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Ein Blick in die Zukunft?

Henrik SchoberKurz vor der Bundestagswahl ist am vergangenen Wochenende bereits eine Wahlentscheidung der besonderen Art gefallen: 127.208 Kinder und Jugendliche haben sich an der „U18-Wahl“ beteiligt und damit ein deutliches Zeichen gesetzt. Denn diese Wahlbeteiligung lag weit über der des ersten Urnengangs im Jahr 2005, als sich 48.461 junge Menschen beteiligten. Natürlich kann das Ergebnis dennoch nicht als repräsentativ für das politische Interesse oder gar die politische Stimmung der unter 18-Jährigen gelten: Die Einzugsbereiche der insgesamt 1000 Wahllokale konnten naturgemäß nicht das gesamte Bundesgebiet abdecken und überdies ist anzunehmen, dass insbesondere die politisch interessierten Kinder und Jugendlichen an der Wahl teilnahmen. Dennoch lohnt der Blick auf das Wahlergebnis, hier im Vergleich zu dem der ersten U18-Wahl vor vier Jahren:

U18-Wahlen 2009 und 2005

U18-Wahl 2009 und 2005

Dunklere Balken: Ergebnis 2009, hellere Balken: Ergebnis 2005 (Die Tierschutzpartei wurde 2005 mit einem Anteil von 1,1% unter „Sonstige“ gefasst).

Wenn es nach den unter 18-Jährigen ginge, gäbe es in Deutschland also ein 7-Parteien-Parlament. Neben den etablierten Parteien würde auch der Piratenpartei und der Tierschutzpartei der Einzug in den Bundestag gelingen, die NPD hingegen würde an der 5%-Hürde scheitern. Die guten Ergebnisse der kleinen Parteien gehen vor allem zu Lasten der SPD, die sich nur knapp als stärkste Partei behaupten kann. Nun ist hinlänglich bekannt, dass sich politische Meinungen im Laufe des Lebens ändern können, das Ergebnis der U18-Wahl ist somit keine Projektion zukünftiger Bundestagswahlergebnisse. Dennoch sei eine Gegenüberstellung des U18-Ergebnisses mit einer aktuellen Forsa-Umfrage zur Bundestagswahl gestattet, die im selben Zeitraum durchgeführt wurde:

U18-Wahlergebnis und Forsa-Umfrage unter Wahlberechtigten

U18-Wahl und Forsa-Umfrage

Dunklere Balken: U18-Ergebnis vom 18.9.2009, hellere Balken: Forsa-Umfrage im Zeitraum 15.9.-21.09.2009 (Piratenpartei, Tierschutzpartei und NPD werden im Umfrageergebnis unter „Sonstige“ gefasst).

Insbesondere die Union, aber auch SPD und FDP erzielen im U18-Ergebnis schlechtere Werte als in der Umfrage unter Wahlberechtigten. Die Grünen sowie die drei genannten kleinen Parteien hingegen schneiden bei den Kindern und Jugendlichen besser ab. Das U18-Ergebnis weicht damit erkennbar von dem der Umfrage ab, dennoch steht es in Einklang mit einem Trend, den nicht nur Wahlforscher seit einigen Jahren beobachten: Die „diffuse“, grundsätzliche Unterstützung für Parteien schwindet und die Wähler orientieren sich in ihrer Wahlentscheidung zunehmend an spezifischen Themen und Sachfragen. Dies ist bei den Kindern und Jugendlichen in besonderer Deutlichkeit sichtbar: Mit Piraten und Tierschutzpartei würden zwei Parteien ins Parlament einziehen, die nur ein Thema prominent besetzen und sich nicht im Stil der Volksparteien thematisch breit aufstellen.

Zugegeben: Die Grünen, einst ebenso mit einem engen Themenspektrum gestartet, haben inzwischen zu allen wichtigen politischen Fragen Position bezogen. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass durch das immer stärker an Sachfragen orientierte Wahlverhalten in Zukunft auch junge Parteien Erfolg haben könnten, die sich dauerhaft auf einzelne Themen konzentrieren und damit den Nerv bestimmter Wählergruppen treffen. Die etablierten politischen Parteien sollten sich daher perspektivisch auf Konkurrenz einrichten, die den Wählern nicht etwa neue Ideologien, sondern dezidiert thematische Alternativen anbietet. Passend dazu hat eine Forsa-Umfrage im Vorfeld der U18-Wahl ermittlet, dass für mehr politisches Interesse bei Jung- und Erstwählern zwei wesentliche Voraussetzungen geschaffen werden müssen: „mehr politische Bildung“ und ein „besseres inhaltliches Angebot der Parteien“.

 

Merkels Werk und Steinbrücks Beitrag

Henrik SchoberAngela Merkel möchte, so ist derzeit zu lesen, Peer Steinbrück aus Dankbarkeit für die gute Zusammenarbeit beim Management der Finanzkrise für einen prestigeträchtigen Job vorschlagen, falls die SPD nach der Bundestagswahl nicht mehr an der Regierung beteiligt sein sollte. Und wie bei fast allen politischen Meldungen dieser Tage stellt sich die Frage: Hat das Auswirkungen auf den Wahlkampf?

