enusa-Werk in Juzbado, Spanien. Der kanadische Konzern Cameco ist in der westlichen Welt der mit Abstand größte Produzent von Uran. Cameco Corp. sagte, dass die Firma einem 49%-Anteil an Westinghouse Electric für $7,9 Mrd. erworben hat. Brookfield Renewable Partners haben die restlichen 51%.
Igor Fodor

 


 

Leserbriefe zu „Porsche baut jetzt Kitas“ aufgezeichnet von Jana Gioia Baurmann und Johanna Schoener

Mit Interesse habe ich ihren Artikel „Porsche baut jetzt Kitas“ in Zeit Nr 9 gelesen. Das, was sie schildern, ist beängstigend und sorgt mich. Andererseits frage ich mich, ist das ein westdeutsches Problem? In ihrer Darstellung kommen ja leider nur Unternehmen aus dem Westen der Republik zur Sprache. Es ist für mich leider nicht ersichtlich, ob es in Gesamtdeutschland so aussieht oder ob der Osten hier (noch?) sogar besser dasteht? Ich will damit sagen, dass ich auch gern ein Statement einer Firma aus den neuen Bundesländern gelesen hätte (Porsche Zuffenhausen— wie sieht es bei Porsche in Leipzig aus?).
Marcus Rönitz

Ich halte es für maximal peinlich, dass ausgerechnet diejenigen, die stets laut Eigenverantwortung fordern, beim Thema Kinderbetreuung laut nach mehr Staat rufen. Die Vertreter deutscher Konzerne täten gut daran sich schleunigst an Vorreitern wie Porsche zu orientieren, um so das knapper werdende Personal an sich zu binden. Aufgabe des Arbeitgeberpräsidenten wäre es, sie dazu zu ermutigen, anstatt zu polemisieren.
Maximilian Philipp

 


 

Leserbriefe zu „Was mache ich denn da?“ von Cathrin Gilbert und Peter Kümmel

Matthias Brandt hat eigentlich ständig seine große Angst immer mit dabei, überhaupt dann, wenn er gleich rauf auf die Bühne gehen müsste! Vielleicht ist das für einen Schauspieler gar nicht mal so ungewöhnlich; alleine ist damit bestimmt nicht! Dieses Gespräch zwischen Cathrin Gilbert und Peter Kümmel mit Matthias Brandt „Was mache ich denn da? Wäre es nicht Zeit umzukehren?“, das habe ich sehr gerne gelesen und genossen, und nicht nur, weil auch ein Satz von Frank Kafka (3.7.1883 – 3.6.1924) vorkam. „Jeder, der alle Tassen im Schrank hat, ist doch zerfressen von Selbstzweifeln. Die Irren, die richtig Gefährlichen – das sind die, die glauben, das sie gut sind.“ Dieses Zitat klingt zwar auch etwas nach Franz Kafka, ist jedoch von Matthias Brandt!
Klaus P. Jaworek

ich weiß nicht, warum ein so guter Schauspieler wie Matthias Brandt ausgerechnet in einer Schmierenkomödie den Hanswurst Höcke verkörpern sollte, aber falls es doch dazu kommen sollte, dann möchte ich ihn beim Kniefall vor dem Holocaust-Mahnmal sehen.
Thomas Manthey

 


 

Leserbriefe zu „Der Weg zur Bombe“ von Dirk Eidemüller

Im oben genannten Artikel ist ein Fehler zu korrigieren. U-235 kommt in reinem Uran zu 0.7% vor. Nicht in Uranerz. Da sind es sehr viele Größenordnungen weniger.
Martin Altebockwinkel

Was ist denn in die Zeit Redaktion gefahren? Wozu ein Artikel Der Weg zur Bombe mit dem Untertitel Europa denkt über neue Nuklearwaffen nach. Wie schwierig wäre es welche zu bauen? Krisen löste man durch Deeskalation, in dem man versucht die Gegenseite zu verstehen, statt sie zu dämonisieren, das heißt nicht, dass man deren Sicht gut finden muss. Lesenswert fand ich in der letzten Ausgabe das Interview mit dem indischen Außenminister und im ZEITmagazin die Interviews mit Deutsch-Palästinensern, doch die aggressive Polarisierung und Kriegspropaganda stößt mich ab, sie gefährdet unsere Zukunft und die der nächsten Generationen.
Thomas Möller

