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Sous-Vide

 

Kalbsbäckle, Sous-Vide gegart und mit Aromaten gebraten

Garung unter Luftabschluss (frz. sous vide), in einem Wasserbad, hat nun endgültig den Weg aus der Profiküche in die Haushalte angetreten. Die Methode als solche ist keine völlig neue Erfindung. Schon lange wird in Restaurants damit experimentiert. Die Gebrüder Troisgros waren wohl die ersten, die Gänseleber schonend im Vakuumbeutel erhitzt haben, das war Anfang der 70er Jahre und die Ergebnisse waren hervorragend gut. Über Frankreich und Spanien gelangte dieses Verfahren in unsere Lande und natürlich, wie kann es anders sein, wurde und wird Sous-Vide-Garung von unverständigen Menschen als Kokolores belächelt, den man früher schließlich auch nicht gebraucht hat. Eine solche Haltung ist nicht sehr durchdacht. Lässt sie doch die unübersehbaren Vorteile außer Acht:

  • Es ist eine gradgenaue Garung möglich. Die exakte Einhaltung von Gartemperaturen ist essentiell für optimale Produktqualität.
  • Es ist möglich, einen völlig gleichmäßigen, exakten Garverlauf durch das gesamte Produkt hindurch zu erzielen. So wird erreicht, dass an jeder Stelle des Gargutes der Gargradient gleichmäßig verläuft. Damit ist sichergestellt, dass Textur, Aromatik und Struktur des Gargutes homogen sind, ohne Zwischenzustände.
  • Der gesamte Garvorgang geht wesentlich schonender vonstatten, als das in Topf oder Pfanne möglich wäre. Dadurch bleibt Fisch oder Fleisch grundsätzlich saftiger, es wird zarter und wohlschmeckender, Garverluste werden auf Bruchteile minimiert.

Neben den aufgezählten Punkten gibt es noch eine ganze Reihe weiterer Vorteile, mit denen sich Bücher vollschreiben ließen. Nicht jedes Gericht muss nun vorher in ein Beutelchen geschweißt werden und wie an anderer Stelle oft genug betont soll sich niemand genötigt fühlen, jetzt jeden Brocken Fleisch nur noch im Wasserbad zu thermalisieren. Doch gibt es heute für jeden, der sich damit beschäftigen möchte ausreichend Gerätschaft und auch Literatur, um Garprozesse zu optimieren. Sous-Vide-Garung gehört in den Werkzeug-Kasten einer modernen, aufgeklärten Küche, in der sich der Koch mit seinen Produkten beschäftigt und auseinandersetzt. Natürlich erfordert das die Bereitschaft zu lernen und zu verstehen.
Zu meiner Lehrzeit, die war Mitte der achtziger Jahre, hat kein Mensch hinterfragt, warum Dinge so sind, wie sie sind. 3 Eigelb, ein ausgelassenes Päckchen Butter und eine kleine Schöpfkelle Weißwein-Reduktion haben bei Befolgung der vorgeschriebenen Vorgehensweise eine Sauce Hollandaise ergeben. Meistens jedenfalls, wenn sie nicht dem unerfahrenen Lehrling geronnen ist. Wir wussten uns aber auch tatsächlich dann zu helfen, wenn das wirklich mal daneben gegangen ist. Es wird mit einem Eigelb in einem Wasserbad nochmal ganz langsam und vorsichtig von vorne begonnen, dann wird die geronnene Sauce Hollandaise zugegeben und alles wird wieder gut. Aber keiner von uns hat je verstanden, auch nicht danach gefragt, warum das eigentlich so ist.
Ich habe in einer Zeit gelernt, in der in der Küche Regeln zu befolgen waren, deren Sinn ich nicht unbedingt verstehen musste.

Heute stehen wir an der Schwelle zu einer Küche 2.0. Wir sind eingeladen zu verstehen, was passiert. Wir können heute dank verbesserter Methoden Fleisch so braten, dass uns vor 20 Jahren unsere Gäste für solche Qualitäten auf den Schultern durchs Lokal getragen hätten. Natürlich gab es auch vor 20 Jahren korrekt gebratene Steaks, das soll nicht in Abrede gestellt werden. Aber heute ermöglichen uns neuartige Geräte, verfügbares Wissen und moderne Methoden in großer Regelmäßigkeit und reproduzierbar perfekte Ergebnisse zu erzielen. Wir dürfen neugierig sein, Vorgänge erforschen und – wenn wir sie verstanden haben – eingreifen und verändern, Altes verbessern oder gar Neues erschaffen. Dafür bin ich sehr dankbar und möchte dazu ermuntern, diese Gelegenheiten auch in den Privatküchen zu nutzen.

In einer Zeit die von Lebensmittelskandalen geprägt ist, in der Verbraucher verunsichert sind und jeder nach einem guten Weg für Ernährung und Genuss sucht, ist die Versuchung recht groß, sich auf alte Zeiten zu besinnen. Sich rückwärts gewandt zu versichern, dass es solche Probleme früher einfach nicht gab und es deshalb besser ist, die Dinge so zu belassen wie sie schon immer waren. Das ist aber falsch. Kein Mensch kann bestimmt sagen, dass Lebensmittel vor 50 Jahren sicherer waren als heute. Und niemand soll behaupten, dass früher sowieso alles besser war. Als SlowFood-Fördermitglied möchte ich selbstverständlich gute Produkte bewahren und unterstützen. Aber das darf nicht dazu führen, dass ich mich Neuem verschließe.
Traditionen zu leben heißt für mich auch in der Küche, die Flamme weiterzugeben, anstatt die Asche zu bewahren.

Buchtipp: Sous-Vide Grundkochbuch von Evert Kornmayer