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6. Oktober 2022 – Ausgabe 41

Leserbriefe zu „Und plötzlich ist alles anders“ von Wolfgang Uchatius

Hmm. Eroberung Konstantinobels durch die Türken? Schlacht von Stalingrad? Französische Revolution (die Revolution frisst nicht nur Millionen von Menschen, sondern auch die eigenen Kinder). Schicksalsstunden, alle Fälle. Kann es eine Sternstunde für die Welt sein, wenn durch ein Ereignis Millionen leiden und sterben?
Oder sind wir noch beim alten Verständnis: Das Geschichtsbuch schreibt der Sieger. Weizaeckers Rede – Sternstunde; Erfolg mit der Krebsforschung – Sternstunde.
Freue mich auf die Beiträge.

P.S. : Höre gerade , dass die beliebte Unterfränkische Politikerin Barbara Stamm gestorben ist. Ihre Geburt war für die Bayrische Politik sicher eine Sternstunde (aufgewachsen in sehr schwierigen Verhältnissen ist sie eine erfolgreiche und fröhliche Politikerin geworden, die sich für benachteiligte Menschen besonders eingesetzt hat).
Marianne Werner, Vancouver

Als ich die wunderschöne Titelseite der heutigen Ausgabe der Zeit sah, strafften sich meine Schultern und ich warf etwas den Kopf zurück – kleine Helden, ein bisschen fühle ich mich auch so.
Allerdings wirft meine 12-jährige Tochter mir vor, mein ganzes Wir-retten-die-Welt-Gehabe sei einfach nur anstrengend und nervt.
Bei ihrer Freundin sei es viiiiiel schöner. Die wird nämlich jeden Morgen mit dem Auto zur Schule gefahren. Und sie fährt an unserem Haus vorbei und deshalb ist es ja wohl nicht schlimm, da mit zu fahren. Das sei ja quasi auch ein bisschen Weltretten, wenn sie mit im Auto sitzt, dann lohnt sich die Fahrt mehr. Chapeau … immerhin ist das Kind nicht blöd.

Und tatsächlich hat sie ja recht, es tut keinem weh, wenn sie dort mit im Auto sitzt. Aber dass dieses Auto überhaupt fährt, tut weh. Zumindest meinem kleinen Weltretter-Herz und ganz sicher auch der Umwelt. Wenn auch nicht sichtbar und wenn auch nicht gleich. Aber wo wir hinsteuern, wenn wir weiterhin eine Strecke von 3,5 Kilometern mit dem Auto fahren (übrigens mindestens dreimal am Tag, denn das andere Kind hat später Schulbeginn und wird auch wieder abgeholt (der Bus braucht ewig, mit den ganzen Haltestellen (auf 3,5 Kilometern)) ist uns ja allen hinlänglich bekannt. Und trotzdem tun wir nichts.

Ich möchte mich hier kurz einmal ausklammern, denn ich habe mein Verhalten geändert. Ich weiß, dass es nicht reicht, aber ich bin dran! In meinen Möglichkeiten! Ich möbel alte Wohnwagen auf, die stehen am Elbstrand und werden vermietet. Die Aussenmöbel stammen weitestgehend vom Sperrmüll, natürlich repariert und aufgearbeitet. Auch dafür haben meine Kinder kein Verständnis. Neue Wohnwagen sind doch viel toller! Und das neue Auto unser Freunde hat viel mehr Komfort als unseres. Und überhaupt kriegen die alle zwei Jahre ein neues Auto. Warum kaufen wir kein neues Auto? Weil unseres noch fährt … seit knapp 30 Jahren. Das Verständnis von Nachhaltigkeit bei den Kindern zu wecken ist schwer, gerade wenn man „konkurrieren“ muss.

Ich fahre zum Einkaufen mit dem Fahrrad, es sind 4km und zur Arbeit ebenfalls, das sind 8km. Man beachte, dass ich nur 4 Stunden arbeite und morgens, nachdem die Kinder aus dem Haus sind und die Küche aufgeräumt ist, hechte ich auf dem Rad zur Arbeit und hechte ebenso wieder zurück, um das Essen fertig zu haben, wenn die Kinder aus der Schule kommen. Natürlich würde es mit dem Auto schneller gehen, da brauche ich mit dem Auto 15min. Mit dem Fahrrad fahre ich 20-25min. Rechtfertigt diese Zeitersparnis den Weg mit dem Auto? Ich finde nicht.

Wir essen kaum Fleisch, und wenn dann vom Bauern aus dem Nachbardorf oder manchmal auch das Neuland-Fleisch vom hiesigen Schlachter. Wieder etwas, was mir meine Tochter vorwirft. Bei ihren Freundinnen gibt zu jeder Mahlzeit Fleisch. Das Curry wird nicht mit Kartoffeln gestreckt, es gibt nicht so nen Tinnef wie Süßkartoffeln, Falafel oder Couscous.

Ich höre ständig von den Leuten, dass man ja eigentlich mal etwas ändern müsste und dann ändern sie was und kaufen auf dem Rückweg von der Schule noch einen Liter Milch. Ha, Schnippchen geschlagen, jetzt war man noch einkaufen!

Wir wohnen auf dem Land, in einem Dorf, es gibt einen Bus, zwar nicht oft, jedoch könnte man sich danach richten. Aber man richtet sich ja nicht mehr so gern nach etwas, man richtet lieber selbst. Ich glaube man fährt auf dem Dorf noch gern Auto, aus Gewohnheit, aus Bequemlichkeit. Und man belächelt die Leute die einem auf dem Weg in die Stadt mit dem Fahrrad entgegen kommen, wenns regnet erst recht. Aber warum ist das so? Warum ist nicht der erste Gedanke, das sollte ich vielleicht auch machen? Warum belächeln mich die Mütter der Freundinnen meiner Tochter und bieten meinem Kind an, sie abzuholen? Ich bin mir sicher, sie meinen es nur gut und wollen helfen, aber unsere Kinder könnten gemeinsam zur Schule fahren, selbes Dorf, selbe Schule. Mit dem Rad, mit dem Bus.

Es ist müßig. Wieso muss ich mit meinem Kind streiten, weil jemand anders mit schlechtem Beispiel vorausgeht? Oder ist es gar kein schlechtes Beispiel?

Mal überlegen… ich setzte mich morgens in ein warmes Auto, was direkt vorm Haus steht, steige vor der Schule aus und steige nach der Schule wieder ein und direkt vor meinem Haus wieder aus. Wenn ich einkaufen gehe und das Auto nehme, muss ich nicht mit vollem Rucksack und vollen Packtaschen auf dem Fahrrad sitzen und werde vielleicht sogar noch nass. Gleiches gilt fürs Fleisch … es ist ja da, ich kann es einfach kaufen. Es liegt im Supermarkt vor mir, manchmal sogar abartig billig….
Wie schön und einfach wir es uns gemacht haben, warum noch sollte ich etwas daran ändern? Ich habe die Kinder gerade von der Schule abgeholt, sie sitzen auf der Rückbank und quatschen. Im Augenwinkel sehe ich wieder diese Weltretter-Mutter auf dem vollbeladenen Fahrrad, es nieselt, da muss ich etwas schmunzeln, ich habe ihre Tochter grad auf der Rückbank sitzen, die wird trocken zu Hause ankommen.
Wie soll ich als Mutter dagegen ankommen? Es war schon früher schwierig, als ich die doofe Mutter war, die ihrem Kind kein Nutella-Brot in die Kindergartendose getan hat.
Nun bin ich der Arsch, der möchte, dass die Kinder die 3km mit dem Rad zur Schule fahren. Ich wünsche mir mehr Unterstützung. Ich wünsche mir, von den Schulen unterstützt zu werden.
Die Eltern müssen, die Umwelt betreffend, von ihren Kindern erzogen werden. Den Kindern sollte es doch eher unangenehm sein, mit dem Auto zur Schule gebracht zu werden, als sich über diesen Service zu freuen. Wir brauchen ein Umdenken. Ohne Wenn und Aber. Wir müssen einfach auf etwas von unserer Bequemlichkeit verzichten. Für unser Körperbewusstsein und die Umwelt.
Ich gehe jetzt einkaufen, mit dem Rad. Es wird voll bepackt sein, aber ich werde mich freuen, wenn mir der Wind um die Nase pustet.
Tanja Matthies

Stefan Zweig ist also quasi Pate für die Auswahl der „Sternstunden“. Doch hat er u. a. mit Waterloo oder Konstantinopel keineswegs nur randständige Sujets gewählt. Dass eine renommierte Wochenzeitung das wichtigste deutsche Ereignis der Nachkriegszeit übergeht, wäre vielleicht unter der Ägide von Theo Sommer konsequent oder zumindest nachvollziehbar gewesen, ist jetzt aber mehr als ein Schönheitsfehler. Und die Serie gleich mit einem Motiv zu starten, das antiamerikanische Ressentiments schüren könnte, bedient bekannte Denkschablonen.Wobei es nichts zu beschönigen gibt. So bleibt die Hoffnung auf eine treffsicherere Melange.
Christoph Schönberger, Aachen

in seinem Artikel schreibt Herr Wolfgang Uchatius, dass Richard von Weizsäcker am 8. Mai 1985 sagte, der 8. Mai 1945 sei kein Tag der Niederlage, sondern ein Tag der Befreiung gewesen, und somit das Geschichtsbild der „Deutschen“ verändert habe.
Nein! Er hat das Geschichtsbild der Westdeutschen verändert. In der DDR war der 8. Mai schon immer der Tag der Befreiung.
Solche „Unkorrektheiten“ nehme ich immer wieder wahr. Die Geschichte Deutschlands vor der Vereinigung wird nicht selten von Journalisten und anderen nur als Geschichte der damaligen BRD gesehen. Zwei deutsche Staaten, die heute vereinigt sind, gab es damals scheinbar nicht.
Wird sich das einmal ändern?
Günter Karrasch 

Seit einem Jahr besitze ich ein Abonnent der ZEIT und war bisher begeistert von ihrer tagespolitisch übergreifenden Auswahl an Themen.
Mit großer Aufmerksamkeit habe ich den Auftakt Ihrer neuen Serie gelesen.
Dabei war ich ehrlicherweise entsetzt bereits über die Headline „Warum ein Krieg eine Sternstunde sein kann“.
Meiner Meinung nach kann eine kriegerische Auseinandersetzung niemals eine Sternstunde sein. Es sterben sinnlos Menschen, schon allein dieser Fakt untersagt es, in diesem Kontext von einer Sternstunde für wen auch immer zu sprechen.
Auch vermisse ich in diesem Kontext die bisher von der ZEIT gewohnte kritische Auseinandersetzung mit der Kriegspartei, die diesen Krieg initiiert hat.
Insgesamt eine interessante Serie, sehr schade um den Auftakt.
Sven Reimers, Dresden

Vor gefühlten 50 Jahren habe ich in der Schule Stefan Zweigs „Sternstunden der Menschheit“ in der Schule gelesen; das Buch steht heute noch in meinem Bücherschrank.

Ich habe die erste Folge der neuen Serie in der ZEIT auf der Bahnfahrt zu meiner Mutter komplett durchgelesen und mir überlegt, dass ich (auch wenn ich die wöchentliche ZEIT anschließend entsorge) das Dossier aufheben sollte.

Beim zweiten Nachdenken kam mir die Frage (was der Grund für diesen Leserbrief ist), ob sie planen, nach Abschluss der Serie diese „neuen Sternstunden der Menschheit“ gesammelt herauszugeben, als Buch oder einfach als Sammlung?

Ich persönlich wäre interessiert an einer Zusammenfassung, die ich dann zusammen mit dem Buch von Stefan Zweig für meine Kinder aufheben und später wieder mal lesen kann.
Erich Würth

Ist es wirklich eine Sternstunde, wenn Menschen erst durch Kriegshandlungen den tiefsten, unmenschlichsten und verbrecherischsten Punkt erreichen müssen? Wie viele ungezählte Retter haben in solchen Situationen schon ihr Leben gegeben!
Herbert Kern, Talheim

Wolfgang Uchatius irrt sich, wenn er Weizäckers Rede am 8.Mai 1985 als eine Sternstunde bezeichnet, weil dieser „damit das Geschichtsbild der Deutschen“ veränderte, indem er den 8. Mai „Tag der Befreiung“ nannte.
In Wirklichkeit war das ein alter Hut. Ich wusste dies bereits zwanzig Jahre vorher als Zehnjähriger: am 8. Mai hatte ich immer schulfrei, weil dies ein Feiertag war. Und dieser Feiertag hieß „Tag der Befreiung“.
Mario Lucchesi, Potsdam

Lob und Dank für Ihre Serie! Besonders lobenswert auch Ihre Hinweise auf Stefan Zweig und sein gleichnamiges Buch! Meine Frage ist nun, ob Sie diese großartigen Beiträge in einem Band zusammenfassen könnten, sozusagen zum Nachlesen, zum Aufbewahren.
Leider kann ich aus persönlichen Gründen die nächsten Ausgaben nicht lesen, so dass mir die Erfüllung der vorstehenden Bitte sehr helfen würde.
Werner Wulf

Wirklich Epochales bedarf nicht manipulativer Beweihräucherung, noch Rampenlicht.
Weil wir nach oft fragwürdigen Vorbildern suchen, huldigen wir auch Vater, Sohn und Heiligem Geist.
Ist nicht auch jederfrau/-manns Lebenslegende mythenumrankt?
Niemand wird König ohne Gefolgschaft. Kein Held ohne lobhudelnde Jünger, Imagepflege und Verkaufstalent.
Missgunst? Neid? Abwertender Sarkasmus? Mitnichten: Über Rang, Ruf und Können lebt wahre Meisterschaft im Verborgenen in elterlicher Fürsorge unmündiger Kinder, bei selbstlos Helfenden sowie denen, die niemandes Herr oder Knecht sind.
Höchstgepriesen gehören jene, denen es auf friedlich-vernunftbegabte Weise gelänge, unserer acht Milliarden-Population eine Null dauerhaft zu entziehen!
Diesen Beitrag bitte ich inständigst zu veröffentlichen!
Andreas Wenig, Mannheim

„Denn Weizsäcker sagte, der 8. Mai 1945 sei kein Tag der Niederlage, sondern ein Tag der Befreiung gewesen – und veränderte damit das Geschichtsbild der Deutschen.“
Er hat damit das Geschichtsbild einiger Westdeutscher verändert. In der DDR wurde der 8. Mai schon immer offiziell als Tag der Befreiung angesehen, auch wenn er sicherlich nicht mit dem Geschichtsbild aller DDR-Bürger überein stimmte. In der DDR war der 8. Mai von 1950 bis 1967 und im Jahr 1985 (40. Jahrestag) gesetzlicher Feiertag.
Zeit im Osten (S. 16 -18) ist wieder toll durch ganz wichtige ganzseitige Anzeige reduziert!?
Klaus Rozinat, Ketzin/Havel

Ihr Artikel über den Hubschrauberpilot Hugh Thompsons, der inmitten des Massakers von My Lai , bei dem 504 Zivilisten getötet wurden, wußte, was richtig war und sich für die Zivilisten einsetzte, ist gerade in der heutigen Zeit sehr wichtig. Das Wissen, dass auch im Krieg, wo das Töten erlaubt ist, Regeln der Menschlichkeit gelten, muss unbedingt in der Bevölkerung weltweit verankert werden. Schließlich haben so gut wie alle Staaten die Genfer Konventionen unterschrieben und sich zu deren moralischen Grundsätzen bekannt. Danach sind alle, die nicht am Kampfgeschehen beteiligt sind, geschützt – ob Zivilisten oder verwundete und gefangene Soldaten.
Wir erleben heute im Ukrainekrieg viele Verletzungen dieser Grundsätze und es bleibt nur zu hoffen, dass es der Völkergemeinschaft gelingt, die Kriegsverbrechen nicht nur zu dokumentieren, sondern die Täter auch zu bestrafen.
Hedi van Gemmeren, Merzhausen

Herzlichen Dank für Ihre Idee, „Sternstunden der Menschheit“ zu thematisieren. Das Bild und die blauen Einschübe haben mich dazu verleitet zu erwarten, dass sowohl Männer als auch Frauen Sternstunden bewirken könnten.
In dem Text habe ich nicht einen Frauennamen entdeckt. Jetzt frage ich mich, was ich von dieser Reihe zu erwarten habe?Helga Bendick 


 

Leserbriefe zu „Hier könnte bald ihr Auto stehen“ von Mark Schieritz

Wenn man – von wenig Sachverstand getrübt – Behauptungen derart apodiktisch aufstellt wie der Autor, darf man sich als geneigter Leser irritiert zeigen.
Die rechtstheoretische Annahme, dass Baurecht Baumrecht bricht, wird durch eine politische Entscheidungsoption, nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs den wertvollen Baumbestand durch eine Änderung des Ortsrechts = Baurecht zu schützen, widerlegt. Dass sich daraus möglicherweise ein Entschädigungsanspruch des baurechtlich begünstigten Grundstückseigentümers ableiten kann, liegt in der Natur anpassender Veränderungen des geltenden, vielfach längst überholten Baurechts.
Das nennt man die Abwägung von privaten und öffentlichen Belangen und ihre Aktualisierungspflicht. Ganz schlimm ist der Hinweis des Autors: „ … als das Baugesetzbuch verfasst wurde, war der Schutz der Natur noch kein großes Thema.“ Als ein 75-jähriger, ehemaliger Beigeordneter für Stadtplanung darf ich darauf verweisen, hier irrt der Autor.
Jürgen Dressler, Mülheim a.d.R. 