 


 

Leserbrief zu „Ich hatte Talent“ von Andrea Petkovic

Ich war sehr gespannt, als ich erfuhr, dass Andrea Petkovic als alternierende Kolumnistin für die ZEIT schreiben würde. Ich hatte sie mehrfach in Talkshows gesehen und war von ihrer Kultiviertheit und Eloquenz sehr beeindruckt. Tatsächlich hat sie auch einige geistreiche und originelle Kolumnen verfasst und hat damit meine Erwartungen erfüllt. Was mich jedoch stört, ist die immer wieder auftauchende Umkreisung um das ehemalige Ich als Tennis-Profi. Eine Kolumne ist nicht der Ort für persönliche Vergangenheitsbewältigung, davon abgesehen: Andrea, mich interessiert nicht wer Du warst, sondern vielmehr, wer Du sein wirst. Also bleibe ich weiterhin gespannt.
Alexander Mueller

 


 

Leserbrief zu „Verblüffend frei“ von Alexander Cammann

Vielen herzlichen Dank für den würdevollen Beitrag zum Tod von Jan Assmann. Ein wirklich großer Kulturwissenschaftler ist leider von uns gegangen. Einzig etwas an dem schönen Beitrag vom 22. Februar sollte ergänzt bzw. berichtigt werden: Das „Zauberwort“ „kulturelles Gedächtnis“ ist keine reine Neuerfindung Assmanns, wie der Beitrag suggeriert, sondern geht auf den französischen Soziologen und Schüler Émile Durkheims, Maurice Halbwachs, und dessen Begriff des „kollektiven Gedächtnisses“ zurück. Sein Theorem des „kollektiven Gedächtnisses“ und dessen Idee einer Konstruktion von Erinnerung blieb ebenfalls in den Diskursen nach der „Wende“ weiterhin aktuell.
Stephan Moebius

 


 

Leserbrief zu „Teurer Freund“ von Friedericke Gräff

Sie sprechen mir aus der Seele. Ist Gesundheit inzwischen ein Luxusgut und vor allem eine Ware, für Mensch und Tier, weiß der Patient/Halter zudem nicht, ob eine medizinische Behandlung notwendig ist oder wirtschaftlich orientiert, der Konsolidierung der vorgenommen Investitionen des Praxisbetreibers, dient.  Besonders gilt dies für Zahnärzte, deren Kunst zumeist in teurem Zahnersatz jedweder Art besteht, von Heilen ist hier wenig die Rede. Niemand soll für zu wenig oder umsonst arbeiten, aber diese Art der Geschäftemacherei ist einfach übel und ein Aspekt des Turbokapitalismus. Mizzis Erfahrungen mit Tierärzten in HH in den vergangenen 3 Monaten, erfüllen häufig den Tatbestand der legalen Quälerei seitens der Veterinäre. Die derzeit überall angepriesenen Tierversicherungen sehe ich kritisch, weil so nicht nur die Kosten weiter in die Höhe getrieben werden, sondern auch der Anreiz für Überversorgung. Salopp: Ausdehnung der Geschäftemacherei
Claudia Schulze

 


 

