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„Mission ins Ungewisse: Kometenjäger Rosetta“

Es sind gerade spannende Zeiten für Raumfahrt-Fans. Nachdem vor einigen Tagen das Weltraumteleskop Gaia seine Zielposition erreichte, wird in diesen Stunden die Raumsonde Rosetta aus dem Tiefschlaf erweckt. 2004 ins All gestartet, ist das Projekt der Europäischen Raumfahrtagentur Esa nun 810 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Im November soll Rosetta eine Laborsonde auf dem Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko landen – es wäre das erste Mal in der Geschichte, dass dies gelingt. Die Daten sollen neue Erkenntnisse über den Ursprung des Universums bringen. Wie die Kollegen aus Cambridge, die einen Film über Gaia produzierten, hat auch das deutsche Forschungszentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) eine kurze Dokumentation über Rosetta gedreht und online veröffentlicht.

 

Netzfilm der Woche: „All’s Fair“

Der US-Filmemacher Todd Strauss-Schulson arbeitet gerne mit Extremen. In seinem Kurzfilm Valibation aus dem vergangenen Jahr lässt er Horror auf Technologiekritik treffen: Ein Schuhverkäufer verschmilzt mit seinem Smartphone. Für seinen neuen Kurzfilm All’s Fair hat sich Strauss-Schulson auf den ersten Blick ein alltäglicheres Thema einfallen lassen: Es geht um’s Schlussmachen.

Im Mittelpunkt von All’s Fair steht Roye. Roye ist Mitte zwanzig, ein wenig unbeholfen, ein bisschen nerdig und vor allem schwer in Miranda verliebt. Doch als er ihr einen Heiratsantrag macht, bricht seine Welt zusammen: Miranda lehnt nicht nur ab, sie macht auch gleich ganz Schluss und beginnt stattdessen eine Beziehung mit Royes Freund Justin. Soweit, so Klischee.

Was macht Roye nun? Er siecht vor sich hin, er schwelgt in Erinnerungen und heuert schließlich die Prostituierte Phoenix an. Nicht etwa für Sex, sondern um die schönen Momente und Routinen, die er mit Miranda hatte, noch einmal zu erleben. Doof nur, dass er dabei ziemlich viel Geld verliert und es am Ende eben doch nicht dasselbe ist.

Wie in Valibation gelingt es Strauss-Schulson auch in All’s Fair mit dem Stilmittel der Übertreibung zu spielen. Mit gelungenen Einstellungen und cleveren Schnitten wechselt der Kurzfilm zwischen Erinnerung und Gegenwart. Die anfangs absurde Beziehung zwischen der Prostituierten und Roye führt die Zuschauer durch die emotionalen Tiefen einer Trennung, mit denen wohl die meisten vertraut sind. Wie auch mit dem Ende, als sich Roye entscheiden muss: Soll er loslassen oder weiterhin von der Vergangenheit zehren?

 

Online: Kurzfilme des Sundance Film Festival 2014

Sundance-Film-Festival-2014-Logo

Das Sundance Film Festival ist nicht nur eines der wichtigsten für die amerikanische Indiefilmszene, sondern auch eines, das die „Konkurrenz“ im Netz nicht ablehnt, sondern fördert. Nicht nur erlaubt Sundance im Gegensatz zu anderen Festivals seit einigen Jahren, dass die ausgewählten Filme auch vorab oder gleichzeitig online stehen dürfen. Für dieses Jahr geht Sundance bereits zum zweiten Mal eine Kooperation mit YouTube ein.

Auf dem Kanal des Sundance Film Festivals gibt es deshalb auch in diesem Jahr eine Auswahl von Filmen zu sehen, die in der Kurzfilmkategorie laufen. Der Film, der zwischen dem 16. und 24. Januar die meisten Abrufe hat, bekommt zudem den YouTube Audience Award bei der Preisverleihung am 25. Januar verliehen.

Hier ist die komplette Playlist der 15 ausgewählten Kurzfilme:

Zusätzlich bietet YouTube täglich Zusammenfassungen des Festivalsgeschehens an. YouTube-Persönlichkeiten wie Shira Lazar und Casey Neistat diskutieren in Live @ Sundance jeweils eine Stunde täglich über die Filme und Ereignisse des Tages. Auch gibt es kurze Vorstellungen der Filmemacher, die bei Sundance auftreten.

Wie die Kooperation zwischen Sundance und YouTube oder dem TIFF und Vimeo zeigt, geht der Trend dahin, dass sich Filmfestivals und Online-Plattformen nicht mehr argwöhnisch betrachten, sondern aufeinander zugehen. Das alte Credo, dass Kurzfilme erst einen Festivallauf machen müssen bevor sie online erscheinen, hat zunehmend ausgedient. Stattdessen müssen Festivals zeigen, dass sie den Gästen vor Ort im Kino sowohl einen Mehrwert bieten können, als auch gleichzeitig die Möglichkeiten des Internets nutzen.

