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Der Beginn eines alternativen Internets

Es ist derzeit viel die Rede von einem Krieg, dem ersten wirklichen „Infowar“. Der Chaos Computer Club beispielsweise, das Urgestein der deutschen Hackerszene, rief unlängst in einer Erklärung zu den Fahnen: „Der Kampf um Wikileaks ist eine wichtige Auseinandersetzung um die Zukunft der Meinungs- und Informationsfreiheit im Netz. Wir rufen daher dazu auf, Wikileaks alle technische Unterstützung zukommen zu lassen, um diese Schlacht zu gewinnen.“

Besagte Unterstützung – und darunter verstehen einige offenbar auch die DDoS-Angriffe auf Firmen wie Mastercard – ist bereits im vollen Gange – über 1200 gespiegelte Instanzen, so genannte Mirror der Whistleblowing-Plattform, finden sich mittlerweile im Netz. Eine Übersicht darüber vermittelt eine Weltkarte (siehe oben).

Dieses Netzwerk von Spiegeln ist aber nur ein Vorgeschmack auf das, was ein zweites, ein alternatives Netz werden könnte. Diverse Aktivisten bereiten derzeit den Start einer dezentralen Netzstruktur vor. Nicht zuletzt wegen der Sperrung von wikileaks.org will man nicht mehr auf die offensichtlich politisch beeinflussbaren Webadressen-Kataloge von ICANN angewiesen sein.

Auf dot-p2p.org wird das Vorhaben vorbereitet. Ähnlich der Peer-to-Peer-Netzwerke (P2P), über die Daten getauscht werden, soll jeder, der ein kleines Programm auf seinem Rechner installiert, Domains erreichen können, die als Endung .p2p haben – also etwa www.zeit.p2p.

Das Rückgrat des Internets sind derzeit weltweit 13 Server (Root Nameserver), von denen ein großer Teil in den USA steht. Sie verwalten in letzter Instanz das so genannte Top-Level-Domain-System (TLD), sorgen also dafür, dass IP-Adressen wie 213.251.145.96 unter dem Namen wikileaks.org erreichbar sind. Für das P2P-Internet wären solche zentralen Rechner nicht mehr nötig. Ein alternatives DNS-System (Domain Name Server) entstünde.

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In München kommt die Demokratie in Fluss

Liquid Democracy in München
Ausschnitt der Beteiligungswebsite der Stadt München

In München startet das bislang größte Experiment in Sachen OpenGovernment in Deutschland: Seit dem heutigen Mittwoch können sich Bürgerinnen und Bürger dazu äußern, welche Online-Dienste sie von der Stadt erwarten und welche Form von politischer Beteiligung sie sich wünschen. Zudem wird gefragt, welche nützlichen Anwendungen aus dem „Datenfundus“ der Stadt erstellt werden könnten.

In der bayrischen Landeshauptstadt läuft das Ganze unter dem Motto „Münchner Open Government Day“ – MOGDy. Ende Januar 2011 sollen auf einer zweitägigen Veranstaltung – einem „Open Government Camp“ – die Vorschläge und Anregungen ausgewertet werden. Unterstützt wird die Stadt vom OpenData Network sowie dem Liquid Democracy e.V.Weiter„In München kommt die Demokratie in Fluss“

 

Wie Wikileaks inzwischen Transparenz versteht

First Intelligence Agency
Wikileaks Selbstverständnis: Nachrichtendienst der Menschen

Die Geschichte müsse neu geschrieben werde, hatte Wikileaks vor Veröffentlichung der „Embassy Files“ per Twitter verkündet. Eine hohe Erwartung. Das zentrale Problem bei der Bewertung: Wikileaks will mit den 251.000 Dokumenten vorerst nur ein Drittel der Depeschen veröffentlichen, die der Organistation insgesamt vorliegen. Die 500.000 weiteren Schriftstücke würden erst im Laufe der kommenden Monate frei gegeben, heißt es auf der dazugehörigen Website cablegate.wikileaks.org.

Das Themenspektrum und der geographische Bezug seien so weit gefasst, dass man nur mit einer schrittweisen Veröffentlichung dem Material gerecht würde. Als Vorgeschmack verwies Wikileaks auf ein Diagramm, das die Verteilung der wohl insgesamt knapp 770.000 Depeschen in 100 Themen einsortiert. Hier finden die sich als Liste.

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„Es geht bei Daten nicht um Transparenz“

where does my money go visualization
wheredoesmymoneygo.org schlüsselt den britischen Haushalt auf

Der britische Ökonom Rufus Pollock hat die OpenKnowledge Foundation mit aufgebaut. Zusammen mit Tim Berners-Lee („Erfinder“ des WWW), Nigel Shadbolt (Informatikprofessor) und Tom Steinberg (mySociety.org) sitzt er im Public Sector Transparency Advisory Board der britischen Regierung. Im Interview spricht Pollock über die Motivation der Regierung, ihre Daten zu öffnen und die Arbeit in dem Rat.