Leserbrief zu „Der Angriff“ von Andrea Jeska und Olivia Kortas

“ Der Artikel vom 22.4.1024 verstärkt meinen seit Kriegsbeginn gewachsenen V E R T R A U E N S V E R L U S T weiter, wenn man erfährt, dass die dringlichen Hinweise auf den bevorstehenden Überfall durch die US-Geheimdienste durch die Beschwichtigungen der deutschen und französischen   unterminiert wurden.   Schockierend war seinerzeit schon das Eingeständnis Heusgens, enger Berater Merkels und jetziger Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, dass er einen Einmarsch Russlands bis wenige Tage vorher nicht für wahrscheinlich gehalten habe. Da formierte sich seit Monaten ein gigantischer Truppenaufmarsch Richtung Ukraine. Deren Existenzberechtigung hatte Putin schon seit langem abgesprochen. Georgien 2008, Tschetschenien 2009, Krim und Ostukraine 2014 sowie Syrien 2015   hatten seine Vorgehensweisen geliefert. Die vom Bundeskanzler am 27.4.2022 gehaltene Zeitenwenderede ist im Rückblick eher Blendwerk und nähret den Verdacht, dass sein Besuch mit Macron in Moskau kurz vor dem Überfall   eher einem Appeasementals einer Ankündigung scharfer Folgen diente, wofür auch die lächerliche Lieferung von 5.000 Helmen spricht.     Dass bei Ausnahmekatastrophen (Feuer, Hochwasser, Krieg) sofortiges, adäquates Agieren   Schlimmeres verhindert, sollte Grundwissen der Verantwortlichen auf allen Ebenen sein. Statt   dessen wurde bis zur Lieferung der dringend benötigten Panzerhaubitzen wochenlang diskutiert.
Gleiches wiederholte sich danach beim Panzer „Leopard“ und nervt z. Zt. schon seit Monaten   bezüglich des Marschflugkörpers „Taurus“, der den massenweisen Nachschub Russlands   stören könnte. Die von ‚Gegnern (der Kanzler schweigt wie immer) vernehmbaren Gründe, dass man bei Einschlag auf russischem Staatsgebiet Kriegspartei werde, übersehen, dass wir   längst Opfer der hybriden Kriegsführung Russlands sind. Außerdem stecken lt. Präsentation   durch die Ukraine in manch russischen Angriffswaffen immer noch Highterchkomponenten   deutscher Hersteller, ohne dass Maßnahmen zur Unterbindung erkennbar wären. Die ständig von ‚Scholz und Mützenich wiederholten Hinweise auf unsere nach den USA zweithöchsten Waffenlieferungen an die Ukraine unterschlagen, dass wir in Relation zur Einwohnerzahl (40 % mehr als Frankreich und Großbritannien und das Fünfzigfache zu Estland) und   zur Wirtschaftsleistung nur im Mittelfeld alles Helferstaaten liegen. Neben dem Vertrauen ist mir auch das Sicherheitsgefühl verloren gegangen. Die seit langem   eingestandene fehlende Einsatz- und Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr war schon   vor dem 24.2.2022 skandalös, zumal man als W 18er 1971/1972 die vollen Magazine, Hangars   und Depots bewachen durfte, als die BRD 500.000 und die DDR 200.000 Soldaten unter   Waffen hatten. Unseren jetzigen Zustand hat Finanzminister Lindner nach dem Kriegsbeginn damit erklärt, dass die Friedensdividende der letzten drei Jahrzehnte zum Ausbau des Sozialstaates verwandt wurde. Die andere Seite der Medaille hat er unterschlagen, dass sich gleichzeitig durch   eine entsprechende Steuer- und Subventionspolitik in der „obersten Etage“ der Bevölkerung   ein immenser Reichtum ansammeln konnte, wodurch wir eine tief gespaltene Gesellschaft sind. Die AfD lässt grüßen!“
 Bernd Benner

 


 

Leserbrief zum Titelthema „Wozu Putin fähig ist“ „Ich darf nicht warten, ich muss leben“ von Alice Bota

Der Umgang Russlands mit kritischen Journalisten treibt einem die Zornesröte ins Gesicht. Doch steht es uns zu in diesem Punkt zu urteilen, wenn wir im „Goldenen Westen“ mit Journalisten wie Julian Assange einen ähnlichen Umgang pflegen?
Martin Krivacek

 


 

Leserbrief zu „Fragen Sie Ella“ „Warum fühle ich mich so hilflos, wenn Leute anfangen zu weinen?“

Wenn Leute anfangen zu weinen, haben Sie keinen Grund, sich hilflos zu fühlen. Weil es Sie gar nichts angeht warum die Leute weinen. Die werden schon einen Grund haben zu weinen. Basta, Sie werden selber Gründe haben zu weinen. Und finden einen sicheren Job als Heulboje vor Untiefen im Meer der Tränen.
Hans-Emil Schuster

 


 

Leserbrief zu „Ich hatte so Angst, dass er die Therapie beendet“ von Stefanie Kara

