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Netzfilm der Woche: „Junkyard“

Freunde kommen und gehen. Es bleiben nur schöne Erinnerungen. Hisko Hulsings animierter Kurzfilm Junkyard handelt von einer Freundschaft. Die Erinnerungen daran sind schmerzhaft.

Das ist buchstäblich zu verstehen, denn als der Protagonist zu Beginn von einem Junkie mit einem Messer verletzt wird, wirft es ihn zurück in seine Jugend. Plötzlich befinden wir uns in einem Viertel am Rande der Stadt, wo die behüteten Familien auf die Grenzgänger der Gesellschaft treffen. Mittendrin zwei Freunde, ungleich, aber doch unzertrennlich – bis eine Kette unglücklicher Entscheidungen die beiden für immer entzweit.

© Hisko Hulsing
© Hisko Hulsing

So interessant die Story ist, so faszinierend ist die Umsetzung. Für Junkyard malte Hulsing zunächst 120 Ölgemälde, die als Hintergrund für die Animation dienten. Anschließend mussten er und sein Team rund 25.000 Einzelbilder mühevoll erstellen und animieren. Eine Arbeit, die  rund sechseinhalb Jahre dauerte und immer wieder von internen Spannungen geprägt war, wie Hulsing der Website Directors Notes sagte. Das Ergebnis ist ein einzigartiger Stil, gleichermaßen schroff wie liebevoll, der die große Hingabe zum Projekt zeigt.

Mit seinen 18 Minuten gehört Junkyard zu den längeren Kurzfilmen, doch keine Minute ist vergeudet. Hulsing gelingt es meisterhaft, nahezu ohne Dialog die Geschichte zu entfalten, die zum Teil von seinen eigenen Erfahrungen inspiriert ist. Momente der Menschlichkeit wechseln sich mit gewalttätigen Szenen ab, bis schließlich Erinnerung und Wirklichkeit ineinanderfließen.

Auf mehr als 100 Festivals war Junkyard zu sehen und gewann 22 Preise. Nach diesem erfolgreichen Lauf ist Hulsing nur allzu glücklich, den Film endlich online zeigen zu können. Die Zuschauer können es auch sein. Diese 18 Minuten lohnen sich.

 

Zur Geschichte des Fair Housings: „Seven Days“

Branded Content, also die Verbindung aus Werbung und Unterhaltung oder Information, ist immer schwierig. Zwar entstehen in diesem Bereich tolle Arbeiten, doch stets gilt es, den Auftraggeber und dessen Agenda im Hinterkopf zu behalten. So auch bei Seven Days: Zum einen handelt es sich bei der neunminütigen Dokumentation um die Auftragsarbeit einer großen US-Versicherung. Doch zum anderen ist der Film so gut gemacht und informativ, dass es lohnt, ihn dennoch vorzustellen.

In Seven Days geht es um die Tage nach der Ermordung von Martin Luther King im April 1968. Um den zahlreichen Aufständen schwarzer Bürger in den Großstädten entgegenzuwirken, hat sich die US-Regierung um Präsident Johnson dazu entschieden, den sogenannten Fair Housing Act auf den Weg zu bringen: Er sollte rechtlich garantieren, dass Mieter nicht mehr auf Basis ihrer Hautfarbe, Religion, Herkunft oder sozialen Status diskriminiert werden konnten. Nur eine Woche nach der Ermordung Kings wurde das Gesetz verabschiedet – doch bis heute bleibt seine Durchsetzung schwierig.

Mit Seven Days hat das Effekt- und Animationsstudio Animal eine grandiose Arbeit geleistet. Wie ein Thriller aufgebaut, erzählt der Film die Tage nach dem Attentat. Unaufhörlich tickt die Uhr von Tag zu Tag bis hin zur Entscheidung. O-Töne aus den Archiven werden mit der einfachen Animation eines gelben Fadens gegengeschnitten, der natürlich für die Segregation schwarzer und weißer Bürger steht. Die Arbeit ist ein schönes Beispiel dafür, wie sich mit einfachen Effekten packende Storys erzählen lassen. Und glücklicherweise taucht der Sponsor des Films erst ganz am Schluss auf.

(via)

 

„Tunnel Vision“: Die Geschichte des Atlantic Avenue Tunnels

Wer noch einen Beweis benötigt, wieso The Verge trotz des noch zarten Alters von drei Jahren nicht nur eine der besten Adressen für Technik- und Computernachrichten ist, sondern regelmäßig auch tollen Human-Interest-Journalismus liefert, sollte die Geschichte über Bob Diamond lesen.

