In der Stuttgarter Zeitung lese ich vom wunderbaren japanischen Wakyu-Rind. Deutsche Turbo-Genießer holen sich damit nun den letzten Kick. Es wird mit Bier massiert und gepflegt, dass ein Hartz IV-Empfänger hierzulande von solchem Dasein nur träumen kann. Ob das Tier das alles mag, wer weiß? Gewiss ist, dass sie sich nicht bewegen dürfen (deshalb die extreme Fettmarmorierung).
Was ich sagen will ist: Wenn gewisse Hochleistungsgourmets so etwas brauchen um ihr Ego zu stärken und dafür 200 Euro bezahlen, dann ist das okay. Neid ist völlig unangebracht wenn das Geld reicher Leute in den Konsum gerät und nicht auf Auslandskonten versackt. Schlimm ist nur, dass man diese Hedonisten Gourmets nennt, wo sie doch in erster Linie nur obszöne Statusesser sind. Vor solchen Leuten ekelt es mich geradezu. Mir wäre viel lieber, man würde unsere Weiderinder mehr schätzen und dafür etwas mehr bezahlen, um so die Bauern vom Subventionsbakschisch zu befreien. Ich wette, mein Rechberger-Ochsenfleisch schmeckt genauso gut. Allerdings, es zergeht nicht auf der Zunge sondern bietet etwas Widerstand. Letzter ist in unserer Softiegesellschaft gar nicht gut gelitten. Die Verweichlichung, die Infantilisierung der Gesellschaft ist voll im Gang. Wann sagt schon mal ein Gast, es hat geschmeckt.? Sie sagen immer „oh wie zart“! Kein Wunder, Risotto, Nudeln, und Ferran Adrias Geleewunder sind die globalen Renner. Wenn es so weiter geht wird irgendwann mal heiße Trüffel-Luft in Dosen der Knaller der Saison. Über die Infantilisierung des Essens demnächst mehr. Ahh, und dann bastle ich gerade an etwas sehr Erfreulichem, -Paprika-Chili-Marmelade-. Diese Feldforschungen dann auch demnächst hier an Ort und Stelle, damit es nicht heißt: „den ewigen Heuler Vincent wollen wir nicht mehr“.
Kalbskotelette mit Gänselebercroustillant und Blumenkohl à la creme
Das Gericht steht heute auf unserer Karte. Das Croustillant, hauchdünne Teigfolie kross gebraten, gewürzt mit Kardamom, Piment ect. Dazwischen ein Scheibe Gänseleber. Es liegt mit gutem Grund neben dem Kalbskotelett, das ohne das Accessoire genauso gut auskäme.
Kalbfleisch schmeckt nach nichts und braucht immer ein „Tuning“. So kann nur sprechen, der nie ein an frischer Luft gereiftes Fleisch gegessen hat.
Kürzlich sagte mir der ehemalige Chef des Guide Michelin, zwei-drei Sterneküche darf nicht nur so produktbezogen daherkommen wie man es von der italienischen Küche kennt. Mit anderen Worten: es muss irgendwie verkünstelt sein. Streng genommen ist es aber so, dass das Kalbskotelett, von dem hier die Rede ist, naturell gebraten optimal schmeckt. So gut, dass es durch keine Kochkunst verbessert, sondern allenfalls verändert werden kann. Ich mache es so, auch wenn ich den Verdacht errege, nicht kreativ zu sein.
Anna Lena ist nun seit drei Wochen auf dem Saucierposten. Es heißt immer der Beruf sei für Frauen zu anstrengend. Man könnte getrost das Gegenteil behaupten. Letzte Woche zog sie einem Hirschkalb das Fell ab, eine Wildsau war schon dran und Rehe, jede Menge. Die Tiere zerlegen, die Keulen in Portionsteile schneiden, für Anna Lena kein Problem.
Erstaunt hat mich dann ihr Wunsch, sie wolle beim Metzger Reinold in Rechberg gerne mal montags beim Schlachten dabei sein. Das hat mich dann buchstäblich umgehauen, denn die Frau ist schöngeistig veranlagt und ganz und gar kein Kraftweib. Also fuhren wir zusammen auf die Ostalb und Hans der Metzger staunte nicht schlecht: als wir unsere Bestellung beisammen hatten schnappte
Anna Lena so flink die Fleischkisten bis zu 30 Kilo und wuchtete sie in den Wagen. Die Metzger standen da mit offenem Maul. Hans der Metzger dann: „Wir fangen morgens um fünf an, es genügt, wenn sie später kommen, dann sind die Schweine schon tot.“ Anna Lena bestand darauf von Anfang an dabei zu sein.
Es ist auch meine Meinung, wer Fleisch isst und damit kocht, muss sich mit der sterbenden Kreatur beschäftigen. Das Kochen wird weniger gedankenlos, wird intensiver, wenn nicht gar von rituellen Anflügen getragen. All die Tierskandale kommen doch hauptsächlich davon, dass der Verbraucher systematisch von der Wirklichkeit und dem direkten Bezug zum Tier ferngehalten wird. Dazu könnte man noch viel sagen…