Haben Sie vielen Dank, dass Sie in Ihrem Artikel auf eine Opfergruppe aufmerksam machen, die niemand hört, niemand sieht, der, wenn sie es denn wagt, den Mund aufzumachen, häufig genug auch niemand glaubt. Ich möchte ergänzend anmerken, dass es nicht nur sexuelle Grenzverletzungen sind, die zu Symptomverschlimmerung und Suizidalität führen können. Auch emotionaler Missbrauch, (Re)Traumatisierung, unaufgelöste Übertragungen, falsche Diagnose- und Indikationsstellungen, Anwendung einer ungeeigneten Methode, mangelnde persönliche Reife des Behandelnden, um nur einige zu nennen, hinterlassen unter Umständen nicht minder schwere Schäden, die jedoch juristisch nicht relevant sind, i.e. psychotherapeutische Kunstfehler werden nach wie vor als eine Art Kavaliersdelikt betrachtet. Trotz des Engagements des Ethikvereins und einiger Fachleute um Aufklärung und Etablierung einer längst überfälligen Fehlerkultur, ist den wenigsten Patient*Innen – und ich fürchte auch vielen Therapeuten – nicht bewusst, wie „erschreckend hoch die Zahl negativer Verläufe“ (Ralf Zwiebel: „Vom Irrtum lernen“) ist (je nach Studie bis zu 30%). Viele Menschen begeben sich mit großen Hoffnungen in eine Psychotherapie, ohne über deren Risiken und Nebenwirkungen aufgeklärt zu werden, und ohne zu ahnen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass die Therapie ihnen nicht helfen wird (weitere 30%) oder sogar schadet. Ohne alle über einen Kamm scheren zu wollen: Es gibt natürlich auch viele selbstreflektierte, verantwortungsbewusste Therapeuten, aber ich denke, ein nicht unbeträchtlicher Teil der Profession täte gut daran, „an sich zu arbeiten“. Patienten und/oder ihre Erkrankung für das Scheitern einer Therapie (allein) verantwortlich zu machen oder zu behaupten, es wäre nichts gewesen, ist zwar leider nach wie vor gängige Praxis, aber ethisch nicht korrekt und ein weiterer Schlag ins Gesicht all der Menschen, die sie verletzt haben.
Susanne Brenner

 


 

Leserbrief zu „Die Pionierin des Gelächters“ von Jens Balzer

vielen Dank für Ihren Beitrag über Yoko Ono! Als alter Mann muss ich gestehen, dass ich sie damals leider nur als Frau von John Lennon wahrgenommen und obendrein in den Chor derer eingestimmt habe, die Yoko Ono als „Zerstörerin der Beatles“ angesehen hatten. Doppeltes Unrecht also. Ihre Ausstellungsbesprechung hat mir jetzt aber buchstäblich „die Augen geöffnet“ und gezeigt, was ich in meiner Ignoranz verpasst habe, und ich freue mich schon, wenn Yoko Onos Werk dann im Herbst in Düsseldorf zu sehen sein wird.
Heinz Wohner

 


 

Leserbrief zu „Am schlimmsten sind die Tage, an denen ich nichts zu tun habe“ Gespräch mit Yuval Danzig, geführt von Evelyn Finger