Diamond entdeckte den ältesten Eisenbahntunnel der Welt, der unter der Atlantic Avenue in Brooklyn verlief. 1861 erbaut, geriet der Tunnel um die Jahrhundertwende in Vergessenheit, sodass selbst die Experten und Historiker jahrzehntelang glaubten, der Tunnel sei zerstört. Doch als der Ingenieursstudent Bob Diamond zufällig auf die Geschichte stieß, machte er sich auf die Suche – und er fand ihn im Jahr 1980 tatsächlich wieder, den Atlantic Avenue Tunnel.

Seitdem waren Diamond und der Tunnel unzertrennlich: Diamond brach sein Studium ab und restaurierte den Tunnel. Er gab Führungen und bekam von der Stadt New York die Erlaubnis, ein Museum zu bauen. Es wird vermutet, dass in einer Kammer noch eine frühe Lokomotive verschüttet ist. Doch sie wird es vermutlich bleiben. Denn immer wieder gerieten Diamond und die Behörden aneinander. Im Jahr 2010 wurde der Vertrag vonseiten der Stadt aufgelöst und seitdem kämpft Diamond um sein Erbe.

Die Geschichte ist faszinierend, und ganz im Stile einer multimedialen Reportage gibt es eine zehnminütige Kurzdoku über Bob Diamond, die sich allein schon wegen der großartig kuriosen Szene lohnt, in der Diamond eine Karte des Tunnels ausfalten möchte und sein Pudel ihn davon abhält.

 

Auf einen Kaffee mit Jerry Seinfeld

Jerry Seinfeld (r.) mit Ricky Gervais (© Crackle)
Jerry Seinfeld (r.) mit Ricky Gervais (© Crackle)

Zwei Wochen lang spekulierten die Fans der Kultsitcom Seinfeld auf ein mögliches Comeback. Im Januar tauchten auf Twitter Bilder auf, die zeigten, wie Jerry Seinfeld und sein früherer Co-Star Jason Alexander ein geheimes Projekt in New York filmten. Nun ist bekannt, was dahinter steckt: Seinfeld und Alexander drehten passend zum Super Bowl eine Sonderepisode der Webserie Comedians in Cars Getting Coffee. Für die Abrufzahlen der Serie dürfte der Ausflug in die Vergangenheit ein Erfolg gewesen sein. Die Aktion zeigt gleichzeitig auch, dass es Seinfeld ernst meint mit seinem kleinen Online-Projekt.

Das war zur Beginn nicht abzusehen. Als Comedians in Cars Getting Coffee im Jahr 2012 erstmals erschien, glaubten viele bloß an ein einmaliges Experiment – Seinfeld inklusive. „Die Absicht war, ein paar dieser kleinen albernen Dinger zu drehen“, sagte Seinfeld dem Onlinemagazin TheWrap. Doch seit kurzem läuft die dritte Staffel, die Serie gewann einen Webby-Award und wurde im vergangenen Jahr sogar für einen Emmy nominiert. 25 Millionen Abrufe zählt die Serie inzwischen.

Worum es geht, verrät schon der Titel: In jeder Folge besucht der Autoliebhaber Jerry Seinfeld einen bekannten Comedian. In möglichst alten und ausgefallenen Autos geht es anschließend in ein Café oder Restaurant. Bekannte Namen wie Ricky Gervais, Alec Baldwin, Tina Fey und David Letterman nahmen bereits auf Seinfelds Beifahrersitz Platz, wobei zuletzt die geringe Frauenquote in der Kritik stand. Wie Seinfeld, hat auch Comedians in Cars Getting Coffee keine wirkliche Handlung. Für die Unterhaltung sorgen die entspannten Gespräche der Protagonisten – und die ein oder andere Autopanne.

Es geht auch ohne YouTube

Sowohl das Format als auch die Umsetzung sind interessant. Zum einen zeigt die Serie einmal mehr, dass Inhalte im Netz nicht den traditionellen TV-Strukturen entsprechen müssen. Die Folgen variieren zwischen sieben und 23 Minuten – selbst für eine Webserie ist das eine große Spanne. Wie Seinfeld sagt, sei es genau diese Freiheit, die ihn für das Medium begeistert hatte. Die Möglichkeit, Inhalte auf den Kern und die Aufmerksamkeitsspanne der Zuschauer hin zu schneiden. „Ich könnte mir das Format nicht im TV vorstellen“, sagt Seinfeld, „es ist eher etwas, dass man sich auf dem Smartphone ansieht.“

Zum anderen beweist Comedians in Cars Getting Coffee etwas, das trotz vieler Gegenbeispiele oft übersehen wird: Selbstproduzierte Webserien können auch ohne YouTube funktionieren. Die Serie läuft nämlich exklusiv auf der eigenen Website und dem Videoportal Crackle. Die Sony-Tochter hat sich auf Originalinhalte spezialisiert, konnte aber in der Vergangenheit kaum auf sich aufmerksam machen. Das änderte sich dank Seinfelds Show.

