Lesezeichen
 

„Störsender“: Dieter Hildebrandt macht Webvideo

© stoersender.tv
© stoersender.tv

Dieter Hildebrandt will wieder stören. Die Politik, die Obrigkeit und prinzipiell alle, die sich gegen die Demokratie richten. Darum ging es dem „Vater des politischen Kabaretts“ zwar irgendwie schon immer, aber diesmal hat er sich ein neues Publikum gesucht. Der 85-Jährige sendet künftig mit gewohnt scharfer Zunge und humorvoll-politischen Kommentaren nicht etwa im Fernsehen, sondern im Internet – und alle sollen mitmachen.

Störsender.tv heißt das Projekt, das ab sofort und für zunächst 20 Episoden immer vierzehntägig im Netz erscheint. 150.000 Euro hatten die Macher um Hildebrandt und den Journalisten Stefan Hanitzsch dafür im Dezember auf der Crowdfunding-Plattform Startnext gesammelt. Geld, das vor allem in den Inhalt fließt: Abgesehen vom Produktionsteam und Redakteur Hanitzsch verzichten Hildebrandt und andere Künstler, die in der Show auftreten, auf eine Gage. Die Liste der Gäste ist trotzdem lang: Georg Schramm, Gerhard Polt, Erwin Pelzig und Urban Priol haben sich bereits angekündigt oder das Projekt finanziell unterstützt.

„Spielwiese für Störenfriede“

Subversiv soll der Störsender sein, eine „Spielwiese für Störenfriede und Wutbürger“, die die Demokratie in Gefahr sehen. Die Idee kam Hanitzsch und Hildebrandt bereits 2011, als es um die Entwicklung einer neuen Homepage für Hildebrandt ging. Aus der geplanten Website wurde schließlich ein neues Portal, „eine Mischung aus Journalismus, Kabarett und politischem Aktivismus“, wie Hanitzsch sagt. Und das möglichst auch abseits des Internets: Gezielte Aktionen sollen die Zuschauer mobilisieren und Projekte unterstützen.

Der Kern des Störsenders aber bildet die Sendung. Vierzig Minuten dauert die erste Folge, die am Osterwochenende Premiere feierte. „Finanzkasinokapitalismus“ lautet das Thema und befasst sich dabei vorrangig mit dem Bank- und Finanzsystem im Rahmen der Krise. Kein neues Thema, aber eines, an dem man sich vorzüglich stören kann.

Dazu verbindet der Störsender verschiedene Formate. Längere Interviews treffen auf kurze Einspielungen und kabarettistische Einschübe, Karikaturen und Lieder, etwa von Konstantin Wecker und Ecco Meineke. In einem ersten Highlight erklärt der Kabarettist HG Butzko in einem Stück seines Programms die Verstrickungen des früheren Finanzpolitikers Jörg Asmussen in der Schuldenkrise. Es ist klassisches, zeitloses Kabarett, das auch den Sprung ins Internet nicht zu scheuen braucht.

Doch nicht alle Segmente funktionieren gleich gut. Vor allem die Interviewpassagen fallen ab, und das nicht nur in Sachen Bild und Tonqualität. So ist die Vorstellung einer „post-autistischen Ökonomie“ des Wirtschaftswissenschaftlers Helge Peukert im Interview mit Stefan Hanitzsch zwar thematisch interessant, hinterlässt im Kontext der Sendung aber mehr Fragen als Antworten. In einer anderen Episode erzählt ein Frankfurter Rechtsanwalt über das Projekt Geldhahn Zu, das sich gegen die Schulden- und Refinanzierungspolitik einsetzt. Zu Bildern der Frankfurter Skyline bei Nacht erzählt er abschließend von der „Zerstörung des Planeten“ durch die Banken, was dann doch weniger nach subversivem Aktivismus als vielmehr nach Endzeitfantasie klingt.

Besser macht es Hildebrandt. Zwischen den Einspielungen und in der Rolle eines Moderators resümiert und kommentiert er vom Münchner Schreibtisch aus. Gewohnt gemächlich, fast dozierend, aber stets scharfsinnig nimmt er sich des Themas an. Für den gestandenen Entertainer ist der Auftritt jenseits der TV-Kameras und großen Publikums eine neue Erfahrung. Aber es sei gleichzeitig auch eine „wesentliche Bereicherung meiner Laufbahn“, sagt Hildebrandt in einem Interview mit dem Journalisten Richard Gutjahr.

