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24. August 2023 – Ausgabe 36

Leserbriefe zu „Nicht mehr normal“ von Tina Hildebrandt

Die Kernaussage: „Nicht mehr normal“ ist bemerkenswert. Es sollte unstrittig sein, dass viele Menschen in Deutschland mit der derzeitigen politischen Machtelite unzufrieden sind. Die Unzufriedenheit mit der Regierungsarbeit wird durch pauschale Umfragen ermittelt. Diese Umfragen lassen nicht immer klare Rückschlüsse zu. Insbesondere wenn Umfrageergebnisse nach dem bisherigen System „welche Partei würden Sie am nächsten Sonntag wählen?“ gegenübergestellt werden. Wie ist es möglich, dass Menschen sagen, sie würden die AfD wählen und gleichzeitig wissen, dass die AfD nicht politikfähig ist, u.a. deshalb nicht, weil sie keine seriösen Partner finden wird? Laut Untersuchungen dürfte tatsächlich der größte Teil der mittels Meinungsumfragen prognostizierten AfD-Wählerstimmen von einer extrem unzufriedenen Wechsel-Wählerschaft stammen. Wie schaffen wir es also, in den Zustand „wieder normal“ zu kommen?

Was würde denn dagegen sprechen, die Fragestellungen seitens der seriösen Wahl-Umfrage-Institute zu erweitern? Eine zusätzliche Fragemöglichkeit könnte z.B. lauten: Welcher Partei trauen Sie am ehesten zu, die derzeit großen gesellschaftspolitischen Probleme in Deutschland zu lösen? Neben den üblichen Antwortmöglichkeiten müsste dann folgende zusätzliche Antwort eingefügt werden: Ich traue keiner der angegeben Parteien zu, die derzeit großen gesellschaftspolitischen Probleme in Deutschland zu lösen. Im Ergebnis würde die AfD nur mehr eine politische Splittergruppierung darstellen, weil die Menschen jetzt die Möglichkeit hätten, ihre Unzufriedenheit auf geeignete Art zu äußern. Gleichwohl müssten dann mit hoher Wahrscheinlichkeit auch alle seriösen Parteien ihre bisherigen politischen Strategien hinterfragen und neu definieren.
Ludwig und Jana Degenhart

Ja, das Gezeter unserer Regierungskoalition auf offener Bühne ist nervig. Eine neue Regierung wünsche ich mir trotzdem nicht, denn ich erinnere mich mit Grausen, wie der Streit zwischen Bundeskanzlerin Dr. Merkel und ihrem Minister Seehofer die Republik wochen- und fast monatelang lahmlegte. Das war die alte Regierung, und in diesem Streit ging es um persönliche Animositäten und Verletzungen, die in einer öffentlichen Demütigung der Kanzlerin gipfelten. Ein solches Spektakel wird uns unsere jetzige Regierung hoffentlich ersparen, denn im Streit unserer jetzigen Regierung geht es, so sehe ich es auch, (zumindest bis jetzt) nicht um den Kampf verletzter Egos, sondern um das Austarieren widerstreitender Inhalte. Jede der an der Koalition beteiligten Parteien vertritt eine Gruppierung in unserer Bevölkerung, die Menschen, die diese Partei gewählt haben. Und diese Menschen erwarten, dass ihre Partei ihre Interessen in der Regierung durchführt. Da ist Streit vorprogrammiert, da ist aber auch, positiv, der Streit, und gerade, wenn er öffentlich ausgetragen wird, die Chance für die Republik. Denn alle Protagonisten zeigen, wenn sie streiten, welche widerstreitenden Interessen in der Bevölkerung da sind. Die auf offener Bühne Streitenden machen sichtbar, was vorhanden ist.

Das beweist gerade Lisa Paus. Die Familienministerin mag ihre Interessen ungeschickt vertreten haben; ihr Ungeschick täuscht nicht darüber hinweg, dass sie für einen Großteil unserer Bevölkerung spricht, das zeigt der Aufstand der Sozialverbände, die ihr zur Seite gesprungen sind. Dass die FDP die Interessen ihrer Wähler und Wählerinnen in der Regierungskoalition zu vertreten hat, hat Herr Kubicki als ihre dezidierte Aufgabe erklärt, und der Verkehrsminister lässt dann auch weiter Autos über unsere Straßen donnern und nimmt sich heraus, die für sein Ressort geltenden Klimaziele auszusetzen.

Und die Wähler der Grünen? Und jene SPD – Wählerinnen und Wähler, die wie ich deswegen die SPD gewählt haben, weil auch diese Partei die Klimapolitik als ihren Schwerpunkt versprach? Nun hat die Regierung mehr für den Klimaschutz getan, als die schlechte Kommunikation ihrer Aktionen deutlich macht. Aber mehr auf diesem Gebiet und zumindest eine bessere Vermittlung der Vorhaben an die Bevölkerung wünschen sich diese Gruppierungen in unserem Land, die für grüne Politik stehen. Die Regierung muss streiten, denn sie hat die Aufgabe, den Streit, der in der Bevölkerung da ist, auszutragen. Dass sie dies öffentlich tut, ist nervig. Aber was öffentlich wird, kann angeschaut werden und ist nicht mehr in dem trüben Sumpf verborgen, aus dem Rechtspopulisten das Material für ihre trübe Suppe schöpfen. Eine Regierung, die mit öffentlichem Streit nervt, zeigt öffentlich, welcher Streit in der Bevölkerung vorhanden ist. Und indem sie dieses Gegeneinander öffentlich austrägt, könnte sie, das wäre ihre historische Chance, deutlich zu machen, dass Streit nicht zur Spaltung führen muss.
Ursel Heinz

Wir erleben eine Phase, in der das Verhältnis zwischen Politik und Gesellschaft sich grundlegend verändert. Hatte bisher die Gesellschaft Erwartungen an die Politik, die diese erfüllen musste, um einen Regierungsauftrag zu er- bzw. behalten, so muss sich nun die Politik mit Erwartungen an die Wähler richten, um durch die vielen Krisen zu manövrieren und eine grundlegend veränderte Zukunft zu gestalten. 2023 ist in diesem Sinne deutlich anspruchsvoller als 2002. Ohne die Menschen geht es nicht mehr. Vor diesem Hintergrund entsteht der absurde Gedanke, dass sich die Regierung ein anderes Volk wünschen könnte. Oder auch das absurde politische Angebot einer Wunschwelt ohne die großen Herausforderungen. Man darf Olaf Scholz hier durchaus vorwerfen, dass er nicht dazu beiträgt, diesen leeren Raum zu füllen und den Veränderungsprozess im Verhältnis zwischen Politik und Gesellschaft zu gestalten. Zwar sagt er immer wieder, dass er das Notwendige tue. Die Einsicht in die Notwendigkeit fördert er damit aber nicht. Vertrauen in die Regierung reicht nicht. Wir brauchen zusätzlich tiefe Einsichten, um die Wege der Notwendigkeit aktiv mitgehen zu können, um mitmachen zu können. Ich glaube, dass die Gesellschaft bereit ist, mehr Verantwortung zu übernehmen.
Reinhard Koine

Schon der Subtitel insinuiert, das Volk überfordere die Regierung mit ihren Erwartungen. Das Heizungsdiktat war aber eine Erfindung der Ampel gewissermaßen ohne Rücksicht auf Verluste. Da gab es keine Erwartung, am Ende eher Bestürzung. Was das Volk erwartet, ist vernünftige Planbarkeit und keine akademischen Modelle von Graichen & CO, vor allem soll es gerecht zugehen. Deswegen der demoskopische Absturz. Und was Scholz noch lernen muss, aus einem Dreigestirn eine handlungsfähige Formation zu bilden. Vielleicht zu viel verlangt. Aber selbst das hätte man vorherahnen können.
Christoph Schönberger

„Der Wunsch ist der Vater des Gedankens“, das legte der englische Dichter & Schauspieler William Shakespeare (1564-1616) in seinem Drama „König Heinrich IV, Teil 2, dem König Heinrich IV selbst in seinen Mund. 2/3 wünschen sich hier in Deutschland, nein sie fordern das schon quasi, eine neue Regierung, aber die Berliner Ampel will und wird auch nicht zurücktreten! Falls sie es doch tun werden, dann würde ich ganz heftig applautieren, aber keine Zugabe einfordern! (mein sehr frommes Wunschdenken) „Aus der Ferne diesen Wunsch: Glückliche Sterne und guter Punsch“, na denn Prost, könnte ich da dem deutschen Schriftsteller, Erzähler & Kritiker Theodor Fontane (1819-98) zurufen. Dieser mein Wunsch kommt aber leider auch schon etwas zu spät!
Klaus P. Jaworek

Ja, offenbar braucht es eine „weithin unbekannte“ Ministerin, wie Tina Hildebrandt abschätzig schreibt, um der destruktiven Energie der Lindner-Kubicki-FDP endlich etwas entgegenzusetzen. Seit 1 ½ Jahren torpedieren FDPler nahezu jedes grüne Anliegen, teils mit erkennbarem Vergnügen, teils mit Häme. Die Dauerobstruktion lähmt die Regierung und trägt Züge eines Kulturkampfes. Robert Habeck ist leider zu weich und zu nachgiebig, um der Brachial-Profilierung der FDP ein Stoppzeichen zu setzen. Einer müsse doch nachgeben, hat Habeck im Frühjahr etwas hilflos in einem Interview gesagt, um grünes Einknicken zu rechtfertigen. Doch was bei Alltagsstreitigkeiten mitunter eine hilfreiche Maxime sein mag, ist kaum die richtige Antwort auf Destruktivität der Marke FDP. Paus´ Signal war aus sozialdisziplinierenden Gründen überfällig. Die Gangart hat die FDP gewählt, die Medienkritik an Paus ist deplatziert.
Mathias Siekmeier

Man sehnt sich nach einem Großplan, einer „Agenda 2030“? Seltsamerweise ist das jetzt öfter zu lesen. Vielleicht spricht es sich irgendwann einmal herum, dass es bereits seit 2016 die Agenda 2030 gibt, genauer „Transformation unserer Welt: Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“. Dort sind genügend Aufgaben enthalten – auch für Deutschland.
Heiko Reinhold

Das Veto der Familienministerin war überfällig. Was haben wir von der FDP denn bisher erlebt? Nichts anderes als Klientelpolitik für Industrie und Leute, die ohnehin schon genug Geld haben. Ansonsten Bremsen, Verweigern, Quertreiben, wenn es um zukunftsweisende Politik in Wirtschaft und im sozialen Bereich geht. Die FDP als koalitionsinterne Opposition beschädigt Arbeit und Ruf der Regierung. Sie trägt damit eine Teilschuld am Zulauf der AFD, der sich aus dem Frust über die Regierungsarbeit generiert – eine gefährliche Politik. Und bei der nächsten Bundestagswahl wird es unter Umständen bitter. Ich würde mich nicht darauf verlassen – wie Scholz und Habeck es offensichtlich tun -, dass die Leute dann Vernunft und Verstand walten lassen und eben nicht AFD wählen. Wäre Lindner doch bei seiner Erklärung geblieben, besser nicht zu regieren als falsch zu regieren.
Friedrich Borghans

Vielen Dank für Ihren Beitrag, der endlich einmal einen realistischen Blick auf diese Ampelkoalition wirft und die Situation, in der sie arbeiten muss. Sicher könnte diese Regierung besser kommunizieren und die Kritik daran ist verständlich. Allerdings scheint mir, dass viele Ihrer Kollegen leider zunehmend das Lied von den zerstrittenen Parteien singt und damit an das unselige Geschwätz vom „Parteiengezänk“ in der Weimarer Republik erinnern: die Parteien müssen um Inhalte streiten und sie müssen das öffentlich tun. Kritikwürdig finde ich, dass immer wieder ideologische und parteitaktische Überlegungen mit den Sachargumenten und Interessen vermischt werden. Das spricht aber nicht gegen den Streit, sondern nur für eine offenere Art, ihn zu führen. Unserer Parteien sollten respektiert und nicht herabgewürdigt werden, jedenfalls die, die auf dem Boden unserer Verfassung stehen.
Helmut Schlosser

Vielen Dank für Ihre präzise Analyse der aktuellen politischen Situation! Ich finde es toll, wie Sie die aktuellen Zwänge nachvollziehbar aufzeigen. Leider wird sonst viel zu oft ein einzelnes schlecht laufendes Thema gleich zum Versagen einer Regierungsperson oder Regierungspartei, zum Eklat hochgepuscht.
Matthias Preis

„Die Regierung erfüllt die Erwartungen der Leute nicht.“ Dazu passt das Ergebnis der Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung, dass nur noch 38% der Deutschen mit der Staatsform zufrieden sind, d.h.: das Vertrauen in die Demokratie, die eine verantwortungsvolle, verlässliche und durchsetzungsfähige Führung erkennen lässt, ist massiv eingebrochen Aber Menschen wollen geführt werden. In den Zeiten von politischen Führungspersönlichkeiten wie Adenauer, Schmidt, Kohl und „Basta-Kanzler“ Schröder gab es keine Demokratieverdrossenheit. Aber bei Kanzler Scholz. Wen wundert’s? Da lässt er eine Ministerin ein Gesetz erpresserisch blockieren, ohne dass sie zu sofortiger Rücknahme aufgefordert wird oder zurückzutreten hat oder ansonsten vom Kanzler von ihren Aufgaben entbunden wird. Das hätte seiner Aussage entsprochen: „Wer bei mir Führung bestellt, bekommt sie!“. Stattdessen werden weiterhin Probleme zwischen den Ampelparteien milde lächelnd ausgesessen und Lösungen (und auch der öffentlich geführte Streit) den Ministerien überlassen. Da sind Führungsstärke und Durchsetzungsvermögen nicht zu erkennen. Das sehen inzwischen selbst die Wähler und Wählerinnen der Kanzlerpartei SPD so. Und die AfD wird’s freuen!
Udo Bauer

Wenn zwei Drittel der befragten Deutschen sich eine neue Regierung wünschen, dann erübrigt sich die Frage, wofür dies ein Beleg sei. Das ist ein klares Votum dafür, dass die Regierung so schlechte Arbeit leistet, dass man sich eine neue wünscht. Diese fehlende Einsicht und der übernächste Satz machen dann aber die innerliche Haltung der Autorin sehr deutlich, die sie trotz gewisser Bemühungen nicht verbergen kann. Wir lesen, dass sich zwei Drittel der Regierung auch ein neues Volk wünschen würden. Das ist denke ich, das neue Dilemma der woken (grünen) Community, die gerade bemerkt, dass ihre Ideen von der Mehrheit des Volkes nicht geteilt werden und inzwischen selbst in der eigenen Gruppe nicht mehr kritiklos hingenommen werden. So sprach sich A. Schwarzer jüngst noch gegen das neue Selbstbestimmungsrecht aus. Eine Schande – gerade A. Schwarzer als emanzipierte Feministin und jetzt ist die auch rechts oder AFD oder beides. Aber zurück zum Artikel: Der Nachsatz in dem angesprochenen Absatz des Artikels, dass beide Wünsche – nach einem neuen Volk und einer neuen Regierung – unerfüllt blieben, stimmt natürlich auch nicht, denn eine Regierung, die an der Mehrheit des Volkes vorbei regiert, wird abgewählt und so wird es in sehr absehbarer Zeit bereits eine neue Regierung geben. Ein neues Volk wird es allerdings nicht geben. Deshalb wäre es durchaus sinnvoll, die Politik zu machen, die der Mehrheit der deutschen Bevölkerung entgegenkommt und hie und da auf Fachleute zu hören, die sich z.B. gegen das sog. Heizungsgesetz aussprechen (u.a. Prof. Dr. Edenhofer vom PIK) oder gegen den Industrie-Strompreis (u.a. Prof. Dr. Grimm und der Präsident der DIHK).
Volker v. Moers

Dem Duktus stimme ich voll zu. Für mich aber liegt die Wurzel in einem Kanzlerinnen-Wort: Es gibt keine deutsche Leitkultur! Seit diesem Un-Wort wird auch nicht mehr um eine „Leit“- Kultur gestritten – weder im Kanzleramt, aber auch kaum an den Biertischen. Folge: Mikro-Management auf allen Ebenen! Das geht schief -täglich! Die Regierung spielt auch keine 80.000 Bälle, noch nicht mal 1000. Ihr Problem ist, dass jeder ZWEITE runterfällt.
Franz Berger

Herr Scholz tut so, als könne man allen alles geben, und zwar gleichzeitig und DIE ZEIT tut so, als könnten wir uns alle alles nehmen, und zwar gleichzeitig. BEIDES glaubt aber kein Mensch mehr! Genau darin liegt das Problem der gefestigten Parteien. Sie versprechen den Bürgern Kontinuität, obwohl schon jeder die Rauchschwaden des Untergangs heraufziehen sieht und uns allen schon längst klar ist, dass die 10.000 Wissenschaftler des IPCC, die Naturgesetze der Chemie und Physik, seit Jahren unumstößlich sagen, wohin das führt. Allen ist klar, dass wir einen gewaltigen Kontinuitätsbruch erleben werden, entweder durch schnelles vernünftiges Handeln oder durch die Naturgesetze, die auf unserem Planeten gelten. Nur die wirklichkeitsverleugnenden, radikalsten Konservativen am rechtesten Rand von CDU/CSU, FDP, Aiwanger und AFD, versprechen uns ein IMMER WEITER SO, DU MUSST AN NICHTS DENKEN ALS AN DEIN EGO UND DIE WELT GEHÖRT DIR. Doch genau diese Botschaft sendet doch DIE ZEIT auch noch aus.
Klaus Siersch

Mit diesem Kommentar haben Sie eine sehr nötige, aber leider auch eher selten gepflegte Aufgabe unserer Demokratie erfüllt, nämlich eine Art „Kritik der Kritiker“ und des bei ihnen oft fehlenden Realismus der Erwartungen und Forderungen samt Bewusstsein der vielen konkurrierenden oft gegensätzlich wirkenden Erwartungen und Notwendigkeiten.  Die amtierende Regierung in Berlin ist nicht nur keine normale Regierung, sondern auch eine, die unter sehr großen (geerbten wie neuen) Belastungen und Hindernissen für Wunscherfüllungen aller Art zu leiden hat, nicht zuletzt die völlig gegensätzlichen Vorstellungen über Möglichkeiten, Wege und Prioritäten der Wunscherfüllungen oder Erwartungsbefriedigungen.  Sie ist auch kein zauber-mächtiger Flaschengeist, sondern mit oft bitteren Realitäten und Beschränkungen belastet und behindert. Vorzuwerfen ist aber einigen beteiligten am ehesten, die vielfachen hohen Erwartungen selbst geweckt oder angefacht zu haben, die sie nun nicht erfüllen können, indem besonders im Wahlkampf so getan wurde, als könne man allen alles geben, und zwar gleichzeitig, zumal das nötige Geld bereits von den Vorgängern viel mehr ausgegeben wurde als eigentlich vorhanden war, so dass die Schuldenquote bereits gewaltig angestiegen war. So wird es noch unverantwortlicher als früher schon, alle Klientele zu befriedigen, ohne das Geld zu haben, nämlich mit — noch mehr — Schulden auf Kosten künftiger Generationen und/oder aller, auch bescheidener Inflationsopfer.

Am allerbesten war Ihr vorletzter Satz: „… Debatte … geben müssen … wie viele Ansprüche an den Staat noch erfüllbar sind“. Noch mehr gilt das natürlich, wenn keine Bereitschaft zu mehr ermöglichenden Steuererhöhungen oder Einsparungen oder Subventionskürzungen an jeweils anderer Stelle bestehen und die Gehälter aller Staatsdiener weit mehr steigen als die Einnahmen des Staates.  Manchmal scheint es als wäre die neue deutsche Nationalhymne „Anspruch, Anspruch über alles, über alles in der Welt“, und zwar der jeweilige Anspruch der gegenwärtigen Wähler und Klientele, der allzu oft weit über die Bedürfnisse der Zukunft und der dann lebenden Menschen gestellt wird.
Peter Selmke

Die werte Tina Hildebrandt macht klar, dass auch in der Politik beinahe alles eine Frage der Ansicht ist. Und dass sich (leider) einmal mehr der Ausspruch von Fred Ammon als überaus zutreffend erweist: „Der Text kommt von der Regierung, die Melodie vom Volk.“
Matthias Bartsch


Leserbriefe zum Titelthema „Warum haben Sie mitgemacht?“ diverse Autorinnen und Autoren

Guter Bericht soweit! Ein wenig pikant: Es war noch die Zeit der Dauerkanzlerin Merkel! Nun – grundsätzlich meine ich, dass die Stimmung unter den Demokratiestörern, den -verächtern, den -zerstörern dem entspricht, was heute „Substanz“ der AFD ist.  Und genau die „Klientel“, d.h. die Protagonisten an Verschwörern, die sich zum Ziel gesetzt haben, die Demokratie in Deutschland „abzuschaffen“, ohne genau zu wissen: Was um alles in der Welt, wollen wir denn „eigentlich“? Typischer Fall: Der Gärtner – einfach mitmachen wie zum Aufstieg der NAZIS 1930!  Und genau deshalb sind diese Demokratie- und Staatszerstörer zu verurteilen, am besten zu mehrmonatiger „Zwangsarbeit“, z.B. dem Müllsammeln oder bei der Müllabfuhr! Es ist unfassbar, dass selbst „Etablierte“ wie z.B. der pensionierte Direktor eines Amtsgerichtes mit Ehefrau sich dazu bekennt, dem man seine Pensionsansprüche um die Hälfte kürzen sollte.  Aber so etwas kenn ich aus dem erweiterten Bekanntenkreis, indem ein Ehepaar sich klar beim Gründen der AFD 2012, damals noch ein „ziviler Verein“, dazu bekannt hat, auch offen Kommunalwahlkampf mitbestritt. Aber die sind kurz darauf geläutert aus dem Parteiapparat ausgetreten, begründet mit massiven Mobbingattacken gegen sie und andere?!  Bei der „Wortführerin“ mit den „Dreadlocks“ handelt sich vermutlich um eine gewissermaßen „Geistig Verwirrte“, auf jeden Fall massiv Frustrierte; da tun mir die Kinder extrem leid, unter so einem Wirrkopf „erzogen“ und verführt zu werden.  Nun – die AFD – ein Sammelbecken von Verwirrten, von Enttäuschten, von „Beleidigten“, von Verschwörern, von „Eigenbrödlern“, die z. B: nicht anerkennen wollen, was Staatsschutz im Sinne der Corona-Maßnahmen bedeuten müssen, den Demokratie-Verächtern, den EU- und NATO-Gegnern … – was soll man mit so einem Haufen machen?  Denen kann man zurufen: Lasst Euch im Kreis von Putin nieder – hier in Deutschland seid ihr fehl am Platz. Seit Jahren schon gibt es jeden Samstag eine Demo wg. Corona am Lambert-Platz in Lüneburg, natürlich geht es bei denen um Post-Covid.  Abschließend noch ein Hinweis: Das Rechtswesen scheint extrem unsicher, wie geduldet werden soll aufgrund diffuser Gesetze?? Hier hätte massiv verboten werden sollen!
Rainer Rehfeldt

Ich erwarte schon eure unterhaltsame Titelstory – Rubrik ‘Entdecken’ soll ja auch Kurzweil vermitteln – in der Ihr endlich Anders Breivik in seinen eigenen Worten ausführen lasst, warum er 77 Menschen ermordet hat. Wie hat er sich gefühlt, als seine Bombe in Oslo explodierte? Was hat er empfunden beim ersten Kind, das er erschossen hat? Beim dreißigsten, beim letzten? Und ist Breivik deshalb vielleicht ein gefährlicher Mensch? Das könnt uns nur Ihr beantworten, liebe Zeit. Weitere Menschen, die unbedingt – endlich, endlich – zu Wort kommen müssen, wären dann noch die Verfechter der Witwenverbrennung, der eine oder andere Fan der Grundidee von Ahnenerbe oder vielleicht auch jemand, der uns Pol Pots innovative Ansätze zur gesellschaftlichen Fortentwicklung näherbringt. Lasst nicht zu, dass solche Ideen ungehört bleiben; gebt ihren Anhängern eine Stimme!
Helmut Schiérer

