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Die Welt verbessern als Gesellschaftsspiel

Bundesverdienstkreuzg
Superbadge: Dieses Sonderbundesverdienstkreuz bekamen bislang nur Adenauer und Kohl

Die erschreckenste Gesellschaftsvision, die ich in den letzten Jahren gehört habe, stammt von einem Gamedesigner. Ihr Kern ist das derzeit hoch gehandelte Prinzip der „Gamification„. Ins Deutsche lässt sich das nur unschön als „Spielifizierung“ übertragen. Der Begriff meint, dass Mechaniken aus Computerspielen genutzt werden, um Menschen zur Teilnahme an den unterschiedlichsten Dingen zu motivieren.

Gamedesigner Jesse Schell, der in den USA auch als Hochschuldozent tätig ist, sprach darüber, wie Spielprinzipien die Gesellschaft durchdringen werden. Seine These: Das Sammeln von Daten über das Verhalten jedes Einzelnen werde immer einfacher, weil Sensoren immer günstiger würden. Außerdem würden dank des „Internets der Dinge“ immer mehr Gegenstände miteinander vernetzt und miteinander Informationen austauschen.

So könnte die Zahnbürste der Zukunft meiner Krankenkasse mitteilen, wie lange und wie oft ich meine Zähne geputzt habe. Halte ich brav die Vorgaben ein, erhalte ich Bonuspunkte von der Kasse gutgeschrieben. Und das Gesundheitsministerium gewährt mir dann vielleicht einen Steuernachlass. Letztlich, so Schell, könne jede meiner Handlung gemessen, gespeichert und gegebenfalls belohnt werden.

Was einerseits als digitaler Überwachungsstaat daherkommen kann, bietet andererseits aber auch Potential für gesellschaftlichen Mehrwert und politisches Engagement.

Dystopie oder Utopie, das fragt sich auch Schell: „Ist es vielleicht so, wenn all‘ das gesehen, gemessen und beurteilt wird, dass ich möglicherweise mein Verhalten ein wenig ändern sollte?“ Natürlich könnten diese „Systeme der krassen Kommerzialisierung“, wie Schell sie nennt, schrecklich werden. „Aber es besteht die Möglichkeit, dass sie uns dazu inspirieren, bessere Menschen zu werden.“ Ob das Ganze in Überwachung endet oder in einer besseren Gesellschaft, sei letztlich eine Frage des Designs, meint Schell.

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Deutscher Strahlungsatlas machte Pause

Gamme Strahlung Messung
1800 Stationen messen in Deutschland die Strahlung

Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) betreibt seit dem Reaktorunglück in Tschernobyl vor fast genau 25 Jahren ein „Integriertes Mess- und Informationssystem für die Überwachung der Radioaktivität in der Umwelt“ (IMIS). Es besteht aus 1800 Messstationen, die über die Republik verteilt sind. Die Daten, die sie liefern, werden eigentlich alle zwölf Stunden veröffentlicht. Eigentlich. Seit Samstagnacht jedoch wurden die Informationen nicht mehr aktualisiert. Erst am Montagmittag kamen die nächsten Messwerte.

Ein schlechter Zeitpunkt für eine Pause angesichts der Ereignisse in Japan und des daraus resultierenden Interesses für Strahlung. Dabei heißt es auf der Homepage der Behörde extra anlässlich Japans: „Die Bürgerinnen und Bürger können online die Messwerte der Messsonden abrufen.“

Warum ausgerechnet am Sonntag keine neuen Daten veröffentlichen wurden, war beim BfS nicht in Erfahrung zu bringen. Auf Nachfrage hieß es, die Daten würden jeden Tag „plausibilisiert“. Also auf eventuelle Messfehler oder Störungen der Sonden hin untersucht. Mehr wisse man über die Verzögerung auch nicht. Mittags waren die Daten dann nachgetragen.

Update: Eine Sprecherin des Bundesamtes erklärte nach Veröffentlichung des Textes, es habe keine Pause gegeben. Alle zwölf Stunden würden die Messdaten gemittelt und am Folgetag automatisch veröffentlicht. Die Beobachtung, dass am Sonntag keine Veröffentlichung erfolgte, konnte sie nicht bestätigen. Zitat: „Es gab keine Verzögerung.“

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Daten von Downunder

datenkatalog australien

Die Riege der Staaten, die ihren Bürgern massenweise Daten der öffentlichen Hand zur Verfügung stellt, hat ein neues Mitglied: Australien. Das riesige Land bietet seinen etwa 22 Millionen Einwohnern seit heute auf data.gov.au einige hundert Datensätze zur freien Verfügung an. Denn, so die Idee dahinter, freie Daten nützten der Gesellschaft.