Ihr Interview mit dem Sohn über das Schicksal seines Vaters, der sich als Geisel noch immer in den Händen der Hamas befindet, zeigt die furchtbaren seelischen Qualen, gerade auch der Angehörigen. Seine Bemühungen liefen bisher ins Leere -obwohl er dazu sogar von seinem Staatspräsidenten Herzog zum Tagungsort der Sicherheitskonferenz nach München eingeladen wurde. Die Behauptung von Herzog, die Regierung Netanjahu müsse weiter den Vernichtungskrieg im Gaza-Streifen führen, um die Hamas zu vernichten, hat sich inzwischen als Schimäre entpuppt. Die relativ kleine Zahl der Hamas-Politiker und Terrorstrategen lässt sich nicht so einfach eliminieren. Wird ihr Aufenthaltsort von den israelischen Truppen enttarnt, bleibt ihnen oft die Zeit zu fliehen, um sich in arabischen Nachbarländern abzusetzen. Das weiß keiner besser als Israels Premier Netanjahu und trotzdem bombardiert er weiter im dicht besiedelten Gaza – mit inzwischen fast 30000 getöteten Palästinensern.  Dort, wo früher ihre Häuser standen, zeigt sich nur noch die hässliche Fratze von Tod und Zerstörung. Die Ähnlichkeit mit den Bildern der von Putin zerstörten ukrainischen Städte ist erschreckend! Kein Zweifel, die Verbrechen, die von der Hamas am 7.Oktober an unschuldigen Bewohnern im grenznahen Israel verübt wurden, wo sie Israelis grausam und bestialisch regelrecht abschlachteten, werden für immer der Hamas anhängen.
Aber sollte Netanjahu etwa glauben, dass 30000 tote Palästinenser noch nicht genug sind um, die Opfer auf israelischer Seite zu rächen oder auch den letzten Verantwortlichen der Hamas zu erwischen, unterliegt er einem gefährlichen Trugschluss, der typisch ist für blinde Machtpolitiker. In ihrem Wahn verlieren sie den Maßstab für menschliches Handeln und der Verhältnismäßigkeit der angewandten Mittel. Man muss deswegen der Forderung des Israelis Yuval Danzig zustimmen, wenn auch erweitert um das Schicksal der palästinensischen Kriegsopfer. Netanjahu muss den Krieg einstellen, um die Chancen für die Freilassung der Geiseln in der Gewalt der Hamas zu vergrößern. Der Sohn der Geisel bittet hier schon die internationale Gemeinschaft um Hilfe -Netanjahu darum zu bitten schien bisher zwecklos zu sein!
Klaus Reisdorf

 


 

Leserbrief zu „Da draußen Im Februar“ von Heike Faller, Autorin im ZEIT Magazin

In allen Supermärkten, Bäckereien, Restaurants: Köderboxen zur Rattenbekämpfung? Ja bin ich denn blind: Nie eines dieser grauen Kästchen gesehen. Offenbar geht es mir da nicht anders als den Ratten, die – die Fallen ignorierend – sich in unseren Städten sauwohl fühlen und sich wie die Karnickel vermehren. In diesem Zusammenhang kommt mir jedoch ein anderer Gedanke: Wie leicht wären wir Menschen zu überwachen, wenn sich in jeder der kleinen Boxen, die unserer Aufmerksamkeit erwiesenermaßen völlig entgehen, eine Kamera installiert wäre?
Ludwig Engstler-Barocco

 


 

Leserbrief zu „Was spornt Sie an, Leonie Benesch?“. Gespräch mit Leonie Benesch geführt von Salome Müller und Timo Posselt

Was ich von Leopardenfell-Outfits halte, habe ich ja kürzlich schon geschrieben. Kurz zusammengefasst: Nicht viel! Aber noch weniger halte ich von Waldorfschulen. Gut, dass Frau Benesch mittlerweile begriffen hat, dass es sich bei der Anthroposophie um eine Ideologie handelt. Die Doku, die kürzlich in der ARD lief, hat gezeigt, was das für ein Humbug ist (Stichwort: Hirschhorn und Demeter; ob ich noch länger bei dm einkaufe, überlege ich mir gerade. Danke für die Aufklärung in einer der letzten Ausgaben, dass die dm-Unternehmens“kultur“ anthroposophisch geprägt ist.) Wenn es nur Humbug wäre, könnte ich damit leben, aber die Verbindungen zu rechtsesoterischen Kreisen sind offenkundig. Ich habe mich gerade bei Wikipedia über diese sogenannte „Christengemeinschaft“ erkundigt. Anthroposophie und christliches Denken und Handeln passen für mich nicht zusammen, auch wenn es natürlich auch Okkultismus im Christentum gibt.
Thomas Manthey

 


 

Leserbrief zur Infografik „Neptunplatte“ von Matthias Schütte (Infografik) und Urs Willmann (Recherche)