 

Multimedia-Reportage: „Haiti: Auferstanden als Ruine“

Am 12. Januar 2010 bebte in Haiti und der Hauptstadt Port-au-Prince die Erde. Die traurige Bilanz: Geschätzte 250.000 Tote, 300.000 Verletzte, 1,5 Millionen Obdachlose. Es war eines der schwersten Erdbeben der jüngeren Zeitgeschichte, und es stürzte ein ohnehin schon armes Land in eine tiefe Krise. Vier Jahre später stockt der Wiederaufbau trotz Milliardenhilfe aus dem Ausland. Doch einige konnten von der Krise auch profitieren.

Der Fotograf Florian Kopp und die Journalistin Sandra Weiss stellen zum vierten Jahrestag der Katastrophe in ihrer Multimedia-Reportage Auferstanden als Ruine die Gewinner und Verlierer des Erdbebens von Haiti vor.

Auf der einen Seite stehen hunderttausende Obdachlosen, die inzwischen in Slum-ähnlichen Siedlungen außerhalb der Hauptstadt hausen. Auf der anderen Seite sind es Unternehmen aus den USA und Europa, die lukrative Verträge für Bau- und Hilfsprojekte bekamen. Gleichzeitig versiegte ein Großteil der Hilfsgelder in einem Dickicht aus Politik, Bürokratie und Korruption.

Neben Texten, Fotos, Audios und Grafiken haben die beiden Macher und ihre Multimedia-Agentur auch eine Kurzdoku über die Situation vor Ort gedreht: Vergessen erzählt die Geschichte von Samantha Jean-Pierre, die seit Jahren in einem der Camps lebt.

Die komplette Reportage gibt es auf der Website.

 

Kurzfilm: „Ark“

Der Kurzfilm Ark des polnischen Filmemachers Grzegorz Jonkajtys darf inzwischen gut und gerne als Netzfilm-Klassiker gelten. Obwohl der Film bereits im Jahr 2007 entstand und bereits seit 2008 online verfügbar ist, wird er noch immer regelmäßig in Blogs vorgestellt – ein Zeichen, dass sich die sieben Minuten lohnen. Die Animation mag nicht mehr ganz auf dem neusten Stand der Technik sein, doch es ist vor allem die Story, mit der Ark glänzt: Das dystopische Endzeitszenario mündet nämlich in einem ganz und gar unerwarteten Finale. Mehr soll an dieser Stelle auch gar nicht verraten werden.

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13 Filme des TIFF exklusiv bei Vimeo On Demand

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Es tut sich was im Bereich der alternativen Filmdistribution. Nachdem Vimeo im vergangenen Frühjahr eine On-Demand-Option für Filmemacher einführte und inzwischen mehr als 5.000 Titel führt, kristallisieren sich langsam auch komplexe Deals heraus. Wie das Unternehmen nun mitteilte, habe man sich die exklusiven Vertriebsrechte an 13 Filmen gesichert, die im Programm des Toronto International Film Festival, kurz TIFF, laufen.

Der Deal ist insofern interessant, als dass Vimeo in diesem Fall Inhalte exklusiv einkauft, beziehungsweise den Machern einen Vorschuss bezahlt: 10.000 US-Dollar zahlt Vimeo jedem der 13 Filmemacher vorab. Dafür bekommt die Plattformen die exklusiven Streamingrechte: Und zwar entweder für 30 Tage oder bis die Filme die 10.000 Dollar eingespielt haben. Anschließend dürfen die Macher ihre Filme auch anderen Anbietern anbieten, oder den klassischen 90/10 Split von Vimeo weiternutzen.

Die Filme sollen zwischen Jetzt und Mai erscheinen, und bieten eine bunte Mischung in Sachen Genre und Herkunft. Hier die komplette Liste:

Asphalt Watches von Shayne Ehman und Seth Scriver
Cinemanovels von Terry Miles
Empire of Dirt von Peter Stebbings
Faroeste Caboclo von René Sampaio
Gente en Sitios von Juan Cavestany
Ladder to Damascus von Mohamad Malas
Little Feet von Alexandre Rockwelll
Palestine Stereo von Rashid Masharawi
Standing Aside Watching von Yorgos Servetas
The Animal Project von Ingrid Veninger
This Is Sanlitun von Robert I. Douglas
Une Jeune Fille von Catherine Martin
Wild Duck von Yannis Sakaridis

(via)

 

Weißt du, was auf deinem T-Shirt steht?

