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3. August 2023 – Ausgabe 33

 

 

Leserbriefe zum Titelthema „Adieu altes Deutschland“ „Im Schlaraffenland“ von Max Hägler et al

Zunächst einmal: Starker Bericht, gute Recherche! Was ist das Wichtigste an diesen Feststellungen:  Die Sache des Klagens der Wirtschaft. So etwas hat es schon vielfach in den vergangenen Jahrzehnten gegeben mit der Forderung der Ausreichung von Subventionen generell nach dem „soliden“ Kernsatz:  Wir wissen (und die Politik auch), woher das Geld kommt: Vom Steuerzahler!  Im Nachhinein müssten alle Subventionen gestrichen werden, wir bräuchten eine radikal besseres Steuergebahren, die die unteren Zig-Millionen entlasten, damit die Geld ausgeben können, dafür dann die starken „Verdiener“ privat wesentlich stärker besteuern, die Erbschaft wesentlich mehr zu belasten, aber die Wirtschaft steuerlich stark entlasten. Na ja, und die Bürokratie – die Forderungen kennen wir alle!

Weder haben wir jetzt „Kohl-Zeit, noch Schröder-Zeit, noch die der Merkel und jeder Kanzler hat sein Hauptthema gehabt: Kohl (Gnade der späten Geburt) die DT. Einheit, Schröder die hohe Arbeitslosigkeit, infolge die Agenda 2010, Merkel die Finanz-, Banken- und Eurokrise, dann die Flut der Flüchtlinge.  Nun haben wir „Scholz-Zeit“ mit einer einmalig (seit 1945) dramatischen Situation wg. Putin; da kehrt sich kpl. Alles um – Hartes Brot für die Regierung, die das aber gut macht. Die müssen in kürzester Zeit wie bekannt bzgl. diverser Szenarien Lösungen finden, die auch laufen vor einer deutschen/ europäischen und Welt-Gesellschaft, die teilweise extrem unruhig ist und auch unfair – und WER macht sich das alles zunutze? Die AFD, indem sie die mehr oder weniger „irren Geister“ in Form von „schlafenden Wählern“ , die sich wahrscheinlich noch nie groß wg. Politik interessiert haben und „unterprivilegiert“ scheinen, in ihr Lager holt.  Insofern sicher vergleichbar mit der Situation der NSDAP nach 1918, wobei zum Schluss das sog. „liberale und konservative Lager“ (die Vorläufer von CDU, CSU und F.D.P) dem allen ihren Segen gaben – ein Verrat an die damalige Demokratie in Deutschland.

So etwas wollen wir nicht noch einmal, allerdings lassen sich die Situationen von damals zu heute nicht im Entferntesten vergleichen.  Natürlich ist die USA mächtig und da wird auch China nicht herankommen (beide gigantisch verschuldet und nicht immer oder überhaupt nicht dem „normalen“ Wertekonsens entsprechend), aber Gelddrucken ohne Gegenwert ist bekanntlich erlaubt.  Wenn es dann irgendwann in zwanzig, vierzig oder so Jahren zur gigantischen Super-Inflation käme (kann man sich nicht vorstellen), wird eben alles Auf NULL gestellt, eine neue Währung eingeführt und – weiter geht’s!
Rainer Rehfeldt

 

Wenn grüne Oberlehrer im Wirtschaftsministerium sitzen, ist es irgendwie logisch, dass Investoren sich abwenden. Allein bei der Unfähigkeit des Ministeriums bei dem Zusammenbasteln jenes mysteriösen Heizungsgesetzes hat doch schon dafür gesorgt, dass sich das gesamte Volk abwendet. Zudem noch Vetternwirtschaft und gegenseitiges Zuschustern von Pöstchen. Planungssicherheit und Vertrauen finden die Verantwortlichen der Industrie wohl nur noch im Ausland. Wer jetzt seine Hoffnung auf die Union setzt, sollte daran denken, dass bei CDU/CSU Personen, die volkswirtschaftliche Schäden von einer halben Milliarde anrichten (Scheuer-Maut) weder davongejagt noch haftbar gemacht oder sonst wie sanktioniert werden. Solch eine zwielichtige Interessengemein-schaft wird die Wirtschaft möglicherweise sogar akzeptieren, weil sie beeinflussbar ist, aber das Wählervolk wird sie ablehnen.
Kurt (Curd) Nickel

 

Unsere Lage in Deutschland ist gewiss nicht rosig. Dass die Presse dies objektiv berichtet, bleibt ihre Aufgabe. Mittlerweile kann man sich allerdings des Eindrucks nicht erwehren, landauf landab dominiere im Journalismus heutzutage das Prinzip, nur die schlechte Nachricht ist eine gute Nachricht. Wann dämmert es der schreibenden Zunft, dass sie durchaus helfen kann, trübe Stimmungen aufzuhellen. Durch Zuversicht Mut zu stärken wäre eine verdienstvolle Alternative zu bedrückender Miesmacherei.
C.-D. Härchen

 

Ich bin seit über 20 Jahren Abonnentin und habe DIE ZEIT immer für ihre Vielseitigkeit geschätzt. Doch mittlerweile habe ich mich schon oft über viele Artikel geärgert. Heute habe ich überhaupt keine Lust mehr auch nur einen Ihrer Artikel zu lesen und werde wahrscheinlich die Kündigung vornehmen.

Hier wird ein Deutschland im Absturz beschrieben, nur Katastrophe, eine große Inflation beschworen (obwohl nun 0,3 %) und und und! Ich bin entsetzt über das reißerischen Mainstream Absturzszenarien!

Hat die „Gute Deutsch Presse“ eigentlich nicht auch die Verpflichtung die Aktuellen Themen von vielen Seiten zu beleuchten. Wir wissen alle das es Probleme gibt und wollen nicht die Augen davor verschließen aber schlechte Stimmung und Angst hilft niemandem, es ist in meinen Augen auch noch gefährlich für unser Land, siehe AfD-Zulauf! Hätte Herr Selenskyj den Menschen in seinem Land nicht Mut zugesprochen, den Kampfgeist geweckt und uneingeschränkt zu Allem gestanden, wäre der Krieg schon verloren. Kein Mensch erträgt das unser Land immer nur schlecht geredet wird und der Westen immer an allem schuld sein soll. Ich habe wirklich keine Lust mehr mir das Gejammer weiter anzuhören. Machen Sie endlich etwas Gutes, sprechen Sie den Menschen Mut zu und wecken die Zuversicht oder machen mal etwas Konstruktives, statt immer die Abrissbirne zu schwingen. Die halbe Welt würde vieles dafür geben, hier leben zu können, und wir machen uns selber nur schlecht! Ich wünsch Ihnen auch Mut zum Guten und Wohlwollenden.
Anne-Marie Rose

 

Eine gute Beschreibung der Zustände. Man wird das Gefühl nicht los, dass der deutsche Michel satt und warm eingeschlafen ist, während alle anderen vorbeilaufen. Sediert von immer wieder neuen Verordnungen und Politikern, die sich wie Kinder zanken, statt ihren Job zu machen. Man muss ja nicht das Rad neu erfinden, sondern einfach mal bei denen reinschauen, wo es gut läuft. Die durchaus nötige Zäsur sollte gemacht werden, bevor Kräfte die Oberhand gewinnen, die uns nur noch in eine Richtung ziehen, nach unten.
Hans Rauch Soest

 

Ein Standortnachteil wird immer wieder verschwiegen oder vergessen – vielleicht der wirksamste, auf jeden Fall aber der dümmste: unser Rentenrecht. Nur die Kinder der Rentner finanzieren die Renten; aber ordentliche Rentenansprüche gibt es für die Mühen und Kosten der Kindererziehung nicht. Rentenansprüche gibt es für das frühere Einkommen, und das gedeiht am besten ohne eigene Kinder. Daher dann also zu wenige Kinder, Arbeitskräftemangel, und, weil es an Steuer- und Beitragszahlern fehlt, unnötig hohe Steuern und Sozialabgaben.
Jürgen Schröder

 

Ich kann Ihrer Darstellung, dass es in Deutschland wirtschaftlich schwierig ist, nicht widersprechen. Ich habe in den letzten 8 Jahren in den USA gelebt und kann der Behauptung, dass dort alles besser sei, nicht nachvollziehen. Aber das sind einfach unterschiedliche Eindrücke und Beobachtungen. Es würde mich freuen, wenn Sie in Ihrer Berichterstattung auch über die vielen Dinge, die in Deutschland gut laufen, berichten – und auch die vielen Initiativen, die versuchen, Deutschland voranzubringen. Ich möchte nur eine nennen – www.encourage-ventures.com – wo wir als eingetragener, gemeinnütziger Verein anstreben, das Startup Umfeld in Deutschland diverser zu machen und schon großen Zulauf haben. Wir habe mehr als 700 Startups mit diversen Gründerteams, die sich um erste Finanzierung bzw. Mentoring bei uns bewerben und dafür registrieren. Es gibt eindeutig, den Mut zur Selbstständigkeit in diesem Land. Unterstützen wir das und „packen wir an“, die Innovationskraft Deutschlands zu stärken.
Britta Bomhard

 

Die Krise hat mentale Ursachen. Deutsche wissen vor allem, was nicht geht. Ein Volk der Bedenkenträger, über Jahrzehnte geschult in der Antiatombewegung, die aber nur Synonym ist für eine allgemeine Innovationsskepsis. Pars pro toto die Gentechnik, einst führend, hat Deutschland längst den Rücken gekehrt, aber die Landwirtschaft weltweit revolutioniert. Ähnlich blamabel das Taktieren im Osten. Anstatt den Systembruch Putins als unmittelbare Bedrohung wahrzunehmen, Attentismus und lieber Diskussionen über das Bürgergeld. Als ob Sicherheit zum Nulltarif zu haben wäre. Offenbar ist die Krise mental noch nicht angekommen.
Christoph Schönberger

 

Es mag ja sein, dass die Wirtschaft jammert und vielleicht ist es auch vordergründig zu Recht, denn wer seit Jahren schlecht gewirtschaftet und die Zukunft falsch eingeschätzt hat, wird die Folgen spüren. Wenn Sie allerdings die Gründe aufzählen, die die Wirtschaft bemängelt, lassen Sie einen wichtigen Grund außer Acht: Es ist seit Jahrzehnten bekannt, dass wir von unserem hohen Energieverbrauch wegkommen müssen. Allein, passiert ist nur sehr wenig. Wenn sogar ich kleines Licht mich mit zwei Photovoltaikanlagen (1998 und 2017) finanziell gesundgestoßen habe, wäre das sicherlich auch für große Betriebe möglich gewesen. Aber nein, man hat die aufstrebende Photovoltaikindustrie kaputtgehen lassen. Und jetzt wird über hohe Energiepreise gejammert? Leider müssen wir jetzt alle mit auslöffeln, was versäumt wurde. Das sollte man viel deutlicher machen. Haben Sie sich mal den Spaß gemacht, bei Covestro oder BASF, die Sie als Beispiel heranführen, nach Photovoltaik auf den Dächern zu fahnden?

Wenn ich es bei Google Maps richtig sehe, ist das Fehlanzeige. Außerdem sind Sie, wie eigentlich praktisch alle Journalisten, der Mär aufgesessen, dass es helfen würde, Stromleitungen vom Norden in den Süden zu verlegen. Schleswig-Holstein hat zwar eine rechnerisch mehr als 100%ige Erzeugung von Strom durch erneuerbare Quellen, aber zum dortigen Gesamtenergieverbrauch tragen diese nur zu maximal 29% bei. Energie für Verkehr, Prozess- und Wärmebedarf werden noch fast ausschließlich fossil hergestellt. Dies alles durch Strom zu ersetzen, bedarf sogar noch eines gewaltigen Ausbaus der Erneuerbaren im Norden. Da werden sich die südlichen Länder langsam mal bewegen müssen, um ihre eigene Energie herzustellen, bevor bei Ihnen das Licht ausgeht. Schleswig-Holstein wird auf die Dauer auch nicht so viel mehr Windkraftanlagen haben wollen als andere Länder und Dächer gibt es auch im Süden zuhauf, dazu eine Menge Sonne. Sogar Wind ist da zu finden.
Dagmar Aßmann

 

Üblich in der seriösen Presse ist, Werbung oder Kommentar zu kennzeichnen. Beim „Im Schlaraffenland“ handelt es sich eindeutig nicht um einen Artikel, der der Information dient, sondern um einen Kommentar. Es steht nichts neu Recherchiertes drin, außer Kommentare von Wirtschaftsvertreterinnen zu Allgemeinplätzen. Ja, ja die Bürokratie! Gehts vielleicht detaillierter? Dito Stromtrassen. Gute Gelegenheit für die Plutoniumfraktion in der Redaktion noch was einzustreuen. (Tausende Jahre Atommüll, um unsern Arsch zu retten egal) Herr Bittner ist wohl im Urlaub. Genau wie der erwähnte Kanzler. Der, wurde bemerkt, ist im Urlaub, darf der doch gar nicht. Das dürfen höchstens Hägler, Rudzio und Widmann. Sollten sie auch sein, um mal in Ruhe das Presserecht zu studieren.
Oswald Baumeister

 

In vielen Punkten kann man den Autoren zustimmen. Es ergibt sich aber ein gänzlich anderes Bild, wenn man die jeweiligen Mindestlöhne in die Frage einbezieht, warum verliert Deutschland scheinbar. Ergänzen kann man noch China am Beispiel Shanghai mit einem Mindestlohn von EUR 403,00/ Monat, die USA mit (ab) 7,25 USD und Kanada mit 10,88 EUR – alle Angaben lt Mr. Google. Hinzu kommt ein deutlich weniger an Sozialstandards, z.B. Krankenkassen, Verbot von Kinderarbeit (in den USA???!!!) uvm. Die Wirtschaft ist kein Selbstzweck, sie sollte den Menschen dienen! Und danach sind wir führend und beispielhaft. Johannes Barth

 

Wenn man bedenkt, dass für Deutschland der Erdüberlastungstag für 2023 bereits im Mai war und man mehrere Erden benötigen würde, wenn alle Menschen so wie Deutschen leben würden, so zeigt dies überdeutlich, wie sehr die Deutschen über ihre Verhältnisse (d.h. ein nachhaltiges Niveau) leben. Es mag ja sein, dass vor (sagen wir) 30 Jahre es sich die Erde leisten konnte, ein paar Länder zu haben, die auf Kosten der anderen und der Erde in Summe ein deutlich höheres Wohlstandniveau erreichen, doch im 21. Jahrhundert streben nach westlichem Vorbild (?) immer mehr Länder nach Wohlstand, so dass es die Erde nicht mehr schafft, für alle genügend zur Verfügung zu stellen. Deshalb finde ich es eine gute Nachricht, wenn D endlich sich auf ein Niveau zurückbegibt, welche den Energie- und Ressourcenverbrauch reduziert. Leider haben sich die Menschen in D an das absurd hohe Wohlstandniveau gewöhnt, so dass jegliche Anpassung nach unten Verlustängste hervorruft wie bei dem Diabetiker, der nun leider keine 3 Tortenstücke mehr essen darf, sondern maximal eines. Aber: Wollen wir alle überleben oder haben wir den egoistischen Anspruch, dass die nur ein paar Länder im Westen tun dürfen?
E. Würth

 

Vielen Dank für diese profunden Analysen zur wirtschaftlichen Lage der Nation. Doch wo ansetzen? Unsere politischen Eliten haben in der Innenpolitik erschreckend viel Angst vor dem Wahlvolk, sodass eine Risikobereitschaft zu notwendigen Reformen abgewürgt wird. Außenpolitisch stolziert man mit erhobenem Zeigefinger durch die Welt und erklärt, wie man zu regieren und zu leben hat und hat dabei den eigenen Laden noch nicht einmal im Griff. Und das Ausland lacht nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand über uns. Und wir, das Wahlvolk? Wir haben uns doch diesen ganzen Mist über Jahrzehnte zusammengewählt und uns von „Wir schaffen das“ und „Sie kennen mich“ mantrahaft einlullen lassen. Das größte Problem der Mittelschicht scheint es heutzutage zu sein, nicht mehr vier, sondern nur dreimal im Jahr in den Urlaub zu fahren. Spätrömische Dekadenz. Und jeder weiß, wie das endete.
Christian Springer

 

Liegt die Wahrheit zwischen der Forderung von AFD, die EU zu verlassen, und der deutschen Wirtschaft, dem „Regulierungs-Tsunami“ der EU zu entgehen? Ja, und sie ist deutsch: moralisch.
Jürgen Dressler

 

Ich komme mir gerade vor wie ein Außerirdischer, der einen Zwischenstopp in Deutschland macht und sich wundert. Dabei halte ich mich für einen durchschnittlichen typischen Deutschen: Babyboomer, Einfamilienhaus, Hund, vielleicht ein wenig zu sehr Optimist. Derzeit wundere ich mich aber nicht nur über die vermeintliche Untergangsstimmung, unser Land und unsere Menschen. Ich verstehe einfach nicht was uns lähmt zu handeln und warum wir uns selbst so derart anlügen.

Wir sehen, spüren und wissen, dass ein Klimawandel stattfindet, mit immer schnelleren und verheerenden Auswirkungen weltweit. Wir verhalten uns aber, als wäre alles weit weg und wir hätten noch jede Menge Zeit etwas dagegen zu tun. Unser Beitrag wäre ohnehin minimal.

Wir wissen und erfahren täglich, dass uns Arbeiter und Fachkräfte fehlen, nicht nur in der Pflege, sondern in fast allen Bereichen. Es ist prognostizierbar, dass aufgrund unserer Altersstruktur das Problem von Jahr zu Jahr größer wird. Wir verhalten uns aber, als wäre das nur ein vorübergehendes Ereignis. Wir wollen keinesfalls Ausländer, Flüchtlinge oder Immigranten bei uns. Es wäre wohl das Ende unserer Kultur. Wir wissen, dass sich die Welt gerade neu ordnet, China und USA die Führung beanspruchen und Europa keine ernsthafte Rolle spielt.

Wir verhalten uns aber, als wäre Deutschland noch eine internationale Größe. Wir entwickeln keine Zukunftsstrategie für unser Land und Europa, es fehlt uns jegliche Fantasie, welche Rolle Deutschland im 21 Jahrhundert spielen soll. Wir erkennen und bewundern die Hightech Industrie aus USA und Asien. Der Unternehmergeist und die Geschwindigkeit des Wandels werden gehuldigt und gefürchtet zugleich. Wir glauben aber unerschütterlich an den deutschen Ingenieurgeist, der alles richten wird. Fachleute Lehrer Akademiker und Facharbeiter kriegen wir schon irgendwie hin.

Die Liste dessen, was wir wissen, wie wir uns aber gänzlich anders verhalten ließe sich noch lange fortführen. Wir belügen uns selbst, haben nicht mal den Mut zu unserem Handeln zu stehen.

Wir wissen nach 16 Jahren Ära Merkel, dass wir zwar Krisen gut gemanagt haben, aber einen Innovations- und Investitionsstau haben, ein Bürokratiemonster, einen Mangel an Fachpersonal und eine nie dagewesene Abhängigkeit von Rohstoffen. Und dennoch will ein Gros der Deutschen bereits nach nur 18 Monaten mit ersten, zaghaften Reformansätzen wieder eine konservative Regierung, den Status quo zurück. Der Außerirdische würde schnell ein Muster darin erkennen: Unsere Gesellschaft will keine Veränderung! Sie ist satt und zufrieden, wie es ist. Homöopathische Dosen sind evtl. möglich, Wandel oder Umbruch aber nicht! Die Konsequenzen dieses Handelns werden verdrängt oder ignoriert. Er würde auch erkennen, dass Gesellschaften genau wie Unternehmen zugrunde gehen, wenn sie nicht mehr willens sind, sich zu verändern. Der „kranke Mann Europas“ ist nicht mehr heilbar. Das ist nicht zwingend schlecht, es schafft Raum für Neues. Wir müssen nur endlich anfangen, ehrlich zu uns zu sein, damit die kommenden Generationen nicht einer Illusion von Wohlstand erliegen.

Die Zukunft liegt selten hinter uns, aber vielleicht haben wir den Punkt das zu erkennen noch nicht erreicht. Lasst uns weiter Öl und Gasheizungen einbauen, unsere Autoindustrie schützen und über jeden und alles meckern, ohne Vorschläge wie es besser gemacht werden könnte. Das wäre ehrlich! Wenn meine Generation der Babyboomer Pflege brauchen wird, wird schon jemand da sein es zu leisten und zu bezahlen. Nur weil der Außerirdische es nicht versteht, könnte es ja trotzdem sein.
Gerhard Heilmaier

 

Sicherheitsdenken ist in Deutschland führend. Das zeigt sich in der allseitig fest etablierten Grundausrichtung, Risiken zu vermeiden und den Bestand zu schützen. In dieser Absicherungskultur ist über Jahrzehnte eine Regelungsbreite und -tiefe entstanden, die jeden Fortschritt verlangsamt, erschwert oder gar verhindert. Alle nur denkbaren Aspekte haben eine rechtliche Relevanz. Überall gibt es berechtigte Interessen. Alles soll im Zuge rechtlich festgelegter Abwägungsprozesse in einen Ausgleich gebracht werden. Das kostet nicht nur Geld und sehr viel Zeit (Deutschlandtempo?).

Das angestrebte Ergebnis wird – wenn nicht verhindert – so doch herunternivelliert auf eine nur minimal mögliche Veränderung des Status Quo. Dabei privatisiert der Staat aus Kostensenkungsgründen die erforderliche Bürokratie und delegiert staatliche Verantwortung in die Selbststeuerung der Wirtschaft. Bei dem hierfür entstehenden Maximum an Regulierung achtet der Staat sehr auf die eigene rechtliche Absicherung. So wird notwendige Regulierung zur Strangulierung. Ja, eine Agende 2030 muss her. Sie ist das richtige Format für die notwendige Kraftanstrengung. Vielleich könnte eine zeitgemäße Ruck-Rede helfen, eine solche Agenda anzuschieben.
Reinhard Koine

 

Der Aufmacher des Wirtschaftsteils Ihrer aktuellen Ausgabe hat mich positiv überrascht – auch wenn der Inhalt eher ernüchternd war. Selten habe ich in der „Zeit“ so eine klare Analyse zum wirtschaftlichen Niedergang unseres Landes gelesen. Sie nennen sehr direkt die Gründe, die zu diesem Abstieg geführt haben und ihn noch weiter beschleunigen. Prof. Stefan Kooths ist zuzustimmen, wenn er das vor kurzer Zeit noch wirtschaftlich starke Deutschland mit Gulliver vergleicht, der von einem Geflecht aus dünnen Fäden am Boden gehalten wird. Ich persönlich habe dieses Bild während meiner Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender der BASF Ende der neunziger Jahre auch häufig gebraucht, um Politikern, Journalisten und Interessenvertretern zu vermitteln, wie es um den Industriestandort Deutschland bestellt war, der bereits als „kranker Mann Europas“ bezeichnet wurde. Seinerzeit hat die Agenda 2010 entscheidend dazu beigetragen, viele der Fesseln zu durchschneiden. Heute brauchen wir dringend eine „Agenda 2030“, um den deutschen Gulliver wieder auf die Füße zu bekommen.
Jürgen Strube

 

So dolle sieht es im Schlaraffenland Deutschland nicht mehr aus. Dafür gibt es zu viele Menschen, die an der Armutsgrenze leben oder sich mit zwei Jobs über Wasser halten müssen, mit einer mickrigen Rente kaum über die Runden kommen.

Dennoch, im Großen und Ganzen geht es der Mehrheit finanziell gut, Deutschland ist immer noch ein Sozialstaat. Die Grundlage für diesen Wohlstand sind aber immer noch die Arbeitskraft der Menschen, ihre Steuerzahlungen und ihre Beiträge zur Sozialversicherung. Der Wohlstand und der Sozialstaat sind keine Selbstverständlichkeit, als Industrieland ist Deutschland nun einmal auf eine stabile Wirtschaft angewiesen, die entsprechende Arbeitsplätze bietet.

 Wohlstand kann bequem machen, anders ist es doch wohl kaum zu erklären, dass immer mehr Menschen nicht bereit sind, auch persönliche Einschränkungen, wenn man sie als solche überhaupt bezeichnen kann, in dieser Gesellschaft hinzunehmen. Die Herren Hägler, Rudzio und Widmann zeigen dieses Phänomen anhand der Proteste gegen die Errichtung einer BMW-Fabrik in Bayern sehr schön auf. So läuft das übrigens in der ganzen Republik, vor der eigenen Haustüre soll es schön idyllisch bleiben.

Dafür kann man nicht einmal die Politik verantwortlich machen, für die Regelungswut allerdings schon. Bis ins letzte Detail wird alles geordnet und muss umgesetzt werden. Folge davon ist eine riesige Bürokratie, mit der sich dieses Land häufig selbst im Wege steht.

Energie ist teuer geworden in Deutschland, das ist sehr problematisch. Zur Wahrheit gehört zwangsläufig auch, dass ein Industrieland, das eine Energiewende vollziehen soll, den wirtschaftlichen Hintergrund dazu braucht. Ideologie allein reicht nicht aus.

In diesem Land herrscht jetzt schon ein Fachkräftemangel, der sich noch verschärfen wird, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen. Angesichts dieser Entwicklung in regelmäßigen Abständen von einer Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich und von einer Work-Life-Balance zu reden, erschließt sich mir nicht. Gleichzeitig wird häufig von denselben Leuten ein höheres Renteneintritts-alter gefordert und vermutlich auch geglaubt, dass dringend benötigte ausländische Fachkräfte in Strömen nach Deutschland kommen wollen. Diese Fachkräfte müssen erst einmal gewonnen werden. Ich frage mich ernsthaft, wie attraktiv dieses Land für sie überhaupt noch ist. Ganz abgesehen von einem unsäglichen Papierkrieg erwartet sie hier auch eine Infrastruktur, die mittlerweile sehr zu wünschen übriglässt. Angefangen bei knappem und teurem Wohnraum bis hin zu einer unzureichenden Elementarerziehung in den KITAs und einem Mangel an gut ausgestatteten und zukunftsorientierten Schulen, was sich jetzt schon negativ auf die Menschen und die Wirtschaftskraft in Deutschland auswirkt.

Alles Punkte, die für Fachkräfte, die in einem anderen Land Fuß fassen und ihre Zukunft gestalten wollen, mitentscheidend sind. Der Handlungsbedarf ist groß, sich allein auf die Wirkungsmöglichkeiten von Politik und Wirtschaft zu verlassen und zu hoffen, dass damit der Status quo erhalten bleiben, ist naiv.
Regina Stock

 

Sie haben nicht nur das ehemalige Schlaraffenland verändert, auch die Farben der Deutschen Flagge verblichen als zerfließendes Eis so verändert, dass die schwarze Farbe dadurch gewollt oder ungewollt braun wird. Bei der perfekt verglichenen Darstellung mit dem gefesselten Gulliver sehe ich das dickste Seil in unserer Überdemokratie. Demokratie ist ein erstrebenswertes Ziel, aber nicht das, was wir daraus gemacht haben.

Wir Deutschen fesseln uns mit dieser falsch verstandenen Denkweise selber und werden es auch nicht mehr schaffen, uns selbst zu befreien. Ein riesengroßer Bundestag, 16 Bundesländer, Schulpolitik in falschen Händen und Bürokratie und Gesetzgebung, die die Seile immer kräftiger anziehen. Diese Liste könnte man unendlich fortführen, aber wer soll das ändern? Ihre Autoren gehen mit Ihrer Anregung einer neuen Agenda in die richtige Richtung. Zurzeit sehe ich aber nur eine Person, der ich das zutraue, ohne Parteipolitik die richtigen Weichen für unser Land zu stellen. Boris Pistorius sollte schnellstmöglich für Deutschland (und für seine Partei) auf die Brücke, um das sinkende Schiff zu retten.
Edgar Scholz

 

Hier sind wesentliche Probleme klar aufgezeigt. Und die entscheidende Frage ist gestellt: Wie kommen wir da wieder raus? Zur Linderung lassen sich sicher viele kleine Schritte finden, die für ein wenig Abhilfe sorgen. Die sollten gemacht werden! Nicht vergessen sollte man aber, einen großen Schritt, der große Abhilfe erwarten lässt: Die Einführung einer vollständigen Finanztransaktionssteuer (FTA). Teure Energie? Statt sämtlicher Extrasteuern auf Energie eine FTA von 0,2% für Zahler und Empfänger müsste doch stark verbilligend wirken.

Lähmende Bürokratie? Die könnte erheblich ausgedünnt werden, würden praktisch alle Steuern durch die automatisch einziehbare FTA ersetzt. Fachkräftemangel? Scharen tüchtiger Beschäftigten im Finanzsektor könnten (eventuell nach Umschulung) eine produktivere Verwendung finden. Einen ersten Schritt in diese Richtung hat einst Olaf Scholz als Finanzminister für eine kleine Auswahl von Finanztransaktionen gemacht. Finanzminister Lindner ist zu Recht gegen neue Steuern. Aber warum auch gegen eine neue Steuer, für die allerhand alte Steuern abgeschafft werden sollen? Alles Beteuern „wir wären sofort dafür, wenn die Einführung der FTA gleichzeitig europaweit erfolgte“ ist unter derzeitigen Regeln der EU doch nur Beschönigung der harten Aussage „wir sind prinzipiell dagegen“. Übrigens: Eine Studie des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages ergab 2018 den 0,2prozentigen FTA-Steuersatz als völlig ausreichend für den gesamten Bundeshaushalt! Warum also nicht.
Helmut Steiner

 

In dem Artikel wird beklagt, in Deutschland seien die Steuern für Unternehmen zu hoch und die Risikobereitschaft bei Innovationen zu gering, immer werde gleich nach Zertifizierungen gefragt. Aber wollen wir einen Wettbewerb mit Irland um die geringsten Unternehmenssteuern? Oder wollen wir, dass Unternehmen, die gutes Geld verdienen, auch ihre Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit wahrnehmen und angemessene Steuern zahlen, damit unser Gemeinwesen finanziert werden kann? Und was die Liebe zum Risiko angeht: Die Kehrseite großer Innovations- und Risikobereitschaft, wie der Artikel sie gerade im Hinblick auf die USA lobt, haben wir kürzlich bei der Implosion des Tauchboots „Titan“ erlebt. Da wohne ich doch lieber in Deutschland, wo ich normalerweise davon ausgehen kann, dass Dinge, auf die ich hinaufklettere oder mit denen ich fahre, eine solide TÜV-Prüfung hinter sich haben.
Corinna Friesen

 

Als Hauptursachen für die besorgniserregenden Zukunftsaussichten in Deutschland werden vor allem eine überbordende Bürokratie, horrende Energiepreise, Fachkräftemangel und Finanzierungsprobleme genannt. Ich möchte noch zwei weitere Gründe nennen, die noch nie langfristig einer Volkswirtschaft hilfreich waren: Eine Ursache ist für mich eine Gesellschaft, die mich an das 19. Jahrhundert erinnert mit ihrer zunehmenden sozialen Spaltung. Die Agenda 2010 war kein Glücksgriff gewesen. Mit ihr wurde ein neuer Tagelöhner-Typus geschaffen mittels „Arbeitszwang“, der letztlich auch ein Lohndumpingsinstrument war. Eine „(Weiter)Bildungspflicht“ wäre sehr viel sinnvoller gewesen und hätte Langzeitarbeitslosen nicht ihre Würde genommen, sondern ihnen Perspektiven ermöglicht. Auch das wäre ein guter Weg gegen den Fachkräftemangel gewesen. Parallel dazu stieg die Zahl der Milliardäre an, die weit weniger Steuern zahlen mussten und müssen als in vielen anderen Ländern.

Die Hauptsteuerlast musste immer der Mittelstand schultern. Unsere Abgeordneten dagegen können schon nach nur vier Jahren Pensionen in großer Höhe erwarten, die keine weitere Arbeit mehr erforderlich machen. Aber es gibt für mich noch einen weiteren Grund für den Absturz: Unsere Gesellschaft steht viel zu wenig gegen Missstände auf! Schlechte Löhne, unzureichende Renten, ein schlechtes Bildungssystem, Pflegenotstand, eine verrottende Infrastruktur – all´ das sind alte Themen. Aber es gibt in Deutschland keinen Zusammenhalt und keine Bereitschaft, sich dagegen bundesweit zu einem Protest zusammenzuschließen.