Herr Pollock, welchen Einfluss hat das „Advisory Board“ auf die Arbeit der Regierung?

Rufus Pollock: In der OpenKnowlege Foundation arbeiten wir seit 2004 zu OpenData, der Rat selbst wurde vor vier Monaten eingerichtet. Aber ehrlicherweise muss man sagen: Ideen sind billig – die Umsetzung kostet Geld. Und wie viele Ideen gibt es in dem Bereich von OpenData á la „wäre es nicht gut…“?

Vor wem ich also wirklich Respekt habe, ist Francis Maude. Der Minister für Kabinettsangelegenheiten, der den Rat einberufen hat, ist derjenige, der seine Kollegen bearbeiten muss. Es war sicher nicht einfach, die davon zu überzeugen, die Ausgaben aller Ministerien regelmäßig zu veröffentlichen. Wir haben ihn beraten, aber letztendlich muss er diese Ratschläge dann zu etwas formen, das tatsächlich passiert. Und im Hintergrund  arbeiten zahlreiche wahrhaftige Staatsdiener, die Datenverzeichnisse wie data.gov.uk mit viel Engagement möglich machen.

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Datenpolizei in Frankreich

Sarkozy Protest Loppsi
Bei den Protesten gegen LOPPSI durfte das beliebte Orwell-Motiv nicht fehlen

Die französische Regierung plant offenbar, mit einer kleinen Gesetzesänderung den Zugriff auf Daten und Informationen des Staates zu beschränken. Die Organisation Regards Citiyons berichtet, dass eine Ergänzung zum umstrittenen Gesetzespaket LOPPSI 2 eine moralische Überprüfung derjenigen vorsieht, die Anfragen nach Daten stellen.

Diese Woche wird in der französischen Nationalversammlung über das Gesetz debattiert werden.

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Das Recht auf Daten

Tim Berners Lee London
Tim Berners-Lee spricht in London über OpenData im internationalen Kontext

Es sei ein wichtiger Moment, sagte der britische Premierminister David Cameron in einer Videobotschaft im Rahmen des OpenGovernmentData Camp. Und kündigte an, dass ab sofort die Ausgaben aller Ministerien über 25.000 Pfund als OpenData veröffentlicht würden. Ab dem heutigen Freitag sollen diese Daten jeden Monat aktualisiert in maschinenlesbaren Format im Datenkatalog der Regierung data.gov.uk zu finden sein.

Ende Mai hatte die neugewählte Regierung aus Konservativen und Liberalen dieses Vorhaben angekündigt.

„Wir wollen die transparenteste Regierung der Welt sein“, sagte Cameron und versprach ein „Recht auf Daten“ – Bürger sollen künftig verlangen können, Informationen als weiterverwendabere Datensätze zu erhalten. Weiter„Das Recht auf Daten“

 

Neue rot-grüne Koalition in Wien für „gläsernen Staat“

Screenshot A nach B Österreich
Von A nach B: Das "intelligente" Verkehrssystem liefert auch Kamerabilder

In Wien wird es offenbar eine rot-grüne Koalition geben – eine Premiere auf Landesebene in Österreich. Die Stadt zählt als eines der neun Bundesländer der Alpenrepublik. Heute soll der Koalitionsvertrag mit der sozialdemokatischen Partei SPÖ unterzeichnet werden. Eine grüne Parteiversammlung stimmte gestern dem Regierungsprogramm zu; es enthält auch ein Passus zu OpenData und OpenGovernment (pdf – S. 65):

Nach internationalen Vorbildern zur Modernisierung der Stadtverwaltung, wird ein Symposium veranstaltet und in weiterer Folge von einer ExpertInnen-Gruppe ein Konzept erstellt, das die Möglichkeiten und etwaige Risiken von „Open Data“ und „Open Government“ – also der freie Zugang zu bestimmten öffentlichen (nicht personenbezogenen) Daten in für Menschen und Maschinen lesbarer Form – für Wien erörtert.

Laut einem ORF-Bericht war erst im September ein Antrag der Wiener Grünen im Gemeinderat der Stadt zur Offenlegung der Fahrplandaten des öffentlichen Personennahverkehrs mit Stimmen der SPÖ abgelehnt worden. Die neue Regierung würde jetzt aber den „gläsernen Staat, nicht der gläsernen Bürger“ anstreben.

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„Mit Rohdaten allein wird der Bürger nicht glücklich“

Es reicht nicht, Akten zu öffnen, die Daten müssen aufbereitet werden, so das Innenministerium ©Mister Vertilger/photocase.com

Große Begeisterung hat es nicht ausgelöst, das Regierungsprogramm „Vernetzte und sichere Verwaltung„: „Wir wollen bis 2013 eine gemeinsame Strategie für ein offenes Regierungshandeln erarbeiten und umsetzen“, heißt es in dem Papier vom August dieses Jahres (S. 57). Eine visionäre Kraft sei nicht in Sicht, urteilte das Staatsmodernisierungs-Blog government2020.de über den darin enthaltenen Abschnitt zu OpenGovernment und OpenData. Es läge der Verdacht nahe, dass die Bundesregierung der Bewegung hinterherlaufe.