Gegen lahme TV-Strukturen

Nicht zuletzt, weil das Senden im Netz eigene Vorteile mit sich bringt. Redaktionelle Freiheit etwa, oder Unabhängigkeit von den Strukturen der Sendeanstalten, die auch Hildebrandt als zunehmend veraltet einschätzt. Für den Störsender brauchen Hildebrandt, Hanitzsch und ihr Team niemandem Rechenschaft ablegen oder Inhalte diskutieren – außer mit sich selbst. Eine Bedrohung des Fernsehens durch das Internet sieht Hildebrandt allerdings nicht gegeben: „Das Fernsehen ist beharrlich“, sagt Hildebrandt und liefert gleich Kritik mit: „Die Leute zahlen Gebühren, weil sie es gewohnt sind. Es dauert länger bis sie merken, dass ihnen das Fernsehen gar nicht mehr das liefert, was sie für die Gebühren verlangen könnten.“

Gebühren fallen für den Störsender nicht an. Aber es gibt die Möglichkeit auf eine Premium-Mitgliedschaft. Jeder Unterstützer der Spendenaktion bekommt die neuen Shows bereits drei Tage eher und in HD-Qualität zur Verfügung gestellt. Neue Unterstützer sind mit 66 Euro für ein Jahresabonnement dabei. Rund 2.000 bezahlende Abonnenten zählt Störsender bereits zum Sendestart. Und dazu gehören nicht nur junge Menschen, sagt Hanitzsch. Im Gegenteil, wie der Tagesspiegel schreibt, könnten Hildebrandt und der Störsender „für Kabarettfans in fortgeschrittenem Alter zu Internetbotschaftern werden“. Doch am Ende ist es wohl egal, wer zu den Zuschauern zählt. Hauptsache ist, sie stören mit.

 

Lena Dunham und die Anfänge von „Girls“

Die HBO-Serie Girls ist ein Hit, wenn nicht bei den Quoten (die bei Pay-TV-Sendern traditionell weniger wichtig sind), dann zumindest bei den Kritikern. Das halbstündige Format, das eine Gruppe Mittzwanziger-Frauen in Brooklyn zeigt, die grob auf tatsächlichen Personen aus dem Leben von Darstellerin und Autorin Lena Dunham basieren, hat im vergangenen Jahr fast alle Kritiker mit seiner freizügigen Darstellung von Sexualität, raffiniertem Humor und Mumblecore-Dialogen überzeugt.

Obwohl Lena Dunham, Jahrgang 1986, für Girls dieses Jahr gleich zwei Golden Globes gewonnen hat und damit wohl endgültig in der ersten Reihe des TV-Geschäfts angekommen ist, hatte sie ihre ersten Erfolge mit Web-Inhalten. 2007, damals noch Studentin am Oberlin College, drehte sie mit Tight Shots ihre erste Webserie, die, nicht überraschend, von einer Gruppe Studenten handelte, die einen Film drehen möchten.

Mit Delusional Downtown Divas aus dem Jahr 2009 machte Dunham dann mit größerem Budget und besserer Technik zum ersten Mal wirklich auf sich aufmerksam. Eine Gruppe weltfremder Hipster sucht in der Serie mit abstrusen Geschäftsideen den Erfolg in der „echten“ Welt, sie scheitern aber meist schon am nächsten Joint. Schon damals erkennt man einige der typischen Einstellungen und absurden Situationen zwischen Sex und Lebensfindung, die auch in Girls vorkommen, auch wenn der Humor mittlerweile doch deutlich ausgefeilter ist.

Mit dem Indie-Film Tiny Furniture schaffte Dunham 2010 schließlich den Sprung vom Web auf die Leinwand und letztlich auch ins Fernsehen. Die Schauspieler Jemima Kirke (Jessa in Girls) und Alex Karpovsky (Ray) nahm sie gleich mit. Damit ist Dunham ein weiterer lebender Beweis, dass der Weg vom YouTube- zum TV-Erfolg durchaus möglich ist. Nur falls das jemand ernsthaft bezweifelt hat.