Es ist der aufgeklärte demokratieaffine Bürger, den Deutschland braucht, eben jener, der sachliche und vernünftige Debatten wünscht und sich eben nicht mit einem „Da kann man nix machen“ oder „Die da oben…“-Frust zurückzieht oder, was noch viel gefährlicher ist, sich den radikalen Ideen zuwendet. Deutschland ging es mit der Altbundeskanzlerin Angela Merkel gut, doch geschah viel zu wenig, um die Energiewende voranzubringen. Stattdessen machten sie und ihr Amtsvorgänger uns viel zu sehr von Putins Gas abhängig. Diesen Umstand vermisste ich ebenfalls in dem Beitrag.
Hildegard Jansen

 

Danke für diesen Artikel, der ein wichtiges Thema aufgreift: Die Frage warum Deutschland wirtschaftlich abgehängt wird. Zwei Aspekte fehlen mir darin:

1) Der Bundeskanzler wird mit dem Ruf nach einem zweiten Wirtschaftswunder zitiert. Allein, ein Wirtschaftswunder wird nicht nur von Standortfaktoren gemacht und sicher nicht von Subventionen. Es wird von Menschen gemacht. Menschen, die glauben, dass sich Fleiß auszahlt. Menschen die selbst wirtschaftliche Ziele haben – wie in den 60ern. Aber so ist das bei der Generation, die aktuell in den Beruf eintritt, nicht. Für diese Generation ist es selbst mit einem guten Akademikergehalt in den Ballungsräumen unmöglich, jemals eine eigene Immobilie zu finanzieren. Die Zweit- und Dritt-SUVs der Elterngeneration verstopfen die Städte, so dass das eigene Auto uninteressant wird. Die jährliche Fernreise macht aufgrund der Klimakrise auch keine rechte Freude mehr und wenn sie mit 70 in Rente gehen, wird es erst richtig knapp. Warum sollte diese Generation sich also zu einem Wirtschaftswunder aufraffen? Wir haben unsere eigenen Interessen auf Kosten unserer Kinder verfolgt, indem wir die Kosten unseres Wachstums externalisiert und Gemeingut wie zum Beispiel Fläche und Baugrund nicht vor Gewinnmaximierung und Spekulation geschützt haben. Dafür bekommen wir jetzt die Quittung. Und die Situation wird sich zuspitzen: wenn die Baby-Boomer in Rente gehen, wird man mit allein mit Wohltaten für Rentner Wahlen gewinnen können. Wir brauchen daher eine neue Generationengerechtigkeit, z.B. ein Wahlrecht von 16-70, ein CO2-Kopfbudget, eine Kapitalertragssteuer, die auf demselben Niveau ist, wie die Steuern auf Arbeit und wirksamen Schutz vor Spekulation mit Gemeingütern.

2) Überregulierung lähmt, davon kann ich als Unternehmer ein Lied singen. In Deutschland haben wir eine Überregulierung im Klein-Klein. Aber an strategische Standort- und Wirtschaftspolitik wagen wir uns kaum heran – hier soll’s der Markt richten. Das exakte Gegenteil müsste passieren und in vielen Ländern, die uns enteilen, ist genau das der Fall: strategische Ziele und Leitplanken für das ganze Land muss die Politik setzen. Weil wir hier in der Vergangenheit mutlos und visionslos waren, hat Deutschland ein Mobilfunknetz auf Dritte-Welt Niveau, entscheidet der einzelne Bürgermeister über den Breitbandausbau, die Bahn-Infrastruktur bröselt weg und wir lassen zu, dass die Paranoia einzelner Datenschutzbeauftragter die Digitalisierung des ganzen Landes verhindert.

Wir sollten uns Visionen zutrauen und die deutsche Kleinkrämerei überwinden. Dazu gehört auch, dass wir die Auswüchse des Föderalismus zurückbauen. Digitalisierung beispielsweise muss eine Aufgabe des Bundes sein, nicht der Länder, Landkreise oder gar Gemeinden, die – natürlich – überfordert sind.
Christoph Ramm

 

Das Titelthema der letzten Ausgabe und der Leitartikel des Wirtschaftsteils «Im Schlaffenland» entsprach meinen mich seit langem beschäftigenden Sorgen um das Deutschland (mein Heimatland), welches ich seit mehr als 40 Jahren von der Schweiz aus beobachte. Die Analyse des relativen Niedergangs Deutschlands umfasst richtigerweise viele strukturelle Probleme: den Rückstand bei der digitalen Entwicklung, den Fachkräftemangel, die hohe Steuerlast, die überbordende Bürokratie gepaart mit einer ausgeprägten «Schutzwut» (Lärm-, Umwelt-, Daten-, Denkmalschutz). Die durch falsche politische Weichenstellungen bewirkten hohen Energiekosten tun ihr Übriges.

In diesem Zusammenhang aber vermisst habe ich die Schilderung von gesellschaftlichen Entwicklungen, die unabhängig von der Politik sicher auch einen hohen Anteil an der sinkenden Wirtschaftsleistung haben.

An erster Stelle ist allgemein die fehlende gesellschaftliche Wertschätzung der Wirtschaft zu nennen; das Bewusstsein, dass die ganze Gesellschaft letztlich nur von dieser lebt, fehlt mittlerweile leider weitgehend. In diesem Zusammenhang fällt auch die Tatsache auf, dass der deutsche Bundestag einerseits fast zu einem Viertel der Abgeordneten (149 von 630) aus Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes besteht, jedoch diese nur 11% der Erwerbstätigen darstellen. Im Gegensatz dazu Anteil der Unternehmer: nur 7.5% des Parlaments gegenüber 10.6% der Erwerbstätigen.

Ein weiteres Themenfeld ist das stark ausgebaute Sozialsystem; dass dieses zukünftig nichts Anderes als gekürzt werden muss getraut sich die Politik nicht zu sagen und auch der Einzelne will es nicht wirklich wahrhaben. Die in den letzten Jahrzehnten entstandene Anspruchshaltung den «staatlichen» (der «Staat» sind immer wir selbst!) Leistungen gegenüber lässt sich an einem mir bekannten Fall erläutern: die vor vielen Jahren psychisch erkrankte Ehefrau (Beamtin) wurde bald nach Auftreten der Krankheit medikamentös eingestellt, aber dennoch zu 100% «frühverrentet», obwohl sie problemlos zumindest zeitlich beschränkt bis heute arbeiten könnte. Ihr jüngerer Ehemann (Beamter) wurde bereits mit ca. 40 Jahren frühverrentet, da er aufgrund hohen Übergewichtes starke Knie- und Rückenschmerzen verspürte. Ohne sich selbst zu hinterfragen und eigene Anstrengungen zur Besserung der Situation zu unternehmen, lässt man sich dauerhaft in die soziale Hängematte fallen; gesellschaftlich und auch privat unerträglich.

So wenig wie irgend möglich arbeiten zu «müssen» (Arbeit darf gar nicht mehr als Erfüllung bezeichnet werden, sondern gilt einfach nur als «Job») bei gleichzeitig maximalem Gehalt ist das Ziel der Allermeisten heute. Angesichts der demografischen Entwicklung muss Einem um alle sozialen gesellschaftlichen Errungenschaften Angst und Bang werden.

Es stünde CDU/CSU gut an, wieder echte Opposition im Sinne der Offenlegung gesellschaftlicher Missstände zu betreiben (sowie der FDP, entsprechende Regierungsarbeit zu leisten) und Klartext bezüglich der wirtschaftlichen Situation zu sprechen und Gegenmaßnahmen zu formulieren. Besser spät als nie!
Martin Respondek

 

Es war einmal das Land des Wirtschaftswunders: Deutschland. Menschen in der Mittelschicht waren bereit, hart zu arbeiten und sich weiterzubilden, weil sie wussten: Wir partizipieren am allgemeinen, wachsenden Wohlstand. Man freute sich über regelmäßige Gehaltserhöhungen von bis zu 10 Prozent(!), über eine gute, zuzahlungsfreie ärztliche Versorgung. Man war stolz auf eine laufend modernisierte Infrastruktur, auf gute Schulen, auf gehobene Bildungsabschlüsse. Und man bekam eine sehr gute, steuerfreie Rente. Wenn jemand verstarb, erhielt die Familie sogar das sogenannte „Sterbegeld“, mit dem sich eine ordentliche Beerdigung finanzieren ließ.

Dass im Artikel gerade die „Agenda 2010“ als vorbildlich hingestellt wird, muss in diesem Zusammenhang als bittere Ironie erscheinen. Mit dieser „Agenda“ wurde ein Sozialabbau eingeleitet, der ganz sicher einer der Gründe für die heutige Misere ist. Nun konnte man nicht mehr erwarten, dass ordentliche Arbeit zu Wohlstand führte, dass die soziale Sicherheit gewährleistet war. Das war nun plötzlich angesichts der unbegrenzt eingeforderten Flexibilität altmodisch und bieder. Der Staat sollte schlanker werden, Investitionen in die Infrastruktur erschienen als weitgehend entbehrlich. Muss es einen also beispielsweise wundern, dass die Berufsanfänger in den öffentlichen Dienst drängen, wenn man ihnen überall vermittelt, dass sie dereinst sowieso keine gesetzliche Rente mehr bekommen und sich auf eine unsichere „private Vorsorge“ einlassen müssen? Wenn sie sehen, dass Rentnerinnen und Rentner die im Vergleich zu anderen Ländern niedrige Rente noch dazu als kaum finanzierbares „Gnadenbrot“ verkauft wird?

Eine wirtschaftliche Krise hat ihre Wurzel immer in einer geistig-moralischen Krise. Man hat das Ziel des Wohlstands und der sozialen Sicherheit für alle mit der „Agenda 2010 „aufgegeben. Deshalb sollte man nicht erstaunt darüber sein, wenn die AfD an Zulauf gewinnt, obwohl sie keine tragfähigen Lösungen zu bieten hat. Ebenso wenig verwunderlich erscheint es, wenn die Menschen viel weniger bereit sind, für einen Wohlstand zu arbeiten, an dem sie kaum einen Anteil haben. Bevor man mit einer neuen „Agenda“ neues Unheil anrichtet, sollte man doch eher wieder solide soziale Grundlagen schaffen, damit sich wieder das Gefühl einstellt, dass sich Arbeit und Anstrengung lohnen.
Eberhard Fritz

 

Ich dachte, es hätte sich inzwischen herumgesprochen, dass wir unsere Art zu wirtschaften verändern müssen. Beurteilen wir unsere Wirtschaft weiterhin nach alten Maßstäben, so wird die Analyse stets schlecht ausfallen. Hören wir auf Unternehmer, die nach wie vor auf unbegrenztes Wachstum – ohne Rücksicht auf Ressourcenvergeudung – setzten, und auf Politiker, für die das BIP – unbedacht der Umweltschädlichkeit der Wertschöpfung – der Weisheit letzter Schluss ist, sieht die Prognose selbstverständlich düster aus. Wir brauchen neue Werte, die die Umwelt berücksichtigen, z.B.: Wie ökologisch zuträglich ist eine Industrie? Wie nachhaltig sind die Produkte? Welcher Konsum ist notwendig?

Angesichts des Zustandes unserer Erde ist unverzügliches Umdenken gefordert. Wenn wir warten, bis der letzte Urlauber ungeniert mit Auto, Schiff oder Flugzeug in Umweltkatastrophengebieten landet, ehe er aufwacht, ist es für unsere Kinder und Enkelkinder zu spät. Sehr geehrter Herr Heuser, für die Zustimmung zur AfD können aus meiner Sicht keine Entschuldigungen gelten, schon gar nicht Versäumnisse der Vergangenheit. Es gibt für die Herausforderungen der Gegenwart keine einfachen Lösungen in der Komfortzone. Wäre es nicht auch Aufgabe von Journalisten dies zu vermitteln, statt vieles im Nachhinein besser zu wissen?
Bärbel Kappe

 

Der „Schlaraffenland-„Artikel hat mir mit vielem aus dem Herzen gesprochen. Ich würde allerdings nicht direkt von einem Schlaraffenland sprechen, sondern eher von einem „Möchtegern-Schlaraffenland“, denn es ist natürlich eine Vorstellung oder Wunsch oder Illusion, die mit dem Begriff etwas zugespitzt ausgedrückt wird. Mir ist beim Lesen der theoretisch sogar stimmende, aber vielfach irreführende alte Spruch eingefallen; „Die Wirtschaft ist für den Menschen da, und nicht der Mensch für die Wirtschaft“. Ähnliches könnte man auch für die Politik formulieren oder die Schule oder „die“ XYZ. Nur: Wenn ich solche Weisheiten zu weit im Sinne des Wunschdenkens auslege, verkenne ich, dass alle diese Institutionen kein wunscherfüllender Zaubergeist sind, sondern der Mensch etwas hineingeben muss, um auch etwas herauszubekommen, und zwar umso mehr, je mehr man herausbekommen will. So wie ein Bauer, der beim „für ihn existierenden“ Acker nicht nur abwarten kann, bis dieser seine Früchte abliefert, sondern viele Arbeitsschritte leisten muss, bis diese in seiner Scheune sind, selbst heute nach allem technologischen Fortschritt.

Durch die langjährigen Wohlstandsfortschritte, die viel  für wenig Bürger-beanspruchung versprechenden Wahlprogramme und eine Philosophie des „Erkämpfens  statt Erarbeitens“ von Wohlstand, Bildung, Klimaschutz, Freiheit, steigender Freizeit und Rentendauer und anderem scheint das aber mehr und mehr vergessen zu werden  und allzu vieles bisher genossenes als selbstverständlich genommen zu  werden,  das nicht etwa wieder verloren gehen könnte, wenn man aufhört es immer wieder zu erarbeiten,  sondern nur noch verbessert werden kann, und auch das nicht durch mehr oder neues Lernen, Arbeiten oder neue Prioritäten, sondern allein durch bessere Regierung, „politischen Willen“ oder Beschlüsse, durch Demonstrationen, Streiks etc. etc.

Es schien eine Zeit lang so gut zu funktionieren, wenn man übersah, dass einige Grundlagen allmählich verloren gingen wie die berühmten deutschen Nationalqualitäten von Fleiß, Gründlichkeit, Zuverlässigkeit, Redlichkeit, Organisationstalent, Bildung und technologischer Raffinesse, vor allem all deren Überlegenheit gegenüber denen anderer. Auch übersehen wurde, welche Motoren und Faktoren des Wohlstands eigentlich gar nicht zulässig waren, wie die Ausbeutung von oder Ignoranz gegenüber klima- und umweltschädigender Ressourcen, der zunehmenden Abhängigkeit wie bei russischem Gas oder den so günstigen Zuliefer- oder Endprodukten durch  ausbeuterische oder gar kindliche Arbeit in anderen Ländern.  Manches war also gar keine Frucht unserer Arbeit oder unserer „Genialität“, sondern eine Art „böser Zauber“, eine Gegenleistung für den Verkauf unserer Seele, Werte oder unserer Zukunft. Wenn solche unfairen oder zukunftsvergessenen Methoden bequemer Wohlstandsgewinnung wegfallen, und dazu noch der Anteil der arbeitstätigen, besonders der fachlich versierten, sinkt, ist eigentlich nicht erstaunlich, dass entweder der Wohlstand sinkt oder aber dafür wieder mehr gearbeitet und/oder gelernt werden muss, nicht nur in der Regierung, sondern bei vielen.

Die überoptimistischen Sprüche eines Herrn Scholz sind da nicht mehr durch Realitäten gedeckt, sondern einfach großmäulig, wie das sogenannte „Deutschland-Tempo“, das bisher nur bei den LNG und nur durch Hintanstellen von anderem und durch einmalige massive Mehrarbeit von Zuständigen geklappt hat.  Die allseits geforderten „Zaubermittel“ wie Steuersenkungen oder Subventionen, wer soll die bezahlen, sei es sofort oder durch spätere Tilgung von verzinsten Krediten?  Die nächsten Generationen?  die Inflationsopfer?  Welche staatlichen Schulden sind jemals so schlau investiert worden, dass sie sich durch eine Vermehrung der Einnahmen von selbst bezahlt haben?  Allzu oft geht es bei sogenannten „Investitionen“ ja nicht um Verbesserungen des Staats-Vermögens, sondern bestenfalls um Vermeidung von Verschlechterungen, wie bei der Sanierung von Brücken, Straßen, Krankenhäusern, Schulen etc. etc. Die Ausbildung neuer Lehrkräfte führt nicht zu mehr Einnahmen, sondern bestenfalls zur Verhinderung von — noch schlimmeren — Minder-einnahmen.  Gleiches gilt für die Einwanderung und oft noch Integration und Ausbildung neuer Fachkräfte von weit her, wenn diese nur in Rente gehende bei uns ersetzen.

Die Lern- und Arbeitsmoral, die Investitionen statt Konsumsteigerung, und die größere Bescheidenheit bei der Erwartung von Gegenleistungen dafür, das sind die Dinge, die wir inzwischen bei anderen neu lernen können, wie z.B. die Bereitschaft zu längerer Lebensarbeitszeit bei den Japanern, während manche der o.g. Faktoren des Wohlstands besser nicht kopiert, sondern auch andernorts kritisiert werden sollten.  Und auch erneuerbare Energien brauchen nicht nur Befürwortung, sondern auch viel Arbeit, Akzeptanz einiger Nebenwirkungen wie Anblick der Windräder, und nicht zuletzt Abbau von Bürokratie, selbst wenn dies Inkaufnahme von etwas weniger „Gerechtigkeit“ oder Perfektheit der Berücksichtigung von sonstigen Wünschen bedeutet.
Peter Selmke

 

Der Niedergang der deutschen Industrie, gar der Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Leistung – lediglich gemessen in DE unter allen Industrienationen – geht erschreckend schnell vonstatten. Wie wird Frau Hildegard Müller im betreffenden Artikel oben zitiert: „Wir sind zu oft nur in moralischer Mission unterwegs“ Die Rolle der Medien verdient dabei Beachtung. Und sorry, aber gerade die Online-Ausgabe dieser Zeitung hier spielt, was moralische Überlegenheit angeht, gerne die erste Geige.
Dirk Heinrichs

 

Das Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit wird in diesem Beitrag zu sehr als Besonderheit dargestellt. Das Land lag in Schutt und Asche, und daraus ergab sich eben – verbunden mit der sprichwörtlichen Tüchtigkeit der Deutschen – fast zwangsläufig eine sehr große Wirtschaftsaktivität. Dar Marshallplan trug wesentlich dazu bei. Könnte man das erfolgreiche amerikanische „Inflation Reduction“-Programm vom Effekt her damit vergleichen?

Wenn ich den Artikel überblicke, scheint mir einer der Kernprobleme die mangelnde Nachfrage zu sein. Wenn der Export einbricht, haben wir ein Problem. Die inländische Nachfrage kann, muss man dann ankurbeln. Ich verweise darauf, dass die Unternehmer lange vor der beschleunigten Globalisierung seit dem Mauerfall erkannten, dass sie die Mittelschichten für den Konsum brauchen, also ordentlich entlohnten. Das aber spielt heute kaum eine Rolle, weil es aufgrund der extravaganten Globalisierung genug Konsumenten gibt. Daher sind die Löhne in Deutschland seit Schröder zurückgegangen. Bei deutlich geringerem Globalisierungsgrad (1988 in einem erstaunlich aktuellen Zeit-Interview mit dem damals 95-jährigen ökonomischen Philosophen Adolph Lowe vorausgesagt) müssen die inländischen Konsumenten wieder her – was nebenbei der AfD den Wind aus den Segeln nähme! Wie in der Zeit des Wirtschaftswunders. Damals war der Globalisierungsgrad noch relativ gering.

Ich räume aber ein, dass eine Rolle rückwärts bei der Lohnquote aufgrund der heutigen Mobilität vieler Unternehmen genauso problematisch sein kann als hohe Energiekosten im Vergleich zu anderen Regionen. Das ist wie bei der Büchse der Pandora. Lowe sagte das Richtige dazu: Autarkie (von Weltregionen) kann sich nur durchsetzen, wenn sie produktiver ist als die internationale Arbeitsteilung.
Rob Maris

 

Mit dem Land stimmt etwas nicht mehr‘. Etwas? Vieles! Im Artikel werden viele bestürzende Phänomene eruiert – aber wie ist Deutschland zum Schlaraffenland degeneriert? Es werden Lösungswege aufgezeigt – nur, Ursachenanalyse kommt vor Lösungssuche! Und die Ursachen sind noch tiefer angelegt: kein Wort von der Untouchable! – die (Haupt-)Verantwortlichen werden nicht genannt. Ja, wer hatte lange Zeit die Regierungsverantwortung inne? Und was war das politische Credo? „Deutschland ist ein Land, in dem man gut und gerne lebt “ zu gerne von der Spaßgesellschaft als Schlaraffenland verstanden. Und in dem Mutti von der Substanz zehrte (Agenda 2010). Das persönliche Motto lautete jedoch: wie gewinne ich die nächste Wahl?  Von wegen Amtseid!

Und die ‚Fachminister‘? Wie fragte Frau Matthäus-Maier Anfang der 90er:  „Bangemann, Haussmann, Möllemann, wann kommt endlich mal ein Fachmann? „Mutti versorgte ihre Brävsten und Loyalsten mit Ministerposten: Kabinett der Ahnungslosen im Traineeprogramm! Literarisch: „Wie es euch gefällt“ in der Innenpolitik – „die Biederfrau und der Brandstifter“ in der Außenpolitik! Zumutungen wie „Maßhalten!“ (L. Erhard), Nachrüstung (H. Schmidt)? – von wegen! (Wirtschafts-)politische Zumutungen hätten Stimmen, Amt und Macht gekostet!

So endet das Stück von der ‚guten‘ Frau von Uckermark: „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen / Den Vorhang zu und alle Probleme (gr. Fragen) offen.“ Nun muss der grüne Trümmermann die ungeliebten Themen anpacken, dabei Fehler riskieren (nur wer nichts macht, macht keine Fehler!), um dann von etlichen Mitverursachern kartätscht zu werden. Und dabei das Lindnerblatt auf der Schulter kaum schützen kann. Wenn nun der noch risikoscheuere Kanzler von Zeitenwende spricht, sollte er doch im gleichen Atemzug auch “ Mentalitätswandel“ fordern (gr. menis: MUT!) Nun fragen sich die Ökonomen: „Kleines G7- Land, was nun? -Vielleicht eine Roman- Herzogsche Ruckrede – von wem wohl?
W.M Fritzen-Winkel

 

Im Schlaffenland wird sich nichts ändern. Auch so lange nicht wie die seriösen Medien, wie Die Zeit, zurückschrecken über die Ursachen, statt über die Wirkungen der Probleme zu schreiben, zu berichten. Stefan Kooths, Forschungsdirektor am Institut für Weltwirtschaft in Kiel weiß, woran die deutsche Wirtschaft leidet: „Die dauerhaften Problemen, die dicken Seile, die den Riesen Deutschland lähmen und fesseln (sind) die Bürokratie, die Energiekosten, die Steuern und der Fachkräftemangel.“ Diese Aufzählung wiederholen die Medien seit Jahren mit faszinierender Ausdauer.

Die Berichterstattung über die Ursachen bleibt sparsam. Um bei einem Problem, den Steuern, zu bleiben: Über diese ließe sich mit dem konservativen, der Wirtschaft nahestehenden Institut und den demokratischen Parteien trefflich streiten. Vielleicht könnten sogar einige Ursachen der finanziellen Dauerkrise Deutschlands genauer analysiert werden. Grundprinzip einer demokratisch verfassten Gesellschaft sollte es sein einer rasant steigenden Ungleichheit der Lebensbedingungen der Bevölkerung entgegenzutreten. Das wissen sicher nicht nur SPD und die Grünen. Nichts Substantielles wird geschehen solange die SPD und die Grünen ihre Zukunftsversprechen selbst untergraben. Beide Parteien brauchten sich nicht den Kopf zu zerbrechen, um ein Steuersystem einzuführen, das die rapide wachsende Vermögens- und Einkommensungleichheit stoppen würde. Thomas Piketty hat es in seinem in Wirtschaftskreisen Furore machenden Buch Das Kapital im 21. Jahrhundert (2013) mit Alternativen und Durchsetzungsstrategien für jedermann verständlich beschrieben.

In 40 Sprachen übersetzt, wurden zweieinhalb Millionen Exemplare dieses Buches innerhalb der letzten zehn Jahre weltweit verkauft. Im Wirtschaftsministerium von Robert Habeck scheint es ungelesen zu bleiben. Spuren hat es jedenfalls nicht hinterlassen. Piketty analysiert anhand weltweiter Daten, dass die sozialstaatlichen Errungenschaften in Europa sowie die Investitionsmittel in Nordamerika im 20. Jahrhundert hauptsächlich der progressiven Besteuerung von Einkommen aus Arbeit und Kapital, von Erbschaften und Schenkungen zu verdanken sind. Einkommenssteuern auf Kapital in den USA lagen in den 1980er Jahren bei 70 %. Mit Reagan sanken sie bis 1988 auf 28%. In der Bundesrepublik lagen die Steuern auf Kapitaleinkommen in den 1980er Jahren bei knapp 60%. Sie sind bis 2023 mit großem Engagement nicht nur der Großen Koalition auf 25% gesunken. Gleichzeitig mit dem sinkenden Steuersatz stieg der Anteil am Nationaleinkommen der obersten 10% der Bevölkerung in den USA und Westeuropa radikal. Die neoliberale Begründung aller Regierungsverantwortung tragenden Parteien für die sinkenden Steuersätze: Sie sollten die Produktivität ankurbeln. Das hat sich nicht bestätigt. Im Gegenteil, gesamtwirtschaftlich lässt sich eine Produktivitätssteigerung nicht einmal nachweisen, wie Piketty in seinem Buch aufzeigte.

Aber Konzernchef Leonhardt Birnbaum von E.on weiß, worauf die Rettung der Menschheit wartet: Innovation. Aufschlussreicher versichert er an anderer Stelle: „Es gibt für mich keinen Widerspruch zwischen Ethik und Profitabilität, im Gegenteil. Ich muss mich auch für nichts rechtfertigen abends.“ Hätte Chefredakteur Giovanni di Lorenzo vor seinem Interview mit dem Konzernchef im Internet einen Blick auf E.on geworfen, hätte er für die Leser anders über Ethik berichten können oder Leonhardt Birnbaum ein paar tiefergehende Fragen zu Ethik und Profitabilität stellen können.

Die vielzitierten Boni und Spitzeneinkommen der Führungskräfte der Wirtschaft sind auch in Deutschland ins Schamlose gestiegen: 2022 kassierte Leonhard Birnbaum als Vorstandschef von E. on 5,375 Millionen €. Das waren rund eine Million € mehr als 2021. Der Mindestlohn in Deutschland schoss von 9,82 € / Stunde 2022 auf 12 € seit Oktober 2022 hoch. „Dafür haben wir Gewerkschaften lange und erfolgreich gekämpft,“ verkündet der Deutsche Gewerkschaftsbund stolz. Um das 2022-Einkommen des E.on-Chefs zu erreichen, müsste der Mindestlohnempfänger 447.917 Stunden arbeiten. Bei 40 Stunden / Woche und in Berlin bei 253 Arbeitstage / Jahr wären das 2024 Arbeitsstunden / Jahr. Der Arbeiter müsste 221 Jahre also bis zum Jahr 2244 arbeiten, um das Einkommen eines Jahres des Chefs von E.on zu verdienen. Dieser Chef muss sich für nichts rechtfertigen, wie er in dem Interview Giovanni di Lorenzo dem Chefredakteur der Zeit anvertraut. Sicher hat er über Einkommensgerechtigkeit am Abend nachgedacht als er nach Hause kam.

Der Vorstandschef des Staatsunternehmens Deutsche Bahn Richard Lutz kassierte für die Leitung der Bundesbahn im Jahre 2022 laut Geschäftsbericht 2,24 Millionen €. Sein Grundgehalt lag bei 970 000 €. Hinzu kam sein Bonus von mehr als 1,26 Millionen €. Das macht 4.470.000 € für das eine Jahr. Damit verdoppelt er sein Einkommen gegenüber 2021. Aber der unbekannte Mindestlohnempfänger müsste dafür 372.500 Stunden arbeiten. Er brauchte nur 184 Jahre, um das 2022-Einkommen des Bahnchefs Richard Lutz zu verdienen.