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Das könnte mir ja nie passieren: Dass ich nicht wüsste, was auf meinem T-Shirt steht. Dafür verschwende ich viel zu viel Zeit, nach Shirts von obskuren Bands oder abwegigen Internet- und Popkulturreferenzen zu suchen (siehe oben). Doch offenbar geht das längst nicht allen Menschen so. Tatsächlich scheinen die meisten keinen blassen Schimmer zu haben. Mirko Podkowik hat sich jedenfalls in Düsseldorf auf den Weg gemacht, und Menschen im Nachtleben danach gefragt, was denn nun auf ihrem T-Shirt steht. Die Antworten sind erschreckend – erschreckend planlos. Und da das Video gerade durch die deutsche Blogosphäre gereicht wird, ist es auf dem besten Weg, ein kleiner viraler Hit zu werden.

(via)

 

Improv Everywhere: Hosenlose Frechheit

Das Team von IE. Dritter von links: Gründer Charlie Todd. (© Brian Fountain)
Das Team von Improv Everywhere. Dritter von links: Gründer Charlie Todd. (© Brian Fountain)

Boxershorts, Slips und Tangas, Feinripp oder Seide, gepunktet oder einfarbig – am vergangenen Wochenende durften die U-Bahn-Passagiere in den Großstädten der Welt wieder Unterwäsche bestaunen. No Pants Subway Ride heißt die jährliche Aktion, in der Freiwillige in der Bahn kollektiv die Hosen runterlassen. Ins Leben gerufen hatte sie im Jahr 2002 die New Yorker Performance-Gruppe Improv Everywhere.

Die feiert aber nicht nur die 13. Ausgabe der hosenlosen U-Bahnfahrt, sondern in der gerade online erschienenen Dokumentation We Cause Scenes auch die eigene Erfolgsgeschichte. 1,6 Millionen Abonnenten und über 340 Millionen Abrufe hat Improv Everywhere inzwischen auf YouTube. Die Truppe gilt als Vorreiter von Self-Made-Comedy und viralen Videos im Netz. Und auch wenn sie den Begriff des Flashmobs nicht erfanden, so waren ihre Aktionen maßgeblich an dessen Verbreitung beteiligt.

Anfänge unter Freunden

Charlie Todd mag das Wort Flashmob trotzdem nicht; zu inflationär gebraucht sei es heutzutage. Der Mittdreißiger ist der Gründer und kreative Kopf von Improv Everywhere. Todd spricht bei seinen ausgeklügelten Aktionen viel lieber von „Missionen“, ausgeführt von unzähligen freiwilligen „Agenten“, die sich vor der Kamera allzu gerne zum Obst machen.

Die Idee für Improv Everywhere kam, wie so oft, beim Bier: An einem Augustabend im Jahr 2001 hatten Todd und einige College-Kumpels nach einigen Drinks die Idee, Todd als den Sänger Ben Folds auszugeben. Sie baten ihn um Autogramme und nach und nach näherten sich auch die anderen Gäste. Sie fielen auf den Schwindel herein. Am darauf folgenden Montag registrierte Todd eine Adresse beim Webhoster Geocities und schrieb die Aktion auf. Den Titel der Website dachte er sich spontan aus: Improv Everywhere.

In den nächsten Monaten fanden die Freunde Gefallen an den Streichen (englisch pranks) in der Öffentlichkeit. Mal „hypnotisierten“ sie eingeweihte Menschen im Park und rannten weg, während die Hypnotisierten sich küssten und tanzten. Mal gaben sie sich als Karikaturisten aus und zeichneten miese Werke unwissender Touristen. Es war eine Freizeitbeschäftigung, nicht mehr.

Rekrutierung per Mailingliste

Zur gleichen Zeit belegte Todd Kurse am New Yorker Improvisationstheater Upright Citizens Brigade, und lernte dort mit versteckter Kamera umzugehen und viele comedybegeisterte Menschen kennen. Auf der Website von Improv Everywhere entstand eine Mailingliste. Als die Gruppe im Jahr 2002 dazu aufrief, nach und nach ohne Hose in die U-Bahn zu steigen, als sei es das Normalste auf der Welt, kamen immerhin sechs Freiwillige. Am vergangenen Wochenende waren es 4.000 – allein in New York.

Der No Pants Subway Ride war die erste Aktion von Improv Everywhere, bei der fremde Menschen aufgrund einer einfachen E-Mail spontan mitmachten. Als der Journalist Bill Wasik im Sommer 2003 mit dem Mob Project erstmals den Begriff Flashmob nutzte, hatte Improv Everywhere bereits ein Jahr Vorsprung. Sie führten Choreografien in Musikläden auf, spielten als U2 verkleidet auf dem Dach gegenüber der Konzerthalle und erfanden das MP3-Experiment, bei dem alle Mitmachenden gleichzeitig eine MP3-Datei mit Instruktionen abspielen – eine Aktion, die inzwischen in Städten weltweit aufgeführt wurde.

