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Hunde im Weltall

Eigentlich hätte die Animationsfilmerin Avgousta Zourelidi diesen Kurzfilm schon vor einem guten Monat online stellen müssen. Am 3. November wäre es genau vor 55 Jahren gewesen, als die Hündin Laika von Baikonur in Kasachstan aus dorthin reiste, wo noch nie ein Lebenwesen vor ihr war: in den Weltraum. Bis zu ihrem Flug war nämlich nicht bekannt, ob Säugetiere überhaupt in der Schwerelosigkeit überleben konnten. Die Erkenntnisse, die Laika an die Erde funkte bevor sie – vermutlich an Überhitzung und Stress – in der Kapsel starb, ebneten den Weg für die bemannte Raumfahrt wenige Jahre später. Zourelidi hat der Hundedame für ihre Pionierarbeit diesen animierten und preisgekrönten Kurzfilm gewidmet.

 

Kurzfilm zum Welt-Aids-Tag: „Last Address“

Last Address von Ira Sachs ist ein bedrückender Film, den es zunächst zu entschlüsseln gilt: Denn er beinhaltet keine Sprache, keine Musik, keine Personen. Stattdessen sieht man die Aufnahmen von Häusern, Wohnungen, Fassaden, Klingelschildern. Darunter stehen Namen und Adressen. Es sind Leerstellen für die Menschen, allesamt Künstler aus New York, die an diesen Orten lebten und alle an der gleichen Krankheit starben: Aids.

Last Address ist damit der Epitaph auf eine verschwundene Generation und steht gleichzeitig doch für mehr: Für alle Menschen weltweit, die ihr Leben durch Aids verloren und leere Wohnungen, Fassaden und Klingelschilder hinterließen. Schon 2010 auf dem Sundance Festival debütiert, lohnt sich der Kurzfilm heute am 1. Dezember, dem Welt-Aids-Tag einmal mehr anzusehen.

(via Twitter)

 

The Power of Quiet

„Wir leben in einer Gesellschaft, die übermäßig extrovertiert ist“, sagt die Autorin Susan Cain im folgenden animierten Short der Royal Society for the encouragement of Arts (RSA). Und fährt damit fort, dass die besten Ergebnisse in Unternehmen nachweislich nicht alleine von den charismatischen Stimmen und Persönlichkeiten erzielt werden, sondern vor allem im Zusammenspiel aus extrovertierten und introvertierten Mitarbeitern. Das ist zwar keine neue Erkenntnis, aber eine, die man sich ruhig öfters mal bewusst machen kann.

Die Animation ist der Auftakt der RSA Shorts, die in regelmäßigen Abständen die Ideen von Autoren und Wissenschaftlern mit der Arbeit talentierter Künstler zusammenbringen möchte.

 

Dem Räuber in die Tasche greifen: „Pockets“

Über das Filmprojekt Random Acts des britischen Privatsenders Channel 4 schrieb ich an dieser Stelle bereits vor einem knappen Jahr, und dass sich das regelmäßige Vorbeischauen immer noch lohnt, beweist die folgende Produktion von Daniels, die das mit dem „Anderen-in-die-Tasche-greifen“ sehr wörtlich nehmen.

 

Miranda Julys „A Handy Tip for the Easily Distracted“

Miranda July, Autorin, Performance-Künstlerin, Schauspielerin und notorischer Wuschelkopf zeigt in der folgenden Szene, die während der Aufnahmen ihres letzten Spielfilms The Future entstanden ist, wie sie den Ablenkungen des Alltags entkommt.

 

Open-Source-Film: „Tears of Steel“

Dass es für ansehnliche Filme keine sündhaft teure Ausrüstung oder Software benötigt, dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben. Die Niederländer von Blender haben sich zum Ziel gesetzt, das zu beweisen. Nicht ohne Hintergedanken, denn Blender ist eine Open-Source-Grafiksoftware, die es bereits seit 1995 gibt. Seit einigen Jahren treffen sich regelmäßig Mitglieder der Blender-Community in Amsterdam, um die Funktionen der Software in Form von größeren Filmprojekten vorzustellen.