Jedenfalls passt die Nachricht ins Bild des bisherigen Wahlkampfes der Bundeskanzlerin, der zuletzt als zu wenig aggressiv und konfrontativ kritisiert wurde. Vor diesem Hintergrund sehen vermutlich einige Wahlkämpfer diesen neuen Beweis für das trotz jüngster Attacken bis zuletzt gute Klima in der Großen Koalition kritisch. Auch mancher (Nicht-)Wähler könnte sich in seiner Meinung bestätigt sehen, dass es zwischen den Parteien und ihren Kandidaten keine klaren Unterschiede gibt. Aus dieser Perspektive könnte man vermuten, dass hier eine interne Absprache zwischen Merkel und Steinbrück ungewollt nach außen gedrungen ist.

Möglicherweise steckt aber auch ein gewisses Kalkül dahinter, dass diese Information schon heute (also vor und nicht erst nach der Wahl, wenn Personalfragen üblicherweise verhandelt werden) aus dem CDU-Umfeld an die Öffentlichkeit gelangt ist. Immerhin stellt eine solche Nachricht die Kanzlerin einmal mehr als Staatsfrau dar, die jenseits der Parteigrenzen agiert und – ganz im Sinne des Volkes, das Steinbrücks Krisenmanagement schätzt – gute Arbeit ungeachtet des Parteibuches belohnt. Dieses Bild passt zur Wahlkampfstrategie der Union, die bisher vor allem auf die überparteiliche Beliebtheit der Person Angela Merkel und ihre damit verbundene Strahlkraft auf die anderen politische Lager ausgelegt war.

Schon Gerhard Schröder hat sich eines ähnlichen Kunstgriffes bedient, als er in seiner Regierungszeit zwei Kommissionen unter der Führung prominenter Unionspolitiker, Rita Süßmuth und Richard von Weizsäcker, einsetzen ließ. Auch dies war nicht zuletzt ein Versuch, sich gerade im Unionslager als „Kanzler aller Deutschen“ zu profilieren. Und tatsächlich stand Schröder zumindest phasenweise auf einer Stufe mit Kanzlern wie Konrad Adenauer oder Helmut Schmidt, deren persönliche Beliebtheit sehr tief in das gegnerische politische Lager hineinreichte.

Für Angela Merkel bietet sich nun die Möglichkeit, kurzfristig noch auf ähnliche Weise im Lager der SPD zu punkten. Laut aktuellem Politbarometer stehen nur 60% der SPD-Anhänger hinter Spitzenkandidat Frank-Walter Steinmeier, im Vergleich dazu unterstützen 92% der CDU/CSU-Anhänger die Kanzlerin. Hier ist aus Sicht der Union großes Potenzial für eine Kampagne vorhanden, die sich gerade an jene SPD-Anhänger richtet, die aufgrund des Kandidatenfaktors noch nicht sicher sind, wo sie ihr Kreuz setzen werden. Wenn gerade diesen Wählern demonstriert werden könnte, dass sozialdemokratische Spitzenpolitiker wie Peer Steinbrück auch unter einer schwarz-gelben Regierung zur Geltung kommen würden, könnte dies Angela Merkel und der CDU wertvolle Stimmen einbringen.

 

Zum Mitmachen auffordern! Der lahmende Internetwahlkampf

Der Wahlkampf ’09 sollte neue Standards auch im Internet setzen. Alle Parteien und Kandidaten haben schon früh spezielle Websites, Podcasts, YouTube-Kanäle und Diskussionsforen eingerichtet und sind selbstverständlich mit Profilen in den sozialen Netzwerken vertreten. Mit viel Farbe, Graphiken und Mulitimediaclips garniert werden politische Informationen an die potenziellen Wähler weitergegeben. Blickt man auf die noch immer ansteigende Internet-Nutzung in der deutschen Bevölkerung, so liegt die Politik hier voll im Trend.

Die Internet-Nutzung der Deutschen

Quelle: Ergebnisse der ARD/ZDF-Onlinestudie. Die Graphik kann durch Anklicken vergrößert werden.

Im Jahr 2009 nutzen mehr als zwei Drittel der Bundesdeutschen das Internet zu den unterschiedlichsten Zwecken – und unter anderem auch, um sich (politisch) zu informieren. Allerdings springt der Funke im Netz nicht über, das Internet ist hierzulande nicht das zentrale Medium, mit dem Wähler und Anhänger rekrutiert und vor allem mobilisiert werden können. Damit unterscheidet sich der Online-Wahlkampf in Deutschland noch deutlich von seinem US-amerikanischen Vorbild, der internetbasierten Kampagne Barack Obamas. Warum ist das so? Obamas Internet-Stratege Thomas Gensemer hat hierzu gestern im „ZDF heute journal“ einen entscheidenden Punkt gleich zuerst angesprochen: Es wird kein Angebot zur Partizipation gemacht. Zwar können viele Inhalte und Clips angeschaut werden, echtes Mitmachen ist aber nicht ohne weiteres möglich.