(via)

 

„Aperture R&D“ macht „Portal“ zur Comedy

An Fan-Filmen zu den Videospielen Half-Life und Portal mangelt es gewiss nicht. Das war aber kein Grund für den YouTube-Kanal Machinima, eine neue Webserie in Auftrag zu geben, die im Portal-Kosmos spielt. Naja, so halb jedenfalls. Mit dem Spiel an sich hat Aperture R&D eher wenig zu tun, stattdessen geht es um die ominöse Forschungseinrichtung Aperture, deren Aufstieg und Zerfall im Spiel am Rande erzählt wird. Die Serie nimmt sich folglich auch einige Freiheiten und lässt sich wohl als klassische Büro-Comedy bezeichnen mit ihren absurden Erfindungen und durchgeknallten Wissenschaftlern.

 

„Tropes vs. Women“ analysiert Sexismus in Videospielen

Tropes-vs-videogames

Die Darstellung von Frauen in Videospielen ist meistens eine einseitige Angelegenheit. Zwar bieten viele Spiele die Möglichkeit, einen weiblichen Hauptcharakter zu spielen, doch die klassischen Gender-Stereotypen sind noch immer die Norm. Wenn Frauen überhaupt auftreten (Stichwort Egoshooter), sind sie entweder hilflos und müssen vom männlichen Helden gerettet werden (das sogenannte „Damsel in Distress„-Phänomen), oder sie sind pixelgewordene Männerfantasien, die auch gerne mal draufhauen (das „Tomb Raider“-Phänomen). In den meisten Fällen sind sie sowohl gutaussehend, als auch hilflos.

Die Medienwissenschaftlerin und Videospielerin Anita Sarkeesian bloggt unter Feminist Frequency unter anderem über diese Unzulänglichkeit. Vergangenes Jahr hat sie in einer Kickstarter-Kampagne um Unterstützung für eine Webserie gebeten, in der sie Sexismus und Stereotypen in Videospielen analysieren möchte.

Die erste Resonanz war vor allem erschütternd: Sarkeesian musste sich unter anderem mit Beschimpfungen und Hasstiraden auseinandersetzen, ihre Wikipedia-Seite wurde mehrmals mit pornografischen Inhalten überflutet. Die Reaktionen zeigten, dass sich in der Videospielszene möglicherweise ein viel größerer Sexismus versteckt als angenommen, der gerne als harmlose Tradition abgetan wird. Games seien eben so, heißt es oft, und die Darstellung der männlichen Figuren sei schließlich auch stets ähnlich. Gleichzeitig aber müssen weibliche Spielerinnen fast täglich Anfeindungen und Anspielungen ertragen, wie sie die Seite Fat, Ugly or Slutty sammelt, und auch unter den Entwicklern befinden sich weiterhin kaum Frauen. Der Journalist Rainer Sigl schreibt dazu auf Video Game Tourism:

[Dass] Spiele mit sexistischen Motiven operieren, ist nur ein winziges Mosaiksteinchen eines schwer zu leugnenden Befundes: Nicht nur in den Spielen selbst, sondern auch in der dazugehörigen Industrie und in einem selbstbewusst-lauten Anteil der Spielerschaft ist ein problematischer, oft aggressiver Sexismus die Norm, die zudem in einem falschen Verständnis von „Spielkultur“ im Reflex verbissen verteidigt wird.

160.000 Dollar per Kickstarter

Dem Erfolg von Sarkeesians Projekt tat die Diskussion keinen Abbruch, sondern beflügelte sie eher noch. Am Ende brachte die Kampagne fast 160.000 US-Dollar anstelle der erhofften 6.000 ein und aus fünf geplanten Episoden wurden zwölf.

Die erste Episode von Tropes vs. Women ist seit dem Wochenende online. Sarkeesian beschäftigt sich damit vor allem mit der Damsel in Distress, und wie diese Trope schon in frühen Videospielen wie Donkey Kong und Super Mario etabliert wurde – und bis heute die Norm ist. Vor allem Nintendo zieht diese Darstellung durch viele Spiele durch.