Die Ampelkoalition kämpft vermutlich Seite an Seite mit den Gewerkschaften „lange und erfolgreich“, um Einkommensgerechtigkeit durchzusetzen. Egal ob aus Sicht des Mittelstandes, der Mindestlohnempfänger oder der auf Sozialhilfe Angewiesenen, die Glaubwürdigkeit der Demokratie untergräbt nicht allein die Alternative für Deutschland.
Walther Grunwald

 

Deutschland befindet sich schon lange auf einer schiefen Ebene mit steigender Rutschgefahr nach unten. Die aktuelle Situation und Entwicklung hat eine lange Vorlaufzeit. Beispiel Fachkräftemangel: Das deutsche Bildungssystem gehörte mal zu den besten der Welt und brachte Spitzenkräfte und gute Handwerker hervor. Es wurde kaputtreformiert. Wer will heute noch Lehrer/Lehrerin werden? Bildungspolitiker behielten ihre ideologischen Brillen auf und weigerten sich konsequent, (neue) Realitäten an den Schulen wahrzunehmen. Um sich in Sonntagsreden sonnen zu können und gute Zahlen sprechen zu lassen, senkte man die Niveaus immer weiter ab. Keiner sollte mehr ohne Schulabschluss sein. Handwerksbetriebe, Dozenten und Professoren an Universitäten können seit Jahren ein Lied von den fatalen Konsequenzen solcher Manipulationen singen. Hilfe- und Warnrufe von der Basis ignorierte man. Man vertraute lieber der eigenen Weltanschauung oder beugte sich schnell dem Verdikt des Finanzministers, für den in der Regel die Investitionswünsche in die Bildung nicht finanzierbar waren, weil er andere Prioritäten hatte. Seit den 80er Jahren wird immer wieder mal über ein Einwanderungsgesetzt diskutiert und gestritten. Zustande gekommen ist bisher keines, in der Regel scheiterte es am Veto der Union. Beispiel Energiewende:

Angela Merkel läutete mit großem Tamtam nach Fukushima eine solche Wende ein. Passiert ist dann wenig bis nichts. Ihre Minister versuchten wortreich, die Konzeptionslosigkeit und den fehlenden politischen Willen zu kaschieren. Das Ergebnis war unter anderem der wirtschaftliche Knockout der jungen Solarindustrie in Deutschland und die Stärkung der Solarentwicklung in China. Beispiel Autoindustrie: Obwohl man seit Jahrzehnten darum weiß, dass die Entwicklung des Individualverkehrs mit Verbrennermotor an Grenzen kommen würde, ignorierten das die deutschen Autobauer lange Zeit und setzten auf Altbewährtes. Der Pflegenotstand und die Klimakrise sind weitere Beispiele für langjährige Realitätsverweigerungen. Leider werden in krisenhaften Veränderungen nicht mehr die Chancen für die Zukunft gesehen. Wer heute an den Lösungen der sich abzeichnenden und zuspitzenden Problemen von morgen arbeitet, hat etwas zu bieten.
Bernd Schmidt

 

Unternehmen – das sind doch diese Einrichtungen, die ihre Mitarbeiter ausbeuten, die Umwelt vergiften, Steuern hinterziehen und ihre Kunden besch… ? Nein, sowas wollen wir hier nicht haben. Fragen Sie sich doch mal bitte, was Ihre Berichterstattung in den letzten mindestens 15 Jahren zu dieser Haltung beigetragen haben könnte. Ansonsten eine gute und treffende Zustandsbeschreibung. Nur wird leider nächste Woche wieder eine andere Schweineherde durchs Dorf getrieben und die ZEIT beklagt dann, dass wieder eine hochwertige Wiese einer Industrieansiedlung weichen muss.
Holger Grünewald

 


Leserbriefe zu „Keine Alternative“ von Mark Schieritz

Wieviel von dieser angeblichen „Mäßigung“ der kriminellen und lügnerischen Rechts(dr)außenhetzer zu halten ist, lässt sich für Italien im Interview mit Herrn Saviano auf Seite 4 nachlesen. Erst schnappen sie sich die Medien und dann die Justiz und danach können Rechtstaat und Demokratie einpacken und die (Polit-)Mafia hat endgültig freie Bahn. Thomas Manthey

 

„Die AfD ist eine Protestpartei“, gut dass die Zeit das differenziert bilanziert und nicht das Menetekel von 20 % stramm Rechtsradikaler zeichnet. Sonst hätte Herr Haldenwang auch längst seine Truppen mobilisiert. Symptomatisch für Protest ist, dass er auch genauso schnell verraucht. Lebenselixier der AfD ist die (jahrelang bagatellisierte) Flüchtlingsmisere. Obwohl die Aufnahmekapazitäten längst am Limit sind, kommen aus Berlin nur Beschwichtigungstöne und Attentismus. Die AfD kann es kaum fassen. Sie “ erntet, ohne gesät zu haben“. Deren Erfolgssträhne würde erst mit einer fundamentalen Neuordnung des Flüchtlingssystems enden. Wahrscheinlich muss man sich von den hehren Zielen der Nachkriegszeit verabschieden, weil sonst der innere Frieden gefährdet ist. In Europa vermutlich sogar mehrheitsfähig. Dann ist die AfD auch keine Gefahr mehr für Deutschland. Vermutlich aber ein Marathon.
Christoph Schönberger

 

Für mich steht „AfD“ für „Alptraum für Deutschland“. Hans Gliss

 

Es ist richtig, die AfD in einem Leitartikel der ZEIT zu thematisieren. Sie weitgehend zu ignorieren hat sie nicht kleiner gemacht. Es ist richtig, auf die Verantwortung der Wähler hinzuweisen. Sie sind es, die mit einer entsprechenden Stimmabgabe den Einfluss dieser sich immer weiter nach rechts radikalisierenden Partei bestimmen. Die Wähler zu schonen und ihre Verantwortung nicht klar zu benennen, lässt den Boden für die AfD erst richtig fruchtbar werden. Es ist richtig, darauf hinzuweisen, dass ein realer Einfluss der AfD auf die Politik in Deutschland einen großen Schaden für unser Land und eben auch für ihre Wähler bedeuten würde. Unser Wohlstand basiert auf Internationalität der Ökonomie und der Politik und auf unserem hohen Ansehen in der Welt als zuverlässige Demokratie. Das ist das Narrativ, mit denen die demokratischen Parteien immer und immer wieder die Wähler ansprechen sollten.
Reinhard Koine

 

Natürlich funktioniert der Kapitalismus auch ohne moral- ganz einfach, weil er eo ipso keine hat! Dafür brauchte es nicht erst Trump. Ob die AfD eine Partei für oder gegen Deutschland (welches eigentlich??) ist, sei mal dahingestellt. Aber mir – und vielen anderen- will nicht in den Kopf, dass man ernsthaft meint, eine Partei (& auch deren Wähler??) mit Brandmauer – Geschwurbel oder Parteiverbotsverfahren zu erledigen! Was eine Hybris & ein Fehler! Auch die Grünen wurden seinerzeit als Apologeten des Unterganges bezeichnet- heute sitzen sie bräsig & mit Steuergeld geschminkt & bekleidet in Ministerien! Nichts wird in der Politik (wie in der Küche) so heiß gegessen wie gekocht. Etwas mehr Gelassenheit & Ratio und evtl auch teilhabe wäre angeraten – sonst geht ohne die AfD auch auf Bundesebene nichts mehr! Integrieren statt diffamieren.
P. Roetzel

 

„Die AfD ist eine Protestpartei… gewählt aus Unzufriedenheit mit der etablierten Politik“, heißt es in Ihrem Artikel. Ich erlaube mir drei Fragen: Wie viele Leserinnen und Leser lesen DIE ZEIT… und werden doch nicht schlauer? Wie viele AfD Wählerinnen und Wähler leben in den Vorstädten, auf dem Land, oder haben keine würdige Wohnung, keinen Kitaplatz, keine gute Bildungsaussicht für ihre Kinder oder keinen Einfluss auf Entscheidungen über die Verteilung von Menschen aus fremden Ländern…? Wann werden diese Menschen weniger/keinen Grund mehr haben, gegen die christliche, freie, grüne, sozialdemokratische Politik zu protestieren? Leider wird die AfD gewählt; schließlich leben wir in einer Demokratie nach dem Willen des Volkes… mit einem Grundgesetz! Unser Land braucht dringend eine andere Politik, damit diese Partei verschwindet!!
Klaus Busch

 

Mark Schieritz meint, dass sich die AfD zunehmend radikalisiere. Dies mag er gerne glauben und seiner Meinung nach müsste die AfD mittlerweile wahrscheinlich die NPD rechts überholt haben. Was Schieritz allerdings nicht darf, ist falsch oder ungenau zitieren. Björn Höcke hat nicht gesagt, dass „die EU sterben müsse“. Er sagte, dass „diese EU sterben“ müsse. Kann man sich übrigens bei Youtube anhören. Ich denke, nicht sehr viele Menschen in Deutschland sind mit der EU in ihrem jetzigen Zustand zufrieden. Ich erwarte nicht von der ZEIT, dass sie diesen Leserbrief veröffentlicht. Ich erwarte allerdings, dass die ZEIT den Autor korrigiert. Mich wundert es übrigens nicht mehr, dass die AfD an Zustimmung gewinnt, wenn Journalisten nicht sachlich berichten, sondern hetzen und Zitate verändern.
Rolf Schikorr

 

Im Artikel bezeichnet der Verfasser die AfD als nationalistischen Patriotenverein. Nach meiner Ansicht kann ein Nationalist nie Patriot sein! Zitat aus „Über Nationalismus“ von George Orwell von 1945, auf deutsch veröffentlicht bei DTV: „Patriotismus ist von Natur aus defensiv, militärisch wie kulturell. Der Nationalismus hingegen ist untrennbar mit dem Streben nach Macht verbunden.“
Thomas Schmitter

 

Nicht die AfD bringt den Standort Deutschland in Gefahr, denn die AfD regiert nicht in Berlin; diesen Part der Standortgefährdung, den hat längst die Ampel aus Berlin übernommen! Und diese Ampel schlägt unter der Federführung von Robert Habeck (Kinderbuchautor) weiter ganz, ganz wild aus und um sich!
Riggi Schwarz

 

Die AfD mal wieder als Schreckgespenst für die Demokratie – sehr einfallsreich. Die Argumente sind nicht wesentlich neu und woran der Autor die zunehmende Radikalisierung festmachen will, ist äußerst „dünn“. Wenn der Spitzenkandidat der AfD für das EU-Parlament, Maximilian Krah, von EU -/ Brüssel – (Straßburg nicht zu vergessen!) von einem „bürokratischen Monster“ spricht, hat er schlicht recht. Ein gewisser Herr Stoiber als ehemaliger Bayer. Ministerpräsident wollte ja diesbezüglich mal in Brüssel „aufräumen“, habe ich spürbare, wesentliche Erfolge verpasst? – dann bitte ich nachträglich um Aufklärung. Natürlich verdankt die AfD ihren Aufschwung dem bürgerlichen Lager – wem denn bitte sonst?! Dass manch fragwürdige Äußerungen gefallen sind – ja und? Es war Parteitag, da wird’s auch mal heftiger und emotionaler. Haben Sie schon mal bei den Parteitagen der Grünen und Linken genau reingehört? War da immer alles lupenrein bezüglich unserer bürgerlichen Vorstellungen von selbstbestimmtem freiheitlichem Leben? Hinzu kommt noch, dass Herr Haldenwang als (neutraler?) Behördenchef des Verfassungsschutzes ein gefährliches und einseitiges Spiel zugunsten der amtierenden Regierung spielt. Man muss anscheinend nur den Regierenden in den „politischen Kram“ passen, dann geht sehr viel – gegen die AfD.

Der Vorgänger, Herr Maaßen, hatte diese Gunst nicht. Der war dann auch schnell weg – klar – falsche rechte Seite und nicht links-(grün)-liberal. So sieht also neuerdings verfassungskonforme neutrale Behördenpolitik aus? Wie wäre es mit einer sachlichen Aufzählung all der Punkte, die Merkel, Seehofer, Scholz – und jetzt Scholz, Habeck, Lindner – um nur die Spitzen zu benennen – in den letzten 7 – 8 Jahren stur, rechthaberisch, dilettantisch, beratungsresistent in den Sand gesetzt haben? Die Stichpunkte lauten: Asyl, Migration, Energiewende, Heizungsgesetz, Wirtschafts-/ Industriepolitik, Bundeswehr, Agrarpolitik etc. Es sind die Mehltaujahre der alternativlosen Merkel-Politik und die dilettantische Politik der jetzigen Regierung, die die Bürger ins AfD Lager treibt. Und das mit „Kohl Sehnsucht“ ist ja nun wohl – Entschuldigung – völliger Quatsch. Eine Mehrzahl von Bürgern will positive Perspektiven bezüglich ihrer Arbeitswelt und damit verbunden ihrer Erwerbs- und Existenzmöglichkeiten. Das treibt die Bürger zu Recht um! Dass Schulen wieder Bildung vermitteln und nicht durch zu viele Migranten am Bildungsauftrag scheitern.

Die AfD ist an diesem Schlamassel definitiv nicht schuld. Sie tut das, was eine gewählte Oppositionspartei tun muss – nämlich mit Schärfe und auch Zuspitzung auf die politischen Verfehlungen der Regierung(en) aufmerksam machen. Und sie wird damit hoffentlich – und im Rahmen unserer Gesetze – weiter machen – können! Und für CDU-/CSU wird es bundespolitisch höchste Zeit, sich endlich vom „AfD Trauma“ zu befreien. Wenn man in Deutschland eine rechts-konservative Regierung als Chance für dieses Land sieht, dann wird’s schnellstens Zeit, parlamentarische Gemeinsamkeiten und Möglichkeiten ernsthaft auszuloten. Dann wird man auch zügig sehen, ob mit der AfD demokratische Parlamentsarbeit möglich ist. Feigheit vor dem politischen Gegner – auch wenn er AfD heißt – ist auf Dauer keine Option. Das zementiert bestehende (schlechte) Verhältnisse und blockiert das Land.
Reinhard Mayer

 

Jetzt bangt ausgerechnet die ZEIT um den Standort Deutschland. Außergerechnet die ZEIT, die dem industriefeindlichen, rot-grünen Meinungstrend wie ein Rüde einer läufigen Hündin hinterherrennt! Aber den Grund für diese Befürchtung haben sie ja längst ausgemacht. Die AFD, na wer sonst gefährdet den Standort Deutschland! Das passt zwar ins ideologische Schema der ZEIT, ist leider aber falsch. Nicht die welthöchsten Energiekosten und eine zunehmend ausufernde Bürokratie, nicht unverhältnismäßige Umweltauflagen, die jeder Fledermaus mehr Rechte einräumt als 100 Arbeitsplätzen sind die Ursachen, nein es ist das dumme EU-Austrittsgerede der AFD, das außer der ZEIT niemand auf der Welt ernst nimmt. Dieser Leitartikel von Mark Schieritz ist ein einziges, faktenloses Geschwafel gemischt mit Plattitüden wie Deutschland ist ein Exportland. In 50 Jahren Leserschaft habe ich selten so ein Unsinn auf der Titelseite gelesen. Auch mit diesem Artikel der Ursachenverdrehung, bedient die ZEIT nur ihre eigene Klientel und rollt, wie die politischen Parteien auch, der AFD den roten Teppich aus.
Bernhard Jung

 

Die Regierungsparteien im absoluten Tief und die Unions-Opposition in allgemeiner Ablehnung beim Volk. Nichts ist offensichtlicher, als dass sich die Menschen nach Politiker sehnen, die ihre Interessen vertreten. Eigennutz von Parteien und Politikern sowie Belehrungsprozesse von Weltrettern prasseln auf das Volk ein. Das Instrument des Bangemachens und der Endzeitpolemik wird von allen benutzt, und man wundert sich dann, dass sich das Wählervolk abwendet. Auch wenn ich bei einigen unbeliebt machen sollte: Unser Verteidigungsminister schein wirklich der Einzige zu sein, der anpackt, einen Plan hat und Ziele klar aufzeigt. Alle anderen Gestalten betreiben einen planlosen Eiertanz, wobei versucht wird, es allen Seiten recht zu machen. Die AfD ist momentan die einzige Partei, die sagt, was nicht gefällt, was schlecht ist und was verändert werden muss. Zwar sollten sich die anderen Parteien nicht die Inhalte ihres Programmes anschauen, aber das konsequente Vorgehen mit Zielen.
Kurt (Curd) Nickel

 

Seit 10 Jahren gibt es das Narrativ, dass die AFD eine Protestpartei ist. Sie ist es nicht oder nicht mehr. Sie ist in der Mitte der Gesellschaft fest verankert. Egal welches Etikett (verfassungsfeindlich, rechtsextrem etc.) ihr verliehen werden, ihre Anhänger stört es überhaupt nicht, im Gegenteil. Ähnlich wie ein Trump kann sich die AFD fast alles erlauben, eine Art von Apotheose. Die Regierung und die bürgerliche Opposition schauen zu, die Mittel sind jedoch begrenzt. Dennoch müssen die Demokratie und ihre Vertreter zu jeder Zeit Widerstand zeigen und die AFD bei jeder noch so kleinen Gelegenheit mit der Realität konfrontieren und ihre demagogischen Versprechen ad absurdum führen. Das kostet Mühe, ist aber wesentlich besser und notwendiger als sich permanent zu streiten. Auch Reichskanzler Franz von Papen hatte 1933 geglaubt, Hitler und seine Schergen zähmen zu können. Es war zu spät.
W. Scheer

 

Schieritz formuliert eine, seit Jahren bekannte und in ihren Erkenntnissen verfestigte, weil zutreffende Beschreibung der AFD. Wenn aber auch die Gefahr, welche von dieser Partei ausgeht, für unser Gemeinwesen groß ist, ist sie im demokratischen Sinne legitim. Es steht weder der Politik noch der Öffentlichkeit zu, auch eine Absurdität von Meinung im Spektrum demokratischer Meinungsvielfalt ständig und überzeichnend als Gefahr zu diskreditieren, auch weil journalistische Absurditäten zu respektieren sind. Gerade die Häufung und eine überbordende Kenntlichmachung dieses latenten Schwachsinns der AFD zeigen die natürlichen Folgen bei einem, immer größer werdenden Anteil apolitischer Ignoranz und allgemeiner Unzufriedenheit auf.

Dabei wird man an das Zitat der Holocaust-Verfolgten Irene Weiß erinnert, dass nicht der Einzelne, aber die Menschheit gerade wegen solcher Entwicklungen mit Misstrauen und Verachtung zu betrachten ist. Nicht die AFD, sondern das wachsende, allgemeine Unvermögen wird zum Problem. Die AFD bedient sich lediglich der Vergleichbarkeit mit anderen Parteien und ihrer sektoralen, Klientel bezogenen Politik. Nicht eine Meinung trägt zur Zerstörung einer Demokratie bei, nur das politische Versagen ihrer selbstberufenen Verantwortlichen.
Jürgen Dressler

 

Vor etwa 90 Jahren hatte die NSDAP immer größeren Zulauf. Wir erleben Ähnliches mit der AfD heute. Ich hoffe, dass wir nicht in ein paar Jahren wie Berthold Brecht feststellen müssen: „Wir wollen nicht mehr streiten, ob wir die Macht ausnutzten, als wir sie hatten, jetzt haben wir keine Macht mehr.“
Ingwer Nommensen

 

Die Wahl der AfD wäre nicht nur eine Alternative gegen Deutschland sondern – viel schlimmer – eine Verhöhnung unserer demokratisch gefestigten Nation. Von rassistischen, antisemitischen, fremdenfeindlichen und rechtsradikalen Kräften durchdrungen ist diese Partei für Deutsche eigentlich unwählbar. Eigentlich! Leider gibt es in anderen europäischen Ländern wie Frankreich, Italien und Spanien ähnlich strukturierte Parteien die – zu mindestens – nicht so radikal wie die AfD sind. Und die Partei von Marine le Pen in Frankreich ist inzwischen politisch klüger geworden da sie den Austritt aus der EU nicht mehr fordert. Da ist die AfD politisch noch hinter dem Mond -Gott sei Dank. Wenn jetzt die Angst der Deutschen vor wirtschaftlichem Niedergang als Mittel ins Blickfeld geschoben wird, um die Wahl einer Partei mit untauglichen, besser gesagt lächerlichen wirtschaftspolitischen Plänen zu verhindern, ist das auch ein Weg, um das Erstarken der AfD zu verhindern.

Politisch gewichtiger und gefährlicher bleibt aber ihr katastrophales geschichtliches Verständnis Deutschlands unter Hitler und das Anbiedern an das totalitäre Russland unter dem Kriegsverbrecher Putin. Was wir leider immer noch nicht wissen, ist, ob nicht ein Teil der deutschen Eliten und des „gutbürgerlichen“ Lagers die AfD nur als notwendiges Übel betrachtet, um die Defizite der etablierten Parteien anzuprangern oder ob da nicht doch heimliche Sympathien vorhanden sind. In Frankreich gibt es jede Menge politische Meinungen / Stellungnahmen von kompetenten Journalisten, Soziologen Philosophen im Fernsehen. Deutschlands geistige Eliten dagegen sind entweder im ewigen Schlaf oder trauen sich genauso wenig wie die Vertreter der etablierten Parteien, klare Positionen gegen die AfD zu beziehen. Fürchtet man einen Zusammenhang oder Ähnlichkeit zwischen dem Erstarken der NSDAP unter Hitler vor fast 100 Jahren und der Entwicklung der AfD zu erkennen und das wäre ihnen doch zu peinlich darüber zu sprechen?
Klaus Reisdorf

 

Sprich „nicht mit den Schmuddelkindern“, hör „nicht ihre Lieder…“!? Gehört es nicht zum Wesen einer Demokratie, dass jeder Bürger seine Meinung frei äußern kann, dass man ihm andererseits auch zuhört, außer er predigt Hass? Zur Zeit Willy Brandts gab es mal das Zauberwort: Wandel durch Annäherung – nicht Ausgrenzung! Wiederbeginnen sollte man damit in den Gemeinden, dort, wo Mitbürger ihren gewählten Abgeordneten auf die Finger, quasi ins Wohnzimmer der Politik schauen können! Wo mit knappen Etats Lösungen für lokale Probleme gefunden werden müssen. Da bleibt kein Spielraum für ideologisches Aufplustern, für künstliche Unvereinbarkeitsbeschlüsse, ersonnen in den höheren Politetagen!

Jeder, auch die Mitglieder der etablierten Parteien, weiß doch im Grunde, dass die Gemeinden und die einheimische Bevölkerung nicht mit Dauerimmigration überfordert werden dürfen, auch wenn die zahlreichen Migrations- und Integrationsbeauftragten das natürlich ganz anders sehen, dass nicht jeder Haushalt par ordre de Habeck auf die Schnelle eine Wärmepumpe einbauen, dass die Erderwärmung nicht von einem kleinen Land aufgehalten werden kann, sondern dass dies eine weltweite solidarische Mammutaufgabe ist, dass … Übrigens, s. Beitrag „Keine Alternative“: Deutschland ist nicht nur Wirtschaftsleistung, sondern genauso auch Kultur, Kunst, Geschichte, Sprache, Erfindungsgeist!

Wenn schon zwischen den Abgeordneten ideologische Gräben aufgerissen, wie soll dann die immer tiefe gehende Spaltung der Gesellschaft überwunden werden? Sie kann nur überbrückt werden durch Gespräche ohne Vorbedingungen, immer und immer wieder, zwischen allen Abgeordneten, die vor jeder Parteidisziplin nur ihrem Gewissen verpflichtet sind – zum Wohl unseres Landes und unseres Volkes -; die sich grüßen, die Hand reichen und auch mal ein Bier miteinander trinken können (natürlich ohne die jeweilige Parteikasse zu belasten!) Steter Dialog schleift die scharfen ideologischen Kanten ab! Selbst Mohamed Amjahid und Alice Weidel (s. Martenstein-Kolumne im ZEITmagazin) könnten miteinander sprechen, wenn beide willens wären, sich aufmerksam zuzuhören und die Körnchen Wahrheit in den Äußerungen des Gesprächspartners zu entdecken, die Grundlage für einen fruchtbaren Dialog sein könnten! Und wenn’s nur um den Austausch von Kochrezepten geht! Wandel durch Annäherung eben!
Ulrich Pietsch

 

Wer, wie die AfD, die Europäische Union zerschlagen will ohne Alternativen aufzuzeigen, ist nicht nur zutiefst destruktiv, sondern handelt auch nicht im Interesse Deutschlands. Das Projekt EU hat uns nach dem 2. Weltkrieg, für mehr als 75 Jahre, Frieden, Freiheit und Wohlstand gebracht, wogegen jene 75 Jahre von 1870 bis 1945 von 3 Kriegen in Europa geprägt waren. Bei aller Kritik, die man durchaus an Brüssel haben kann, ist die Europäische Union eine einmalige Erfolgsgeschichte. Auch der in der AfD vorherrschende Anti-Amerikanismus ist fehl am Platze, denn es waren die verantwortlichen Politiker der Vereinigten Staaten, die uns Deutschen nach 1945 die Demokratie „geschenkt“ haben. Die AfD ist in der Tat eine Gefahr sowohl für unsere offene Gesellschaft als auch für den Standort Deutschland, da sie die freiheitliche Ordnung unserer Demokratie benutzt, um selbige abzuschaffen. Ein „déjà vu“, welches gut 90 Jahre zurückliegt?
Jürgen Rohlfshagen

 

Es mag ja durchaus sein, dass die Verwirklichung der europapolitischen Vorstellungen der AFD ein Desaster für den Wirtschaftsstandort Deutschland wäre. Trotz ihrer zurzeit hohen Umfragewerte ist eine Regierungsbeteiligung oder gar Regierungsübernahme durch die AFD eine eher fiktive Annahme. Keine Fiktion jedoch, sondern traurige Wahrheit ist, dass es diese Partei auch gar nicht braucht, um das von Schieritz beschworene Niedergangs-Szenario Wirklichkeit werden zu lassen. Das schafft unsere derzeitige Regierung mit ihrem Wirtschaftsminister ganz von allein. Mark Schieritz attestiert Trump eine irrationale Wirtschaftspolitik. Was unterscheidet sie aber in dieser Hinsicht von der Politik unserer „Fortschrittskoalition“?
Ernst-Peter Hoffmann

 

Es ist ja schon x-mal erklärt, dass die AFD ein wilder, ungeordneter und (selbst-)zerstörerischer Haufen ist, eine unappetitliche Sammlungsbewegung, evtl. vergleichbar mit derer von Trumps Anhängerschaft, die nur ein Ziel hat, aus Deutschland und dem EU-Europa einen „Herd des Flächenbrandes“ zu machen, um „national gestärkt“ besser da zu stehen als jemals zuvor. Dabei ginge es denen um „Freiheit, Wohlstand … und solchen Dingen“? Wer glaubt das, vor allem, wenn man sich die BREXIT-Erfahrungen vor Augen führt? Dabei ist bekannt, wie vor mehr als 10 Jahren die noch liberalen Kräfte um den damaligen Parteigründer – mit zwar auch kruden Ideen des überflüssigen EU-Europa usw. – weg gemoppt wurden. Wer das nicht versteht oder verstehen will oder überhaupt zur Kenntnis nehmen will (mehr als die Hälfte aller Sympathisanten jetzt), sollte sich vor den Spiegel stellen, um zu erfahren, WER bin ICH und WAS will ICH überhaupt. Gut wäre es, all die verschwänden aus Deutschland. Bemerkenswert nur Merz/CDU von vor ein paar Tagen: Die AFD ist demokratisch gewählt, das haben wir zu respektieren! Deshalb das OK zur kommunalen Zusammenarbeit. Wo ist da Merzens Geschichtsbewusstseins: Auch die NSDAP war demokratisch gewählt.
Rainer Rehfeld

 

Bei manchen Leuten gibt es Tendenzen / zu schließen für Menschen alle Grenzen.

Zum Erhalten, abzugrenzen, / den Umgang mit andern zu beschränken.

 Es kümmert kaum, dass andre sterben, / die andern sollen nicht miterben,

sie sind für das „im Meer ertrinken“, / in Lagern elend sie soll´n versinken.

 Sie leugnen das Prinzip des Lebens / Die Menschenrechte für sie vergebens.

Wenn auch gute / böse Taten / gespiegelt kommen, man muss kaum warten.

 Macht man den Menschen Freude gar, / Retouren werden sehr oft wahr.

Doch Böses, das erzeugt die Rache / es pflanzt sich fort, was ist dann Sache.

 Dazu gehört das Foltern, Quälen, / ich brauche weiter nicht erzählen.

Ich find´ das alles widerlich, / Die Abscheu sei nicht hinderlich.

 All´ unser Tun beginnt im Kopfe, / bevor ich auf den Putz erst klopfe.

Des Menschen Haltung ist verständlich, / wenn nur Privates ist verwändlich.

 Doch wo wir uns auch wehren müssen, / es geschieht nicht nur mit Küssen.

Das Unheil wird uns dort ereilen, / wo wir dann jedenfalls verweilen.

 Wenn wir die Werte woll´n behalten, / danach das Leben so gestalten:

Das Wehren ist ein Stück Natur, / gefressen werden wir sonst nur.

 Die AfD frisst unsre Werte radikal,/ von innen langsam jedes Mal.

Wenn jemand keine Werte hat, / ein Gespräch keinen Sinn dann hat.

 Die AfD will abschaffen, was wir schätzen / sie will zerschlagen, auch durch Hetzen,

die Demokratie nicht nur verletzen, / Ich sehe das mit groß´ Entsetzen.
Wolfgang Maria Beck

 

Solange ich ernsthaft Zeitungen lese, lese ich die ZEIT. Früher aus Überzeugung, zunehmend leider mit immer größeren Zweifeln und Bauchschmerzen. Schon einmal habe ich eine enorme Welle kostenloser Parteiwerbung für rechts in der ZEIT beobachtet, die wirklich nichts mehr mit neutraler, journalistischer Berichterstattung oder gar Aufklärung zu tun. Jetzt ist es wieder so. Wie können Sie der AfD wieder und immer wieder eine solche Präsenz geben? Sie als Medienmenschen wissen doch nur allzu gut, wie entscheidend Aufmerksamkeit ist. Sie spielen dieser Partei in einem Maße in die Hände, die mich immer mehr veranlasst, die ZEIT nicht mehr zu lesen. Die AfD wird vor allem deshalb so groß, da alle Blätter meinen, sie müssten sich an das Thema anhängen – würde kaum jemand über die Partei berichten, wäre sie lange nicht so ein Problem. Ich denke, dass gerade solch große Medien-Institutionen wie Sie sehr, sehr achtsam in Bezug auf das sein sollten, was Aufmerksamkeit bekommt – eine rechte Partei gehört sicher nicht dazu.
Tania Konnerth

 

Sie sagen mit recht in ihrem Artikel jeder der die AfD wählt sollte sich darüber im klaren sein mit welchem Feuer er / sie da spielt, im Umkehrschluss sollten sich aber die etablierten Parteien und auch die Medien endlich darüber klar werden das man sich, bildlich gesprochen nicht die Hände waschen muss wen man sie einem AfD Wähler gereicht hat , sofern man sich dazu herablässt, schließlich hat man es ja mit dem Abschaum der Gesellschaft zu tun , so kommt es zumindest in den meisten Reden und Artikeln rüber. Aus neutraler Sicht muss auch festgestellt werden das die wirtschaftlich im Niedergang befindliche Nation Deutschland ist, auch dem Land das nach seinem EU-Austritt eine wirtschaftliche Katastrophe prophezeit wurde wird in nächster Zeit, wen auch nur gering, aber doch, ein Wirtschaftswachstum aufweisen, im Gegenzug dazu wird Deutschland als einzige große Wirtschaftsnation weltweit maximal stagnieren, wen nicht gar in eine Rezession abgleiten.

Es ist richtig wir sind auf Zuwanderung angewiesen so wie in Deutschland genauso auch bei uns in Österreich. Aber ganz sicher nicht auf eine Zuwanderung wie sie sich die letzten Jahre ereignet hat , ich denke schon das es das Recht einer Nation ist die Menschen welche es braucht und zuwandern lassen will selbst aussucht , das sollte völlig unabhängig von humanitären schutzbedürftigen gesehen werden, und auch da sollte eigentlich jedem klar sein das die Lösung nicht darin liegen kann das eine Handvoll relativ wohlhabender Länder fast unbegrenzt Menschen aufnimmt, sondern das die Ursachen und Probleme in den jeweiligen Ländern gelöst werden müssen.

Wie immer auch, zu meinen, und wie es leider immer öfter passiert auch zu schreiben, Menschen und ihre Sicht auf Gesellschaftliche Probleme in ein rechtsradikales Lager verorten zu müssen, weil sie Themen anders beurteilen und anders gelöst sehen wollen, wird nicht funktionieren. Ganz im Gegenteil, man ist noch lange nicht rechtsradikal, weil man z. B. nicht will, dass es per Gesetz möglich wird jeweils im Mai und im Oktober desselben Jahres sich ein anderes Geschlecht in seinen Personalausweis eintragen lassen zu können. An eine der wenigen Zeitungen welche das Wort Qualität mit recht anführen können.
Herbert Mayrhofer

 

„Wir gehen in den Reichstag hinein, um uns im Waffenarsenal der Demokratie mit deren eigenen Waffen zu versorgen. Wir werden Reichstagsabgeordnete, um die Weimarer Gesinnung mit ihrer eigenen Unterstützung lahm zu legen. Wenn die Demokratie so dumm ist, uns für diesen Bärendienst Freifahrkarten und Diäten zu geben, so ist das ihre eigene Sache.“ So Joseph Goebbels in Der Angriff vom 30.4.1928, wo er gegenüber murrenden Parteimitgliedern und dem SA-Pöbel die nach dem gescheiterten Putschversuch vom November 1923 eingeschlagene Legalitätstaktik der NSDAP rechtfertigte. Auch bei behutsamem Umgang mit historischen Analogien dokumentieren die personellen und inhaltlichen Ergebnisse der Magdeburger AFD-Versammlung: Höcke, Krah sowie weitere oft ebenso schrill und demagogisch agierende Kandidaten für die Wahlen zum EU-Parlament im nächsten Jahr sind nichts anderes als Goebbels reloaded.