Dies ist aber wichtig, wenn man Menschen an sich binden und sie von Interessenten zu Anhängern machen will. Die Bindekraft sozialen Engagements ist in der Sozialwissenschaft unstrittig, das Credo lautet: Wenn ich zu einem Projekt einen aktiven Beitrag leiste, dann steigt auch mein Interesse daran, dass das Projekt gelingt. Und wie groß das Potenzial für eine solche freiwillige politische Mitarbeit ist, hat nicht zuletzt eine Studie zur politischen Partizipation in Deutschland aus dem Jahr 2004 gezeigt.

Einstellungen zu „alternativen“ Partizipationsformen

Quelle: „Politische Partizipation in Deutschland“ – Studie der Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag der Bertelsmann Stiftung

Während die Mitgliederzahlen der Parteien sinken, ziehen die Bürger also durchaus einige Formen der politischen Partizipation in Betracht, die in einer eher losen Organisation und unregelmäßig ausgeübt werden können. Allerdings gilt hier mehr denn je: Die Politik muss auf die Bürger zugehen und Ihnen das Angebot zur Mitarbeit machen. Eine bahnbrechende Studie aus den USA hat bereits in den 90er Jahren die drei wesentlichen Gründe ermittelt, aus denen sich die Menschen nicht politisch beteiligen: „because they can’t; because they don’t want; or because nobody asked“.

Diesem Gedanken folgend dürfen sich die Parteien nicht auf die digitale Aufbereitung ihrer Wahlplakate beschränken, echte Kommunikation und klare Partizipationsangebote sind nötig.

 

Thüringen hakt nach

Kurz vor den Landtagswahlen am Sonntag ist noch immer schwer vorhersagbar, zu welchen Koalitionen die Ergebnisse führen könnten. Denn die Bandbreite der möglichen Koalitionen ist so groß wie selten zuvor: Ein rot-rotes Bündnis, eventuell mit Beteiligung der Grünen, ist ebenso denkbar wie Jamaika- oder Ampelkoalitionen oder die klassischen Varianten Schwarz-gelb und Große Koalition.

Diese unterschiedlichen Szenarien werfen Fragen auf. Gerade in Thüringen, wo derzeit neben der Koalitions- auch die Ministerpräsidentenfrage besonders heiß diskutiert wird, scheinen viele Bürgerinnen und Bürger noch großen Informationsbedarf zu haben und ihre Wahlentscheidung erst dieser Tage zu treffen. Ein Indikator dafür ist die Aktivität der Plattform abgeordnetenwatch.de, auf der man Politikern Fragen stellen kann. Hier wurden bis Freitag immerhin 785 Anfragen zur Landtagswahl in Thüringen verzeichnet, das sind umgerechnet immerhin ca. 35 Fragen pro 100.000 Einwohner. Damit wurden im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung mehr als doppelt so viele Fragen eingereicht wie in Sachsen und dem Saarland.

Die Politiker in Thüringen sind sich des Stellenwerts solcher Foren offensichtlich bewusst und haben etwas mehr als vier von fünf Fragen (82,7%) auch beantwortet. Damit liegen sie knapp vor den Kollegen in Sachsen (80,4%) und deutlich vor jenen im Saarland (69,8%). Zum Vergleich: Von den 2.715 Fragen, die bisher im Rahmen der Bundestagswahl gestellt wurden (das sind ca. 3,3 pro 100.000 Einwohner), wurden gerade mal 61,7% beantwortet.

Natürlich sind solche Zahlen interpretierbar. Beispielsweise könnte man argumentieren, dass der Stellenwert der Internetanfragen dort geringer ist, wo die Bevölkerungsdichte höher und es somit einfacher und wahrscheinlicher ist, die Kandidaten in der Nähe des Wohnortes persönlich an den Wahlständen anzutreffen. Dennoch zeigt die Internetaktivität der Bevölkerung (und der Politiker) an, dass es bis zuletzt noch einige unentschlossene Wählerinnen und Wähler gab und gibt. Gerade in Thüringen könnte es sich also lohnen, den Wahlkampf bis zur letzten Minute zu führen.

 

Die Schicksalsfrage

Die Bildungspolitik ist traditionell ein prominentes Wahlkampfthema. Zur Bundestagswahl 2009 jedoch scheint sich nun jedoch ein Sprung in die Riege jener Themen abzuzeichnen, die nicht nur eifrig diskutiert werden, sondern tatsächlich wahlentscheidend sind. Einer Forsa-Studie für die Zeitschrift „Eltern“ zufolge schreiben 86 Prozent der Befragten dem Bereich „Familie, Kinder, Bildung“ einen mindestens genauso großen Stellenwert zu, wie den klassischen Wahlkampfschlagern Arbeit und Wirtschaft. Für die repräsentative Umfrage wurden Eltern minderjähriger Kinder interviewt, es handelt sich also um eine auch zahlenmäßig starke (Ziel-)Gruppe.

