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Lotto-Sechser, so selten wie ein tödlicher Unfall

 

Was ist das Spiel der Deutschen? Mit Sicherheit Fußball, aber mehr noch ist es Lotto. Jeden Mittwoch, jeden Samstag. Jede Woche gibt Lotto-Deutschland rund 100 Millionen Euro fürs Tippen aus. Wenn die Gewinnzahlen gezogen werden, sitzen mehr Leute vor dem Schirm als bei Bundesligaspielen. Und bei keiner Sendung gibt es am Ende so viele frustrierte Zuschauer.

Immer wieder sorgt Lotto für Nachrichten. So bei der 5.295ten Ziehung am letzten Mittwoch, als die Zahlen 9, 10, 11, 12, 13, 37 gezogen wurden. Die Wahrscheinlichkeit für ein solches Ereignis beträgt etwa 1:7.391. Eine Fünferreihe (die keine Sechserreihe ist) tritt also im Schnitt nur alle 71 Jahre auf. Dasselbe passierte aber bereits am 10. April 1999 als es die Zahlen 2, 3, 4, 5, 6, 26 gab. Ist das extrem unwahrscheinlich: zwei solche Fünferreihen in 5.295 Ziehungen? Die Antwort ist nein.

Wir können diese Wahrscheinlichkeit wieder mit der Poisson-Verteilung ausrechnen, die wir schon für die Anzahl der Tore bei einem Fußballspiel eingesetzt haben. Die Situation ist übertragbar. Was beim Fußball ein Tor ist, ist beim Lotto jetzt eine Fünferreihe. Der erwarteten Anzahl von Toren pro Spiel entspricht die erwartete Anzahl von Fünferreihen in 5.295 Ziehungen. Diese erwartete Anzahl ist a = 5.295/7.391 = 0,716. Dann sind die Wahrscheinlichkeiten für m Fünferreihen in 5.295 Ziehungen gleich (e hoch –a) x (a hoch m)/ m! . Dabei ist e = 2,718… die Eulersche Konstante und m! = 1 x 2 x … x m ist das Produkt der ersten m natürlichen Zahlen.

Zwei Fünferreihen in 5.295 Ziehungen sind kein seltenes Ereignis

Wendet man diese Formel für m = 0 beziehungsweise 1 beziehungsweise 2 an, ergeben sich die Wahrscheinlichkeiten 48,9 Prozent beziehungsweise 35,0 Prozent beziehungsweise 12,5 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit für zwei Fünferreihen in 5.295 Ziehungen beträgt also etwa 1:8. Und das ist kein seltenes Ereignis.

Die Wahrscheinlichkeit für einen Sechser hingegen beträgt 1:14 Millionen. Das ist eine extrem geringe Wahrscheinlichkeit, die ich in meinen Vorlesungen bisweilen mit dem Risiko veranschauliche, auf dem Weg zur Lottoannahmestelle zu sterben, etwa durch einen tödlichen Unfall. Ein gesunder Mensch mittleren Alters steht unter dem Risiko von 1:1.000 im Verlauf des kommenden Jahres zu sterben. Dann entspricht der Wahrscheinlichkeit seines Todes in der nächsten Dreiviertelstunde etwa der Chance auf einen Lotto-Sechser. Mit anderen Worten: Ganz gleich, wann man seinen Lottoschein einreicht, das Risiko ist größer bei der Ziehung der Zahlen bereits verstorben zu sein, als mit der Ziehung zum Millionär zu werden.

Noch besser, da weniger morbide, gefällt mir dieses Bild:

Balko-Rabe-Fussball
Zeichnung von Alex Balko

Auf einem Fußballfeld steht ganz beliebig irgendwo eine offene Flasche Bier. Ein Vogel kreist rein zufällig über dem Feld, ohne dass er etwas von der Bierflasche weiß. Er hat eine kleine Murmel zwischen den Krallen. Irgendwann entgleitet dem Vogel die Murmel und sie fällt, Sie ahnen es schon, genau in die Bierflasche.

Sehr unwahrscheinlich. Aber nicht unwahrscheinlicher als ein Sechser im Lotto.