Mit Fassungslosigkeit nehme ich das Statement des pensionierten Amtsgerichtsdirektors Gernot Hüttig zur Kenntnis, das Grundgesetz sei keine richtige Verfassung. Indem er dessen Verbindlichkeit leugnet, dürfte er sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen. Dies wäre ein Dienstvergehen nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 Bundesbeamtengesetz (BBG), das auch für Ruhegehalt beziehende Richter gilt. Sein Dienstherr wird im Rahmen eines Disziplinarverfahrens zu entscheiden haben, ob ihm sein Ruhegehalt gekürzt oder aberkannt wird. Das wäre ein begrüßenswertes Beispiel wehrhafter Demokratie.
Klaus Löffler

Ich danke Ihnen für den informativen und einfühlsamen Bericht. Diese Facette unserer Gesellschaft hat für mich „ein Gesicht“ bekommen.
Hans-Joachim Schlettig

Was ist das für ein Titelbild? Ich kann es nicht glauben. Die AfD hat über 20% in den Umfragen, CDU-Politiker, die rechts fischen und rassistische, transfeindliche, usw. Diskurse befeuern und „jetzt sprechen jene, die damals mitgemacht haben“ prominent in der Zeit? Und bekommen mit einem Titelfoto so eine große Bühne? Krass!
Gisela Bölling

Tiefschürfend – wie nur wir Deutsche das können; … wie man es von der ZEIT zu erwarten scheint; … journalistisch nahezu unleserlich – weil weitaus zu umfangreich (das liest niemand); … und tiefbohrende Ursachen-Analyse…? FEHLANZEIGE. Es scheint mir unumgänglich, bei und trotz aller Lippen-Bekenntnisse zu unserem Grundgesetz sich nun alsbald mal doch an eine grundlegende Debatte zu einer dann wie auch immer benannten Verfassung zu machen, die heutigen Lebensbedingungen gerecht wird. Die bisherigen Schwächen sind allzu offensichtlich – auch dann, wenn aus ihnen niemandem – erst recht nicht den Verfassungs-Eltern von 1949 – ein Vorwurf hergeleitet werden sollte. DEMOKRATIE kann in einer heutigen Gesellschaftsordnung nur konsensuelle Teilnahme und Mitverantwortung von unten her bedeuten; und plötzlich würden wir auch erkennen, dass man solche Grundordnungen leben muss – statt sie allenfalls in der Schule nur ein wenig auswendig zu lernen. Verfassung ist ein Auftrag an jeden mündigen und urteilsfähigen Bürger – und damit auch Ausdruck eines entsprechend anspruchsvollen Bildungs-, Ausbildungs-, und Reife-, und Zivilisations-Niveaus. – Das ist im schlechtesten Fall ein Jahrhundert-Projekt – bis wir uns an zivilisierte Lebensformen gewöhnt haben.
Hans von Schack

Ich habe gerade den Artikel über die „Reichstags-Stürmer“ von 2020 gelesen. Vielen Dank für die erhellenden Gespräche mit den Teilnehmern von damals. Man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll. Vielleicht sollten es die „Mitläufer“ einfach mal mit dem Kirchenchor, den Kleingärtnern oder dem Sportverein probieren. Dort kommt man auch mit Menschen zusammen, die das Gleiche wollen wie man selbst. Das Ganze ist beruhigend unpolitisch oder soll man besser sagen „spaßig“? Ihre Reportage ist auf jeden Fall ein wichtigeres historisches Dokument als der „Sturm“ von vor drei Jahren. Danke für Ihre Arbeit und für eine wie immer lesenswerte ZEIT.
Thomas Meichle

Geht es eigentlich noch? Warum widmet DIE ZEIT (überwiegend) rechten Lumpen und Querulanten (auch bekannt als Quer“denker“, esoterische Spinner klingt zu harmlos), bei Ihnen als „Protestierer“ verharmlost, den Titel und fünf Seiten der aktuellen Ausgabe? Diese kriminelle Bagage verachtet Sie üblicherweise als „Lügenpresse“, aber entblödet sich nicht, wahrscheinlich weil die Aufmerksamkeit erheblich nachgelassen hat, dämlich grinsend für Ihre Kameras zu posieren und dabei den / die harmlose(n) Nachbar(i)n zu mimen. Mögliche Geldzahlungen sind natürlich neben dieser Aufmerksamkeit ein lukrativer Anreiz, dieser „Lügenpresse“ Interviews zu geben. Tamara Kirschbaum ist keine „Heilpraktikerin“, sondern eine bekannte Verschwörungsschwurblerin. Gescheiterte Randexistenzen, die zurück auf den Scheißhaufen der Geschichte, aber nicht in DIE ZEIT gehören! Einen Abflug wie Prigoschin (und demnächst auch der gemeinsame Spiritus rector Putin selber) sollen die gefälligst machen! Ich hoffe jedenfalls, dass das kein inszenierter Absturz war.

Aber dennoch gut, dass jetzt Namen und Gesichter auch der angeblichen „Mitläufer*innen“ bekannt sind. Wenn sich schon die Polizei und die Gerichte nicht vernünftig um dieses Gesocks kümmern, dann müssen das vielleicht andere übernehmen (vielleicht mit dem Lieblingsinstrument der Wagnerianer; nein, kein Musikinstrument, wer immer noch nicht weiß, was ich meine, höre sich „Denkmal“ von Wir sind Helden an). Das Grundgesetz sieht jedenfalls ein Widerstandsrecht für Jedermann vor gegen Jede(n), der / die es unternimmt oder auch nur versucht, unsere Demokratie und ihre Institutionen anzugreifen. Dabei sollte man auch nicht vergessen, dass die Verfassungsfeinde schon längst im Bundestag sitzen. Vor allem die SPD sollte sich schämen, dass sie nichts dagegen unternimmt. Herbert Wehner und ein paar andere Genossen wussten wenigstens noch, wie man mit Nazis im heiligsten Raum der Demokratie umgeht. Bedauerlich ist nur, dass dabei nicht mehr als ein paar Knochenbrüche herauskamen.

Besonders empört mich auch das Verhalten der Grünen, die eine dieser Verbrecherinnen auf kommunaler Ebene für die Partei kandidieren ließen. Ich hatte den Namen unter dem Foto gegoogelt und konnte es zuerst nicht glauben, dachte, dass es da zwei Frauen mit demselben Namen gibt, aber Ihr Artikel hat das dann ja bestätigt. Es kann mir doch niemand erzählen, dass sich das Verhalten dieser Friseurin nicht herumgesprochen hat. Kann natürlich auch sein, dass sie mit ihrer Kandidatur die Grünen diskreditieren wollte. Wesentlich mehr Wokeness, also Wachsamkeit, wäre hier angebracht gewesen. Bei einer anderen Partei hätte mich das weniger gewundert. Hier in Hildesheim war ein Rechtsdraußen bei der Pseudolinken aktiv. Wenn ich mich nicht irre als Schatzmeister, aber unter den aktuellen Namen des Vorstandes finde ich ihn nicht wieder. Wahrscheinlich ist der ewig wandernde Nazi schon wieder weitergezogen.
Thomas Manthey

War es wirklich notwendig, auf mehreren Seiten über den „Sturm“ auf den Berliner Reichstag zu berichten? In früheren Zeiten hätte man von einem Politik-Happening gesprochen, wenn sich einige hundert Menschen friedlich auf den Stufen des Reichstags niedergelassen hätten. Am 10.4.1973 wurde das Bonner Rathaus von Mitgliedern der maoistischen KPD und von Vorläufern des KBW gestürmt. Dabei entstand ein Schaden von ca. 500.000 DM, weil u. a. Fensterscheiben zerstört wurden. Einige Jahre später konnte dann ein Mitglied des KBW nicht nur Lehrer, sondern sogar Ministerpräsident werden. Heute wird versucht, bürgerliche Existenzen zu zerstören, nur weil sie auf den Stufen des Reichstags gestanden sind.
Rolf Schikorr

Mein Eindruck ist, dass eine der Befragten unabsichtlich, aber stellvertretend für alle anderen sagt, dass sie das Bedürfnis hatte, zu zeigen, dass sie mit etwas ganz massiv nicht einverstanden ist (war). Im Sinne der Notwendigkeit von Hinterfragungen zu solch generalisierenden Aussagen ergibt sich die konkrete Frage: Mit sich selbst?
Christoph Müller-Luckwald

Wann wacht Deutschland endlich auf? Wahlprognosen von 25% für die AFD in Landesparlamenten, eine Wirtschaft, die opportunistisch ein Lied singen wird auf die Hand, die sie zukünftig füttern wird, dies bietet sicher weitere 15% Potenzial für die Rechten. Fehlen dann nur noch die vielen unzufriedenen Normalbürger, die kein Gehör finden, wie in ihrem Artikel zutreffend beschrieben, solche die noch offene Rechnungen im Rechtsverhältnis zum Staat begleichen wollen. Diese allzu normalen Mitläufer, wie in Ihrem Artikel „Warum haben Sie mitgemacht“ zum Reichstagssturm geschildert steuern die restlichen Prozentpunkte zur Regierungsbildung der AFD bei. „Wer mitläuft, läuft nicht voran. Und wer nicht vorangeht, kann auch nicht zur Rechenschaft gezogen und für nichts verantwortlich gemacht werden.“

Je mehr sich der Protest der rechten Systemgegner öffentlich entlädt, desto mehr werden auch unzufriedene bürgerliche Menschen davon angezogen, die sich danach sehnen in einer Menschenmenge zu verschwinden, die ihnen, den Leisen, plötzlich Lautstärke verleiht. Und warum? Der deutsche Rechtsstaat schafft immer neue Gesetze und Verordnungen, ohne sich Gedanken zu machen, ob er diese überhaupt durchsetzen kann. In allen Rechtsbereichen werden Urteile gefällt, die danach langwierige Durchsetzungsverfahren, wieder vor Gericht, nach sich ziehen. Zugesprochenes Recht ist nicht mehr gleichbedeutend mit durchgesetztem Recht. Als Lehrer weiß ich: Kündige niemals eine Regel an, die du nicht durchsetzen kannst, sonst verlierst du nicht nur deine Autorität, sondern die Schüler verlieren auch ihre Achtung vor deiner Person. (und vor deinem System). Solange dieses Missverhältnis nicht behoben wird, solange kann die Propaganda der AFD weiterwirken und es wird weitere offene Rechnungen der Unzufriedenen geben und damit weitere Mitläufer und Opportunisten. Hoffentlich sitzen sie nicht schon bald wieder als Sturmtruppen auf den LKWs.
Roland Mossmann

Vielen Dank an die Journalistinnen und Journalisten, es ist vorstellbar, wie einige Telefonate sich angehört haben und welche Gefühle man dazu als Mensch im 21. Jahrhundert hat. Mein Gefühls- und Gerechtigkeitswelt sieht für alle 400 – sowie für sämtliche Unterstützerinnen und Unterstützer (aktive, heimliche, posaunende, Stammtisch-aktive und schreibende) – lediglich die Reaktivierung der Stammheimer Gerichtssaals inklusive eines Mega-Gefängnistraktes vor. Wir werden diese Gedanken-Pest leider nicht mehr mit den demokratischen Mitteln der letzten Jahrzehnte beenden – und bevor wir uns wundern, dass die AFD mit ihren politisch-dumm-gefährlichen Menschen die Regierung stellt oder sich an ihr beteiligt, gelte es diese antidemokratischen Personen auf Basis zu hers Denkens und Handelns zu verurteilen und, so sich deren Prognose nicht verbessert, in Sicherungsverwahrung zu nehmen. Dafür zahle ich gerne das doppelte an Steuern.
Jürgen Simon

Heute ist der dritte Jahrestag des berüchtigten „Sturmes auf den Reichstag“: Vor drei Jahren, am 29. August 2020, wurden die Treppen des Reichstagsgebäudes von Reichsbürgern besetzt. Die ZEIT widmete dem Ereignis eine vierseitige Retrospektive. Zwölf Autoren wirkten an dem ambitioniert wirkenden Versuch einer Geschichtsschreibung über das Ereignis mit. Den roten Faden bilden Versatzstücke aus Interviews mit Protagonisten des Reichstagssturmes, die die Autoren ausfindig machen konnten – wohlgemerkt jenen, die überhaupt bereit waren, mit ZEIT-Journalisten zu sprechen. Spoiler: Es waren nicht viele. Der Artikel ist dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, ein aufschlussreiches Zeitdokument. Kommentar und Faktencheck zur ZEIT-Titelstory.
Ute Plass

In der Ausgabe der ZEIT von letzter Woche geht es im Artikel zum Titelthema (Sturm auf den Reichstag) auch um die Geschichte solcher Angriffe auf Parlamente. Mit Verweis auf Thomas Mergel, Professor für Europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts an der Humboldt-Universität zu Berlin, heißt es darin, dass Parlamente „bis vor etwa 20 Jahren“ als „unantastbar“ galten und dass es nicht mal in der von politisch motivierter Gewalt überschatteten Weimarer Republik einen Sturm auf den Reichstag gegeben habe: „Niemand stürmte das Parlament. Niemand versuchte es.“

Folgt man indes dem Plädoyer der neueren Weimarforschung nach einer Betrachtung der Geschichte Weimars „aus lokaler und regionaler Perspektive“, wie es etwa Nadine Rossol und Benjamin Ziemann jüngst in der Einleitung zum „Handbuch der Weimarer Republik“ (2021) vorgebracht haben, so ließen sich vielleicht doch Beispiele für solche gewaltsamen und folgenschweren Stürme finden, nämlich Angriffe auf oder in Landtage(n) und andere(n) Organe(n), bis hinunter auf die Ebene kommunaler Vertretungskörperschaften.

Ein Beispiel: Am Morgen des 21. Februar 1919 war Kurt Eisner auf dem Weg zur ersten Sitzung des im Januar gewählten Bayerischen Landtags, um dort seinen Rücktritt als Ministerpräsident zu verkünden, als er von dem 22-jährigen Leutnant und Studenten Anton Graf von Arco auf Valley erschossen wurde. Die Sitzung des Landtags wurde nach Eintreffen der Nachricht von Eisners Ermordung erst einmal vertagt. Etwa eine Stunde später, kurz nach der erneuten Öffnung der Sitzung, fielen nun auch Schüsse im Landtag. Der Arbeiter Alois Lindner, Mitglied des Revolutionären Arbeiterrats, hatte den Landtag mit der Waffe in der Hand gestürmt und mehrere Schüsse auf Erhard Auer, den bayerischen SPD-Vorsitzenden und Innenminister, abgegeben, den er als bekannten Kritiker Eisners für das Attentat verantwortlich machte. Auer wurde schwer verletzt. Weitere Schüsse – ob alle von Lindner abgegeben, ist ungewiss – töteten den Landtagsabgeordneten der Bayerischen Volkspartei Heinrich Osel und den Referenten im Bayerischen Kriegsministerium Paul Ritter von Jahreiß. Panik brach aus, die übrigen Abgeordneten verließen fluchtartig das Gebäude.

„Das Attentat auf Eisner und die Schüsse im Landtag bildeten den Auftakt für eine zweite, radikalere Phase der Revolution in München“, wie Volker Ullrich 2009 in der ZEIT schrieb: der Landtag fiel erst einmal aus, Mitglieder des Kabinetts Eisner tauchten ab, stattdessen bildete sich noch am selben Tag auf Initiative der Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräte ein Zentralrat mit Ernst Niekisch als Vorsitzendem. „Die Regierungsgewalt verschwand“, gab dieser Jahrzehnte später die Geschehnisse in seinen Memoiren wieder: „Es lag in der Natur der Dinge, daß die Macht ganz von selbst in die Hände des Zentralrats fiel. Ohne daß irgendein gesetzlicher Akt vorlag, wurde ich auf Grund der Macht der Tatsachen gewissermaßen die oberste Spitze Bayerns.“ Ganz nebenbei wollte der spätere Nationalbolschewist Niekisch in seinen Erinnerungen eines deutschen Revolutionärs auch noch für sich reklamieren, im Landtag Schlimmeres verhindert zu haben: Er hätte nämlich beobachtet, wie die Landtagswache im Vorhof ihre Maschinengewehre umgedreht und auf das Treppenhaus gerichtet habe, um auf die Abgeordneten zu feuern, aus Rache für das Attentat auf Eisner, habe die Wachsoldaten dann aber von ihrem Ansinnen abbringen können.
Jan-Martin Zollitsch

Mit allem Verlaub, aber Herr Österle ist ein typischer NS-Mitläufer, der am Ende nichts gewusst haben wollte. Aus den Berichten und Videos geht klar hervor, dass überall der Wille zum Regierungssturz war, die AfD ist bekannt dafür, solche Phantasien zu schüren und zu fördern – nicht umsonst ist der Verfassungsschutz aktiv. Und es gibt genug Leute, die es auf den Videos geäußert haben, dass sie genau deswegen da sind. Da zu behaupten man habe nichts gewusst ist lächerlich. Zu behaupten, es wäre alles zu schnell gegangen, um es zu realisieren, ist eine faule Ausrede. Wer mit solchen gefährlichen Leuten mitläuft, macht sich mitschuldig. Das nur 6 Leute eine Strafe bekommen haben, ist ein Totalversagen der Justiz.
Alexander Weber


Leserbriefe zu „Trotz und Krawall“ von Anna Mayr

Ich nehme diesen Artikel zum Anlass, auf eine scheinbare Abhängigkeit von Journalisten zu verweisen. Zahlreiche Artikel der Zeit fallen zunehmend mit ihrem unreflektierten Zitieren inflationärer Begutachtungen von selbstberufenen und politisch nicht legitimierten Institutionen wie z.B. die Bertelsmann Stiftung auf. Dabei bleibt vielfach außer Acht gelassen, dass solche sektoralen Betrachtungen wenig geeignet sind, politische Handlungsfolgen zu begründen. Man fragt sich, worin der Sachaufklärungswille der Presse besteht, wenn man das „komplizierte, komplexe, wenig überschaubare, gleichwohl gewollte Geflecht zwischen Wissenschaften, Politik und Medien“ im Wissen, dass immer weniger Menschen immer weniger Hintergründe und Sachzusammenhänge erkennen, pflegt. Ist das die schiere Unfähigkeit oder journalistische Nachlässigkeit, sich derart unreflektiert auf Gutachten Dritter zu beziehen?
Jürgen Dressler

Nach dem Text von Frau Mayr („als Thilo Sarrazin als Berliner Finanzminister rigide Sparmaßnahmen durchsetzte, Gehälter von Erzieherinnen wurden gekürzt.“) hat es zu der Zeit in Berlin offensichtlich keine Männer in dem Berufsfeld gegeben oder nur Frauen wurde das Salär reduziert.
Franz-Josef Kos

Mit Interesse lese ich immer wieder Ihre Artikel in ZEIT. Nun ist auch Ihnen, wie vielen Ihrer Kollegen, zum „Trotz und Krawallhaltung“ von Politikern der unsägliche Vergleich „wie im Kindergarten“ unterlaufen! Es geht nicht um den unmittelbaren Vergleich, sondern um die Einstellung, die diesem Vergleich(unbewusst?) zugrunde liegt. Und ich spreche Sie bitte nur stellvertretend an. Vielleicht besprechen Sie einmal in einer Redaktionskonferenz über diese Art der diskriminierenden Gleichsetzung einer Bildungseinrichtung, die sie alle doch sonst auch selbstverständlich lobend vertreten.
Barbara Schmitt-Wenkebach

In der Handlungsweise von Frau Familienministerin Paus sehe ich weder Trotz noch Krawall. Vielmehr erklärt sich ihre Verweigerung der Zustimmung zum „Wachstumschancengesetz“ aus ihrem umfassenden Engagement für die schwächsten in unserer Gesellschaft, wie im gleichen Artikel auch beschrieben. Ich freue mich, dass hier eine vernehmbare Stimme für alle spricht, die bisher immer wieder nur wenig Gehör gefunden haben.  Eine Stimme für ein „Kinderwachstumschancengesetz“ eben. Übrigens: auch gegen Unkenntnis und Arroganz.
Ernst Feller

Bravourös, dass sie so beharrlich ist!!! Es gab schon einmal einen Kanzler, der abwertend über dieses Ministerium sprach: „… und Gedöns “ – mehr als peinlich!!!
Klaus Gerhold

Wann kommt endlich das Familiensplitting beim Erheben der Lohnsteuer? Eltern mit geringem Einkommen würden dann fast keine Steuern mehr zahlen und kämen gut über die Runden, statt über demütigende und zeitraubende Antragstellungen Geld zu bekommen, das sie vorher als Steuern zahlen mussten. Es ist unerträglich, dass in einer SPD-geführten Regierung Eltern immer noch als Almosenempfänger behandelt werden. Kinder sind unsere Zukunft und keine lästigen Kostenfaktoren! Es ist erbärmlich, wie Familien mit Kindern in unserem Land behandelt werden. Dem amerikanischen Konzern Intel schenkt man 10 Milliarden, für die Kindergrundsicherung sind schon 5 Milliarden zu viel.
Karin Sixt

Bekanntlich liegt etwa ein Viertel aller Kinder in Deutschland unterhalb der Armutsgrenze. Deshalb möchte die Familienministerin Paus eine Kindergrundsicherung einführen. Der Finanzminister Lindner möchte dafür höchstens zwei Milliarden Euro ausgeben, was viel zu wenig ist. Das ganze Problem und viele andere wären gelöst, wenn sehr Reiche Steuer zahlen müssten. Kann mir jemand erklären, was eigentlich dagegen spricht, wieder eine Steuer auf Geldvermögen (nicht auf Immobilien) einzuführen?
Peter Dodel

Von dem Artikel über die Intervention von Lisa Paus hatte ich mir Aufklärung erhofft darüber, warum die Ministerin ihr Veto gegen das Wachstumschancengesetz einlegte, was sie sich konkret davon versprach, was es gebracht hat und was für Auswirkungen es tatsächlich hatte. Leider war ich nach dem Lesen des Artikels nicht klüger. Ich habe ein bisschen was über Lisa Paus erfahren (dass sie beim Unternehmerinnenfrühstück als Einzige zu den Schnittchen griff, hätte ich nicht unbedingt wissen müssen) – aber meine o.g. Fragen wurden nicht beantwortet. Hätte Frau Mayr beim Telefongespräch mit der Ministerin nicht hartnäckiger nachfragen können? Frau Paus muss bei ihrer Aktion doch einen Plan gehabt haben. Schade, dass darüber nicht mehr zu erfahren war. Denn ich finde es kaum auszuhalten, dass die Sache, um die es wirklich geht, nämlich die Verbesserung der Lage von Kindern in armen und sozial benachteiligten Familien, wieder einmal hintenanstehen muss, weil „die Wirtschaft“ immer viel lauter schreit als die Betroffenen ohne Geld + Macht.
Ruth Gelfert