Ob sich alle Wählerinnen und Wähler dieser Partei dessen bewusst sind, sei dahingestellt, und die Einschätzung des Autors, dass sie aus „Unzufriedenheit mit der etablierten Politik“ handeln, ist angesichts einer nicht selten irrlichternden Bundesregierung sicherlich zutreffend, aber sie machen sich letzten Endes zu Komplizen derer, die die materiellen Zuwendungen als Mandatsträger gern entgegen nehmen, die EU-Bühne agitatorisch nutzen und gleichzeitig die demokratischen Institutionen der EU beseitigen wollen.
Gerd Strakeljahn

 


Leserbriefe zu „Scheuer in die Insolvenz?“ von Petra Pinzler

Qui bono? Schlussendlich ist es nicht entscheidend, ob Scheuer für sein Handeln in die Privatinsolvenz getrieben wird. Auf jeden Fall sollte jede Möglichkeit von Sanktionen gegen ihn ausgelotet werden. Entscheidend ist es, eindeutig nachzuweisen, dass er gegen besseres Wissen und vielfältige Vorwarnungen das Maut – Desaster durchgeboxt hat. In diesem Zusammenhang muss auch die Frage beantwortet werden, wer von der Maut -Pleite profitiert hat. Das sind ganz offensichtlich die Unternehmen, die 243 Millionen für entgangene Einnahmen und für Gutachten einstecken. Im Artikel wird dezent angedeutet, dass Scheuer und seine Freunde sich bei der Maut -Planung nicht bereichert haben. Davon ausgehend, dass Scheuer clever und nicht bescheuert ist, darf man davon ausgehen, dass er für sein bewusst fahrlässiges Handeln früher oder später eine lukrative Danksagung der 243- Millionen-Profiteure eingeplant hat. Das macht insgesamt mehr Sinn als die Vermutung, er hätte mit seinem aussichtslosen Vorhaben seine politische Karriere aufbessern wollen.
C. Stellmacher

 

Frau Pinzler nimmt das ja sehr locker, wenn mal jemand fahrlässig bzw. ziemlich nah am Vorsatz eine Viertelmilliarde an Steuermitteln verzockt. Damit unterstützt sie auch, dass vermehrt jeder Halodri sich in Stammtischveranstaltungen an die politische Spitze schwätzen und um Schaden des Landes ggf. Minister:in werden kann. Es geht ja gerade nicht darum, dass eine Person für jede Fehleinschätzung persönlich haftbar gemacht wird. Die Art und Weise, wie die Jünger von Horst Seehofer und auch der Messias selbst sich in arrogantester Manier als Beherrscher aller Realitäten und jeder Vernunft aufgespielt hatten, sollte zumindest ein Nachspiel haben, auch um Nachahmung nicht zu provozieren. Da gibt es z.B. auch noch einen ehemaligen Verteidigungsminister, der jetzt in den USA lebt und die Jugend im Deutschen Bundestag verdirbt. Oder soll man den nächsten Flughafen in Bayern “Andy Scheuer Flughafen“ nennen? Wieso kommen die eigentlich alle aus Bayern?
Karlheinz Martin

 

Frau Pinzler sieht in Herrn Scheuer einen wagemutigen Politiker, der deshalb geschont werden sollte, weil er nicht in die eigene Tasche gewirtschaftet habe. Dies ist nicht die ganze Wahrheit. Mit seinem unverantwortlichen Handeln hat er in der Vorwahlzeit die Stimmung in Bayern bedient, seiner CSU-Stimmen gebracht, selbst sogar ein Direktmandat geholt und dem Staat einen millionenschweren Schaden zugefügt. Das war nicht selbstlos. Dabei wäre dieser Schaden leicht zu verhindern gewesen, indem Herr Scheuer den vielfach geäußerten juristischen Bedenken Rechnung getragen hätte und die EU-gerichtliche Prüfung abgewartet hätte. Das aber hätte Unsicherheit signalisiert und so hat er es in Kauf genommen, dass die ganze Angelegenheit am Ende unzulässig sei. Dies ist juristisch gesehen: bedingter Vorsatz. Vorsätzliches Handeln ist nicht versicherbar. Dass ausgerechnet sein Nachfolger im Amt, Herr Wissing, die Regressmöglichkeit gegen den ehemaligen Verkehrsminister persönlich prüfen lässt, entbehrt in der Tat nicht einer gewissen Pikanterie. Auf diese Idee hätten aber schon längst andere Köpfe kommen können.
K-H Schürmann

 

Es trifft zu, dass die Dummheit, die Ignoranz und der Gleichmut der Wählenden fatal ist. Skandalös ist jedenfalls die bisher unterlassene juristische Schadens-und Verantwortungsaufarbeitung. Herr Scheuer „Diesel-Andi“ ist derart machtbesessen, voller Größenwahn und skrupellos, dass seine Maxime „too big to fail“ ihn veranlasst hat, den Eintritt eines Riesenschadens in Kauf zu nehmen. Schadens-begrifflich ist das nicht mehr grob fahrlässig, sondern vorsätzliches Handeln. Erst recht gibt es keinen Grund, einen politischen Schonraum zur Verfügung zu stellen. Scheuer ist kein Beispiel für wagnisreiche politische Innovation. Er bremste bewusst innovative Verkehrsprojekte aus und seine Maut-Idee entstammt eher der reaktionären Denkwelt der AfD. Also Andreas Scheuer, ab in die Insolvenz! Der Kleber an den Händen der Letzten Generation ist noch nicht abgereinigt, da geht es schon um Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe. Mal sehen, ob die auch Fürsprecher bekommen, damit das Wagnis der Meinungs-und Demonstrationsfreiheit weiter eingegangen wird.
Peter-Paul Pprietzel-Düwel

 

Sie gestatten sicherlich, dass ich zu Ihrem Artikel eine andere Meinung bzgl. der Schlussfolgerungen habe, die Sie aus den dargelegten Tatsachen gezogen haben. Wenn Sie schreiben „Wären Politiker künftig für jedes gescheiterte Projekt persönlich verantwortlich, würden sie noch weniger wagen„ – dann impliziert diese Aussage für mich, daß der damalige Verkehrsminister lediglich etwas gewagt hat, was auch hätte gut gehen können.

Und genau diese Schlussfolgerung ist aus meiner Sicht auf die Sachverhalte eben nicht zutreffend.

Der damalige Verkehrsminister hat gegen alle Ratschläge und gegen alle Risikoabwägungen, die auch ein Minister vorzunehmen hat, die Verträge unterschrieben.  Und ein Abwarten, bis das endgültige Urteil des Europäischen Gerichtshofs vorliegt, hätte – falls das Gericht den vom Minister geplanten Weg als rechtlich möglich beurteilt hätte – dem gesamten Vorhaben keinen wesentlichen zeitlichen Verzug oder sonstigen Schaden zugefügt. Aber nein, aus Gründen der Parteizieleinhaltung mussten die Unterschriften geleistet werden. Und dass der damalige Minister von seinen Parteichefs „bestärkt“ worden war – das ist für mich überhaupt kein Argument, denn der Minister hat einen Amtseid geleistet, nicht der Parteivorsitzende! Und daher ist der Minister verantwortlich und nicht der Parteivorsitzende!

Dass sich der Minister nicht persönlich bereichert hat, ist für mich als Steuerzahler überhaupt kein Trost – und das ist juristisch auch kein Argument.  Es wurden auch schon Manager in der freien Wirtschaft für Zahlungen von Schmiergeldern verurteilt, obwohl sie sich ganz bestimmt nicht persönlich dadurch bereichert hatten, sondern für das Unternehmen etwas Positives (aus ihrer Sicht) erreichen wollten. Wo ist hier dann aus Ihrer Sicht der Unterschied? In Summe ist nämlich gut gemeint nicht automatisch gut gemacht!
Steffen Lasch

 

Zunächst einmal eine handwerkliche Anmeldung: Schon vor Wochen hat Andreas Scheuer darauf verzichtet, sich wieder um den Vorsitz des Bezirksverbandes der CSU zu bewerben. Ob er sich wieder als Direkt- oder Listenkandidat aufstellen lässt, ist zweifelhaft. Insofern ist es höchst fraglich, ob der Wähler Andreas Scheuer für die Verschwendung von Steuergeldern zur Rechenschaft ziehen kann.

In der Tat kann man grundsätzlich dagegen sein, Amtsträger für Verfehlungen mit finanziellen Folgen für das gesamte Gemeinwesen zu bestrafen. Andreas Scheuer allerdings in eine Reihe zu stellen mit mutigen Politikern und Unternehmern, die sich etwas trauen, auch wenn nicht alle juristischen Bedenken ausgeräumt sind – das ist dann doch zu viel der Ehre. Sämtliche Gutachten und Einschätzungen von Stellen, die nicht mit der Regionalpartei CSU verbandelt sind, haben klar und unmissverständlich gesagt, dass die von ihm propagierte Pkw-Maut gegen Europarecht verstößt. Es waren nicht juristische Spitzfindigkeiten, die das Projekt zu Fall brachten, sondern die bewusste und fortgesetzte Ignoranz geltender Rechtslage. Und das soll also folgenlos bleiben?

Zudem erfahre ich gerade von einem Fall aus Neumarkt / Oberpfalz. Hier soll der Oberbürgermeister zwei Verwaltungsangestellten zu hohe Vergütungen gezahlt haben. Der finanzielle Schaden für die Gemeinde liegt unter 20 000 Euro. Dieser Amtsträger steht nun wegen Untreue vor Gericht. Können Sie den Unterschied zum Fall Scheuer irgendjemandem erklären?
Wolfgang Petzsch

 

Ich hätte mir gewünscht, dass Frau Pinzler den Begriff der „Bereicherung“ nicht auf einen Vermögensvorteil beschränkt, sondern schlichtweg als „sich einen Vorteil verschaffen“ versteht. Das muss eben nicht immer monetär sein. Herr Scheuer hat sich und seiner Partei einen Vorteil verschafft. Und ich möchte auch darauf hinweisen, dass es sich bei der Frage, ob man Mitarbeiter*innen des Bundes/Länder/Kreise/Kommunen verantwortlich machen sollte, eben nicht darum handelt, Menschen die Projekte nicht zu Ende denken, weil sie es nicht können, wollen oder nicht dazu befugt sind, mit einer ihnen nicht zu zurechnenden Verantwortung belastet, sondern es geht um Menschen, die vorsätzlich handeln. Und genau dies hat Herr Scheuer getan, nämlich zum eigenen Vorteil mit Vorsatz gehandelt.
Klaus Mairhöfer

 

Scheuer in die Insolvenz… oder in die Haft?. Und noch eine Frage sei erlaubt: in welchem Verhältnis steht die Autorin des Beitrages zu Andy S.? Frau Pinzler widerspricht grundsätzlich der Idee, dem Verdacht nachzugehen, Andy Scheuer habe staatliches Geld veruntreut zugunsten eines „nutzlosen, teuren politischen Projektes“. Wenn sein wagemutiges Vorangehen bei ausstehenden juristischen Entscheidungen bestärkt wurde durch seine Ministerpräsidenten Seehofer und Söder, dann müssen alle Akteure vor Gericht antreten, denn sie haben mit dem Geld der Steuerzahler/-innen hochgepokert und verloren. Unser Geld! Nicht das „grüne Licht des letzten Juristen“ steht vor verantwortungsvollem politischem Handeln, sondern das Resultat fundierter Gutachten in Verbindung mit kompetenter Entscheidungshoheit!

Ich war ein Jahrzehnt Sachbearbeiter in einer staatlichen Agentur für Arbeit in NRW. Jede Fallbearbeitung stand bei fehlerhafter Bearbeitung unter folgendem Vorbehalt: „Wiedervorlage (WVL) sofort, Überzahlung feststellen, Einleitung des Haftungsverfahrens“. Niemand konnte sich erlauben, „mal etwas zu wagen“. Aber, was soll’s: der „Gleichmut der Wählenden“ führt ja zum eigentlichen Ärgernis. Scheuers Direktmandat wird bestätigt, seine Privatinsolvenz ist abgewendet und in Bayern bleibt es dabei: Mia san mia..
Bernd Kropfgans

 

Als ich Architektur studierte, konfrontierte uns der Professor mit der Tatsache, dass wir als spätere Architekten und Ingenieure stets mit einem Bein im Gefängnis stehen würden, weil wir (hinsichtlich möglicher Konstruktions- und Baumängel) in der Gewährleistung stünden. In seinen Worten schwang nicht nur die Idee einer großen Verantwortung gegenüber den Bauenden und jenen Menschen mit, die das Gebäude später betreten werden. Sein Wort hatte auch einen moralisch mahnenden Unterton.Der Bauch, liebe Frau Pinzler, würde ihren Ausführungen recht geben wollen. Tut er aber nicht, weil der Kopf ganz entschieden NEIN sagt. Herr Scheuer hat bei seinem Amtsantritt einen Eid geleistet:“Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des Volkes widmen, Verfassung und Gesetz wahren, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jeden üben werde“. Lassen wir Gott einmal raus und konzentrieren uns auf das Volk.

Ja, das Volk braucht mutige Politik Betreibende, aber keineswegs waghalsige hochmütige Menschen, die nicht in der Lage sind, in einem Megaprojekt das Risiko für das gutgläubige Volk einzuschätzen und zu minimieren, weil sie an Selbstüberschätzung leiden. Hochmut kommt vor dem Fall. Herr Scheuer wird seinen Fehler (den er nicht einsehen kann und will) mit ein paar Millionen aus seiner privaten Kasse nicht ungeschehen machen. Aus meiner Sicht gehört er vor ein Gericht, welches sich im Rahmen eines Disziplinarverfahrens (nicht mit einer Schludrigkeit), sondern mit grober Fahrlässigkeit beschäftigt. In diesem Kontext wünsche ich mir sehr, dass so manchen Politik Betreibenden das Lachen vergeht, wenn die Erkenntnis reift, dass ihr Eid sehr ernst genommen wird und nicht nur eine zur Lächerlichkeit verkommende Phrase unserer demokratischen Regierung geworden ist. Der Gleichmut der Wählenden und der Hochmut mancher Politik Betreibenden wirkt als Gift im politischen Scheitern.
Bernhard W. Rahe

 

Mit Ihrer Meinung sind Sie auf dem Holzweg. Es geht nicht darum, Scheuer in die Insolvenz zu treiben, sondern krasses Fehlverhalten von Politikern zu bestrafen falls Straf- oder Zivilrecht greifen. Warum? Erstens sollten Politiker nicht über dem Gesetz stehen, was in Deutschland de facto vielfach der Fall ist. Zweitens hat Scheuer mindestens grob fahrlässig, wenn nicht mit Vorsatz gehandelt als er den Mautvertrag zum damaligen Zeitpunkt unterschrieb und damit einen immensen finanziellen Schaden für die Bundesrepublik Deutschland verursachte.

Zum einen ist ein Vertrag der Schadenersatz in solch unverschämter Höhe vorsieht für den Fall des Rücktritts des Auftraggebers zum Nachteil des Bundes und widerspricht damit dem Haushaltsrecht. Darauf ist er sicher von Mitarbeitern seines Ministeriums hingewiesen worden – was er aber ignoriert hat. Zum anderen war die Unterzeichnung zum Zeitpunkt noch laufender Gerichtsverfahren mindestens grob fahrlässig. Grobe Fahrlässigkeit ist auch für Minister strafbar. Drittens hat Scheuer einen Amtseid abgelegt, in dem er vor den Deutschen Bundestag gelobte Schaden vom Deutschen Volk abzuwenden. Ein Meineid kommt also zur Veruntreuung von Steuermitteln hinzu. Was passiert? – Natürlich nichts, weil selbst die Opposition Scheuer nicht strafrechtlich angreifen will, weil sonst irgendwann auch eigene Parteimitglieder als Amtsträger betroffen sein könnten. Und die Presse? Siehe Ihren Beitrag vom 3.August!
Günter Hebel

 

Wenn die seinerzeitige Berichterstattung (auch in der ZEIT!) korrekt war, dann wurde der damalige Verkehrsminister Scheuer sogar selbst von den zu beauftragenden Maut- Firmen eindringlich vor einer vorzeitigen Auftragserteilung, also vor dem erwarteten EuGH- Urteil, gewarnt, dies natürlich im Zusammenhang mit den dann fälligen hohen Regressforderungen im Falle der (erwarteten) Ablehnung durch den EuGH. Die unfassbare Auftragserteilung durch den Verkehrsminister Scheuer, egal ob mit oder ohne Billigung seiner CSU- Chefs, war kein Fehler aus Unkenntnis, sondern ein vermeidbarer Fehler wider besseres Wissen! Scheuer war sich des Risikos bewusst, Steuergelder in Höhe einer Viertelmilliarde Euro zu verbrennen, zumal die Aussicht auf ein EuGH- Urteil zu Lasten ausländischer Verkehrsteilnehmer äußerst gering war. Die jetzt vom amtierenden Verkehrsminister eingeleiteten Ermittlungen gegen Scheuer wegen des Verdachts der Veruntreuung staatlicher Gelder ist somit nur folgerichtig!

Dass die Autorin dies anders sieht („der Kopf sagt Nein“) ist m. E. äußerst befremdlich. Verstörend finde ich vor allem die Begründungen. Nämlich dass sich Scheuer nicht persönlich bereichert hat (das hätte noch gefehlt!) und dass es zukünftig bei anderen Projekten zu einer Wagnis- Bremse führen könnte, wenn Minister bei gescheiterten Projekten persönlich verantwortlich wären. Hier geht es nicht per se um ein gescheitertes Projekt, so etwas kann nie ausgeschlossen werden und ist dann auch nicht strafverfolgungswürdig, sondern um einen Minister, der sehenden Auges eine Viertelmilliarde Euro vernichtet hat. Was immer er für Beweggründe hatte, seinen Amtseid hatte er dabei offensichtlich nicht im Sinn. Ich hoffe sehr, dass die Ermittlungen keine Alibiveranstaltung werden und nicht ausgehen wie das Hornberger Schießen, denn das wäre dann ein wirksamer Beitrag zur Politikverdrossenheit.
Michal Deil

 

Die Begründung des Autors in diesem Artikel hinkt. Was Scheuer gemacht hat, war nicht ein „nutzloses politisches Projekt“! Es war ein arrogantes und bewusstes Ignorieren sämtlicher Warnhinweise der Fachleute zugunsten des CSU-Populismus. Das ist ein entscheidender Unterschied.

Es wird eher andersrum ein Schuh daraus: Würden Politiker dafür bestraft werden, wenn sie fahrlässig Steuergelder in den Sand setzen, um ihren Populismus oder sonstigen Parteiinteressen zu finanzieren, würden sie ihre Entscheidungen dreimal überdenken. Scheuer ist GROB FAHRLÄSSIG mit den Steuergeldern in dieser astronomischen Höhe umgegangen, obwohl alle Fachleute ihn gewarnt hatten, dass sein Vorhaben gegen das EU-Recht verstößt. Menschen haben in diesem Land für diese 243 Millionen Euro hart gearbeitet. Es ist mehr als legitim, zu prüfen, ob Scheuer persönlich für dieses Fehlverhalten zur Rechenschaft gezogen werden könnte. Er sollte sowohl vor einem Gericht als auch an der Wahlurne bestraft werden. Ich wünsche mir, dass die juristische Prüfung die erste Strafe ermöglicht, denn die zweite Strafe an der Wahlurne wird genau NICHT passieren – leider.
Farzaneh Miri

 

Frau Pinzler bemüht ihren Kopf für eine Entscheidung zu Gunsten des Scheuer- Andi. Vielleicht hätte der Bauch – ausnahmsweise versteht sich – in diesem Fall klüger entschieden. Er hätte ihr zum Beispiel vermittelt, dass der Verkehrsminister gerade nicht an seinem Wagemut (!), sondern daran gescheitert ist, dass er wider besseres Wissen und gegen jeden vernünftigen Rat, also gerade nicht, „bis der letzte Jurist grünes Licht gibt“, sondern gegen dringendste Warnungen vieler vor-letzter Juristen eine evident falsche Entscheidung gegen jede Vernunft, durchgedrückt hat. Wenn Frau Pinzler ihm schließlich zugutehalten will, er habe sich schließlich privat nicht bereichert, ist das zum Gruseln treuherzig.

Es barmt den Leser. Gab es da nicht Vorgänger in der großen Schwesterpartei mit dem großen Kanzler, wo aus aus sinistren Quellen fließende Gelder zu „Bimbes“ umgemünzt zwar nicht die Kanzlerkasse, wohl aber die Kassen der Kreisverbände füllen halfen. Der Scheuer-Andi dürfte seinen Wahlkreis schließlich nicht „trotz“ des Mautdesasters, sondern eher „wegen“ seiner damals in seinem Wahlkreis noch bewunderten Ignoranz gewonnen haben.“
Wolfgang Meier-Rudolph

 

Hierzu empfehle ich den Kommentar „Die Mauterei“ von Heribert Prantl in der SZ vom 5./6. August 2023. Zitat daraus: „Jeder Beamte, auch jeder Beamte in Scheuers früherem Ministerium, kann für einen von ihm angerichteten Schaden, für den der Staat einstehen muss, in Rückgriff genommen werden. Ausgerechnet beim Chef dieser Beamten, beim Minister, soll das nicht so sein? Das geht nicht.“ Recht hat er! Kommunale Wahlbeamte, Bürgermeister und Landräte werden in Rückgriff genommen, unabhängig davon, ob sie sich privat bereichert haben, nur Minister nicht. Sie schreiben: “ … braucht das Land … Politiker, die mal etwas wagen …“. Warum soll das aber nur für Minister und nicht auch für Bürgermeister gelten?
Silke Müller

 

Frau Pinzler verweist zu Recht auf die nicht akzeptablen Folgen, wenn es erforderlich wäre zu „warten bis der letzte Jurist grünes Licht gibt.“ Diese Beschreibung gibt jedoch die Situation des Ministers Scheuer wider, die zum Zeitpunkt seiner Entscheidung für das Pkw-Mautsystem wider. Denn galt nicht abzuwarten „bis der letzte Jurist“ sondern ein europäisches Obergericht entscheidet. Und es war absehbar, dass dieses Gericht nach kurzer Zeit entscheiden würde. Minister Scheuer hat demnach tatsächlich „vorschnell“ gehandelt; das ist die zu beurteilende Situation.
Gerd Wichmann

 


Leserbriefe zu „Ist die Menschheit noch zu retten, Herr Birnbaum?“. Gespräch mit Leonhard Birnbaum geführt von Giovanni di Lorenzo

Glückwunsch Herr Birnbaum. Ihre kritischen und umweltbewussten Kinder können stolz auf Ihren Vater sein. Selten verströmt ein Topmanager so viel Ehrlichkeit, Mut, Wissen und Zuversicht.  Ich wünschte die Regierenden in Berlin denken und handeln auch so. Dann wird der Klimawandel in erträglichen Grenzen gehalten und die Zukunft gelingen.
Ulrich Pfeiffer

 

Danke für das sehr interessante Interview vom E.on Chef Herrn Dr.-Ing. Birnbaum. Erhellend finde ich die Aussage, dass Herr Birnbaum auf Innovationen hofft, um die Transformation der Energiewirtschaft in Deutschland zu erreichen. Ich teile die Meinung, dass technisch ein Umbau auf Wasserstoff mit Wind- und Solarstrom in Deutschland möglich ist. Jedoch schätze ich, dass dieses etwa 50 Jahre dauern wird. So viel Zeit haben wir leider nicht. Und wir müssen uns wohl mit den Auswirkungen der vergangenen CO2-Emissionen auseinandersetzen. Von E.on wird beklagt, dass die Planfeststellungs- und Genehmigungsverfahren zu lange seitens der Behörden bearbeitet werden. Eventuell ist dies einer weiteren Recherche würdig. Indem Sie bei dem zuständigen Ministerium (m.W. nach Umweltministerium) nachfragen, wie eine schnellere zielgerichtete Bearbeitung möglich ist. Vielleicht ist es auch in Ihrer Reihe zur Transformation der Energiewirtschaft interessant, die Bundesnetzagentur und das Umwelt-Bundesamt zu befragen. Bleiben Sie dran und viel Erfolg.
T. Gruber

 

Für Deutschland wäre die notwendige Energiewende zu schaffen, falls die „Eliten“ unseres Landes vorbildhaft vorangingen. Dies ist nicht erkennbar. Das aktuelle Weltwetter ist eine Folge des westlichen Wohlstandsmodells, das sich durch die Globalisierung überall ausbreitet. Es ist nicht möglich, 8 Milliarden und mehr Menschen mit unserem Modell von Wohlstand zu beglücken. Das gibt unsere Erde nicht her. Dieses Wissen haben auch Herr Birnbaum und Giovanni di Lorenzo. Ein Gespräch darüber wäre interessanter gewesen Die Menschheit könnte sich retten, wenn sie sich in allem einschränken würde, auch in ihrer ungezügelten Vermehrung.
Wolf Lübcke

 

Herzlichen Dank für einen gelungenen Dialog. Michael Scheppler

 

Es freut mich schon, dass ein CEO Stellung nimmt zur aktuellen Wirtschaftslage. Ich mache allerdings den Journalisten und dem CE0 den Vorwurf, auf eine Nachfrage bzw. Stellungnahme zu den der Analyse folgenden „tätlichen“ Konsequenzen der Wirtschaft bzw. der in der Wirtschaft Verantwortlichen verzichtet zu haben. Denn an der vorhandenen Misere waren alle „mitschuldig“, d.h. auch sie.
Ernst Kreuzfelder

 

Die letzte Frage von Giovanni di Lorenzo offenbart ein grundsätzlich falsches Denken. Wer glaubt, Deutschland müsste hauptsächlich oder auch nur zumindest „seinen Teil“ erledigen und könnte dann gespannt bis trotzig auf die globalen Mitspieler schauen, macht es sich deutlich zu einfach. Die rosige Zukunft der Menschen liegt sicher nicht in energieautarken Nationalstaaten. Bei aller Begeisterung für die Deglobalisierung (und für den guten alten selbstversorgenden Bauernhof) bleiben natürliche Ressourcen incl. Sonne und Wind ungleich verteilt. Da die schiere Fläche eine definitiv ziemlich knappe Ressource ist, muss jede Fläche das machen, was sie am besten kann. Die Wiedervernässung von CO2-speichernden Mooren für die Sahara beispielsweise kein Thema, dafür kann sie grünen Wasserstoff extrem gut. Importierter Wasserstoff wiederum wird für Deutschlands Industrie essentiell sein. Für jedes mühsam erkämpfte Windrad in Deutschland müssen wir die Solarenergie in diesen sonnenreichen artenarmen Gebieten um mindestens 10 Schritte vorwärtsbringen. Das ist gut für Nordafrika und gut für uns.
Christian Voll

 

Da sowieso mehr Mut zur Philosophie nottut, hätte Herr Birnbaum ähnlich überspitzt rückfragen können: „Wer oder was sollte uns vermissen?“ Wäre er kein Menschenfreund, sondern ein Butler, hätte seine Antwort auch lauten können: „In rein spekulative Niederungen begebe ich mich nicht“.

Letztendlich ist alles Mühen irrelevant, wenn die Mehrheit egoistisch das mit dem Hintern einreißt (schon allein dadurch, weil in ihrem Behauptungs-Aussitzen andere Perspektiven nicht vorkommen), was weitsichtige Minderheiten umstrukturieren wollen. Glücklicherweise rollt der Karren irgendwie trotz aller bürokratisch-politischen Hemmschuhe. Obwohl alles endlich ist, schlägt langfristig tatsächlich Optimismus Skeptizismus! Dank und Hochachtung für dieses Interview, Herr Birnbaum!
Andreas Weng

 

Leonhard Birnbaum, Chef von E.on stellt fest «Es ist praktisch unmöglich, ohne neue Technologie die Wende rechtzeitig zu schaffen». Diese Feststellung darf nicht zur Annahme verführen, dass die Technik reicht «die Menschheit noch zu retten». Eines ist klar, die Wende kommt so oder so. Beendet wird das exponentielle Wachstum von Kopfzahl und Konsum entweder durch eine brutale Bruchlandung oder eine gesteuerte Landung. Und diese muss Konsum UND Kopfzahl betreffen. Zur Rolle der Technik folgende Überlegung: «Mal angenommen, die Erde wäre zehnmal kleiner, wäre dann die Menschheit längst untergegangen? Oder umgekehrt, wäre ihr eine gute Zukunft gesichert, wenn unser Planet zehnmal grösser, zehnmal reicher wäre? Geht man diesen Fragen nach, wird man finden, dass Größe und Reichtum der Erde nicht entscheidend sind für die Überlebensfähigkeit der Menschheit. Daraus ergibt sich aber auch, dass der technische Fortschritt nicht reicht, diese Überlebensfähigkeit zu sichern. …Die Technik kann allerdings Zeit gewinnen …für die wichtigste Aufgabe der Menschheit, sich selbst Grenzen zu setzen». Zitat aus «Die Technik reich nicht» (BoD 2016).

Der Grund, warum die Zeit so plötzlich knapp wird, ist eine perfide Eigenschaft des exponentiellen Wachstums. Vor der letzten möglichen Verdoppelung ist anscheinend alles OK. Nach der letzten ist plötzlich Sense. Die Plötzlichkeit ist ebenso überraschend wie die richtige Antwort auf die folgende Frage: Eine Seerose verdoppelt ihre Fläche pro Jahr. Nach 10 Jahren ist der halbe See bedeckt. Wie lange dauert es, bis der ganze See bedeckt ist? Es dauert eben nicht 10 nicht 5 und auch nicht 2 Jahre, sondern genau 1 Jahr. Das Wachstum von Konsum und Kopfzahl der Menschheit erfolgt zwar nicht so homogen wie das Ausbreiten der Seerose, aber genau das ist das zusätzliche Problem, das eine Lösung erschwert. Statt Schuldzuweisungen ist erfolgversprechendes Verteilen der Verantwortung nötig. Und bei dieser Aufgabe sieht’s schlecht aus. Die akzeptierte Meinung diesbezüglich beruht auf zwei Axiomen. Erstens, der Westen trägt die Hauptschuld am Schlamassel und steht daher in Alleinverantwortung. Zweitens, dank des technischen Fortschritts ist er nicht nur verpflichtet, sondern auch in der Lage, die Verantwortung zu übernehmen.

Zum ersten Axiom. Der Westen ist reich und der Rest der Welt ist deswegen arm. Und arme Leute haben nun mal mehr Kinder, zum Beispiel Nigeria hat eine Geburtenrate über 5. Der Westen muss also teilen, damit sich die demographischen und ökonomischen Gräben schließen. So die verbreitete Meinung. Doch die Gräben haben eine andere Ursache und für die ist der Westen nicht verantwortlich. Schon in der Bibel steht: «Der Mensch lebt nicht von Brot allein» Er braucht auch Perspektiven, Anerkennung, Erlebnisse. Und die findet er je nach sich bietender oder fehlender Gelegenheit im Beitragen zu hohen Geburtenraten oder im Beitragen zur Erhöhung von Produktion und Konsum. Und da gibt es zwei Rückkoppelungen. Hohe Geburtenraten führen zu Jugendarbeitslosigkeit und entsprechender Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt. Daher sind die Perspektiven im Erwerbsleben rar und Perspektiven werden gesucht werden, die hohe Geburtenraten bewirken. Der Kreis schließt sich. Er kann auch in ursprünglich wohlhabenden Ländern wirksam werden. In Ländern mit ursprünglich guter Lebensqualität (Libanon, Syrien, Jemen, Afghanistan, Ägypten, etc.). Es sind Länder, in denen das Teilhaben am Erwerbsleben schon vor den Krisen nicht genug Perspektiven bereitgehalten hat. Tiefe Geburtenraten hingegen führen dazu, dass vermehrt Perspektiven offen sind und genutzt werden, die mit Konsum und Produktion verbunden sind. Kinder zu haben ist weniger attraktiv. Auch da schließt sich der Kreis. Der technische Fortschritt reicht nicht, die geschilderte Situation ausreichend zu ändern. Das Problem muss direkt angegangen werden, durch angemessenes Verteilen der Verantwortung. Technischer Fortschritt ist nötig, um dazu Zeit zu gewinnen, reicht aber nicht.
Gernot Gwehenberger

 

Endlich mal jemand der auch bereit ist zu sagen, dass ein nachhaltiges Leben und Wirtschaften auch ein Einschränken es jetzigen Konsumverhaltens und des damit verbunden Verbrauchs von Ressourcen bedarf. Andererseits reicht es nicht zu sagen, dass die Abgaben- und Steuerlast zu hoch ist, ohne Vorschläge zu machen, wo das Geld herkommen soll, das unser Staat benötigt, um seine Ausgaben zu decken. Wachstum ist gut, aber nicht in der Form wie es sich in der jüngeren Vergangenheit sich präsentiert hat. Wachstum darf nicht heißen neue Autobahnen und neue Logistikzentren an eben diesen zu bauen. Außer dem Verlust wertvoller Ackerflächen bringt das nur eine Verschiebung der Arbeitsplätze.