Die potenziell geringere Viralität im Vergleich zu YouTube gleichen Seinfeld und Crackle durch die stärkere Kontrolle über ihre Inhalte aus. Das funktioniert, weil Comedians in Cars Getting Coffee weder auf Pre-Roll-Ads noch auf Bannerwerbung angewiesen ist. Die Serie finanziert sich primär durch Produktplacement einer Automarke – das bisweilen witzig in die Episoden eingebunden ist. Etwa wenn zufällig ein Auto mit einem „Product Placement“ Schild in der Scheibe vorbeifährt. Da es unter den Videos keine Kommentare gibt, findet die Interaktion mit den Fans auf Facebook statt, wo immer wieder zusätzliche kleine Clips und Informationen veröffentlicht werden.

Comedy boomt im Netz

Vor allem aber führt Seinfeld mit seiner Serie einen Trend weiter. Comedy gehört im Webvideobereich zu einem der umsatzstärksten und beliebtesten Genres. Und Während seit einigen Jahren auf YouTube mit Smosh, Grace Helbig oder Ray William Johnson eine neue Generation von Web-Comedy-Stars herangewachsen ist, ist das Netz inzwischen auch für immer mehr etablierte TV-Comedians eine attraktive Alternative.

Louis CK etwa veröffentlicht seine Arbeiten inzwischen über seine Website. Sarah Silverman ist an dem Comedy-Kanal JASH beteiligt. Talkshowhost Jay Leno hat eine Autoshow auf YouTube. Und Jack Black produziert für Yahoo die Comedy-Serie Ghost Ghirls.

Der Erfolg von Seinfelds Webserie könnte nun weitere Kollegen inspirieren, den Weg vom großen Bildschirm ins Netz zu wagen. Auch wenn der Erfolg nicht garantiert ist. Denn trotz der einfachen Idee und Umsetzung, ist Comedians in Cars Getting Coffee natürlich von seinem populären Gastgeber abhängig, die Serie qualitativ hochwertig produziert und auch ein lukratives Sponsoring dürfte nicht jedem in die Hände fallen.

Dennoch zahlt sich die Experimentierfreudigkeit aus. Vor allem auf längere Sicht, glaubt Seinfeld: „Ich denke nicht, dass es noch allzu lange dauert, bis alle Bildschirme gleich sind“, sagt Seinfeld, „und wenn es soweit ist, habe ich meinen eigenen kleinen Platz darin.“ Und das obwohl er eigentlich nichts weiter tut, als Kaffee zu holen.

 

Deutscher Webvideopreis: Jetzt Videos einreichen

wvp

Es ist wieder soweit: Der Deutsche Webvideopreis hat seine Einreichungsphase gestartet. Ab sofort und bis zum 16. März dürfen Webvideomacher ihre Werke über die Homepage einreichen. Im April findet dann die Nomierungsphase statt, bevor am 24. Mai die Gewinner bei der alljährlichen Gala im Düsseldorfer Capitol verkündet werden. Hier sind die wichtigsten Regeln, um Videos einzureichen:

  • Das Video muss zwischen 01.01.2013 und 31.12.2013 im Internet veröffentlicht worden sein.
  • Das Produktionsland muss Deutschland, Österreich oder Schweiz sein.
  • Teilnehmen dürfen nur Videos, die zuerst im Internet veröffentlicht wurden.
  • Die Inhalte müssen jugendfrei sein und dürfen nicht gegen geltendes Recht verstoßen.

Auch in diesem Jahr stehen 13 netzaffine Kategorieren zur Auswahl. Über die Gewinner stimmen sowohl das Publikum als auch die Mitglieder der European Web Video Academy gleichberechtigt ab. Durch die Preisverleihung führen in diesem Jahr die beiden bekannten TV-Moderatoren Joko und Klaas.

