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Politcomedy auf Amazon: „Alpha House“

 

(© Amazon Studios)
(© Amazon Studios)

Das Videoportal Netflix ist einer neuen Studie zufolge in Stoßzeiten für 31,6 Prozent des gesamten nordamerikanischen Internetverkehrs verantwortlich. Diese Zahlen dürfte der Amazon-Chef Jeff Bezos genau verfolgt haben. Amazons Instant Video frisst nämlich nur vergleichsweise mickrige 1,61 Prozent, und steht damit noch hinter Apples iTunes und knapp vor der Konkurrenz von Hulu. Das soll sich ändern und zwar möglichst bald. Deshalb zeigt Amazon mit der Politcomedy Alpha House nun ebenfalls eine erste selbstproduzierte Serie exklusiv im Netz. Die ersten drei Folgen gibt es ab sofort kostenlos auf der US-Seite im Stream (wenn man als Amazon-Kunde eingeloggt ist).

In einer ersten Runde im Frühling ließ Amazon 14 Pilotfolgen für Serien, darunter sechs für Kinder, produzieren. Die Kunden durften entscheiden, welche es schließlich als komplette Staffel ins Streaming-Programm schafften. Die Kritiken waren mäßig. Einzig Alpha House, die Geschichte einer Senatoren-WG, überzeugte. Wohl nicht zuletzt dank ihres bekannten Hauptdarstellers.

(Grafik: Mashable, Quelle: Sandvine)
(© Grafik: Statista Quelle: Sandvine)

John Goodman spielt den gemütlichen republikanischen Senator Gil John Biggs. Der lebt gemeinsam mit seinen Parteikollegen, dem smarten John Bettencourt, dem homophoben und offenbar doch schwulen Louis Laffer sowie dem jungen Schürzenjäger Andy Guzman in einem Haus in Washington D.C.

Inspiriert von einer tatsächlichen Senatoren-WG erwarten die vier Herren neben den häuslichen Mätzchen auch politische Probleme. Biggs bekommt in seinem Heimatstaat North Carolina plötzlich einen neuen, gefährlichen Gegner und muss nach Jahren wieder mal Wahlkampf machen. Laffer droht im ruppigen Nevada als Weichei zu verkommen, Bettencourt hat Probleme mit der Ethikkommission und Guzman muss sich mit seiner neuen, natürlich äußerst attraktiven Freundin arrangieren.

Eigenproduktionen als Maßstab

Eine Serie über den Politbetrieb mit WG-Feeling also. Damit ist Amazon zwar wenig originell, liegt aber im Trend: Serien mit politischen Zwischentönen tauchten in den vergangenen Jahren auf fast jedem US-Sender auf. Nicht zuletzt auf Netflix. Dessen erste Eigenproduktion, das Politdrama House of Cards, erhielt als erste Webserie überhaupt in diesem Jahr gleich drei Emmys und bewies, dass ein Streamingportal qualitativ mit dem klassischen Fernsehen mithalten kann.

Nun wollen Amazon, Apple und Hulu natürlich nachlegen. Denn es geht um mehr als Prestige. Im umkämpften Streamingmarkt braucht man Alleinstellungsmerkmale. Die Lizensierung von TV-Inhalten allein reicht nicht mehr aus, um neue Abonnenten zu gewinnen. Netflix, das in diesem Jahr bereits vier exklusive Serien herausbrachte, hat inzwischen den Kabelsender HBO in Sachen Abonnenten überholt. Um diese bei Laune und vor allem beim Zahlen zu halten, bedarf es immer neuer, attraktiver Inhalte. Auch das deutsche Angebot Watchever des französischen Vivendi-Konzerns hat deshalb kürzlich eine erste eigene Serie angekündigt.

Tolle Besetzung, durchschnittliche Story

John Goodman ließ sich vom Prinzip Webserie überzeugen. „Ich hatte zunächst gedacht, ich spiele in einem YouTube-Video mit“, sagte er noch zu Beginn des Jahres, „aber das ist wie an einem richtigen Filmset.“ Tatsächlich: In Sachen Ausstattung muss sich Alpha House nicht verstecken. Mit Gastauftritten von Bill Murray, Komiker Stephen Colbert und Cynthia Nixon (Sex and the City) kann die Serie mit der TV-Konkurrenz problemlos mithalten.

Nicht ganz so überzeugend ist dagegen die Story. Der dicke Weiße, der smarte Schwarze, der attraktive Latino und der Ist-er-oder-ist-er-nicht-Schwule: Es sind nicht bloß die Stereotype, die nerven. Darüber könnte man bei einer Comedy noch hinwegsehen.

Zwischen dem zynischen House of Cards, dem satirischen und hochgelobten Veep auf HBO und Klassikern wie The West Wing findet die Serie keine eigene Sprache. Alpha House bietet weniger Situationskomik als eine klassische Sitcom und ist gleichzeitig weniger anspruchsvoll als ein Drama. Die ironischen Zwischentöne des US-Politbetriebs werden von der Karikatur der Republikaner überschattet – was der Serie in vielen konservativen Medien erwartungsgemäß schlechte Kritiken einbrachte. Am Ende ist Alpha House eine Serie zum Nebenbeigucken mit einem sympathischen John Goodman. Aber ob das Amazons Ansprüchen genügt?

Amazon unter Dauerdruck

Denn der notorische Gemischtwarenladen des Internets steht unter Dauerdruck. Statt Gewinne einzufahren, expandiert das Unternehmen in immer neue Geschäftsfelder, seit einiger Zeit eben auch in Filme und Serien. In Deutschland gehört Amazons Streamingportal Lovefilm zu den drei größten Anbietern. In den USA aber hat es das direkt in die Website integrierte Amazon Instant Video schwer. Eben weil Netflix mit beeindruckender Stärke den Markt umklammert.

Einen Vorteil aber hat Amazon: Es kann auf Big Data zugreifen, also seinen riesigen Kundenbestand und dessen Vorlieben. Darauf basierend lassen sich genau abgestimmte Inhalte schalten – und diese wiederum mit anderen Segmenten verknüpfen. So plant Amazon für seine nächste Originalserie eine Verfilmung der Romanfigur Harry Bosch. Das E-Book ist bereits ein Hit auf Amazon. Der Konzern hofft also, dass die Fans des Buchs möglicherweise auch an einer Serie interessiert sind und sich deshalb für den Videoservice anmelden.

Und in noch einem letzten Punkt unterscheidet sich Amazon von Netflix: Nicht alle Folgen von Alpha House sind auf einmal abrufbar. Stattdessen gibt es die ersten drei Episoden gratis und die folgenden jeweils im Abstand von einer Woche. Kein sogenanntes binge viewing also. Vielleicht findet Jeff Bezos, dies sei der bessere Weg, eine Serie zu genießen. Oder er hofft, dass man bei häufigeren Besuchen auf der Seite auch gleich noch ein Buch oder einen Gartenstuhl kauft.