Die Politik hat sich darauf eingestellt: Bildung ist fester Bestandteil der aktuellen Plakatkampagnen der Parteien und die Spitzenpolitiker betonen gebetsmühlenartig den besonderen Stellenwert von Schule, Kinderbetreuung und Ausbildung. Angela Merkel hat bereits im Jahr 2008 ein deutliches Zeichen gesetzt und die „Bildungsrepublik Deutschland“ zu einem zentralen Projekt ihrer Regierung erklärt. Dieses Ziel ist nun eine tragende Säule ihres Wahlkampfes. Ihr Herausforderer Frank-Walter Steinmeier hält die Bildungspolitik gar für die „Schicksalsfrage der Nation“, und die Oppositionsparteien prangern erwartungsgemäß Versäumnisse der Großen Koalition in diesem Bereich an.

Da ist es nicht weiter verwunderlich, dass Studien und Statistiken aus dem Bereich der Bildungsforschung schnell Eingang in den Wahlkampf finden. So lesen etwa die Unionsparteien die Ergebnisse des jüngst erschienenen „Bildungsmonitors“ der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft als Bestätigung ihrer Bildungspolitik – immerhin belegen von ihnen regierte Länder die ersten fünf Plätze der Tabelle. Aus sozialdemokratischer Perspektive hingegen zieht man den Blick auf das „Dynamik-Ranking“ vor, das die relativen Verbesserungen der Länder abbildet. Hier liegen auch einige sozialdemokratisch geführte Länder auf den vorderen Plätzen und das rot-schwarz-geführte Mecklenburg-Vorpommern steht mit weitem Abstand an erster Stelle. Ein schöner Zufall für die Sozialdemokraten ist zudem, dass dort Manuela Schwesig als Sozialministerin wirkt – jene Frau also, die als Shootingstar im Kompetenzteam Steinmeiers gehandelt wird.

Gesamtbewertung der Bundesländer im Zeitablauf

Quelle: Bildungsmonitor der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (Graphik kann durch Anklicken vergrößert werden)

Just sie hat aber jüngst betont, was sonst gerne übersehen wird: Dass es nämlich zwischen den einzelnen Bereichen der Sozialpolitik nicht nur viele Berührungspunkte, sondern auch Grenzen gibt. Ihr ging es um den Unterschied zwischen Frauen- und Familienpolitik; für die Bildungspolitik ist diese Erkenntnis aber mindestens ebenso zutreffend. Wirtschaft, Integration, Familienförderung, Arbeitsmarkt, Demographie – all diese Themen und die damit verbundenen Probleme werden derzeit mit der Bildungspolitik verbunden. Politiker aller Parteien versprechen schnelle Besserung hier durch bessere Bildung da. Selten wird jedoch erwähnt, dass Kitas, Kindergärten, Schulen, Hochschulen und Ausbildungsbetriebe mit diesem Aufgabenkatalog überfordert sein könnten. Im Wahlkampf spielt das meist nur eine Rolle, wenn es um die unzureichende Ausstattung der Einrichtungen oder die Frage der Finanzierung geht.

Am Geld alleine jedoch kann es nicht liegen, der „Bildungsmonitor“ konnte keinen Zusammenhang zwischen dem BIP eines Landes oder dem Einkommen seiner Bürger und seiner Leistung im Bildungsbereich feststellen. Eher lässt sich sogar die leichte Tendenz ausmachen, dass die wirtschaftlich schwächeren Länder etwas bessere Werte erzielen, wobei hierbei natürlich verschiedenste regionale Besonderheiten zu berücksichtigen sind. Nichtsdestotrotz weist dies darauf hin, dass es der Politik oftmals nicht nur am Geld, sondern auch an den passenden Konzepten fehlt.

Und so spitzt sich die Debatte derzeit auf eine wahlkampftaugliche Ja-oder-Nein-Frage zu: Soll der Bund in der Bildungspolitik wieder mehr Einluss erhalten? 91 Prozent der von Forsa befragten Eltern befürworten das. Die SPD nutzt die Gunst der Stunde und macht sich für die Abschaffung des Kooperationsverbotes zwischen Bund und Ländern stark – obwohl sie es im Rahmen der Föderalismusreform (nach einigen Protesten) mitgetragen hat.

Die Themenhoheit im Bereich der Bildungspolitik ist zwischen den Parteien hart umkämpft. Das ist keine besonders gute Voraussetzung für einen inhaltlichen Austausch jenseits plakativer Forderungen und polarisierender Debatten. Trotzdem sollte man versuchen, die derzeitige Prominenz des Themas für zukunftsweisende Reformprojekte zu nutzen.