Die Infografiken im Wissensteil finde ich immer sehr interessant und schaue mir fast alles immer recht genau an. In der aktuellen Ausgabe ist die Angabe zur Herkunft zumindest missverständlich. Da ich überrascht war, dass 21% des Fisches seine Herkunft in Polen hat, habe ich mir die angegebenen Quellen angeschaut und ein wenig weiter recherchiert.  Es ist offenbar so, dass Polen den an Deutschland exportierten Fisch im Wesentlichen selbst von den üblichen Lieferanten einkauft und lediglich als „Veredler“ auftritt, also vermutlich Konserven herstellt oder Fischstäbchen oder ähnliches. Die Herkunftsangabe des Fisches ist aber letztendlich nicht Polen. https://eurofish.dk/member-countries/poland/  Bei statista.de taucht Polen demzufolge als relevantes Herkunftsland auch nicht auf.  Unabhängig davon herzlichen Dank für die gewiss viele Mühe, die Sie und Ihre Kollegen und Kolleginnen sich bei der Erstellung der Zeit geben.
Stefan Brunn

 


 

Leserbrief zu „Was ich gern früher gewusst hätte“ von Irmin Schmidt im ZEIT Magazin

Wenn ich manches früher gewusst hätte, dann hätte ich früher vieles anders gemacht, dann wäre mein Leben sicher anders verlaufen; aber genaues weiß man nicht. Alles ist nun mal in meinem Leben so verlaufen, wie es eben verlaufen ist! Irmin Schmidt scheint mit seinem bisherigen Leben einigermaßen zufrieden gewesen zu sein, bestimmt war er das nicht immer, aber rückgängig machen lässt sich an einem gelebten Leben nicht. Mit „Live is life“ hatte die österreichische Band „Opus“ im Jahr 1984 einen respektablen Hit und da singen sie unter anderem davon, dass wir ständig das Beste geben wollen, aber auch das Gegenteil gehört auch zum Leben dazu.! „Nimm dir Zeit für Stille“ sagt Irmin Schmidt, und damit hat er recht.
Klaus P. Jaworek

 


 

Leserbrief zu „Über Denunzianten gestern und heute“ von Harald Martenstein im ZEIT Magazin

In seiner Kolumne setzt Herr Martenstein in letzter Konsequenz Menschen, die einen sexuellen Übergriff oder die Beleidigung oder Benachteiligung von Personen mit anderer Hautfarbe in einem Unternehmen anonym melden, mit Leuten gleich, die in der Nazizeit Nachbarn wegen des Hörens von Feindsendern angezeigt haben. Das werden sehr unterschiedliche „Taten“ bzw. Taten markiert – ich vertraue darauf, dass ich den Unterschied auch Herrn Martenstein nicht erläutern muss. Außerdem unterstützen im einem Fall Meldende ein System und schaden dabei anderen. Im anderen Fall stellen sie sich gegen die Machtverhältnisse im Unternehmen, denen sie in sehr existentiellen Fragen unterworfen sind – häufig, um anderen zu helfen oder zumindest sich selbst zu verteidigen. Kurz: es sind, auch ohne die Zuspitzung auf den „Feindfunkhörer“, deutlich unterschiedliche Situationen, die man nicht gleich bewerten sollte. Man wirft damit mutige und verzweifelte Leute, die gegen Widerstände das Richtige tun, in einem Topf mit Opportunisten wie dem erwähnten Rechtsanwalt, der sich mit jeder Macht arrangiert.
Warum „der Staat“ (hier war eher gesellschaftlicher Druck als ein machthungriger Ministerialbeamter ursächlich, insofern darf man auch einmal „die Gesellschaft“ sagen) es für notwendig hält, Meldestellen einrichten zu lassen? Weil es in Unternehmen viel ungeahndete sexuelle Gewalt und Benachteiligung aufgrund der Hautfarbe gibt, die ein Rechtsstaat dauerhaft nicht dulden kann, und weil „Nestbeschmutzer“ (der Begriff fehlte noch …) häufig materiell und psychisch ruiniert werden. Die Alternative zu Meldestellen wären ein Staat, der viel mehr Ressourcen zur Rechtsdurchsetzung erhält, oder die (fortlaufende) Duldung einer Arbeitsatmosphäre, in der sich insbesondere junge Frauen und Menschen, die „anders“ aussehen, übergriffigen „Altherrenmist“ oder Schlimmeres gefallen lassen müssen, wenn sie beruflich vorankommen oder auch nur ihren Lebensunterhalt verdienen wollen. Vielen Dank für den interessanten Hinweis auf „Neapel 44“, aber der letzte Abschnitt des Artikels eine unangemessene Pauschalbeleidigung und zeigt wenig Sachkenntnis.
Stefan Grub