Wir brauchen qualitatives Wachstum im Bestand und möglichst wenig neue Zentren und Fabriken auf der grünen Wiese. Stromleitungen werden vor allen von den Landwirten kritisch gesehen, weil sie nicht einsehen, die Last der Gesellschaft für die neuen Trassen zu tragen. Trassen für eine Gesellschaft samt Industrie von deren Lohn- und Gewinnentwicklung sich der Landwirt lange entfernt hat.  Eine Generation wird entschädigt und die nächsten Generationen kurven um die Masten herum oder tragen die Verwerfungen der Erdleitungen. Ein Hoffnungsschimmer wäre, wenn sich der Vertreter eines der führenden Energieunternehmen Deutschlands dafür aussprechen würde den betroffenen Grundeigentümern eine laufende Entschädigung zu zahlen. Der Bau von Windenergie-anlagen scheitert selten an den Landeigentümern. Dort ist dieses Vorgehen schon immer Praxis.
Hans Kasinger

 

Wer zwischen den (diplomatischen) Zeilen von Herrn Birnbaum lesen kann, der macht sich berechtigt Sorgen um „die Energiewende“. Drittklassige „Schönschwätzer*innen“ als Berater*innen, eine selbst fachlich dünn informierte Regierung, dazu noch Bürokratie und Fachkräftemangel etc.: WIE soll das gutgehen, wenn nicht einmal bereits sichtbare Probleme wegen fehlenden Wissens wahrgenommen werden? Das macht doch nichts: Frau Dr. Kemfert (DIW) hat ja im Herbst 2022 im ZDF-WISO versichert: „Wir haben Stromspeicher noch und nöcher!“ DANN sind ja drei Tage Dunkelflaute gut zu schaffen. Leider ist dieser Satz realiter glatter Unsinn! Willkommen in der Realität!
Wolfgang Ströbele

 

Mit Erstaunen lese ich im Interview als Aussage von Herrn Birnbaum, dass wir durch den Verzicht auf Fleischkonsum den CO2-Ausstoß richtig reduzieren könnten. Glauben denn die Herren wirklich, dass durch den Wegfall der tierischen Produktion so viel fossile Energie eingespart werden könnte? Im Vergleich zum Gasverbrauch der bei E.on verbliebenen Gaskraftwerke und zum Energieverbrauch für den Bau von Windrädern (mit viel Beton) und dem Einsatz von Diesel etc. bei Bau der Stromleitungen etc. verbrauchen wir in der Landwirtschaft für die Produktion von tierischen Lebensmitteln einen Bruchteil (so meine Einschätzung, dass wäre mal eine gute Aufgabe für die Journalisten das konkret aufzuschlüsseln) an fossilen Energieträgern in der Landwirtschaft für die Produktion von tierischen Produkten. Insbesondere gilt es zu bedenken, dass wir ohne tierische Produktion weder das Grünland (oder den heuer durch Regen ausgewachsenen Weizen oder weitere Produkte die nicht für den menschlichen Verzehr geeignet sind wie Spelzen oder Siebgetreide usw.) für die Nahrungsmittelproduktion nutzen können, noch Wirtschaftsdünger verfügbar wäre, was dann wiederum dazu führt, dass der für das Pflanzenwachstum notwendige Stickstoff mit viel Energie im Rahmen des Haber-Bosch-Verfahrens hergestellt werden muss.

Das Tier an sich ist im Übrigen klimaneutral, das C das z. B. als Methan ausgeschieden wird wurde ja vorher von der Pflanze als CO2 aus der Atmosphäre aufgenommen und das Methan wird in kurzer Zeit in der Atmosphäre wieder zu CO2 abgebaut. Also ein geschlossener Kreislauf, anders als bei allen fossilen Energieträgern. (Eine kurzfristige Klimawirkung gibt es also nur beim Aufbau der Tierhaltung, eine kurzfristige Reduktion der Klimaerwärmung gibt es beim Abbau der Tierhaltung, was die dt. Landwirtschaft seit den 90-ern macht, bei gleichem Viehbestand sind die Tiere selbst klimaneutral, lediglich der Einsatz fossiler Energieträger für die Produktion der Futtermittel/Ställe etc. wie z. B. Strom aus dem dt. Strommix oder Diesel für den Traktor verursacht THG).

Daher würde ich die Landwirtschaft und mit ihr verbunden die tierische Produktion (übrigens auch mit dem Thema Biodiversität stark verbunden z. B. bei weidenden Rindern) als bestehenden Teil der Lösung betrachten, der bereits massiv zur THG-Reduktion beiträgt (nicht nur durch den Abbau der Tierhaltung). Diesen in Ihrem Beitrag völlig falsch eingeschätzten Umstand gilt es geradezurücken. Leider sind selbst die Vorstandsvorsitzenden von großen dt. Konzernen mittlerweile von der grünen/NGO Propaganda hier wohl weit weg von wissensbasierten Erkenntnissen und den grundlegenden Zusammenhängen in der Natur/Agrarproduktion.
Stefan Thurner

 

Vieles von dem, was Herr Birnbaum sagt, hört sich für mich sinnvoll und interessant an – solange es im Rahmen dessen bleibt, worin er Experte ist: seiner wirtschaftlichen Perspektive in Bezug darauf, wie eine technische Umstellung der Energieversorgung schnell gelingen kann. Und auch, wenn er beklagt, dass Unternehmer unter Zwängen stehen und wie die Kommunikation mit Politikern verläuft.  Seine Ausführungen dazu, wie die – offenbar auch von ihm angenommene- existenzielle Reduktion des Verbrauchs herbeigeführt werden kann, enttäuscht dann aber auf ganzer Linie, indem er sie zu einer rein ethischen Frage des Verzichts (anstatt einer existenziellen) erklärt und stattdessen auf „Innovationen“ hofft, die es erlauben sollen mit der gleichen Wachstumslogik einfach immer weiterzumachen.

Den Menschen aber zuzumuten, dass sie auf all das Angebotene freiwillig verzichten sollen, und gleichzeitig das Wirtschaftswachstum als unumgänglich nötig (und alles andere als Planwirtschaft) zu bezeichnen ist ein wenig schizophren und vielleicht der Grund dafür, dass es „Verzicht“ für viele angeblich kein Thema ist. Die Frage, wie es gelingen kann, den materiellen Verbrauch zu senken (und somit das materielle Wachstum) und gleichzeitig unsere freiheitliche Ordnung und unsere Lebensqualität zu erhalten, ist aber vielleicht eine ebenso entscheidende Frage, wie die, wie die Energiewende gelingen kann. Und auf die ein (unter Zwängen stehender) Konzernlenker vielleicht nur schwer eine Antwort geben kann. Tobias Littschwager

 


Leserbriefe zu „Sie ist nicht heiliger“ von Evelyn Finger

 

Stimmt. Das mit dem Kindesmissbrauch hat man in den 70er-Jahren tatsächlich anders gesehen: Meine Mutter hat damals immer was vom „schwarzen Mann“ erzählt, vor dem ich mich in Acht nehmen sollte (und mich durch ihre permanenten Wiederholungen ziemlich genervt). Mittlerweile glaube ich, dass sie recht hatte und Männer in schwarzen Soutanen meinte.
Thomas Manthey

 

Gerade habe ich die neuste Ausgabe der Zeit erworben und mich auf die Artikel gefreut. Auf der ersten Seite lese ich „Sie ist nicht heiliger“ einer Journalistin, die von Anfang an klarstellt, dass die Evangelische Kirche im Missbrauchsprozess um nichts besser ist als die katholische. Da sie allerdings noch keine begründeten Argumente hat – die zu erwartende Studie wird erst noch veröffentlicht -, spricht sie zum einen üble Verdächtigungen und Mutmaßungen aus („…könnte eine Illusion zerstören“// „Sie werden sich noch wundern…“) und führt eine Studie aus Australien an, ohne auch nur im Ansatz zu begründen, warum diese Studie repräsentativ für die deutsche Kirchenlandschaft ist. Für die Journalistin hat sie selbstverständlich Weltbedeutung.

Darüber hinaus wird der Leiter der Odenwaldschule zu Felde geführt. Merkwürdig, die Odenwaldschule war doch nie in kirchlicher Trägerschaft. Aber das passt wunderbar und Frau Finger braucht ja einen Beweis ihrer vorangestellten These. Herr Becker wird von ihr zu einem protestantischen Kirchenvertreter verwandelt, weil er ein „Kirchentagsstar“ war. Halten Sie Ihre Leser eigentlich für naiv und dumm? Ich selbst spreche mich übrigens absolut für die Offenlegung der Geschichte und Wahrheit in Hinblick auf Missbrauch aus; im Sport, in der Politik und in der Kirche, auch das Versagen muss ehrlich benannt und aufgearbeitet werden. Nur derartige Kommentare kann ich kaum ertragen, weil sie die Grundprinzipien des Journalismus ins Wanken bringen. Hätte die besagte Studie bereits vorgelegen und hätte sich der Eindruck bewahrheitet, dann wäre ein solcher Kommentar völlig in Ordnung, aber üble Verdächtigungen auszusprechen und mit höchst zweifelhaften Pseudoargumenten die eigene Position zu untermalen, kenne ich sonst nur von Rechtspopulisten. Dieses Niveau hat der Artikel, und es ist schade, dass die Zeit sich auf eine solche Ebene begibt.
Jan Müller

 

Von 1984 bis März dieses Jahres war ich evangelischer Pfarrer in Thüringen. Mir ist Pädophilie, gar deren Befürwortung, in der Kirche oder bei Amtsträgern nicht begegnet. Nun muss meine Erfahrung noch nicht viel bedeuten. Aber mir ist sehr klar, dass die Christenmenschen und auch die Amtsträger keine besseren Menschen sind. Sie sind Sünder, wie alle anderen auch. Dass Staatsanwaltschaften heute genau hinschauen und die Kirchen all ihre strukturellen Möglichkeiten nutzen, um Missbrauch zu verhindern und aufzuklären ist das Mindeste. Es ist auch egal, um wieviel Fälle es geht. Jeder ist einer zu viel. Doch bei Kirchen geht es nicht in erster Linie um Eigenschutz. Sie haben in Gottes Namen einen Auftrag an den Menschen. Dazu brauchen Kirchen deren Vertrauen.

Als Pfarrer besitze ich nur meine Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit-sonst nichts! Soweit es also in diesem Leitartikel um das Thema Missbrauch geht, bin ich sehr einverstanden. Andererseits bin ich nicht blöd. Hier geht es gut erkennbar nicht nur um Verbrechen, die von Kirchenleuten verübt werden, sondern um Beseitigung einer uralten, moralischen Instanz, vorzugsweise um deren Gleichschaltung. Es geht nicht um Einzelfälle, sondern um das ganze Konstrukt. Dagegen kann sich eine Kirche nicht wehren.
Gott und die Menschen sind ihr einziger Schutz. Viel Mut gehört heute nicht mehr dazu, gegen diese alten, tief verunsicherten Autoritäten vorzugehen. Und ein Letztes. Diejenigen, die die Kirchen als moralische Instanzen verdrängen, sitzen dann selbst im Glaskasten. Und sind ja auch keine besseren
Menschen und bedürfen des Vertrauens und der Barmherzigkeit der Gesellschaft. Dieser Leitartikel ist eine pauschale Anklage ohne einen Hauch von Selbstzweifel. Wie dürftig für eine große Zeitung.
Fred Klemm Ladenburg

 

Danke für diese klare, schonungslose Betrachtung dieses Themas. R. Reiger

 

Als übrig Gebliebener der Jahrgänge, die das noch sehr haut-nah beobachten „durften“ – und sich sehr hilflos und abgestoßen fühlten – meine ich – und meinte es damals schon – noch einen anderen Argumentations-Strang erkennen zu können. Es ist im Grunde einerseits die Obrigkeits-Hörigkeit ganz generell; und speziell dann eben die sich daraus rechtfertigenden Strukturen speziell grad auch der Kandidaten-Kür – wie ich das auch heute noch nenne. – Das ist ja beispielsweise im Lehrers-Beruf auch nicht sehr viel anders: Mangelhafte Lehrer/Pfarrer reglementieren die Zulassung nach ihren mangelhaften Standards – und nicht auf der Basis von Fach-Qualitäten: Und wenn dann auf dieser Ebene eben alle gleichermaßen „mäßig“ sind, wird keine Krähe einer anderen wegen „kleiner“ Verfehlungen, die man selbst auch zu vertreten hat, ein Auge aushacken. Man schaue sich nur die weit unterhalb an der Basis auf Gemeinde-Niveau ansetzenden Schul-Strukturen, und die Formen der vor-Ort Aufsicht an, um zu verstehen, dass bereits die Ausbildungs-Einrichtungen für Lehrer es sich gar nicht leisten könnten, die bewussten „faulen Säcke“ allein der Pensions-Berechtigung wegen in die Ausbildungs-Auswahl mit einzubeziehen.

Ich erinnere gar noch die Jahre, in denen meine Frau und ich dann selbst vier Kinder aufzugleisen, anzuleiten hatten; zugegeben: wir hatten damals schon eine wohl ein wenig gewöhnungsbedürftige Auffassung von UNSERER Zuständigkeit den Kindern gegenüber. Doch die nahezu blind-wütige, vollends kritiklose Verehrung des Herrn von Hentig machte uns sprachlos – in einer Zeit, zu der es die Spatzen bereits seit vielen, vielen Jahren von den Dächern pfiffen, was da in der Odenwald-Schule – und in vielen anderen Internaten genauso – Standard war. Man vergisst heutzutage auch einen noch einmal ganz anderen Aspekt; – es ist gewissermaßen der sexistische. Über lesbische Frauen durfte man großzügig lästernd, abfällig/abwertend, und ablehnend herziehen; Männer – indes – hatten ihre selbstverständlichen, und kaum hinterfragten Privilegien – unterfüttert womöglich noch mit eher beliebigen Hinweisen auf solche Abhängigkeiten in antiken und historischen – quasi – Knappschafts-Verhältnissen.

Wo ich solches als angeekelter Jugendlicher beobachtete – zum Glück nie unmittelbar erlebte…? Well – ganz konkret der Leiter des CVJM in einer bedeutenden Süd-Deutschen Industriestadt unmittelbar nach Kriegsende, und während meiner Ausbildung; in der Bevorzugung in Jugendgruppen, in denen man damals, und ohne sonstige familiäre Kontakte, Anschluss suchte…; selbst im Freibad unter den Betreuern von Jugendgruppen, auf kleineren Velo-Touren, etc. – Es gab kaum jemanden, an den man sich hätte wenden können; es gab in den Cliquen ganze Trauben von Gleichaltrigen mit als widerwärtig empfundenen Umgangsformen miteinander – die man noch nicht einmal ungestraft als „weibisch“ abtun durfte. Nur einmal hab‘ ich’s erlebt, dass mein Lehrmeister, der meine Situation recht gut einzuschätzen wusste, mich als Beobachter auf einen Typ aus dem gleichen Unternehmen ansetzte, der ihm ebenfalls in diesem Sinne als suspekt erschien. Und das alles zu einer Zeit als der § 175 durchaus noch wirksam war.

Es liegt nur wenige Jahre zurück, dass ich die Vorbereitungen zu einer Veröffentlichung zum Stichwort der Seelsorge von einem sehr geschätzten Freund und bekannten ev. Theologen beobachten, und teils auch begleiten konnte. In der von Studenten viel benutzten Veröffentlichung schien er sich schließlich zu meinem großen Erschrecken derart zu entblöden, dass er genau dort diesen Kontrast gegenüber der „Römischen“ Kirche noch einmal auftischen zu müssen meinte. – Wir gerieten dadurch wirklich in eine Form der heftigen Auseinandersetzung, die diese schöne, geschätzte Freundschaft durchaus hätte havarieren können; – man mag es einfach nicht für möglich halten.
Hans von Schack

 

Was ist die Kirche, ob katholisch oder evangelisch? Was ist Glaube? Da beginnt bereits die Crux! Ist die Grundlage von Religion nicht die Bibel? Die zehn Gebote, die Bergpredigt und die Hinwendung zu allen Menschen, vor allem den besonders Schutzbedürftigen, den Kindern? Wie ist es dann möglich das die Amtskirche, die Institution Kirche, ihre Priester, Pfarrer und Pastoren schalten und walten lässt oder ließ und auch Pädophile Lehrkräfte in ihren Reihen nicht schon in den 1970er Jahren und davor zur Rechenschaft gezogen und zum großen Teil die weltliche Justiz außen vorgelassen hat. Missbrauch ist und war immer und zu allen Zeiten ein Verbrechen und hat die Seelen und oft das ganze Leben der Opfer negativ beeinflusst. In beiden Kirchen hat lange Zeit der Täterschutz vor dem Schutz der vielen Opfer Vorrang gehabt. Schon diese Einstellung ist in höchstem Maße unchristlich. Aber wer in den 1950er bis zu den 1970er Jahre Religionsunterricht bekam bzw. erdulden und/oder erleiden musste wundert sich nicht über die „verdammenswerte“ Einstellung der katholischen wie der evangelischen Kirchenvertreter. Allen voran die Priester und Pfarrer waren doch in den Gemeinden und im Leben der jeweiligen Orte „Respektspersonen“.

Neben den Lehrern, den Ärzten und Apothekern galt der normale Bürger wenig. Vielleicht konnte ein erfolgreicher selbständiger Handwerker noch einigermaßen mithalten. Der Rest der Gemeinde war dagegen „Fußvolk“. Wer hätte damals einen Missbrauch bemerken und anzeigen sollen? Aus dieser Gesinnungslage war es zu diesen Zeiten schwer zu entkommen. So gingen die jeweiligen Kirchenvertreter auch mit ihren „Schäfchen“ um. Natürlich waren nicht alle Pädophile. Einigen waren auch im Umgang mit der Jugend „nur“ sadistisch veranlagt. Sie konnten ihre Neigung ausleben. Es wurde im Unterricht, ob Schule oder Kirche, geboxt, an den Ohren und Haaren gezogen mit schweren Schlüsselbunden geworfen und auch, mit oder ohne „Werkzeug“, geschlagen. Das galt als normal. Zur Ehrenrettung muss gesagt werden, dass es natürlich auch ganz normale Priester und Pfarrer gibt und gab.

Es wundert aber gar nicht, dass nunmehr da immer mehr der „Amtskirche“ durch Austritte den Rücken kehren alte, teils uralte, „Fehler“ und „Straftatbestände“ auch durch die evangelische Kirche nun endlich untersucht werden. Es bleibt zu hoffen, dass die evangelische Kirche aus den massiven Fehlern der katholischen Amtskirche lernt und eine echte Aufklärung und die Einbeziehung und Entschädigung der Opfer betreibt. Nur eine rückhaltlose Veröffentlichung der erstellten Gutachten kann den Glauben an die Kirche und ihre weltlichen Vertreter wieder in ein positives Licht rücken. Wenn man sich erinnert, was in den katholischen Bistümern Köln, München, Mainz und Münster alles schiefgelaufen ist, kann man der evangelischen Kirche nur mehr Gottvertrauen und Ehrlichkeit wünschen. Mea culpa.
Felix Bicker

 

Sexuelle Gewalt war schon immer ein Sakrileg – richtig. Aber man hat bis etwa zur Jahrtausendwende Missbrauch kompakter verstanden als in der heute nach unten offenen Skala zur Definitionen dessen, was als sexualisierte Gewalt zu verstehen sei. Insofern ist es keine „peinlichste Ausrede“, wenn man vor einem unkritischen Blick durch gegenwärtige Prismen warnt, der Gefahr läuft, mehr der heutigen Befindlichkeit als der historischen Realität verpflichtet zu sein. Wenn nun auch die evangelische Kirche in den Fokus gerät, ist dies gut, weil damit die Tür zur Erkenntnis geöffnet wird, dass sexueller Missbrauch zu allen Zeiten qualitativ wie quantitativ in gleicher Größenordnung in der gesamten Gesellschaft präsent war. Sexueller Missbrauch war nie eine kirchliche Besonderheit, ist jedoch aufgrund der Dokumentations-Tradition innerhalb kirchlicher Institutionen heute dort am ehesten nachvollziehbar.
Kurt Schäfer

 

Evelyn Finger lässt an der evangelischen Kirche kein gutes Haar – und schießt auch sonst weit über das Ziel hinaus. Pädagogen und Psychologen vergangener Jahrzehnte beurteilt sie nach ihrem Taufschein; um Schuld festzustellen reicht die Empörung der Eltern und Großeltern der Opfer und noch ehe die Ergebnisse der Studie der EKD zum sexuellen Missbrauch in ihren Reihen vorliegt, kennt sie das Ergebnis: Es gibt keine Unterschiede bei den Kirchen! Hätte sie sich nur kundig gemacht! Über 15.500 Fälle von sexuellem Missbrauch gab es 2022 in unserem Land. Die Zahlen sind seit Jahren konstant. Aktuelle Fälle aus den Kirchen gibt es kaum.

Rechnet man diese Zahl auf den Zeitraum der katholischen MHG-Studie hoch, kommt man auf über eine Million Fälle. Christian Pfeiffer, der frühere Leiter des kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen, hat wohl recht: Er bezifferte den Anteil der Kirchen am allgemeinen Missbrauchsgeschehen auf wenige Prozentpunkte. Dieser Hinweis soll die Taten nicht relativieren. Jede einzelne Tat ist schrecklich und ich gestehe jedem die Empörung über Verbrechen an Kindern zu. Ich teile sie. Aber um zu wissen, was geschieht, braucht man mehr, nicht weniger Information. Wo sind die Studien aus den Kindergärten, von den Schulen, aus Sportvereinen und Kultureinrichtungen und über Familien? Irgendwoher müssen die hohen Zahlen ja kommen! Die Kirchen sind in diesem Fall ein Bauernopfer.

Weggesehen haben in der Vergangenheit nicht nur Kirchenleiter und Gemeinden, weggesehen haben alle: Eltern, Schulen, Ärzte, Jugendämter, die Justiz und wer sonst noch mit Kindern zu tun hatte – und Frau Finger tut das heute noch! Sexueller Missbrauch war (und ist) kein kirchliches Problem, er ist ein Problem unserer Gesellschaft. Das wäre nicht gelöst, selbst wenn es die Kirchen und ihre Sexualmoral überhaupt nicht mehr gäbe. Man muss schon das Ganze in den Blick nehmen, ehe man ein Urteil spricht. Das erwarte ich auch von der ZEIT. Billige Empörung gibt es genug!
Wilfried Geyer

 

Diesem Artikel fehlt es leider an sachlichem Inhalt. Dass die Aufarbeitung des Themas Missbrauch in den Kirchen (Schulen, Sportvereinen etc.) Zeit braucht, dürfte wohl nicht neu sein. Das ist nicht gut, aber auch zum Teil der Komplexität des Themas geschuldet. Vor dem Hintergrund der Vielschichtigkeit der Thematik bringt es wenig, die evangelische Kirche in Deutschland (mittelbar also ca. 20 Mio. Christen, von denen übrigens die wenigsten, entgegen der Annahme der Autorin, im Glauben „an die eigene Überlegenheit“ leben) pauschal der Scheinheiligkeit und Untätigkeit bezichtigen. Das trifft so nicht zu und hilft auch den Betroffenen nicht wirklich.

Auch die Aneinanderreihung abwertender Charakterisierungen („Dünkel beider Kirchen“) und Insinuationen („sie werden sich noch wundern“) sowie unsachlicher Vermengungen (die Odenwaldschule war nicht in kirchlicher Trägerschaft) führen in der Sache nicht weiter. Die abschließende Aussage, man solle die Aufklärung von Verbrechen freiwillig in die Hände von Staatsanwälten legen, scheint schließlich von einem erstaunlichen Verständnis der Autorin von der Funktionsweise eines Rechtsstaats zu zeugen: Beim Verdacht, dass Verbrechen vorliegen, ermittelt in Deutschland immer die Staatsanwaltschaft (sowohl die belastenden als auch die entlastenden Umstände). Zum Glück nicht nur dann, wenn die Ermittlungen freiwillig in ihre Hände gelegt werden.

Eine objektive Berichterstattung über das Thema ist in der Sache (in der es nichts zu beschönigen gilt) und für die Beteiligten erheblich hilfreicher als erregte Pauschalisierungen. Auch für die Leser der ZEIT, die von ihrer Wochenzeitung Sachinformation und ausgewogene Kommentare erwarten.
Georg von Streit

 

Dass es auch in der evangelischen Kirche sexuellen Missbrauch gegeben hat, ist schlimm und bekannt. Und dass man sich auch hier mit der Aufarbeitung bislang schwergetan hat, ist mit Frau Finger zu kritisieren. Allerdings sollte eine Journalistin ansonsten doch etwas genauer formulieren: Es handelt sich um „Verbrechen in der Kirche“ und nicht um „Verbrechen der Kirche“, genauso wie es nicht „Verbrechen der Odenwaldschule“ sondern „Verbrechen in der Odenwaldschule“ gegeben hat.  Und diese hatte übrigens mit der evangelischen Kirche überhaupt nichts zu tun, selbst wenn der Herr Becker zu Zeiten, als von seinen Verbrechen noch nichts bekannt war, bei evangelischen Kirchentagen als pädagogischer Referent aufgetreten ist. Schließlich genoss er damals in weiten Kreisen ein hohes Ansehen. Ebenso wie Herr Kentler, zu dem der Autorin nur einfällt, dass er evangelisch war. Will sie jetzt alle Verbrecher dieses Landes nach ihrer konfessionellen Zugehörigkeit einordnen?  Und wann und wo wurden in der evangelischen Kirche pro-pädophile Positionen (etwa wie in der Zeit, bei der ARD und den Grünen) „anerkannt und rezipiert“? Ich habe davon als damals in der evangelischen Jugendarbeit engagierter Pastor jedenfalls nichts mitbekommen. Also: bei aller berechtigten Kritik bitte fair und präzise bleiben!
Jörg Haunert

 


Leserbriefe zu „Mut zur Belohnung!“ von Bijan Moini

 

Der Vorschlag B. Moinis hat zwei ganz entscheidende Haken:

Erstens ändert sich nichts daran, dass Parteien vor allem eines wollen, nämlich wiedergewählt werden. Die Folgen politischer Entscheidungen werden aber fast immer erst langfristig sichtbar. Das gilt insbesondere für die Wirtschaftspolitik. Zudem sind Erfolg und Misserfolg von vielen, von einer Regierung nicht zu beeinflussenden Faktoren abhängig. Hätte Putin die Ukraine nicht überfallen (oder etwas später), würden wir Merkel heute noch für eine weitsichtige Politikerin halten und Nord Stream 2 und die Bindung an Russland loben und finanziell belohnen – Frau Merkel hätte wohlmöglich einen satten Bonus eingestrichen. Für konkret anstehende Entscheidungen bleibt stets der kurzfristige (scheinbare) Erfolg entscheidend, damit man im nächsten Parlament möglichst stark vertreten ist. Eine Verlängerung der Legislaturperioden hat Moini korrekterweise selbst ausgeschlossen.

Zweitens scheitert der Vorschlag schon am Wähler selbst, denn die Wahlforschung bestätigt ein ums andere Mal, dass bei Wahlentscheidungen das kurzfristige, insbesondere das ganz persönliche Interesse im Vordergrund steht. Die ideologische Bindung früherer Jahrzehnte hat einer egozentrischen „Am-Ende-zähl-ich-Haltung“ Platz gemacht. Auch ist aus der Sozialforschung das Paradox lange bekannt, dass Interessen um so schwerer durchzusetzen sind, je allgemeiner sie sind. Mit anderen Worten, je länger die Belohnung auf sich warten lässt, je unsicherer sie ist und je mehr die Gesellschaft im Ganzen profitieren würde, um so geringer ist die Rolle, die sie bei Wahlentscheidungen spielt. Die Mehrheit der Wähler denkt nicht anders als die der Politiker – kurzfristig.
Wolfgang Mebs

 

Politiker und Politikerinnen sind gewählte Volksvertreter. Von Ausnahmen (AfD) abgesehen, gehe ich davon aus, dass sie zum Wohle der Bevölkerung handeln. Muss dieses Handeln im Erfolgsfall noch extra belohnt werden oder ist es nicht eine Selbstverständlichkeit, dass die politische Arbeit sorgfältig und verantwortungsvoll geleistet wird, ohne auf einen Bonus zu schielen? Letzteres, finde ich, und genauso richtig finde ich es, wenn Politiker angemessene Bezüge erhalten. Bijan Moini hat sich mit diesem Thema intensiv auseinandergesetzt, er legt eine ganze Menge Vorschläge vor, wie so ein Belohnungssystem funktionieren könnte. Das ist sicherlich nicht falsch, für mich liest sich alles aber so kompliziert und bürokratisch, dass es mir schon schwergefallen ist, diesen Essay komplett durchzulesen.

Außerdem halte ich es für äußert schwierig, nach einer durchschnittlichen Legislaturperiode und einem zähen Entscheidungs- und Wahlprozess eine Regierungspolitik als gut oder schlecht zu bewerten. Falsche, aber auch richtig gute politischen Entscheidungen wirken sich manchmal erst viel später aus. Ganz besonders eine richtige und weitsichtige Politik trägt manchmal erst nach Jahren Früchte. Leider ist die Geduld des Wahlvolkes, darauf zu warten, begrenzt, das erkennt Herr Moini schon richtig. Ein Belohnungssystem würde daran aber auch nichts ändern und ist überhaupt kein Garant dafür, dass sich die Wählerschaft danach richtet.

 Dazu kommt, und dieses lässt Bijan Moini außer Acht, die Reaktion der Bevölkerung auf Boni für Politiker. Diese würde nicht besonders positiv ausfallen, bedenkt man, dass schon bei jeder Diätenerhöhung ein Aufschrei durch die Republik geht. Und was Andreas Scheuer mit seinem Maut-Desaster anbetrifft; er hätte zumindest politisch abgestraft werden müssen, auf Dauer. Dafür hätte seine eigene Partei sorgen müssen, sie hat es nicht, es liegt jetzt in der Hand der mündigen Wählerinnen und Wähler in Bayern, der CSU bei der kommenden Landtagswahl auch dafür einen Denkzettel zu verpassen.
Regina Stock

 

Aus meiner Sicht ist es in der gegenwärtigen Situation unserer Gesellschaft nicht angezeigt, über „Gedankenspiele“ von Juristen in den Bundestagsfraktionen und von anderen Juristen zu debattieren. Es sollten vor allem die Volkswirtschaftler mit abgeschlossenem Studium und entsprechender beruflicher Erfahrung zu Wort kommen. Das in Rede stehende Gedankenspiel hat keinen Bezug zur Realität. Die Politikerklasse und die von ihnen abhängigen „Funktionierenden“ im Bundestag sollen künftig nicht nur selbst über die eigenen Diäten, die Kostenübernahme für Make-up, Frisur, Visagisten und über die Anzahl ihrer Mitarbeiter selbst entscheiden, sondern darüber hinaus über eigene Bonuszahlungen. Das würde die Demokratie in Frage stellen und die Abkehr der Bürger von der Politik fördern. Wo das hinführt, zeigt sich in der Wirtschaft. Im Jahre 2022 hat das Kanzleramt laut Bund der Steuerzahler rund 1,5 Millionen Euro für Kosmetik, Frisur und Visagisten von Politikern aus Steuermitteln finanziert.

Wie das Kanzleramt mitteilte, betrugen die Ausgaben allein für Kosmetik und Frisur im gleichen Jahr rund 40.000 €. Annalena Baerbock nahm 2022 rund 137.000 Euro für eine Maskenbildnerin für Foto– und Fernsehterminen im In- und Ausland in Anspruch. Die Kanzlerin a. D. beansprucht bei ihren Reisen die Finanzierung einer sie begleitenden „Assistentin“, die auf ihren Reisen für Kosmetik und Frisur sorgt. Bei ihrer Reise in die Niederlande kostete die Übernachtung 505,00 € pro Nacht. 18.000 € Rente soll Frau Merkel monatlich erhalten. Hinzu kommen die Kosten für fünf Mitarbeiter und deren Büros. Die andere Wirklichkeit sind 2,5 Millionen haben die Schule ohne Abschluss verlassen. Über 40.000 Obdachlose, die auf der Straße leben. Über 700.000 Menschen haben keine eigene Wohnung. Zwanzig Prozent der Beschäftigten erhalten den Mindestlohn. Die Infrastruktur ist heruntergewirtschaftet, marode. Teile der Schulbildung steht vor einem Kollaps. Die Kinderbetreuung hat große Defizite.

Diese Aufzählung ist unvollständig. In den Chef-Etagen der Politik wurde die zu einem großen Teil verantwortliche Frau Merkel mit dem höchsten Orden der Politik geehrt. Willi Brand, Helmut Schmidt, Egon Bahr, Gerhard Schröder, Helmut Kohl und andere Politiker haben die Entspannungspolitik vorangebracht und die Aufhebung des Eisernen Vorhangs erreicht. Das wurde möglich, weil sie nicht nur verwalteten, sondern eine Strategie ihr Handeln bestimmte. Der Souverän hatte ihnen dazu das Mandat erhielt.
R. Reiger

 

Hier drei Vorschläge für eine gelungene Umweltpolitik anhand der Verkehrswende, die besser sind als die von Herrn Bijan Moini vorgeschlagenen Prämien. Ein Expertengremium hätte in der Vergangenheit wohl die autogerechte Stadt prämiert. Die Verkehrende wurde von Bürgern und Quereinsteigern angestoßen.