Ein Perspektivwechsel kann zu neuen Erkenntnissen führen. Aus meiner Sicht fehlt bei dieser Betrachtung der Blick auf das grundlegende Problem der Ministerin, der Mangel an Regierungsfähigkeit. Die Mehrheit der Bürger sucht nicht nach individuellen Erklärungen und Entschuldigungen in der Persönlichkeit der Frau Paus. Sie erwartet ein abgestimmtes Handeln. Die als Minister/Ministerin übernommenen Aufgaben erfordern die Fähigkeit zum gemeinsamen Handeln, zum Kompromiss. Schließlich kann die Rechnung nicht aufgehen, wenn jedes Ressort auf maximalen Forderungen besteht. Die Bundesregierung verteilt großzügig Millionen Euro in nahezu der ganzen Welt. Eine generelle Inventur dieser Ausgaben steht nicht zur Debatte. Die Misere im eigenen Land wird bei der Bemessung der Hilfen für die Welt offensichtlich vernachlässigt. Die Entwicklungshilfe hat die internen gesellschaftlichen Probleme nicht gelöst, sondern deren Lösung hinausgezögert. Von der deutschen Politik angestrebte Werte (Menschenrechte / Demokratie) werden in anderen Kulturen mit einer völlig anderen Geschichte nicht geteilt.
R. Reiger

So langsam verliert nicht nur die Politik, sondern scheinbar auch die Redaktion den Bezug zur Realität. Wenn es im o.g. Artikel heißt „Kleckerbeträge, um 2 bis 5 Milliarden EURO“, dann weiß ich nicht mehr, ob verstanden wird, wie das erarbeitet wird und mit welchem Aufwand. Ich arbeite in einem deutschen Großunternehmen, weltweit 400.000 Mitarbeiter, unter 100 Milliarden Umsatz. Da ist es aktuell fast nicht möglich, 5 Milliarden EUR Gewinn zu erarbeiten, der aber benötigt wird, um weiter zu wachsen und sich im Geschäft behaupten zu können. Und wir Mitarbeiter arbeiten unter extremen Druck Jahr für Jahr daran. Ich denke, das sind inzwischen wirklich nicht sehr qualifizierte Wertungen, die mit seriösem Journalismus nichts zu tun haben. Sofern Sie etwas Verständnis aufbringen für Business, ist ihnen auch der Unterschied zwischen Gewinn über nicht skalierbare Wertschöpfung und skalierbarer Wertschöpfung (z.B. Apple, Microsoft, Amazon, …) klar. Man sollte sich aber nicht darauf einstellen, dass die Industrie, Handwerk etc. Margen erarbeiten wie die genannten Apple/MS.
Rolf Böhm

Danke für den Artikel über Familienministerin Paus! Er veranlasste mich, mich wieder mehr mit einzelnen Politikern, ihren Entscheidungen und Biographien zu beschäftigen. Hätte es nicht auch die Überschrift „Trotz und Hoffnung „getan? Für mich erscheint Familienministerin Paus in einem neuen, anderen Licht. Nicht wie „Habeck der von den Schulden spricht“, sondern wie eine Frau, die Aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen anderen helfen möchte. Inhaltlich noch eine Anmerkung: Auch das 100 Mrd. Euro Rüstungspaket hätte gut in Bezug auf Ausgaben angeführt werden können, anstatt die Steuerbezuschussung der Renten…ins Feld zu führen!
Hans Ulrich Thiele

Vermutlich waren Sie 1994 noch zu jung, um den bundesweiten Aufschrei zu registrieren, als Hilmar Kopper, seines Zeichens Vorstand der Deutschen Bank, 50 Millionen DM als „Peanuts“ bezeichnete. Er schuf ein geflügeltes Wort und erntete zu Recht einen Sturm der Empörung. In der oben genannten Ausgabe der ZEIT ging es um den Finanzbedarf der Familienministerin Lisa Paus, und es rutschte Ihnen eine Formulierung heraus, ich zitiere: das Feilschen um „Kleckerbeträge“ von 3 -5 Milliarden Euro jährlich! Wenn es ein Druckfehler sein sollte, Schwamm drüber. Sollte es Ihnen jedoch bewusst aufs Papier geraten sein, dann wünsche ich Ihnen einen ordentlichen „Hashtag“, wie es auf neudeutsch so schön heißt!

Hans-Joachim Kroll

Die Stimmung im Land soll mit Bürokratieabbau und dem Wachstumschancengesetz besser werden. Dazu gehören u.a. erleichterte Abschreibungsmöglichkeiten im Wohnungsbau. Wer soll das noch glauben? Vor 2 Jahren haben wir den Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung gemäß § 7i ESTG für Denkmalgebäude (kurz Denkmalabschreibung) gestellt. Hierzu haben wir Ordner mit umfangreichen Unterlagen wie Rechnungsverzeichnisse und Originalrechnungen eingereicht. Als Bearbeitungszeit hatte man uns 6 Monate genannt. Auf den Bescheid warten wir seit nunmehr 2 Jahren. Wir sind Privatleute und haben ein Mehrfamilienhaus, welches unter Denkmalschutz steht, mit viel Liebe zum Detail hergerichtet. Wir dachten, der Staat würde uns zumindest mit der Denkmalabschreibung finanziell etwas unter die Arme greifen. Nun haben wir den Eindruck gewonnen, dass der Staat zwar viel verspricht, was er aber letztlich nicht halten will. An das Wachstumschancengesetz glauben wir deshalb nicht mehr so ganz.
Isabel Heine


Leserbriefe zu „Verlieren ist auch eine Chance“ von Jan-Werner Müller

Sehr erfrischend der Zwischenruf von Jan-Werner Müller. Es gibt wohl in Deutschland diese Sehnsucht nach „versöhnen statt spalten“, die auch Steinmeier bedient. Auch wenn sich der Bundespräsident qua Amt außerhalb der tagespolitischen Auseinandersetzung bewegt, so ist er doch keineswegs dazu verpflichtet, einzig diese Sehnsucht zu bedienen. Weizsäcker und Herzog sind Beispiele für ein anderes Verständnis. „Zusammenhalt“ ist human verankert, hat seine Bedeutung in lebensweltlichen Zusammenhängen (Familie, Clan, Nachbarschaft, Quartier, auch in der Welt als Dorf) und in humanitären Krisen (z.B. als Folge von Katastrophen). In der politischen Auseinandersetzung ist der Begriff allerdings nicht hilfreich, sofern er normativ verwendet wird, um Streit zu stigmatisieren, Abweichungen als Störung zu diffamieren, den Korridor des denk- und sagbaren auf einen unterstellten Konsens hin einzuengen, um zu disziplinieren. Streit ist notwendig, um Positionen und Interessen sichtbar werden zu lassen und um Argumente zu schärfen. Streit ist ein wichtiges Instrument in der politischen Meinungsbildung. Streit kann auch das Verständnis für andere Sichtweisen fördern und deren Akzeptanz erhöhen. In diesem Sinne ist also der häufige Streit in unserer Bundesregierung durchaus zu begrüßen. Vielleicht hilft dieser Streit, uns von der falschen Harmoniesehnsucht zu befreien.
Reinhard Koine

Die USA verliert nach 9/11 gegen Gott? … Das Wort Gott als Axiom für einen unerklärbaren Anfang vom Werden vor unserem naturwissenschaftlichen Verständnis vom Anfang ist wissenschaftlich kein Problem. Im Gegenteil; es hätte den Vorteil unser Wirtschaftsverständnis einer Nachfrageökonomie in eine Angebots- & Nachfrageökonomie zu transformieren, um den Güterkreislauf – ähnlich einer Notenbank die Geldmenge – so zu steuern, dass wir inhärente Kipppunkte berücksichtigen. Aber, der Westen verlieren? Der Westen ist doch der Gute; egal ob wir 1,7 Erden benötigen und den Entropie-Einfluss ignorieren!
Matthias Losert

„Aber es gibt…schon gar keine schweigende Mehrheit“!? Ich begegne ihr fast täglich! Sie geht nicht auf den Jahrmarkt der Eitelkeiten und des Krawalls, sondern äußert ihre Gedanken, Meinungen, Wut im Gespräch, das natürlich nicht bis zum Bundestag durchdringt. Ihren stummen Schrei hört man dort erst nach einer Wahl! Ich bin überzeugt: gäbe es nicht immer noch emotionale Bindungen an die Altparteien, eine viel größere Zahl der Wahlbürger würde für die AfD stimmen oder sich der Wahl enthalten! Wenn unsere Regierung es ablehnt, mit den garstigen Schmuddelkindern der deutschen Politik zu diskutieren, wenn sie sie ausgrenzt und mit dem Finger auf sie zeigt, dann lenkt sie damit nur vom eigenen Versagen ab!  Denn vier Finger zeigen auf sie zurück und fordern: packt endlich die Mammutaufgaben an und löst sie, statt euch im Klein-Klein von Randproblemen aufzureiben, die allenfalls für eine kleine Minderheit bedeutsam sind! Zum Wohl des Wahlvolks, das zu mehren euch der Amtseid aufgetragen hat! Danach könnt ihr euch meinetwegen dem Wohl der Welt widmen!
Ulrich Pietsch

„Zusammenhang“, bedeuten die Anführungsstriche, dass es denselben überhaupt nicht gibt? Was ist an der Wiederholung eines Appells „penetrant“, d. h.  unangenehm durchdringend? Was ist an einem Appell an Zusammenhalt „penetrant“? Zusammenhalt in Anführungszeichen gesetzt soll wohl bedeuten, dass es diesen gar nicht gibt? Ich bin der Meinung, Innerer Zusammenhalt auf der Grundlage einer gemeinsamen Identität ist Voraussetzung für eine demokratische Gesellschaft.
R. Reiger

Der Clou der Demokratie ist sicherlich, dass Wahlverlierer die Chance erhalten, bei der nächsten Wahl zu gewinnen, aber der Clou einer freiheitlichen Demokratie ist zusätzlich, dass Minderheiten, die wohl niemals zur Mehrheit werden, in Deutschland z. B. Lesben und Schwule oder auch Dunkelhäutige, nicht von der Mehrheit benachteiligt und in ihrer Freiheit eingeschränkt werden, solange sie nicht anderen Menschen nachweislich Schaden zufügen. In einer freiheitlichen Demokratie sollte die Mehrheit nicht Minderheiten vorschreiben dürfen, wie sie zu leben haben. Derartige Vorschriften und Einschränkungen sind meines Erachtens nur statthaft, wenn sie um des Wohles aller willen sinnvoll und nicht unverhältnismäßig sind: Tempolimits z. B. sind meiner Meinung nach sowohl sehr sinnvoll als auch keine unverhältnismäßigen Einschränkungen der persönlichen Freiheit, auch wenn die Minderheit der Raser*innen das anders sieht. Wenn zwei miteinander verheiratete Frauen oder zwei miteinander verheiratete Männer, die jeweils beide gemeinsam Kinder großziehen und für sie sorgen, nicht beide auch juristisch automatisch als Eltern der Kinder gelten, ist das dagegen eine klare und nachweislich unsinnige Benachteiligung von lesbischen und schwulen Paaren gegenüber heterosexuellen Paaren aufgrund von wissenschaftlich längst widerlegten Vorurteilen der heterosexuellen Mehrheit. In einer freiheitlichen Demokratie sollte es meines Erachtens anders sein.
Ulrich Willmes

Zunächst beschreibt der Autor die politische Situation in Deutschland ausgewogen, um dann, je weiter man sich dem Ende nähert, Radikalisierung und Verantwortung dem rechten Lager zuzuordnen. Des Weiteren müsse man Niederlagen aushalten, weil die Demokratie sicherstelle, dass die Chance bestehe, die Dinge anders zu gestalten. Ich bezweifle, dass die Menschen, die nach der jetzigen Änderung des Staatsbürgerrechts einen deutschen Pass bekommen können, diesen wieder abgeben müssen, sobald die Mehrheitsverhältnisse im Parlament sich ändern. Viele Dinge sind, einmal entschieden, unumkehrbar. Laute Minderheiten sind hält Herrn Müller für legitim, solange sie sich innerhalb bestimmter Leitplanken bewegten. Hier möchte ich auf das insbesondere seitens vieler Medien praktizierte Geschlechtern hinweisen, das nach Umfragen eine große Mehrheit der Bevölkerung aufs heftigste ablehnt, dem man sich aber kaum entziehen kann. Ich empfinde es als Psychoterror. Wer bestimmt Lage und Höhe der Leitplanken? Heute habe ich im Internet (ARD!) gelesen, dass die SPD eine Verschärfung der Mietpreisbremse fordert. Das ist schön für die Menschen, die eine Wohnung haben, schlecht für die, die eine suchen. Ich bin nicht sicher, dass solche Aktionen den Zusammenhalt fördern.
Dirk Hoppe

In seinem sicher lesens- und bedenkenswerten Essay zur Debatte über den richtigen Umgang mit den rechtsextremen Populisten der AfD schreibt der Autor: „… Doch ist der Appell an den Zusammenhalt eine stumpfe Waffe im Kampf gegen den Rechtspopulismus. Gleichzeitig legt er die Latte für ein gelingendes Gemeinwesen viel zu hoch, weil Konflikt, der doch in einer freien Gesellschaft unvermeidbar ist, unter eine Art Generalverdacht gestellt wird. Es wird zudem suggeriert, Demokratie hänge ab von den richtigen Einstellungen – einem »Empfinden« von »gesellschaftlichem Miteinander«, wie es im schönsten Sozialkundesound oft heißt, nicht von politischem Handeln oder funktionierenden Institutionen. Zusammenhalt, ein Begriff, der in anderen Demokratien kaum eine Rolle spielt, lenkt letztlich ab von realen Problemen wie maroder oder ganz fehlender Infrastruktur, die es Bürgern schlicht schwerer macht zusammenzukommen.“ Damit schlägt er einmal mehr auf die Politiklehrer*innen in diesem Land ein, folgt einem weit verbreiteten Klischee über sie und macht sie damit zumindest mitverantwortlich für die Höhenflüge der AfD in den aktuellen Umfragen bzw. bei Wahlen. Es ist mir völlig unverständlich, wie er zu einem solchen vernichtenden Urteil über das Fach Sozialkunde und die dort geübte Unterrichtspraxis gelangt: Weder geben die Lehrpläne des Fachs noch die fachdidaktische Literatur noch irgendwelche empirische Studien, die Müller an anderer Stelle seines Artikels so sehr vermisst, ein solches Verdikt her. Vielmehr gehört der Konflikt zu den grundlegenden Kategorien des Politischen, deren begriffliche und analytische Verwendung im Unterricht eingeübt werden.

Politische Entscheidungsprozesse werden von uns im Unterricht (auch) darauf hin untersucht, welche tiefer liegenden Konfliktlinien (Interessen, Ideologien, Identitäten) sich darin ausdrücken. Sie werden gerade nicht durch „Zusammenhaltskitsch“ zugekleistert. Eine wesentliche Rolle spielen dann auch die für eine funktionierende Demokratie notwendigen Institutionen, durch deren konkurrierendes Zusammenspiel eine effektive Gewaltenteilung erst möglich und dauerhaft gesichert werden kann. Auch hier wird der Aspekt des Konflikts weder unterschlagen noch negativ konnotiert, sondern in den von der Verfassung intendierten Kontext eingeordnet. Eine solche differenzierte Analyse aktueller Politik aber bedarf der Zeit, die im Unterricht aufgrund von überfrachteten und unrealistischen Lehrplänen und teils systematischem Unterrichtsausfall immer wieder fehlt. Es ist nicht der „Sound“ unseres Fachs, der hier zu beklagen ist, sondern dass dem Wirklichkeitsbereich Politik im System Schule zu wenig Bedeutung beigemessen wird. Ich lade daher den Politikprofessor aus Princeton ein, sich persönlich ein Bild vom Politikunterricht in Deutschland zu machen. Meine Klassentür steht ihm offen.
Matthias Lambrich

Demokratie bedeutet einerseits leider: Kompromiss. Andererseits bedeutet Demokratie glücklicherweise: Teilhabe.
Berthold Hanfstein

Im Grunde genommen beschreibt Jan-Werner Müller eine Selbstverständlichkeit: Konflikte und deren konstruktive Handhabung sind geradezu das Lebenselixier für eine Demokratie. Dass in der Redaktion jedoch die Notwendigkeit gesehen wird, auf diesen banalen Umstand hinzuweisen, zeigt den Ernst der Lage, verstärkt durch die zu beobachtende Tendenz von konservativen Eliten, den politischen Raum nach rechts zu erweitern. Der Vergleich mit der italienischen Geschichte ist in diesem Zusammenhang ebenso erhellend, wie es der mit dem Ende der Weimarer Republik gewesen wäre, als die Bereitschaft Nationalkonservativer zunehmend größer wurde, mit den erstarkenden Nationalsozialisten zu kooperieren. Gestatten Sie mir nur einen Hinweis: Setzt man den Begriff des Zusammenhalts gleich mit dem der Volksgemeinschaft, so gehört die Sehnsucht danach sozusagen zum deutschen Markenkern. Bereits Kaiser Wilhelm II. appellierte damit an die Kriegsbereitschaft und während der nationalsozialistischen Terrorherrschaft wurden im Namen der sogenannten Volksgemeinschaft unvorstellbare Verbrechen begangen. Doch trotz all dessen wird nach wie vor das angebliche Ideal eines homogenen Volkes, welches von Konflikten befreit ist, beschworen, ein Gedanke, der zwar an Absurdität kaum zu überbieten ist, konservative Eliten aber nicht daran hindert, diesem populistischen und realitätsfernen Gerede nachzueifern. Einfach nur peinlich, möchte man sagen, doch dafür ist die sich daraus ergebende politische Lage viel zu gefährlich.
Günter Pesler


Leserbriefe zu „Streik wegen vier Euro“ von Harro Albrecht

Zunächst habe ich Ihnen sehr zu danken, dass Sie sich dieses bereits in öffentliche Vergessenheit geratenen Themas nochmals ausführlich angenommen haben. Denn es steht stellvertretend für den Krisenmodus, in dem sich unser Gesundheitssystem nicht erst seit heute befindet. Dass ich Ihnen nach der Morgenlektüre Ihres Beitrages umgehend schreibe, ist auch den verschiedenen Perspektiven geschuldet, aus denen ich diesen interessanten Artikel lese und dessen Inhalte reflektiere. So tue ich dies in dreierlei Hinsicht, nämlich als ehemals bis 2021 über 25 Jahre niedergelassener und selbst ambulant operierender Facharzt für Kinderchirurgie, ferner als seit zwei Jahren amtierender Präsident des Bundesverbandes Ambulantes Operieren (BAO e.V., Berlin) und schließlich als im April 2023 neu gewählter Stellvertretender Vorsitzender des Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS e.V., Berlin). Dabei ist die bestmögliche Patientensicherheit die Basis jeden ärztlichen und pflegerischen Handelns über Sektoren- und Fachgrenzen hinweg und zugleich der wichtigste Qualitätsindikator aller medizinischen Einrichtungen. Parallelen zur Flugsicherheit sind nicht zufälliger Natur, sondern auf gemeinsame Schnittmengen bzgl. des jeweiligen ausgeprägten maximalen Sicherheitsverständnisses zurückzuführen.

Auf beiden Gebieten sind s.g. Never Events definiert, die es unter allen Umständen zu vermeiden gilt. Ergo bleibt ein Flugzeug am Boden und wird ein operativer Eingriff nicht durchgeführt, wenn die Risikolage es erfordert. Dieses hohe Qualitätsverständnis erzeugt selbstredend Qualitätskosten für die benötigten Ressourcen. Sobald deren Refinanzierung nicht mehr gewährleistet ist, droht auch der erforderliche Sicherheitsstandard nicht mehr aufrecht erhalten zu werden. Bei aller Zustimmung Ihres Beitrages vermisse ich die Fragestellung, wie es überhaupt möglich ist, für 111 Euro einen ambulanten HNO-Eingriff bei Kindern durchzuführen. Zu bedenken geben möchte ich in diesem Zusammenhang, dass es sich oft um chronisch an Infekten erkrankte Kleinkinder handelt und diese Besonderheit besonders große Erfahrung von Seiten der OperateurInnen und AnästhesistInnen bei der Behandlung dieser vulnerablen Patientengruppe voraussetzt. Wer auch immer aus den Reihen der Selbstverwaltung die Honorarkürzungen um vermeintlich unbedeutende 4 Euro zu verantworten hat, wusste sehr wohl, damit die Honorarelastizität zum Zerreißen auszureizen. Und hat bewusst die jetzige Situation trotz inflationsbedingt steigender Praxiskosten in Kauf genommen.

Was passiert, wenn trotz fehlender Kostendeckung ambulante Eingriffe zu Lasten von erforderlichen Struktur- und Prozessqualitäten und somit unter Inkaufnahme einer Gefährdung der Patientensicherheit durchgeführt werden, zeigen vermeidbare schwere Zwischenfälle bei ambulanten Kinderzahneingriffen und -narkosen (s. Anlage FSZ). Mir ist es vor diesem Hintergrund auf jeden Fall lieber, die HNO-KollegInnen verweigern Eingriffe, als sie unter erschwerten ökonomischen Bedingungen durchzuführen. So ist auch die Zahl an ambulanten Kinderzahnnarkosen wegen unzureichender Vergütung und Kostendeckung deutlich gesunken bei unverändert großem Bedarf. In diesem Kontext leichtfertig nur von Streik zu schreiben, wird der komplexen Ausganglage nicht umfänglich gerecht. Auch fehlt der dezente Hinweis, dass die erwähnte Behandlungsalternative mit oraler Antibiotikagabe angesichts immer wiederkehrender Lieferengpässe ebenfalls nicht mehr als selbstverständlich und gesichert betrachtet werden kann. Die Verantwortung für diese Versorgungsdefizite liegt sicher nicht bei der Ärzteschaft. Sehr wohl aber bei den oft auch noch patientenfernen Akteuren des Gesundheitssystems, die gleichzeitig über bildungsferne Medien den HNO-ÄrztInnen erpresserisches und unethisches Verhalten vorwerfen.

Dieser Argumentation folgt der ebenso indifferente Hinweis, dass mit Operationen sich bis zu 30% mehr verdienen ließe.  Bewusst wird verschwiegen, dass es sich hierbei um Praxisumsätze handelt und nicht um das Nettoeinkommen, und v.a. wie peinlich geringfügig nichtoperative Facharztmedizin vergütet wird.  Und nicht zu vergessen: Die Kostenstruktur ambulanter OperateurInnen liegt aus den o.g. Qualitätsgründen deutlich über dem nichtoperativen Praxisdurchschnitt. Im Übrigen liegen durchaus transparente, belastbare und detaillierte Berechnungen für die Kosten einzelner ambulanter Eingriffe aus verschiedenen ambulant-operativen Fachgebieten vor, was aus taktischen Gründen wohlwissend verschwiegen wird um den Preis einer seit Jahrzehnten auf intransparentem Niveau geführten Dauerdiskussion. Deren Folgeschäden sind nun erstmals massiv spürbar bei den Patienten und Patientinnen und deren familiären Umfeld angekommen.

Deshalb erscheint es mir umso wichtiger, wieder auf den Boden einer objektiven und respektvollen Gesprächskultur zurückzukommen, und nicht nur noch medial zu kommunizieren ungeachtet der negativen Auswirkungen auf Patientenwohl und Patientensicherheit. Besonders die Patientensicherheit darf in der aktuellen Diskussion um die geplante Krankenhausreform und die zeitgleich angestrebte Ambulantisierung bisheriger stationär durchgeführter Behandlungen und Eingriffe nicht vernachlässigt werden. Sie muss weiterhin der medizinisch, ethisch und ökonomisch bestimmende Maßstab bei jeder demnächst anfallenden Entscheidung inkl. Vergütungsfragen sein. Bitte begleiten Sie diesen schwierigen Prozess weiterhin im Rahmen Ihrer journalistischen Möglichkeiten. Abschließend darf ich auf die Veranstaltung des Aktionsbündnis Patientensicherheit zum Welttag der Patientensicherheit am 15.September in Berlin sowie die zuvor am 14.9.2023 stattfindende APS-Pressekonferenz hinweisen.
Christian Deindl

Der Artikel beschreibt exakt die Odyssee, die ich in den vergangenen Monaten erlebt habe: Trotz einerseits dringender ärztlicher Empfehlung, die Rachenmandeln bei meinem Sohn zu entfernen und seine Gaumenmandeln zu verkleinern, erklärte sich andererseits keiner der drei aufgesuchten HNO-Ärzte bereit, den Eingriff ambulant vorzunehmen. Der Versuch, bei der Krankenkasse die Genehmigung für eine stationäre Behandlung zu erwirken, scheiterte. Nach wochenlangem Gerenne ermöglichte letztlich eine privat befreundete Ärztin den ambulanten Eingriff.