Die mehr als deutlich vorgetragene Meinung, die Eiche würde nur wegen Luxuswagen, bzw. 6 SUV gefällt werden müssen, ist schon sehr starker Tobak. Als hätten schon jetzt die zukünftigen Käufer ihre übergroßen Karossen dort virtuell eingeparkt. Und natürlich zieht der Begriff „SUV“ immer am meisten. Dabei gibt es auch relativ kleine SUV und relativ große andere Autos. Aber SUV liest sich so schön negativ, klingt aggressiver und umweltschädlicher als PKW.
Es gibt wirklich viele andere kritikwürdige Verkehrsmittel, aber der SUV hat es auf den ersten Platz der Hassobjekte geschafft. Der Artikel greift das dankbar auf.
Bernd Nasner

Auf Seite 1 steht: „Auto statt Eiche: Ein 200 Jahre alter Baum soll sechs Luxuswagen weichen. Wie kann das sein?“
Auf der  ganzen Seite 3 wird darüber geschrieben (es gibt wohl keine wichtigeren Themen mehr). Hier erfahre ich dann auch, dass nicht nur Autos, sondern auch Wohnungen gebaut werden sollen! Der Artikel ist sogar für Sie, die Sie Autos „hassen und verbieten wollen“, recht ausgewogen.
Trotzdem, solche Beispiele von Tatsachenverdrehung finde ich nur noch abstoßend. Es fällt mir immer schwerer, Ihre Zeitung wöchentlich zu kaufen.
Waldemar Jeschke, München 

In Ihrem Artikel steht: „Eichen wachsen langsam … Manche hören erst auf zu wachsen, wenn sie 200 Jahre alt sind. Dann stehen sie nur noch da, ruhig, tief verwurzelt, in voller Pracht“.
Wem ist nur solch ein Blödsinn eingefallen? Wenn man keine Ahnung hat, sollte man sich wenigsten bei einer fachlich versierten Person erkundigen. Ich blicke täglich auf eine mindestens 1000-jährige Eiche, die immer noch wächst. Das Alter ist durch eine Kernbohrung festgestellt worden. Schon mal was von Jahresringen gehört?
Wenn Ihre Artikel alle so schlecht recherchiert sind, brauche ich die ZEIT nicht mehr wöchentlich zu lesen.
Norbert Klostermann, Hopsten

Welch ein frivoler und barbarischer Akt, solch ein majestätisches und wunderschönes Lebewesen allen Ernstes einfach abschlagen zu wollen! Stammend noch aus napoleonischen Tagen, noch lange bevor Herr Kaape seinen ersten Atem nahm, sind es solche Bäume wie diese Eiche, die ihn uns seit jeher geben. Allein dieser Umstand sollte zum Nachdenken anregen.
Michael Ayten

Ein sehr schöner Artikel, in dem Mark Schieritz an einem Beispiel in Berlin zeigt, wie unser Recht die Eigentums- und Profitinteressen flankiert. Und wie die grundgesetzliche Pflicht zur Bewahrung unserer Lebensgrundlagen ins Leere läuft. Das Recht, das für die Entscheidung in Einzelfällen heranzuziehen ist, schützt diese Interessen, auch wenn Abwägungungen mit anderen Schutzrechten durchaus vorzunehmen sind. So kommt es, dass die Anwohner, die gegen das Fällen des 200-jährigen Baumes in Berlin protestieren, nicht recht haben. Nur die Politik kann das ändern. Und die Bürger müssen es von der Politik verlangen. Der Artikel von Mark Schieritz macht auf ein Beispiel in Berlin aufmerksam. Berlin ist überall. Jeder Bürger muss für sich entscheiden, zugespitzt: Freie Fahrt oder Überleben als Menschheit.
Reinhard Koine

Mein Enkel hatte kürzlich folgende Mathe-Aufgabe zu lösen:  Ein alter Baum soll gefällt und durch junge Bäume ersetzt werden. Die (vereinfacht) kugelförmige alte Baumkrone hat einen Durchmesser von d=10 m, die der jungen Bäume messen d=2 m. Wie viele dieser Bäumchen muss man pflanzen, um den Bäumen dasselbe Volumen für die Blattentwicklung zu geben. Da das Kugelvolumen proportional zur 3. Potenz des Radius ist, errechnet man ganz leicht das Verhältnis 5x5x5 zu 1x1x1. Man müsste also 125 dieser Bäumchen pflanzen. Selbst bei größeren „Ersatzbäumen“ mit 4 m  Kronendurchmesser ergibt sich, dass 125:8 ~ 15 dieser schon recht stattlichen Jungbäume gepflanzt werden müssten. Das Bezirksamt begnügt sich aber mit 5 sogenannten Ersatzbäumen, deren Aura und ökologischer Nutzen erst in Jahrzehnten wirksam werden!
Dr. Heinz Burger, Berlin

Zwei Aspekte sind bei diesem „Verfahren wider die Natur“ wichtig:
Erstens: Hat der baugenehmigende Baustadtrat das Kreuz, die Entscheidung zum Bau dieses Hauses umgehend zurückzunehmen? Die gerichtliche Entscheidung ist relativ belanglos, da in diesem Fall das Naturrecht vor Menschenrecht geht, andererseits die Menschen „pro Eiche“ ihr recht haben, diesen Baum absolut zu schützen; er ist wie ein Familienmitglied.
In diesem Fall wäre es auch Sache der reg. Bürgermeisterin von Berlin Giffey, hier „pro Eiche“ zu entscheiden, da sie bei Baugenehmigung ja noch nicht BM war – sozusagen „Ergreifen des letzten Wortes!“.
Zweitens: Planer, Architekten und „sonstige Strategen“ sind oft nicht die hellsten, intelligentesten Köpfe im Land und denken zu oft nur an „Renomee und Rendite. Mit veränderter Sicht läßt sich alles regeln, zumal anscheinend genügend Parkplätze auch für die völlig überflüssigen SUVs zur Verfügung stehen.
Außerdem: Was sagt denn der bundesdeutsche Durchschnitt an Wohnfläche von sage und schreibe ca 45 m² aus? Ein unglaublicher Luxuskonsum an Wohnfläche nebst entsprechender Energieverschwendung soll hier stattfinden.
Dies muß aufhören. Der Baubescheid ist sowieso unrechtmäßig.
Rainer Rehfeldt

Naturschutz geht vor Eigennutz. Doch wie hundsmiserabel elendiglich steht es um diese so wichtige Staatsaufgabe in einem Land, dessen Gesetzgebung nicht zu verhindern vermag, dass eine zweihundertjährige Eiche im Interesse eines über Baumleichen gehenden, profitgeilen Investors gefällt wird, um Platz zu schaffen für Luxuswohnungen?
Ludwig Engstler-Barocco, Bonn

Die Bedeutung von Bäumen für das Stadtklima wird leider nach wie vor vollkommen unterschätzt – vor allem die Bedeutung alter Bäume. Eine 200 Jahre alte Eiche bei einer Höhe von 20 m und einem Kronendurchmesser von 12 m hat mit ihren ca. 600.000 Blättern eine Fläche von zwei Fussballfeldern, über die sie an einem sonnigen Tag 9000 l CO2 verbraucht, 400 l Wasser verdunstet, 13 kg Sauerstoff produziert und 36.000 m3 Luft filtert und reinigt. In der Umgebung von alten Bäumen ist es daher im Sommer angenehm und kühler, da die Temperatur dort um bis zu 5°C niedriger ist.
Um so einen Baum zu ersetzen, müssten 2000 Bäume mit einem Kronendurchmesser von 1 m gepflanzt werden – was wenigstens 100.000 Euro kosten sollte (bei 50 Euro/Baum… was ein fairer Preis wäre). „Alte“ Bäume sollte man daher – soweit möglich – immer erhalten, besonders in Städten. Es dauert leider sehr lang, bis ein neuer Baum irgendetwas Vergleichbares hinbekommt.
In Osnabrück habe ich übrigens live erlebt, wie Immobilienfirmen solche Themen klären, wenn ein alter Baum einem Bauprojekt im Weg steht. Erst wird mit dem Bagger um den Baum die Erde entfernt, dann wird unter dem Baum herumgescharbt und dann fällt der alte Baum – oh Wunder – um. Konnte man ja nicht wissen, dass er das nicht haben kann. Die Baustelle war dann für zwei Monate geschlossen. Nach einem kleinen Bussgeld ging es dann weiter. Auf windelweiche Zusagen von Immobilienfirmen würde ich daher leider gar nichts geben.
Christian Ungermann

Der Bericht über die drohende Fällung der alten Berliner Eiche hat mich Baumfreund fassungslos und zornig gemacht! Ich dachte dabei an das Lied von Alexandra: „Mein Freund der Baum ist tot, er fiel im frühen Morgenrot …“ Und ich erinnerte mich an unzählige Spaziergänge, die ich als kleiner Junge mit meinem Großvater und meinen Freunden zur „Kalten Eiche“ gemacht hatte, einem 600-jährigen oder noch älteren Methusalem, von der wir uns mit einem Griff in die rissige Borke „Kraft“ holten! Inzwischen ragen einige tote Äste in den Himmel, und größere Borkenstücke sind schon abgefallen. Doch jedes Jahr grünt sie von neuem! Aus einer ihrer Eicheln habe ich eine kleine „Kalte Eiche“ gezogen, so dass ihr Erbe hoffentlich noch lange erhalten bleiben möge!
Um die weitere Zersiedelung unseres Dorfes zu verhindern, habe ich einen Teil unseres großen Grundstücks einer jungen Familie mit 5 Kindern zur Bebauung angeboten. Nach dem Bebauungsplan allerdings hätte ich meinen 70 Jahre alten Kirschbaum, einen Quittenbaum, besagte Eiche und mein Biotop opfern müssen. 10 m weiter, auf der Obstbaumwiese, hätte kein Baum gefällt werden müssen, kein Nachbar hätte Einwände gehabt! 5 Jahre warte ich nun schon auf die Änderung des Bebauungsplans! Inzwischen habe ich Haus und Grundstück meiner jüngsten Tochter übergeben, und sie will es so erhalten, wie es ist!
Warum nur halten unsere Verwaltungsbeamten starrköpfig an Gesetzen und Vorschriften fest aus einer Zeit, in der nur wenige an Natur- und Klimaschutz dachten; an Asylgesetzen, die die Mütter und Väter des Grundgesetzes verfaßten, als niemand von ihnen im Traum an eine Völkerwanderung aus Asien und Afrika dachte; die man jetzt aber stur mit ihnen zu regeln versucht, bis wir Alteingesessenen uns wie Fremde in der Heimat fühlen!
O sancta buerocratia antiqua!
Dr. Ulrich Pietsch, Nidda-Ulfa

Die 200 Jah­re al­te Ei­che steht für mich stellvertretend für unsere Erde. Wenn wir die Eiche nicht schützen, schützen wir auch nicht die Erde. Die Eiche hat in ihren 200 Jahren sehr viel CO2 gespeichert und durch die Fällung wird dieses CO2 wieder in die Atmosphäre abgegeben. Auch wenn an­ders­wo fünf so­ge­nann­te Er­satz­bäu­me gepflanzt werden, brauchen diese Jahrzehnte, um das gleiche CO2-Volumen zu speichern wie die alte Eiche.
Aber der eigentliche Punkt ist, dass aus reiner Profitgier Luxuswohnungen mit Tiefengaragenplätzen in Berlin Mitte gebaut werden sollen, da man hier bis zu  9.882 €/m² beim Verkauf einer Eigentumswohnung erzielen kann.
Warum eigentlich Tiefengaragenplätze? Berlin hat für mich das Beste öffentliche Verkehrsnetz mit Bussen, Straßen- U- und S-Bahnen in Deutschland. Zusätzlich noch ein großes Angebot an Car-Sharing.
Wer solche Wohnung anbietet, der spricht auch ein entsprechendes Klientel an Interessenten an, die dann auch nicht auf ihr Auto verzichten wollen.
Wohnungsbau hat auch direkt Auswirkungen auf den Klimaschutz. Warum baut man nicht Wohnungen für junge Familien, die gewillt sind, auf ein Auto zu verzichten? Wahrscheinlich können dann auch mehr Wohnungen auf der gleichen Grundfläche gebaut werden. Luxuswohnung suggeriert schon viel Raum für wenig Menschen.
Dieses kleine Beispiel zeigt, wenn wir Menschen uns nicht generell ändern, dann wird die Erde nicht zu retten sein.
Michael Döring, Wiesbaden


 

Leserbriefe zum Streitgespräch „Wie saniert man ARD und ZDF“ zwischen Tom Buhrow und Julia Jäkel

Selten so köstlich über den Buhrowschen Hinweis „Wer uns noch schlanker will, muss sagen, worauf man verzichten soll“, gelacht.
Wenn Buhrow sich einer Fernsehzeitung bedienen würde, könnte man am unglaublichen Anteil von Wiederholungen in allen Sendern der ARD die Antwort erhalten. Aber ich beschränke mich auf den Lokalsender WDR, dessen Häuptling Buhrow ja ist. Nachdem dank hervorragender Journalisten dem interessierten Nutzer der deutschen Rundfunkanstalten über den Tag mit unterschiedlichen lokalen Gewichtungen das Wissenswerte zuteil wurde, erlauben sich neben den profilierten Berichterstattungen einige Ortsbauernsender wie WDR oder auch BR eigene Berichterstattungen vom globalen Geschehen. Da wird Eitelkeit eben teuer.
Jürgen Dressler, Mülheim a.d.R.