Tears of Steel ist der vierte Film, der aus diesen, von freiwilligen Unterstützern und Filmstiftungen finanzierten „Open Projects“ entsprungen ist. Anders als seine drei Vorgänger ist er aber nicht ausschließlich im Computer entstanden, sondern enthält erstmals auch Szenen, die ganz klassisch mit Schauspielern gefilmt wurden. Die wurden anschließend in eine computeranimierte Zukunft geschickt, in der Roboter versuchen, die Menschheit zu zerstören – weil es in der Vergangeheit etwas Beziehungsstress gab.

Man merkt: Die Handlung ist nicht die Stärke von Tears of Steel. Darüber lässt sich aber in diesem Fall hinwegsehen. Denn als Demonstration einer kostenlosen Software und der Arbeit engagierter Hobbyfilmer ist Tears of Steel jedenfalls gelungen.

Da es sich um ein Open-Source-Projekt ist, wird es auch als solches weitergegeben: Alle Einzeldaten des Films gibt es demnächst auf DVD und im Netz, auf deren Basis andere Filmemacher den Film nachbauen, verändern oder verbessern können.

 

Kurzfilm-Thriller: „L’Accordeur“

Der Thriller in Kurzfilmform ist ein schwieriges Unterfangen – jedenfalls kommt mir das so vor. Wie schafft man es, den Zuschauer von der ersten Sekunde an zu fesseln, ohne ihn mit vorhersehbaren Dialogen oder schnarchigen Stereotypen zu langweilen? Wie, eine Handlung zu erzählen, die genau die richtige Mischung aus Originalität und Umfang trifft?

Der preisgekrönte französische Kurzfilm L’Accordeur (Der Klavierstimmer) von Olivier Treinier aus dem Jahr 2010 könnte als positives Beispiel vorangehen. Er erzählt die Geschichte eines Pianisten, der einst ein Wunderkind galt und dabei den Durchbruch verfehlte. Fortan verdient er sich als Klavierstimmer sein Brot, aber mit einer Besonderheit: Er gibt sich als blinder Klavierstimmer aus – weil dann die Menschen freundlicher und offener seien. Doch das falsche Leben als Blinder hat nicht nur Vorteile und bringt den sarkastischen Musiker schon bald in eine unangenehme Situation…

L’Accordeur fängt in kürzester Zeit eine ganze Palette unterschiedlicher Stimmungen und Themen ein: Es geht um das Scheitern und Depressionen, um Voyeurismus, Gewalt und natürlich auch Musik. Gepaart mit einer wunderbaren Erzählgeschwindigkeit, die in den richtigen Momenten zwischen schnellen, cleveren Dialogen und ruhigen Monologen wechselt und schließlich in einen „unerhörten Moment“ mündet. All das macht einen guten Thriller aus, und L’Accordeur gelingt in gerade einmal zwölf Minuten, wofür andere einen ganzen Spielfilm brauchen.

Update: Der Film wurde von den Machern inzwischen depubliziert.

 

Stop-Motion mit Dreh: „The Maker“

Es gibt Filme, die erzählen eine Geschichte chronologisch von Anfang bis Ende. Es gibt Filme, die verwenden Vor- und Rückblenden, um die Erzählung anzureichern. Und es gibt Filme, die basieren auf einer Art Endlosschleife oder passender: einem Regress, bei dem die Ursache jeweils durch die zuvor verursachte Wirkung entsteht.

Wem das zu kompliziert klingt, sollte einfach The Maker anschauen, ein transkontinentale Arbeit unter der Regie des Amerikaners Christopher Kezelos. Denn der vielfach prämierte Stop-Motion-Kurzfilm erzählt eine Geschichte, die sich wiederum selbst erzählt.

Der Clou dabei: Die Zuschauer merken das erst am Ende, weshalb The Maker trotz seiner Kürze ein ziemlich packendes Vergnügen ist. Das liegt nicht zuletzt auch an der wunderbaren Gestaltung der Puppen (irgendwo zwischen niedlich und grässlich), und des Soundtracks, der ebenfalls geschickt mit der Geschichte verwoben ist. Und auch nach dem Ende lässt The Maker noch genügend Spielraum für Interpretationen. Kein Wunder, dass diese tolle Arbeit kürzlich den Publikumspreis beim Short List Filmfestival einheimsen konnte.