Die Konsequenz zu dieser Episode war für mich klar: mein Sohn wird nun privat versichert, ebenso wie mein Mann und ich. Somit hat die gesetzliche Krankenkasse zwei Versicherte verloren, die den Höchstbeitragssatz gezahlt haben. Was aber tun Familien, denen dieser Weg nicht offensteht? Und wann werden endlich die Folgekosten der nicht durchgeführten Eingriffe bedacht? Neben Sprachstörungen drohen den Kindern auch massive kieferorthopädische Schäden, die später ebenfalls behandelt werden müssen. So summieren sich die Kosten immer weiter auf und die Gesundheit der Kinder wird wissentlich und willentlich von Ärzten wie von Krankenkassen aufs Spiel gesetzt. Wer er sich leisten kann, wird künftig wohl den Weg in die private Krankenversicherung wählen, was die gesetzlichen Kassen noch stärker unter finanziellen Druck setzt und die Wahrscheinlichkeit weiterer Auseinandersetzungen mit der Ärzteschaft erhöht.

Was sich zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern im Streit- bzw. Streikfall bewährt hat, sollte vielleicht auch für das Gesundheitswesen erwogen werden: Die Verpflichtung zu einem Schlichtungsverfahren, das zeitnah eine Lösung herbeiführt, die Ärzten wie Krankenkassen Zugeständnisse abringt und gleichzeitig einen dauerhaften Behandlungsstillstand zulasten der Versicherten abwendet.
Nadine Davids

Nun beteiligt sich Die Zeit mit einer Schlagzeile, die aus der Bild Zeitung stammen könnte, am alljährlichen Ärztebashing vor den „Hohnorarverhandlungen“ der kranken Kassen mit der kassenärztlichen Vereinigung. (Streik wegen vier Euro!) Wer den Artikel von Herrn Albrecht aufmerksam liest und rechnen kann, errechnet 173.- Euro mehr pro Tonsillektomie, die nötig wären, um diese Leistung kostendeckend zu erbringen.  Die niedergelassenen HNO-Ärzte fordern für diese Leistung 280 Euro statt 107. Sie wollen nicht weiter Geld für die Operation mitbringen müssen. Das Krankenhaus bekommt 250 Euro für dieselbe Leistung und das sei nicht kostendeckend, berichtet ein Chefarzt aus seiner HNO-Klinik. Da sind Ärzte mit einer Ausbildungszeit von mindestens 10 Jahren, die einen Eingriff durchführen, der lebensgefährlich sein kann und sie sollen diesen für 107 Euro durchführen können? Jeder Schlüsseldienst kostet mehr! Dem SPD-Gesundheitsminister fallen gerade seine Reformen aus der Zeit von Ulla Schmidt auf die Füße, seine Sparmaßnahmen von damals führen zu Arzneimittelengpässen und Versorgungsmängeln, nicht nur in der Kinderheilkunde. Die ambulante Medizin bekommt 2.3 % mehr bei einer Inflation von ca. 10 % und Gehaltssteigerungen der Arzthelferinnen/Medizinischen Fachangestellten.

Das Personal in den Praxen wird von den Krankenkassen abgeworben, denn diese könne mehr zahlen. Für die ambulante Versorgung der Bevölkerung steht immer weniger Personal zur Verfügung. Die Kassenbürokratie stiehlt den immer weniger werdenden ambulant und stationär tätigen Ärzten die Zeit, um ihrem Beruf nachgehen zu können. Die Überalterung der Ärzteschaft wird demnächst zu vielen Praxisschließungen führen, da keine Nachfolgerinnen in ausreichender Zahl bereit stehen. Armes Deutschland! Und über 80 % der Bevölkerung wünscht eine komplette Übernahme der Pflegeheimkosten durch die Pflegeversicherung. Wünschen kann man ja viel, aber ist diese Gesellschaft auch bereit, 10 % des Bruttolohnes dafür locker zu machen? Von nichts kommt nichts und auch Sozialdemokraten sollten sich langsam mit den Grundrechenarten vertraut machen!!!
Wolfram Wieser

Gern lese ich seit geraumer Zeit die Artikel aus den unterschiedlichen Rubriken Ihrer Zeitung. Die Detailtiefe und meist unaufgeregte objektive Schreibweise tragen maßgeblich dazu bei. Anders ging es mir jedoch mit dem Artikel: Streik wegen 4 Euro. Sehr schade, dass Sie sich bei solch einem wichtigen und unnötig emotional aufgeladenen Thema ausschließlich eines Zitas der Bildzeitung bedienen und insgesamt sehr plakativ und einseitig berichten. Wahr ist auch, dass der ambulante Bereich der Krankenversorgung seit Jahren keinerlei Anpassung der Finanzierung erfährt. Lohnsteigerungen größerer Gewerkschaften werden wohlwollend kommentiert. Lohnerhöhungen medizinischer Angestellter, Mieten, Strom- und Heizkostenerhöhung werden durch wen getragen? Es ist stets ein Leichtes bei Ärzten auf deren medizinisch und ethische Pflicht der Versorgung Kranker hinzuweisen. Allerdings gehört zur Wahrheit auch, es muss bezahlt werden. Im stationären Bereich erhalten Angestellte regelmäßig Lohnanpassungen/Steigerungen etc. Die GOÄ wurde zuletzt 1996 angepasst! Welche Möglichkeiten der Durchsetzung ärztlicher Interessen schlagen Sie vor?
Jörg Brinkhoff

Wenn man diese reißerische Überschrift bringt, dann erwartet man als Leser, dass sich der Autor zuvor auch kundig gemacht hat über das, was er schreiben will. Als seit über 25 Jahren niedergelassene HNO-ÄRZTIN kann ich in diesem Fall nur sagen: leider nur sehr dürftig recherchiert. Ich selbst war bis vor kurzem operativ tätig. Die Klinikleitung hat den Vertrag gekündigt. Es sind also nicht immer die Ärzte, die nicht mehr operieren wollen. Mein Fall ist kein Einzelfall. Sie schreiben beinahe schon süffisant, dass operierende Ärzte mehr verdienen. Ganz zu Recht, wie ich nur sagen kann. Informieren Sie sich doch bitte erst aus welchem Grund man mehr verdient:

Nach einem OP-Tag in der HNO muss man wegen der Gefahr der Nachblutungen je nach Eingriff 10 bis 14 Tage Tag und Nacht erreichbar sein. Man muss am Sonntag nach dem Frühstück aufbrechen, weil man ja „noch schnell“ Visite machen muss (sehr „familienfreundlich“). Am Abend bei einem Grillfest darf man keinen Alkohol trinken, weil man ja jederzeit Rufbereitschaft für den OP hat. Der Familienausflug bewegt sich am Wochenende in einem Radius 20 Kilometer rund ums Klinikum… Also kein Ausflug mit den Kindern mal in den Europapark oder an den Bodensee… So sieht jahrelang der Alltag der operativ tätigen Kollegen aus.

Jetzt sagen Sie bestimmt, dass man ja einen Vertreter benennen könnte. Dazu kann ich nur lachen: woher sollte den plötzlich ein Kollege kommen, der zudem noch bereit wäre diese Tag- und Nachtarbeit freiwillig zu machen, wenn es schon so fast unmöglich ist einen Nachfolger für die Praxis zu finden. Die hohen Kosten für die Berufshaftpflichtversicherungen bei operativ tätigen Kollegen wurden nicht nur um 4 Euro (Anlehnung an ihre „vier Euro) sondern gleich um dreistellige Beträge erhöht. Es geht also um viel mehr als „vier Euro“.
Martina Keller

We ist es möglich, dass HNO-Ärzte, die freiwillig kostenunterdeckend ambulant operieren, mehr verdienen als ihre nicht-operierenden Kolleginnen?
Thomas Schulte

Mit großem Interesse habe ich den Artikel „Streik wegen vier Euro“ gelesen und möchte meine eigenen Erfahrungen in diesem Zusammenhang teilen. Als jemand, der jahrelang ambulante Leistungssätze mit Krankenkassen verhandelt hat, kann ich die Frustration und Verzweiflung der HNO-Ärzte sehr gut nachempfinden. Es ist zwar für mich frustrierend, zu erleben, wie tatsächliche Kosten, die mit viel Aufwand für alle Positionen der Kostentabellen von uns ermittelt wurden, nicht angemessen berücksichtigt wurden. Selbst gesetzlich vorgeschriebene Standards, wie die Größe von Büroräumen für das Personal, wurden in den Verhandlungen willkürlich gekürzt, um die Preise zu senken. Diese undurchsichtigen Praktiken in den Honorarverhandlungen führen zu Ungerechtigkeit und setzen Leistungserbringer im Gesundheitswesen unter enormen Druck.

Der Artikel beleuchtet die gravierenden Auswirkungen dieser Intransparenz im Gesundheitswesen sehr treffend. Die Konsequenzen sind nicht nur für die Leistungserbringer spürbar, sondern vor allem für die Menschen, die auf eine adäquate Versorgung angewiesen sind. Es ist besonders beunruhigend zu sehen, wie hier um wenige Euro Honorar gestritten wird und damit die medizinische Versorgung gefährdet wird. Eine dringend notwendige Lösung wäre die Einrichtung einer unabhängigen Instanz zur Ermittlung von Leistungsentgelten. Klare und transparente Regeln könnten dazu beitragen, die Willkür in den Honorarverhandlungen zu reduzieren und die Qualität der medizinischen Versorgung zu gewährleisten. Es ist höchste Zeit, dass das Gesundheitssystem gründlich überdacht wird, um solche untragbaren Zustände zu verhindern. Es sollte nicht sein, dass Eingriffe nicht durchgeführt, Leistungen nicht erbracht werden, nur weil die Verhandlungen um einige Euro geführt werden. Es ist zudem an der Zeit, das System von ca. 80 gesetzlichen Krankenkassen in Frage zu stellen. Schaut sich eigentlich auch mal jemand deren Kostenstruktur an?
Helmut Thiede

Unser Zweijähriger hatte aufgrund chronischer Mittelohrergüsse eine massive Sprachentwicklungsstörung. Eine OP hätte frühestens 12 Monate später stattfinden können – so hätte er nie vernünftig Sprechen gelernt. Letztlich sind wir ins europäische Ausland gefahren, um die 10-minütige OP durchzuführen. Schon eine Woche danach hat er Dreiwort- Sätze gebildet. Dem Artikel ist nichts hinzuzufügen; unser privilegierter Arztsohn hat jetzt die Chance auf eine normale Bildungskarriere, viele andere Kinder landen auf der Sprachheilschule. Es entsetzt mich, wie sehr die Chancen in diesem Land vom Geldbeutel der Eltern abhängen. Liebe Kassenvertreter, liebe Politiker, liebe Standesvertreter: Schämen Sie sich! Und danach setzten Sie sich bitte endlich zusammen und finden eine Lösung!
Ines Rechenberger


Leserbriefe zu „Ein doppelt schmutziges Spiel“ von Evelyn Finger

Schmierlappen, die bei der BILD „arbeiten“, adelt man nicht mit dem Prädikat „Journalist“!
Thomas Manthey

Im ‚normalen‘ Leben unterliegt die vom Erzbistum Köln angewandte Firewall- und Kontrollsoftware dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei technischen Überwachungseinrichtungen (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG). Die Nutzung der Protokolle durch das Unternehmen ist dann legitim, wenn sie vereinbart wurde. Es liegt im konkreten Fall wohl an den besonderen rechtlichen Bestimmungen für Kirchen als „Tendenzbetriebe“, wenn hier ein gewisser Wildwuchs besteht. Insoweit ist hier schlicht Normalität gefordert.
Martin Hommel

Wenn auf ihrer ersten Seite die ZEIT sich an der BILD abarbeitet, darf man sich auf die Überschrift des benachbarten Artikels „Nicht mehr normal“ beziehen und mit Verweis darauf, die eigenen Erwartungen an die ZEIT reduzieren.
Jürgen Dressler

Dass die Bild-Zeitung zu einem Gutteil davon lebt, Menschen an den Pranger zu stellen und niederzumachen, ist seit Jahrzehnten bekannt. Ich wundere mich, dass dieses Geschäftsmodell straf- und zivilrechtlich nicht stärker sanktioniert wird und dass es immer noch so viele Menschen gibt, die ein solches Blatt kaufen. Statt die mit der geforderten Enthaltsamkeit überforderten Priester bloßzustellen, sollten Zeitungen besser die falsche katholische Sexualmoral kritisieren: Das Verlangen nach Sex ist – auch unabhängig von Liebe – ein fundamentales menschliches Bedürfnis, und wenn man keinen anderen Menschen hat, mit dem man es befriedigen kann, oder wenn seine Befriedigung innerhalb einer bestehenden Partnerschaft nicht (mehr) möglich ist, sind Pornogucken und Selbstbefriedigung meines Erachtens eine ehrenhafte Alternative. Solange die Pornodarsteller*innen freiwillig und gegen gutes Geld arbeiten, ist damit meines Erachtens allen geholfen.
Ulrich Willmes

„MASSENHAFT“ – auf dieses Wort verzichtet Frau Finger in keinem ihrer Artikel über den Missbrauchsskandal in der Katholischen Kirche. Warum nennt sie nicht konkrete Zahlen, die durch die von den Diözesen in Auftrag gegebenen Gutachten ja bekannt sind: Tausende in Jahrzehnten, schlimme Verbrechen, eine große Zahl! Aber andere konkrete Zahlen könnten gegenübergestellt werden, z.B. die Terabyte kinderpornographischen Materials, die immer wieder gefunden werden oder wie vom Bundeskriminalamt zu erfahren: 12000 Missbrauchsfälle im Jahr 2021. Oder die Schätzung von Experten, dass in jeder Schulklasse ein bis zwei Kinder schon Opfer sexueller Übergriffe wurden. Interessant wäre dann zu lesen, was der Deutsche Sportbund, die Lehrer-Verbände und Kultusministerien bisher zur Aufarbeitung unternommen haben.  Oder gibt es da nichts zu berichten, weil nichts aufgeklärt wurde und wird? Das Lesevergnügen, das bei sex und crime in der Kirche immer gegeben ist, würde allerdings getrübt, wenn nicht nur Frau Finger wahrnehmen müsste, dass Kinder in unserer Gesellschaft überall brutal missbraucht und gequält werden. Hilfesuchende können sich übrigens an die Katholische Kirche wenden, die auf das Fiasko ihres eigenen Versagens mit dem Aufbau eines umfangreichen Beratungs- und Hilfenetzes, sowie der Entwicklung von Präventionskonzepten reagiert hat.
Josef Silbermann

Gratuliere! Noch ein Hinweis auf kleine Unschärfe: Wenn der deutsche „Rechtsstaat“ das Schauen von Pornographie nicht verbietet (warum wohl?), ist es eben KEIN juristischer Verstoß. Moralapostel und „gesetzliche Rechte“-Verletzer bewegen sich NICHT auf gleichem Niveau. Ebenso wenig wie Durchstecher und Publizierer – selbst wenn die Absicht gleich wäre…

Franz Berger


Leserbriefe zu „Gerechtigkeit für Männer – wie bitte?!“ von Anna Mayr

Ich begrüße die Reform grundsätzlich, auch wenn sich bereits die letzte Unterhaltsreform aus dem Jahr 2008 deutlich zugunsten der Männer insbesondere durch eine erhebliche Verkürzung bzw. Einschränkung des nachehelichen Unterhalts ausgewirkt hat. Wenn Männer sich nach einer Trennung eine Wohnung mit genügend Platz für ihre Kinder einrichten (Miete, Möbel etc.), ist es gleichwohl unbillig, wenn sie trotz dieser laufenden Mehrbelastung den vollen Unterhalt bezahlen müssen, nur weil die Kids etwas weniger Zeit bei ihnen verbringen. Allerdings sehe ich selten Männer, die mit ihren Kindern Kleider, Schuhe oder sonstiges wie z.B. Schulhefte kaufen gehen, dieser Aufwand bleibt dann doch weit überwiegend bei uns Frauen hängen. Selbiges gilt, wenn das Kind krank ist – Arztbesuche und das Auffangen der Betreuung während der Arbeitszeiten werden da nach meiner Erfahrung schon nahezu ausnahmslos von den Müttern erledigt. Die Reform sollte dies durch einen entsprechenden finanziellen Ausgleich berücksichtigen. Bei einem reduzierten Kindesunterhalt verbliebe jedenfalls eine höhere Bemessungsgrundlage für den Ehegatten- bzw. Partnerunterhalt. Das Argument, die Mütter kämen durch einen geringeren Kindesunterhalt in finanzielle Schwierigkeiten, verfängt daher nicht zwingend, weil sie in vielen Fällen zumindest zeitweise einen Ausgleich über ihren eigenen Unterhaltsanspruch erreichen könnten.
Diana Weniger

Der nächste Schildbürgerstreich der Ampel bahnt sich gerade an. Wer soll das überhaupt überprüfen; vielleicht eine Soko „Unterhaltüberprüfungstrupp, der von Mutter und Kindern getrennt lebender Väter“! Ja geht´s denn noch!?
Riggi Schwarz

Seit Jahren das 1. Mal, dass ich eine Sichtweise lese, auf die ich schon lange gewartet habe. Meiner ex-Frau musste ich die Hälfte meiner Rentenpunkte abgeben – ohne dass auch nur irgendein Mechanismus existiert hätte in diesem finanziell schmerzlichen Prozess, der eine Perspektive der Bedürftigkeit einnimmt: Sie erbt erheblich, ist auf „meine“ Rente überhaupt nicht angewiesen. Und ich Naivling habe während der Ehejahre mit vollen Händen ausgegeben, was reinkam, um Madam einen statusgemäßen Lebensstandard zu bieten. Habe in den „fetten“ Jahren versäumt fürs Alter zurückzulegen – da, hätte die Ehe Bestand gehabt, ich an ihrem Erbe ebenfalls partizipiert hätte. Aber lieber frei & arme Kirchenmaus als weiter eine Schachfigur in ihrem Spiel der Statussymbole. Dennoch: Die Abgabe der Rentenpunkte schmerzt – nachhaltig! Als Resultat meiner Naivität bleibt mir nichts anderes übrig als bis 72 Vollzeit zu arbeiten, um a) die Rentenlücke (halbwegs) zu schließen, und b) zu vermeiden, dass meine Söhne ggfs. vom Staat gezwungen werden mir im Alter Unterhalt zu zahlen.
Joachim Anz

Die Avantgarde, das wären nicht die Männer, welche sich nach der Trennung um die Kinder kümmern, sondern diejenigen Paare, die sich im Vornherein fragen, wie sie Berufs- und Familienleben nach der Familiengründung „aufteilen“, und die den Mut haben, sich zu trennen, wenn diese Vorstellungen nicht zueinander passen. Ein Hoch auf das souveräne Paar, bei dem nicht der Staat entscheiden muss, wer den Abwasch macht.
Christian Voll

Es gibt ein Problem: Kinder kosten Geld – viel Geld. Besonders, wenn man ihnen Bildungschancen einräumen möchte. Wenn nun ein Vater einen 70% Unterhalt zahlt, muss er dann 30% zu laufenden und plötzlichen Kosten zuzahlen? Also zu Kindergartenbeitrag, Musikunterricht, Sport, Klassenfahrt, Ferienfreizeit et cetera?  Wenn er das dann tut, spart Papa kein Geld, aber es gibt jede Menge Diskussionen: Klavierunterricht sehe ich nicht ein, den zahlst du alleine, den Kindergarten nutze ich nur freitags, deswegen zahle ich höchstens 20%., ich zahle das Reiten, da wirst du wohl die Klassenfahrt zahlen! Ich bin verwitwet, habe also selbst keine solchen Diskussionen zu führen, weiß aber, was ich alles ausgebe! Und ich glaube, diese Regelung wird in zerstrittenen Familien zu Problemen führen – beziehungsweise zu mehr Kinderarmut.
Gudrun Carius

Sie sind wahrscheinlich nicht geschieden? Oder wenigstens Mutter? Wenn Sie in einer der (5%!) Eltern-Partnerschaften leben, in denen alles 50/50 geteilt und getragen wird: Herzlichen Glückwunsch! Für alle anderen Mütter gilt weiterhin, dass sie für die zusätzliche Arbeit, die sie leisten vom Patriarchat entschädigt gehören- und nicht umgekehrt!
B. Sgodda


Leserbriefe zu „Haben wir ein Polizeiproblem?“ Streit von Michael Labetzke und Manuel Ostermann, moderiert von Mark Schieritz und Stefan Schirmer

Ein Erfolgsrezept der CDU war – insbesondere unter Angela Merkel – ihre ideologische Flexibilität. Doch beim Thema „Polizei und Rechtsextremismus“ gibt es offenbar einen Law-and-order-Reflex, der eine unvoreingenommene Analyse der Situation blockiert. Anders kann ich mir den schon an Verbohrtheit grenzenden Starrsinn von Herrn Ostermann nicht erklären, mit der er an der längst unhaltbaren Fiktion von „Einzeltätern“ festhält. Die Anmaßung, mit der er – ein weißer Mann ohne jegliche Diskriminierungserfahrungen – die zugegeben harte Kritik einer türkischstämmigen Dozentin an rassistischen Strukturen in der Polizei als „rhetorisch weit über das Ziel hinausgeschossen“ zurückweist, macht mich sprachlos. Offenbar hat er schon früh dem Idealismus, den sein Kontrahent, Herr Labetzke, bei jungen Polizeischülern noch wahrnimmt, abgeschworen und sich seinerseits ethnische Stereotype zu eigen gemacht, wenn er etwa die Kriminalität im Bahnhofsmilieu von Gelsenkirchen, Dortmund und Essen pauschal bestimmten Migrantengruppen zuordnet. In seiner Partei ist er damit Mainstream, eher ein zweiter Herbert Reul als ein Vertreter einer neuen Generation. Schade, denn die Bekämpfung des Rechtsextremismus braucht kein Lagerdenken, sondern ein breites Bündnis unter Einschluss von Konservativen, die bereit sind, neue Wege zu gehen.
Dirk Kerber

Angesichts der Ergebnisse der Umfragen nach der Akzeptanz der politischen Parteien sollte unvoreingenommen darüber nachgedacht werden. Aus meiner Sicht beendete Angela Merkels Erklärung der „Alternativlosigkeit“ ihrer Politik das Ende jeglicher sachlichen Debatte. Damit wurde alles zum Tabu, was Merkels Sicht in Frage stellte. Herr Labetzke, Landtagsabgeordnete der Grünen, zeigt Verständnis für die Verallgemeinerung persönlicher Erfahrungen einer türkischstämmigen Dozentin. Diese hatte als Ursache für ihr Herzrasen angesichts von Polizei „den ganzen braunen Dreck innerhalb der Sicherheitsbehörden“ genannt. Damit liegt Herr Labetzke voll auf Linie seiner Partei. Sachliche Argumente nennt er jedoch nicht. Hätte er bei vergleichbaren Äußerungen gegen andere Gruppen unserer Gesellschaft anders reagiert? Den Alltag in von Migranten dominierten Wohngegenden erleben nicht nur Polizisten, sondern ebenso viele Bürger. Dort ist es nachts laut. Die Hauswände sind beschmiert. Raub und Gewalt gehören zum Alltag. Anwohner ziehen aus, weil die Nachtruhe regelmäßig gestört wird. Wiederholungstäter werden gestellt und immer wieder freigelassen. „Das macht etwas mit den Leuten“, nicht nur bei der Polizei. Eine ergebnisoffene Debatte über für jeden sichtbare Tatsachen ohne Tabus findet nicht statt. Die Öffentlichkeit wird, gefühlt, überwiegend von einer vorauseilenden Selbstzensur und von Aktivisten der „cancel culture“ beherrscht. Solange sich die etablierten Parteien mit dieser Situation mehr oder weniger zufriedengeben, werden die Unzufriedenen woanders ihren Protest zeigen.
R. Reiger

Nein, wir haben kein Polizeiproblem. Wir haben ein gesellschaftliches Problem. Natürlich kann ein Bundespolizist auch eine Oma kontrollieren, die mit ihrem Enkelkind an irgendeinem Bahnhof in Deutschland aus dem Zug steigt. „Racial Profiling“ würde ihm da niemand vorhalten und vielleicht wäre dann der von Herrn Labetzke geforderten Gleichbehandlung Genüge getan. Nur, macht das Sinn und wie sieht die Realität aus? Herr Ostermann beschreibt den Dienstalltag von Polizistinnen und Polizisten in Ballungsgebieten (und längst nicht nur dort) ganz gut. Sie sehen sich mit Gewaltkriminalität von libanesischen Clanmitgliedern oder auch Migranten konfrontiert, wo die Integration fehlgeschlagen ist. Oft genug erleben sie auch, dass sie körperlich angegriffen werden, polizeiliche Maßnahmen nur mit Großaufgeboten durchgesetzt werden können. Das prägt jeden Menschen, ein Polizist ist ja nicht nur Polizist, er ist auch Spiegelbild unserer Gesellschaft.