Es sind Informationen über Finanzen, über das Bildungswesen, die Kultur und das Regierungshandeln, die sich dort finden lassen. Gleichzeitig werden auch Anwendungen, sogenannte Apps, vorgestellt, die Leben in die Datensätze bringen. Etwa Suburbantrends: Das Angebot erlaubt es, sich anhand der Einwohnerzahl oder von Kriminalitätsstatistiken ein Bild zu machen von einem der rund 8000 verschiedenen Stadtteile Australiens.

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IssueMap: Thematische Karten selber machen

eu population
EU Bevölkerungszahlen: Ausschnitt aus einer "IssueMap"

Daten, so heißt es, seien das neue Öl. Wenn dem so ist, braucht es Bohrwerkzeuge. Und davon erscheinen fast wöchentlich neue auf dem Markt. Manche davon sind kompliziert und erfordern Programmierkenntnisse. Aber die Zahl derjenigen, die jeder nutzen kann, der etwas Tabellenkalkulation und das E-Mailen beherrscht, wächst. Ab sofort werden hier im Blog regelmäßig entsprechende Tools vorgestellt.

Ganz frisch ist der kleine Helfer IssueMap. Anbieter ist die Federal Communications Commission (FCC), die Telekom-Regulierungsbehörde der Vereinigten Staaten. Ein Amt, das in etwa der deutschen Bundesnetzagentur entspricht. Im Rahmen einer Runderneuerung reboot.fcc folgt sie dem von der US-Regierung ausgerufenen Prinzip des Open Government.

Zwar ist IssueMap vor allem auf lokale amerikanische Zwecke zugeschnitten. Aber um auf die Schnelle interaktive Karten zu internationalen Themen zu erstellen, lässt sich der Service gut verwenden: Zum Beispiel, um die Bevölkerungsverteilung in Europa abzubilden. Im Folgenden werden die Schritte erläutert, um eine solche Karte zu bauen.

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„Vorratsdatenspeicherung ist keine Spielerei“

Malte Spitz Bundesvorstand Grüne

Vergangene Woche veröffentlichte ZEIT ONLINE die Verbindungsdaten des Mobiltelefons von Malte Spitz. Das Bundesvorstandsmitglied der Grünen über die Vorgeschichte und die Resonanz auf die Visualisierung der Vorratsdaten.

Herr Spitz, wie kamen Sie zu dem Datensatz?

Malte Spitz: Ich habe im Juli 2009 der Telekom eine erste Auskunftsanfrage geschickt. Ich habe mich dabei auf Paragraph 34 Bundesdatenschutzgesetz bezogen. Ohne Ergebnis, weswegen ich Ende August 2009 Klage einreichte. Das führte zu einem halbjährigen Briefwechsel mit der Telekom und dem Amtsgericht. Im April 2010 sollte es einen Gerichtstermin geben. Einen Monat vorher, Anfang März, stoppte das Bundesverfassungsgericht die Praxis der Vorratsdatenspeicherung. Die bei den Telefonfirmen gespeicherten Daten sollten sofort gelöscht werden. Zusammen mit meinem Rechtsanwalt habe ich der Telekom klargemacht: Ich halte die Klage auf Auskunft aufrecht, und wir wollen diese Daten. Wir haben uns dann außergerichtlich geeinigt.

Kam der Datensatz dann per Post?

Spitz: Es kamen mehrere Umschläge. Einer enthielt eine CD mit den Vorratsdaten. Ein anderer einen Brief mit Informationen, um die Vorratsdaten entschlüsseln zu können. Und dann wurde mir noch ein Musterdatensatz überlassen, wie die Datenspeicherung nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aussieht: Eine Funkzellenspeicherung zur Lokalisierung des Nutzers findet nicht mehr statt – der Standort des Telefoninhabers ist derzeit also nicht mehr im Nachhinein bestimmbar.

Warum enthält Ihr Datensatz nicht die Nummern derjenigen, mit denen Sie in dem halben Jahr kommunizierten?

Spitz: Bei der außergerichtlichen Einigung mit der Telekom sind wir übereingekommen, dass die Daten von Dritten rausgenommen werden. Ich hätte mir gewünscht, dass sie nur die letzten Stellen löschen.