 

Der Schröder-Reflex

Am Abend der Bundestagswahl 2005 wurde Fernsehdeutschland Zeuge einer außergewöhnlichen politischen Forderung. Gerhard Schröder erhob ebenso lautstark wie kompromisslos den Anspruch, in der sich anbahnenden Großen Koalition Bundeskanzler zu bleiben, obwohl seine Partei knapp hinter der Union geblieben war. Auch wenn schließlich alles etwas anders kam, war dies doch das erste Mal, dass ein ungeschriebenes Gesetz in Frage gestellt wurde: Dass nämlich der stärkste Koalitionspartner den Regierungschef stellt.

Vier Jahre später nun kommen im Rahmen der anstehenden Landtagswahlen ähnliche Gedankenspiele auf. Insbesondere in Thüringen wird dieser Tage offen diskutiert, ob mögliche Linksbündnisse von einem SPD-Ministerpräsidenten geführt werden könnten, auch wenn die Linkspartei mehr Mandate als die SPD erringen sollte. Aus Sicht der SPD scheint dies die Antwort auf die heiß diskutierte Frage zu sein, wie man die vorausgesagte linke Mehrheit nutzen könnte, ohne insbesondere der Bundespartei eine schwere Bürde für die Bundestagswahl aufzuladen. Nach zahlreichen Versicherungen aus den Reihen der SPD, man werde dem Linkspartei-Spitzenkandidaten Bodo Ramelow nicht ins Amt helfen, könnte ein Einknicken nach der Wahl einen Sturm entfesseln, der die hessische „Wortbruch“-Debatte an Heftigkeit noch übertreffen könnte.

Die Alternative aber wäre ein politischer Kulturbruch, für den es sehr gute Gründe geben müsste. Die Argumente Schröders anno 2005 waren zum einen, dass die SPD gemessen an den Umfrageergebnissen im Wahlkampfendspurt mächtig aufgeholt hatte, sodass sie die Union bei einem etwas späteren Wahltermin hätte überholen können. Zum anderen konnte er seine guten Persönlichkeitswerte in die Waagschale werfen und sich als eine Art „Volkskanzler“ darstellen.

Ob die SPD in Thüringen in den verbleibenden zehn Tagen noch zum Endspurt ansetzen und die Linkspartei überholen kann, ist ungewiss. Die Persönlichkeitswerte der beiden Kandidaten jedoch zeigen, dass Spitzenkandidat Christoph Matschie nicht deutlich vor Bodo Ramelow liegt. Gemessen an der so genannten Direktwahlfrage (in der die beiden jeweils Ministerpräsident Dieter Althaus gegenübergestellt wurden, siehe Abbildung) schneidet er kaum besser ab. Dazu wurde auch der direkte Vergleich zwischen Matschie und Ramelow erhoben – allerdings nicht in Form einer Direktwahlfrage, sondern anhand der Frage, ob die Linke ihren Kandidaten durchsetzen oder den SPD-Mann mitwählen solle. Auch hier gewinnt Matschie mit einer relativen Mehrheit von 42 zu 31 Prozent. Allerdings sind diese Zahlen zum einen wegen der besonderen Fragestellung schwierig einzuschätzen und zum anderen ebenfalls nicht so deutlich wie der Abstand zwischen Gerhard Schröder und Angela Merkel vor der letzten Bundestagswahl.

Direktwahlfragen zu Thüringen 2009 und der Bundestagswahl 2005

Quellen: LanderTREND Thüringen und ARD Deutschlandtrend von Infratest dimap

Mittlerweile ist klar, dass ein wahrgenommener Endspurt und gute Persönlichkeitswerte allein keine hinreichenden Kriterien dafür sind, als „Juniorpartner“ das Amt des Regierungschefs übernehmen zu können. Neben der Außenwahrnehmung spielt auch die interne Atmosphäre eine wichtige Rolle, und hier sind sich Matschie und Ramelow sicher näher als Schröder und Merkel es waren. Vieles spricht aber dafür, dass nur alle diese Kriterien zusammen die absolut notwendige Grundlage für solch eine außergewöhnliche Entscheidung bilden könnten. Denn ein unter diesen Gegebenheiten gewählter Ministerpräsident bräuchte auch außerhalb seiner Koalition einen starken Rückhalt, um die Kritik an der Legitimität seiner Wahl entkräften zu können. Solange also die SPD und ihr Spitzenkandidat das linke Lager auch jenseits der klassischen „Sonntagsfrage“ nicht dominieren, wird es zu dieser kleinen Revolution wohl nicht kommen.