Tom Buhrow steht doch für die Unfähigkeit zu Reformen, wenn er allen Ernstes eine extreme Kontrolldichte ausmacht. Und wer sich mit einem Heer von 4500 hochdotierten Quasibeamten und einem Budget von 1,6 Mrd. bereits am Limit sieht, will den Auftrag der Grundversorgung nicht verstehen. Man schaue sich nur den Glaspalast des WDR neben dem Landtag in Düsseldorf an und fragt sich, womit die Hundertschaften dort ihr Dasein fristen. Oder die völlig überdimensionierten Regionalstudios, deren Output sich vornehmlich auf die Verlesung von Pressenotizen beschränkt. Für Reförmchen ist es zu spät, das ganze System gehört auf den Prüfstand. Aber vermutlich genießen die Intendanten  durch die „Kanonisierung“ des BVerfG unverdrossen den Blick vom hohen Ross.
Christoph Schönberger, Aachen

Die Öffentlich-Rechtlichen sind systembedingt nicht reformfähig. Die Absicherung durch die Zwangsgebühren hat schon seit jeher Selbstbedienungsmentalität begünstigt. Es dürften nur die besonders dreisten Fälle an die Öffentlichkeit kommen. RBB? Beim WDR denke ich z. B. an die Prozesse um die „Überversorgung“, die der Rechnungshof damals angestoßen hatte. Zu erklären war dies mit dem, was Juristen „Gegnerfreiheit“ nennen. Arbeitgeber und Gewerkschaften ringen nicht wie in der Wirtschaft, in der das zu Verteilende erarbeitet werden muss, aus unterschiedlichen Interessenlagen heraus, als Gegenspieler um einen Interessenausgleich, sondern sitzen in demselben abgesicherten (Selbstbedienungs-) Boot. Zu recht rügte Julia Jäkel „das Bespielen von Gremien“. Dass Tom Buhrow vom WDR diese Gremien als „kritische Kontrolle“ bezeichnet hat, ist Satire, denn insbesondere der Rundfunkrat des WDR wurde selbst aus den eigenen Reihen als „Abnick-Verein“ kritisiert.
Diethelm Schroeder, Bergisch Gladbach

Einige wichtigen Fragen wurden nicht gestellt oder ausweichend beantwortet: (1) Sind 90 Prozent Betriebsrente (diese Höhe wird kolportiert) aus Beiträgen angemessen? Wird das auf die normale Rentenquote reduziert? Wenn ja, ab wann? (2) Sind die Honorare überhöht? 600.000 Euro (auch dies las man hier und da) für Herrn Kleber? Und > 400.000 Euro für Herrn Buhrow? Der kann sich dann in Kürze auf 30.000 Euro Rente/Monat freuen. (3) Immense Ausgaben nur für Fußball, wie viel tatsächlich? Darüber wird – aus Scham? – geschwiegen. (4) Erziehungsanstalt und einseitige Parteinahme, beides schwingt oft mit, Reportage und Kommentar verschwimmen.
Und die Erkenntnis: Macht korrumpiert nicht nur Männer, sondern auch Frauen; die Möglichkeit, Macht für sich ausnutzen zu können, wird von beiden ergriffen.
Gerd Wenner, Föhr  

„Wer uns noch schlanker will, muss sagen, worauf man verzichten soll“.
Sehr gerne, Herr Buhrow, unter anderem verzichten wir gerne auf Sie. Bereits die Frage nach der Möglichkeit einer „Sanierung“ empfinde ich als eine Beleidigung der Intelligenz Ihrer Kunden.
Das staatliche Fernsehen und der staatliche Rundfunk sollten abgewickelt und ersatzlos gestrichen werden.
Das Ende der den Menschen aufgezwungenen Zwangsabgabe, genannt Rundfunkgebühren, erscheint mir unvermeidlich. Kein Mensch braucht den Musikantenstadl, Verstehen Sie Spaß, die Fußballberichterstattung et cetera.
Für mutigen, kritischen und intelligenten Journalismus (der tatsächlich gebraucht würde) fehlt Ihnen der Mumm und leider immer wieder auch die Intelligenz.
Also – good bye, Mr. Buhrow – ihr gebührenpflichtiger Eskapismus und Nepotismus hat uns lange genug genervt.
Sie sind dann mal weg, hoffentlich für immer.
Johann Siemon, Merching

Tom Buhrow versucht es zum Einstieg gleich aktiv mit Angriff, um sich am Ende von Julia Jäkel dann doch auffordern zu lassen, endlich aus dem reaktiven Modus herauszukommen. Es ist ein sehr faires Gespräch. Tom Buhrow: werbend darum, das im Rahmen des Möglichen Erreichte doch wahrzunehmen. Julia Jäkel: mahnend, den Raum der Möglichkeiten weiter zu sehen und auszuschöpfen. Nicht leicht, die Öffentlich-Rechtlichen bei voller Fahrt umzusteuern. Noch schwerer, bei der Kursbestimmung die so unbestimmt bestimmenden Koordinaten der Politik einzubeziehen. Tom Buhrow ist vorsichtig aktiv, klug moderierend. Und er weiß, dass Julia Jäkel recht hat.
Reinhard Koine, Bad Honnef

„Sind der Bauleute zu viele, so wird das Haus schief!“ (Sprichwort aus China)
Streitgespräche sind immer gut, man kann den „Rabenschwarzen Peter“ hin- und herschieben. Am Ende des Tages dürfte auch dieses Streigespräch wie ziemlich heiße Luft verpuffen. „Manche Bauten sind einfach in den Sand gesetzt.“ (Lothar Bölch, *1953, deutscher Kabarettist & Autor)
Klaus P. Jaworek, Büchenbach

Ich habe das Streitgespräch mit Interesse gelesen und freue mich darüber, dass man die Notwendigkeit der Sanierung unstrittig findet.
Die Arroganz von Herrn Buhrow finde ich auch bemerkenswert; Er leitet den teuersten Rundfunk der Welt und weiß nicht, wo er sparen soll. Er verlangt Vorschläge für Kostenreduzierungen??? Wofür wird Herr Buhrow bezahlt? Er könnte sich fragen, ob es 30 neue Tatort-Sendungen pro Jahr braucht, mit einem Durchschnittlichen Budget von 1,5 Mio. Euro (lt. Angabe der Rundfunkanstalten), vermutlich ohne Zuordnung der indirekten Kosten, wie es bei einem privatwirtschaftlichen Unternehmen üblich ist. Die Entlassung der 900 Mitarbeiter kann Herr Buhrow nicht als seine Leistung deklarieren. Die privaten Sender wie RTL und ProSieben haben in Köln viele Mitarbeiter eingestellt. Von den genannten 900 sind eine grosse Zahl freiwillig gegangen.
Dann wäre die Ineffizienz der Mitarbeiter zu nennen. Während bei privaten Sendern ein Kameramann und ein Mitarbeiter zu einem Interview fahren, sind es bei den Öffentlich-Rechtlichen mindestens 4 Mitarbeiter, (zusätzliche Personen für Ton und Beleuchtung). Hinzu kommt der deutlich höhere Verdienst der Mitarbeiter im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk im Vergleich zu privaten. Sie sind nahezu unkündbar, d. h. der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk schleppt jede Menge unwilliger und unmotivierter Mitarbeiter durch.
Der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk kostet mehr als 6 Mrd. Euro jährlich. Wenn man die Werbeeinnahmen dazurechnet, sind es vermutlich 7 Mrd. Euro. Das ist weltweit der teuerste Rundfunk.
Dann ist aus meiner Sicht die einseitige Meinungsverbreitung im Sinne des links-liberalen Mainstreams von Herrn Plasberg und Frau Will anzuprangern, die sich jede Sendung gut bezahlen lassen. Hinzu kommt die unvollständige Abbildung der Meinungen der Bevölkerung. Es gibt keinen konservativen Gegenpol zum Links-liberalen Mainstream. Wer nicht auf Linie ist, wird erst gar nicht eingestellt. Früher gab es mal Gerhard Löwenthal im ZDF. Das ist schon lange her. Er durfte seine Meinung kundtun. Heute ist das undenkbar. Warum?
Mein Fazit: Es fehlen klare Vorgaben für die Aufgabe des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks. Luftnummern wie Bildungsauftrag in den Mund zu nehmen, ist ein Ausdruck der Hilflosigkeit gegenüber einer vernünftigen, nachvollziehbaren Argumentation über die Höhe der Rundfunkgebühren. Es gibt sie nicht, und Herr Buhrow kennt sie erst recht nicht. Es sollte klare Vorgaben für die Reduzierung der Budgets jeder Sendeanstalt geben, wie z. B. jedes Jahr 5 Prozent weniger. Es braucht auch keine Sendeanstalt in jedem Bundesland.
Das Gehalt von Herrn Buhrow muss daran geknüpft werden, ob er die geforderten Einsparungen ohne wesentlichen Qualitätsverlust erreicht (die Quantität darf weniger werden). Es ist seine Aufgabe, Ideen zu entwickeln und durchzusetzen. Wenn er das nicht schafft, muss er gehen.
Es gibt kein Benchmarking für Kosten von Serien. Unternehmen wie Netflix machen bessere Serien für einen Bruchteil der Kosten. Im Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen werden Serien mit Schauspielern gemacht, die man schon X-mal gesehen hat. Man hat den Eindruck, als ob die Serien für die Beschäftigung der Schauspieler gemacht werden.
Manfred Giltjes, per E-Mail

Das Gespräch war interessant, Ergebis wie üblich, nichts Neues, nicht erhellend. Dann kam der Punkt: „Verstehen Sie die Aufregung über die Intendantengehälter? Mit über 400.000 Euro pro Jahr liegen Sie über dem Bundeskanzler“.
Ehe Herr Burow zu der an ihn gerichteten Frage geantwortet hat, sprang Frau Jäkel zur Verteidigung ein: „das geht am Problem vorbei“. Richtig, es ist eines der vielen Probleme, aber es ist ein Problem.
Die Gehälter, Pensionen, nette Büros, selbstverständlich mit Parkplatz (jedenfalls beim NDR). Das Geld hierfür muss nicht verdient werden, es wird eingezogen. Das Gehaltsniveau von Herrn Burow zieht sich natürlich über die Direktoren, Abteilungsleiter bis nach unten durch, das ist schon ein Problem.Der Journalistin/dem Journalisten werfe ich vor, das sie bei Herrn Buhrow nicht nachgefragt haben. Da erwarte ich einfach mehr.
Wolfram Knab, Buchholz in der Nordheide

Es ist eine tolle Idee, an prominenter Stelle aktuelle Streitthemen zu diskutieren. Leider geht es in der letzten Zeit bei diesen Artikeln immer weniger um einen tatsächlichen Streit, was an der Auswahl der Diskutant*innen liegt. Ein gutes Beispiel ist diese Ausgabe: „Wie saniert man ARD und ZDF?“ Hier wierden kaum die vielen Doppelstrukturen und überzogenen Gehälter kritisiert. Etwa die vielen unnötigen Rundfunkorchester. Im Gegenteil. die Kontrahentin verteidigt sogar noch die 400.000 Euro Spitzengehalt. Über die eigentliche Frage wird kaum gesprochen, dabei fallen jedem dazu einige Möglichkeiten ein. So macht diese Reihe wenig Sinn. Haben Sie doch mehr Mut!
Bettina Lemke, Hannover

Ich finde, die Bezahlung der Spitzenleute gehört auch zur Debatte. In der Berufsschule habe ich den Auftrag, für Akzeptanz unseres politischen Systems einzutreten. Aber wie erkläre ich 19-jährigen Schülern, dass der Chef vom ARD fast das Doppelte verdient wie z. B. Ministerpräsident Wüst? Herr Buhrow hat wohl kaum mehr Verantwortung, und er hat wohl auch keine höhere Wochenarbeitszeit. Könnte einmal jemand erklären, warum ein ARD-Chef so viel mehr verdient als ein Ministerpräsident?
Reinhard Döhnel, Erlangen


 

Leserbriefe zu „Wenn Frauen den Krieg erklären“ von Jörg Lau

Ein großes Kompliment dafür, dass Sie mit diesem Artikel den Widerspruch von politischem BlaBla und der sachlichen Kompetenz dieser Frauen beleuchten. Ich wäre noch begeisterter gewesen, hätten Sie mit argumentativer Widerlegung  den menschlichen Abschaum und dessen natürliche Beschränktheit ohne Zitate und Beschreibungen klargestellt.
Jürgen Dressler, Mülheim a.d.R. 

Wenn ich solche Artikel über derartige Beleidigungen und Bedrohungen lese, frage ich mich stets, wie es sein kann, dass die Verfasser*innen der Beleidigungen und Bedrohungen kaum jemals strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Das sind doch wohl Straftatbestände, und ein zivilisierter Umgangston liegt doch wohl im öffentlichen Interesse, wenn frau/man eine (weitere) Verrohung der Gesellschaft verhindern möchte. Mit Meinung und Meinungsfreiheit haben Beleidigungen und Bedrohungen meines Erachtens nichts zu tun. Es wäre meines Erachtens für den Rechtsstaat und die Diskussionskultur gut, wenn solche Straftaten viel leichter, also ohne großen Zeitaufwand, angezeigt werden könnten und dann auch tatsächlich verfolgt und bestraft würden.
Dr. Ulrich Willmes, Paderborn

Ein herzerfrischender Artikel, trotz des traurigen Themas. Manchmal habe ich das Gefühl, mich dafür entschuldigen zu müssen, angesichts der testosterongesteuerten Borniertheit in unserer Welt.
Die drei Damen Sabine Fischer, Claudia Major und Jana Puglierin sind ja offensichtlich eine herausragende Auswahl von öffentlichen weiblichen Fachpersonen. Da können wir froh sein, dass die BRD nie darauf angewiesen war, auf die „Fähigkeiten“ des Lodenmantelgeschwaders der Ex-Generäle Erich Vad, Hans-Lothar Domröse, Egon Ramms zurückgreifen zu müssen. Deren Fähigkeiten würden augenscheinlich nach einem Spiegelonlineartikel im ukrainischen Militär zu nicht mehr als zum Brotzeitholen im Generalstab reichen.
Was mich dabei bestürzt, ist, wie das vereinigte Vollpfostenpatriarchat reagiert: Schmähungen, Beleidigungen und Drohungen aller Art. Was mich aber noch mehr bestürzt ist unser Rechtsstaat, der hier keinen Beißreflex zeigt. Bei öffentlichen Personen sind nach meinem rechtsstaatlichen Empfinden unsere Institutionen und die Justiz gefordert, eigenständig zu handeln. Tut der Staat nichts, so ist die Meinungsfreiheit und am Ende auch unsere Demokratie gefährdet. Nichtstun ist definitiv eine Form der Unterstützung für diese respekt- und hemmungslosen Zerstörungswütigen. Das ist für mich nur damit erklärbar, dass in unseren Institutionen an nicht wenigen maßgeblichen Stellen, eventuell schadenfroh, klügere, aber ebenso patriarchalisch verblendete Vollpfosten sitzen.
Es gibt noch viel zu tun.
Hans-J. Giller, Lichtenfels

So spannend sich die Überschrift über dem Artikel las, so enttäuscht war ich dann beim Lesen. Die Beleidigungen und Unverschämtheiten gegenüber Frau Major, Frau Fischer und Frau Puglierin erfüllen teils Straftatbestände. Mindestens so wichtig ist mir die fachliche Expertise der Drei. Diese sollte raumfüllender und gewichtiger dargestellt werden. Denn die amtierende Regierung und auch die Opposition im Bundestag glänzen nicht mit Sachkenntnis, sondern stimmen eher ein in den alten Freddy-Schlager von 1959, aufgenommen 1959 in den Berlin-Krisen, „Fährt ein weißes Schiff nach Hongkong. Sehnsucht nach der Ferne“. Dieses Narrativ kann keine miltärische Sachkunde ersetzen.
Dr. Detlef Rilling, Historiker und Autor, Scharbeutz