Infolgedessen kann es situationsbedingt auch in der Polizei zu rassistischen Aktionen kommen. Das ist inakzeptabel und nicht zu rechtfertigen, es wäre aber weltfremd zu glauben, dass es so etwas nicht gäbe. Ob solche Vorkommnisse polizeiintern immer adäquat aufgearbeitet werden, kann ich nicht beurteilen. Dennoch: Der Begriff „strukturelles Problem“ ist schnell verwendet. Herr Labetzke meint, dass die Polizei ein solches habe, also ein grundlegendes, dass sich aus dem „System“ Polizei von selbst ergebe. Das ist ein schwerwiegender Vorwurf, der belegt werden muss, ansonsten schürt man tatsächlich Ressentiments. Ich wäre von Herrn Labetzke gerne darüber aufgeklärt worden, wie er zu seiner Einschätzung kommt. Eine Aufzählung von Einzelfällen ist da nicht ausreichend. Alltäglicher Rassismus, Gewalt gegen Einsatzkräfte, kriminelle Clans, alles hochemotionale und sensible Themen. Gut als „Aufmacher“ für Printmedien geeignet, von den ungebremsten und häufig verhassten Reaktionen in den sozialen Medien ganz zu schweigen.  Ein sachlicher Umgang ist hier kaum noch möglich. Das ist schade, weil bitter nötig.
Regina Stock

Wir saßen einst am frühen Abend auf einen Wein an der Theke, unter uns eine Freundin, ihres Zeichens höherer Polizeioffizier, die sich beruflich ständig engagierte, Demonstrationen von Rechten in unserer Stadt mit juristischen Mitteln zu verhindern. Als sich neben uns drei Farbige niederließen, nahm besagte Freundin instinktiv und kommentarlos ihre Handtasche, und stellte sie auf die andere, den neuen Gästen abgewandte Seite (nebenbei bemerkt: Ich kannte einen der Farbigen als Bankangestellten – das konnte sie aber nicht wissen). Was ist institutioneller Rassismus?
Raimund Poppinga

Herr Ostermann sorgt mit seinen Aussagen für die beste Werbung von GDP.
Alexander Jan


Leserbriefe zu „Das wird man wohl noch singen dürfen“ von Thomas Fischermann

Heino tut wirklich alles, um an Kohle ranzukommen. Heino wäre bereits im Rentenalter, aber er singt weiter und da singt er genau das, was er eben singen will. Seine Musikerkollegen Mick Jagger (*1943) und Paul McCartney (*1942) tun das, vermutlich sogar mit großer Freude weiterhin auch! Das mit dem Gag, dass seine Hannelore darüber entsetzt sein soll, über das was ihr Heino gerade singt und das auch noch auf Tonträger erhältlich ist, den finde ich supergut. Die beiden wissen haargenau, was es heißt, um im Geschäft zu bleiben!
Klaus P. Jaworek

Ich warte noch darauf, dass Heino linke Arbeiter- und antifaschistische Lieder für sich entdeckt, aber ich glaube, darauf kann ich lange warten … Andererseits möchte ich auch nicht, dass er zum Beispiel „Bella Ciao“ verhunzt. Das haben genügend Andere schon getan, wie ich gerade beim Surfen festgestellt habe, sogar (bzw.: natürlich auch) DJ Ötzi. Der aufs Schwachsinnigste umgedichtete Text stammt übrigens von Peter Plate. Statt ums Sterben wie im Original geht es da ums Lieben, Leben, Singen und Feiern, „denn diese Welt ist g’rad so schön!“ Da sind mir die Versionen von Chumbawamba und 44 Leningrad dann doch lieber. Ich muss allerdings gestehen, dass ich, bevor ich diese beiden Bands damit gehört hatte, nicht wusste, dass das ein Partisanenlied ist. Ich hielt das zuvor immer für einen Liebesschlager.
Thomas Manthey

Einigermaßen entsetzt finde ich im Wirtschaftsteil der Zeit einen ganzseitigen Artikel über den greisen Barden. – Als Bürger aus Bad Münstereifel (bin fälschlicherweise davon ausgegangen, der Mann würde hier wohnen) habe ich mir den Artikel angetan. Über den Inhalt möchte ich lieber höflich schweigen, nur soviel – es gibt Presseorgane, da wäre dieser Beitrag besser aufgehoben.
Dirk Heinrichs

Lieber Heino, als Promi bekommst Du sicherlich immer alles, was Du willst. Bitte verrate mir doch Dein Erfolgsrezept bei den 10 nackten Frisösen, wie Du das hinbekommst. Schließlich bist Du ja nicht mehr der Jüngste. Wir haben hier nicht so viele Frisösen – geht das auch mit schwarz-braunen… (Haha, kleiner Scherz von mir). Als jemand von geringem Verstand habe ich doch gleich gemerkt, dass sich die „feuchten Haare“ nicht auf „nackte Frisösen“ reimt. Da hast Du Schelm sicherlich an was anderes gedacht. Danke und alles Gute noch, Du Genie des rrrrreinen Bocksgesangs.
Hans-Georg Voß

Großartiger Artikel zu einem unfassbaren Phänomen unserer deutschen Popkultur! Journalismus vom Feinsten. Vergnüglich und erschreckend zugleich! Herzlichen Dank für diesen tiefen Einblick in die Ökonomisierung fragwürdiger Volksmusik! Man wird schon ein bisschen neidisch auf den unglaublichen Erfolg des Sängers mit der kraftvollen Singstimme … und dem ewig gleichen merkwürdig zeitlosen Aussehen! Natürlich nicht um diesen Preis der Anbiederung …
Johannes Wirsing


Leserbriefe zu „Dieses verfluchte Geld“ von Moritz Rinke

Was sollen diese Fußball Krokodilstränen? Wessen Brot ich ess‘, dessen Lied ich sing‘. Wir nähren uns genauso selbstverständlich und unhinterfragt von deren Brot – sprich Öl. Eigentlich wäre eine Doppelseite vergeudete ZEIT passend zu dieser Doppelmoral.
Wolfgang Burkhardt

Herrn Rinkes Beitrag zum aktuellen saudischen ‚football shopping spree‘ habe ich mit großem Interesse gelesen. Selbstverständlich gibt die Ausleuchtung des politischen und gesellschaftlichen Hintergrunds im Land erneut Anlass zum Nachdenken. Eines allerdings sollten wir den Saudis nun wirklich nicht vorwerfen, nämlich dass sie mit viel Geld Topfußballer einkaufen. Denn das Gladiatorengeschacher um immer höhere Kopfprämien ist zwischen den Proficlubs seit Jahren gängige Praxis, die Saudis treiben es jetzt nur ein gutes Stück weiter und schlagen die etablierten Platzhirsche mit deren eigenen Waffen. Kann sein, dass in der Folge weniger betuchten Bietern die Puste ausgeht. Das ist Pech, aus Sicht der Verlierer, aber kein Grund zu moralinsaurer Schnappatmung.
Adrian Bothe

Großes Kompliment an Herrn Rinke für den genialen Text, der mir aus der Seele spricht. Vielen Dank!
Andrea Kelka

Seit sehr Langem wurde nichts Besseres über dieses triste Thema geschrieben. Vielen Dank, Herr Rinke!
Max Steinacher

Ich finde den Artikel ein wenig ungerecht: Hat nicht kürzlich Bayern München für 100 Mio. € einen Spieler gekauft? Wenn der Wirtschaftsminister vor dem Scheich von Qatar buckelt, ist das auch nicht besser. Und langfristig kann der Fußball in Saudi-Arabien viel Gutes tun: wenn es spannende Fußballspiele gibt, sind vielleicht die Hinrichtungen nicht mehr die einzige öffentliche Unterhaltung der Bevölkerung.
Peter Pielmeier


Leserbriefe zu „Putschisten, aber populär“ von Isso Ehrich

Eine ehrliche, Bestandsaufnahme der europäischen Politik in Afrika. Offensichtlich ein Bankrott der Außenpolitik, blind und taub für die gesellschaftliche Situation in den afrikanischen Kulturen und Traditionen. Gäbe es hierfür eine ehrliche Prüfung, gäbe es nur ein Urteil: viele Steuergelder verschlungen, trotzdem „durchgefallen.

Unseren Politikern fehlt offensichtlich der Abstand zu den Tagesproblemen der Afrikaner und das Wissen für eine weitsichtige Außenpolitik. Offenheit gegenüber den Erkenntnissen der sozialen und kulturellen Anthropologie und deren Förderung sind aus meiner Sicht unabdingbar.
R. Reiger

Wenn Europa darauf verzichten würde, den afrikanischen Staaten ständig Stolpersteine in den Weg zu legen, so hätten diese zumindest eine Chance, sich selbst zu ordnen. Nicht nur die erwähnten Subventionen für den Export von überschüssigen EU-Produktionen, sondern auch die systematische Unterdrückung verarbeitender Gewerbe, die Förderung der Abwanderung der Bildungselite und die Verwaltung korrupt erworbener Gelder in unseren Systemen ziehen den afrikanischen Gesellschaften kontinuierlich den Boden unter den Füßen weg. Jede deutsche Regierung, auch die jetzige, spricht von einer „neuen Partnerschaft“, aber was dann folgt, ist weder neu noch partnerschaftlich, sondern schlichtweg kurzsichtig und ganz überwiegend profitorientiert. Wir werden die Quittung erhalten. Die Zahl der Menschen in Afrika wird sich in den nächsten 4 Jahrzehnten mehr als verdoppeln auf dann knapp 3 Milliarden Menschen. Spätestens die Verzweiflung und lokale Perspektivenlosigkeit dieser vielen Menschen wird Europa von seinem hohen Ross reißen.
Christian Voll

Der Kolonialherrschaft hat sich Afrika weitgehend entledig. Kolonialisierung auf moderne, neue, ausbeuterische Art ist geblieben. Längst werden Einsätze der EU nicht mehr mühsam menschenrechtlich, verlogen kaschiert. Längst ist es Selbstverständnis, wenn es ohne Militäreinsatz nicht geht, zivil- befreiende Missionen durchzuführen. Ein Herz für Afrikas Völker, daran können nur noch die Dümmsten glauben. Ein Herz für Afrikas Reichtümer und Schätze, für Zwietracht, Feindschaft zwischen den Volksgruppen in Afrika und Nahost. Völkerrecht gilt nur wie es der Wertewesten definiert und wem er es zugesteht, um seine Interessen militärisch durchzusetzen. Der Niger könnte demnächst auf der Liste stehen. Völkerrechtlich versteht sich so wie für die Ukraine Völkerrecht gedreht und verbogen wird.

Wer die politischen Feindbilder kennt, weiß auch genau welche freie Meinungsbildung er-wünscht, erlaubt ist, wo zu schweigen, leugnen oder zu diffamieren ist. Machen arabische Herrscher das Geschäft des Westens mit, sorgen militärisch für westliche Werteordnung in Afrika, dann sind sie die Guten, wie viele Opfer es auch kostet. Orientieren sie sich in eigenem Interesse an Unabhängigkeit an BRICS- Staaten, dann bekommen sie Schelte, wird ihnen ihre Diktatur, menschenverachtende Politik vorgeworfen. Ganz nach Freund – Feind- Bild fallen Kommentare des deutschen Außenministeriums aus. Wer im Namen westlicher Menschen-rechte Flüchtlinge mit Waffen aufhält, in den Tod schickt, Mauern, Grenzen, Abschottung von Fluchtwegen betreibt, hat Nachsicht bis höchstes Lob oder vielleicht auch mehr zu erwarten. Von Hoher Politik dieser Machart wird deutsches Volk eher verschont. Schlimm wenn es das wahre Menschenrechtsspiel begreifen würde. Lieber simpel. einfach, primitiv den Schwarzen, Araber u.a. als Feind, Schmarotzer, Betrüger oder Kriminellen verstehen, dann stimmt die deutsche Geisteswelt. Mehr Meinungsfreiheit, Wissen und Bildung ist gefährlich. Illusionen sind besser als Wahrheitswissen.
Roland Winkler

Die jüngsten Vorgänge im Niger sind uns auch deswegen kaum verständlich, weil wir von falschen Voraussetzungen ausgehen. Von einer funktionierenden Demokratie sind die meisten Staaten des Sahel und darüber hinaus weit entfernt.  Die traditionelle Stammesordnung mit einem starken „Chef“ spielt für die Mehrheit der Menschen immer noch eine viel wichtigere Rolle als moderne Demokratievorstellungen. Von den meisten unserer Entwicklungspolitiker, vor allem im Bundestag, wird das völlig verkannt. Sie brechen oft schon in Jubel aus, wenn uns Nachrichten von unblutig verlaufenen Wahlen in einem afrikanischen Land erreichen. De facto will das für die Entwicklung dieser Länder in der Regel nichts heißen. Der in hiesigen Politikerkreisen beliebte Satz „Entwicklung ohne Demokratie geht nicht“ ist weltfremd. Das Gegenteil ist richtig. Die Entwicklungserfolge ostasiatischer „Tigerstaaten“ wurden zumeist nicht durch demokratische, sondern durch autoritäre Herrschaftsformen bewirkt – allerdings durch entwicklungsorientierte, von denen es in Afrika nur wenige gibt. Deswegen ist unsere Akzentsetzung auf Demokratie falsch. Das richtige Stichwort ist „Rechtsstaat“. Wie ein Volk regiert wird, ob in unserem Sinne demokratisch oder in anderen Regierungsformen, geht uns im Grunde nichts an – solange unter anderem die Justiz nicht korrupt ist und ein Regime mit politischen Gegnern anständig umgeht. Hier ist Strenge angebracht, nicht beim Grad dessen, was wir unter „demokratisch“ verstehen. Weil die sogenannten Demokratien in Afrika für die Massen der Armen wenig leisten, ist deren Empörung über Putsche begrenzt – siehe Niger.
Kurt Gerhardt


Leserbriefe zu „„»Fledermäuse sind wichtig – aber wichtiger als unsere Kinder?«“. Gespräch mit Ilse Wehrmann geführt von Martin Spiewak

Die Antwort fällt nach identitäts- oder artspezifischen Geschichtspunkten unterschiedlich aus. Wenn der Mensch jetzt schon 1,7 Erden benötigt, sind artspezifische Gesichtspunkte relevanter. Konkret: Fledermäuse sind wichtiger!
Matthias Losert

Da die Politik es nicht schafft, (auch) die frühkindliche Bildung zu verbessern, würde es mich sehr freuen, wenn dieses die Konzernleitungen, die Klinikchefs und ihre Kolleginnen und Kolleginnen „in die Hand nehmen“ – vielleicht sogar mit eigenen kostenfreien beruflichen Schulen; auch hier versagt(e) die Politik auf allen Ebenen. Zu welchem Ergebnis würde eine Zukunft-Langzeit-Kalkulation (u.a. bzgl. Fachkräfte auf allen Ebenen, zukünftige ZEIT-Leser*innen aus bildungsfernen Familien) wohl kommen…?
Klaus Busch

Dieser Beitrag ist wertvoll und wichtig und zeigt auf in welcher Misere die frühkindliche Bildung in Deutschland steckt. Die Überschrift ist unwürdig für „Die Zeit“ – eher eine „Bild“ Überschrift. Soll hier der notwendige und auch vernachlässigte Naturschutz die Schuld zugewiesen bekommen, dass die frühkindliche Bildung keine angemessene Beachtung und Finanzierung erfährt?
Barbara Dakin

Frau Wehrmann beklagt in dem Interview das schleppende bürokratische Prozedere bei Kita-Bauvorhaben. Dabei nennt sie In einem Atemzug als gängelnd empfundene Sicherheitsauflagen und ökologische Einwände („…dann wieder fehlen in einem Raum zwei Quadratmeter Fläche, oder der Naturschutz steht im Wege.“). Mit welcher Beschränktheit kann sie die Entscheidungsfrage stellen, ob Fledermäuse wichtiger seien als die Zukunft unserer Kinder? Wer bis heute noch nicht begriffen hat, dass das eine von dem anderen nicht zu trennen ist, verspielt jegliche Glaubwürdigkeit. Befremdlich ist zudem die Parallele, die sie zwischen der Überprüfung von Qualitätsstandards in Kitas und dem TÜV in der Automobilbranche zieht. – Immerhin können in Bremen nun „farbige Kinder“ mit „farbigen Puppen“ spielen. Frau Wehrmann wäre in der freien Wirtschaft besser aufgehoben als in der Pädagogik und allemal besser als in einer kirchlichen Institution, in der sie eine führende Position innehatte.
Barbara Schmidt-Rhaesa


Leserbriefe zu „Und jetzt hoch“ Bilder von Alexandra Polina, Text von Charlotte Parnack im Zeit Magazin

Ich bin seit vielen Jahren Leserin, wobei ich mir zunehmend die Frage stelle, welchen Wert die enthaltenen Informationen für mich haben. Denn es ist Lebenszeit, die ich mit dieser Zeitung verbringe: ich lese bewusst, ritualisiert und mit Genuss. Und da sind wir schon bei meinem Anliegen und der Motivation, Ihnen zu diesem – eigentlich unspektakulären Thema – einen Leserbrief zu schreiben. „Im Grunde haben Frauen das ja heute noch gerne. Beine überschlagen. Hände falten. Stimme senken.“ Bei diesem Satz war mein zu niedriger Blutdruck auf Hochtouren. „In der Mitte demonstrieren Männer ihre Stärke, am Rand schauen die Frauen zu.“ Es scheint eine Parallelwelt zu sein, in der sich Frau Parnack befindet. Natürlich kann auch ich, so wie die Autorin, nur auf persönliche Erfahrungen zurückgreifen, aber die (sportliche) Frauen-Welt in Gütersloh ist eine andere.

Die Autorin hat unrecht: Fitnessstudios sind komplexe Systeme – auf jeden Fall in Gütersloh! Im Zentrum stehen nicht starke Männer, sondern die unfassbar heterogene Gruppe der Mitglieder (von 16 bis über 90), die mit all ihren Beschwerden in diesem GESUNDHEITSZENTRUM nach Verbesserung, Auszeit und Erholung suchen und das z.T. schon seit Jahrzehnten. Super durchtrainierte junge und ältere Frauen trainieren neben übergewichtigen und spindeldürren jungen und alten Männern. Die Welt ist bunt und diese Welt unterscheidet sich nicht. Der Weg ist das Ziel. Der Mensch steht im Mittelpunkt. Erreichbare und sinnvolle Ziele werden ganzheitlich mit Physiotherapeutin und Gesundheitsexperten festgelegt. Das Bild der Mucki-Bude sollte überholt sein, aber Artikel wie dieser halten es natürlich am Leben. Und das ärgert mich unfassbar. Gerade in Zeiten von explodierenden Zahlen zu Betroffenen von Übergewicht, chronischen Erkrankungen, Depressionen etc. sollten die Medien ihre Möglichkeiten zur Aufklärung bzw. Gegendarstellung nutzen und nicht Stereotype bedienen. Denn die Hemmschwelle ist immer noch groß. Auch ich hatte genau das Bild im Kopf. Diese Art Studio und solche Menschen.

Es freut mich sehr, dass die sportliche, gesunde, erfolgreiche Mutter, die Frau Parnack zu sein scheint, ihr persönliches Ziel im Studio ihrer Wahl erreicht hat. Ob eine Geschichte voller Vorurteile (ups, erinnert mich gerade an eine uralte Werbung) es verdient abgedruckt zu werden? Ich denke nein. Nachdem ich 2018 mit 52 chronisch erkrankte und aus meinem bisherigen Leben gerissen wurde, habe ich mit vielfältigsten Mitteln versucht Beschwerden zu lindern. Der Weg in ein Fitnessstudio war für mich unvorstellbar – genau wegen solcher Bilder im Kopf. Leistung, keine Schwäche zeigen, durchbeißen, Schönheitsideale. die Berührungsängste sind immer noch riesig. Ich habe mich im November 2022 überwunden. Gefunden habe ich eine familiäre Atmosphäre, Anteilnahme, Gleichgesinnte, Vorbilder, realistische Trainingsziele, Spaß … und endlich mehr Beschwerdefreiheit, die auch mit dem mehr an Muskelkraft zu tun hat! Über solche Studios sollten Sie mal berichten. Gibt es sicher auch in der Umgebung von Hamburg. Aber vielleicht nicht passend für die Zielgruppe der ZEIT? Das ist nämlich die eigentliche Frage, die ich mir zunehmend stelle. Aber vielleicht bin ich einfach aus der Zeit gefallen ;-)
Silke Ostermann

Zum artikel „und jetzt hoch“ in o.g. magazin möchte ich kurz schlaumeierisch anmerken – das zitat aus der „vogue“ betreffs des abschieds der obamas ist nicht ganz so eindimensional, zumindest etwas geistreicher als es hier scheint – man spielt hier mit dem hemingway-titel „a farewell to arms“ …
anja molendijk

Ein vielseitiger und schön formulierter Artikel – am Ende möchte Mann Frau Parnack für ihren letztlich erfolgreichen Durchhaltewillen Beifall bekunden. Eine Anmerkung sei erlaubt: bekanntlich arbeiteten bis ins 19. Jahrhundert (seit der Jungsteinzeit) über 90 Prozent der Menschen in der Landwirtschaft – gleichbedeutend mit harter Plackerei auch für Frauen. Als kleines Kind durfte ich einmal den Bizeps meiner Mutter befühlen – erworben im Stall und auf dem Feld.  Freilich hatte der Bizeps meines Vaters den doppelten Umfang. Die Evolution, für die bekanntlich nicht „Gerechtigkeit“, sondern Erfolg zählt, stattet die männlichen Säugetiere mit mehr Kraft aus. Aber selbstverständlich bedürfen auch weibliche Muskeln des Trainings! Also: bitte weiter so, Frau Parnack. Übrigens: in der Antike förderte das kriegerische Sparta auch den Frauensport. … Und oft bewunderte ich Akrobatinnen für ihre gewaltige Kraft in schlanken Körpern.
Friedrich Schweikert

Frauen, die ihre Muskeln im Fitnessstudio trainieren? Ja, warum denn nicht! Es sollte nur nicht ins fies übertriebene Bodybuilding ausarten. Tut es ja zumindest bei den abgebildeten Frauen auch nicht. Als Kind fand ich diese Muskelberge bei Frauen noch ganz schön, diese Ansicht hat sich mittlerweile ins Gegenteil verkehrt. Wer mal wissen möchte, was Frauen im Gym so anstellen, sollte mal Jen Clohers „My Witch“-Video anschauen. Aber wenn es bei der „Otto-Show“ und bei „Schmidteinander“ schon (ziemlich blödsinnige) Warnungen gibt, dann muss ich hier auch eine aussprechen: Nicht geeignet für Menschen, die eine Abneigung gegen spätaustralische Dekadenz haben, also hauptsächlich FDP-Wähler*innen! Und auch AfD-Wähler*innen könnten mit dem Video ihre Probleme haben. Ich persönlich finde, dass darin ein wenig zuviel Alkohol und Tabak vorkommt, aber das gleichen die Melonen wieder aus.