Vorschlag 1: In „meiner Blase“ sind fast alle, auch die Autofahrer, für eine funktionierende Bahn. Ich bin überzeugt mit direkter Demokratie hätten wir längst einen gut funktionierenden ÖPNV. In unserem Nachbarland Schweiz mit direkter Demokratie geht es ja auch.

Vorschlag 2: Es gibt in allen Parteien Menschen, die sich für den ÖPNV einsetzen, durch Kumulieren und Panaschieren können diese gezielt gewählt werden, ohne den Wirtschafts-politiker oder Außenpolitikerin mit deren Politik man überhaupt nicht einverstanden ist, mitwählen zu müssen.

Vorschlag 3: Die Parteien passen ihre Profile an. Im Wahl-O-Mat komme ich auf maximal 50% Übereinstimmung, auch weil die Parteien Umweltschutz im allgemeinen und Verkehrswende im speziellen so wenig beachten. Die meisten mit denen ich diskutiere finden ebenfalls keine Partei, die ihren Präferenzen im Großen und Ganzen entspricht. Wenn also alle politischen Parteien die Verkehrswende ernst nehmen, dann finden ich und viele andere vielleicht endlich eine wählbare Partei.
Martin Kiemle

 

Was Herr Moini hier schreibt, ist im Grunde genommen überlegenswert. Die Festlegung der Entscheidungen, die belohnt werden sollen, dürfte sehr, sehr schwierig werden. Zumal in vielen Situationen das Ergebnis erst oft nach langer Zeit ersichtlich ist, und dann eventuell der oder die Empfänger politisch nicht mehr opportun sind. Ich stelle mir hier vor, wir würden jetzt Altkanzler Schröder 5 Millionen überweisen, weil sein Agent 2010 mit Sicherheit eine Belohnung verdient. Nur ist er eben nicht mehr politisch akzeptiert. Es wäre in diesem Zusammenhang auch denkbar, Politikern „einen Prozess“ zu machen, die mehr oder weniger bewusst gegen das Gesetz verstoßen, siehe Frau von der Leyen in Sachen Corona Direktverhandlungen via privates Handy mit dem Chef von Pfizer.
Manfred Mengewein

 

Muss es denn immer Geld sein? Das einzige, außer Macht, dem kriminelle Banden und mafiöse Organisationen hinterherjagen, womit sie bestechen, erpressen, weswegen sie sogar töten! Sollte ein Politiker (m,w,d) nicht etwas „Nachhaltigeres“ verdienen, wenn er sich nicht nur um die Bewältigung der Legislaturperiode gekümmert hat, sondern die Weichen in die Zukunft unseres Landes richtig gestellt hat: Achtung, Anerkennung, Vorbild genannt zu werden? Sein Portrait inmitten der Bildergalerie deutscher Kanzler; Ehrenmitgliedschaft in einem Verein, der sich die Erhaltung einer lebenswerten Erde zum Ziel gesetzt hat; Ehrenbürgerschaft einer Gemeinde, die er zukunftsfest gemacht hat; Umbenennung noch zu seinen Lebzeiten von Stadien, Schulen, Universitäten, von Gassen, Straßen, Alleen (besonders geeignet Mohrengasse, Karl-Marx-Straße, Kaiser (Wilhelm) Allee); eine Sonderbriefmarke mit seinem Portrait statt der üblichen Präsidentenköpfe.

Der ideelle Wert einer Auszeichnung oder Ehrung wiegt doch weit mehr als ein Haufen schnöden Mammons, der, würde er ihn annehmen, ihn noch dem Vorwurf der Raffgier und Bestechlichkeit aussetzen würde! Die Partei, der er angehört, lebt allein von seinem Namen und seinen Taten, ohne ein Zukunftsprogramm vorweisen zu müssen, und erhält reichlich Spenden und Wählerzulauf, ohne ein einziges Werbeplakat kleben zu müssen! Wäre das nicht genug der Lorbeeren?
Ulrich Pietsch

 

Entscheidungen heute können nur auf der Basis von Wissen, wie es in der Vergangenheit produziert wurde, getroffen werden. Und sie hängen nicht unwesentlich davon ab, inwieweit solches Wissen zur Kenntnis genommen oder überhaupt verstanden wird. Diese einfachen Wahrheiten betreffen nicht nur politische Entscheidungsträger, sondern jeden von uns. Zukunft ist prinzipiell offen, auch was die Wirkung von politischen Entscheidungen betrifft. Die Unsicherheit jeder Prognose hängt von der Komplexität der Systeme und der Zeitskala ihrer Korrekturmechanismen ab. Deshalb ist Ihr Vergleich von politischen Entscheidungen mit solchen, die auf der Ebene von Wirtschaftsunternehmen getroffen werden, abwegig:

Die Komplexität von Großgesellschaften übertrifft die von Unternehmen bei Weitem, und ihre Korrekturmechanismen sind signifikant eingeschränkter und träger. Es gibt also auch in der Politik keine ‚richtigen‘ und ‚falschen‘ Entscheidungen, von denen – Ihrer Empfehlung nach – die ‚richtigen‘ schon heute belohnt werden sollten, sondern nur eher wohlüberlegte (also verantwortungsvolle, kluge) und eher unüberlegte (also verantwortungslose, dumme). Aber selbst die wohlüberlegte, beste Absicht schließt die Möglichkeit nicht aus, dass sich Menschen (oder ganze Gesellschaften) fundamental irren. Aus meiner Sicht als Physiker bietet sich dafür als Beispiel sowohl die frühere als auch die aktuelle Energiepolitik in Deutschland an. Auf diese Lebenswahrheiten kann man kein Belohnungssystem gründen. Es würde die Prinzipien der Entscheidungsfindung in einer demokratischen Gesellschaft aushöhlen. Viele Grüße aus Weimar.
Matthias Wagner

 

Gehts noch? Die verdammte Pflicht eines Ministers ist, eine bestmögliche Arbeit zum Wohle seiner Wähler und dem deutschen Volk abzuliefern. Diese Arbeit wird mit einem auskömmlichen 5-stelligen Monatsgehalt, einer jährlichen Kostenpauschale, einem üppigen Übergangsgeld nach Ausscheiden und einer lebenslangen Pension honoriert. Das sind Beträge, von denen die meisten Selbständigen und Arbeitnehmern nur träumen können. Im Gegenzug wird zurecht eine erstklassige Arbeit verlangt. Hat der Minister gut gearbeitet, wird er mit der Wiederwahl für die nächste Legislaturperiode belohnt.

Im Falle des Minister Scheuer, der Deutschland durch sein unüberlegtes Vorpreschen und Handeln einen Schaden von knapp einer Viertelmilliarde Euro zugefügt hat, wäre ein angemessener Schadenersatz die richtige Antwort! Jeder Selbständige oder Angestellte eines Unternehmens der freien Wirtschaft wird in Regress genommen, wenn er Schaden verursacht, ebenso Kommunalpolitiker. Warum also sollte diese Pflicht für Chefs von Ressorts nicht gelten? Und Sie schlagen ernsthaft vor, diese verdammte Pflicht, eine gute Arbeit abzuliefern noch zusätzlich zu honorieren? Wem das üppige Ministersalär zu wenig ist, dem steht nichts im Wege, in die freie Wirtschaft zu wechseln. Hier gibt es prächtige Boni, aber auch die Haftung für verursachten Schaden! Bei uns in Bayern heißt Scheuer schlicht Teflon-Andi, weil jegliche Kritik an ihm und seinem Handeln spurlos abperlt. Er hat seine Schäfchen im Trockenen und muss sich bis zum Ende seiner Tage keine finanziellen Sorgen mehr machen.
Franz X Brunngartner

 


Leserbriefe zu „Gefühlswildnis mit Käthe“ von Iris Radisch

Wo mag Martin Walser nun sein? Hat er es in den 10 Jahren, die Gott ihm nach der Veröffentlichung seines Buches „über Rechtfertigung“ noch schenkte, noch „gepackt“, ist er noch zur Rechtfertigung aus Glauben durchgedrungen? Ich habe das Buch damals mit großem Interesse gelesen: Anders als oberflächliche Zeitgenossen ist ihm zutiefst bewusst, dass wir so, wie wir sind, vor Gott nicht bestehen können und der Rechtfertigung bedürfen. Moral lehnt er als Versuch der Selbstrechtfertigung mit großem Nachdruck ab.

Auch fulminant weist er einen allzu selbstgewissen, unangefochtenen Atheismus zurück. Drittens schließlich lehnt er einen durch Schleiermacher und die historisch-kritische Theologie allzu harmlos gewordenen Gott ab und ruft in Erinnerung, dass der Gott des Paulus‘, Augustinus‘, Calvins und Barths so harmlos nicht ist und befugt ist, über seine Geschöpfe zu verfügen, wie es ihm gutdünkt. Zu diesem Zweck versucht er auch Nietzsche heimzuholen und mit Barth gegen eine allzu simple Anschaulichkeit Gottes in Stellung zu bringen. Mit seiner Kritik an Luther, nach dem „der Mensch schon durch Glauben und Buße und so weiter ein bisschen Anspruch auf Rechtfertigung erwerben kann“ (S. 42), verkennt er aber leider den Kern biblischer Heilslehre: In der Person Jesu wird Gott durchaus anschaulich. Und der Mensch wird dadurch gerechtfertigt, dass er glaubend in Anspruch nimmt, dass ein anderer für ihn gesühnt hat! Unsere Feigenblätter taugen tatsächlich nichts und können unsere Blöße nicht bedecken, aber Gott selbst bekleidet uns mit Kleidern aus Fell (vgl. 1. Mo 3,7.21).
Marcel Haldenwang

 

Ich habe Walser neben Böll, Grass, Lenz und Koeppen als Schüler kennengelernt und mich durch die Bleiwüsten der „Ehen in Philippsburg „und der Anselm-Kristlein-Trilogie gequält. Für mich war er immer ein genialer Aphoristiker, der ansonsten viel zu viel Belangloses produziert hat. Das Nobel-Komitee lag mal richtig, indem es ihn nicht geehrt hat. Die Kritik von Reich-Ranicki war zwar maßlos, aber doch nicht unberechtigt. (Die Novelle „Ein fliehendes Pferd“ wird m. E. überschätzt.) Seine Entgleisungen wie die Paulskirchenrede, das unsägliche Machwerk „Tod eines Kritikers“ und seine Bezeichnung des Holocaust-Mahnmals als „fußballfeldgroßer Albtraum“ sind keine zufälligen Fehltritte – Walser umgab nach meinem Eindruck immer ein Hauch von Antisemitismus.
W.-R. Heilmann

 

„Im Wald wohnt der Onkel ohne Haut.“ (Gottfried Benn) Genau so fürchterlich, der Onkel mit der Thomas-Mann-Keule; und gar der Onkel mit der Moralkeule. Viel Öffentlichkeit dank beschränkter Literaturbegriffe.
Paul Zwirchmayr

 

Martin Walser auf zwei Seiten Elogen zu widmen, Lorbeerkränze zu flechten und nachzuweinen halte ich für übertrieben bis überflüssig.
Thomas Manthey

 

Lauter Missverständnisse. Standing Ovation für die Paulskirchenrede des Preisträgers Walsers. Nur das unter den geladenen Gästen vielleicht einzige jüdische Ehepaar Bubis bleibt erstarrt sitzen. Warum? Es war leider intellektuell nicht auf der Höhe der begeistert Applaudierenden. Es musste missverstehen. Walser meinte es eigentlich nur gut mit ihm. Auch Ruth Klüger verstand ihn nicht, als sie ihm ihre Freundschaft aufkündigte. Auch die Kritiker seiner „Ehrl-König“-Karikatur – von Reemtsma über Karasek bis Assheuer – sind nur einem Missverständnis aufgesessen. Mehr ist dazu nicht zu sagen.
Michael Evers

 

Im Februar 1995 meint der damals 67 Jahre alte Martin Walser im SRF-Interview: „Altwerden ist nur durch sich verbergen auszuhalten. „Und er sagt zu einer seines Erachtens in Gewissensfragen damals tabuisierenden öffentlichen „Meinungssprache“ den noch heute gern zitierten Satz: „Nichts ist ohne sein Gegenteil wahr. „Vor mir liegen zwei Ausgabe der ZEIT vom 5. August mit gegenteiliger Titelseite, die eine ohne Porträt von Martin Walser (das mir als Abonnent zugeschickte Exemplar), die andere (schon tags zuvor am Büdchen erstanden) mit einem Foto samt seinem geliebten Hut. Möge der Himmel über Wasserburg sein Grab mit Blick auf den Bodensee in jenem Frieden behüten, für den sich Walser viele Jahre seines Lebens in Wort und Tat engagiert hat.
Frank Müller-Thoma

 

Kein Nachruf auf Martin Walser, den ich gelesen habe, kommt an diesen, von Iris Radisch im Feuilleton der ZEIT veröffentlichten, heran. Genial in Stil und Sprache und Inhalt.

Hier geht es nicht nur um den letzten großen Autor der Nachkriegszeit, dessen Wahrnehmung noch über den Literatenkreis hinausgeht und Diskussionen in der Gesellschaft auslöste.  Man denke nur an seine Zeitgenossen wie Günter Grass und Heinrich Böll. Martin Walsers Tod markiert deutlich den bedauerlichen Schnitt zwischen literarischer Hochkultur und dem Absturz weiter Bevölkerungskreise auf die primitive Digital/Twitter/Tik Tok-Ebene. Und das in Deutschland, dessen Markenzeichen „Land der Dichter und Denker“ einst weltberühmt war.

Was die Kunst der Sprache anbetrifft, steht die Literaturkritikerin Iris Radisch auf diesem hohen Niveau.  Ein langer Text. Aber er fördert Satz für Satz noch die Lust am Lesen. Wie fein sie mit den Werken des Schriftstellers und seiner kantigen, zum Teil auch Widerspruch hervorrufenden Persönlichkeit umgeht, ist eine Meisterleistung.  Weit ab vom aktuellen kurzsichtigen Empörungspotential, dass sich an Einzelheiten aufhängt.  Das habe ich einst schon bezüglich der Kritik an Günter Grass wegen seiner politischen Stellungnahmen moniert.  Wie bei Literaturpreisträger Peter Handke zählt am Ende immer das Werk.  Nicht alle waren in politisch/gesellschaftlicher Hinsicht als Person Helden wie ein Václav Havel, dessen Mut zur Kritik am kommunistischen System ihn einst ins Gefängnis und später an die Staatsspitze der Tschechoslowakei und später Tschechiens brachte. Aber auch Havel ist wie die Charta 77 in seinem Land leider in Vergessenheit geraten. Ein Hoffnungsschimmer in Sachen Literatur, die in der Gesellschaft breiter wahrgenommen wird, ist allerdings Juli Zeh.
Peter D. Schmidt

 


Leserbriefe zu „Aus dem Takt gekommen“ von Uwe Jean Heuser

Auch für Politiker gilt: Man kann nur das sehen, wovon man etwas weiß. Die Misere des „Heizungsgesetzes“ lag nicht bei der BILD-Zeitung, sondern beim fachlich etwas dürftig kompetenten Staatsekretär Dr. Graichen (promoviert in Umweltökonomie und -politik bei einem sehr guten Umweltökonomen), dessen „Clan“ das Wirtschaftsministerium BMWi[1] bei Energie und Umwelt weitestgehend im Griff hatte. „One fits all!“ vom Einfamilienhaus auf 800 qm bis zur eng bebauten historischen Altstadt oder 8-stöckigen Mehrfamilienhaus oder Krankenhaus funktioniert leider nicht! Und woher (Erzeugung, Netze, Lade­stationen) bekommen wir bis 2035 an Winterabenden (PV=0) und wenig Wind über drei Tage genügend Strom für viele Millionen Wärmepumpen und E-Autos?
Wolfgang Ströbele

 

Wenn etwas nie im Takt funktioniert hat, dann kann es auch nicht aus dem Takt kommen. Insofern ist die Unterstellung, die jetzige Bundesregierung sei schon mal im Takt gewesen, nicht richtig. Richtig ist allerdings, dass „politische Energie“ ohne Nutzen verbrannt wurde und wird. Aber was verlangen Sie von Leuten, die einerseits glauben durch Diskussionen ohne Ergebnis zum Ziel zu kommen (SPD), die ausschließlich idiologisch ausgerichtet sind (Grüne) und von einer kleinen Mitläuferpartei, die sich immer wieder darstellen muss, um zu überleben (FDP) ? Die Rechnung für die Unfähigkeit zu regieren, das heißt richtige Entscheidungen zu treffen, wird durch die Verschwendung von vielen Milliarden Euro Steuergelder „zugedeckt“, ohne Nutzen für die Bevölkerung. Das ist taktlos.
Reinhard Schmitz

 

Natürlich sind wir aus dem Takt gekommen. Das ist aber doch keine „neue Erkenntnis“. Seit den ersten veröffentlichen Bericht des „Club of Rome“ wissen wir Bürger / Politiker das wir, wenn wir auf diesem Planeten überleben wollen, etwas tun müssen. Aber als Bürger haben wir auf „die Politiker“ geschaut. Als Politiker auf die nächsten Wahlen. Und als Angestellter des öffentlichen Dienstes / als Beamter immer nur bis zum Ende des Schreibtisches. Das war so, das ist so. Und, wenn sich nichts Grundlegendes ändert, das wird auch immer so sein. Warum sollte sich auch etwas ändern? Es ist doch Wunschdenken zu glauben, das es in unseren Ministerien Menschen gibt, die über den Schreibtischrand hinausdenken. Das macht nur Arbeit. Und man tritt womöglich Vorgesetzten „auf die Füße“. Es ist eine lustige Vorstellung zu glauben, dass im „Klimaministerium“ und Anderen über die Folgen von neuen Gesetzen nachgedacht wird. Mal abgesehen davon, dass Bundesgesetze von Landes-/Städtischen Behörden ausgeführt werden müssen. Und die Frage welches Land wir werden wollen, lässt sich doch sehr leicht beantworten. Wir lassen alles so wie es jetzt ist. Wir leben doch hervorragend auf Kosten unserer Kinder, anderer Generationen und Länder.  Motto: Nach Uns die Sintflut….manchmal möchte ich schreien: sind wir eigentlich Alle wahnsinnig geworden?
Frank Ellersiek

 

Grundsätzlich stimme ich Herrn Heuser in Vielem zu. Leider verschwendet auch er die ebenfalls begrenzten Leser-Energien mit gewollten, aber fürs Thema völlig unnötigen Stolpersteinchen wie dem generischen Femininum und dem innereuropäischen Rollentausch von Deutschen und Italienern.

Beides wollte er sich wahrscheinlich nicht nehmen lassen, und genau so geht’s den Parteien der Ampel in ihrem reibungsreichen internen Gerangel. Aber das nur nebenbei. Wenn Deutschland unsubventionierten, billigen und grünen Wasserstoff und Strom haben will, dann wird es – entgegen des Wunsches des Autors – weiterhin auf Energieimporte angewiesen bleiben. Ein Windrad in Süddeutschland kann bezüglich der Produktionskosten in keiner Weise mit einem Solarkraftwerk in der Sahara oder auf der arabischen Halbinsel mithalten. Die weitverbreitete Sehnsucht nach Autarkie, die durch den Ukrainekrieg befeuert wurde, ist fatal. Wir verpassen es, uns im globalen Maßstab in die Energieproduktion einzuschalten, obwohl das entsprechende deutsche Know-how noch gut nachgefragt ist. Ein breit gefächertes Engagement (die viel gepriesene Diversifikation) kann Abhängigkeiten am allerbesten vermeiden, der Weg in die nationale Autarkie dagegen ist eine wirklichkeitsfremde unfruchtbare Sackgasse.
Christian Voll

 

Sie haben leider so Recht. Das Bild, dass unsere Regierung (egal welche Fraktion) und inzwischen unser Land in die Welt sendet ist erschreckend. Es wäre zu wünschen, dass man Lehren aus diesem Desaster zieht. Aber zu befürchten ist, dass weiterhin die Subventionitis um sich greift, bis der nächste Schattenhaushalt in Sicht ist. Nur wird das bei steigendem Zins und Zinseszins immer schwieriger. Warum hören wir nichts mehr vom Klimageld, warum wird nahezu auf jeden Lobbyistenwunsch hereingefallen und ganz gleich wem, noch mehr vom knapper werdenden Steuergeld versprochen? Weil es so schön einfach ist, Geld zu verteilen und zu hoffen bei der nächsten Wahl die Ernte einzufahren. Aber auch da gibt es inzwischen keine Garantie mehr, hier sei der AfD ausnahmsweise mal Dank.

Ein Beispiel: subventionierter Strom für die Industrie. Toll. Das wird dann scheinheilig an das Versprechen vom grünen Technologiewandel geknüpft. Nur wer soll das jemals in der Fläche kontrollieren. Den Lehrsatz von Angebot und Nachfrage sollten unsere Volksvertreter ja wenigstens begriffen haben. Wir erzeugen dann lieber mit subventionierten Strompreisen eine höhere Nachfrage, deren Deckung irgendwo zwischen fehlenden Windrädern, Atomausstieg und nicht vorhandenen Stromtrassen schlicht nicht da ist. Nicht zu verstehen ist auch, dass unser Strombedarf gegenwärtig bis zu 75 % aus erneuerbaren Quellen gedeckt wird (Zeit online), aber weiter Mondpreise für jede kWh verlangt werden. Wie meinten die Grünen einst: „Sonne und Wind schicken keine Rechnung“. Aber Vater Staat offensichtlich schon. Und sich hinter der Digitalisierungsmisere zu verstecken und auf das Klimageld lieber zu verzichten ist ja wohl ein schlechter Witz. Vorschlag: jeder der es will stellt online einen Antrag mit seiner Kontoverbindung und Steuernummer, das was die CO2 Steuer einbringt, wird auf die Antragsteller pro Kopf einmal im Folgejahr ausgeschüttet. Auftretende Ungerechtigkeiten für die, die den Antrag nicht stellen können oder wollen sind hinzunehmen (Holpflicht). Was soll also daran so schwierig sein? Bestimmt ist es die Datenschutzgrundverordnung oder ein anderes Bürokratiemonster. Und wir fragen uns allen Ernstes, warum diese sogenannte Alternative für unser Land solch einen Zulauf hat? Ein ganz anderes Thema, aber gleichwohl gar nicht lustig. Das musste mal kurz raus. Ich hoffe sie haben sich über meine etwas ausführlichen Unmutsbekundungen trotzdem gefreut.
Thomas Harnisch

 

Herr Heuser sollte aufhören die „Konzerne“ und deren Manager als Muster für effizientes, fast fehlerloses Handeln darzustellen, während die Politiker ihre Aufgaben nicht auf die Reihe kriegen. Gerade wenn es um Verschwendung geht, stehen die Bosse großer Unternehmen nicht besonders gut da. Beispiele gibt es zuhauf. Ich habe 40 Jahre für einen Großkonzern gearbeitet und weiß, wovon ich rede (ohne dass ich aus der Schule plaudern werde). Der Unterschied liegt darin, dass die vielen eklatanten Fehler der ach so erfolgreichen Industriekapitäne – wenn überhaupt – im Wirtschaftsteil erwähnt werden, den es in der BILD gar nicht gibt. Das Handeln in der Politik wird immer von irgendeiner Seite als unzulänglich oder falsch kritisiert, je nachdem welchem Lager sie zuzurechnen ist. So entsteht der Eindruck, der öffentliche Dienst sei per se unfähig. Und noch eins: Dänemark mit Deutschland zu vergleichen ist etwa so sinnvoll, wie wenn man die Probleme des Bürgermeisters einer Kleinstadt den Herausforderungen an den Chef einer Metropole gegenüberstellte.
Sven Herfurth

 


Leserbriefe zu „In Paderborn ein Held“ von Mariam Lau

Ab der Stelle, an der man von Carsten Linnemanns Bewunderung für den Unternehmer Elon Musk und seine Art von Unternehmertum erfuhr, hörte ich auf weiterzulesen.
Oliver Roßmüller

 

Wo das klassisch „Normale“ sich immer mehr auflöst und fremdgeht (mit der AfD), hat die CDU, die aus alter Tradition Normalität und gesunden Menschenverstand als Alleinstellungsmerkmale für sich in Anspruch nimmt, ein großes Problem. Nicht nur in Linnemann und Merz lebt dieser Anspruch mit provinziellem Stolz trotzig weiter. Der Trotz gegen das Urbane, Liberale und Diverse, gegen das Establishment und gegen kulturelle Eliten entlädt sich gerne in Tabubrüchen. Manchmal kalkuliert (Thorsten Frei), manchmal unkontrolliert (Friedrich Merz). Carsten Linnemann ist nun als Generalsekretär der CDU zugleich für Angriffe auf die politischen Gegner und für parteiinterne Affektkontrolle zuständig. Eine neue Rolle für Carsten Linnemann. Und eine sehr große Herausforderung, zwischen den starken regressiven und progressiven politischen Gegnern kampagnenfähig zu sein, ohne die Regierungsfähigkeit einer Partei der Mitte zu gefährden. Ihm ist zu wünschen, dass er es schafft.
Reinhard Koine

 

Jenseits der Darstellung von taktischen Manövern zur Positionierung der CDU zwischen Mitte und Rechts klafft im Portrait Linnemanns eine gewaltige inhaltliche Lücke: CDU, wie hältst du es mit dem Klimaschutz? Da ist nur zu hoffen, dass Linnemann dazugelernt hat, denn während der CDU-Regierungszeit hat er zusammen mit Joachim Pfeiffer und Thomas Bareiß zum „Bermudadreieck der Energiewende“ gehört. Dieses Trio hat Gesetze zugunsten von Windkraft und PV jahrzehntelang systematisch verwässert und demoliert. Ob die größte bürgerliche Partei sich zu ihren verfassungsmäßigen Pflichten zugunsten der Zukunft bekennt, das ist eine Schicksalsfrage der Nation.
Mechthild Dierlamm-Harth

 

Herr Linnemann hat in der letzten Wahlperiode sich und seine Seele an das Netzwerk der Energiewendegegner verkauft. Es ist sehr fraglich, ob Herr Linnemann über einen konservativen Kompass auf der Basis der sozialen Markwirtschaft verfügt, der zukunftsfähig ist, so wie dies bei Heiner Geißler war. Bei Herrn Kohl zählte nur Macht und Bimbes.
Ulrich Soller

 

Ob Carsten Linnemann der Richtige ist, um die CDU aus ihrer zumindest sachlichen Zerfahrenheit hin zu einer deutlich kraftvolleren und überzeugenderen Identität zu führen, lässt sich naturgemäß kaum sagen. Zu glatt ist das Berliner Parkett, zu rau der Gegenwind, mitunter sogar aus den eigenen Reihen.

Von Zweierlei indes darf wohl ausgegangen werden: Linnemann kann der CDU wieder ein ersichtliches Profil rechts der Mitte vermitteln (wenn sein Parteivorsitzender nicht weitere rhetorische Haken schlägt). Zumal der Paderborner durchaus glaubwürdig für die neue alte politische Ausrichtung der CDU steht; ein Anhänger Merkel’scher Politik jedenfalls war er mitnichten. Scheitert Linnemann hingegen als Generalsekretär, so muss sich Merz auch zu einem späteren Zeitpunkt keine Gedanken über eine eigene Kanzlerkandidatur machen. Und Carsten Linnemann bleibt allenfalls in Paderborn ein Held.
Matthias Bartsch

 


Leserbriefe zu „Tod eines Leiharbeiters“ von Anne Kunze

Auf meine Initiative als Duisburger Planungsdezernent gründete die Stadt vor ca.25 Jahren die Entwicklungsgesellschaft Duisburg, um eine speziell auf die Belange schwieriger Stadtteile wie Marxloh ausgerichtete Entwicklungsstrategie umzusetzen. Sie fand nach dem allgemeinen Muster der meisten Städte des Ruhrgebiets so lange das politische Wohlwollen vor Ort, solange ein staatliches Alimentieren erfolgte. Jenseits dieser Hilfestellung pflegt die örtliche Politik das typische Narrativ der ruhrgebietsspezifischen Sozialdemokratie und dieses charakterisiert sich durch ein ähnliches Verständnis, wie es bei der AFD vorherrschend ist.

Damit sind Äußerungen des derzeitigen Oberbürgermeisters nicht verwunderlich.

Marxloh ist ein, auch planerisch gewollter Stadtteil mit der Vergleichbarkeit globaler Orte von Zuwanderungshistorien. Diese Orte müssen jenseits politischer Einflusssphären ihre endogene Kraft aus der sozialstrukturellen Besonderheit und damit im Gefüge einer Stadt eine markante Eigenständigkeit erzeugen. Dieses wird sich nicht ohne schmerzliche Folgen für einzelne Schicksale erweisen, aber wie andernorts German-towns oder China-towns eine Besonderheit in der deutschen Einförmigkeit von Städten sein. Deshalb ist die Wut und Betroffenheit von gesellschaftlichen Teilen in Marxloh im Gegensatz zu den parteipolitisch eingelullten Stadtteilen eine politisch zu respektierende und zu würdigende Erscheinung von in unserer Demokratie angekommenen Zuwanderern.
Jürgen Dressler

 

Der Artikel „Tod eines Leiharbeiters“ hat mich als gebürtigem Duisburger, Sohn einer Migrantenfamilie und langjährigem Stahlwerker (Mannesmann) zum Nachdenken gebracht. Das Zechstreben und der schleichende Niedergang der Stahlindustrie hat die Stadt Duisburg vor große soziale Probleme gestellt. Wobei der Stadtteil Marxloh schon immer ein sozialer Brennpunkt war, hier hat Günther Wallraff 1985 sein heiß diskutiertes Buch „Ganz Unten“ geschrieben. Duisburg ist, unter anderem wegen der hohen Sozialleistungen, finanziell völlig am Ende und kann z.B. den notwendigen Unterhalt der Infrastruktur nicht in ausreichendem Maße leisten. Die hohe Arbeitslosigkeit ist auch in der unzureichenden beruflichen Qualifikation der Leistungsempfänger begründet. Und der Zuzug von vielen bildungsfernen Menschen mit einem oft nicht kompatiblen Normen- und Wertesystem in ein solches soziales Umfeld potenziert die bereits vorhandenen Probleme über die tolerierbaren Grenzen hinaus. Es wäre gut für die Stadt Duisburg, wenn viele dieser Neubürger in ihrer Heimat geblieben wären. Die Räumung von im Grunde unbewohnbaren Häusern ist eine dringende Notwendigkeit und die Kollision mit den Interessen der Bewohner und Vermieter muss dabei in Kauf genommen werden. Von all dem ist in dem zugrundeliegenden Artikel nicht zu lesen. Schade, es hätte ein wichtiger Beitrag zur sachlichen Diskussion der mit der Migration verbundenen Probleme sein können.
Bernd Meyer

 

Ein erschütterndes Dossier. Warum fühlt sich ThyssenKrupp als Arbeitgeber nicht für die soziale Betreuung seine Leute verantwortlich? Ein mittlere oder Kleinbetrieb schafft so etwas in der Regel auch.
Hartmut Bernecker

 

Die Autorin erwartet also, dass alle in Deutschland Arbeitenden „einen Job (…) haben, bei dem sie nicht Gefahr laufen, dass ihnen etwas zustößt“. Ich kann nicht beurteilen, ob/welche Schuld das Stahlwerk Thyssen oder seine Sub-Unternehmen am tragischen Tod von Refat Suleyman tragen und ob Arbeitsschutz-Maßnahmen vernachlässigt wurden. Ich weiß aber, dass mein Vater, selbständiger Handwerker (Zimmerer), in seinem Arbeitsleben unzählige Verletzungen und Unfälle hatte. Drei Beispiele: Einmal verlor er zwei Finger, einmal zog er sich einen offenen Arm-Bruch und einen Jochbeinbruch zu. Beim letzten Unfall stürzte er in den Tod. Ist so etwas vermeidbar? Wie hoch wären die Kosten für gewerbliche Produkte oder den Bausektor in Deutschland, wenn die Arbeitsbedingungen für jede/n so wären, dass niemand mehr irgendeiner Gefahr ausgesetzt wäre? Jede Baustelle so gesichert, dass mit 100%iger Sicherheit niemand abstürzt? Jede Säge so gesichert, dass nie ein Finger in die Quere kommt? Alle Berufe, in denen Menschen körperlich tätig sind, sind (lebens-)gefährlich. Sollen alle diese Berufe ins Ausland verlagert werden, wo noch viel weniger Sicherheits-Standards gelten? Fordere ich weniger Arbeitsschutz? Nein – aber so viel Realitätssinn, dass nicht jeder Arbeitsunfall vermieden werden kann.
Alexandra K. Kiemer

 

Da ist es ja beruhigend zu wissen, dass es in Deutschland schon bald dank der Grünen Energiepolitik keine Stahlindustrie mehr geben wird.
Peter Pielmeier

 


Leserbriefe zu „Womit keiner rechnet“ von Thomas Fischermann

Womit wirklich keiner rechnet, ist, dass der Steuerberater Vinícios Leôncio offenbar auf Tontafeln geschrieben hat oder wie lässt sich sonst das angegebene Gewicht erklären? 50.000 Seiten und 15 Tonnen: das entspricht 15 Kilo für 50 Seiten.
Anke Gresbrand

 

Ich weiß, dass in Zeitungsartikel gerne Zahlen zur Veranschaulichung verwendet werden. Leider tun sie wohl manchmal das Gegenteil, wenn sie nämlich falsch sind und das dem Autor nicht auffällt. Dann ist die Veranschaulichung offenbar misslungen. Sie schreiben in Ihrem Artikel in DIE ZEIT Nr. 33 vom 3. August 2023 auf Seite 19: „Das Werk hatte am Ende 50.000 Seiten und wog 15 Tonnen.“ Ein übliches DIN-A4-Blatt (Bücher sind meistens im kleineren Format, außer es handelt sich um Bildbände) wiegt ca. 5g (bei üblichem Standard von einer Dichte von 80g/m²). Vielleicht wurde ja besonders dickes Papier verwendet. Gehen wir einmal von 20g pro Blatt aus. Ein Blatt entspricht zwei Seiten. Also müsste das Werk aus 25.000 Blatt bestehen, was einem Gewicht von einer halben Tonne entspräche. Natürlich kommt noch der Einband hinzu. Wahrscheinlich besteht das Werk aus mehreren Bänden, also mehrere Einbände. Selbst wenn jeder Band nur 50 Seiten enthält, käme man auf 1000 Bände und somit auf 14,5kg pro Einband. Ich schreibe solche Emails immer wieder, weil ich als Statistiker leider immer wieder feststelle, dass Zahlen im Journalismus leider immer wieder verwendet werden, ohne sie zu hinterfragen. Für mich gehört generelles Hinterfragen zum guten Journalismus. Es geht mir nicht um irgendwelche dritten Nachkommastellen. Aber wenn Zahlen so offensichtlich falsch sind, sollte das auffallen.
Frank Klawonn

 

Sie könnten ja mal nachrechnen: 50.000 Seiten, also 25.000 Blatt. A4 (?)
typisch 80 g/m², also 5 Gramm pro Blatt 15 Tonnen = 15.000 kg = 15.000.000 g
–> 125 kg, etwas besseres Papier –> 150 kg = 0,15 Tonnen
Klaus Rozinat

 

Im Artikel über Brasilien und den Präsidenten Lula da Silva schreiben Sie von den neuen Steuervorschriften, in einem Buch von Vinìcios Leôncio zusammengefasst, das nun 50.000 Seiten umfasse und 15 Tonnen wog. Hoppla! 50.000 Seiten und 15 Tonnen? Das sind also 50.000 Seite und 15.000 kg. Na gut, heute wird an der Grundschule ja nicht mehr Rechnen, sondern Mathematik unterrichtet. Da kann man schon mal ebendieses Rechnen unterlassen. Und bei Mathe sind ja sogar manche Leute stolz, dass sie dieses Fach mit schwachen Leistungen abgeschlossen haben. Aber so etwas? Teilen wir nun die 50.000 Seite und 15.000 kg jeweils durch 1.000, dann erhalten wir 50 Seite und 15 kg oder auch 15.000 g. Wenn wir nun beides nochmals durch 50 dividieren, um das Gewicht einer einzigen Seite zu erhalten, so landen wir bei: 1 Seite wiegt 300 g!