Hass ist inakzeptabel und eine Sache für die Psychologen. Ich habe aus anderen Gründen meine Probleme mit den Aussagen der Expertinnen. Keine der von Ihnen genannte Frauen hat sich gegen die Lieferung von schweren Waffen ausgesprochen, sondern vehement dafür und gleichzeitig Olaf Scholz für eine – angebliche – Führungsschwäche kritisiert.
Ich bin froh, dass wir ihn als Kanzler haben, der abwägt, bevor er entscheidet. Wenn wir auf Frau (!) Strack-Zimmermann, Friedrich Merz, Kiesewetter u. a. hören würden, dann hätten wir bereits einen eskalierenden Krieg.
Jürgen Neunaber, Oldenburg

Der durch die (a)sozialen Medien geschürte Hass ist unerträglich. Es gibt für prominente Menschen nur einen gangbaren Weg zwischen Selbstzerstörung und Ignorieren: Die Socialmedia-Kanäle müssen von dafür eingestellten Profis betreut werden. Diese reagieren auf alle entsprechenden Reaktionen professionell, ggf. mit Anzeigen. Und die Reaktionen müssen ansonsten immer klar machen: „Dieser Tweet erreicht die Adressantin nicht, sie ist geschützt und läßt sich von Ihrer Gewalt nicht kaputt machen.“ Es muss klar werden, dass solche verbale Gewalt bestenfalls ins Leere läuft, schlimmstenfalls auf den Schreiber zurückfällt.
Und ansonsten sollte langsam mal klar werden, dass diese ganzen Socialmedia-Kanäle gesellschaftlich zerstörend sind. Wer tut sich öffentliche Arbeit denn so noch an? Doch von dieser öffentlichen Arbeit und dem Engagement lebt die Demokratie.
Reinhard Hamann, Ahrensburg

Sehr enttäuscht bin ich über die Entwicklung der ZEIT in den letzten Wochen und Monaten hinsichtlich Ihrer Berichterstattung und Kommentare bezüglich des Ukrainekrieges.
Die in unseren Medien vorherrschende Stimmung, Kriegsschürung und Hysterie im Hinblick auf Waffenlieferungen, wird leider auch von Ihrer Zeitung unterstützt.
Was würde Helmut Schmidt dazu sagen?
Ihr Artikel „Wenn Frauen den Krieg erklären“ hat mich entsetzt. Die Meinungen der von Ihnen zitierten Wissenschaftlerinnen sind meiner Meinung auf jeden Fall kritisierbar. Auch dies müsste akzeptiert und veröffentlicht werden. In der von Ihnen zitierten Sendung „Hart aber Fair“ konnte von Fairness keine Rede sein. Kevin Kühnert war als einziger Vertreter eines umsichtigeren Verhaltens bezüglich Waffenlieferungen im Ukrainekrieg in der absoluten Minderheit. Er zog sich übrigens nicht, wie von Ihnen behauptet, darauf zurück, er sei in dieser Frage kein Experte, sondern verwies auf Fachleute und Wissenschaftler in seiner Regierung, die ebenfalls zu einem umsichtigeren Verhalten raten und dies auch begründen können. Mir macht die Waffenhysterie und Kriegstreiberei in den öffentlichen Medien, wie auch in Ihrer Zeitung, Angst. Von objektiver und ausgewogener Berichterstattung kann zur Zeit leider auch bei Ihnen keine Rede sein.
Ulrike Heidemann-John, Kaiserslautern

Die plötzliche Bekanntheit der bellezistischen Frauen beruht vorrangig auf der derzeit gängigen Dramaturgie bekannter Talk-Show-Formate (Maischberger, Will, Lanz): Jüngere Frau wird als Kronzeugin oder Widerpart gegen meist ältere Herren aufgeboten, die sich zurückhaltend zu Waffenlieferungen äußern oder für Verhandlungslösungen plädieren. Mich wundert, dass ihnen bislang eine naheliegende Frage noch nicht gestellt worden ist: Ob sie bereit wären, ihre Söhne und Töchter in einen Krieg zu schicken. Ob nun von Luther oder nicht, ein bekanntes Sprichwort meint diesbezüglich treffend: „Auf fremdem Arsch ist gut durchs Feuer reiten“.
Prof. Titus Simon, Oberrot

Herzlichen Dank für den wunderbaren Artikel.
Ich habe mich, nachdem ich mich über die sachlichen Ausführungen von Clau­dia Major von der Ber­li­ner Denk­fa­brik Stif­tung Wis­sen­schaft und Po­li­tik (SWP) in der Sendung „Hart aber fair“ zu der „bescheidenden“ Argumentation von Herr Kühnert sehr gefreut und habe mich hinreißen lassen, einen Kommentar über das „Rumpelstilzchen“ Kevin Kühnert auf der Seite des Senders zu hinterlassen. Dieser ist wegen Verletzung der sog. Nettiquette nicht veröffentlicht worden. Was mich verwundert hat, da ich die Reaktion von Herrn Kühnert nicht angemessen fand. Schön, dass Sie, Herr Lau, das auch so erlebt haben.
Ich freue mich immer wieder, wenn fachlich versierte Frauen den von sich selbst so überzeugten und zum Schwadronieren neigenden Männern, freundlich und ruhig begegnen und dabei dem staunenden Publikum gute fachliche Hintergründe und Fakten präsentieren. Im Gegensatz zu den häufigen Auftritten der immer gleichen (meist männlichen) Politiker*innen mit ihrem parteipolitischen Geschwurbel, haben mich die Expertisen der Fachleute (es waren auch gute Männer darunter) in meinem Verständnis von Sachverhalten und meiner Meinungsbildung deutlich weitergebracht.
Helmut Thiede, Bruchhausen-Vilsen

Die Veröffentlichung der Hassbotschaften an die Expertinnen und die Darstellungen möglicher Reaktionen darauf begrüße ich sehr. Was mir fehlt, ist eine Antwort auf die Frage, was das für Leute sind, die so vulgären und dümmlichen Hass verbreiten. Was sind ihre eigentlichen Motive, wie kommen sie zustande, worauf beruhen sie? Und wissen diese Leute nicht, dass ihre primitiven Botschaften letzten Endes auf sie selbst zurückfallen und ihre eigene Wirklichkeit auf einen minimalen Rest von Sicht bis zur eigenen Nasenspitze reduzieren?
Christoph Müller-Luckwald, Bingen


 

Leserbriefe zu „Wie verwundbar sind wir“ von Jochen Bittner, Alice Bota, Jörg Lau, Ingo Malcher, Paul Middelhoff und Marc Widmann

Wir sind sehr verwundbar, weil unsere Politikerinnen die verwundbaren Stellen ja nicht mal umfassend auf dem Schirm haben. Das zeigt sich anhand der Atomdebattenverblödung.
Wir werden im Bund zumeist von opportunistischen Schmalspur-Denkern mit Parteisoldatenkarriere regiert, die in einer Parallelrealität leben – das beweist auch die Atomdebatte seit ihrem Beginn vor einigen Monaten. Die AKW-Laufzeit-Debatte ist eine Lobbyismus-Debatte – erstaunlicherweise nicht getragen seitens der Energiekonzerne, sondern von unbelehrbaren PolitikerInnen, die ein gefälliges Dauerwahlkampf-Thema brauchen.
Man hat jüngst noch eine Zeitenwende erklärt und vor dem Atomkrieg gewarnt. Von dieser Zeitenwende hat man sich nun überparteilich wieder verabschiedet. Denn wie ist es sonst zu erklären, dass beispielsweise die mögliche Gefahr konventioneller russischer Hyperschallraketen für deutsche AKW in der Debatte keinerlei Rolle spielt? Vor einigen Jahren hat man noch im Bundestag diskutiert, ob man entführte Terror-Flugzeuge samt Passagieren an Bord abschiessen darf, wenn deren Kurs Richtung Atomkraftwerk geht.
Die russische Kriegsführung in der Ukraine bezieht seit Beginn AKW klar mit ein. Das bisher keines bewusst zerstört wurde, mag mit den russischen Eroberungszielen zusammenhängen. Ein einzelner russischer Angriff, der mit einer konventionell bewaffneten Hyperschallrakete als „ungewollter Querschläger“ auf ein deutsches AKW erfolgt, erscheint zwar derzeit wenig wahrscheinlich, wäre aber eben in Zukunft nicht absolut unwahrscheinlich. Und ob dann ein echter Bündnisfall mit Krieg gegen Russland erfolgt, wenn Deutschland, beispielsweise durch einen konventionellen, hyperschallschnellen „Raketenquerschläger“ mit „zufälligem“ Treffer im AKW Isar 2, von den Alpen bis weit nach Hessen radioaktiv verstrahlt wäre, das ist nicht absolut sicher. Ohne sonstige, weitere Angriffe auf die NATO  zu führen, kann Russland in der Propaganda dann sogar vielversprechend erfolgreich von einem „Querschläger“ reden, was in größeren Teilen der Welt und selbst in Europa durchaus auch verfangen kann. Allerdings wäre Deutschland, und damit anteilig eben auch die EU, dennoch quasi ausgeschaltet, und ob die restliche NATO dann geschlossen (Türkei?) einen Krieg gegen Russland führen wollte, darf zumindest angezweifelt werden. Selbst für die USA wäre es fraglich, ob in einem solchen Szenario mehr als eine quasi nur symbolische Vergeltung erfolgte, denn der Schaden für Deutschland und die EU – welche Putin gerne zerstört sähe – wäre unabdingbar eingetreten, und ein Krieg aufgrund des Bündnisfalls würde womöglich keinen Nutzen bringen, sondern den Schaden – bis hin zum eskalierenden Atomkrieg – womöglich nur weiter vergrößern. In diesem Szenario gibt es dann nichts mehr, was man via Bündnisfall gegen Russland verteidigen kann. Der Schaden ist dann in Deutschland, und damit der EU, unabwendbar eingetreten und nur noch zu vergrößern, wenn man in Russland einmarschierte. Außerdem könnte sich daraufhin China animiert fühlen, seine Chancen in Asien zu nutzen, welche ein Krieg zwischen NATO und Russland mit sich brächte. Und auch andere Konflikte könnten in einem solchen Szenario eskalieren, beispielsweise zwischen Saudi-Arabien und Iran, Indien und Pakistan, oder was sonst noch überall schwelt. Es ist womöglich also durchaus eine – nicht völlig risikofreie, aber eben auch keine völlig unkalkulierbare – Option für Putin, Europa durch eine „Querschläger“-Atomruine in Deutschland nachhaltig zu schädigen, und sei es nur aus Vergeltung für seine Niederlage gegen die Ukraine. Es besteht sogar eine gewisse realistische Chance, dass ein solches Szenario für Russland quasi größtenteils erfolgreich zu bestreiten sei. Biden wäre nämlich dann quasi in der ähnlichen Position wie Chruschtschow während der Kuba-Krise: zurückstecken oder Atomkrieg.
Andere Länder, beispielsweise Frankreich, könnten sich in einem solchen Szenario übrigens ohne NATO (auch nuklear) selbst verteidigen – im Gegensatz zu Deutschland mit seiner „Friedensdividende“. Und in anderen Ländern, beispielsweise in Polen oder Italien, wäre der Schaden für die EU nicht so vergleichsweise groß, als wenn ein solches Szenario einer „Querschläger“-Atomruine in Deutschland stattfände.
Nach Atomkraft wird nun insbesondere von den PolitikerInnen gerufen, die jahrelang Wind- oder Sonnenkraft ignoriert haben, und sonst vor allem immer gerne von Sicherheitspolitik reden – aber jetzt mögliche, gewaltige Gefahren der Laufzeitverlängerung entweder aus Dummheit, oder bewusst, absichtlich und opportunistisch verschweigen.
Florian Lahmann, Peine 

Für Ihre immer wieder originellen Grafiken muss ich mal ein dickes Lob loswerden. Bekanntlich isst das Auge ja auch mit – und der ach so rationale Verstand versteht es eben auch besser, wenn ein Bild klar macht, um was es geht.
Also: Tiptop, was sich die Grafik-Leute bei Ihnen immer wieder ausdenken. Die Deutschlandkarte als Herz – muss man erstmal darauf kommen …
Joachim Amann, Bad Schönborn

Die Überschrift sollte lauten: Wie naiv sind wir? Sicherheit ist in allen Techniken plan- und machbar, aber sie kostet Geld! Geiz ist nicht nur für die Nutzer geil, auch für Saboteure.
Hans-J. Giller, Lichtenfels

Selten habe ich einen derart einseitigen Artikel in der ZEIT gelesen wie den Bericht über die Anschläge auf die Ostsee- Pipelines. Der Artikel suggeriert, es sei eine ausgemachte Tatsache, dass Russland die Anschläge verursacht habe. Dabei stellt die ZEIT gar nicht die hier wesentliche Frage: „Cui bono?“ – wem könnte es nützen? Natürlich konnten die Anschläge Russland nicht nützen, sondern eher schaden: Schließlich gehören 51 Prozent der Pipelines Russland, und Russland hätte hoffen können, dass nach Beendigung des unsäglichen Ukrainekriegs wieder Geld von Deutschland für Erdgaslieferungen via Nordstream in seine Kassen fließt. Andererseits profitieren die USA vom Verkauf ihres teuren und umweltschädlichen Fracking-Gases nach Deutschland. Und sehr wahrscheinlich waren sie es, die die Anschläge ausgeführt haben.
Aber das darf man nicht laut sagen, sonst wird man als „Putin-Versteher“ in die rechts-linke Ecke gestellt.
Dr. Peter Dodel, Rhodt

Ja, wir sind sehr verwundbar!
Niemand zweifelt an der russischen Urheberschaft für die Pipeline Lecks. Es gibt keine Beweise, aber es kann natürlich nur Russland gewesen sein?
Die vorgebrachten Indizien und Motive überzeugen mich nicht. Es habe russische Schiffsbewegungen gegeben. Es könnten aber auch Sprengsätze schon vorher installiert worden sein et cetera. Ziemlich viel Konjunktiv und ziemlich viele offene Fragen für ein Urteil.
Um nicht falsch verstanden zu werden, ich würde es Russland zutrauen. Ich traue Russland inzwischen alles zu, weshalb ich ja auch diese ständige Eskalationsspirale so verdammt gefährlich finde. Ich glaube nur, dass Russland kein Interesse an der Zerstörung der eigenen Pipelines haben kann und auch kein Interesse daran, den verbleibenden Ostseezugang im weiteren Konfliktfall zu gefährden. Aus russischer Sicht könnte ja irgendwann wieder Gas fliessen.
Petra Harink, per E-Mail

Was ich nicht begreife, ist, warum und wieso ein Staat, der nicht völlig verblödet ist, seine kritischen Infrastrukturen überhaupt ans Internet hängen kann. Warum müssen denn Wasserpumpen, Stromverteilungsanlagen, Kraftwerke, Flugsicherung, Gott behüte intensivmedizinische Geräte überhaupt „vernetzt“ sein (außer ggf. mit absolut proprietären Netzen)? Es ist doch wirklich die letzte Binse, dass es nur eine Frage des Aufwandes und damit des Wollens und der Mittel ist, um jedes informationstechnische System, das „am Netz“ hängt, zu übernehmen. Also ist doch die einzig logische Folge, dass man das bei hinreichend wichtigen („kritischen“) Strukturen einfach nicht tut.
Dann muss man halt den Mann bezahlen, der hinfährt und den Schieber auf- oder zukurbelt. Muss die Standleitung legen, die für die Kommunikation (exklusiv) zwischen a) und b) sorgt. Muss irgendwelche Daten von einem Spezialgerät oder -netz ins „allgemeine“ Netz händisch, also mühsam/mit Personalaufwand, aber gefiltert, übertragen. So what!
Dann ist das eben so, und das ist hundert Mal besser als noch ’ne Firewall und noch ’n Schutzkonzept und noch eine Schraube mehr im Wettrüsten zwischen Black Hats und White Hats.
Dr. Christian Naundorf, Berlin