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Vorratsdaten: Der Funkmast als Wachturm


12.09.2009 – Demo gegen Vorratsdatenspeicherung (Route: orange, Tel.: rot, SMS: gelb)
und Malte Spitz‘ Telefongespräche, Kurznachrichten und Tweets an diesem Tag

Der Überwachungsstaat ist kein Hirngespinst: Studierende und Globaliseriungskritiker werden hierzulande durch Polizeispitzel unterwandert; im Land, das derzeit den Ratsvorsitz der EU innehat, ist ein totalitäres Mediengesetz in Kraft getreten.

Vor diesem Hintergrund lohnt es, über das Überwachunspotential der Vorratsdatenspeicherung nachzudenken. Die Vorratsdaten des Grünenpolitikers Malte Spitz, die wir in einer interaktiven Anwendung veröffentlicht haben, können dazu Beispiel sein.

Die Karte oben verzeichnet alle Telefonate und SMS (empfangene und gesendete) von Malte Spitz am 12. September 2009. An diesem Tag zog durch die Mitte Berlins die Demonstration „Freiheit statt Angst“ die sich gegen den „Überwachungswahn“ wendete. Die Demoroute ist in in orange eingezeichnet.

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Malte Spitz‘ Vorratsdaten: Der Datensatz unter der Lupe

vorratsdaten bewegungsprofil
Spuren: Deutschlandweites Bewegungsprofil in Reinform

Der Grünenpolitiker Malte Spitz ist viel unterwegs. Er nutzt soziale Netzwerke, um über sich und seine Arbeit beim Bundesvorstand der Partei zu berichten, und er schaltet selten sein Mobiltelefon aus. Die sechs Monate Vorratsdaten, die er ZEIT ONLINE  zur Verfügung gestellt hat, bedeuteten daher 35.830 aufgezeichneten Verbindungen – ein eindeutiges Bewegungsprofil.

Spitz hatte im August 2009 die Herausgabe seiner Daten eingeklagt. Er hatte Erfolg und die Telekom übergab ihm sechs Monate seiner Vorratsdaten von August 2009 bis Februar 2010. Wir veröffentlichen ihn hier als Google Doc (ohne die Telefon-, Geräte- und Kartennummern von Spitz).

Nicht enthalten sind die Telefonnummern der Anrufer und Angerufenen. Der Provider T-Mobile hatte sie vor der Herausgabe entfernt, da inzwischen das Bundesverfassungsgericht die Vorratsdatenspeicherung gestoppt hatte. Damit ist mit diesem Datensatz nicht möglich, was Ermittler vor allem wollen: Das Ausforschen und Beobachten sozialer Beziehungsnetze.

Dennoch sind die Daten spannend. Zusammen mit Michael Kreil, der mit Ideen und Können die Programmierung übernommen hat, habe ich die interaktive Karte zu den Vorratsdaten hier auf ZEIT ONLINE umgesetzt.

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Zahlen zu den Wahlen in Hamburg

Am Sonntag ist es soweit: Die erste der sieben anstehenden Landtagswahlen in diesem Jahr beginnt. Im Netz finden sich diverse Angebote, die Zahlenmaterial in unterschiedlicher Form zu dem Thema aufbereiten und abbilden.

Oben können Sie beispielsweise selber eine Wahlprognose erzeugen, indem Sie am Wahltipp von ZEIT ONLINE teilnehmen. Sie können auch den aktuellen Zwischenstand der abgegebenen Stimmen des „Prognosers“ als Tabellendatei (.csv) herunterladen und damit experimentieren.

Falls Sie in Hamburg wählen dürfen und noch unentschieden sind, kann Ihnen vielleicht der Wahl-O-Mat weiterhelfen, den ZEIT ONLINE zusammen mit der Bundeszentrale für politische Bildung anbietet.

Zu den Daten rund um die Wahlen ist Wahlrecht der Klassiker überhaupt: Die schnörkellose Website wahlrecht.de bietet diverse Angebote, darunter die Sonntagsfrage, auch die für Hamburg. Wie der Name schon sagt, finden sich dort alle möglichen Informationen rund um das Recht auf Stimmabgabe, Wahlsysteme und so weiter.

Neben den Ergebnissen der bislang gelaufenen Wahlen ist vor allem die Sammlung der Wahlumfragen ein hilfreicher Service um sich im Vorhinein ein Bild machen zu können.

