„Worldwide Berlin“: Eine Stadt geht um die Welt

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„Dit is Berlin“ sagen vor allem die zugezogenen Einwohner gerne dann, wenn in der Hauptstadt wieder einmal die S-Bahn ausfällt, der Görli auffällt oder ein Flughafen brach liegt. Oder wenn montagsmorgens die Fußpilstrinker aus den Friedrichshainer Clubs über die Oberbaumbrücke wanken, um in Kreuzberg noch einen Absack-Döner zu verschlingen. So bunt und laut, so chaotisch und ungezwungen ist eben nur Berlin. Einmalig ist es, da sind sich alle einig.

Das mag für seinen Ruf stimmen, für den Namen dagegen nicht. Tatsächlich gibt es über 100 Berlins rund um die Welt. Inspiriert von der deutschen Metropole haben sich unter anderem in Kanada und El Salvador, in Russland, Bolivien und vielen mehreren US-Bundesstaaten neue Berlins unter den unterschiedlichsten Voraussetzungen gegründet.

Ein crossmediales Projekt bringt sie zusammen: Für Worldwide Berlin sind die Filmemacher von Berlin Producers in Kooperation mit dem rbb rund um den Globus gereist, um einer Frage nachzugehen: Wer sind sie, diese Berliner?

Am 6. Januar erscheint auf rbb der Dokumentarfilm, der das Leben in sechs verschiedenen Berlins über einen Tag hinweg begleitet. Noch mehr zu sehen gibt es bereits jetzt im Netz: Auf der Website von Worldwide Berlin können die Besucher in einer interaktiven Webdoku durch die Berlins der Welt reisen. Nach und nach kommen weitere hinzu, bis insgesamt elf ausgewählte Berlins online sind. Weitere kurze Clips gibt es im YouTube-Kanal.

Eine Entdeckungsreise um die Welt

In kurzen Videos porträtiert Worldwide Berlin die jeweiligen Bewohner: Die Zuschauer hören von einem Hummerfischer in Kanada, wieso einige deutsche Besucher nicht nach Ost-Berlin fahren. Am Strand von Papua Neuguinea lernen sie, was ein gutes Kanu ausmacht. Und in Bolivien zeigen die Lama-Fußballer von Atlético Centro und dem FC Centro bessere Unterhaltung als bei manchen Heimspielen der Hertha.

Diese Entdeckungsreise ist nicht nur unterhaltsam, sondern auch informativ: Die Porträts der Menschen sind so aufgeteilt, dass sie einen Einblick in die Traditionen, Hobbys und Arbeit der verschiedensten Kulturen geben. Dazu gibt es für jedes vorgestellte Berlin interessante Fakten, etwa wie der Name entstanden ist, für was es besonders bekannt ist und wie viele Sonnenstunden es jeweils gibt. Interaktiv ist Worldwide Berlin auch: Jeder kann Bilder „seines“ Berlins hochladen, die Community füttert das Projekt somit nachträglich an.

Doch nichts ist so interessant wie die Berliner selbst: Zwischen dem Berlin in Nicaragua und dem Berlin in Südafrika, zwischen El Salvador und Brandenburg liegen buchstäblich Welten, die Lebensrealitäten der Menschen könnten unterschiedlicher nicht sein. Und doch gibt es Gemeinsamkeiten, treten überraschende Bezüge und Assoziationen auf.

Mit dem ambitionierten Projekt beweist Worldwide Berlin deshalb am Ende eines: Berlin, das ist mehr als Currywurst und Techno. Und in jedem Fall einzigartig.

 

„Berlin 12685“: Willkommen in Marzahn

Berlin-Marzahn hat keinen guten Ruf in der öffentlichen Wahrnehmung. Die Plattenhäuser, die Arbeitslosigkeit, die Nazis, Cindy, solche Geschichten eben. Viele Anwohner widersprechen diesem Bild nur allzu gerne. Denn Marzahn bietet auch bezahlbaren Mietraum und die Brandenburger Natur nur wenige Meter entfernt. Und Marzahn hat noch etwas, das die vielen zugezogenen Neu-Berliner in den hippen Stadtteilen gar nicht kennen: Eine Insel, ein Dorf inmitten der Plattenbauten: Willkommen in Alt-Marzahn.

Genau um dieses Verhältnis zwischen Dorf und Stadt geht es in Berlin 12685, einer Webdoku der Electronic Media School in Potsdam. Die Volontäre porträtieren Marzahn und seine Bewohner. In Videos kommen alteingesessene Marzahner und neue Bewohner zu Wort, die in dem ungleichen Stadtteil mehr als nur eine Heimat fanden:

„Sie sind ein ungleiches Paar, das historische Dorf und der einst moderne Neubau. Getrennt durch sechsspurige Straßen – und doch sind sie in den vergangenen 35 Jahren zusammengewachsen. Durch Kinder aus dem Neubau, die im Dorf in die Kita gehen. Durch Menschen, die im Dorf arbeiten, aber in der Platte wohnen. Durch Produkte, die in Alt-Marzahn für internationale Auftraggeber entstehen. Ein unsichtbares Netzwerk spannt sich durch das Dorf und verknüpft es mit der Platte, mit Berlin, mit der Welt.“

Berlin 12685 ist ein schönes Stück Lokaljournalismus und eigentlich doch mehr: Die zahlreichen Videoporträts, Karten und Illustrationen räumen nicht nur mit den Vorurteilen auf, mit denen Marzahn zu kämpfen hat, sondern geben auch einen kleinen Einblick in das Stadtleben der Zukunft. Am Ende geht es nicht nur um das jetzige Zusammenleben, sondern um die Frage, welchen Weg Marzahn nehmen könnte – und was das möglicherweise für den Rest Berlins bedeutet.