Im Video ist übrigens Georgia Maq, Frontfrau der (beinahe) aufgelösten Camp Cope, beim Gewichtestemmen zu sehen, was sie nach meiner Kenntnis auch privat gerne macht. Zum Glück ist das Alles aber noch im Rahmen. In einem Interview hat sie mal gesagt, dass ihr das gefällt, weil sie sich dann stark bzw. stärker fühlt. Gemeint war natürlich vor allem ihr Selbstbewusstsein. Rechtlicher Hinweis: Nein, ich arbeite NICHT für die australische Musikindustrie und werde von ihr auch nicht bezahlt! Aber wer die Chance hat, sollte sich unbedingt Angie McMahon auf dem diesjährigen Reeperbahnfestival ansehen und -hören. Billy Bragg spielt übrigens auch, aber der ist nur Australier des Herzens, zudem Milchmann der menschlichen Freundlichkeit und hat sich in „Sexuality“ zu seinem eigenen Körper geäußert: „I’m sure that everybody knows how much my body hates me / It lets me down most every time and makes me rash and hasty / I feel a total jerk before your naked body of work“. Könnte auch von mir stammen, bin in der Schule außerdem auch immer als Letzter (immerhin manchmal auch als Vorletzter) in die Fußballmannschaft gewählt worden („The Boy Done Good“), aber ich schweife gerade in die falsche Sportart ab. Lieber der Letzte beim Fußball als irgendwelche Fitnessstudios, aber vielleicht ändere ich meine Meinung noch, wenn mein Rücken schlimmer wird.
Thomas Manthey


Leserbriefe zu „Happy End“ von Valerie Schönian, Fotos Anna Ziegler

Immer wieder totgesagt und doch so lebendig. Die schönste Liebeserklärung ans Kino. Ein zauberhafter Text!
Axel Pfeiffer

Ich sitze hier am Atlantik in Frankreich und habe gerade Tränen des Glücks in meinem Augen nach dem ich die letzten Zeilen ihres Artikels in „Die Zeit“ vom 24.08.2023 gelesen habe. Happy End im Union-Theater Kino in Illingen. Ich bin auch nur normaler Kinogänger und kenne das Kino und Illingen im Saarland noch nicht. Das werde ich aber auf meiner Rückreise aus Frankreich ändern. Warum ich Tränen in den Augen habe, fragen Sie sich sicher, obwohl ich doch nichts mit dem Ort oder Kino zu tun habe. Ganz einfach, weil ich seit 28 Jahren ein freies unabhängiges nicht gefördertes Theater leite. Bei mir sind die Darsteller echte und nicht auf der Leinwand. Ob Kinder oder Erwachsenen Theater. Die großen Augen der Kinder und das herzhafte Lachen der großen ist im Live-Theater genauso wie im Kino. Als kleines Theater brauchen wir genauso den Verkauf von Getränken und Naschereien wie die Familie Haas/Ziegler. Die Welt der nicht öffentlich geförderten Kunst ist sehr ähnlich. Dankeschön für den schönen Artikel.
Holger Hagemeyer

Wie kann es sein, dass die Journalistin Valerie Schönian einen Artikel derart diskriminierenden Inhaltes in der ZEIT veröffentlichen kann? Oder entspricht deren Meinung etwa der Ihrer Redaktion? Wenn die benannte Journalistin im o.g. Dossier auf Seite 14 „Arbeiter und Handwerker und ihre Familien“ als „Menschen aus der Unterschicht“ bezeichnet, so kennt meine Empörung keine Grenzen. Als was fühlt sich denn diese Dame, wenn sie fleißige Menschen derart diskriminiert? Immerhin handelt es sich um jene Mitglieder unserer Gesellschaft, die händeringend als Fachkräfte von Industrie und Handwerk gesucht werden.
Kirsten Wilken


Leserbriefe zu „Sie fliehen schon mal“ von Fritz Habekuss

Ich möchte nicht direkt einen Leserbrief schreiben, aber sie auf einen aus meiner Sicht gravierenden Fehler hinweisen: Vermont liegt nicht im Nordwesten der USA, sondern im Nord Osten.
Ulrich Baumann

Danke für Ihren Artikel über die Klima- Bewegungen in den USA. Sie schreiben über Vermont und legen diesen Bundesstaat in den „Nordwesten der USA“. Wo liegt dann bitte der Nordosten?
Uwe Büssing

Bitte gestatten Sie mir anzumerken, dass Vermont im Nordosten und nicht im Nordwesten der USA liegt.
Dik Hoppe


Leserbriefe zu „Ein Hafen für die Zukunft“ von Dirk Asendorpf

Wenn ich das richtig verstehe, braucht man zur Erzeugung von blauem Wasserstoff viel Wasser und noch mehr an Energie (hier: Erdgas), für die Erzeugung von grünem Wasserstoff, viel Wasser und noch mehr an Energie (hier: Strom)! Das Endziel sieht dann so aus, dass man wiederum den Wasserstoff für die Erzeugung von Energie braucht und benötigt. Das heißt dann in etwa soviel, dass ich mit einem hohen Einsatz von Energie Wasserstoff (blauen oder grünen) erzeuge, um daraus wiederum Energie (Strom & Co.) zu gewinnen, die ich dann beispielsweise für Elektrogeräte benötige. Alles klar, warum einfach, wenn es umständlicher und teurer auch geht!?
Riggi Schwarz

Vielen Dank für die Beleuchtung dieses Themas incl. mancher Haken bei dem sehr nötigen, aber auch viel gehypten Hoffnungsträger, auf den viele schon setzen als „Öl der Zukunft“, als wäre er genauso leicht zu haben und verwenden, nur eben klimaneutral, und damit „belegen“, dass ja alles so weitergehen könne wie mit Erdgas und Öl. Wertvoll sind auch die Hinweise, wieviel Anteil — 40% — des CO.2 beim blauen Wasserstoff gar nicht wirklich abgefangen wird, ein Problem, das wohl noch weithin unbekannt ist, sicher nicht zufällig, denn das würde die „schöne neue Welt“ in den Werbungen der Gas-Industrie und ihrer politischen „Paten“ weniger schön aussehen lassen. Auch wäre interessant, wie große Anteile des für Wasserstoff verwendeten Methans durch Lecks zwischen Förderung und Verwendung in die Luft emittiert werden, mit noch viel schlimmeren Treibhaus-Effekt als durch Verbrennung.  Auch andere wichtige Wermutstropfen im „Wein“ haben sie ja schon genannt, teilweise aber fehlen noch genauere Angaben:  So beim Transport in flüssiger Form, ob das für die Verflüssigung und Wiedervergasung zwecks Schiffstransport verloren gehende Drittel eine Drittel des Wasserstoffs meint oder ein Drittel der energiemenge.  Ist es wie beim LNG, dass man zum Flüssighalten unterwegs einfach ständig kleine Teile in die Luft verdunsten lässt, um die Verdunstungskälte für die Kühlung des Restes zu nutzen?  Wird zur Verflüssigung ein Teil verstromt und für die Wiedervergasung ein Teil Wärme-erzeugend verbrannt?  Bei Ammoniak schreiben Sie, dass dies pro Liter mehr Energie als Wasserstoff enthält, nicht aber wieviel mehr, z.B. in %.  Und die Umwandlungs- und Rückumwandlungs-energie lässt leider auch die für die Nutzbarkeits-Beurteilung wichtige Angabe vermissen, wieviel % der zur Erzeugung eingesetzten Strom-energie oder der Wasserstoff-Energie dafür aufgewendet werden müssen. Auch wäre dabei interessant, um wieviel teurer der Wasserstoff dadurch nach dem Schiffstransport und allen Umwandlungen wird im Vergleich zur direkten Verwendung vor Ort nach Elektrolyse. Schließlich wäre auch interessant, wie sicher der genutzte Wasserstoff gegen Betrugs- oder Greenwashing-Manöver sein kann, und wieviel teurer  er durch die dafür nötigen Prozesse und  Kontrollen werden würde.  Auch eine Art Greenwashing wäre die Opferung von Waldflächen, um Platz für Solar- und Wind-Strom-anlagen zu schaffen.  Angesichts all dieser Fragen und Probleme wäre es wohl eine Riesenverschwendung, Wasserstoff auch überall dort zu verwenden, wo es auch direkt mit grünem Strom oder mit Energie-einsparung gehen würde.
Peter Selmke

Der Autor schreibt, dass Ammoniak mehr Wärmeinhalt als Wasserstoff enthält. Was denkt der sich dabei?
Marcus Strohmayer


Leserbriefe zu „Die Position: Lehrer sollen unterrichten und mehr nicht!“ von Ekkehard Winter

Danke an Herrn Winter für diese klare Position, die ich als Berufsschullehrerin in vollem Umfang bestätigen kann.  Zunehmend anspruchsvoller werdende Verwaltungs- und IT-Aufgaben fressen nicht nur Zeit, sondern sorgen vor allem bei älteren Kollegen auch für vermeidbare Frustration.  Belastungen durch fachfremde und oft überfordernde Tätigkeiten haben unmittelbare Folgen für die Bindungsqualität zwischen Schülern und Lehrern und können Bildungsprozesse behindern. Darüber hinaus wirken sie sich auf die generelle Leistungsfähigkeit und Gesundheit vieler Kollegen aus. Flucht in Teilzeit oder ein vorzeitiger Ausstieg aus dem Beruf sind häufig die Folgen. Multi-professionelle Teams könnten an vielen Stellen effektiv unterstützen und Lehrern mehr Konzentration auf guten Unterricht ermöglichen. Wieso kommen solche Vorschläge nicht von entscheidungsbefugten Bildungsexperten?
Barbara Rogge

Ekkehard Winter ist zuzustimmen, wenn er schreibt, dass das IT und Warten von digitalen Endgeräten nicht zu den genuinen Aufgaben eines Lehrers gehören. Demgegenüber heißt es vonseiten der Schulträger, d. h. der Kommunen – die ja auch meinen, neben der Schulaufsicht den Lehrern sagen zu dürfen, was ihre Aufgaben sind – neuerdings, wir Lehrer seien für den „First-Level-Support“ zuständig. Nein, schon das Wort ist eine Zumutung, und hätte ich ITler werden wollen, wäre ich ja nicht Lehrer für zwei geisteswissenschaftliche Fächer geworden! Laptops warten und ständig für jede der zahlreichen Apps und ein Großteil der Klasse irgendwelche verbummelten Passwörter neu generieren – das kann weniger qualifiziertes (und billigeres) Personal wirklich besser! Es wird Zeit, dass die Lehrer sich mithilfe der Personalräte und Gewerkschaften dagegen wehren, wie die deutsche Armee 1945 als letztes Aufgebot verheizt zu werden (Harald Martenstein in derselben Ausgabe).
Marcel Haldenwang

Wann setzt sich diese überfällige Erkenntnis endlich in der Kultusverwaltung durch?  Im akademisch ausgebildeten „Lehrkörper“ der Schulen würden durch einen Unter- und Mittelbau aus Verwaltungs- und pädagogischen Fachkräften viele Unterrichtsstunden gewonnen, ohne eine Lehrkraft einstellen zu müssen, wenn die Lehrkräfte ausschließlich das täten, wofür sie ausgebildet sind und von allen Verwaltungs- und außerunterrichtlichen pädagogischen Tätigkeiten befreit würden. Heute brauchte jede größere inklusive Schule wenigstens eine Direktorin bzw. einen Direktor für Schulverwaltung und eine hauptamtliche Stelle für eine Sozialpädagogin oder -pädagogen.  Dazu müsste endlich das Beförderungssystem für Lehrkräfte geändert werden, denn bisher wird man nur befördert, wenn man besondere Leistungen im Kerngeschäft, dem Unterrichten, vorweisen kann, um nach der Beförderung weniger zu unterrichten und mehr zu verwalten. Wer nicht durch gute Unterrichtsleistung oder besonderes Engagement auffällt, bleibt lebenslang bei voller Stundenzahl im Klassenzimmer: Welch große und unverantwortliche Verschwendung von Kompetenz!
Artur Behr


Leserbriefe zu „Über die totale Niederlage des Bildungswesens“ von Harald Martenstein

Ihre Anregung ist lustig, aber vielleicht kein schlechter Vorschlag. Viele Kampagnen zur Motivation für den Lehrerberuf sind dämlich und dümmlich, voll d’accord. Aber: Es wird eben einfach alles versucht, denn niemand, der noch halbwegs bei Trost ist, möchte heute Lehrer/in werden. Warum? Oberschulzeit meines Sohnes, 9./10. Klasse: Ein Elternabend wurde vom Klassenraum in eine Parallelklasse verlegt, weil sich am selben Tag auf dem Flur vor dem Klassenzimmer zwei Jugendliche dermaßen geprügelt hatten, dass die Wände blutbespritzt waren. Entsprechende Spuren auf dem Boden hatte der Reinigungsdienst beseitigt, für die Wände war er aber nicht zuständig. Einer der beteiligten Schüler kam ins Krankenhaus. Die Klassenlehrerin wollte uns den Anblick ersparen. – In der Nachbarklasse wurde im offenen Raum unterrichtet: Die Klassentür wurde innerhalb weniger Wochen mehrmals eingetreten. Irgendwann weigerte sich der zuständige Geldgeber (verständlicherweise!), eine/n weitere/n Reparatur/Austausch zu zahlen. Die Oberschule meines Sohnes war keine besonders „schlimme“ und lag nicht in einem besonders „schlimmen“ Viertel.

Fazit: Intelligente, gebildete, sensible, empathische Menschen haben auf diesen Job keine Lust mehr. Da kommen konstruktiv die Görlie-Dealer ins Spiel: Ein verbreiteter, beliebter Slogan in meiner Jugend: „Morgens ein Joint und der Tag ist dein Freund“. 1. Stunde: Kiffen. Soll ja entspannen und friedfertig machen. Der Preis pro Schüler wird mit der Schulbehörde ausgehandelt (von den Eltern (anteilig) beglichen). 2. und hoffentlich alle weiteren Stunden: Die Kids sind (hoffentlich mehrheitlich) entspannt; intelligente, „liebe“ Lehrer können sie unterrichten. Sie erwähnen den sog. Volkssturm 1945. Zum Glück hat das den Nazis nichts gebracht. Doch Deutschland hat sich nach dem Krieg in vielerlei Hinsicht schnell erholt. Axiom der Krisendynamik: Wenn eine Entwicklung den absoluten Nullpunkt erreicht hat, muss es wieder aufwärts gehen. Wird wahrscheinlich auch in der Schule so sein, ist nur sehr traurig und destruktiv für alle, die vorher durchmüssen.
Sabrina Hausdörfer

Wieder einmal beweist sich der Werbespot fürs Ländle: „wir können alles außer Hochdeutsch“ – dafür aber Denglisch und Sternchen! Eine Kultusministerin, die mit solch hirnrissigen Slogans um Lehrer wirbt, zeigt, wohin sich das Land der Dichter und Denker (weiter)entwickelt hat! Davon angesprochen können sich eigentlich nur die jungen Menschen fühlen, die, wie Sie schreiben, ihrem ehemaligen Lehrer sagten: „Geben Sie mir eine sechs, ist mir doch egal“! Sollte es die Ministerin auf solche Pädagogen abgesehen haben, dann werden künftig nicht nur in Berlin, sondern auch im Ländle, die Stühle aus den Fenstern fliegen – die neuen Lehrer*innen gleich hinterher!
Ulrich Pietsch

Mit der „totale[n] Niederlage des Bildungswesens“, die Harald Martenstein beschreibt, scheint sich der Kreis zu schließen, der seinen Anfang mit der Einführung der allgemeinen Schulpflicht durch den Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. im Jahr 1717 nahm. Wie wurden damals die Lehrerstellen besetzt? Ein Beispiel: „Wenn unter den Invaliden sich welche befinden, die lesen, rechnen und schreiben können, [sollen] diese als Landschulmeister angestellt werden. … Denn diese Leute verdienen untergebracht zu werden, da sie ihr Leben und ihre Gesundheit für das Vaterland gewagt haben.“ Disziplinprobleme mit verhaltensauffälligen Schülern dürften solche Lehramtsanwärter problemlos nach den Regeln der preußischen Armee bewältigt haben.

Die Qualifikationen für einen Lehramtskandidaten lassen sich aus dem Protokoll einer Bewerbung von 1729 ablesen: „Martin Ott, Schuster allhier, 30 Jahre, hat in der Kirche gesungen: a) Christ lag in Todesbanden, b) Jesus, meine Zuversicht, c) Sieh, hier bin ich, Ehrenkönig. Hat aber noch viel Melodie zu lernen… Gelesen hat er 1. Mose, Kapitel 10 Vers 26 bis ´aus´, buchstabierte Vers 16 -29. Das Lesen war angehend, im Buchstabieren machte er zwei Fehler … Aus dem Katechismus zitiert – ohne Fehler; drei Reihen Diktat geschrieben – vier Fehler; des Rechnens ist er durchaus unerfahren.“ Dazu die Einschätzung eines Zeitgenossen aus dem Jahr 1764 in einem Schreiben an die oberste Schulbehörde: „Wenn der Bauer nur pflügen… kann, dann ist er schon ein guter Bauer. …Man glaubt, je dümmer ein Untertan ist, desto eher wird er sich alles wie ein Vieh gefallen lassen. Denn wenn der Bauer nicht schreiben kann, … so bleibt die in unserem Lande befindliche Barbarei noch am sichersten verborgen.“ Wohl wahr! Whoop! Whoop!
Johanna Weiß


Leserbriefe zu „Sie würde eine große Lücke füllen“ Gespräch mit Sarah Wagner geführt von Peter Dausend

Die Politikwissenschaftlerin Sarah Wagner stellt in dem Interview die mehr als kühne Behauptung auf, dass eine neue Links-Partei, gegründet von Sahra Wagenknecht, die effektivste Waffe gegen die AfD wäre. Folgt man Frau Wagner hier, könnten alle anderen im Bundestag vertretenen Parteien beruhigt die Hände in den Schoss legen und dass mehr als peinliche Politikproblem AfD Frau Wagenknecht und ihrer neuen Partei überlassen! Diesem Wunschdenken folgt ein neues Problem: Protestwähler könnten dann sogar zwischen 2 Parteien wählen, entweder AfD oder die noch zu gründende neue Linkspartei. Ob die AfD oder die Wagenknecht-Partei dann immer noch über die 5% Hürde kämen, bleibt offen. Kommen aber beide Parteien 2025 in den Bundestag zersplittert das Parteienspektrum in gefährlicher Weise derart, dass nicht einmal mehr 3-Koalitionen möglich sind.  Das sieht die Politikwissenschaftlerin auch so und deswegen sollte man sich eine „Liste Sahra“ für Anfang nächstes nicht herbeiwünschen. Außerdem ist ziemlich unklar, ob diese Partei mit einer verworrenen politischen Zielsetzung bei den Wählern ankommt. Ob die Wähler der neuen Partei mehr Verteilungsgerechtigkeit zutrauen, mit welchen anderen Parteien so etwas überhaupt zu machen ist und ob eine Minderheit, die gerne gendert, dazu überhaupt passt ist mehr als fraglich. Die deutsche Politikwissenschaft sollte sich besser einmal mit dem Phänomen „Protestwähler“ befassen. Hier lauern erhebliche Gefahren für ein stabiles Verhältnis zwischen den etablierten Parteien. Kann sein, dass deswegen 2025 wieder eine große Koalition aus CDU & SPD für eine stabile Regierung sorgen muss.
Klaus Reisdorf

Die Idee von Sahra Wagenknecht, eine neue Partei als Brücke zwischen rechts und links zu gründen, ist naheliegend. Denn weder die rechte noch die linke Politik liefert erfolgversprechende Ansätze, die anstehenden Probleme zu lösen. Das betrifft Klima, Migration aber auch den Ukraine Krieg. Was die Migration betrifft, ist ein völkischer Ansatz absolut ungeeignet. Nachdem der Nationalsozialismus das denkbar größte Unheil über Deutschland gebracht hat, muss klar sein, dass ein völkischer Ansatz bei der Suche nach internationalen Lösungen ins Abseits führt. Aber auch der linke Ansatz ist ungeeignet, da er das Menschenrecht auf Eigentum vor allem auch der Unterprivilegierten ignoriert. Denn es sind keine Grenzen sichtbar beim Einfordern einer Vielzahl von Leistungen durch die Migration. Das beginnt bei den Tafeln, geht über Sozialleistungen, medizinische Versorgung, Arbeitsplätze für Unqualifizierte, Verwaltung, Wohnen, Schwimmbäder (entweder geschlossen wegen fehlender Mittel oder überfüllt). Der Lösungsansatz muss aus der Mitte kommen. Es gilt eine Lösung zu finden für die Zielkonflikte, die sich ergeben aus den Widersprüchen zwischen den Menschenrechten auf Lebensunterhalt und dem Menschenrecht auf Eigentum. Diese Wiedersprüche werden auf Grund des exponentiellen Wachstums von Kopfzahl und Konsum immer sichtbarer.

Was das Klima betrifft, so ist es unabdingbar, Lösungen zu finden, die von der gesamten Menschheit getragen werden. Und da ist weder rechtes Negieren der Klima-Krise akzeptabel noch das linke Übernehmen der Hauptverantwortung.

Was den Ukraine Krieg betrifft, wird die Sache kompliziert. Auf der einen Seite gilt es einen brutalen Aggressor zu stoppen. Auf der anderen Seite besteht der Wunsch, die Zerstörung und das Blutvergießen zu beenden. Wenn die persönliche Einstellung dem Motto folgt: «Lieber rot als tot», dann ist es nicht fair, von anderen beliebig große Opfer zu fordern. Es ist verständlich, wenn stattdessen nach Gründen für Kompromisse gesucht werden. Und es gibt solche Gründe. Es geht dabei auch darum, Gesichtswahrung zu ermöglichen und um Verständnis für das russische Trauma, das mit der Diskriminierung russischer Einwohner in Staaten außerhalb Russlands verbunden ist. Im Vordergrund müsste das gemeinsame Ziel stehen, der Menschheit eine gute Zukunft zu ermöglichen. Was das gemeinsame Zukunfts-Ziel betrifft, so gilt es, gemeinsam Antworten zu finden, auf die offenen Fragen, die sich aus den demographischen und ökonomischen Gräben innerhalb der Menschheit ergeben.