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Greenpeace leakt potenzielle CO2-Endlagerstätten


Mögliche C02-Endlager in Deutschland auf größerer Karte anzeigen (Quelle: Greenpeace)

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hat am Sonntag eine Karte mit möglichen Standorten für ein C02-Endlager veröffentlicht. Die Liste mit den zugrunde liegenden Informationen stammt von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). Die Behörde aber hatte die Veröffentlichung durch die Umweltorganisation untersagt, da die Datenbank dem Urheberrecht unterliege, in einem entsprechenden Schreiben heißt es: „Die BGR gewährt den Zugang zu den Informationen zum eigenen Gebrauch gemäß §53 UrhG. Sie erhalten keine Rechte zur Weitergabe oder Verbreitung der Daten.“

Eine interessante Sicht, gibt es doch eine lebhafte gesellschaftliche Debatte um die Technologie und um mögliche Standorte für das Verpressen von Kohlendioxid. Die sogenannte Endlagerung wird unter dem Kürzel CCS gefasst: „Carbon Capture and Storage„. Greenpeace betrachtet die Verpressung von CO2 in den Erdboden als Schnellschuss und als riskante Technologie. Trotzdem oder gerade deswegen hätte die Bundesanstalt ihre Ergebnisse lieber für sich behalten. Wie ein „Staatsgeheimnis“ würden die geeigneten Orte gehütet, um keine Bürgerproteste hinaufzubeschwören, glaubt Greenpeace.

Die Umweltschutzorganisation hat sie nun öffentlich gemacht. Sie beruft sich auf ein Rechtsgutachten, das sie in Auftrag gegeben hat. Dort heißt es (pdf), eine Excel-Liste sei “ kein geschütztes Werk im Sinne des § 2 UrhG“. Auch sei zweifelhaft, ob die BGR überhaupt als Urheber gelten könne. Denn: „Wissenschaftliche Erkenntnisse werden vom Urheber nicht ‚geschaffen‘, sondern müssen nur ‚ans Tageslicht‘ geholt werden“, schreibt die beauftragte Anwaltskanzlei. Ob die Liste als Sammelwerk nach §4 des Urheberrechtsgesetz schützwürdig sei, müsse letztlich ein Gericht entscheiden.

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Fremdwort Open Government – Wahlprogramme in Hamburg

Baustelle Elbphilarmonie
Großprojekte und Open Government: Transparenz bei den Elbphilarmonie-Baukosten täte Not

In weniger als zwei Wochen wird in Hamburg die Bürgerschaft gewählt. Zeit also, sich den Wahlprogrammen der Parteien zu widmen: Was sagen sie zu transparentem Regierungshandeln und zu neuen Formen digitaler politischer Beteiligung? Nutzen sie vielleicht etwa die Begriffe Open Data und Open Government?

CDU: Das Wahlprogramm (pdf) der regierenden Partei in der Hansestadt ist unergiebig: Die Begriffe Open Data, Open Government, Partizipation, Teilhabe, Informationsfreiheit oder schlicht Demokratie finden sich nicht. Das Stichwort „Daten“ wird lediglich im Zusammenhang mit Datenschutz genannt.

Nur ein Verweis auf eines der oben genannten Themen findet sich. Unverbindlich heißt es im Abschnitt „Haushalt“: “ Wir wollen daher unsere Ausgabenpolitik sorgsam und transparent gestalten.“ Und dort findet sich auch ein Passus, in dem sich die CDU immerhin zum „E-Government“ bekennt: „Wir treten dafür ein, dass (…) unsere führende Position beim E-Government, also der internetbasierten Kommunikation zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und der Regierung, weiter ausgebaut wird.“ Klingt gut, meint aber nicht etwas Teilhabe am Handeln der Regierung, sondern: „Jede Hamburgerin und jeder Hamburger soll über das Internet Behördengänge erledigen können.“ (S. 10f)

SPD: Ihr Programm wirkt, als sei den Autoren in letzter Minute eingefallen, dass sie etwas vergessen haben. Ganz ans Ende ihres „Regierungsgrogramms“ (pdf) quetschen die Sozialdemokraten ein paar Zeilen unter der Überschrift „Demokratie in Hamburg“ (S. 31). Dort bekennt sie sich dann zu „neuen Möglichkeiten der Volksgesetzgebung“ und erklärt, dass der „laufende Reformprozess für die bezirklichen Bürgerbegehren“ weitergeführt werden solle. An anderer Stelle wird gar dem E-Government Anerkennung gezollt. Der Begriff „Internet“ taucht allerdings nur im Zusammenhang mit Kriminalität und Polizei auf. Partizipation, Informationsfreiheit und Transparenz sind gleich gar kein Thema für die Sozialdemokraten.

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