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Linsen mit Spätzle und Saitenwürschtle

 

Mit einem kulinarischen Kniff macht REZEPTOR dieses angestaubte schwäbische Leibgericht zu einer gesamtdeutschen Mahlzeit für mehr Toleranz

Für 2 Exilschwaben
150 g getrocknete braune Linsen
1 Paar Wiener Würstchen (oder 1,5 Paar wenn sie klein sind)
2 Eier
200 g Mehl
2 Kartoffeln
1 Suppengemüsebund
1 Knoblauchzehe
1 kleine Zwiebel
Wein-Branntwein- oder Gewürz-Essig
500 ml Brühe (oder Instant)
1 Bund frische Petersilie
1 Lorbeerblatt
Wasser

In Berlin sieht man in der neuerdings angesagten schwäbischen Szene-Gastronomie immer öfter dieses Gericht auf der Karte. Irritiertes Stirnrunzeln unter den Gästen, man kann die Denkblase förmlich aufsteigen sehen: »Was ist das und kann sowas überhaupt schmecken?«

REZEPTOR klärt auf: Linsen mit Spätzle sind historisch gesehen ein Arme-Leute-Essen, das allzuoft von schwäbischen Landgasthöfen so als eklige Pampe verunstaltet wird, daß kein Einheimischer es jemals bestellen würde. Komischerweise werden Linsen in der gehobenen Küche aber als eine durchaus ernstzunehmende Beilage geschätzt…
Wir versuchen in diesem Rezept den Linsen die Muffigkeit auszutreiben, darum verzichten wir auf die traditionelle Mehlschwitze die Bindung erzeugen soll, und verwenden stattdessen die Stärke von Kartoffeln.

Ein Experiment:
Um keinerlei Hektik zu erzeugen, erstmal in Ruhe die Spätzle machen. Faulpelze können natürlich auch die vom Supermarkt nehmen, aber nur die aus der gekühlten Frischetheke, NIEMALS getrocknete! Einen großen Topf Salzwasser zum kochen bringen. 200 g Mehl in eine Schüssel sieben, die 2 Eier dazu und ordentlich salzen. Alles zu einem glatten
Teig verrühren, der Schwabe sagt »bis er Blasen schlägt«. Die Konsistenz ist dann richtig, wenn er sich zwischen Brei und Flüssigkeit befindet, nach dem Rühren sollte sich die Masse gemächlich vom hochgehobenen Löffel lösen und dann nach und nach von selbst runterplätschern. Also gegebenenfalls tröpfchenweise Wasser dazugeben.
Mit einem geeigneten Gerät (Spätzledrücker, Spätzlehobel, Spätzlebrett) den Teig portionsweise in das kochende Wasser bringen, aufkochen lassen, ein halbes Glas kaltes Wasser dazuleeren und nochmals aufkochen lassen. Dann die Spätzle mit einem Schaumlöffel rausnehmen und in einem Abtropfsieb abtropfen lassen. Nicht in kaltes Wasser legen, weil die Stärkecharakteristik des einzelnen Spatzens dann verloren geht. Zugedeckt stehen lassen. Geübte Spätzlemacher produzieren übrigens schneller 4 Portionen Spätzle als Spaghetti fertig oder Kartoffeln gekocht sind. Also keine Angst und einfach mal den Spätzlehobel vom schwäbischen Mitbewohner krallen…

Die Kartoffeln schälen und in Linsengröße schnibbeln, und mit den Linsen und 500 ml kaltem Wasser in einem Topf aufsetzen. Ungesalzen (die Schalen werden sonst hart) zugedeckt 20 bis 25 Minuten leise al dente kochen. Inzwischen das Suppengemüse (Möhre, Lauch, Sellerie) waschen, die Zwiebel und den Knoblauch schälen und alles ebenfalls in Linsengröße bringen. Eine Pfanne und eine Sekunde neutrales Öl auf den Herd stellen, das Gemüse darin andünsten, aber nicht braun werden lassen. Mit guter Bisskonsistenz (noch vor al dente) dann in den Linsentopf geben, mindestens eine Sekunde Essig dazu. Wer noch eine angebrochene Weinflasche im Kühlschrank hat – ein guter Schuss kann hier nicht schaden. Alles nochmal 10 Minuten köcheln lassen, damit sich die Aromen vermischen. Dann salzpfeffern und die Brühe unterrühren. Hat man wirklich eine selbstgemachte Brühe, sollten die Linsen schon damit aufgesetzt werden, sie muss allerdings ungesalzen sein, wegen den ober erwähnten Schalen. Leute mit Instantbrühe geben jetzt einfach den Würfel oder das Pulver dazu.

Die Wiener Würstchen mit der Gabel im 5 cm-Abstand ringsherum einpieksen, dann platzen sie nicht auf und geben noch etwas Gemschmack ab, zusammen mit der einem halben Bund gehackter Petersilie noch 5-10 Minuten zugedeckt mit den Linsen auf ganz kleiner Stufe ziehen lassen. Nochmal abschmecken (Erfahrungsgemäss fehlt IMMER Essig) und mit den Spätzle und noch mehr Petersilie obendrauf servieren.

REZEPTOR-TIPP
Die Essigflasche mit auf den Tisch stellen, schwäbische Gäste werden noch mehr Essig dazuleeren 😉