Für wie beschränkt halten Sie Ihre Leserschaft? In Ihrem Artikel werden die Spekulationen der „Außenpolitiker, Militärs und Geheimdienstler aus der Region“ zusammengetragen. Da überrascht es nicht wirklich, dass „niemand an der russischen Urheberschaft zweifelt“.
Die neu eröffnete Baltic Pipe wird also von den Russen verschont und dann doch lieber die eigene Pipeline gesprengt? Diese Unterstellung ist nicht nur unlogisch sondern töricht. Wo sind die Überlegungen der Autoren, ob es nicht noch andere Interessierte für diesen Terror-Anschlag geben könnte?
Ich bin enttäuscht von der Berichterstattung der ZEIT. Ich erwarte eine umfängliche und ausgewogene Information, besonders in diesen schrecklichen Zeiten.
Klaus Wagner, Frankfurt

Der Artikel lässt eine tiefere Analyse über die Verletzlichkeit der deutschen Infrastruktur gegenüber Anschlägen erwarten, leider bleibt diese nur oberflächlich. Das „ob“ wird beantwortet, das „wie (sehr)“ leider nicht. Beispiele: Leitungen am Meeresboden „seien unmöglich zu schützen“, das gelte dann auch für „Pipelines und Stromtrassen an Land, die noch ein viel dichteres Netz bilden“, „unmöglich wäre ein solcher Anschlag nicht“, und einen Absatz weiter: „es dauerhaft flächendeckend zu schützen ist nicht möglich“.
Da hätte ich mir mehr Differenziertheit erwartet, etwa in Form einer Risikobewertung. Diese ergibt sich aus der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses, multipliziert mit dem erwarteten Schaden. So lässt sich z.B. eine Leitung auf dem Land leichter kappen, aber auch gleichzeitig schneller und wesentlich billiger wieder instandsetzen als im Wasser. Ein dichteres Netz an ländlichen Leitungen (im Artikel aufgrund der Größe als weniger schützbar und somit anfälliger konnotiert), ist im Allgemeinen eher in der Lage, eine Störung aufzufangen, als wenige „Hauptschlagadern“ auf dem Meeresboden.
Je dezentraler, kleinteiliger und diverser die Produktion von Energie (und ihre Verteilung) ist, desto geringer ihre großflächige Störanfälligkeit auf physische Angriffe. Diese Aspekte und Auswege auf mehr Unabhängigkeit hätte man benennen können, statt dessen geht der Tenor des Berichts unnötig in Richtung Panikmache.
Norbert Rösch, Emmendingen


 

Leserbriefe zum Pro & Contra „Wirft der Staat mit zu viel Geld um sich?“ von Ileana Grabitz und Anna Mayr

Erstens wird ein als gerecht empfundener Konsens über die (Einkommens-)Grenze, wer gerade noch förderwürdig ist und wer nicht mehr, nur schwer zustande kommen. Es wird immer eine mehr oder minder große Gruppe geben, die sich nicht nur nicht hinreichend berücksichtigt, sondern eigentlich ungerecht behandelt fühlt. Zweitens würde vermutlich neben der Oberschicht vor allem auch die obere Hälfte der Mittelschicht nicht förderungswürdig sein und daher – bei konsequenter Anwendung – nie berücksichtigt werden, obgleich sie einen erheblichen Beitrag zum Steueraufkommen liefert. Die Betroffenen werden sich das auf Dauer nicht gefallen lassen. Geforderte Solidarität darf nicht immer nur von oben nach unten, sondern muss wenigsten fallweise auch von unten nach oben praktiziert werden. Drittens, wer meint, dass diese Art von Sparsamkeit die Steuerlast für den Einzelnen reduzieren würde, geht sicher fehl.
Günther Lettau, Wien

Bei zwei mit „Ja“ und „Nein“ überschiebenen Artikeln erwarte ich, höchst konträre Positionen und Argumente lesen und abwägen zu dürfen. Diese Erwartung wurde enttäuscht. Frau Grabitz tritt im Wesentlichen – meines Erachtens vernünftigerweise – dafür ein, staatliche Hilfen an jene zu geben, die sie benötigen, nicht aber auch an jene, die sie nicht benötigen. Wenn ich Frau Mayr richtig verstehe, vertritt sie nicht explizit und prinzipiell die gegenteilige Position – vom Gaspreisdeckel vielleicht einmal abgesehen. Frau Mayr fordert ihrerseits im Wesentlichen – meines Erachtens vernünftigerweise –, jetzt jene zu unterstützen, die Hilfe benötigen, und in die Zukunft zu investieren. Ich kann nicht erkennen, dass Frau Grabitz dagegen argumentiert. Wo also sind die mit den Überschriften implizit versprochenen gegensätzlichen Positionen?
Ich selbst halte übrigens einen Gaspreisdeckel nicht für die beste Lösung, sondern fände direkte und empfänger*innengenaue Hilfszahlungen sinnvoller. Insgesamt kostengünstiger wären sie wahrscheinlich auch. Was die Investitionen in die Zukunft betrifft, müsste meines Erachtens der jahrzehntelang vernachlässigte bzw. aktiv verhinderte Ausbau der erneuerbaren Energien absolute Priorität haben.
Dr. Ulrich Willmes, Paderborn

Ihre Einladung zum Streiten nehme ich gerne an: Nein, der Staat wirft nicht mit zu viel Geld um sich. Denn seine Investitionen braucht die Gesellschaft dringend.
Ja, der Staat wirft mit zu viel Geld um sich. Denn er wirft es an der falschen Stelle zum Fenster hinaus.
Gebraucht wird sehr viel Geld für die wesentlichen Aufgaben des Staates: Er muss dafür sorgen, dass seine Bürger ein menschenwürdiges Leben führen können. Das bedingt Ausgaben vor allem für Klimaschutz, das Gesundheitssystem, Bildung, äußere und innere Sicherheit, Kinder- und Altenpflege, die (Verkehrs-)Infrastruktur, Wirtschaftsförderung (so weit sie die Lebensgrundlagen der Bürger sichert; eine Stützung der Glashersteller in der Energiekrise erscheint z. B. da gerechtfertigt, wo es um Produkte für den Medizin-Betrieb und nicht um  den „perfekt gedeckten Tisch“ geht). Wofür der Staat nicht sorgen muss: Dass seine Bürger, gerne auch mehrmals pro Jahr, nach Mallorca fliegen, regelmäßig im Restaurant essen, sich im Café und/oder in der Kneipe etwas Gutes tun, ins Theater gehen, sich in Stadien, bei Konzerten und „Events“ die Zeit vertreiben können.
Zu einer solchen strikten Differenzierung und Priorisierung, die heute mehr denn je Not täte, fehlt den Regierenden seit Langem (also nicht nur der Ampel) der Mut – aus Angst, lautstarke Minderheiten nicht „mitzunehmen“ (von denen sich manche wohl gar nicht „mitnehmen“ lassen wollen). Stattdessen stützen sie zu Corona-Zeiten die Lufthansa und TUI, also: den Konsum mit Milliarden und verteilen neuerdings mit Tankrabatten und anderen Maßnahmen Geld per Gießkanne auch an Menschen, die ohne diese Unterstützung genauso problemlos leben könnten. Klima, Pflege, Bildung darben derweil weiter.
Dass das staatliche Engagement bei Lufthansa und TUI sich am Ende womöglich sogar auszahlt, ist kein Trost. Zumal die Politik damit bei den Bürgern die Erwartung fördert, dass ihr bisheriges Konsumverhalten alternativlos weitergehen kann. Als wäre ein Leben ohne Lufthansa und TUI undenkbar…
Josef Pütz, Mönchengladbach

Beim Lesen der beiden Artikel „Für“ und „Wider“ habe ich mir gedacht, dass letztendlich doch beide Autorinnen recht haben. Frau Ileana Grabitz brinkt es auf den Punkt: „Zielgerichtete Hilfen für Unternehmen und Privatpersonen“.
Ich frage mich schon lange, weshalb der Bund das in einem verwaltungstechnisch sehr hochentwickelten Land nicht hinbekommt? Hat denn niemand in den unteren Verwaltungseinheiten des Landes den Überblick, ob eine Privatperson oder auch ein Unternehmen tedenziell eher Hilfe braucht als andere? Wie sieht es denn beispielsweise mit den Steurbehörden aus? Sie sollten doch wissen, ob eine Familie ein Jahreseinkommen von eher 25.000 Euro oder 100.000 Euro hat; erstere sollten unterstützt werden, letztere können es alleine stemmen. Könnte das nicht zum Beispiel herangezogen werden?Gleichzeitg bin ich aber auch bei Frau Anna Mayr. Man sollte bei den derzeitigen Krisen nicht zu sehr auf die magische Schuldenbremse schauen (sollte kein Fetisch werden). Die Schuldenbremse einhalten, wenn möglich, aber weiterhin brechen, wenn nötig (ausschließlich in Krisen und Notfällen nationaler Tragweite, was wir derzeit haben). Vielleicht könnte man beides bekommen, wenn man zielgerichteter helfen würde; sowohl die vom Staat unerlässliche Hilfe für alle, die in Notlage geraten, aber entsprechend die notwendigen Ausgaben minimieren und dadurch eher in die Nähe der Schuldenbremse zu kommen und sie einhalten zu können.
Thomas Moissl, Liederbach am Taunus

Ich habe es auch gern komfortabel, „Crémant für jeden“ klingt für mich erst mal verlockend. Für alle 8 Milliarden Menschen auf der Erde? Oder nur für die privilegierten Deutschen? Oder sollte das ein Witz sein?
Übrigens – an schicken Klamotten gibt es für viele Jahre keinen Mangel, wenn sie nicht verbrannt werden. Es hängt sowieso zu viel Zeug in unseren Kleiderschränken. Gut sitzende Hosen bekomme ich auch in Second-Hand-Shops.
Wiltrud Pietschmann

Hiermit bekenne ich freimütig, ein großer Cremant- wie auch Champagner-Liebhaber zu sein! Doch in Tagen wie diesen darf ’s auch mal ein trockener Weiß- oder Roséwein mit Sprudelwasser sein!
Die wichtigste Tugend in einer Krisenlage ist die Solidarität unter den Menschen: zusammenstehen und sich gegenseitig helfen! Nicht auf den Friseur verzichten, sondern die Besuchsintervalle strecken! Nicht nur zu McDonalds gehen, sondern gelegentlich die Gasthäuser am Wohnort besuchen! Statt immer nur online bei Amazon bestellen, dabei mit den unzähligen Retoure-Kutschen das Klima belasten, gezielt in den Geschäften vor Ort einkaufen! Wir alle müssen den Gürtel enger tragen, mit einem schmaleren Geldbeutel auskommen, dafür gehen wir nicht pleite, sondern überleben abgespeckt! Wer natürlich sein Geschäftsmodell auf ständiges Wachstum ausgerichtet hat, wird sich eines Tages verwundert die Augen reiben!
Seien wir doch mal ehrlich: die noch immer bescheidenen Einschränkungen in einer Friedens-Krisenzeit sind um ein Vielfaches erträglicher als das Leid, die Qualen und die Gräuel, die der Krieg den Menschen zufügt!
Wenn der, hoffentlich bald, zugunsten der Ukraine endet, werden wir bei einer grandiosen Cremant-Sause die Korken so laut knallen lassen, daß diese Friedens-Explosionen auch noch im Kreml zu hören sind!
Dr. Ulrich Pietsch, Nidda-Ulfa

Hallo, potzblitz, Anna Mayr geht ins Schneideratelier und das in Berlin-Mitte und sogar monatlich. Und sie trinkt Crémant. Gibt es den bei der „Tafel“?
Den „Rasensprenger“, der auch die Millionäre „bewässert“, scheint sie nicht zu bemerken (ich finde, das Bild von der „Gießkanne“ trifft es nicht, denn die ist doch relativ zielgenau). Für meinen (durchaus humoraffinen) Geschmack ist nicht nur die Bezeichnung „politische Folklore“ für die Diskussion über Schulden reichlich flapsig.
Ileana Grabitz erkennt den „Rasenmäher“, aber nicht das Ausmaß der Notlage vieler Menschen. Sie will die bei den Wohlhabenden eingesparten Milliarden nicht den wirklich Bedürftigen zukommen lassen, sondern lieber einsparen (sic: Lindners Schuldenbremse).
Das Ergebnis dieses Streits ist unbefriedigend.
Sven Herfurth, Bargteheide


 

Leserbriefe zu „Die Lügen der Fleischesser“ von Sophie Neukam

In Bezug auf den soeben gesendeten Leserbrief komme ich gleich beim nächsten Artikel auf die zuletzt geschriebenen Zeilen zurück: zur Wahrheit gehört, wir essen zu viel Fleisch (v. a. tut das unserer Gesundheit nicht gut). Das heißt, wir sollten weniger Fleisch essen, soweit bin ich dabei. Der Artikel spricht dann aber schon wieder von Vegetariern und suggeriert, dass eigentlich nur der konsequente Verzicht auf Fleisch sinnvoll ist. Dabei ist das nicht der Fall, Flexitarier wäre optimal, sowohl aus Ernährungssicht, als auch aus Sicht der Kreislaufwirtschaft. Wir brauchen Tierhaltung, um die nicht-essbare Biomasse zu verwerten und über die Tiere in Lebensmittel zu verwandeln! Sonst funktioniert die Ernährung der gut 8 Mrd. Menschen auf diesem Planet nicht! Zur Wahrheit gehört eben, dass weltweit 70 Prozent (und in D 33 Prozent) der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche Grünland/Steppe/Grasland ist, das wir nur über den Wiederkäuer für die menschliche Ernährung nutzen können. Dazu kommt der Ackerfutterbau, der für die Bodenfruchtbarkeit gut ist (außer Silomais), und wieder nur vom Wiederkäuer verwertet werden kann. Weiterhin entsteht bei der Produktion von vegetarischen/veganen Lebensmitteln viel nicht-essbare Biomasse (und zwar grob im Verhältnis 1:4, wobei 1 Teil Lebensmittel wird und 4 Teile nicht-essbare Biomasse!), die wiederum nur über das Tier in Lebensmittel verwandelt werden können. Dazu kommen noch Dinge wie Abputzgetreide, aussortierte (weil wegen Form/Schale usw. nicht für den Verkauf geeignet) Lebensmittel, die alle nur über das Tier verwertet werden können.
Auch hier gilt: ideologische Brille ablegen und der Realität ins Auge schauen, und auch den Artikel dann differenziert schreiben.
Stefan Thurner, Scheyern 

Fleischessern, die sich im Supermarkt bewusst oder unbewusst für industriell gefertigte Fleischerzeugnisse entscheiden, sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, Einblick in einen Schlachthof zu erhalten, damit sie auch mal sehen könnten, wie das Produkt, dass schlussendlich auf ihren Tellern landet, denn eigentlich hergestellt wird. Ich denke, dass diese Art der Aufklärung bei vielen ein einschneidendes Erlebnis darstellen könnte. Eine Idee wäre es, dass Fleischbetriebe einen QR-Code auf die Packung anbringen, der den Kunden dann beim Scannen einen ehrlichen Einblick in die Produktionsabläufe geben würde. Ich bin mir sicher, dass viele dieser Art der Transparenz gegenüber aufgeschlossen wären. Achtung, Spoiler! Der Part, wo Krankheiten einfach rausgeschnitten werden, ist besonders widerwärtig. Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, Thema Fleisch. Wir sparen viel CO-2 ein. Zudem ist es gut fürs Tierwohl. Und für die Ethik tun wir nebenbei auch noch etwas.
Michael Ayten, Trier an der Mosel

Hier wird behauptet, dass viele Bundesbürger mehr Wurst, Braten und Steaks essen als sie zugeben. Wieso zugeben? Sie haben eben keine Lust auf Fisch oder veganes Labberzeug wie Tofu oder Grünzeug. Na dann, bon appetit.
Hans-Emil Schuster, Hamburg

