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Going Underground – Kurzfilmwettbewerb Berlin

Das „Berliner Fenster“ in den U-Bahnen kennen die Berliner Bürger vor allem als Quelle boulevardesker Nachrichten und Veranstaltungsinfos, doch von heute bis zum 18. September laufen dort auch (sehr kurze) Kurzfilme im Rahmen des Going Underground Wettbewerbs. Und wer nicht in Berlin wohnt oder ungern U-Bahn fährt, kann alle Filme auch online angucken und seine Favoriten wählen. Hier eine Auswahl, darunter auch das großartige Wildebeest:

 

Tony Scott in „Boy and Bicycle“

Im Gegensatz zu seinem älteren Bruder Ridley liebte es der britische Regisseur Tony Scott gerne etwas direkter. Was seine Werke nicht abwerten soll: Top Gun, der Staatsfeind Nr. 1, die Tage des Donners sind Filme, die in ihrem jeweiligen Genre die Zeit mehr als gut überstanden haben. Am Sonntag stürzte sich Tony Scott im Alter von 68 Jahren von einer Brücke.

Angefangen hat Tony Scotts Liebe zum Film mutmaßlich mit folgendem Film seines Bruders, in dem der junge Tony die Hauptrolle spiele. Boy and Bicycle aus dem Jahr 1962, gedreht mit einer geliehenen 16mm-Kamera und einem „Budget“ von 65 Pfund.

 

Kurzfilm: „Sight“

Bei all der Diskussion um Googles Datenbrille, Augmented Reality und Gamification des Alltags scheint der folgende Abschlussfilm von Eran May-Raz und Daniel Lazo an der Bezalel Academy of Arts in Jerusalem gar nicht so abwegig.

(via)

 

Literarischer Kurzfilm: „Tungu“

Die Tage schrieb mir Marc Rühl von der Hochschule für Gestaltung in Offenbach eine E-Mail. Er hat einen in Zusammenarbeit mit dem Autor und Buchpreisträger Georg Klein einen Kurzfilm produziert, der vorzüglich in dieses Blog passt.

Basierend auf einer Kurzgeschichte aus Kleins Erzählband Die Logik der Süße handelt Tungu von dem Aufeinanderprallen eines indigenen Volkes, der Tungu, mit Botschaftern der modernen Zivilisation. Die nämlich machen bei ihrem zweiten Besuch im abgelegenen Regenwald eine zunächst unerklärliche Entdeckung: Nichts ist mehr von der früheren Tanzkultur der Tungu geblieben. Stattdessen huldigen sie einem neuen Gott – und fünf mysteriösen Symbolen. Die Forscher stehen vor einem Rätsel. Aber nicht sehr lange.

In gewisser Weise folgt Tungu einem alten Dilemma der ethnologischen Feldforschung. Es geht um die Frage, inwiefern ein Kontakt mit der Zivilisation indigene Völker beeinflusst – und vielleicht auch „verdirbt“.

Rühl und Klein haben sich dieser Thematik auch stilistisch angenommen: Die im Hintergrund vorgetragene Erzählung (von Klein selbst gesprochen) wird durch eine experimentelle und düstere Bildsprache, einer interessanten Mischung aus Computereffekten, Aquarellen und Animation ergänzt, die dem Mysterium der Tungu – und deren Verfall – angepasst scheint. Was zunächst etwas schwerfällig beginnt, entwickelt im Verlauf der acht Minuten schnell eine eigene Dynamik, nicht zuletzt auch wegen der Frage, was die Tungu denn nun zu ihrem Kulturwandel bewegt hat. Die Antwort wird hier natürlich nicht verraten.

Hier gibt es noch einen Blick hinter die Kulissen und Informationen über die Entstehung.

 

„The Final Fax“ – wie die WM nach Deutschland kam

Fifa-Präsident Sepp Blatter ist dieser Tage, wieder einmal, in den Schlagzeilen. Es geht, wieder einmal, um Korruption in „seinem“ Verband; Schmiergelder in Millionenhöhe sollen geflossen sein. Nur Blatter möchte davon natürlich nichts gewusst haben und wehrt sich u.a. gegen die Rücktrittsforderungen von DFB-Seite: Die WM 2006 in Deutschland sei gekauft gewesen, polterte er. Dabei weiß doch jeder, wie die WM nach Deutschland kam. Eine Kuckucksuhr war Schuld!

Wer die Geschichte nicht kennt: Im Jahr 2000, kurz vor der Abstimmung über die Austragung der WM 2006, hat der damalige Titanic-Chefredakteur Martin Sonneborn den Fifa-Exekutivmitgliedern ein Fax geschickt, in dem er ihnen „eine Schwarzwälder Kuckucksuhr und ein Fresskorb mit Bierkrug“ in Aussicht stellte – sollten sie für Deutschland stimmen. Der Neuseeländer Charles Dempsey enthielt sich daraufhin entgegen früherer Absprachen und Deutschland gewann mit 12:11 Stimmen – zum Unmut Blatters, der schon damals Südafrika favorisierte. Später sagte Dempsey: „The final fax broke my neck“.

