Das Märkische Viertel in Berlin hat keinen guten Ruf. Hier im Norden der Hauptstadt heißen die Nachbarbezirke nicht Kreuzberg oder Prenzlauer Berg, sondern Wittenau, Lübars und Waidmannslust. Touristen sehen diese Ecke Berlins nur selten. Vermutlich sehen auch die meisten Berliner diese Ecke nur selten. Der Rapper Sido, der vielleicht bekannteste Sohn des Viertels, nahm zu seiner Hitsingle Mein Block vor neun Jahren ein Video auf, in dem die gängigen Vorurteile gegenüber der Trabantenstadt nur noch verstärkt wurden: Sido rappte von Kriminalität und Arbeitslosigkeit, von Jugendgangs und „Dreck und Gesocks“ zwischen Plattenbautristesse, von „dicker Luft, ein paar Bäumen, Menschen auf Drogen, geplatzten Träumen.“
Die Berliner Politiker sehen das freilich ganz anders. Das Märkische Viertel sei dank umfassender Renovierungen und Umstrukturierungen in den vergangenen Jahren viel grüner geworden als man denkt, heißt es immer wieder. Und auch die Kriminalität liege inzwischen im Berliner Durchschnitt, der Ausländeranteil sogar darunter. In Artikeln liest man immer wieder von Familien, die seit Generationen im Märkischen Viertel wohnen und dort auch gar nicht mehr weg wollen.
Was stimmt denn nun?
Die Frage stellte sich der Berliner Filmemacher Max Kerkhoff im Jahr 2007. Er ist deshalb in das Märkische Viertel gefahren und hat Bewohner gesucht, deren Stimme man in den Medien seltener hört. Die Protagonisten seiner Dokumentation Wo Lang? sind nicht die Altmieter, sondern Jugendliche. Den Sommer über begleitet er den 19-jährigen Kevin und seine Freunde bei ihrem Alltag im Viertel, der neben Biertrinken, Kiffen und dem ein oder anderen Problem mit der Polizei vor allem in der Frage besteht, was denn aus ihrem Leben werden soll.
Wo lang? bietet natürlich nur einen ausgewählten Einblick in das Leben von rund 35.000 Menschen und kann deshalb keinen Anspruch auf Vollständigkeit stellen. Und doch bleibt am Ende der Eindruck, dass auch die Probleme im Märkischen Viertel tiefer gehen als die Zahlen einer Statistik.