In dem Artikel wird offenbar davon ausgegangen, dass Fleischessen im Grunde verwerflich ist und der Rechtfertigung bedarf. Ich esse gerne Fleisch, weil es mir einfach gut schmeckt und meines Wissens kein veganes Surrogat geschmacklich an ein gut zubereitetes Lamm- oder Rinderfilet heranreicht, und ich bin der Ansicht, dass das Fleischessen für den Menschen als Allesfresser ethisch in Ordnung ist, sofern die Tiere vorher artgerecht gehalten sowie angstfrei und schmerzlos getötet wurden. Mehr kann frau*man schließlich auch als Mensch nicht erwarten, als gut zu leben sowie schmerzlos und angstfrei zu sterben. Allerdings habe ich in der Praxis trotzdem Gewissensbisse, weil erstens selbst Biofleisch nicht zwangsläufig von artgerecht gehaltenen und schmerzlos getöteten Tieren stammen muss, weil ich zweitens noch nicht einmal durchgängig Biofleisch kaufe und es mir auch nicht durchgängig leisten könnte und weil drittens in der Gastronomie wahrscheinlich in der Regel kein Fleisch von artgerecht gehaltenen und schmerzlos getöteten Tieren auf den Tisch bzw. Teller kommt. Es wäre mir deshalb lieb, wenn Gesetzgeber und Regierung mit dem Tierschutz auch bei Nutztieren Ernst machten und durchgängig eine artgerechte Tierhaltung (auch bei importiertem Fleisch) vorschrieben und die Einhaltung der Gesetze auch kontrollierten. Derzeit gibt es in Deutschland in der Nutztierhaltung praktisch keinen Tierschutz, wie diverse Recherchen, deren Ergebnisse auch in der ZEIT zu lesen waren, nachgewiesen haben. Wenn die Tiere mit Sicherheit artgerecht gehalten und schmerzlos sowie angstfrei getötet würden, bräuchte ich keine Gewissensbisse mehr zu haben und die Probleme bezüglich Klima und Gesundheit, die sich aus dem massenhaften Fleischkonsum ergeben, würden auch minimiert, denn Fleisch aus artgerechter Tierhaltung ist zwangsläufig wesentlich teurer als solches aus industrieller Massentierhaltung, so dass der Fleischkonsum sinken und Klima sowie Gesundheit geschützt würden.
Dr. Ulrich Willmes, Paderborn

In Ihrem Artikel fragen Sie, warum es Menschen so schwer fällt, mit dem Fleischessen aufzuhören, obwohl es doch mit der Klimakrise, dem Tierwohl und Aspekten eigener Gesundheit genug Gründe dafür gäbe. Dass das nicht gelingt, sehen Sie in der Menschheitsgeschichte begründet, in der Fleisch für Wohlstand, Macht – und fürs Mannsein stehe sowie die Prägung durch traditionelle Zubereitungen (Heimatbezug). Biologische Hintergründe, die unsere Nahrungspräferenz begründen, werden leider nicht genannt.
Wenn wir essen geht es darum, die Hauptnährstoffe: Eiweiß, Fett und Kohlenhydrate aufzunehmen. Diese kommen in der Natur nicht als Isolate vor, sondern sind stets mit weiteren Komponenten (Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, Ballaststoffanteilen et cetera) vergesellschaftet. Somit ist es also nicht egal, gar beliebig, was wir essen. Im Laufe der Evolution haben Zungenrezeptoren gelernt, den metabolischen Nutzen des Bissens in Sekundenbruchteilen zu erkennen – deshalb mögen wir weder Gras, Stroh oder Baumrinde. Wertvolle Nahrung schmeckt uns.
Die hohe sensorische Attraktivität von Fleisch begründet sich aus den idealen Verhältnissen essentieller Aminosäuren, wertvoller Fett- und hoher Mineralstoffanteile und der Vitamine. Fleisch ist ungiftig, sättigend, ist einfach zu garen und triggert unseren Appetit aufgrund von Glutamat und Exorphinanteilen (Hämorphine), die uns lustvoll zubeißen lassen. Ebenfalls sorgen die Beta-Carboline des gerösteten Fleisches für Wohlbefinden. All das hat weder etwas mit Klimakrise, Macht oder Mannsein, sondern mit Biologie zu tun, die sich in Jahrmillionen aus trial and error als verlässlichste Orientierung genetisch manifestiert hat. Ungesund kann das schon gar nicht sein, sonst hätte die Evolution in den Genen eine krankmachende Disposition implementiert.
Günther Henzel

Ich habe vor einigen Jahren angefangen, mir die Mengen an Fleisch, Wurst und Käse zu notieren, die ich esse. Und wie bei Ihnen hat schon das Aufschreiben zu einem verringerten Konsum geführt. Es ist mir mittlerweile einfach vor mir selbst peinlich, wenn ich tierische Lebensmittel gedankenlos konsumiere. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrem Experiment!
Sabine Möhler


 

Leserbriefe zu „Guter schmutziger Kompromiss“ von Roman Pletter

Mit diesem kleinen Artikel zum verbesserten Kohlekompromiss haben Sie den Nagel noch etwas besser getroffen, als Sie es vielleicht beabsichtigt hatten. Bei all der Diskussion um Deutschlands Anstrengungen, Klimaziele einzuhalten, geht der wesentliche Punkt oft unter – oder er wird für Stimmungsmache diskreditiert: Unser gerade einmal 2-Prozent-Anteil an der Misere.
Nur, es sind eben nur formell nur 2 Prozent. Wir exportier(t)en 10-15Prozent aller Verbrennungsmaschinen dieses Planeten. Flugzeuge, Autos, Schiffe, Kraftwerke, Ingenieursexpertise, et cetera.
Wenn Deutschland wirksam umsteuert, hat das also gleich zwei Effekte. Erstens den Vorbildeffekt, dass eine Industrienation das hinbekommt (ja es geht, „das alles“ mit Wind und Solar anzutreiben) und dabei sogar noch gewinnt – z. B. Unabhängigkeit und Preisstabilität.
Und zweitens entfiele damit unsere bisherige fossile Exportbasis. Zumindest wenn man davon ausgeht, dass wir nicht zu Hause E-Autos fahren und Wärmepumpen nutzen und gleichzeitig unser Geld damit verdienen, in Asien, Amerika und Afrika weiterhin Verbrenner aller Art zu verkaufen.
Anders formuliert: Jede bei uns ersetzte (nicht eingesparte) fossile Kilowattstunde hat in dieser Welt mindestens den fünffachen Effekt. Und umgekehrt ebenso. So wichtig ist Deutschland.
Joachim Amann, Schönborn 

Mit der Entscheidung über das nur nur noch als Symbolik anzusehende Lützerich und der Verkürzung der Braunkohleverstromung auf 2030 haben die Grünen einen verdienstvollen Schritt hin zu einer angemessenen Realitätspolitik für die nationale Energieversorgung geleistet, ohne Grundsätze aufzugeben.
Jürgen Dressler, Mülheim a.d.R. 

Danke für den Genuss der ZEIT jede Woche! Auch über ihre Gedanken über den aktuellen schmutzigen Kompromiss.
Ich vermisse bei Ihren Beiträgen zum Energiethema eine sorgfältige Darstellung der Chancen und Grenzen der Nutzung der Erdgasvorräte auf deutschem Territorium. Nordsee angrenzend an die holländischen, norwegischen und dänischen Vorkommen.
Auch eine Diskussion der möglichen neuen, emissionsarmen Fracking-Verfahren auf dem Festland; und auch des Verfahrens, das die Österreicher an der Universität Leoben entwickelt haben. Das ist vielleicht ein ungeliebtes Thema abseits der politischen Ideologien dieser Tage  –  aber eines kritischen modernen Journalismus würdig, wie ich finde. Ich bin gespannt darauf, ob sie sich daran wagen und wie sie das handeln werden.
Prof. Wolfgang Tonne

Soll am deutschen Wesen wieder mal die Welt genesen? Gut ist es, den Kohleausstieg so früh zu vollziehen, wie unsere Volkswirtschaft und die Energieversorgung es verkraften, sowie die Preise moderat und für alle bezahlbar bleiben. Aber was geschieht für die Rettung des Klimas und die Einhaltung des „Pariser Klima Abkommens“ im Rest der EU-Staaten? Frankreich setzt weiter auf Atomstrom, Polen, Ungarn und Tschechien bauen und betreiben Kohlekraftwerke und betreiben Atommeiler. Vom Rest der Welt nicht zu schweigen: Die USA betreiben Fracking, um Gas zu bekommen, und Russland, China und Indien, um nur die größten Umweltverschmutzer zu nennen, setzen auf Kohle und Atomkraftwerke um ihren enormen Energiebedarf zu decken. In einer für das Weltklima angemessen Zeit ist mit einer Änderung des Verhaltens oder gar einer Einsicht in die Notwendigkeit des Umdenkens nicht ernsthaft zu rechnen. Das sind traurige, eigentlich apokalyptische, Aussichten. Die weiter ansteigende Erhitzung der Erdatmosphäre ist so leider nicht zu stoppen. Ende 2015 in Paris haben 195 Staaten dem Klimaabkommen zugestimmt mit dem Ziel, den Schwellenwert der globalen Erderwärmung unter 2 Grad und idealerweise auf 1,5 Grad zu begrenzen. Dieses Ziel ist weltweit leider in weite Ferne gerückt. Die Auswirkungen der Erderwärmung sind schon jetzt spürbar. Wärmere Sommer, Dürreperioden, Überschwemmungen durch Starkwasserereignisse, Wirbelstürme, Waldbrände und ausgetrocknete Flussbetten. All das führt vor allem in den sogenannten Entwicklungsländern zu humanitären Katastrophen in immer kürzeren Abständen und immer größerem Ausmaß. Aber auch in der sich selbst so bezeichnenden Ersten Welt nehmen Schwierigkeiten für große Teile der Bevölkerung in finanzieller und versorgungstechnischer Hinsicht immer mehr zu. Die deutsche Politik hat bisher noch keine praktikablen Lösungsmöglichkeiten für die erkennbare soziale Schieflage gefunden. Das Reden vom „Doppel-Wumms“ allein hilft nicht sonderlich, um die konkreten Probleme zu lösen. Es ist nur eine Steilvorlage für Kabarettisten. Also muss nicht nur die Jugend, sondern eigentlich müssen alle Bürger auf die Straße: „Every Day for Future“!
Felix Bicker, Essen

Roman Pletter schreibt in seinem Artikel: „ … einhergehender Beschluss, zwei Kraftwerksblöcke bis Frühjahr 2024 weiterlaufen zu lassen.“ Als überzeugter AKW-Befürworter freue ich mich über diese Nachricht, die exklusiv in der ZEIT zu lesen ist. Gratulation zu dieser „Sternstunde“ des Journalismus.
Bernd Pfeiffer, Friolzheim


 

Leserbriefe zu „Die Kinder fressen die Revolution“ von Mariam Lau

Warum verwenden Sie (ebenso wie die heutigen DLF-Nachrichten) den euphemistischen Ausdruck „Sicherheitskräfte“ für iranische Staatsterroristen?
Thomas Manthey, Giesen

Das Opfer Sarina Esmailsade wird auf der Seite 2 abgebildet mir der Information: „ …von Sicherheitskräften erschlagen“.
Die Verwendung des Wortes „Sicherheitskräfte“, nicht nur in der ZEIT, im Zusammenhang mit Gewaltherrschaft ist problematisch. Das Wort „Sicherheit“ suggeriert etwas Positives, ein jeder hat ein Bedürfnis nach Sicherheit. Wenn von Sicherheitskräften die Rede ist, dann geht es allerdings zumeist nur um die Sicherheit für die jeweiligen Machthaber, die des Regimes. Dann sollte dementsprechend auch von „Regimekräften“ (o. ä.) die Rede sein. Bitte etwas mehr Sprachbewusstsein!
Axel Mittelstaedt, Köln

Iran ist ja zu Recht immer wieder der Sündenbock, und der Mut der (jungen) Frauen, bei Lebensgefahr zu protestieren, ist für uns, die wir soweit weg sind, eine tolle Sache.
Schauen wir aber genauer auf unser Heimatland, dann müssen wir zugeben, dass in Deutschland im Minutentakt Kinder, Jugendliche und Frauen bedroht und vergewaltigt werden. Ja, im Minutentakt werden hunderte oder tausende von wehrlosen Menschen jede Stunde, jeden Tag, schon seit Jahren, von deutschen Mitbürgern vergewaltigt. Aber Journalistinnen, die so komfortabel in Deutschland leben, und Medien wollen ja nur berichten und nicht  Werkzeug der Veränderung sein.
Vielleicht können wir von diesen mutigen Frauen im Iran lernen?
Marianne Werner , Vancouver

Die Aufstände im Iran gehen in die vierte Woche. Sie sind in der Dimension, in ihrer Stoßrichtung, in der Breite ihrer Anhängerschaft und in der Klarheit gegenüber den Gegnern seit 1979/80 unerreicht – zu­mindest wenn man den Verlautbarungen von BBCFarsi, der CNN und einigen stark engagierten iran­stämmigen Journalistinnen in der Bundesrepublik in der Darstellung folgt – wofür es nachweislich stich­haltige Gründe gibt. Den bisherigen Stand kann man aktuell so skizzieren:
Offenbar erstmalig haben sich Arbeiter der Petrochemischen Industrie in Bushehr, im Süden Irans ange­schlossen. In Sinê (kurdischer Teil des Irans) haben gestern schwerste Angriffe vom Militär auf Zivilisten stattge­funden. Gleichzeitig haben Teile der Bevölkerung im Widerstand gegen die staatlichen Organe offenbar Stadtteile „befreit“. Es finden bürgerkriegsähnliche Szenarien statt, was sich mit der Radikalität und der bekundeten Feindschaft gegen das Regime in der Hauptstadt deckt. Einige Reporte legen nahe, dass die IRGC große Teile Kurdistans im Irak (sic!) mit schweren Waffen und Bodentruppen attackiert. Es gibt glaubwürdige Ankündigungen, dass der Iran in diesen Tagen wieder groß angelegte Drohnen- und Rake­tenangriffe auf die Kurden-Region Irak fliegen will.