Nico Raschicks Kurzfilm The Final Fax (2010), den Schauspieler Jan Dose dankenswerter Weise vor einiger Zeit auf Vimeo gepackt hat, erzählt diese Geschichte. Sehr ironisch und überspitzt natürlich, aber was anderes wäre der Absurdität des Themas auch nicht angemessen. Und die Sache ist auch nach Jahren noch sehr sehr witzig. Vielleicht kann ihn ja Sepp Blatter dieser Tage auch nochmal schauen. Viel zu lachen hat er ja nicht.

(via)

 

Robbie, seit 6.000 Jahren im Weltall

Roboter in Filmen lassen sich in zwei Kategorien einteilen. Da wären die guten und herzlichen Blechbüchsen wie etwa Wall-E, R2D2 oder Marvin, der paranoide Androide aus Per Anhalter durch die Galaxis. Auf der dunklen Seite der Leinwand stehen die fiesen Gesellen: Die HAL9000s, die Terminators und die Roboterarmeen aus The Matrix, die nur eines im Sinn haben: Ihre Schöpfer, also die Menschen, zu zerstören.

Das würde Robbie niemals in den Sinn kommen. Denn Robbie ist ein durch und durch guter Roboter, ein fleißiger Arbeiter und prima Kerl. Seit er im Jahr 2032 ein Upgrade erfahren hat, kann er eigenständig denken, fühlen und in die Kirche gehen. Und auch sein größter Traum hat sich schließlich erfüllt: Robbie durfte ins Weltall fliegen.

Das vor rund 6.000 Jahren. Seitdem fliegt, oder sagen wir besser irrt, Robbie durch den Weltraum. Den Kontakt zur Erde hat er längst verloren und damit auch das Wissen, was aus seiner Heimat geworden ist. Um sich zu unterhalten, hat Robbie eine Fantasiewelt erschaffen, in der hilfsbereite Roboter durch die Galaxis reisen. Nun aber ist Robbies Akku leer und damit seine Lebenszeit zu Ende. Und Robbie tut das, was ein guter Roboter tun würde: Er erzählt seine Geschichte, in der Hoffnung, dass man ihn wieder findet und auf die Erde zurückholt.

Neil Harveys Robbie ist ein ungewöhnlicher Kurzfilm. Nicht nur, weil er die Geschichte des gleichnamigen Roboters quasi rückwärts erzählt, sondern auch, weil er ausschließlich aus Archivaufnahmen der Nasa besteht. Rund zehn Stunden Material hat Harvey für den achtminütigen Film zusammengeschnitten, um daraus die Geschichte des einsamen Roboters zu bebildern. Gemeinsam mit dem Monolog des Protagonisten ist Robbie ein gelungenes Porträt aus einer ungewohnten Erzählperspektive heraus – und eine nette Abwechslung zu den Produktionen mit effektheischender Computergrafik.

 

Ein Leben im Spiegelbild

Schöne, da einfache Idee von Ramon & Pedro: In Le Miroir erzählen sie anhand eines Spiegels die Lebensgeschichte eines Menschen. Das ist clever, denn für die meisten Menschen dürfte der morgendliche Blick in den Spiegel zu einer festen Konstante gehören – und das über Jahrzehnte. Quasi der alltägliche Beweis, das man noch da ist.

(mit Dank an @BlueFoxatTheSea, der uns darauf hinwies)

 

Einmal Gott spielen: „The Gloaming“

Und am ersten Tag schuf Gott das Chaos. Nein, so lautet nicht der Untertitel des französischen Animationsfilms The Gloaming. Aber er könnte. Gott, das ist in diesem Fall der Charakter, der dem Zuschauer zu Beginn in einer kargen Wüstenlandschaft entgegentritt. Er bleibt im weiteren Verlauf des Films namen- und sprachlos, doch er hat eine Gabe: Er kann eine Welt erschaffen, eine Miniatur unseres Planeten.

In den folgenden zehn Minuten erzählt The Gloaming eine stark verkürzte und stilisierte Geschichte der Menschheit: Beginnend mit der Erschaffung der ersten Menschen spinnt sich The Gloaming rasant über Epochen wie die Antike, das Mittelalter und die Industrialisierung hin zu einer dystopischen Zukunft, die gleichermaßen an George Orwells 1984 wie The Matrix erinnert.

Dass dieser schnelle Szenen- und Szenarienwechsel nicht disruptiv auf die Zuschauer wirkt, ist dem erzählerischen Faden des Films zu verdanken: Krieg, Neid, Kontrolle und Machtkämpfe stehen im Mittelpunkt jeder Epoche, die zunehmend düsterer werden. Am Ende wird der vermeintliche Schöpfer von seiner Kreation eingenommen. Was bleibt ist die Frage, ob das menschliche Wesen unweigerlich auf seine Zerstörung hinarbeitet.

Das dieses ambitionierte Konzept ohne Dialoge und nur durch die Bilder so gut funktioniert, verdankt The Gloaming letztlich seiner technischen Umsetzung: Die Kombination aus Computergrafik, 2D-Animation und Stop-Motion sorgt für eine ganz besondere Dynamik. Sechs Jahre lang hat das französische Team von Nobrain, ein Zusammenschluss aus vier Filmemachern, gemeinsam mit dem Sabotage Studio an Konzept und Umsetzung gearbeitet.