 

Schleichweg statt Broadway? Wie sich der Wirtschaftsminister beraten lässt

Der Wahlkampf hat (wenn auch nur für eine kurze Zeit) ein heißes Sommerthema gefunden: Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat von einer Kanzlei die Vorlage für ein Gesetz zur Zwangsverwaltung für angeschlagene Banken ausarbeiten lassen. Die Vorwürfe in diesem Zusammenhang sind vielfältig und nicht alle gleichermaßen stichhaltig. Zum einen heißt es, zu Guttenberg hätte die Expertise und das Fachwissen seines personell gut ausgestatteten Ministeriums nutzen sollen, um eine Gesetzesvorlage zu erarbeiten. Doch dieses Phänomen des „Outsourcing“ ist in der Politik wohlbekannt und sehr viel häufiger anzutreffen als nach außen hin sichtbar: Die immer komplexeren politischen Zusammenhänge, die viel zitierte Mehrebenenproblematik oder das Schnittstellenmanagement zwischen verschiedenen Institutionen und Entscheidungsträgern erfordern schlichtweg sehr viel und sehr spezialisierte Expertise, die ein einziges Ministerium alleine nicht immer aufbringen kann. Untersuchungen, wie etwa die vom ZDF zitierte, und wissenschaftliche Analysen (vgl. Falk/Römmele 2009) zeigen deutlich, dass der Beratungsbedarf von Ministerien und anderen öffentlichen Einrichtungen in den letzten Jahren deutlich gewachsen ist. Das Wirtschaftsministerium stellt hier keine erwähnenswerte Ausnahme dar.

Ein zweiter Kritikpunkt jedoch trifft den Kern des Problems: Eine Kanzlei hat ein wirtschaftliches Eigeninteresse und vertritt zudem eine Reihe von Unternehmen, die bestimmte Wünsche an die Politik herantragen möchten. Diese gemeinhin als „Lobbying“ bezeichneten Aktivitäten sind ebenso wie das Beanspruchen externer Berater übliche Praxis. Allerdings sind die Europäische Union und einige Nichtregierungsorganisationen darum bemüht, diese Lobbyingprozesse transparent und nachvollziehbar zu gestalten. Die These lautet: Nur wenn die Akteure und ihre Interessen bekannt sind, kann das Lobbying richtig eingeschätzt werden – und nur dann wird der Demokratie kein Schaden zugefügt. Der im vorliegenden Fall beauftragten Kanzlei wurde so gesehen die große Chance gewährt, einen sehr direkten Einfluss auf einen Gesetzentwurf nehmen zu können, ohne etwa die Namen ihrer Klienten, die von einem solchen Gesetz betroffen sein könnten, öffentlich machen zu müssen. Der Wirtschaftsminister muss sich also vorwerfen lassen, verdecktes Lobbying zugelassen zu haben.

Und drittens steht der Zeitpunkt dieses Vorganges in der Kritik. Da das Gesetz nicht mehr in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden kann, ist die Vorlage der Kanzlei de facto hauptsächlich Munition für den Bundestagswahlkampf. Die Forschung unterscheidet hier sehr genau zwischen verschiedenen Formen der Politikberatung. Im Falle von Gesetzesvorlagen, die also die „materielle Politik“ betreffen, sollte die Beratungsleistung „objektiv“ sein. Schließlich soll jedes Gesetz seinem Anspruch nach dem Wohle des Volkes dienen. In der Wahlkampfberatung hingegen werden Konzepte und Kampagnen verlangt, die auf die Ziele der jeweiligen Partei und die Ansprache ihrer Wähler zugeschnitten sind. Hier geht es nicht um hehre Ziele wie Objektivität oder Neutralität; kämpfen ist angesagt. Wenn nun eine der Form nach objektive Beratungsleistung für den Wahlkampf verwendet wird, lässt dies Rückschlüsse auf die Verbindungen zwischen Ministerium und Kanzlei zu und wirft Fragen nach der Objektivität vorangegangener Beratungen auf.

Übrigens: Wenn Justizministerin Brigitte Zypries nun ihr Ministerium dazu antreibt, ebenfalls einen Entwurf vorzulegen, der offensichtlich auch ihrem Wahlkampf dienen wird, macht sie sich des selben Vergehens schuldig, wie ihr Kollege zu Guttenberg. Denn egal, ob nun externe Berater oder die Ministerien selbst damit beschäftigt sind: Diese Arbeit kostet Steuergelder und aus diesem Grund darf sie nicht für den Wahlkampf verwendet werden. Wahlkampfkosten sind in Deutschland Sache der Parteien (die dann wiederum vom Bund nach bestimmten Regeln finanziert werden). Ministerien aber haben sich dem Wohle des Volkes und nicht dem bestimmter Parteien zu widmen.

Literatur:
Falk, S., & Römmele, A. (2009). Der Markt für Politikberatung. Wiesbaden: VS Verlag.

 

Jamaika an der Saar?

Das Aufkommen der Linkspartei hat den Grünen im Saarland (wie auch anderswo) eine interessante strategische Option geboten und es scheint, als wolle die Partei die Gelegenheit nutzen. Durch ihre Zurückhaltung in Koalitionsfragen und eine deutliche Emanzipation von der SPD konnten sich die Grünen in letzter Zeit zunehmend als unabhängige Größe zwischen CDU und FDP einerseits und SPD und Linkspartei andererseits positionieren.