Nur mal nach Deutscher Industrie Norm (DIN): Ein Blatt Druckerpapier A4 wiegt 80 g/m², und 1 m² ist das Format A0, und dies ist das Sechzehnfache einer A4 Seite, die also nur 5 g wiegt. Woraus muss da wohl die Seite bestehen, auf der Vinìcios Leôncio das Werk wohl ausgedruckt hat? Übrigens bin ich bei der Rechnung davon ausgegangen, dass die Blätter nur einseitig bedruckt waren; bei doppelseitigem Druck wäre ein Blatt ja noch doppelt so schwer. Nichts für ungut, aber da war wohl irgendetwas falsch beim Gewicht des opulenten Werks.
H. Peter Stock

 

Ein Werk mit 50.000 Seiten (Annahme: Format A4, Flächengewicht 80 g/qm) besteht aus 25.000 Blatt Papier. Die wiegen 12,5 kg (plus Einband 2,5 kg  = 15 kg = 15.000 Gramm) und nicht 15.000 Tonnen. Auch wiegen 50.000 Seiten nicht mehr, wenn die Schrift größer ist.
A. Geuther

 


Leserbriefe zu „Es war doch nicht alles schlecht …“ von Anna Sauerbrey

 Wie ich vorletzte Woche schon schrieb, müsste, „wenn es nach der Argumentations’logik‘ der verfetteten, superreichen, weißen, alten, ziemlich dummen, republikanischen Männer ginge, demnächst in den USA wohl auch die Sklaverei wieder eingeführt werden.“ DeSantis gehört offensichtlich zu dieser Sorte von „Menschen“. Sklaventreiber scheint mir der passendere Ausdruck zu sein. Die mittels Geschichtsbücher verbreiteten Lügengeschichten über den sogenannten „zivilisatorischen Fortschritt“, den die Weißen mit ihren Plünderzügen den angeblich rückständigen „Wilden“ gebracht hätten, sind endgültig auserzählt. Die wahren Wilden und die eigentlich Zivilisierten sind längst bekannt. Sie hatten da kürzlich einen Artikel zu den Wahlen in Spanien, wo der Imperialismus wieder fröhliche Urständ feiert. Symptomatisch dafür scheint mir auch die überhebliche Verhöhnung indigener Riten durch die spanische Fußballnationalmannschaft der Frauen zu sein.
Thomas Manthey

 

Nach heutigen Maßstäben und im Rückblick ist es selbstverständlich Sklaverei zu verurteilen. Jedoch gab es sie In fast allen früheren Kulturen, nicht nur in Ägypten, Griechenland und Rom. Auch in Deutschland, Russland gab es die Leibeigenschaft. Deshalb ist es nicht ganz fair nur auf die Amerikaner einzudreschen. Ziemlich weit hergeholt ist das Argument, die Sklaverei sei wesentlich für den Wohlstand der USA und damit des Westens. Seit Beginn des Mittelalters haben die Europäer technisch/ wissenschaftlich dominiert. Mit ihren Gewehren und Kanonen sowie ihrer Navigationstechnik kamen sie überall hin und konnten sich durchsetzen. Zuhause entwickelten sie Feinmechanik, Dampfmaschine, Elektrizität usw. und erreichten damit bisher unvorstellbaren Wohlstand. Übrigens auch die Afro-Amerikaner profitierten stark. Fragen sie mal heutige Afro-Amerikaner, ob sie lieber in der alten Heimat oder den USA leben wollten.
Ernst Lothar Helwig

 

Die heutigen Nachfahren sind schon deswegen die Profiteure des durch die Sklavereigräuel verursachten Leids, weil sie in den USA und nicht in Afrika leben, also in der Besorgnis, dass jederzeit der Nachbarstamm ganz unrassistisch ein Massaker plant – vom Lebensstandard ganz abgesehen. Die nächste unpopulistische Erzählung geht wohl so, dass der deutsche Wirtschaftsauf-schwung 1870 bis 1910 (Elektro, Chemie, Stahl) durch den Raub der wundervollen Benin-Bronzen befördert wurde.
Werner Koetz

 

Wenn die Seelenpfleger der populistischen Internationale die (ausschließlich) Herren Ron DeSantis, Björn Höcke und Bruce Gilley zu ihrer Haltung stünden, wäre es nur logisch von den damals mühsam ausgebildeten Versklavten das überfällige Lehrgeld einzutreiben.
H. Giller

 


Leserbriefe zu „Ganz oben“ von Hanno Rauterberg

Als promovierter Kunstgeschichtlicher hätten Sie es besser wissen können: Weiß-blau sind die Farben Bayerns, weiß-blau ist der Himmel Bayerns, weiß-blau ist die bayerische Flagge! (streng genommen eigentlich silber-blaue Wecken, da die Wittelsbacher sie 1242 von dem erloschenen Geschlecht derer zu Bogen übernommen haben.).
Thomas Goebel

 

Wo Ludwig II. sich in den eigenen Überhöhungsversuchen selbst nicht mehr finden kann, suchen wir ihn zu überhöhen. Ein Märchen für den Märchenkönig: Ludwig II. als Urgrund der Popkultur? Im Historismus laufen das Ende der monarchischen Herrschaft und das gründerzeitliche Aufkommen der bürgerlichen Herrschaft ineinander. Beide Strömungen treffen sich in ihrer manierierten Verwendung von hochkulturellen Stilelementen und der eklektizistischen Überformung der aufkeimenden technischen Moderne. In der manchmal gelungenen, manchmal eher plumpen Manieriertheit triumphiert das Subjekt zum Schein. Die massenkulturelle Verwertung dieser Scheinsubjektivität ist in den Werken von Ludwig II. selbst noch nicht angelegt. Erst die Moderne schafft die Voraussetzungen für die Serienproduktion, für die Popularisierung des ursprünglich Einzigartigen, für eine Popkultur, die gezielt erlösende Produkte mit einem sinnstiftenden Mehrwert für den Massenmarkt fertigt. Vielleicht ist das tragische Leben von Ludwig II. ein Urphänomen der modernen Absurdität, nämlich dass jede Suche nach einem höheren Sinn zu keinem bleibenden Ergebnis führt.
Reinhard Koine

 

„Lebe Deinen Traum!“ Unter diesem Motto läuft zurzeit eine Werbekampagne an den Litfaßsäulen, – deutschlandweit. Der Narzisst Ludwig der Zweite hat es getan. Und was ist dabei herausgekommen? Die Vergeudung von Millionen (oder gar Milliarden?) bayrischer Steuergelder für Kitsch oder allenfalls Kopien, über die er sich nahe bei seinem verehrten/angebeteten Vorbild Ludwig des Vierzehnten fühlen konnte. Und bei Richard Wagner, in dessen Musik er allein in einem Boot auf einem künstlichen Grottensee auf Schloss Lindenhof meinte versinken zu können. Ob es gelang, weiß man nicht. In seinen Schlössern hat er sich tatsächlich jedenfalls kaum aufgehalten. Die Welt des Narzissten ist eine Spiegelwelt, zu der kein wirklich Anderer, mit dem er sich auseinandersetzen könnte, Zutritt hat. Mit der sich allerdings jedefrau/rmann aufgrund der psychischen Entwicklung von uns allen identifizieren kann, weil wir alle als Kind mal narzisstisch waren. Darum ist die weltweite Resonanz auf dieses narzisstische Vorbild mit seiner speziellen Lebensweise und seinen Bauten nachvollziehbar. Jeder möchte seinen Wunsch, seinen Traum verwirklichen, oder sich zumindest mit Figuren zu vereinigen, die so etwas versuchen. Dieses Bestreben hat sich seit einigen Jahren erkennbar verstärkt und wird vor allem auch durch die enormen Entwicklungen der IT und deren Potenz befeuert. Seinen Traum verwirklichen, um schlussendlich tatsächlich mit einer unvermeidlichen Enttäuschung konfrontiert zu werden? Und sollte es gelingen, wäre es katastrophal, wie man es bei all denen beobachten kann, die eine vollkommene, perfekte und alle Wünsche befriedigende Welt zu realisieren versuchten. Diese Versuche sind in Krieg, Zerstörung und Vernichtung geendet. Oder? Aber Neuschwanstein sollte wirklich bald zum Weltkulturerbe gehören als Ort, der die Unerreichbarkeit symbolisiert, die Unerreichbarkeit eines Ortes, der nur einem Selbst gehört, einem König der Autonomie!
Gerd Schillmöller

 

Der Leserbriefschreiber lebte 8 Jahre in München – und hat in dieser Zeit zwölfmal die Ludwig II.-Schloss/Burg besucht: fasziniert von dieser aus einem Königs-Traum heraus geborenen Wirklichkeit. Dieses Neuschwanstein bleibt zeitlebens in einem selbst verankert – unauslöschlich: ein ewiges Gesamtkunstwerk! Danke an Hanno Rauterberg für seinen bereichernden Text zu dem möglichen Weltkulturerbe der (diesbezüglich besinnenden-dokumentierten) Zukünftigkeit.
Axel Manfred Rvmpf von Mansfeld

 


Leserbriefe zu „Amerika, du machst es besser!“ von Heike Buchter

Exakt drei Monate nach Erdüberlastungstag am 4. Mai, dem Tag, an dem Deutschland seine Ressourcen für das ganze Jahr 2023 verbraucht hat, veröffentlicht Die Zeit ein Plädoyer, der Wirt-schaft der USA nachzueifern, des Landes, das am allerersten dazu beiträgt, dass unser Planet für die Menschheit und alle anderen Bewohner in Jahrzehnten oder, wenn es gut geht, wenigen Jahrhunderten wegen Klimaveränderung unbewohnbar wird. Aufgeklärte und aufklärende Organe wie Die Zeit müssen die als gegeben angesehene Art zu wirtschaften entschieden und ausdauernd hinterfragen, statt sie weiter zu propagieren. Solange wir an das jetzige Modell festhalten, immer mehr produzieren, immer mehr aufbrauchen, immer mehr verbrauchen, werden wir weiter ungebremst auf die Katastrophe zurasen.
John Stevens

 

In ihrer Begeisterung für Amerika fällt die Genauigkeit unter den Tisch. Die Autorin stellt Lohnsenkungen in Deutschland von 3% Lohnerhöhungen in Amerika von 6% gegenüber. Kann das sein? Vermutlich ist das ein Vergleich von Äpfeln und Birnen: Die Lohnsenkungen in Deutschland sind Reallohnverluste angesichts der hohen Inflation. Die Steigerungen in den USA hingegen aller Wahrscheinlichkeit nominale Steigerungen, denn auch die USA wurden zumindest zeitweise von einer hohen Inflation geplagt. Bitte also demnächst mehr Präzision oder zumindest etwa ausführlichere Erklärungen der dargebotenen Fakten.
Dirk Kerber

 

Die Überschrift würde für das untere Drittel der Menschen in den USA wie Hohn klingen, wenn sie denn wüssten, welche sozialen Errungenschaften ihnen entgehen, weil sie im „Land der begrenzten Möglichkeiten für Arme“ leben. Die Verhältnisse, die Heike Buchter am Anfang und am Ende ihres Beitrags schildert, um der Gegenoffensive gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen, haben sich kaum bis gar nicht verbessert. Das von ihr gesichtete „Davonziehen“, ausgedrückt in der BIP-Steigerung und sonstigen positiven Statistikdaten der Wirtschaft, nützen dem ärmeren Teil der Bevölkerung herzlich wenig. Bei ihm kommen vielleicht die 9 statt 6% Lohnerhöhung an (30 bis 50 c), was aber nicht reicht, um in einem, statt in mehreren Jobs zu arbeiten oder vom Wohnwagen in eine Wohnung zu ziehen oder sich eine gute Schule für das Kind leisten zu können.  Verbesserungen der Wirtschaftsleistung kommen fast ausschließlich der Wallstreet, d. h. den Reichen und Gutsituierten zugute. Als ich in den Vereinigten Staaten lebte (alles war noch besser), hatte ich das Glück, zu den Wohlhabenden zu gehören. Schon damals waren es die Lebensbedingungen der (mehrheitlich afro-amerikanischen) „Unterschicht“ und viele andere von Heike Buchter erwähnten Verhältnisse, deren Anblick mich verstörte und davon abhielt, für immer in den USA zu leben.

Die Überschrift müsste lauten: „Amerika Deine Subventions- und Steuerpolitik ist zurzeit erfolgreicher für die Wirtschaft“. Ansonsten macht Amerika nur wenig besser (oder auch vieles schlechter) als Deutschland.
Sven Herfurth

 


Leserbriefe zu „»Wer flüstert dir immer diese Dummgrütze ein?«“ von Reto U. Schneider

Reto Schneider versuchte als Handreichung für eine Kultur des Meinungsstreits Argumente, Fakten und differenzierte Haltungen zu nennen. Und dann passierte ihm im Artikel folgender Satz: „Während der Pandemie verteidigten Maßnahmebefürworter und Maßnahmengegner ihre Positionen mit einer Inbrunst, die in keinem Verhältnis zu ihrem Wissen stand.“ – Da fehlte das kleine Wort „einige“, um seiner eigenen Forderung zu genügen (einige Befürworter, einige Gegner.).
Holger Oehmichen

 

Wer darf sich bildungsfern und einschließlich der Wissenschaft selbst bildungsnah anmaßen, zu jedem Sachverhalt meinungsfähig, gar meinungsstark zu sein? Wofür bedarf es eines wissenschaftlichen Fürsprechers, wenn jede wissenschaftliche Erkenntnis oder Expertise erfahrungsgemäß eine Halbwertszeit besitzt? Warum bemüht man sich nicht zur eigenen Befriedigung, sich eine, dem eigenen Vermögen angemessen und selbstbewusst mit diesem Wissen bescheiden zu zeigen?
Jürgen Dressler

 

Es kommt selten vor, dass die Artikel auf zwei aufeinander folgenden Seiten Themen behandeln, die eigentlich zusammenhängen, ohne dass ein Zusammenhang hergestellt wird. Hier liegt es doch nahe zu fragen: Wie geht die KI, z. B. ChatGPT, mit kontroversen Themen um? Wäre der Einsatz von KI nicht eine Möglichkeit, Streit zu entschärfen? Das wirft natürlich weitere interessante Fragen auf. Wenn die KI beim Streit eingesetzt wird, wie hängt dann die Art zu streiten von der Persönlichkeit desjenigen ab, der die KI trainiert? Wie müsste eine KI trainiert werden, um den Streit auf eine sachliche Ebene zu bringen? Das Thema KI bietet offenbar noch viele interessante Aspekte, die noch lange nicht überschaubar sind.
G. Zeyer

 


 

Leserbriefe zu „Das Erfolgsrezept“ von Ijoma Mangold

Das parlamentarische Fazit „ein höherer Kohlenstoffpreis für Emissionen wäre sinnvoll, schadet aber dem Wettbewerb“ offenbart die Dominanz vom Kapitalismus; vor Gott, vor dem Leben, vor den Allgemeinen Menschenrechten und naturwissenschaftlichen Einsichten. Das Fazit gleicht der alttestamentarischen Erzählung von Abraham, der seinen Sohn aufgrund eines höheren Befehls opfern will – aber keinem Vater, der für seinen Sohn die Existenzbedingungen verantwortet. Unser werte-basierter Handel ist so erfolgreich, dass wir unsere Existenzgrundlagen destabilisieren. Ist das ein weiterführendes sinnvolles Erfolgsrezept? Matthias Losert

 

Heute ist in der ZEIT von Erfolgsrezepten die Rede. Mein Lieblings-Erfolgsrezept ist auf einem Plakat auf unserem Andreasplatz in Hildesheim zu finden.
Claudia Mai

 

Ich habe mich bei der Lektüre des Artikels als „seltsamer“ Mensch erkannt – und finde, dass es angesichts der Probleme der Menschheit notwendig ist, fremden Menschen zu vertrauen und zu versuchen, mit ihnen zu kooperieren, auch auf die Gefahr hin, enttäuscht zu werden. Mit Clan-Mentalität, Stammesdenken und Nationalismus wird die Menschheit die Klimakrise, das Artensterben, die Ressourcenverschwendung, die Umweltzerstörung, die Kriege usw. jedenfalls wohl nicht in den Griff bekommen. Im Anthropozän muss die Menschheit – wenn sie überleben will – als Ganzes die Erde, das Klima usw. gestalten – und das funktioniert wahrscheinlich nur, wenn alle oder zumindest die meisten Menschen „seltsam“ werden.
Ulrich Willmes

 


Leserbriefe zu „Die 13 toten Nachbarinnen“ von Dmitrij Kapitelman

Ein sehr berührender Artikel, der einen dazu anregt über den eigenen Umgang mit Denkmälern und Gedenkstätten, sowie über den Zustand unserer Gesellschaft nachzudenken. Anne Pfeiffer

 

Ich sitze vor meinem Computer und versuche das Gelesene emotional zu bewältigen. 2009 stand ich vor dem Monument der Todgeweihten. Ich dachte damals, dass der Schmerz dieser Frauen ihnen alle Emotionen ausgelöscht hat. Dass sie jenseits von Schmerzempfinden, jenseits von Bewusstsein, jenseits jeden Lebensgefühls versteinert vor sich hinblicken und nichts mehr sehen können. Die Emotion des Entsetzens saß tief in mir. Nun bringt mir dieser Text diese starke Emotion zurück, schwächt mir den Atem. Wie kann man diese Gefühle verkraften? In der christlichen Trauer spricht man von Transzendenz als Hoffnung zur Überwindung. Darf man im Hinblick der jüdischen Tragödie als Christin aufrichtige Transzendenz erhoffen und an die Rechtschaffenheit von Transzendenz glauben? Ich hab keine Antwort auf meine Frage. Ich möchte dem Autor für die Darstellung seiner Emotionen aufrichtig danken.
Gabriele Vuagniaux

 

Sehr gern lese ich Ihre Artikel, da sie irgendwie besonders sind, ungewöhnliche Blickwinkel einnehmen. So auch Ihr nachdenklicher Essay über tot- lebendige Nachbarinnen. Gestatten Sie mir, auf einen kleinen Schönheitsfehler hinzuweisen: auf Seite 26, linke Spalte, 5. Zeile heißt es „Steinkörper“. An zwei anderen Stellen weisen Sie selbst darauf hin, dass es Bronzefiguren sind. Man sieht es auch auf den Abbildungen.
Cornelia Ehringhaus

 


Leserbriefe zu „Mission gescheitert“ von Bastian Berbner et al

Ein ausführlich recherchierter Bericht – leider fehlt eine wichtige Information über den Uranabbau – die Ausbeutung des Landes durch Frankreich!
Birgit Reinhart

 

Anders als in Ihrem Beitrag suggeriert wird, handelte es sich bei den Ereignissen vom 26. Juli im Niger keineswegs um einen von langer Handvorbereiteten Militärputsch, sondern zunächst „nur“ um eine Meuterei der Präsidentengarde, die mit der Festsetzung des Staatspräsidenteneskalierte. Zum tatsächlichen Putsch kam es erst etliche Stunden später, als sich die übrigen Streit- und Sicherheitskräfte der Meuterei anschlossen. Der Kommandeur der regulären Streitkräfte sah sich am 27.Juli sogar dazu veranlasst, in einer Pressemitteilung zu erklären, dass sich die Streitkräfte dem Putsch nur angeschlossen hätten, um eine bewaffnete Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen bewaffneten Kräften zu vermeiden. Französische Medien (z.B. Le Monde und Radio France Internationale) hatten über diese Ereignisse schon sehr zeitnah und umfassend berichtet.

Hätten Sie diese Meldungen verfolgt, dann wüssten Sie übrigens auch, dass die nigrischen Spezialkräfte sehr wohl an dem Putsch beteiligt waren; ihr in den USA ausgebildeter Kommandeur ist zudem bei der im Fernsehen verlesenen Erklärung der Putschisten zusehen. Gegen Ihre These eines vorhersehbaren Putsches spricht außerdem, dass die Putschisten bis heute keine neue Regierung ernannt haben. Aber auch ohne diese Tatsachen ist der im Artikel mehrfach geäußerte Vorwurf der Ignoranz seitens der Bundesregierung haltlos. Bazoums Regierungsstil mag autokratische Züge haben, aber er ist nun einmal der gewählte Staatspräsident und somit gilt auch im Umgang mit ihm der alte diplomatische Grundsatz „Man kann nur mit den Herren tanzen, die im Saal sind. „An der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik mag vieles zu beanstanden sein. Von einer Zeitung wie der ZEIT erwarte ich jedoch, dass vor einer Bewertung erst einmal die Fakten gründlich recherchiert werden.
Ingo Scholz

 


Leserbriefe zu „Zeit, die Hand zu reichen?“ Streit von Götz Ulrich und Matthias Grahl moderiert von Anne Hähnig und Mark Schieritz

 Ich möchte nur einmal daran erinnern, in welcher Partei der ermordete Walter Lübcke war und von welcher Partei die Hetze hauptsächlich kommt, die dafür mitverantwortlich war. Wer sich also in der CDU nicht klipp und klar von den Verfassungsfeinden der AfD distanziert macht sich mit gar nicht so klammheimlichen Sympathisanten gemein. Da macht es auch keinen Unterschied, ob diese „netten, gutbürgerlichen Nazis von nebenan“ irgendwann einmal in der CDU waren. Eigentlich macht es das nur noch viel schlimmer. Ich warte auf den nächsten Händedruck zwischen zwei Parteien (vielleicht auch drei, die FDP ist ja auch gerade im Osten sehr anfällig). Nach der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands gibt es demnächst vielleicht eine NED (Nazistische Einheitspartei Deutschlands) in der Zone. Wirklich schlimm, was die alte BRD sich da „eingeladen“ hat, als wenn die eigenen Nazis nicht gereicht hätten.
Thomas Manthey

 

Warum „hetzen“ wohl derzeit fast alle Parteien aus allen Rohren voll gegen die AfD? Die AfD wurde als eine demokratische Partei, in demokratischen Wahlen, in den deutschen Bundestag und in vielen Landtagen hineingewählt. Auch ein Manfred Weber (*1972) Mitglied des Europäischen Parlaments und Mitglied der CSU bzw. der Europäischen Volkspartei, hetzt ständig gegen die AfD, trifft aber immer wieder mit der italienischen Premierministerin Giorgia Meloni, die rechtsextrem ist oder vielleicht in Webers Augen, doch nicht so ganz? Was würde er wohl über das EU-Land Ungarn und dessen Premierminister Viktor Orban (rechtsextrem oder auch nicht so schlimm?) sagen? Marine Le Pen (populistisch und rechtsextrem?) könnte sogar das nächste Staatsoberhaupt von Frankreich (EU-Land) werden!
Klaus P. Jaworek

 


Leserbriefe zu „Testosteron ist out, Mann!“ von Oliver Fritsch

So ein Blödsinn! Frauenfußball hatte sich zwischen 1990 und 2010 ganz stark entwickelt und bleibt seither so stehen, dass man kaum hinsehen kann. Diese schwache Qualität ist auch kein Wunder, weil die breite Basis fehlt, wenn man es mit dem Männerfußball vergleicht. Ein Vergleich ist ohnehin absurd und unfair. Eine ehemalige Spielerin sagte ganz richtig: „Das ist eine andere Sportart“. Der Männerfußball hatte über 120 Jahre Zeit für seine Entwicklung. Weil die Frauen es sicher besser machen, werden sie es in halber Zeit vielleicht schaffen. Letztlich entscheidet darüber der Markt, also der dauerhafte Wunsch, diese Frauensportart sehen zu wollen. Mediales und gesellschaftspolitisches Aufblähen wird daran nichts ändern.
Fred Klemm

 

Tatsächlich erscheint auch mir der Frauenfußball so attraktiv wie nie zuvor. Was das aber mit dem Matilda-Effekt zu tun haben soll, bleibt wohl das Geheimnis des euphorisierten Autors. Oder hat tatsächlich auch der Männerfußball seine Faszination den Frauen zu verdanken? Außerdem: Das Testosteron-Bashing ist ja schon länger kein weibliches Privileg mehr, doch sollte man keinen überbordenden Gebrauch von diesem eher unoriginell-platten Provokationsmanöver machen, denn unterm Strich ist das Testosteron ein Freund und Helfer der Menschheit, und über Freunde sollte man nicht allzu schlecht reden.
Christian Voll

 


Leserbriefe zu „Wie es wirklich ist“ „als Mädchen mit Jungs Fußball zu spielen“ von Stella Spörrle

Sie sind 16 Jahre alt und vielleicht mit einem der Jungs befreundet. Nur Probleme. Du hast meine Freundin angeruppt. Strafstoß. Da werden Sie die Jungs ohnehin rauswerfen. Eine andere Sportart tut es auch. Aber nur Damen.
Hans-Emil Schuster

 

Als Abonnentin der ZEIT haben mich die rosafarbenen Fußballschuhe über Ihrer Kolumne an eine wahre Geschichte erinnert, die ich letztes Jahr festgehalten habe. Die Geschichte handelt vom afghanischen Mädchen Sepide, das mit ihren rosaroten Fußballschuhen losgezogen ist, um mit Jungs Fußball zu spielen und mir nebenbei eine Lektion in Sachen Emanzipation erteilt hat. Anbei meine Geschichte: “ In Deutschland darf man das“.

Es gab eine Zeit, da kamen sehr viele Flüchtlinge in unsere Stadt. Fremde Menschen aus vielen Krisengebieten der Welt wurden weit außerhalb der Wohngebiete in verlassenen alten Verwaltungsgebäuden einquartiert. Familien mit vielen Kindern lebten dort Tür an Tür. Alleinstehende Männer wurden in Mehrbettzimmern untergebracht. Jeden Tag begegneten mir die Fremden auf ihrem Weg zur Bushaltestelle. Die Frauen trugen meist Kopftücher und lange Gewänder und schoben einen Kinderwagen. Ihnen folgten die Kinder, die schon laufen konnten. Oft schleppten die Männer schwere Einkaufstaschen.  Wir begrüßten uns und lächelten, aber sie verstanden uns nicht. Glücklicherweise erlernten die Kinder im Kindergarten und in der Schule sehr schnell die deutsche Sprache und übersetzten für ihre Eltern.

Da die Ämter überlastet waren, warteten die Menschen viele Monate auf ihre Anerkennung oder Duldung. Die Männer fürchteten sich vor der Abschiebung und standen in Gruppen auf dem Hof und debattierten mit sorgenvollen Gesichtern. In ihren Zimmern stapelten sich amtlichen Formulare, die auch für die Sozialarbeiterin und uns ein endloser Alptraum waren, denn ein eingereichtes Formular gebar meist zwei weitere. Die Kinder blieben von der Bürokratie verschont und von ihren Kriegs- und Fluchterlebnissen ließen sie sich nicht viel anmerken. Sie lachten, spielten und stritten wie alle Kinder auf der Welt. Einige der Jungs begleitete ich zum Fußballtraining. Für die Mädchen gab es in unserem Stadtteil keinen Freizeitsport.

Ich hatte nun Gelegenheit, fremde Kulturen kennen zu lernen und meine Vorurteile zu korrigieren. Ich mochte sie alle, diese entwurzelten, tapferen und freundlichen Menschen, aber einige haben mich besonders berührt. Zu Ihnen gehörte das neunjährige afghanische Mädchen Sepide. Sie lebte mit ihren Eltern, drei bildschönen älteren Schwestern und ihrem kleinen Bruder Serkan, der mit Trisomie 21 zur Welt gekommen war, in zwei Räumen im Obergeschoss. Dort gab es eine Gemeinschaftsküche und eine Toiletten- und Duschanlage für vierzig Personen. Ruhig war es nur, wenn die Kinder in der Schule waren. Ansonsten hörte und sah man überall Kinder. Kinder spielten in den Gängen – Kinder hüpften durchs Treppenhaus – Kinder rannten über den Hof – Kinder stiegen auf das Dach – und überall dabei – Sepide.

Sollte ich Sepide beschreiben, fällt mir Pippi Langstrumpf ein. Ja, für mich war sie die afghanische Schwester von Pippi Langstrumpf – unerschrocken und stark. Und eines Tages erteilte sie mir eine Lektion in Emanzipation. Nie werde ich diesen Nachmittag im Spätsommer vergessen. Ich bog in den eingezäunten Hof der Gemeinschaftsunterkunft ein und hielt inmitten der Kinder.