Die Protestbekundungen, Kämpfe, Aufstände und blutigen/ tödlichen Auseinandersetzungen betreffen nahezu alle Teile des Landes, nicht nur die Hauptstadt. Dabei ist das Vorgehen der staatlichen Kräfte durch äußerste Brutalität gekennzeichnet: Schülerinnen und Schüler werden abends/nachts ihren Fami­lien entrissen und in Gefängnisse gesteckt, erschossene oder totgeprügelte Jugendliche und Studenten werden den Familien zur Beerdigung vorenthalten, an unbekannten Orten verscharrt – den Angehörigen der Familien wird mit mehr Gewaltanwendung gedroht, sollten sie irgendetwas von dieser Praxis be­kannt machen. Vielmehr werden sie angehalten, falsche Ursachen für den Tod der Schwester/Tochter zu vertreten – Gerichtsmediziner werden angewiesen, staatliche Behauptungen weiterzugeben. Wollen die verzweifelten Eltern ihre toten Kinder also zur letzten Ruhe bringen, müssen sie den Mördern ihres Kin­des bestätigen, dass es bei einem Unfall starb. Sie müssen Exekutionsorgane freisprechen, damit sie die Leiche bekommen. Das Regime lässt vor allem junge Menschen töten. Schergen der Miliz und Teile des Militärs holen/zerren „Verdächtige“ (bisweilen auch vollkommen willkürlich) aus Häuserzeilen, Woh­nungen oder aus (Hoch-) Schulen. Es gibt Berichte darüber, dass Schülerinnen direkt in der Schule fest­genommen wurden, zum Teil Mädchen aus der Unterstufe. Protestierende, Journalisten, politische Op­positionelle (vor allem Kurden) werden gekidnappt, „verschwinden einfach“. „Krankenwagen“ werden auf Demonstrationen von Spezialeinheiten genutzt, um Demonstranten darin mitzunehmen. Es wurden auch schon Eiswagen vor dem Foltergefängnis Evin in Teheran gesichtet, die ganz offensichtlich einge­setzt werden, da Krankenwagen bereits bei Studenten et cetera als verdächtig gelten. Benannte Organe/In­formationsquellen gehen mittlerweile von mehr als 3000 Inhaftierten aus, mehrheitlich Studenten, Schü­ler, Künstler, Medienschaffende, Journalisten. Es gibt verzweifelte Hilferufe von Gefangenen des La­kan-Gefängnisses in Rasht. Sie werden offenbar bedroht, sie sagen, dass Kinder erschossen werden. Sie schreien um Hilfe. (Es gibt Tondokumente und offenbar Versuche, die Gefängniswärter zu überwältigen. Unterschiedliche Berichte aus der Stadt Rasht im Nordiran sagen aus, dass die Gefangenen in dem Ge­fängnis Lakan sich gegen die Gefängniskräfte gestellt haben.) Bis jetzt wurden allein im Großraum Te­heran etwa 3000 Personen während der Proteste/Aufstände festgenommen. Diese sitzen entweder im Foltergefängnis Evin oder im „Wüstendreckloch“ Fashafuyeh, etwas außerhalb von Teheran und werden „verhört“.

Rolle der (öffentlich-rechlichen) Medien

Warum will man verifizierte Quellen darüber, dass der Staat im Iran die Inhaftierten ermordet, wenn Ju­gendliche auf offener Straße mit Schlagstöcken verprügelt, auf dem Kopf eingeschlagen wird, Autofah­rer erschossen werden, wenn sie den Protestierenden zustimmend zuhupen, zahlreiche Patronenhülsen unterschiedlicher Kaliber auf Straßen gefunden/ aufgelesen werden? Wenn die iranischen Exiljournalist:innen nicht imstande sind, über die Proteste im Iran zu berichten, wie es heißt, dann ist kein einziger deutscher Journalist in der Lage, über den Angriff Russlands auf die Ukraine zu berichten, aus dem selben Grund.
Beispielhaft die „zurückhaltende“ Berichterstattung der Tagesschau aus Allgemeinplätzen zu den Auf­ständen (Mädchen rebellieren), vollkommen verkehrter Kennzeichnung des Versuchs, das Regime zu stürzen als „Protest“ oder der Darstellung als „ausgewogen“, was letztlich mündet in Uninformiertheit, schlechter Recherche und Falschdarstellung, ein Beispiel: „Demnach stieg die Gewaltbereitschaft auf beiden Seiten deutlich.“ – „In der westiranischen Stadt Sanandadsch, Hauptstadt der Provinz Kurdistan, wurde den Angaben zufolge ein junger Autofahrer während einer Demonstration durch einen Kopf­schuss getötet. Die Polizei gab an, dass Demonstranten ihn erschossen hätten, die wiederum machten die Polizei für den Tod verantwortlich.“ Demnach könnte man annehmen, die stattfindende Gewalt hätte auch ihre Ursache in der Haltung/ den Aktionen der „Protestierenden“, was – gelinde gesagt – vollkom­men verdreht, ja zynisch ist. Letztlich läuft das auf eine
(Teil-) Rechtfertigung der Tötungen heraus, eine Legitimation der Regierungsgewalt als legitime „Antwort“ des Souveräns. Das zweite Zitat ist einfach das Dokument schlampiger Recherche und dem Willen, möglichst leisetreterisch/ „ausgewogen“ zu erscheinen. Eine unklare Quellenlage liegt zu diesem Sachverhalt einfach nicht vor – und selbst wenn wäre sie anders auszudrücken.
Ein anderes Beispiel ist die Frage/das Statement an/gegenüber iranischstämmige Journalist:innen in Diskussionssendungen: Es gebe ja keine „richtige Opposition“ oder Führungsperson. Das ist überhaupt nicht zielführend dahingehend zu beurteilen, was dort stattfindet, ja sogar gefährlich, da es vollkommen vom instrumentellen Verhältnis, dem Interesse an dem Iran lebt. Die Frage suggeriert, man bräuchte die­se Führung. Fragt sich, für wen oder was denn. Die Antwort der Politik, man fürchte einen Flächenbrand in der Region, sollte man nun die „Verbindungen“ zum Regime aufgeben ist heuchlerisch und zeigt, dass man gewillt ist, am Interesse an Öl- und Gasvorkommen im Land festzuhalten (diplomatischer Ti­tel: Annäherungspolitik der Öffnung) bzw. die Verhandlungen um den Atomdeal nicht aufzugeben. Für eine neue Republik im Iran findet sich schon jemand besseres, keine Sorge! Dazu muss es aber erst Frei­heit und Sicherheit geben. Aber die „Sorge“ ist ja auch nicht den Menschen im Iran gewidmet.
Sven Adiek (Politikwissenschaftler/Soziologe) 

Quellen: Nazanin Boniadi, Green Party of Iran, Saman Rasoulp (Current Affairs Senior Editor), Düzen Tekkal (Journalistin und Filmemacherin), Ario Mirzaie (Compact), Aras-Nathan (Politikberater), Katharina Willinger (ARD Korrespondentin), Gilda Sahebi (Journalistin/ Politikwissenschaftlerin), Isabel Schayani (Moderatorin: Weltspiegel, ARD), Shoura Hashemi, Natali Amiri (Weltspiegel); The Guardian; Rana Rahimpour; Iranwire.com; meine Feunde im Iran.

 

Sollte es vielleicht „die Kinder frisst die Revolution“ heißen, weil ja die Kinder von der Revolution gefressen, also getötet werden und nicht die Revolution von den Kindern?
Franziska Becher


 

Leserbriefe zu „Im Kern gespalten“ von Matthias Krupa

Frankreich hat nicht nur eine komplett andere Energiepolitik als Deutschland, sondern auch eine andere Baukultur. Wo hierzulande alle Neubauten seit den 90ern weitestgehend gedämmt und Altbautendämmung gefördert wird, hinkt Frankreich hier bei der Wärmedämmung extrem hinterher.
Wir haben bei unseren zahlreichen Frankreichaufenthalten der letzten 20 Jahre in keiner der Privatunterkünfte in denen die Eigentümer selbst auch wohnen eine Wärmedämmung vorgefunden; auch nicht in den Alpen oder Vogesen oder der Bretagne. Vielleicht sollte Frankreich da mal tätig werden anstatt die Atomkraft auszubauen.
Stefan Burda, Essen

Das Straßburger Münster ist ein beeindruckendes Bauwerk, und besonders die Westfassade ist eine faszinierende filigrane Traumwelt aus Sandstein. Diese kommt vor allem in der Dunkelheit durch eine sehr aufwändige und geschickte Illumination zur Geltung. In Deutschland wird nun allerorts zurecht an öffentlichen Gebäuden das Licht ausknipst und die Temperaturen werden herruntergeregelt. Da tut es schon irgendwie weh, wenn man gleichzeitig sieht, wie das Münster in Straßburg die ganze Nacht beleuchtet wird und in Deutschland dafür Atomweiler in Betrieb gehalten werden, um den nötigen Strom zu liefern. Europa – geht’s noch?
Dr. Andreas Hug, Marne

Die finanziellen Probleme von EDS haben hauptsächlich 2 Ursachen: In Frankreich ist der Strom sehr billig, privat kostet die Kwh ca. 0,15 Euro, das ist natürlich ein politischer Preis.
Für das EPR-Desaster sind die Firmen Framatom bzw. Avera verantwortlich. Als sich abzeichnete, dass sie wegen der massiven Kostenüberschreitungen pleitegehen würden, musste EDS sie übernehmen, natürlich mit allen Schulden und Problemen. Für den Zustand der alten Reaktoren ist allerdings EDS selbst verantwortlich.
Peter Pielmeier, Alsbach

Die Parteien der Atomlobby, allen voran die AfD, die FDP, die Freien Wähler und die CDU/CSU, scheinen eine nahezu unbezähmbare Lust auf den Untergang zu verspüren. Denn ihnen muss doch klar sein, dass die Gewinnung von Atomstrom teuer und mit dem höchsten Risiko für die Bürger des Landes behaftet ist. Selbst die Tatsache, dass die Bundesrepublik bis heute kein Endlager für die hochradioaktiven Abfälle hat, die von den AKW rund um die Uhr produziert werden, ignorieren sie geflissentlich. Und nicht zuletzt: Die erst wenige Tage zurückliegenden Anschläge auf die Deutsche Bahn können, genauso wie die auf die Ostseepipelines, nur von hochqualifizierten Spezialisten durchgeführt worden sein. Wenn diese nun auch unsere noch laufenden Atomkraftwerke angreifen, dann sind wir alle dem Tode geweiht. Das ist auch ein Grund, warum gerade die CSU endlich mal einen Gang in Sachen Atomenergie zurückschalten sollte. Diese Partei saß bis vor nicht allzu langer Zeit 16 Jahre in der Regierung Merkel und hat es versäumt, eine Energiewende herbeizuführen, die die heutige Diskussion um die Gas- bzw. Energiepreise überflüssig gemacht hätte. Sie hat diese Energiewende für Bayern sogar gezielt mit einer baustoppähnlichen Regelung für neue Windräder, der sogenannten 10H-Regel, torpediert. Selbstkritik ist den Christsozialen aber natürlich wie immer fremd. Stattdessen halten sie stoisch an der Atomkraft fest. Und so bleibt nur die Hoffnung, dass sich die Ewiggestrigen der Energiepolitik nicht durchsetzen können und alle Reaktoren schnellstmöglich abgeschaltet werden. Eine strahlende Zukunft, die mit dem Geigerzähler gemessen werden kann, haben unsere Kinder und dieser Planet nicht verdient.
Claus Reis, Schwabach


 

Leserbriefe zum Interview „Sind wir noch zu retten?“ mit Klaus Regling

Im ausführlichen Interview mit Klaus Regling, seit 2010 Leiter des Europäischen Rettungsfonds ESM, werden die politisch umstrittenen Seiten des Fonds leider kaum angesprochen. Das hat unter anderem zur Folge, dass der 72-jährige Regling nicht am 07. Oktober in den wohlverdienten Ruhestand gehen konnte, sondern vorerst im Amt bleibt, weil die Euro-Finanzminister sich nach langem Hin und Her auf keinen der vier Kandidaten als Nachfolger einigen konnten. Der ESM wurde von vielen Ländern wegen der Kreditvergabe nur unter Auflagen in der Haushalts- und Wirtschaftspolitik kritisch gesehen, sodass die Kreditlinien kaum in Anspruch genommen wurden. Derzeit liegen 400 Milliarden Euro ungenutzt im ESM. Italien blockiert seit Jahren als Folge dieser unerfreulichen Entwicklung die Ratifizierung des reformierten ESM-Vertrags, mit dem der Fonds mehr Kompetenz in der Bankenrettung erhalten soll. Klaus Regling ist jetzt gezwungen, als „lame duck“ (lahme Ente) weiter geschäftsführend zu amtieren, weil er keine wichtigen Entscheidungen mehr treffen darf. Ein würdiger Abschied sieht anders aus!
Hans-Henning Koch, Berlin-Wannsee

Vielleicht bin ich dumm auf die Welt gekommen und habe nichts hinzugelernt. Aber mir leuchtet der Sinn der sogenannten „Gaspreisbremse“ nicht ein. Ist unser Hauptproblem nicht, dass zu wenig Erdgas zur Verfügung steht? Die steigenden Preise aufgrund der Angebotsverknappung sind lediglich eine marktwirtschaftlich bedingte Konsequenz.
Wenn einer klugen Hausfrau von einem Grundnahrungsmittel nur noch eine überschaubare Menge zur Verfügung steht und Nachschub vorerst nicht in Sicht ist, was macht sie dann? Sie geht sehr sparsam mit dem verbliebenen Rest um.
Die Gaspreisbremse ist geradezu eine Einladung zum Energie-Nicht-Sparen. Wenn die Gasspeicher mitten im eiskalten Winter aufgrund eines zu geringen Sparwillens leer sind, wird sie ihre Wirkung verfehlen. Wer mangels Energienachschub nichts mehr verbrauchen kann und deshalb im Kalten sitzt, der muss sich um die anschließende Rechnung auch keine großen Sorgen machen. Energiesparsamkeit wäre im kommenden Winter das oberste Gebot. Doch die Politik ist nicht imstande, der Bevölkerung diese höchst dringliche Notwendigkeit ausreichend zu vermitteln. Das Mantra von Bundeskanzler Scholz, dass „wir gut durch den Winter kommen“, verleitet eher zur Sorglosigkeit.
Jeder Kubikmeter Gas, der in Privathaushalten unnötig verbraucht wird, fehlt am Ende der Wirtschaft und Industrie, die für Arbeitsplätze und damit für Wohlstand sorgt. Ich habe keinerlei Verständnis für Leute, die bereits Ende September aufgrund etwas kühlerer Temperaturen ihre Heizung auf 30 Grad aufdrehen. Ein warmer Pullover würde es auch tun.
Man kann natürlich von politischer Seite immer mehr Schulden aufnehmen und diese in weiteren Nebenhaushalten verbuchen. Hat die Bundesregierung nach Corona, Energiekrise und anderen Krisen überhaupt noch einen Überblick über den tatsächlichen Stand der Verschuldung dieses Landes?
Irgendwann aber wird die Rechnung präsentiert. Spätestens dann, wenn Deutschlands Bonität an den internationalen Finanzmärkten kein Gütesiegel mehr trägt, sondern das Land in eine Reihe mit hochverschuldeten Staaten gestellt wird.Spätestens dann versiegen die Geldquellen. Es wird für nachfolgende Generationen zu einer Herkulesaufgabe, dieses Land aus dem Schuldensumpf herauszuarbeiten. An der typisch deutschen Arbeitsmoral sollte dieses Unterfangen normalerweise nicht scheitern. Doch die Bundesrepublik hat in den vergangenen beiden Jahrzehnten bei den wichtigsten Zukunftstechnologien den Anschluss verloren.
Wer zuletzt auf den Zug aufspringt, wird nicht der Lokführer sein. Schlimmer noch. Es droht sogar eine De-Industrialisierung des Landes, indem man für die Wirtschaft regelmäßig zusätzliche bürokratische Hürden aufbaut. Alleine von Dienstleistungen wird diese Volkswirtschaft künftig nicht „satt“ werden, geschweige denn Schulden abbauen können. Die bundespolitischen Fehler und Versäumnisse der Vergangenheit, nicht nur bei der Energieversorgung, drohen dieses Land in den kommenden Jahren mit voller Wucht einzuholen.
Alfred Kastner, Weiden

„Wir frieren nicht für eure Politik“. So der Slogan der Protestler. Doch, das müssen wir wohl. Die Ampel will uns mit 200 Milliarden Euro beruhigen. Wie kann Geld Strom und Wärme ersetzen? Nötig ist, das Energie-Angebot zu erhöhen. Gas für die Stromproduktion ist keine gute Idee. Besser wäre, die Kernkraftwerke länger laufen zu lassen. Das AKW Lingen gehört nach der Niedersachsenwahl mit dazu. Auch die drei vor Monaten abgeschalteten ebenfalls. 430 AKW gibt es weltweit. Sind deren Betreiber alles Spinner oder Dummköpfe? In jedem Fall haben sie Energie und sparen obendrein CO2. Liebe Ampel, es ist Krieg, und wir sind mittendrin, ihr auch. Also werft altes Denken aus fetten Zeiten über Bord. Warum wird unser Schiefergas nicht genutzt? Dafür teures Frackinggas zu „Mondpreisen“ aus den USA? In der Nordsee sprudelt aus Dutzenden von Löchern je qkm Methangas. Warum verweigern wir uns dieser eigenen Energiequelle, kaufen dafür das gleiche Gas aus Norwegen? Diese Hinweise auf unsere eigenen Quellen wären schon im März sinnvoll und beruhigend gewesen: Denn Wirtschaftspolitik ist zur Hälfte Psychologie, die andere Hälfte ist harte Realität. Wie lange noch soll Rhetorik und Ideologie Unvernunft ausgleichen? Bewegt Euch endlich.
Paul Schwedtke, Plön