Man könnte also sagen, dass die Grünen auf dem Weg sind, die neue FDP zu werden. Schon vor einiger Zeit haben die Grünen die FDP als „Partei der Besserverdiener“ abgelöst und sind also für entsprechende Wählergruppen attraktiv. Neu ist nun die strategische Komponente: Die Grünen haben die Position im Parteiengefüge eingenommen, die für die FDP (insbesondere auf Bundesebene) früher charakteristisch war. Sie befinden sich zwischen dem bürgerlichen und dem linken Lager, die im Saarland beide mit jeweils ca. 45% der Stimmen rechnen können und somit beide sind für eine Regierungsbildung auf die Unterstützung der Grünen angewiesen sind.

Die Grünen richten ihren Wahlkampf folgerichtig auf die Verhinderung einer Großen Koalition aus – eine populäre Forderung, die zugleich keine Festlegung der Partei verlangt (auf Nachfrage wird vom Spitzenkandidaten der Grünen die rechnerisch kaum mögliche Ampelkoalition als Präferenz genannt). Natürlich wird die Frage, welchem Bündnis man sich anschließen möchte, nach der Wahl unvermeidlich sein. Sicher scheint aber schon heute, dass die Entscheidung darüber nicht aus dem Bauch heraus getroffen wird, sondern vom strategischen Kalkül der Partei geprägt sein wird. Strategieentscheidungen wiederum sind immer an den Ergebnissen orientiert, die man erreichen möchte. Für eine erste vorsichtige Einschätzung des Verhaltens der saarländischen Grünen nach der Wahl lohnt daher ein Blick auf ihre vermeintlichen Ziele.

Die Politikwissenschaft schreibt Parteien drei zentrale Ziele zu: das Gewinnen möglichst vieler Stimmen, das Besetzen möglichst vieler Ämter und das Durchsetzen möglichst vieler Punkte des Parteiprogramms. Der Erfolg oder Misserfolg bezüglich der errungenen Stimmen steht am Wahltag fest, wichtige Faktoren für die Entscheidung in der Koalitionsfrage sind somit vor allem die zu besetzenden Ämter und die politischen Vorhaben, die man verwirklichen möchte.

Bezüglich der politischen Inhalte fällt eine Einschätzung schwer: Die Grünen kritisieren zwar Seite an Seite mit SPD und Linkspartei die CDU-Regierung, beispielsweise in der Bildungspolitik, andererseits hat aber ein anderes Herzensthema, die Energiepolitik, zu Verstimmungen mit der SPD geführt. Hier scheinen die Grünen dem amtierenden CDU-Umweltminister näher zu stehen als dem in die Kritik geratenen Schattenumweltminister der SPD.

Für die Frage der Ämtervergabe scheint die Jamaika-Option attraktiver zu sein als das Linksbündnis mit SPD und Linkspartei. Eine Betrachtung der bisherigen Dreierbündnisse auf Landesebene (die „Ampeln“ in Brandenburg und Bremen Anfang der 90er Jahre) zeigt, dass in solchen Koalitionen die beiden kleineren Parteien am Kabinettstisch leicht überproportional vertreten waren (siehe Graphik). Lediglich die Bremer Grünen stellten 1991 in der Koalition prozentual gesehen weniger Senatoren als Abgeordnete, allerdings wurde 1993 ein FDP-Senator durch ein Mitglied der Grünen ersetzt.

Ein Bündnis zwischen zwei größeren und einer kleineren Partei gab es bisher noch nicht, es darf aber vermutet werden, dass die Grünen in einem solchen Szenario nicht nur bezüglich der Quantität sondern vor allem auch bezüglich der Qualität der besetzten Ämter die klare Nummer drei sein würden. Beispielsweise würde das wichtige Amt des/der stellvertretenden Ministerpräsident/in, das in einem Jamaika-Bündnis im Bereich des Möglichen liegt, in einem Linksbündnis in weite Ferne rücken.

Die politischen Verhältnisse im Saarland sind natürlich nicht auf die Bundesebene übertragbar. Allerdings könnte sich das Land nach der Wahl am 30. August hervorragend dafür eignen, koalitionspolitische Testballons steigen zu lassen…

 

Die Botschaft des Dick Morris

Seit dem heutigen Tage ist Thomas Steg nicht mehr stellvertretender Regierungssprecher. In diesem Amt hat sich der SPD-Mann – auch beim Koalitionspartner – einigen Respekt verschafft, und umgekehrt steht auch er selbst der Bundeskanzlerin nach jahrelanger intensiver Zusammenarbeit positiv gegenüber. Dass er nun ins Zentrum des SPD-Wahlkampfes wechselt, mag da manchen wundern. Ist politisches Feingefühl wirklich eine Qualität, die sich mühelos von einer auf die andere Situation übertragen lässt?