Schon die alten Römer empfahlen, wenn es dir nicht gelingt, deinen Gegner zu vernichten, mache ihn zum Freund und Verbündeten. Allerdings hat das gegen Ende des römischen Imperiums im Falle der germanischen Stämme nur eine Zeitlang geklappt. Dies wohl auch aus demographischen Gründen. Die Germanen hatten höhere Geburtenraten als die Römer. Wenigstens ein solcher Graben besteht im Falle des Konflikts zwischen Russland und dem Westen nicht.
Gernot Gwehenberger

Wer zum Teufel ist eigentlich Frau Wagenknecht? Politisch, aber vor allem ideologisch eine gescheiterte Person. Zumindest seit Stalin bis zum Ende der Sowjetunion und auch heute wieder bei Herrn Putin gelandet. Dieses System ist nie wählbar gewesen und ich würde diese Frau einmal gerne fragen, wieso die Flüchtlingsströme sich nicht dahin orientieren wo sie politisch und ideologisch zuhause ist. Es gibt ja diesen Spruch vom „Müllhaufen“ der Geschichte, ich glaube das ist wohl ihr zuhause.
Werner Müller


Leserbriefe zu „Ist er für Hollywood unentbehrlich?“ von Claire Beermann

Passt nicht ganz, trotzdem erinnert mich dieser Artikel mit Verweis auf ein Zitat am Ende des Artikels, „Wer nicht damit klarkommt, dass man in 95 bis 99 Prozent der Fälle einen Job nicht kriegt, der sollte nicht in diese Branche gehen“, an ein anderes Phänomen unserer Zeit. Die globale Fertilität belegt ebenso, dass man sie sich nicht mehr allgemein und individuell leisten kann, aber munter mit Forderungen für öffentliche Unterstützung negiert.
Jürgen Dressler

Selbst wenn die Streikenden ihre Ziele erreichen sollten, werden die Resultate wahrscheinlich später unterlaufen werden. Ein gutes Beispiel dafür ist der Abspann, in den heute theoretisch alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eines Films aufgenommen werden. Dies ist aber auch erst nach Streiks erreicht worden, weil viele dieser Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sich durch die damalige Praxis, nur die allerwichtigsten Funktionen zu erwähnen, diskriminiert fühlten. Aber bei der Zweitauswertung im Fernsehen wird der Abspann einfach nicht gesendet. An dieser neuen Diskriminierung beteiligen sich auch ARD und ZDF mit ihren Folgesendern, indem sie die Informationen aus dem Abspann auf einige Hauptdarsteller und Hauptdarstellerinnen sowie den Regisseur  oder die Regisseurin beschränken. ARD und ZDF behaupten von sich, gegen Diskriminierung von Minderheiten zu sein, offensichtlich gilt dies nicht, wenn es sich um Filmschaffende handelt.
Franz-Josef Kos


Leserbriefe zu „Die heimliche Affäre der Stars“ von Hanno Rauterberg

Das Ungewöhnliche ist, dass diese von Laien geschaffenen künstlerischen Arbeiten in einem Museum gezeigt werden. Aus der großen Gruppe der gestaltenden Laien hat sich das Kuratorium für die Gruppe der Prominenten entschieden. Das erzeugt die notwendige Anziehungskraft für die Ausstellung. Unter der großen Menge von Laienarbeiten wird es sicherlich qualitativ hochwertigere Arbeiten geben. So scheint es zunächst weniger um Kunst als um die Prominenten selbst zu gehen, weniger um Ausdruck von Subjektivität als um Aussagen über das Private der Prominenten: die heimliche Affäre (öffentlich gezeigt, kann es peinlich werden. Das Gezeigte dient aber vielleicht auch dazu, sich als öffentliche Person weiter interessant zu machen). Von hier aus stellen sich allgemeine Fragen, wie sie Hanno Rauterberg aufwirft, insbesondere nach der Begründung der Auswahlentscheiden von Kuratorien überhaupt, nach den Kriterien für ihre Qualitätsurteile. Aus der Perspektive dieser Fragen mag in der Ausstellung von Laienarbeiten möglicherweise der mimetische Impuls als echte künstlerische Ambition eher sichtbar werden als in den Ausstellungen zu etablierten Strömungen, die immer stärker künstlerische Ausdrucksformen für andere Zwecke nutzen.
Reinhard Koine

Hanno Rauterberg „kürt“ zu der Überschrift seines Feuilleton-Artikels („DIE HEIMLICHE AFFÄRE DER STARS – ob Cro, Glööckler oder Grimes – viele Größen aus Pop- und Film machen nebenher Kunst. Und kommen jetzt sogar ins Museum.“) – eine doch fast schon herzenserwärmende Klischee-Vorstellung: „Was spricht noch dagegen, auch die sogenannten Laien und Amateure auszustellen, solange sie INNIG und ERNSTHAFT an ihrer Kunst arbeiten. Das jedenfalls wäre für ein Kunstsystem, das stärker denn je ums Soziale kreist, um Emanzipation und Egalität, ein naheliegender Schritt.“  Oh yeah – wohin möge das verführen wollen, wenn auch noch in der KUNST kunschtvoll mit gaaanz viel Emanzipation und „unverwechselbarer“ Egalität sich allseits zwischen den KünstlerInnen herzlich umarmt würde… Dann könnten doch alle Kunstakademien geschlossen werden, jedweder auch noch so geistes-verrückter Einfall auf das Niveau der allgemeinen Verständlichkeit und Überschaubarkeit egalisiert sein, benötigte es nicht mehr der Individualität und des Außenseitertums: wären ein van Gogh und Gauguin, ein Modigliani, ein Francis Bacon (ja genau: der Maler Franz Schinken) und auch die darin gefährlich verwobenen Suizide bzw. Drogen und Suff-Entleibungen eine unnötige Depressions-Symbolik für den Wahnsinn dieser Menschenwelt und somit auch der Auslöser für die Unausweichlichkeit mit und zur Kunst als Impression und Expression mit allen (auch tödlichen) Einbringungen… Wieso eigentlich hangeln wir Menschen uns an diesen Vergangenheiten in die Gegenwarten als jeweilige Symbole der Erinnerungen auf und ab und machen uns un/abhängig davon… – Kunst als un/vergänglicher Menschenkult!?! Weil die (illusionistischen) Götter längst schon tot sind – irgendwann auf dem jeweiligen Müll der Zeitgeschichte entsorgt wurden/werden…

Abgebildet nunmehr in DIE ZEIT Nr. 36 vier Bilder von öffentlich bekannten Personen: ein Bild von Michael Stich, von der Musikerin Grimes, von der Schauspielerin Laura Tonke und dem Grünen-Politiker Anton Hofreiter. Zu letzterem Bild schreibt Hanno Rauterberg: „Auch der Grünen-Politiker Anton Hofreiter, promovierter Biologe, scheint keinerlei ästhetische Schamgrenze zu kennen. Seine quietschbunten Tulpenporträts sind an malerischer Naivität nicht zu überbieten.“ Das Ausstellungsdasein der Prominenten aus Pop-Film-Sport usw. im NRW-Forum zu Düsseldorf hat doch seine Berechtigung im Schein und Sein in die Außenwelt, und Hanno Rauterberg beendet seine undogmatische Unübersichtlichkeit zur Kunscht mit geradezu (fast erkennbarer) ironischer philosophischer Gelassenheit ohne wesentliche Angriffsfläche: „… dass Kunst nicht allein fürs Museum gemacht wird, nicht für Galerien oder Sammler. Nicht für die Außen-, sondern für die Innenwelt. Hier malen Menschen und zeichnen, weil sie malen und zeichnen. Viel mehr ist es nicht. Weniger auch nicht.“

Doch… – und bitte noch einen Moment innezuhalten: wenn ein Mark Rothko vor einigen Jahren aus dem Frieder Burda-Museumsbestand für über 30 Millionen Euro in London versteigert wurde, und sein teuerstes Bild für über 70 Millionen einen Sammler begeisterte… Womit genau werden solche Summe legitimiert durch diese Kunst des untrüglichen Darwinismus in der Moderne…?! In Heidelberg: im sehr populären Zimmertheater (das leider von der Hausbesitzerin eine Kündigung zum November 2023 bekam) wird als letzte Aufführung das Theaterstück „ROT“ offenbart – auf der Bühne der scheinbar ähnliche (hingeklatschte?) Werdegang einer Entstehung a la „Rothko“ in Rot nachinterpretiert und dabei heftig auf das Unverständnis der breiten Öffentlichkeit hingewirkt: warum solch eine (aus dem Volksmund augenscheinlich so erkannte) „Farbenschmiererei“ derartige Unsummen an Millionen Dollar/Euro einbringen kann – dies quasi als eine Verarschung der Malerei, der Kunst womöglich so zu betrachten und zu erachten wäre aufgrund der tradierten Sehgewohnheiten… Dabei zählen diese Werke auf der hohen Preisrangliste längst schon zur „Klassischen Moderne“ – und niemals würde z.B. ein Dichter Ernst Jandl (durch seine visuelle Poesie und seine Lautgedichte) zu einem „Rothko oder Pollock“ in der Literatur werden können aufgrund seiner „Entgleisungen“ aus der klassischen verständlichen Dichtersprache – höchstens periphere Aufmerksamkeit beim auch verinnerlichten Lesepublikum anteilig erreichen: selbst wenn hohe Literaturpreise vergeben wurden… Solche Poesie läuft sich durch die Austauschbarkeit der Wiederholungen dann auch tot und wird zur unhörbaren und-unlesbaren Routine… Andererseits können diese Rothkos und Pollocks wie am Fließband hergestellt worden sein – nunmehr hochpreisig im Kunstmarkt arriviert, gibt es kein Zurück mehr! Diese Kunstmafia wird sich doch nicht selbst die Preise verderben – und es ist wohl kein Geheimnis: wie sich „Kunst“ und Kunst hochpuschen lässt und wer die Agitatoren dieser internationalen Branche sind…

Aber zurück ins Zimmertheater nach Heidelberg: gleichzeitig wird dann in dem Aushang zum Theatereingang ein literarisch kunstvoller Beitext zum Werk des Künstlers zu lesen sein – Deutungen und Überhöhungen zum dreidimensionalen farbenmonochromen Werk, Rothko gültig als einer der erfolgreichsten Künstler der Welt als Entwickler/Begründer des Abstrakten Expressionismus. Ganz knapp hinter ihm auf der Geldwerteskala dann Jackson Pollock (1912-1956) – dessen Dripping-Farbexplosionen als Action Painting von ihm in die Kunstwelt erweitert wurden, und dessen Bild Nr. 19 (von 1948) für knapp 60 Millionen Dollar einen Käufer fand und ein weiteres Pollock-Bild mit gelben und braunen expressionistischen Tropfen: einem Sammler 109 Millionen Euro wert war. Das Rothkos Bild „Orange, Red, Yellow“ hatte für 86 Millionen US Dollar den Versteigerungszuschlag bekommen! Der angesagte Leipziger Maler Neo Rauch kann da nur mit schwachen preislichen Rauchzeichen vorerst ins Kunstmarkt-Rennen gehen – besonders diese Malerei (als neue, neue Sachlichkeit) wird keinen bleibenden Bestand in der Kunstgeschichte haben können: zu sehr wird hier versucht, das malerische Kunsthandwerkliche hervorzuheben! Wo doch in den Jahrhunderten zuvor die wahren Meister der Pinselkunst unübertroffen: nicht mehr zu toppen sind! Lassen wir als Maler also die Hände weg von den Versuchen – sich dominanter künstlerisch handwerklich präsentieren zu wollen! Selbst ein Rudolf Hausner (1914-1995) mit seinem feinsten Nerzhaarpinselstrich: verzweifelte an dem Erbe der ganz Großen aus den Vergangenheiten – und konnte mit den eigenen Worten („Wir kommen an diese Phänomenalen der Malkunst nicht heran“) zwar als wichtiger Vertreter der Wiener Schule des Phantastischen Realismus sich weit nach Vorne malen, und dennoch: ist es immer nur der unausweichliche Verlust im (heutigen) Naturalismus der Malerei: gegen einen Michelangelo, Leonardo da Vinci, Botticelli usw. nicht mithalten zu können… Auch das hatte ein Hans Emil Hansen als naturalistischer Maler (von auch nett und genau gemalten Tierbildern) grundsätzlich erkannt und stieg dann um unter dem Künstlernamen Emil Nolde zu einem der großen unverwechselbaren Impressions-expressionistischen Malern des 20. Jahrhunderts. Pablo Picasso ließ nur einen Maler neben sich gelten, sagte über ihn: „Im Grunde gibt es nichts als Matisse. Und ich habe das Gefühl, dass er mir immer einen Schritt voraus ist und dass ich ihn niemals einholen werde. Er ist der Meister der modernen Kunst.“

Hanno Rauterberg bleibt ein Kunstkritiker von Bedeutung – und wird dementsprechend durch das NRW-Forum in Düsseldorf geschlendert sein: sicherlich nicht mit den „öffentlichen“ Gedanken: Alle sollen sich in der Kunst wiederfinden und wohlfühlen… Aber bitte doch nicht die „Kunstpflänzlein“ von den „heimlichen Affären der Stars“ (wie die Überschrift des Feuilleton-Artikels dies einläutet) nun als Kunst unters herbeigelaufene Volk (aufgrund dieser populären Namen) zu verbringen – ansonsten: macht doch was ihr wollt, wenn mit diesem oder jenem Beitrag dann die Kohle sich rüberschwemmt… Aber lasst doch Eure zusätzlichen zumeist kunstlosen Verpuffungen in der Privatheit Eurer Villen sich präsentieren – dort finden sich dann sicherlich eine entsprechende Anzahl geladener Ähnlicher: wo ihr euch gegenseitig bei den Betrachtungen dann unumstritten hochjubeln könnt… Eine Krähe rupft der anderen keine Federn aus!

Um aber Hanno Rauterbergs Abschluss-Statement zu der Ausstellung im NRW-Forum zu kommentieren („Hier malen Menschen und zeichnen, weil sie malen und zeichnen. Viel mehr ist es nicht. Weniger auch nicht.“) und etwas sachlicher zu interpretieren, könnte es doch auch lauten: Hier werden malende und zeichnende Menschen (wie in einem Affenkäfig) ausgestellt, nur weil sie einen populären Namen haben und nicht bemerken wollen: dass sich die anderen Affen daran auch belustigen, soweit sie das Hirn eines Menschen hätten… Und ansonsten doch kein einziger leitender Museumsmensch oder ein/e Kurator/in: sich diese Verkünstelungen auch nur im Entferntesten anschauen wollte! Und genau das ist die peinliche Manipulation gegenüber dem Publikum – ein Museum zur Verfügung zu stellen für diesen Nonsens: nur um die Hallen mit Menschen füllen zu können… Mundus amus Schundus – was soll´s: Dennoch ist es peinsam, in DIE ZEIT diese Bildchen abgedruckt im (doch bedeutenden) Feuilleton besichtigen „zu müssen“, und man (genauer: der seinen Augen nicht trauende RvM) schon im ersten Moment des Hinsehens erkennen kann: welch eine anmaßende Banalität von den Stars zu ihren kunschtlosen Sternleinchenschnuppen sich dort im NRW-Forum auch noch zu präsentieren. Schämt sich denn heute überhaupt niemand mehr (auch von den Initiatoren) zu all den Misthaufen an Verkünstelungen – und UNS das auch noch unterjubeln zu wollen… Und wie nannte es Piero Manzoni (weil sein Vater als Dosenfabrikant dem Künstlersohn kundtat: „Deine Arbeit ist Scheiße!“), als er daraufhin seine Scheiße in 90 Dosen eindosen ließ, und damit aus Scheiße Gold machte… Eine dieser versteigerten 30 Gramm-Dosen wurde zuletzt (wenn überhaupt mal eine von denen auf dem Kunstmarkt sei) mit über 132.000 Euro gehandelt. Jener Künstler Piero Manzoni (mit komplettem Namen: Conte Meroni Manzoni di Chiosca e Poggiolo) wollte aus seiner Scheiße Gold machen – er gilt als Wegbereiter der Konzeptkunst.

Eines aber kann mit Sicherheit erkennbar sein: auf dem Kunstmarkt werden die Kunstwerke eines Künstlers, einer Künstlerin wesentlich höher bewertet, wenn sein/ihr Suizid vorzuweisen ist… Mark Rothkos Höchstpreise bestätigen diese glaubwürdige Vermutung auf dem Kunstmarkt der extremen Eitelkeiten beim reichen bis superreichen Sammeln von „derartigen Aktien“ mit fast garantiertem Steigerungswert plus dem entsprechenden Prestige für das jeweilige Besitzen von (manipulierter-manipulierender) Kunst… Harald Glööckler, selbst ein lebendes Kunstwerk an Ich-Besichtigungen – und wie es Hanno Rautenberg definiert: „…die aus allem eine Ego-Show machen. Hier präsentiert er ein goldgerahmtes Pietà-Motiv, darauf er selbst der sterbende Jesus.“ Hoch, höher, am höchsten – und möglichst irgendwann (auch ohne Glauben) ab in den illusionistischen Himmel und ins Paradies: als die höchste Kunst der Phantasie an menschlichen Verrücktheiten. Wir Menschen benötigen scheinbar mehr Schein als Sein – und im Sein den Schein der jeweiligen Einmaligkeit bzw. die Vorbilder dazu für die Vorstellbarkeit: schon auf Erden möglichst den Größten, die Größte zu spielen… Die so genannte Kunst als großes Menschentheater gibt hierzu eine der auffälligsten Möglichkeiten: sein Ego zu präsentieren. „Vanitas! Vanitatum Vanitas!“ Und wie benannte Picasso seine ausgelebte Unsterblichkeit: „Ich denke ständig an den Tod. Sie ist die einzige Frau, die mich nie verlässt.“ Da hingegen könnte noch Casanova wesentlich irdischer zitiert werden: „Auch die schönste Frau ist an den Füßen zu Ende!“ Und erst die Männer mit ihren behaarten Beinen und dem Dingeling dazwischen fürs ewige Zwischendurch und Zwischenrein… Ohne all das gäbe es keine Kunst oder Künstlichkeit!
Axel Manfred Rvmpf von Mansfeld


Leserbriefe zu „Hört mit dem Schattenboxen auf!“ von Hilal Sezgin

Die ach so woken Aktivistinnen und Aktivisten aus Hannover betrieben in der Rastalocken-Affäre doch nur herrschaftsfreie Kommunikation? Das ich nicht lache. Die woke Methode ist ein individualistisch-identitätsbezoger Tugendterror, oft in Form eines massiven rhetorischen Durchfalls. Top-Argument: Wenn ich das so sehe bzw. empfinde, dann ist es richtig, zumindest für mich – auch wenn es faktisch falsch ist. Und wehe allen, die das anders sehen. Robespierre lässt grüßen!
Kurt Eimers

Leider erörtert Frau Sezgin nicht, ob die Rechthaberei in der Debattenkultur, auf die sie hinweist, von der Woke-Bewegung ausgehen könnte. Sie setzt die Reinheit der Argumente dieser Bewegung unreflektiert voraus. Der Gedanke, dass die von ihr kritisierte Susan Neiman mit „Links ist nicht woke“ vielleicht doch auf die Richtigen zielt, darf offenbar gar nicht gedacht werden. Frau Sezgins Botschaft lautet: Du darfst woke nicht kritisieren! Eben dieser dogmatische Charakter der Wokeness jedoch ist das Problem, das die Diskussion immer weiter hochschaukelt und die Fronten verhärtet.
Andreas Schäfer


Leserbriefe zu „Herr Hoffmann gibt nicht auf“ von Heinrich Wefing

Das nachhaltige Engagement des Freiburger Oberstaatsanwalts Klaus Hoffmann zur Verfolgung von Kriegsverbrechen ist wirklich bewundernswert. Der informative Beitrag von Heinrich Wefing bringt das auch gut zum Ausdruck. Allerdings unterschlägt er ganz wichtige kritische Fakten: Weder die Ukraine noch die USA oder Russland haben bis heute das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag ratifiziert, ganz offensichtlich, um sich der Strafverfolgung eigener Kriegsverbrechen zu entziehen. Und hinsichtlich der Beschreibung der Justiz in der Ukraine hätte ein Hinweis auf die grassierende Korruption bis in die höchsten Richterkreise nicht fehlen dürfen. So bekommt der Artikel im Hinblick auf die politischen Verhältnisse in der Ukraine eine Einseitigkeit, die an Schönfärberei grenzt. Schade.
Hartmut Wegener

Die Arbeit von Herrn Hoffmann zur Dokumentation und Aufklärung russischer Kriegsverbrechen in der Ukraine verdient höchsten Respekt und wird hoffentlich zu entsprechenden Prozessen vor den zuständigen Gerichten beitragen. Um nicht nur die Fakten dieses völlig nutzlosen Krieges zu betrachten, möchte ich aus der Bergpredigt Jesu zitieren: „Glückselig die Sanftmütigen, denn sie werden das Land erben“ (zitiert nach der Elberfelder Studienbibel). Diese Aussage entzieht sich m. E. einer konfessionellen Zuschreibung, sondern stellt eine reflektierte Lebenserfahrung für alle Menschen dar. Sie ist ein Hinweis darauf, dass gewaltbereiter Aktionismus keine belastbaren Lösungen von Konflikten schaffen kann. Ich bin kein Pazifist im ideologischen Sinn, sondern sehe Waffenlieferungen dann als gerechtfertigt an, wenn sie nicht das einzige Mittel zur Erreichung des Kriegsendes sind.
Christoph Müller-Luckwald


Leserbriefe zu „Titelbild „Sturm auf den Reichstag“ und Grafik Seite 8 von Maren Amini zum Text “Verlieren ist auch eine Chance“ von Jan-Werner Müller“

Passt die Bildunterschrift zum Foto? Sehen wir wirklich eine wütende Menge, die in den Bundestag eindringen will? Die Bildunterschrift drängt eine Assoziation auf zum wütenden und bewaffneten Mob, der ins Capitol gestürmt ist. Das Bild aus Berlin aber zeigt wenige hundert unorganisiert auf einer Treppe herumstehende Einzelpersonen, alt und jung. Andere stehen davor, wollen sich dazu gesellen oder einen Blick erhaschen. Zahlreiche dieser Menschen fotografieren, andere schwenken Fahnen, eine Handvoll feiert den Erfolg, einige wirken sichtlich glücklich, andere erschöpft. Alle stehen. Eine mögliche Bildunterschrift: Ungenehmigte Versammlung innerhalb der Bannmeile.