 

Von jungen Menschen in Europa: „Kopf oder Zahl“

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Als die „erste interaktive und multimediale Webdoku Östereichs“ präsentiert sich Kopf oder Zahl. Dahinter steckt das österreichische Online-Magazin Paroli, das im vergangenen Winter 4.000€ über die Crowdfunding-Plattform Krautreporter für das Projekt sammeln konnte.

Kopf oder Zahl befasst sich mit dem Leben junger Menschen in Europa. Denn die befinden sich in einem bekannten Dilemma: Nie waren die Möglichkeiten so vielfältig und die Aussichten gleichzeitig so schwierig. Nie war die persönliche Freiheit wichtiger und die Anforderungen höher.

Wie reagieren nun die 20 bis 30-Jährigen in Spanien oder Portugal auf die Wirtschaftskrise in ihren Ländern? Wie gehen die jungen Menschen auf dem Balkan und Osteuropa mit der Vergangenheit und den neuen Möglichkeiten der EU um? Und wie schaffen es die Studenten aus Deutschland und Skandinavien, sich im zunehmend stärkeren Wettbewerb selbst zu verwirklichen?

Auf diese und andere Fragen lässt Kopf oder Zahl die Betroffenen selbst antworten. Den vergangenen Sommer über reiste ein Team aus Reportern durch Europa und suchte nach jungen Menschen, die ihre persönliche Meinung zur Krise haben. Ihre Geschichten werden in insgesamt sechs Kategorien wie Familie, Freiheit und Erfolg erzählt. Zu jedem Videoporträt gibt es zudem Grafiken und Statistiken, die journalistisch aufbereitet wurden.

Für die Macher von Kopf oder Zahl war das Crowdfunding sowohl ein Ansporn als auch eine Herausforderung, wie es in einem Blogpost heißt. Nicht selten haben die Macher selbst daran gezweifelt, ob sich der Aufwand gelohnt hat und ob sich unabhängiger Journalismus dadurch wirklich finanzieren lässt. Am Ende haben rund 135 Leute an dem Projekt mitgearbeitet, für die „Kopf oder Zahl mehr als eine Webdoku ist“, wie es heißt. Einen interessanten Einblick in die Gedanken und Ängste der europäischen Jugend gibt das Projekt allemal, und darf somit als ein Erfolg gelten.

 

Durchblick in den Mediatheken: Fernsehsuche.de

Ich wurde zuletzt gefragt, wieso ich hier keine Inhalte der TV-Sender vorstelle, sprich mehr auf Sendungen in den Mediatheken eingehe. Die Antwort ist relativ einfach: Wie der Name des Blogs verrät, soll es hier gerade im Inhalte gehen, die entweder im Netz entstanden sind und für den Online-Konsum gedacht sind (etwa Webserien oder Webdokus), oder die es im klassischen Fernsehen einfach nicht oder nur selten zu sehen gibt (etwa Kurzfilme). Die Inhalte in den Mediatheken sind dagegen größtenteils TV-Material, das im Netz lediglich einen zusätzlichen Ausspielungskanal erfährt, aber eben kein „natives“ Webvideo darstellt. Zugegeben, das sind die meisten Kurzfilme genau genommen auch nicht, die häufig primär für Festivals gedreht werden. Aber immer mehr Produzenten merken, dass im Netz ein großes Publikum und neue Vertriebsformen schlummern, und entscheiden sich für eine „online first“ Strategie.

Es gibt aber noch einen zweiten Grund. Ich habe persönlich mit den Mediatheken so meine Probleme. Etwa, weil die Bildqualität teilweise an Omas Röhrenfernseher anno ’87 erinnert, wo doch YouTube und Vimeo längst Streaming in HD anbieten. Etwa, weil es oft keine Möglichkeit zum Einbetten auf Websites gibt oder wenn, dann ohne brauchbare Einstellungen. Etwa, weil die Darstellung auf mobilen Geräten in vielen Fällen immer noch mangelhaft ist. Etwa, weil eine 30-minütige Sendung in drei Teile gepackt ist und ich alle zehn Minuten die gleiche, penetrante Werbung vorgesetzt bekomme.