 

Netzfilm der Woche: „Love in the Time of Advertising“

Tell me that you want the kind of things/ that money just can’t buy„. So singen die Beatles in ihrem Klassiker Can’t Buy Me Love. Doch was hat das nun mit dem animierten Kurzfilm Love in the Time of Advertising zu tun? Zum einen handelt es sich bei der Arbeit des Studios Wolf & Crow um einen Kurzfilm als Musical: Die Erzählung wird in Reimform halb gesungen, halb gesprochen. Zum anderen geht es um die Liebe, um das Geld und all die schönen Sachen dazwischen.

Am Rande der Stadt lebt ein junger Mann im Inneren einer Werbetafel. Seit Generationen schon erfüllt er anstandslos die Wünsche der Auftraggeber und wirbt mit den schönsten und praktischsten Dingen, die man für Geld kaufen kann. Eines Tages erblickt er von seiner luftigen Bleibe aus die Frau seiner Träume. Doch wie nur kann er sie erreichen wenn ihm nichts außer seiner Werbetafel zur Verfügung steht – und diese zwar so ziemlich alles verkaufen kann, nicht aber die Liebe des Protagonisten?

Love in the Time of Advertising ist nicht bloß eine wunderbar kitschige und liebevoll animierte Liebesgeschichte. Mit einem Augenzwinkern rechnen die Macher, die mit ihrem Studio natürlich selbst Werbeclips drehen, auch mit der Werbebranche ab. Denn wie sangen die Beatles doch gleich weiter? „I don’t care too much for money/ money can’t buy me love.“

 

American Football und der Superbowl erklärt

Am Sonntag ist es wieder soweit: Im Superbowl XLVII treffen die beiden besten American-Football-Teams der USA aufeinander. Und wie jedes Jahr runzeln viele Menschen hierzulande die Stirn: American Football? Das Spiel mit den vielen Pausen, noch mehr Werbung und den großen, breiten Männern, die sich auf einen Haufen werfen? Nun ja, natürlich gehört mehr zu diesem Sport, auch wenn die Feinheiten des Spiels den Laien nicht immer sofort ersichtlich sind. Wer sich für Sonntagnacht dennoch zumindest mit den einfachsten Regeln vertraut machen möchte, sollte die folgende Animation von Fraser Davidson angucken, die in dieser Woche die Runde machte, und das Spiel ganz vorzüglich und auch ein wenig augenzwinkernd erklärt.

 

Von jungen Menschen in Europa: „Kopf oder Zahl“

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Als die „erste interaktive und multimediale Webdoku Östereichs“ präsentiert sich Kopf oder Zahl. Dahinter steckt das österreichische Online-Magazin Paroli, das im vergangenen Winter 4.000€ über die Crowdfunding-Plattform Krautreporter für das Projekt sammeln konnte.

Kopf oder Zahl befasst sich mit dem Leben junger Menschen in Europa. Denn die befinden sich in einem bekannten Dilemma: Nie waren die Möglichkeiten so vielfältig und die Aussichten gleichzeitig so schwierig. Nie war die persönliche Freiheit wichtiger und die Anforderungen höher.

Wie reagieren nun die 20 bis 30-Jährigen in Spanien oder Portugal auf die Wirtschaftskrise in ihren Ländern? Wie gehen die jungen Menschen auf dem Balkan und Osteuropa mit der Vergangenheit und den neuen Möglichkeiten der EU um? Und wie schaffen es die Studenten aus Deutschland und Skandinavien, sich im zunehmend stärkeren Wettbewerb selbst zu verwirklichen?

Auf diese und andere Fragen lässt Kopf oder Zahl die Betroffenen selbst antworten. Den vergangenen Sommer über reiste ein Team aus Reportern durch Europa und suchte nach jungen Menschen, die ihre persönliche Meinung zur Krise haben. Ihre Geschichten werden in insgesamt sechs Kategorien wie Familie, Freiheit und Erfolg erzählt. Zu jedem Videoporträt gibt es zudem Grafiken und Statistiken, die journalistisch aufbereitet wurden.

Für die Macher von Kopf oder Zahl war das Crowdfunding sowohl ein Ansporn als auch eine Herausforderung, wie es in einem Blogpost heißt. Nicht selten haben die Macher selbst daran gezweifelt, ob sich der Aufwand gelohnt hat und ob sich unabhängiger Journalismus dadurch wirklich finanzieren lässt. Am Ende haben rund 135 Leute an dem Projekt mitgearbeitet, für die „Kopf oder Zahl mehr als eine Webdoku ist“, wie es heißt. Einen interessanten Einblick in die Gedanken und Ängste der europäischen Jugend gibt das Projekt allemal, und darf somit als ein Erfolg gelten.