„Sepide, Sepide!“ rief Leila und stürmte ins Gebäude. Die Jungs hatten mich schon erwartet und umzingelten mein Fahrrad. Da trat Sepide aus dem Gebäude und schritt selbstbewusst und entschlossen über den Hof. In ihren Händen baumelten, an langen Schnürsenkeln zusammengeknotet, leuchtend rosarote Fußballschuhe. Sie stellte sich zu uns und verkündete, dass sie heute zum Fußballtraining mitkommen werde. Die Jungs grinsten, sagten aber nichts. Sie hatten Respekt vor Sepide.

Also zogen wir los, fünf Jungs aus Syrien, Sepide aus Afghanistan und ihre zwei Freundinnen, die schweigsamen Schwestern Leila und Fatima aus dem Irak.Der Fußballplatz war nicht weit entfernt und ich zog mit meiner Karawane im Gänsemarsch am Rand des schmalen Sträßchens entlang. Die Autos der Eltern, die ihre Kinder zum Training brachten, rauschten an uns vorbei. Der kleine Umar kaperte mein Rad, stellte blitzschnell den Sattel nach unten, fuhr auf und davon und traf als erster auf dem Fußballplatz ein.

Dort begrüßte er freudestrahlend seine Mitspieler, schnappte sich einen Ball und los gings! Die fünf Flüchtlingsjungs spielten noch nicht lange in der Mannschaft und die einheimischen Eltern schauten skeptisch. Daher ließen wir uns in großem Abstand zu ihnen am Spielfeldrand nieder und blickten auf den grünen Rasen und die Felder am Waldrand. Über uns strahlte der blaue Himmel und ich fühlte mich von der Sonne getröstet, die nicht nur auf die blonden, sondern auch auf die schwarzhaarigen Kinder schien. Und alle zusammen flitzten wieselflink mit den Bällen über den Rasen. Sepide zog ihre Stollenschuhe an, nahm sich einen Ball und stakste zu den Jungs auf’s Spielfeld. Fatima und Leila blieben am Spielfeldrand sitzen und beobachteten gespannt das Geschehen auf dem Rasen. Dort wurde die im Fußballspiel ungeübte Sepide von den Jungs geschickt umspielt und vom Trainer ignoriert. Sie schossen ihr die Bälle um die Ohren und trippelten, köpften und tricksten was das Zeug hielt.

Es war offensichtlich – das Mädchen war bei den Jungs der F-Jugend nicht erwünscht. Das kannte Sepide aus Afghanistan und bald hatte sie keine Lust mehr. Sie kehrte zu uns zurück, setzte sich schweigend ins Gras und riss die Stollenschuhe von den Füßen. „Sepide“ versuchte ich die Gleichberechtigung in unserem Land zu verteidigen, „das Training hier ist für Jungs, aber in der Stadt gibt es Mädchen-Fussball“ Sepide zog die Schultern hoch, ließ sie wieder fallen und entschied:„Okay, dann spielen wir Verstecken“. Und schon umrundeten die drei Mädchen kreischend das Vereinsheim und versteckten sich hinter alten Schuppen und Holunderbüschen. Ihr schwarzes Haar glänzte in der Sonne und sie jauchzten, als wäre nichts geschehen. Den Jungs auf dem Spielfeld schenkten sie keine Beachtung mehr.

Ich saß derweilen nachdenklich im Gras. Neben mir lagen Sepides Fußballschuhe und leuchteten in vorwurfsvollem Rosarot. Sepide flitzte an mir vorbei und rief: „Komm, spiel mit!“ „Eine Oma kann doch nicht Verstecken spielen“ wehrte ich ab. Da blieb Sepide mit ärgerlichem Gesicht vor mir stehen, stemmte die Hände in die Hüften und erwiderte empört: „Doch, in Deutschland darf man das!“
Birgit Saffrich

 


Leserbriefe zu „Unser Schicksalsort“ von Fritz Habekuss und Maximilian Probst

Danke für Ihren sehr informativen Beitrag „Unser Schicksalsort“. Nur: was meinen Sie betr. Vicenza -liegt m. E und lt Google Maps nicht am Meer?
Karl Kellner

 

Vielen Dank für Ihren Artikel zum Thema Klimawandel im Mittelmeerraum: Unser Schicksalsort, in der Zeit vom 3. August 2023. Auch dieser Artikel wird, wie leider so viele davor und danach, nicht den Effekt haben, den Sie sich vielleicht erhoffen. Noch wird er, wie ich fürchte, bei Ihren Leser*innen oder gar Entscheider*innen einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Erstens wird er verharmlosend unter der Rubrik „Klimawandel“ geführt. Es müsste doch schon längst „Klimakatastrophe“ heißen, oder haben Sie Angst, Leser*innen mit unangenehmen Wahrheiten zu vergraulen?

Ihre Klimakatastrophenberichterstattung weist liebevollste Details auf und spart nicht mit Alarmismus und Katastrophenszenarien. Aber noch immer weigert sich Ihr führendes meinungsbildendes Medienunternehmen öffentlich zu bekennen: „Die Klimakatastrophe ist so ernst, dass wir uns selbst als Redaktion und Verlag sofort maximal dafür einsetzen, so klimaneutral wie möglich zu werden. Wir verwenden deshalb ab sofort nur noch klimaneutralen Strom, achten bei unseren Recherchen, Prozessen und selbst bei den Arbeitswegen und Dienstreisen unserer Mitarbeiter auf maximale Klimaneutralität. Auch werden wir fortan darauf verzichten, Anzeigen abzudrucken, die klimaschädlichen Luxus anpreisen, wie z.B. SUVs, Fernreisen, Supersize-Möbel, Billigfleisch, etc., denn ähnlich schädliche wie der Tabakkonsum ist unser aller luxuriöser klimaschädlicher Konsum, wenn nicht sogar noch viel schädlicher! Wir können nicht warten, bis es ein gesetzliches Verbot für klimaschädliche Werbung gibt, deshalb handeln wir schon jetzt! “ Schließlich ist es doch so, dass so lange die Zeit Werbung für SUVs, Kreuzfahrten, Fernreisen und ähnlich klimaschädlichen Luxus macht, lockt sie mit Ihren Katastrophen Artikeln Käufer und Klicks, um durch eine noch höhere Auflage von Ihren Anzeigenkunden noch höher Preise für das Abbilden der geschalteten klimaschädlichen Werbung verlangen zu können.

Wenn Sie den Inhalt Ihres Artikels selbst irgendwie als Verlag und Redaktion ernst nehmen, dann müssten Sie schnellstens uns allen ein meinungsbildendes Vorbild sein. So wie Sie als Journalisten bei anderem Unrecht und die unlautere Verknüpfung von Interessen anprangern so müssten Sie doch auch diskutieren und zuzugeben, dass Sie als „Gesamtproduktion“ sowohl den Biedermann als auch den Brandstifter der Klimakatastrophe spielen. Ihre Artikel berichten neutral, aber die damit dargereichte Werbung appelliert, emotionalst SUVs, Flugreisen, Kreuzfahrten usw. zu kaufen. Ja, Ihr Verlag selbst ist Veranstalter der Zeit Leserreisen mit dem luxuriösesten und klimaschädlichsten Angebot an Reisen. Sie suggerieren journalistisch Neutralität, aber Ihr Geschäftsgebaren als Verlag signalisiert: „Komm, kauf das SUV, dass unser Anzeigenkunde gerade anbietet, dann können wir nächstes mal mehr für den Anzeigenplatz verlangen, beeil dich, buch bei uns noch schnell deine letzte (Ant-)Arktis-Kreuzfahrt, denn unser Wissenschaftsredaktion sagt, dass es den Eisbären und Pinguinen dort schon bald an den Kragen geht!“

Ach so, Sie denken, erst muss die Politik es für alle gleich machen und Sie zwingen, was fürs Klima zu tun, bzw. Sie finden noch immer, dass doch bitte erst die Menschen in China oder Indien sich einschränken sollen. Sie wollen also sich so unpolitisch wie möglich verhalten und dadurch höchst politisch sein ohne es zu wollen, denn mit dieser bisher von den Medien eingenommen Haltung signalisieren Sie fortlaufend an alle anderen: „Wir müssen uns nicht bewegen, Sie also auch nicht, wir machen alle weiter wie bisher und warten ab bis die Politik und die Menschen in China und Indien die Klimakatastrophe für uns lösen. So lange genießen wir weiter aufs vollste unsere Möglichkeiten und Privilegien!“ Und wenn dann die Politik von uns Einschnitte verlangt, dann heulen Sie mit den Populisten Aiwanger, AFD und FDP um die Wette, wie undurchdacht und ungerecht das alles ist?

Der Stern hatte mit seinem Titel: “Wir haben abgetrieben“ großen Einfluss auf §218. Der Spiegel legte sich mit seinem Titel „Bedingt abwehrbereit“ bewusst mit der Executive an. Wo bleibt der entsprechende Einfluss der 4. Gewalt, wenn es ums Klima geht? Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie einmal, ähnlich wie der Stern oder der Spiegel eine Ausgabe über den folgenden Zwiespalt der Medien machen:

Medien verdienen an der geschalteten Werbung für klimaschädliche SUVs, Fernreisen, usw. und wenn dann der dadurch gestiegene Konsum Klimakatastrophen verursacht, dann verdienen Sie nochmal an den höheren Klick- und Verkaufszahlen durch die Katastrophen Schlagzeilen. Der Teufelskreis ist dann für sie perfekt, denn die Reichweite der klimaschädlichen Werbung nimmt zu und Sie können dadurch wiederum höhere Preise für die geschalteten Anzeigen verlangen. Machen Sie dies zu einem Sonderheft, das selbst maximal klimaneutral ist. Ähnlich wie Sie in den 90er Jahren ein ZEITmagazin mit dem Blut vergewaltigter Frauen aus dem Jugoslawienkrieges gedruckt haben. Das war eine Weltpremiere und hat Ihre Reputation als meinungsführendes humanistisches Blatt gefestigt. Worauf warten Sie? Oder wollen Sie sich auf ewig AFD, FW und FDP-mäßig wegducken? Klaus Siersch

 


Leserbriefe zu „Wie gefährlich ist der Transport von E-Autos?“ von Dirk Asendorpf

Der Autofrachter „Fremantle Highway“, der brennt ja wie Zunder! Sicherlich gibt es da keinerlei Brandmauern an Bord! Ach ja, sämtliche Brandmauern, die stehen nutzlos in Deutschland herum, denn da wollen einige unserer Volksvertreter damit auf Nummer sicher gehen, damit nichts (Un)Rechtes anbrennen kann! Back to Fremantle Highway, hier brennen vor allen die „E-Fahrzeuge“ lichterloh, und die kann man nur mit Unmengen an Wasser löschen. Das ist für mich der beste Beweis, dass man auch mit diesen „umweltfreundlichen E-Fahrzeugen“ nie und nimmer das angeknackste Weltklima retten kann, ganz das traurige Gegenteil dürfte und ist jedenfalls der Fall!
Klaus P. Jaworek

 

Ich muss Ihnen in zwei Punkten widersprechen und bin ein bisschen enttäuscht, dass ausgerechnet in der Rubrik WISSEN Mythen verbreitet werden. 1.): der „elektrische Ladezustand“ von Akkumulatoren, kurz Akkus, völlig falsch gerne mit dem aus der Artillerie stammenden Wort „Batterie“ synonymisiert, ändert wenn voll im Gegensatz zu leer nichts an der Gefahr, wenn nicht beide Pole kurzgeschlossen werden. Dieser Kurzschluss ist beim Transport fabrikneuer Autos völlig ausgeschlossen. Ein Polkurzschluss von Akkus passiert nur bei mechanischen oder elektrischen Arbeiten an Fahrzeugen.

Ob ein Akku elektrisch geladen ist oder nichts ändert also nichts an der Betriebsgefahr, denn es ist kein Tank, in den eine Materie gefüllt und aus dem irgendeine Materie entnommen wird. Die Ladung eines Akkus erfolgt, indem Elektronen in ihm das elektrische Potential erhöhend umsortiert werden. Das erfordert einen Energieaufwand, den wir „laden“ nennen. Die Entladung setzt elektrische Energie frei, ist aber doch nur eine Rücksortierung der Elektronen im Material. Kein Akku wird schwerer oder gefährlicher, wenn er geladen wird oder leichter oder ungefährlicher, wenn er entladen wird, egal über welches Material und welches technische Konzept wir reden. Gefährlich kann nur die während des Ladevorgangs mit der Arbeit des Umsortierens der Elektronen gegen deren natürlichen Verteilungszustand einhergehende Erwärmung des Akkus werden, wenn der Schmelzpunkt oder der Flammpunkt des darin verwendeten Materials niedrig genug liegt.

Der Schmelzpunkt von Blei liegt bei 327,5OC, der Siedepunkt bei 1.730OC. Es ist ist nur schwer entflammbar. Darum kann man die alten Bleisäureakkus zwar zerstören, aber sie fliegen einem für gewöhnlich nicht explosiv um die Ohren. Lithium hingegen hat einen Schmelzpunt von nur 180,5OC und Lithum-Ionen-Zellen neigen zu einer sich selbst verstärkenden Temperaturerhöhung ab ca. 200OC, die Thermal Runaway genannt wird und dann sehr schnell zur Explosion bei ca. 320OC. Ein Lithium-Ionen-Akku ist eine Ansammlung vieler kleiner Lithium-Ionen-Zellen. Im Zuge der elektrischen Ladung eines Lithium-Ionen-Akkus ist ein Wärmestau im inneren des Pakets bei fehlendem oder mangelhaften Batterietemperaturmanagementsystem, der diese 200OC übersteigt, durchaus möglich. Startet die thermodynamische Kettenreaktion einmal, ist sie nicht mehr zu stoppen, egal, was passiert. Gut, theoretisch könnte man eine Lithium-Ionen-Zelle, die davon betroffen ist, in flüssigen Stickstoff werfen, bevor sie aus sich heraus 320OC erreicht hat und hoffen, dass das den Thermal Runaway aufhält. In der Praxis wird das kaum möglich sein. Nachdem die 320OC einmal überschritten sind, kommt es zu einer Explosion, deren Temperatur bei 1.085OC liegt. Danach sind sofort alle Nachbarzellen im Thermal Runaway.

Der Prozess ist in einem Lithium-Ionen-Akku weder zu stoppen noch umkehrbar. Einmal gestartet, endet so ein Feuer erst, wenn alles Lithium verbrannt ist. Und hier kommt jetzt etwas Teuflisches ins Spiel: Lithium-Ionen-Zellen generieren, während sie abbrennen, den Sauerstoff, den sie brauchen, um zu verbrennen. Man kann den Brand mit keinem Mittel stoppen. Sie brennen im Vakuum weiter, in Sand, in Wasser, in Stickstoff, in Helium, in Halon, in Löschschaum, in was auch immer. Damit ist übrigens auch Ihre Erzählung von Feuern in geschlossenen ISO-Containern, die wegen Sauerstoffmangels erlöschen in das Reich der Sagen verwiesen. Darin mag alles Mögliche gebrannt haben. Lithion-Ionen-Akkus können es nicht gewesen sein. Und man wirft, wenn ein Elektroauto an Land brennt, dieses nur in einen Container mit Wasser, um die giftigen Abbrandgase einzufangen. Die Gase eines Brandes einer Lithium-Ionenen-Zelle sind so giftig, dass schon der Hautkontakt zum Verlust von Geruchs- und Geschmackssinn führt, zum Nierenversagen, zum Hörverlust und zur Erblindung. Die Abbrandgase sind übrigens immer hellgrau bis weiß. Sieht man ein Automobil in dunkelgrau oder dunkelbraun bis schwarz abbrennen, dann brennt da ein klassisches Verbrennerfahrzeug. Und das kann man löschen. Die Freemantle Highway brannte weiß, bis hellgrau.

Die Elektroautos brannten, nicht die Verbrennerautos. Die dürften in der Hitze des Feuers die im Wärmestau des geschlossenen Stahlsargs entstanden sein muss, geschmolzen sein. Ein zweites Problem, das einer jeden Lithium-Ionen-Zelle innewohnt, ist deren Stoßempfindlichkeit. Ich möchte jetzt nicht auf die Quantenmechanik eingehen, die das verursacht. Grob vereinfacht passiert folgendes: Stoßenergie „schwappt“ als Welle die Moleküle im Material erregend durch die Zelle. Erregungsenergie auf molekularer Ebene ist Wärmeenergie. JEDER(!) Stoß verursacht diesen Vorgang. Ist der Stoß hart genug, wird im Nachschwingen die Temperatur von 200OC überschritten und die thermodynamische Kettenreaktion startet. Und es spielt überhaupt keine Rolle, ob der Lithium-Ionen-Akku elektrisch geladen, halb geladen oder entladen war. Es passiert so oder so. Leute, die sich damit auskennen, „freuen“ sich schon auf den Einparkrempler im Parkhaus unter einem Einkaufszentrum oder Hotel in einer großen Stadt in dem Bereich, in dem Elektroauto neben Elektroauto an Ladesäulen hängt.

Der Brand wird nicht gelöscht werden können und die Zahl der Schwerverletzten, die noch drei Viertel weiter von den Rauchgasen getroffen werden, wird unglaublich sein. Schiffe auf Hoher See sind unglaublichen Stößen ausgesetzt, allen Stabilisierungssystemen zum Trotz. Autotransporter an Land übrigens auch. Die Stöße, die ein Auto erfährt, wenn es transportiert wird, sind deutlich größer, als die, die es erfährt, wenn es selber fährt. Und analysiert man die Brände von Elektroautos, stellt man drei Hauptursachen fest: das Fahrzeug hängt an der Ladestation, das Auto wird transportiert, statt selber zu fahren oder, das Auto wird in einen Verkehrsunfall verwickelt. Wie könnte man nun Elektroautos sicher transportieren?  Ganz einfach: es müsste eine zusätzliche Steckdose an jedem Elektroauto geben, die nichts weiter macht, als das Batterietemperaturmanagementsystem in Betrieb zu halten, also die Klimaanlage für den Lithium-Ionen-Akku. Und sobald diese Steckdose mit Elektrizität beaufschlagt wird, dann müsste das Batterietemperaturmanagementsystem arbeiten. Und jedes Elektroauto müsste immer bei jedem Transport an dieser Steckdose angeschlossen werden müssen. Kein Elektroauto hat das bis jetzt. Hängt man das Elektroauto über eine normale Steckdose an ein Stromnetz, wird immer auch der Akku geladen und das ist beim Anstoßen eines Elektroautos im Zuge eines Parkremplers oder eines Transports die denkbar schlechteste Kombination.

Der Leserbrief wurde ein bisschen lang und ich bin schon ganz gespannt, wie Sie Ihre gefährliche Fehlinformation korrigieren wollen. Dass Sie sie korrigieren sollten, ist wohl offensichtlich, denn die Frage, ob wir Elektroautoladestationen wirklich in Parkhäusern oder Tiefgaragen oder überhaupt nur geschlossenen Räumen installieren dürfen sollten, wurde noch nicht öffentlich diskutiert. Und gerade DIE ZEIT sollte in der Rubrik WISSEN Fakten verbreiten, nicht Mythen. Mit Dank für Ihre kommenden Mühen,
Stefan Janetzky

 


Leserbriefe zu „Dicke Hose“ Bilder von Maša Stanic ́, Text von von Malin Schulz

„Auch aus Frauenhänden können Fäuste werden“ (Zitat von Dr. Manfred Hinrich, 1926-2015, deutscher Philosoph, Schriftsteller & Journalist) Lasst euch nichts gefallen, das sagt die Fotografin Mâsa Stanìc und lässt mit ihren Fotografien ihre angestaute Wut aus ihrem Bauch herausplatzen, das ist ganz große Klasse und das hat große Klasse. „Blinde Wut kommt oft kurz nach blinder Liebe“, das sagt die Schweizer Autorin und Lyrikerin Brigitte Fuchs (*1951)
Klaus P. Jaworek

 

Ein tolles Plädoyer für noch mehr Unfreundlichkeit und gegenseitiges Anbrüllen im Alltag. Es ist immer die alte Leier: Damit Frauen als vollwertigere Personen gelten, sollen sie die schlechten Eigenschaften der Männer nachahmen – und das wird dann Emanzipation genannt. Besser wäre es, die Männer zu ermutigen, die guten Eigenschaften der Frauen nachzuahmen.
Sarah Thelen

 


Leserbrief zu „Wo ist Maria?“ von Alice Bota

vielen Dank für Ihren Bericht. Schon länger habe ich mich gefragt, wie die aktuelle Lage in Belarus ist. Zwar habe ich keinen persönlichen familiären Bezug zu dem Land. Dennoch fühle ich mich durch Ihre Zeilen be- und getroffen. Ihr Buch *Die Frauen von Belarus* hat das Land in meinen Fokus gerückt. Ich bin erschüttert, was den Menschen dort widerfährt. In einem Land, mitten in Europa. Für mich ist es unbegreiflich, dass die Menschen in Belarus nicht leben können, wie sie wollen. Dass sie sich nicht äußern können, wie sie wollen. Dass ihnen das widerfährt, was Sie in Ihren Texten beschreiben. Ihren aktuellen Artikel habe ich gerade im Zug auf den Heimweg von der Arbeit gelesen. Zu erfahren, dass der Mann von Swetlana Tichanowskaja tot sei, ließ mich innerlich aufschreien: „WAS? Wie kann das sein?“ Ich freue mich, dass Sie Teil der ZEIT sind und Ihren Blick auf Belarus haben. Bitte machen Sie weiterhin auf die Missstände aufmerksam oder berichten Sie auch gerne über positive Veränderungen, wenn es sie gibt. Machen Sie weiterhin ordentlich Krach, journalistischen Krach!
Franziska Hermanns

 


Leserbrief zu „»So arrogant wie jetzt ging bisher keiner vor«“. Gespräch mit Roberto Saviano geführt von Michael Braun

Eigentlich eine Steilvorlage für alle konservativ oder “ rechts der Mitte“ Verorteten, hier nur mit umgekehrten Vorzeichen. Was in Italien passiert, ist nicht neu, nur anders. In unseren Funkhäusern wurde der Gang durch die Institutionen erfolgreich absolviert. Wer nicht grün tickt, gilt in den eigenen Reihen als Sonderling und sieht sich auf verlorenem Posten. Die Restles und Böhmermanns haben längst eine Art “ Kultstatus“, fast immun gegen Kritik, man könnt auch Narrenfreiheit sagen. In Italien entsteht das Bollwerk offenbar rechts, bei uns finden sich rechte Strömungen a priori gerne als „rechtsradikal“ konnotiert und in den Pariastand versetzt. Ist das besser?
Christoph Schönberger

 


Leserbrief zu „Ohne Rücksicht auf Verluste“ von Franziska Grillmeier et al

Das ist die Festung Europa, wie Ursula von der Leyen sie sich vorstellt: Wir geben einem Autokraten, der gerade die letzten Reste der im arabischen Frühling in Tunesien erstrittenen Demokratie schleift, 900 Millionen Euro, damit keine ertrunkenen Kinder mehr an Europas Stränden angeschwemmt werden; stattdessen sollen sie in der Sahara, wo nur Geier und Schakale sie finden, verdursten.

Zur Erinnerung: „Am 10. Dezember 2012 hat die Europäische Union den Friedensnobelpreis erhalten – eine Anerkennung für viele Jahrzehnte Frieden, Versöhnung und Demokratie.“ (so die offizielle Website der Bundesregierung). Sieht so künftig unser Friede aus?
Raimund Poppinga

 


Leserbrief zu „Angeklagt“ von Heinrich Wefing

Endlich wird es mal deutlich ausgesprochen: Obschon naturgemäß nicht Gegenstand der aktuellen Prozesse, die wirklich von Donald Trump ausgehende Gefahr für die Demokratie droht den Vereinigten Staaten erst aus seiner zweiten Amtszeit. Es ist verwunderlich, dass dies in der öffentlichen Diskussion und im US-Wahlkampf viel zu kurz kommt. Man muss das ganz klar aussprechen: JEDER, der diesen Mann in welcher Form auch immer unterstützt oder sogar ihm die Stimme gibt, jeder, der wider besseres Wissen dazu schweigt, macht sich zum potenziellen Handlanger für die Folgen, sollte Donald Trump ein zweites Mal gewählt werden. Es wird dringend Zeit, dieses offen und immer wieder auszusprechen. Damit am Ende niemand sagen kann, er habe es nicht gewusst. Herr Wefing, Chapeau, Ihr letzter Satz im Artikel bringt es auf den Punkt.
Hans-Hermann Gröger

 


Leserbrief zu „Söhne und Väter, keine Feinde“ von Wolfgang Bauer

Bei allen Berichten aus Krisen- oder Kriegsgebieten stelle ich immer wieder fest, mit wieviel Genauigkeit, Deutlichkeit aber auch tiefer Anteilnahme und Kleinigkeiten berücksichtigend Wolfgang Bauer seine Reportagen schreibt. A la condition humaine. Und dabei auf jedes martialische oder bellizistische Beiwerk verzichtet.
Hartmut Wagener

 


Leserbrief zu „Warum haben wir das nicht?“ „Flick-Bonus wie in Frankreich“ von RIC

Mindestens den für die Reparatur von Elektrogeräten gibt es das in Thüringen schon: https://www.reparaturbonus-thueringen.de/  Seit 2021 wird die Hälfte der Reparaturkosten von Elektrogeräten erstattet – maximal bis zu 100 € je Einwohner:in und Jahr. „Erfunden“ wurde der Reparaturbonus in Österreich (Graz?).

Kann die Redaktion ja gerne mal drüber berichten: wie funktioniert das praktisch, wo liegen die Grenzen und warum muss es überhaupt bezuschusst werden?
Thomas Koch

 


Leserbrief zu „Das neue Rheingold“ von Sophie Neukam

Mit Rheingold ist Lithium gemeint. Dieses Element wir überall gebraucht für alle möglichen Zwecke. Was ist dabei neu? Eben die Sache, dass man es nicht auf dem Markt kauft, sondern es selber findet und abbaut. Umweltverträglich selbstverständlich. Auch in Deutschland gibt es Lithium. Dann mal los. Löcher bohren, Erdproben entnehmen und prüfen, wo sich der Abbau lohnt. Vielleicht auch im Rhein? Aber da ist eben Gold und Sache der Mythologen.
Hans-Emil Schuster

 


Leserbrief zu „Spinat auf Etage 12“ von Fabian Franke

Warum sind Produkte aus Indoor-Farmen teurer als die auf Erde gewachsenen, obwohl der Ertrag in Indoor-Farmen 220-mal so hoch ist und die Kosten geringer sind? Der Hauptfaktor dürfte der x-fach höhere Kapitaleinsatz sein. Trotzdem mag diese Form der Nahrungsmittelerzeugung einen gewissen Marktanteil bei Kräutern und Feingemüse erreichen. Ich bezweifle aber, dass auf mittlere Sicht nennenswerte Menge von Massenprodukten wie Getreide, Raps, Kartoffeln und Zuckerrüben in abgeschlossenen Räumen angebaut werden. Erst recht gilt dies für Gras und Silomais für das Rindvieh, für Schafe und Ziegen.  Das Bestreben, unabhängiger von der Witterung zu sein bei der Nahrungserzeugung, ist alt. Man denke an nur nach Süden offene Orangerien im Mittelmeerraum, an Frühbeete, an im Laufe eines Jahrhunderts immer effizienter gewordene Gewächshäuser.

Etwa um 1970 glaubten manche Forscher, Grund und Boden brauche man nur noch als Standfläche von riesigen Wasserbassins (für Fische, Algen etc.), Retorten (zum Bakterienwachstum direkt auf Erdölbasis), Fabrikhallen (zum Spinnen von Fleischfasern aus Soja). Gemüse wurde schon damals teilweise in Gewächshäusern auf Dämmmaterial „angebaut“. Die Probleme aber waren vielfältig, unter anderem die Verbreitung von Krankheiten. Es reicht nicht, dass das Personal vor dem Betreten einer Produktionshalle sich vollkommen umzieht. Schon mit dem hineingetragenen Samen können Krankheitserreger eingeschleppt werden. Viren, Bakterien, Pilzsporen können durch die Luft in den abgeschlossenen Raum gelangen. Da versagt manchmal auch eine ausgeklügelte Lüftungsanlage (wie ich im beruflichen Zusammenhang erfahren habe). Eine Lösung für die Welternährung sehe ich in den Indoor-Farmen nicht.
Adolf Ronnenberg

 


Leserbrief zu „Mein Leben Als Frau“ „12 Uhr mittags“ von Antonia Baum

mit Vergnügen habe ich wieder die Kolumne ‚Mein Leben als Frau ‚ von Andrea Baum gelesen. Gibt es die gesammelten Kolumnen zu kaufen? Wäre schön.
Heike Kantelhardt

 


Leserbrief zu „Gelandet, um zu bleiben“ von Yannick Ramsel und Brigitte Wenger

WWW.mosquito alert.com bietet eine citizen science-app.

Joerg L Neumann

 


  Leserbrief zu „Raus aus der Sackgasse“ von Berit Diesselkämper

Die Frage der Autorin, ob der Umgang mit dem Freispruch von Kevin Spacey nicht „fürchterlich weiblich“ sein könnte, da sehr emotional und aufgeregt, und ob das Urteil einen neuen Umgang in der MeToo Bewegung erwarten lasse, nämlich einen „sachlicheren“, könnte man auch vollkommen anders bewerten. Die Autorin stellt die Frage, ob die MeToo Debatte damit an ihr Ende gekommen sei.

Vielleicht könnte man auch genau das Gegenteil erwarten. Es muss klarer gemacht werden, dass der Täter seine Verteidigungsstrategie nicht mehr auf sein schauspielerisches Talent aufbauen kann, wie im Falle Spacey zu vermuten. Mein Gefühl, dass möglicherweise „fürchterlich weiblich“ ist, sagt mir, dass wir nicht aufhören dürfen, den Opfern einen Vertrauensvorschub zu geben. Gerade deshalb, weil sich Täter in der Vergangenheit zu oft darauf verlassen konnten, dass die Justiz nur Fakten anerkennen kann. Und wie ja im Artikel richtig beschrieben wird, kann sexualisierte Gewalt nur schwer bewiesen werden, selbst wenn Fakten vorliegen. Mir zeigt das Urteil nur, wie verletzlich auch unsere Rechtsprechung in diesen Fällen ist. Ein Anerkennen der Machtposition des vermeintlichen Täters sollte auch zur Sensibilisierung und dem Eingestehen eigenen Versagens dienen dürfen. Vor allem sollte die Rechtsprechung doch dazu dienen, zukünftige Opfer zu vermeiden.
Estella Risto-Steeg

 


Leserbrief zu „GOTT IST JUNG“ von Andreas Englisch und Maximilian Sepp

die Überschrift, Gott sei jung, ist für eine Zeitung Ihres Formats ziemlich gewagt und hat mich zu diesen Zeilen veranlasst: Gott ist alles & nichts. Die ZEIT berichtet nicht, wie es ihre zu vorderste Aufgabe wäre, nein, sie stellt fest: „Gott ist jung“. Weiter bräuchte man gar nicht zu lesen. Für viele Zeitgenossen mit oder ohne Theologiestudium, mit oder ohne Weiheamt, ist er queer, tot, nicht tot, eine Frau, eine Jungfrau, das Licht, ein alter weißer Mann, eine Taube, ein Geist, der Schöpfer der Welt und des Teufels, die Liebe, das ewige Leben, eben alles. Und sein Stellvertreter ist der Papst, bei dessen Erscheinung – wie nun in Lissabon – die Jugend der Welt in Verzückung gerät und sich gesegnet fühlt. Möge es dieser Jugend helfen, mit sich selbst zurecht zu kommen und ihre, dem guten Leben aller, geforderte Toleranz gegenüber Anders- und Nichtgläubigen nicht beschädigen.
Frank Stößel

 


Leserbrief zu „STIL. Halbe Sache: Jorts von Givenchy“ von Tillmann Prüfer im ZEIT Magazin

Ich lese gerne was Sie schreiben. Aber, bei Männern mit kurzen Hosen fällt mir immer folgender Spruch ein. Wenn Gott gewollt hätte, dass Männer kurze Hosen tragen, dann hätte er Ihnen kurze Beine gegeben. Na, ja bei manchen Frauen trifft das auch zu.
Helga-Johanna Peters