Bitte blasen sie die Situation nicht künstlich auf.
Mark Rozin

Graphik und Illustration können Ihre journalistische Arbeit unterstützen, aber auch erheblich beeinträchtigen. Auf Seite 8 (ZEIT 36/2023) wird der Text nicht verständlicher, werden die Argumente und die Motivation, ihn zu lesen, nicht gestärkt, indem er rund als Scheibe erscheint. Die wechselnde Zeilenlänge erschwert die Lesbarkeit und drumherum ist leerer Raum. Der Sinn der Gestaltung erschließt sich auch auf den Seiten 20, 21, 23, 36 und 46 nicht. Und wenn auf Seite 19, hier noch dezent, in früheren Ausgaben stärker, der Text mit Farbe unterlegt wird, leidet die Lesbarkeit durch Mangel an Kontrast bei nicht optimaler Beleuchtung. Um Zeilenlänge, Rechtwinkligkeit und Kontrast zu verändern, bedarf es guter Gründe, die sich hier nicht hinreichend erschließen. Hier werden Raum und Farbe vertan. Sollte sich der Trend fortsetzen, befürchte ich, dass ein Text in dem zum Beispiel Schopenhauer zitiert wird allen Rundungen eines Eimerchens folgen muss, weil von ihm auch überliefert ist: „Das spannendste Schäufelchen befindet sich in der Hand unseres Spielkameraden.“
Gerhard Hoffmann


Leserbriefe zu „WIE ES WIRKLICH IST … Fliegen für ein Verbrechen zu halten – und Pilot zu sein“ aufgezeichnet von Fabian Hillebrand

Wie so viele Probleme ließe sich auch dieses mit common sense lösen: Jedem Bürger werden Flugmeilen zugeteilt (z. B. 5000). Ob reich oder arm spielt keine Rolle. Die Armen könnten dann ihre Meilen verkaufen, wenn sie diese nicht nutzen und so ein zusätzliches Einkommen generieren. Auch das Verkehrsproblem ließe sie ähnlich einfach lösen. Es werden keine Autos mehr zugelassen, die schneller als 130km/h fahren. Aber wer will schon vernünftig sein?
Ray Müller

Den Artikel habe ich mit großem Interesse gelesen. Er ist schön und traurig zugleich. Schön, dass auch auf kommerzieller Seite Fragen aufkommen, und man sich Gedanken macht. Traurig, dass nicht offen darüber gesprochen wird/werden kann. Als Anwohnerin eines großen Flugplatzes in der Nähe und Mitglied einer Bürgerinitiative gegen Fluglärm (ein Sonderlandeplatz mit viel „Spaßbetrieb“ wie Fallschirmspringern, Freizeitfliegern, Warbirds – schon der Name für alte Kriegsflugzeuge!), der hauptsächlich an Wochenenden und bei schönem Wetter stattfindet, habe ich oft feststellen müssen, dass es viele Leute nicht interessiert. Andere nervt es, aber man kann ja doch nichts dagegen tun. Und wenn man keine Antwort bekommt, bzw. angegiftet wird, kommt hinterher meistens dabei heraus, dass man selbst fliegt, bzw. jemanden kennt, der fliegt. Diese Freizeitbeschäftigung ist nicht nur wegen des Lärms aus der Zeit gefallen, siehe Artikel.  Ein Problem haben wir gemeinsam: die Politik nimmt uns nicht ernst, lässt uns auflaufen.  Ich bin versucht zu sagen, wen wunderts.
Eva Starraß


Leserbriefe zu „Torten der Wahrheit“ von Katja Berlin

Wo ist denn nur die Seite „Heiter bis Glücklich“ im Zeit-Magazin geblieben??? Nachdem sie plötzlich verschwunden war, stelle ich fest, dass ich sie vermisse. Der kleine Ausflug in den Klatsch und Tratsch war bei allem gebotenen Ernst eine unterhaltsame kleine Ablenkung. Bitte niemals die „Torten der Wahrheit“ von Katja Berlin streichen – sie bringen vieles so wunderbar auf den Punkt. Es freut mich, dass in der „Zeit“ viele weibliche Redakteurinnen zu Wort kommen – warum allerdings so vergleichsweise viele im „Feuilleton“ und so wenige in „Politik“ und „Wirtschaft“???
Andrea Brucha

Zum Abschluss meiner Schulzeit (Abitur September 1966) wusste ich nicht, dass man mit Yoga, Meditation oder Intervallfasten bspw. erfolgreiche Journalistin werden kann. Als Nachkriegskind mit Eltern, die praktisch bei NULL wieder anfangen mussten, konnte mir derartiges nicht vorstellen und eine größere Erbschaft stand auch nicht an: Wie viele andere damals und später auch „Gastarbeiterkinder“ o.ä. versuchte ich es mit Lernen, Arbeiten und Eigeninitiative: Gottseidank auch mit einigem Erfolg in vielerlei Hinsicht.

Wolfgang Ströbele


Leserbrief zu „Zwei Datteln oder eine Dusche“ von Samiha Shafy

Es mag für die Kernaussage des Berichtes zweitrangig sein, aber262 Tonnen Zitrusfrüchte kamen mir viel vor. Da bräuchte man tatsächlich ca. 10 große Lastwagen mit Anhänger, um die Ernte eines 100 x 100n großen Landstückes abzutransportieren? Ich habe im Netz die Zahl 242.686 hg/ha für die israelische Zitrusfruchternte im Jahr 2021 gefunden. Das wären erstens über 10- mal weniger als in ihrem Beitrag und wahrscheinlich sehr vergleichbar mit dem US-Ertrag.
Christian Voll


Leserbrief zu „Womit keiner rechnet“ „Über Lieferando kann man Essen bei einem Restaurant bestellen, das weder Küche noch Koch hat“ von Maike Frye

Ein liebevoller Koch muss nicht unbedingt ein verliebter sein, aber was Letztere anrichten können, ist bekannt. Stichwort: Salz. (Interessant auch, woher die Redewendung kommt:  https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/lebensmittel/salz/pwiebraeucheundsagen100.html) Dann doch lieber einen Kochroboter, bei dem man sicher weiß, was am Ende herauskommt. Vielleicht wird in einigen Restaurants ja auch mit Hass gekocht, so dass eine eigentlich gefühllose Maschine als vergleichsweise „liebevoll“ wahrgenommen wird.
Thomas Manthey


 

Leserbrief zu „Die Coachin“ von Linda Tutmann

Der Hilferuf kommt von Frau Philippa W.38 Jahre, Architektin Ihren Nachnamen verschweigt Frau W. Warum? Aber um Hilfe rufen kann sie. Also Frau W. Sie jammern, dass Sie nun irgendwie außen vorstehen zu den Kollegen/innen wo Sie nun Chefin sind. Aber sicher, da wird gefragt, warum die und ich nicht. Sehen Sie die Beförderung doch als Auszeichnung. Ich nehme an Sie arbeiten in einem Architektenbüro. Und wenn Sie die Beförderung nicht ertragen können, dann wechseln Sie die

Arbeitsstelle. Und wenn da jemand Chefin wird dürfen Sie fragen, warum die und ich nicht.
Hans-Emil Schuster


Leserbrief zu „Sie haben es verdient“ von Jonas Wagner

Jonas Wagner setzt seinen Artikel unter die Zweit-Überschrift „Häftlinge müssen in Zukunft mehr Geld für die Arbeit im Gefängnis bekommen. Das verlangt das Bundesverfassungsgericht. Wer soll das bezahlen?“ Als ich zwischen erster und zweiter Ehe in den Jahren 1979 und 1980 einen ehemaligen DDR-Häftling im Hause aufnahm, erfuhr ich, dass im Gefängnis Bautzen nur für die Hälfte der Häftlinge Arbeit vorhanden war. Allerdings gehört Sachsen mit Brandenburg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland zu den deutschen Bundesländern, in denen Arbeit im Gefängnis nicht zur Pflicht gemacht worden ist. Vielleicht mangelt es dort an Arbeit? Aber auch dort, wo es Arbeit gibt, wie in Hessen, konnte es vorkommen, dass ein Polizei-Präsident durch Freigänger aus der Justizvollzugsanstalt den Erdaushub für seinen Swimming-Pool erledigen lassen wollte, in der Annahme, damit könne er den Häftlingen helfen, ihrer Arbeitspflicht nachzukommen. Stattdessen erntete er einen öffentlichen Sturm der Empörung wegen zu geringen Lohnkosten. Hätte er nach Tarif bezahlen sollen?
Dietrich Bauer


Leserbrief zu „Schon ein einziger Burger kann Folgen haben“ von Jochen Schweitzer

die Kombination aus Titel und Inhalt Ihres Beitrags macht der Zeit keine Ehre. Sie beschreiben Untersuchungsergebnisse, bei denen den Versuchslebewesen für gleiche Zeitspannen gesunde und ungesunde Lebensmittel zugeführt wurden – und schreiben dann, dass sich ein Effekt schon zeigt, wenn man nur ausnahmsweise zum Fast Food greift. 50% der Nahrungsaufnahme fällt bei mir nicht in die Rubrik „ausnahmsweise“.  Danach berichten Sie auch, dass sich der Darm wieder erholt, sobald die Ernährung wieder gesund ist. Damit ist also auch der reißerische Titel ist m.E. durch den Inhalt in keinster Weise gedeckt.  So etwas erwarte ich von der Bildzeitung, nicht von der Zeit.
Sabine Möhler


Leserbrief zu „Auftritt der Kellerschützer“ von Volker Weidermann

So müssen wir also den abermaligen Untergang des Hauses Buddenbrook befürchten, weil plötzlich aufgetauchte Kellerschützer, den Einsturz eines Gewölbes prophezeiend, die Neueröffnung des Museums blockieren! Ein Gedankenexperiment zwecks Abwendung des Unheils: Weidermann entlässt den Geist vom „Mann vom Meer“ aus seinem Buch mit der Order, hier ein Machtwort zu sprechen. Der Geist weiß es aber noch besser: er wandelt hinunter ins Gewölbe und liest den Kellerschützern aus seinen Werken vor. Das kann er ja am besten. Schließlich bauen die begeisterten Kellerschützer aus all den Büchern ein Gerüst, das das Gewölbe hält – ganz feste. Die Neueröffnung lässt nicht lange auf sich warten und der „Mann vom Meer“ schlummert wieder beglückt zwischen den Buchdeckeln.
Ingeborg Lukas


Leserbrief zu „Sie müssen dich hassen“ von Maxim Biller

Nett, dass Sie mal die „lächerliche Schreib-Uni Hildesheim“ erwähnen, das macht jetzt schon die lächerlichen fünf Seiten Forum für das rechte Lumpenpack wett, die die „Lügenpresse“ aka DIE ZEIT den Reichstagsstürmern einräumt. Ich werde mich wahrscheinlich später noch ausführlicher dazu äußern, aber ich lese Ihre Zeitung normalerweise immer chronologisch, außer wenn mich ein Artikel besonders interessiert und das tun diese kriminellen, zum Glück fast schon vergessenen, Idioten nicht. Unsere Uni ist auf jeden Fall erwähnenswerter. Und da ist es auch eher unerheblich, dass das negativ gemeint ist. Da steh ich als Lokalpatriot drüber.
Thomas Manthey


Leserbrief zu „Ihr Schweigen“ von Peter Neumann

Offenbar nehmen Sie traumatische Erlebnisse im Kindesalter einfach nicht ernst. Denn ich nehme an, dass Sie Kästners Biografie kennen. Wie kann das gehen, wenn jemand über Literatur urteilen möchte und so etwas zutiefst Menschliches nicht begreift? Sie finden es „bis heute ein Rätsel “, dass Erich Kästner nicht in die Emigration ging? Wer als Kind mehrfach der Mutter das Leben retten musste, die in Dresden von einer Brücke in die Elbe springen wollte, mag ein paar andere als nur politische Gedanken zu diesem Thema gewälzt haben. Seien Sie einfach froh, wenn Sie eine solche Erfahrung nicht selbst machen mussten! Aber gehen Sie nicht einfach über dieses tragische Dilemma hinweg, das ganz bestimmt zum Schweigen Kästners nach dem Krieg beigetragen hat. Vermutlich fühlte er sich nicht mehr berechtigt sich vollmundig zu äußern. Ich habe große Hochachtung vor einer Entscheidung zwischen zwei verschiedenen Verzweiflungen!
Barbara Weichert


Leserbrief zu „Wann genau ist ein Mann ein Mann?“ von Jolinde Hüchtker

Na also, geht doch! Pornohemd MIT Männertitten (wenn auch nur aufgemalt)!

Thomas Manthey


Leserbrief zu „Bevor die Asche kalt ist“ von Heike Buchter

American Lifestyle: Wann hört endlich die Geilheit und Arroganz des Großkapitals auf, nichtkapitalistische Kulturen zu demütigen und Menschen ihr Seelenleben zu rauben!
Walter Moritz


Leserbrief zu „Zeit zum Reden“ „An politischen Talkshows der Öffentlich-Rechtlichen gibt es immer wieder Kritik – diesmal von der eigenen Aufsicht. Warum das eine Chance ist“ von Stefan Schirmer

„Anne Will … zur qotenstärksten…“. Klar, was soll man sonst zwischen Tatort und Sonntagsfilm machen?
J.Völker

 


Leserbrief zu „SCHLÖSSER AUS SAND“ von Marina Klimchuk

Danke an Dante Bonolis und Roberto Biagini, dass sie uns das Strandsystem, das stabilimento, Italiens nähergebracht haben. Sehr erstaunt war ich über die sehr hohen Kosten in Rimini und muß sagen, dass ich aus anderen Regionen günstigere Preise kenne. Allerdings ist bei dem Touristenstrom, der regelmäßig nach Italien kommt, eine Strukturierung durch die stabilimenti und ihren Service sehr hilfreich und die langen freien Strandstücke gibt es ja auch genügend außerhalb der Städte. Hier, in diese gewachsenen Strukturen durch Seiten der EU einzugreifen, finde ich mehr als fragwürdig. Es mag sein, dass die Steuereinnahmen nicht so hoch sind, wie erwartet, aber ob sich das ändert, wenn ausländische Firmen oder gar Restaurantketten die Strandbars Italiens betreiben? Eine generelle Ausschreibung der Strandabschnitte an fremde Firmen außerhalb der Kommunen fände ich unvorteilhaft.

Wenn man weiß, wie gut Italiener vernetzt sind und auch Verwandtschaft und Freunde Firmen haben, die regionale Produkte anbieten und diese verarbeitet werden, so ist die Strandbar gut integriert in die kommunale Wirtschaft und macht den Charme einer Region aus. Das ist ein großes Stück Kultur.

Die Preise in Italien werden auch darüber bestimmt, welche Nationalitäten von Touristen angesprochen werden, sie bestimmen die Sicherheitskonzepte der Region und auch die Sprachenvielfalt des Services. So scheint es, sind Regionen, wo traditionell US-Amerikaner Urlaub machen, teurer, weil die Ansprüche dieser Gäste generell erheblich höher sind. Durch EU-Regulierung ist hier wirklich nichts gewonnen. An die EU: lasst ItalienerInnen das bitte selbst machen auch die Einhaltung der kommunalen Bestimmungen vor Ort ist Sache der Kommune, nicht der EU.
Nana Aue


Leserbrief zu „»Der Motor läuft nicht mehr gut«“. Gespräch mit Raghuram Rajan geführt von Thomas Fischermann

Es wäre anmaßend, Raghuram Rajans wirtschaftliche Kompetenz in Frage zu stellen. Aber ein schüchterner Hinweis sei doch erlaubt: Es ist sicher zu kurz gedacht, wenn man die Milliardeninvestitionen zugunsten Intel und TSMC allein am unmittelbaren Effekt für Regionen und den deutschen Arbeitsmarkt messen würde. Denn da ist Skepsis sicher angebracht. Aber darum geht’s doch nicht. Die Subventionsentscheidungen muss man in erster Linie vor dem Hintergrund der möglichst schnellen Verringerung außereuropäischer Abhängigkeiten vom unwägbaren Ausland sehen. Das gilt leider auch in Richtung USA angesichts erratischer, wirtschaftlicher Entscheidungen, wie sie die Ära Trump kennzeichneten und wovor Europa auch heute nicht gefeit ist. Trump ante portas? Dessen ungeachtet muss man Rajan zu stimmen, wenn er darauf hinweist, dass langfristig sinnvoller in Gemeinschaften investiert und jungen Leuten besser ins Berufsleben geholfen werden sollte. Doch das dauert lange, und wir sind davon weit entfernt.
Harald Seidel


Leserbrief zu “Was prägte Ihre Kindheit, Charly Hübner?“ Gespräch mit Charly Hübner geführt von Hella Kemper und Jeannette Otto

Der Heavy-Metal-Fan und Zappelphilipp Charly Hübner hatte in der Deutschen Demokratischen Republik doch eine ganz passable Kindheit. Gut demokratisch ging es dort im Osten nicht gerade zu, aber wie sieht es denn bei uns im Augenblick mit der Demokratie aus? Hier bei uns gilt die AfD mittlerweile als eine undemokratische Partei, dass behaupten viele Volksvertreter der Altparteien so oder so ähnlich und der Bundespräsident stimmt ganz gnadenlos in diesen Unkengesang voll mit ein. Der Bundespräsident sollte eigentlich als Versöhner und nicht als Spalter der Nation dienen. Gut, wieder zurück zu Charly Hübner; so wie er hatte ich auch eine ganz entspannte Kindheit, obwohl meine schon zwei Jahrzehnte vorher stattgefunden hat! Rückblickend war meine Kindheit eine spannende, Handy- und KI-freie Zeit; damals wurden Verabredungen noch eingehalten, ohne ständig zig SMS´en oder WhatsApp loszujagen!
Klaus P. Jaworek


Leserbrief zu „»Wir machen Leben!«“. Gespräch mit Joana Mallwitz geführt von Christine Lemke-Matwey

Vielen Dank für das frische Interview mit Joana Mallwitz in der letzten Ausgabe der ZEIT. Ich schätze die Arbeit und die Art von Frau Mallwitz sehr und habe mehrfach ihre „Expeditionskonzerte“ auf YouTube gesehen/gehört – mit Genuss und Gewinn. Was ich Ihrem Interview hinzufügen möchte: Mallwitz’s Expeditionskonzerte sind nicht singulär (dieser Eindruck wird erweckt). Beispielsweise gibt es hier in Bonn eine Konzertreihe „Pur“, in der jeweils ein Werk auf ähnliche Weise erschlossen wird, eine weitere Reihe „Im Spiegel“ bringt große sinfonische Werke mit Gesprächspartnern anderer „Fakultäten“ zusammen (z.B. die Alpensinfonie mit Reinhard Messner oder in dieser Saison die Tarangalila-Sinfonie mit dem Philosophen Markus Gabriel und Tschaikowskis Fünfte mit der Schriftstellerin Sibylle Berg). Das ist zwar etwas anderes, aber doch ein intelligenter Versuch der Vermittlung und Reflexion. Dass unser GMD Dirk Kaftan regelmäßig Konzerteinführungen und bei besonderen Werken oft auch während des Konzertes spontane Hinweise zum Verständnis gibt, sei nur nebenbei erwähnt. Also: Joana Mallwitz ist eine sympathische und inspirierende „Vorreiterin“, aber es gibt auch andere, die neuen Wege zu Verständnis und Vermittlung suchen.
Herbert Stangl


Leserbrief zu „Dausend Prozent“ von Peter Dausend

Blöd, blöder, am blödesten möchte ich da einfach und unüberhörbar lauthals losschreien! Jetzt hat sich der WDR (Westdeutscher Rundfunk) den Blödelbarden (???) Otto (Waalkes) zur Brust genommen, denn seine alten Kalauer von anno dazumal, die werden ab sofort mit dem Warnhinweis: „Es enthält Passagen, die heute als diskriminierend betrachtet werden“, versehen! Für Harald Schmidt ist dieser Warnhinweis, wie eine Adelung! Wer braucht eigentlich diese lächerliche Art der Bevormundung? Ist der Papst schon sehr päpstlich, so wollen anscheinend einige Mitarbeiter im WDR den „Heiligen Vater“ noch darin übertrumpfen und toppen. „Die Zensur findet heute durch die Medien statt“, das behauptet jedenfalls vor längerer Zeit, der deutsche Schriftsteller Ulrich Erckenbrecht (*1947).
Klaus P. Jaworek


Leserbrief zur Infografik „Lufthoheit“ von Freya Lina Knauer (Illustration) und Mats Schönauer (Recherche))

Im Namen aller Piloten, Kabinen-Besatzungen und natürlich der Airlines und ihrer Anteilseigner möchte ich Ihnen ein großes Lob aussprechen. Ihre ganzseitige Infographik überzeugt auch die letzten Zweifler*innen, dass das Fliegen sicher ist und sie sich ruhig trauen dürfen ganz viel mit uns zu fliegen. Nach CORONA rennen uns die Menschen eh schon die Türen ein und wir wissen im Moment gar nicht, wo wir so schnell an Flugzeuge und Personal kommen sollen, um all die Flüge, die wir verkaufen könnten, durchzuführen. Sie haben es sicher schon gemerkt, wir haben die Preise verdoppelt und verdreifacht und trotzdem wollen mehr und mehr Menschen mit uns immer öfter und immer weiter wegfliegen. Mit den höheren Ticketpreise füllen wir direkt die Taschen unserer Piloten, die jetzt bis zu 50% höhere Gehälter erhalten und bald die €400.000 (!) pro Jahr knacken. Danke für diese fürsorgliche Anerkennung unserer System-Relevanz! Auch unsere Anteilseigner freuen sich über die Rekordgewinne, die wir als fette Dividende an sie ausschütten.

Wir investieren immer mehr in Kerosin-Flugzeuge, deren Ausstoß dreimal so klimaschädlich ist wie der von Auto oder Ölheizung. In die klimafreundliche Zukunft investieren wir (fast) nicht, das überlassen wir dem Staat. Wenn der dann mit Auflagen für nachhaltige Kraftstoffe (SAF) kommt, dann machen wir Panik, dass sich die armen Leute das Fliegen nicht mehr leisten können und dass das doch asozial ist. Dabei ist die jetzige Preiserhöhung in etwa die, welche wir für 100% SAF bräuchten. Auch darüber reden wir lieber nicht, lieber stecken wir jetzt den Megagewinn ein. Was waren wir froh, dass bei der ganzen Heizungsdiskussion niemand auffiel, dass ein einziger Passagier auf einem Langstreckenflug dreimal so klimaschädlich ist, wie wenn ein vier Personen Haushalt das ganze Jahr mit Öl heizt. dabei ist Fliegen, bis auf €12,- bis €55,- Flugverkehrsabgabe steuerfrei! Dabei zahlen ÖPNV, Auto und Ölheizung €-,80 je Liter Energie- und CO2-Steuer plus obendrauf Mehrwertsteuer! Ja, mit Steuer im Auto oder ÖPNV ins Naherholungsgebiet, aber völlig steuerfrei First Class zum Shoppen nach NY! Fliegen = tolles Steuersparen für Reiche! Alle die es sich nicht leisten können oder wollen zahlen höheren Steuern damit es so billig bleibe! Auch das muss niemand wissen.

Würde man fossiles Kerosin gemäß seiner Klimaschädlichkeit besteuern, dann wären die Ticketpreise auch nicht höher als sie jetzt durch die enorme Nachfrage eh schon sind. Kerosin wäre dann teurer, wie SAF und die Fluggesellschaften würden alles tun, um ganz schnell auf SAF umzusteigen. Da würden sie sich voll ins Zeug legen, denn wenn es um ihren Profit geht, können sie alles! Aber bitte machen Sie so weiter, locken Sie noch mehr Menschen in unsere Kerosin-Flugzeuge. Die Flugzeughersteller können dann noch mehr Kerosin-Flugzeuge bauen und wir noch mehr daran verdienen. Lassen Sie uns bitte im Glauben, dass uns nur unser Geldbeutel und Reise-Ego sorgen muss und sonst gar nichts. Bitte lassen Sie uns den Traum immer öfter und immer weiter fliegen zu können, ohne dass es dem Klima schadet. Eigentlich ist das ja auch genau die Position von CDU, FDP und AFD. Schön, dass Sie dieses politische Spektrum so eifrig unterstützen!

Wir sind ja alle so froh, dass Sie keine Infographik machen über die Klimaschädlichkeit des Fliegens! Auch schön, dass Sie keine darüber machen, dass das reichste 1% der Weltbevölkerung für 50% der Flugreisen verantwortlich ist und das reichste 4% der Weltbevölkerung für 80%. Im Moment haben also die ca. 0,5 Milliarden relativ reichen Menschen in den hoch industrialisierten Ländern, also wir, die Lufthoheit. Aber schon bald werden wir abgelöst von den drei Milliarden Menschen aus den Schwellenländer Indien und China. Die wollen auch so viel und weit fliegen wie wir. Oder wollen wir es ihnen verbieten, damit wir selber noch länger immer öfter und weiter fliegen können? Die Infographik wäre interessant.
Klaus Siersch