Dazu ein Interview mit Beate Lohmann, Leiterin der Abteilung für Verwaltungsmodernisierung und Verwaltungsorganisation im Bundesministerium des Innern. Ihre Abteilung mit 64 Mitarbeitern hatte die Federführung bei der Ausformulierung des Regierungsprogramms.

Frau Lohmann, in den USA wurde 2009 eine OpenGovernment Direktive per Dekret angeordnet. Hierzulande ist eben erst die Rede von Pilotprojekten bis 2013. Warum?

Beate Lohmann: Sie vergleichen hier unterschiedliche Rechtskulturen miteinander. In Deutschland ist die Situation so, dass sich zunächst die Partner einer Koalition auf eine gemeinsame Linie einigen müssen. Und dann gibt es noch Artikel 65 des Grundgesetzes, der einzelnen Ressorts eine Ressorthoheit zubilligt. Im angloamerikanischen Raum hat die Transparenz der Kommunikation eine ganz andere Tradition.

Ich will nicht sagen, dass die ihren Bürgern mehr „sagen“. Schauen Sie mal, was auf den Seiten der englischen oder amerikanischen OpenData-Kataloge zu finden ist – das sind durchaus Dinge, die es bei uns in vergleichbarer Form auch gibt. Allerdings prüfen wir in Deutschland immer sehr genau, ob es richtig ist oder nicht noch besser geht. Den Gedanken der „Recht- und Zweckmäßigkeit“ verfolgen wir intensiv. Das hat langfristig gesehen Vorteile, aber dadurch verzögert sich ein Vorgang schon einmal.

Angenommen 2012 käme es zu einem Regierungswechsel. Welche Auswirkung hätte das auf die OpenGovernment-Strategie?

Lohmann: Die Haltung dazu könnte sich theoretisch ändern, ich gehe davon aber nicht aus. Dass wir uns an dieser Stelle öffnen, darüber besteht Konsens. Die Frage ist nur, wie man das macht, in welcher Reihenfolge – auf diesem Weg sind natürlich sehr viele Leute mitzunehmen.

Woran machen Sie diesen Konsens fest?

Lohmann: Nehmen wir zum Beispiel die Stuttgart21-Diskussion, die hat den einen oder anderen nachdenklich gemacht. Das sind Prozesse, bei denen man sieht, dass Bürger mehr Rechte einfordern. Das ist nicht unbedingt die Mehrheit, aber es sind Gruppen, die lautstark ihre Meinung kundtun. Wenn man diese Gruppen nicht einbindet, führt das nicht zu einer Beschleunigung von Verfahren, sondern verzögert sie eher.

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Veröffentlichung von EU-Agrarsubventionen gestoppt

Karte Fischerei Subventionen EU
fishsubsidy.org veröffentlicht EU Fischerei Subventionen

Die von der Europäischen Kommission angestrenge „Transparenzinitiative“ steckte am Dienstag eine Niederlage ein: Ein landwirtschaftlicher Betrieb und ein Bauer aus Bayern hatten gegen die detaillierte Veröffentlichung der Zahlungen von EU-Agrarsubventionen geklagt und vorgestern vom EU-Gerichtshof Recht erhalten. Die Entscheidung des Gerichts besagt, dass die Informationen über natürliche Personen, die Empfänger von EU-Geldern sind, in der Form zukünftig nicht veröffentlicht werden dürfen.

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs legt den Finger auf einen wunden Punkt in der Diskussion um OpenData: Wieweit kann das Transparenzinteresse an Datensätzen reichen? Weiter„Veröffentlichung von EU-Agrarsubventionen gestoppt“

 

Zeigen, was die Wähler interessiert

Die New York Times zeigt, über welche Kandidaten wann bei Twitter viel geredet wird

Außer Wetterdaten gibt es wohl kaum einen Datensatz, der von so großem unmittelbaren Interesse ist wie Wahlergebnisse. Nicht nur wegen ihres politischen Gewichts sind das sehr spezielle Datensammlungen. Ihre Erhebung gleicht bei großen Wahlen einer logistischen Meisterleistung – Millionen von Menschen, die zeitgleich in ihrer Nachbarschaft Daten produzieren, die anschließend innerhalb kürzester Zeit ausgewertet und zentral zusammengetragen werden müssen. So groß ist das Interesse, dass am Wahlabend alle Medien darum wetteifern, die besten Prognosen und Vorauswertungen der ständig wachsenden Datenbasis zu liefern.

Neben eher klassischen Darstellungen der Wahlergebnisse waren rund um Wahltag in den USA online neue Herangehensweisen in der Berichterstattung zu beobachten. Es folgt eine kleine Auswahl dieser Formen des Datenjournalismus‘.

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