In den USA – zweifellos das Mekka des modernen campaigning – hat man sich an solche fliegenden Wechsel mittlerweile gewöhnt. Dick Morris beispielsweise war für die Republikaner tätig, bevor er ins Clinton-Lager wechselte und einer der Strippenzieher der erfolgreichen Wiederwahl-Kampagne von 1996 wurde. Er galt als Experte für das Überzeugen von Unentschlossenen und Wechselwählern; sein Rezept war, den Demokraten Bill Clinton ein bisschen „republikanischer“ auftreten zu lassen. In diesem Fall ging das Kalkül des Clinton-Teams, sich ein bisschen Stallgeruch der Gegenseite zuzulegen, also voll auf. Und auch James Carville, wichtiger Berater während der ersten Clinton-Kampagne 1992, ist von der Universalität gewisser Wahlkampf-Lehren überzeugt. Er hat nach seinem Einsatz für Bill Clinton unter anderem Tony Blair und Ehud Barak beraten, der von ihm geprägte Ausdruck „It’s the economy, stupid“ fand weltweit in Wahlkämpfen Beachtung. Eine Gegenspielerin im US-Präsidentschaftswahlkampf von 1992, George H. Bushs Wahlkampfmanagerin Mary Matalin, hat Carville übrigens ein Jahr später geheiratet. Es scheint also allen parteipolitischen Gegensätzen zum Trotz viele Gemeinsamkeiten zwischen unterschiedlichen Wahlkämpfen und auch zwischen den Wahlkämpfern zu geben.

Die deutsche Wahlkampfforschung wendet dagegen ein, dass enge und produktive Zusammenarbeit auch auf langfristigen Werten wie etwa der Parteibindung basiert. Schließlich haben Parteien in Deutschland einen höheren Stellenwert und eine prägendere Funktion im politischen System, als es in den USA der Fall ist, wo Seiteneinstiege von unpolitischen Personen in politische Ämter an der Tagesordnung sind. Auch die deutschen Wahlkampfberater selbst raten mehrheitlich von schnellen Wechseln ab und betonen, dass gewachsenes persönliches Vertrauen die Grundsubstanz guter Zusammenarbeit ist.

Die Skepsis gegenüber sprunghaften Beratern scheint begründet. Dick Morris jedenfalls arbeitet inzwischen wieder für die Republikaner, nachdem er sich mit Hillary Clinton überworfen hat, und mancher fragt sich nun, ob er je ein echter Anhänger der Demokratischen Partei war. Thomas Steg hingegen scheint in der SPD verwurzelt zu sein. Aber wer weiß schon, was Angela Merkel eines Tages noch mit ihm vorhat…

 

(K)ein Wahlkampf mit der Rente?

Es gibt schätzungsweise 24,7 Millionen Rentner in Deutschland – eine Zahl, die Medien, Unternehmen und Parteien gleichermaßen beeindruckt. Sie alle sehen hier wichtige Zielgruppen, die es zu umwerben gilt. Insgesamt sind im September nun 62,2 Millionen Menschen zur Wahl aufgerufen und zwei von fünf Wahlberechtigten sind Rentner.

Das eigentlich Überraschende an der momentanen Rentendebatte ist somit auch nicht, dass sie stattfindet. Interessanter war da schon der Versuch der Parteien im Vorfeld, einen rentenpolitischen „Burgfrieden“ zu erreichen und das Thema mittels einer Rentengarantie aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Diese Pläne hat Finanzminister Peer Steinbrück nun jäh durchkreuzt und man fragt sich, ob es jenseits seiner inhaltlichen Einwände gegen eine Garantie in der Rentenversicherung auch wahltaktische Motive für diesen Schritt gibt.

Die Union kommt zumindest nicht aus der Deckung und behandelt das Thema mit großer Vorsicht. Gab es in den letzten Jahren – zumeist aus den Reihen der Jungen Union – kritische Vorstöße zur Frage des Ausgleichs zwischen den Generationen, ist die Partei im nun anstehenden Wahlkampf um Geschlossenheit bemüht. Kein Wunder, profitiert sie doch mit weitem Abstand am stärksten von einer Wahlbeteiligung der Rentner. Bei der Europawahl hat annähernd jeder zweite, der zur Urne gegangen ist, sein Kreuz bei den Unionsparteien gesetzt. Hinzu kommt, dass die Wahlbeteiligung unter Rentnern eher überdurchschnittlich hoch ist – würde der Anteil der Union stabil bleiben, so könnte die Partei konservativ geschätzt 20 Prozentpunkte allein durch die Stimmen der Rentner gewinnen.

Was Rentner wählen…

Ergebnis der Europawahl in Prozent. Quelle: Konrad-Adenauer-Stiftung.

Auch die SPD wurde von überdurchschnittlich vielen Rentnern gewählt, auch für sie handelt es sich also um eine wichtige Zielgruppe. Es ist daher nicht anzunehmen, dass Steinbrück dies ignoriert hat, als er sich als „Anwalt der Jungen“ dargestellt und auf die Frage der Generationengerechtigkeit hingewiesen hat. Unwahrscheinlich ist aber auch, dass er in der Gruppe der Rentner adressieren und eine Diskussion über dieses Thema anstoßen wollte. Schließlich gelten Rentner, etwa in Milieu-Studien, als traditionsverwurzelt und sind mehrheitlich als klassische Stammwähler einzuordnen.

Vielleicht war Steinbrücks Initiative tatsächlich nicht als Wahlkampfthema angelegt – genau das ist aber nun daraus geworden…