Durchbruch dank YouTube

Improv Everywhere entwickelte sich zum New Yorker Untergrundphänomen. Doch die nationale Aufmerksamkeit fehlte den Machern. Das änderte sich im April 2006, als Todd den YouTube-Kanal von Improv Everywhere registrierte. „Wir hatten einen gewissen Wettbewerbsvorteil“, sagt Todd, „denn wir hatten bis dato fast alle Aktionen mit der Kamera aufgenommen und konnten von Anfang an auf dieses Archiv zurückgreifen.“

Der Erfolg kam prompt: Innerhalb weniger Monate hatten Improv Everywhere mehrere virale Videos im Netz, Artikel in Zeitungen wie der New York Times und schließlich das Angebot, eine Pilotfolge für eine Show auf dem TV-Sender NBC zu drehen. Aus der Serie wurde am Ende nichts, doch die vier Missionen, die Improv Everywhere gemeinsam mit NBC drehte, waren ein Hit im Netz.

Vor allem eine Aktion ist legendär: Rund 200 Menschen versammelten sich in der Eingangshalle der Grand Central Station und verharrten zur gleichen Uhrzeit für fünf Minuten in der gleichen Pose. Mit über 33 Millionen Abrufen ist das Video zu Frozen Grand Central bis heute das erfolgreichste der Gruppe – ein Klassiker des Flashmob-Genres.

Für Charlie Todd war die Sache allerdings „ein zweischneidiges Schwert“. Da die Produktionsqualität höher war als bei den vorangegangenen Videos, stiegen die Erwartungen der Fans. Todd musste sich entscheiden: Wollte er weiter mit der Do-it-Yourself-Wackelkamera arbeiten? Oder sollte er Improv Everywhere technisch und inhaltlich auf die nächste Stufe heben?

Die Antwort ist bekannt: Seit 2008 reist Todd regelmäßig mit Improv Everywhere um die Welt. In der Zwischenzeit denkt er sich neue pranks aus, plant akribisch die richtigen Orte und Zeitpunkte. Denn längst gilt es, statt einem Dutzend ein paar hundert Menschen zu koordinieren. Zur Belohnung schaffen es die Aktionen regelmäßig in die großen Blogs und Medien. Auch weil sie auch nach 13 Jahren immer wieder kreativ sind. So stellte die Gruppe in den vergangenen Monaten Szenen aus Filmen wie Indiana Jones, Rocky oder Harry Potter an öffentlichen Plätzen nach und ließ dabei unter anderem Gandalf den Zauberer durch den Park flitzen.

Die Idee der vernetzten Comedy

Ob der Erfolg ohne das Internet und YouTube möglich gewesen wäre? Charlie Todd glaubt es nicht. Zum einen war es für ihn erst durch YouTubes Partnerprogramm möglich, Improv Everywhere sowohl hauptberuflich als auch unabhängig zu führen. Vielen aufstrebenden Comedians geht es ähnlich: Inzwischen hat die Plattform die verrauchten Comedy-Klubs abgelöst, und die Prank-Videos bilden ein erfolgreiches eigenes Genre auf YouTube.

Zum anderen steckt hinter dem Projekt seit jeher das Konzept einer „vernetzen Comedy“, die die Menschen zusammenbringt, um für Spaß zu sorgen. Was lange vor Facebook und Twitter in Foren und Mailinglisten begann, konnte durch den Aufschwung der Webvideos auch Menschen begeistern, die nicht zufällig bei einem der pranks vor Ort waren. Und je mehr Fans der Kanal hatte, desto schneller wuchs die Beteiligung. Heute kann Todd mit einer einzigen E-Mail Tausende Menschen mobilisieren.

Eine Anekdote erzählt Todd zum Abschluss der Dokumentation We Cause Scenes, die stellvertretend für Improv Everywhere steht: Als er das Video des ersten No Pants Subway Ride auf YouTube stellte, meldete sich wenig später die junge Frau, die in dem Video die unwissentliche Hauptrolle einnimmt. Nach mehr als fünf Jahren wusste sie endlich, was an diesem Tag in der U-Bahn geschah, und was sie all die Jahre ihren Freunden erzählt hatte. „Das ist genau das, was wir mit Improv Everywhere erreichen möchten“, sagt Todd, „dass die Menschen mit einer schönen Geschichte nach Hause gehen.“