Sarkeesian wählt für ihr Format einen nüchternen und unaufgeregten Ansatz, ohne sich dabei mit trockener Theorie zu befassen. Behutsam wurden die Zuschauer in die Problematik eingeführt, einen Schlenker über die Literaturgeschichte gibt es inklusive. Zahlreiche Screenshots und Spielszenen unterstützen Sarkeesians Thesen. Die sind zwar weder neu noch überraschend, aber ein erklärendes YouTube-Format ist vielleicht die richtige Ergänzung zu einer Debatte, die sich häufig in theoretischen und feministischen Diskursen verliert. Und dabei gerade die jüngeren Videospieler oft nicht erreicht. Immerhin: Schon im vergangenen Jahr hatten viele Artikel und Aktionen das Problem in einem größeren Kontext betrachtet.

(für deutsche Untertitel einfach unten im Player auf das Symbol klicken)

Einzig etwas mehr Dynamik wünscht man sich von Tropes vs. Women. Die doch sehr biedere Aufmachung wirkt bei einer stattlichen Länge von 25 Minuten etwas langatmig. Wie auch Benjamin Filitz auf Superlevel schreibt, wünscht man sich das eine oder andere Interview mit Entwicklern oder Wissenschaftlern, oder zusätzliche, belebende Elemente. Aber vielleicht kommt das ja noch in den nächsten Episoden. Die beschäftigen sich unter anderem mit dem „Sexy Sidekick“ und der „Sexy Gegenspielerin“.

 

100 Episoden: Die „Berlinfolgen“ machen Schluss

Wie Webvideo, journalistisches Erzählen und Multimedia erfolgreich aufeinandertreffen können, zeigen die Berlinfolgen. Seit April 2011 produzierten das Team des Produktionsstudios 2470media in Kooperation mit der Redaktion der taz rund 100 Folgen des Reportage-Formats. Stets auf knapp drei Minuten beschränkt, bestehen die einzelnen Berlinfolgen je aus Interviews, kurzen Videosegmenten und ausdrucksstarken Fotografien. In 100 Folgen, von denen ein Teil auch per Crowdfunding finanziert wurde, ist es den Berlinfolgen gelungen, einen ebenso bunten wie umfassenden Querschnitt des Lebens in der Hauptstadt zu geben. Denn ob Obdachlose oder Sänger, Bürgerrechtler, Parkwächter oder Wahrsager, durchgeknallt oder völlig „normal“, die Stärke der Berlinfolgen war es immer, möglichst unterschiedliche Menschen zu zeigen. Diese Leistung wurde unter anderem mit dem Grimme Online Award 2012 ausgezeichnet.

Die 100. Episode bedeutet nun gleichzeitig auch das Ende des Projekts und ein Kreis schließt sich: Zum Schluss kommt noch einmal die Aussteigerin aus der allerersten Folge vor.

Passend zum Abschluss porträtiert der ABZV Videoreporter als Teil einer neuen Webserie auch noch einmal die Köpfe hinter den Berlinfolgen.

 

It’s Okay to be Smart

Mit A Moment of Science und dem Idea Channel hat PBS, sozusagen das amerikanische Gegenstück zu den hiesigen Öffentlich-Rechtlichen, bereits zwei YouTube-Programme im Angebot, die sich um die Vermittlung von meist etwas abseitigem Wissen drehen. Mit It’s Okay to be Smart kommt nun die nächste hinzu, basierend auf dem gleichnamigen, überaus erfolgreichen Blog des Biologen Joe Hanson. In der ersten Folge geht es um Zahlen, oder besser gesagt um Zahlen, die uns Menschen etwas in Perspektive setzen. Zum Beispiel erfährt der Zuschauer, das in einem einzigen Liter Meerwasser bis zu drei Milliarden Viren schwimmen. Wow.

 

Ze Frank erklärt die Tierwelt

Ze Frank macht nun auch in Tiervideos. Seit Dezember hat er mehrere Episoden aus der Reihe „Echte Fakten über…“ hochgeladen. Mit dabei sind bis jetzt so possierliche Kreaturen wie der Ameisenigel, das Faultier und – mein Favorit – der Anglerfisch.

 

Hinter den Kulissen von „Crysis 3“

Das famose Games-Magazin Kill Screen macht jetzt auch in Video. In Kooperation mit Vice und dem Creator’s Project besuchen die Redakteure internationale Spielestudios, um einen Blick hinter die Kulissen großer Titel zu werfen. Zum Auftakt führte es das Team zu Crytek nach Frankfurt am Main, die gerade am Shooter Crysis 3 arbeiten.