Man sollte meinen, dass sich unsere Bundesregierung einzig für Leute mit Gasheizung interessiert. Die mit Ölheizung oder anderen Heizmöglichkeiten scheinen einer nicht förderwürdigen, anderen Heizrasse anzugehören. Ob sie nun Unternehmer, Arbeiter, Rentner oder sonst wem angehören, diese Spezies bleibt für die Regierung außen vor! Das ist Diskriminierung pur! Bei diesem energierassistischen Verhalten unserer Regierung stellt sich mir die Frage: Wie (mal vorsichtig und human ausgedrückt) unklug müssen die legislativen Gestalten nur sein, um der rechten Szene – etwa der AfD – eine derartige Steilvorlage zu geben. Es wird doch nur eine Frage der Zeit sein, bis die Leute auf die Straße gehen und dem mittlerweile rechtslastigen Italien herzlichste Grüße übermitteln!
Kurt Nickel, Goch


 

Leserbriefe zu „Die Ausgelieferten“ von Ann-Kathrin Nezik

Was für ein Einblick in unsere, ja leider unsere, Welt! Da wird am schönen Zürichsee das aberwitzige Gehalt von Herrn Östberg sicher bestens angelegt, während tausende Billigarbeiter aus Pakistan wie vor 150 Jahren in New York die Einwanderer aus Europa ihr Dasein fristen. Als hätte sich nur das Geschäft, aber nicht das System gewandelt. Man kann es auch so betrachten, die Golfstaaten mit ihrem Glitzerreichtum sind im Kern auf der Stufe Amerikas im 19. Jahrhundert. Und das Irre daran, diesen Ländern, diesen Unternehmen scheint auch noch die Zukunft zu gehören. Jetzt spielen wir, die ach so guten Gutmenschen dort Fußball, benötigen plötzlich deren Flüssiggas und freuen uns über die beispiellose Erfolgsgeschichte von Delivery Hero, so smart und auch noch aus Deutschland. Nein, es ist unsere Doppelmoral, ohne die unser Wohlstand, was für eine Erkenntnis, nicht entstanden wäre und schon gar nicht erhalten werden kann. Wir können das bedauern und verwerflich finden. Aber letztlich wird es den ganz normalen Durchschnittsdeutschen einen feuchten Kehricht kümmern, dass die Wanderarbeiter aus Pakistan unter unwürdigen Arbeitsbedingungen leiden, wenn daheim die Wohnung kalt bleibt. So ist sie, unsere Welt, man möchte sich von ihr abwenden, aber auch das ändert wohl nichts. Noch ein Gedanke zum Schluss: Wenn allein im August aus den Golfstaaten 1,3 Milliarden Euro von Wanderarbeitern nach Pakistan geflossen sind, scheint es im Großen und Ganzen dann doch ganz gut zu laufen. Aber sicher geben wir dann noch etwas Entwicklungshilfe obendrauf. Damit dann wieder mehr Geld im pakistanischen Staatssäckel ist, als Atommacht braucht man sicher eine Menge davon. Es ist zum Davonlaufen.
Thomas Harnisch, Leipzig

Wer bei Delivery Hero oder wie auch immer diese Bestell- oder Fahrdienste heißen, die faulen Großstädtern in Dubai und auch bei uns und sonst noch wo das Essen oder andere Dinge bringen oder sie von A nach B transportieren, sollte wissen, dass er/sie/es damit ein paar Wenige megareich macht auf Kosten all derer, die diesen Reichtum erarbeiten.
Joseph Zenz, München

Niemand wird bestreiten wollen, dass die auslaendischen Wanderarbeiter in Dubai ausgebeutet werden. Sie werden aehnlich behandelt wie bei uns die Gastarbeiter in den Schlachthoefen, auf den Erntefeldern, auf dem Bau. Es gibt also hier wie da noch einiges zu verbesseren.
Die Autorin beklagt u.a. auch, dass Afrikaner und Inder Hotelzimmer putzen muessen. Wer putzt in Deutschland die Hotelzimmer? Deutsche? Wie schaffen es die Pakistanis der Golfstaaten, in einem Monat 1,3 Milliarden Euro in die Heimat zu ueberweisen, wo sie doch ums taegliche Ueberleben kaempfen?
Auch der Ablauf der Geschehnisse nach Herrn Nadeems Ankunft ist recht eigenartig: Dass jemand bei der Ankunft nicht am Airport sein kann, weil er arbeiten muss, soll vorkommen. Warum aber musste Nadeem 2 Tage durch die Stadt irren? Warum hat die Autorin nicht z. B. Fragen gestellt wie: Hatte der Onkel nicht seine Adresse und/oder Telefonnummer angegeben? Warum sind Sie nicht zu ihm gefahren? (Dubai hat ein gutes oeffentliches Verkehrsnetz, Metro und Busse. Taxis kosten weit ueber 50 Prozent weniger als bei uns). Haben Sie Ihren Onkel bis heute jemals kontaktiert? Wenn nein: Warum nicht?Manfred Ceriatke


  

Leserbriefe zu „Den Kopf frei“ von Navid Kermani

Frau*man muss hoffen, dass die angekündigte Werteorientiertheit grüner Politik kein Lippenbekenntnis bleibt und die Ampel nicht genauso wie die Vorgängerregierungen die kurzfristige Wohlstandswahrung und -mehrung über den Einsatz für Demokratie und Menschenrechte stellt. Es wäre gut, wenn die grüne Basis – und jene Sozialdemokrat*innen, die noch Ideale haben – das von ihrem Spitzenpersonal einforderten.
Dr. Ulrich Willmes, Paderborn

Mittlerweile haben immer mehr in Deutschland lebende Menschen und natürlich auch die ZEIT erkannt, dass Kanzler Olaf Scholz nicht überzeugend führt, nicht einmal verständlich und einleuchtend erklären kann und dazu auch noch Erinnerungslücken besitzt. Deutschland als eine der stärksten Wirtschaftsnationen der Welt wabert dahin. Die Regierung schafft es nicht, weltweit sozialliberale demokratische Politik, besonders aber in autoritären und autokratischen Ländern den dort unterdrückten Menschen als Alternative und Erfolgsmodell zu vermitteln. Und Hoffnung zu geben. Ein hörbarer und grundlegender „Wumms“ in den Parteien, die die Regierung stellen, ist überfällig. Und meist herrscht nach einem Donnerwetter auch wieder klare Sicht.
Hans Rentz, Waging am See

Hat wirklich jemand geglaubt, dass die deutsche Regierung im Fall Mahsa Amini entschlossener und ehrlicher Position bezieht als in der Vergangenheit? Würde Deutschland zu seinen Werten stehen, müssten diese überzeugender vertreten werden als durch ein paar abgedroschene diplomatische Phrasen und moralische Plattitüden. Nicht grundlos entsteht unter den europäischen Nachbarn, auch angesichts des Krieges in der Ukraine der Eindruck, dass diese selbstgerechte Bundesregierung entweder inkompetent oder zutiefst unwillig ist klare Kante zu zeigen. Bei aller Sachzwang-Ideologie, Gesinnungsethik oder Überlegungen von Kant, Weber, Adorno oder Habermas, Herr Kermani wirft der Bundesregierung im Fall Iran und Masha Amini zu Recht moralisches Versagen vor. Bleibt nur der fromme Wunsch nach mehr Politikern mit Rückgrat und nicht vollends verkümmerter Empathie.
Franz Josef Dorn, St. Marein, Österreich


 

Leserbriefe zu „Verhandeln ja – aber nicht jetzt!“ von Michael Thumann

 

„Es gibt nichts Beständigeres als die Unbeständigkeit“, Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen (1622 – 1676)
Es war jeden Versuch des Gesprächs wert. Inzwischen aber verweigert Putin-Russland den Dialog mangels Argumenten. Leider. Der russische Außenminister hat in der Vollversammlung der Nationen „gekläfft“ und dann fluchtartig den Saal verlassen.
Bundeskanzler Scholz hat in Spanien sehr gut formuliert, worum es geht. Zusätzlich darf es Europa nicht zulassen, dass zukünftig unlösbare Konflikte mitten in Europa zementiert werden sollen (was für mich die Absicht hinter den Annexionen ist). Schon das Minsker Abkommen hat sich nachträglich als Appeasement erwiesen.
Michael Scheppler, München

Wer Verhandlungen verweigert, der spricht das Todesurteil aus über weitere tausende, jetzt noch lebender, ukrainischer Kinder, Frauen und Männer.
Russland hat den Amerikanern schriftlich mitgeteilt, dass Russland ernsthaft über die Einhaltung der vom Westen zahlreich gebrochenen Versprechen verhandeln will. Alternativ dazu hat Russland seine Armee für alle deutlich sichtbar an der ukrainischen Grenze aufgestellt. Soll heißen: Ihr könnt wählen. Ihr könnt auch den Krieg haben, wenn Ihr weiterhin wortbrüchig bleibt und nicht verhandelt und weiterhin Eure Versprechen nicht einhalten wollt. Erfüllt endlich Eure gegebenen Versprechen!
Biden hat dümmlich – und für viele tausend Ukrainer tödlich – mitgeteilt: „Wir verhandeln nicht!“ Unklar ist, ob er das überhaupt bewusst mitbekommen hat.
Auch der Papst hat recht. Wer Leben unschuldiger Kinder, Frauen und Männer retten könnte und dies verweigert und stattdessen seinen kindischen Dickkopf durchsetzen will, der ist unleugbar mitschuldig am Tod dieser Menschen.
Verhandlungen USA-Russland sofort! Alles andere ist fahrlässiges, kriminelles Kasperletheater mit der Folge von Massenmord auf beiden Seiten.
Aber momentan obsiegt noch die siegestrunkene, rechthaberische, mitleidlose Pfadfindermentalität unfähiger Politiker und Medienleute. Hochmut kommt vor dem Fall. Der Kater kommt ganz bestimmt. Er wird aber ebenso verleugnet werden wie die übergroße Mitschuld am vermeidbare Tod tausender unschuldiger Menschen, auch vieler Kinder.
Weiter so? Strack-Zimmermann meint ja und pflegt in der Ukraine das Wohl der Rüstungsfirmen, während gleichzeitig in ihrer Nähe die Ukrainer sterben.
Erwachet! fordern überall die Zeugen Jehovas. Man sollte auf sie hören.
Klaus Lachetta

In Geschichtsbüchern, Allgemeinbildung, Politunterricht, aus Erzählungen von Älteren, deren Erleben kann jeder wissen, es hat eine Atomdiplomatie gegeben. Militärische Blöcke standen sich hochgerüstet als Feinde gegenüber, aber eine atomare Auseinandersetzung wagte keiner, darauf ließ es keine Seite ankommen. Diplomatische Kanäle haben es selbst in kritischsten Zeiten verhindert. Es hatte Politiker, die ein Mindestmass an Verantwortung, Weitblick, Wissen, Denkfähigkeit und vor allem auch die Akzeptanz der Lebensinteressen anderer Staaten und Völker bereit waren einzukalkulieren. Die Unwissenheit, Dummheit oder Skrupellosigkeit heutiger Politiker kann es allein nicht sein, wenn es auch eine Voraussetzung und Bedingung dessen zu sein scheint, was über dieser Welt schwebt. Ein Kräfteverhältnis ist nicht mehr im Gleichgewicht, der Systemkonflikt besteht nicht mehr, die Welt von West bis Ost hat Spielregeln von Kapital, Markt, Konkurrenz, des Strebens nach Neuordnung und -aufteilung der Welt gewählt. Wer wundert sich so sehr, was daraus heute entstanden ist? Das können nur die Dümmsten, Einfältigsten, Ahnungslosesten und Unwissenden sein. Die Kräfteverschiebung hat den Größenwahn neu geboren. Sie hat die Kriegsbereitschaft, Eroberungswillen aus der Flasche gelassen, Diplomatie kehrt nicht einmal ein, wo es um die Existenz dieser Erde, des eignen Lebens geht. Der Siegerwahn hat Jung- und grüne Politiker bis weit nach links erfasst.
Es heißt fortwährend der Putin drohe mit A- Waffen. Weiss in westlicher Wertepolitik wirklich keiner, wer immer mit der A- Waffe gedroht hat, sie sogar wirklich eingesetzt hat?
Weiss niemand, wer fortwährend darauf drängt, in Besitz, Verfügungsgewalt und Einsatz der A-Waffen zu gelangen? Haben wir uns stets verhört, wenn Nachwuchspolitiker schon mit dem Gedanken des Einsatzes kleiner A-Waffen spielen? Haben wir den Ukrainischen Präsidenten nicht verstanden, was er lieber heut als morgen will? Erkennen wir nicht, wie deutsche Politik das Spiel munter mitmacht und keiner fragt, in wessen Interesse es nur sein kann? Was ist, wenn es aus dem Ruder läuft, in Übersee der große Zampano seine Kettenhunde nicht mehr zu halten vermag? Was, wenn die beseelten Sieger- und Kriegstypen sich darin irren, dass der Putin nur weg muss, der Putin schon besiegt ist, Russland nur noch geerntet werden muss und wehr- wie widerstandslos über sich herfallen lassen? Dreimal irren könnte endgültig tödlich sein nach B.B.
Roland Winkler


 

Leserbriefe zu „Und sein ganzer Körper nickt“ von Peter Dausend

Britanniens Charles III. hat seinem hannöverschen „Kollegen“ Stephan III. schon vorzeitig zur gewonnen Wahl gratuliert. Weil brauchte auch gar nicht den Rückenwind aus London. Obwohl ihn das natürlich sehr gefreut hat. Weil weiß, wie man regiert und Wahlen gewinnt. Schließlich beerbte er 2006 den legendären hannoverschen Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg im Amt. Die von der Hannoverschen Allgemeinen und der Neuen Presse sind immer mit an Bord und der NDR ist auch immer mit ihm gern auf Sendung. Dass nun die CDU  aus der „Notkoalition“ fliegt und durch Die Grünen ersetzt wird, das ist dem MP Weil eh schnurz piepe, weil er sowieso macht, was er will. Das war bei Königs im Haus Hannover schon immer so.
Dr. Detlef Rilling, Historiker und Autor, Scharbeutz

Stephan Weil hat die Landtagswahlen für die SPD gewonnen, weil er als authentisch und bürgernah, eben als echter Landesvater wahrgenommen wird. Insbesondere hat es der Niedersachse nicht nötig gehabt, sich ins „rechte“ Licht zu setzen wie andere führende Politiker.
Interessant sind freilich einmal mehr die gewöhnlichen bis absurden Analysen zum Wahlausgang, die überwiegend die Vertreter der unterlegenen Parteien umgehend zu präsentieren wussten. Es ist mithin höchst erfreulich, dass selbst in derart krisengeschüttelten Zeiten seriöse Politikarbeit den Vorzug gegenüber Populismus und Polemik erhält; der „protestuale“ Stimmenzuwachs für die AfD war ohnedem zu erwarten. Die demokratische Meinungsbildung lebt also doch (noch).
Matthias Bartsch, Lichtenau