Und vor allem: Weil ich mich ärgere, wie jeder Blogger, dass wenn ich über etwas schreibe, die Inhalte wenig später nicht mehr verfügbar sind. Dank der Vorgabe zu Depublizierung vom Inhalten der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten passiert aber genau das. Oft sind Sendungen schon nach sieben Tagen nicht mehr verfügbar, einige nach einem Monat, manche dürfen offenbar auch unbegrenzt online bleiben. Kurz: Die deutsche Mediathekenlandschaft ist und bleibt mühsam.

Personalisierte Mediathekensuche

Trotzdem kenne ich viele Menschen, die sie trotzdem regelmäßig nutzen. Für sie empfiehlt sich ein Projekt, das ich an dieser Stelle kurz vorstellen möchte: Fernsehsuche.de, eine Suchmaschine für Inhalte aus den Mediatheken der Fernsehanstalten. Dabei lassen sich nach Datum, Sendezeit oder Sender (momentan werden rund 20 Mediatheken erfasst) die jeweiligen Inhalte anzeigen, ohne dass man sich durch die einzelnen Angebote klicken muss. Das Berliner Start-up ist nicht ganz neu, ging die Seite doch schon vergangenen Sommer online. Aber seit drei Wochen bietet Fernsehuche auch die Möglichkeit, per eigenem Profil die Lieblingssendungen zu filtern, die Suche also zu personalisieren. Das hilft, um sich im Mediathekendschungel noch besser und vor allem schnell zurecht zu finden.

Und weil wir gerade beim Thema sind: Gestern Abend lief auf Arte die Dokumentation Google und die Macht des Wissens, die sich mit Googles Versuch, die Bücher der Welt zu digitalisieren – und dem Widerstand dagegen – beschäftigt. Der Film ist empfehlenswert – und auf Fernsehsuche leider nicht zu finden, denn er läuft offenbar nicht in der „normalen“ Mediathek von Arte, sondern nur unter Arte+7. Und zwar nur für, genau, die nächsten sieben Tage. Womit wir wieder beim oben genannten Problem wären. Also: schnell anschauen. Oder warten, bis ihn jemand unerlaubt auf YouTube lädt.

 

Am Anfang der globalen Vernetzung

Amazon-Gründer Jeff Bezos spricht in seinen Präsentationen gerne von der Glühbirne. Seine Geschichte geht ungefähr so: Als die Elektrizität die Städte erreichte, dachten die Menschen nicht daran, dass sie mit dem Strom eines Tages auch andere Endgeräte betreiben könnten. Sie dachten nur an eines: Licht ins Dunkel zu bringen.

Was die Elektrizität zu Beginn des 20. Jahrhunderts war, ist das Internet mit seinen unzähligen Netzwerken heute. So könnte man den Inhalt der Kurzdokumentation On the Brink (of a Networked Society) zusammenfassen. Wir befinden uns, so die Aussage, erst am Anfang einer globalen Vernetzung – die Möglichkeiten der technischen Entwicklungen und mobilen Endgeräte sind längst nicht ausgeschöpft. Sie sind, ganz im Sinne der Zukunftsforscher, noch nicht einmal gedacht.

Das Thema ist natürlich nicht neu; die Netzwerkforschung ist längst ein beliebtes Forschungsfeld. On the Brink schafft es allerdings, in zwanzig Minuten einen kurzweiligen, wenn auch bisweilen etwas pathetischen, Bogen um die These zu spannen. Angefangen von Start-ups wie Flickr, die mit ihrem Innovationsdenken den Auswirkungen der Dotcom-Blase trotzten, über aktuell erfolgreiche Projekte wie Soundcloud, landen die Macher schließlich bei Unternehmen, die sich vor allem mit der Zukunft beschäftigen. Der isländische Spieleentwickler CCP beispielsweise, der im Rahmen des Online-Rollenspiels EVE Online bereits mit digitalen Währungen und virtuellen Gütern arbeitet – und diese bald auch außerhalb der Spielewelt auf dem Vormarsch sieht.

Ob es nun digitale Bilderalben (Flickr), Musikstreams (Soundcloud) oder eben virtuelle Güter (CCP) sind, sie alle sind sogenannte „disruptive Technologien„. Das sind Produkte, die den vorhandenen zunächst unterlegen sind, sie mittels Verbreitung und Weiterentwicklung aber eines Tages ablösen. Denn je mehr Menschen mit neuen Technologien aufwachsen und diese als normal ansehen, desto unersetzlicher werden sie. Und so wird es, geht es nach den Beteiligten, auch mit den Netzwerken der Zukunft sein.

Ob wir nun tatsächlich künftig per Handy mit unseren Zimmerpflanzen vernetzt sind und die Landwirte mit ihren Kühen, sei dahingestellt. Als nettes Gedankenexperiment funktioniert On the Brink allemal.

(Für deutsche Untertitel bitte auf das „CC“ unten im Player klicken)

Produziert wurde der On the Brink übrigens im Auftrag von Ericsson von der schwedischen Agentur House of Radon, die bereits im vergangenen Jahr mit PressPausePlay eine sehr gelungene Webdokumentation herausbrachten.