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Am 7.12. ab 11 Uhr ist der Bildungsforscher Olaf Köller mit einem Kommentar zur Pisa-Studie zu Gast im Schulblog

Ich freue mich über einen sachkundigen Gast im Schulblog: Wenn am Dienstag um 11 Uhr die offiziellen Pisa-Ergebnisse verkündet werden, dann wird sie Olaf Köller an dieser Stelle kommentieren.

Der Pädagogische Psychologe leitet das Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und der Mathematik (IPN) an der Uni Kiel. Vorher hat Olaf Köller das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) an der Humboldt-Universität zu Berlin aufgebaut und geleitet. Das IQB entwickelt im Auftrag der der Kultusministerkonferenz Bildungsstandards und überprüft in regelmäßigen Abständen, inwieweit die Schüler sie erreichen.

 

Skurrile „Focus“-Vorabmeldung zur Pisa-Studie …

Wir erinnern uns: Beim Pisa-Test 2000 lagen die deutschen Schüler in allen Testbereichen (Lesen, Mathematik, Naturwissenschaften) unterhalb des Durchschnitts der OECD-Staaten. Deshalb wirkt der Satz in der Vorab-Meldung (siehe unten) des „Focus'“,  „die Deutschen (seien) nach den Ergebnissen der neuesten Bildungsstudie Pisa, immer noch nicht in die absolute Spitzengruppe aufgerückt“, reichlich skurril. Wer solch eine Erwartung gehegt hat, oder schüren will, der ist entweder ahnungslos oder will die deutschen Schulen auf Teufel komm raus zu Verlierern stempeln.

Hier die „Focus“-Meldung vom 4.12.2010: „Deutschlands Schüler haben im internationalen Vergleich immer noch Aufholbedarf. Wie das Nachrichtenmagazin FOCUS meldet, sind die Deutschen nach den Ergebnissen der neuesten Bildungsstudie Pisa, immer noch nicht in die absolute Spitzengruppe aufgerückt. Nach Informationen aus Kultus-Kreisen bescheinigen die Pisa-Prüfer den deutschen Kultusministern aber, dass die Schulkinder im Vergleich zur ersten Studie von 2001 deutlich schlauer geworden seien. Besonders gut schnitten die Kinder bei den jüngsten Erhebungen in Mathematik und Naturwissenschaften ab, zufriedenstellend auch bei der Lesekompetenz.“

 

OECD-Pisa-Chef bescheinigt deutscher Schulpolitik „Riesenfortschritte“

Kurz vor der Veröffentlichung der neuen internationalen Pisa-Studie am 7. Dezember bescheinigt der internationale Koordinator der Studie Andreas Schleicher im Gespräch mit der Wochenzeitung DIE ZEIT der deutschen Bildungspolitik „Riesenfortschritte“ seit dem sogenannten Pisa-Schock im Jahr 2001. Deutschlands Schüler schnitten damals im internationalen Vergleich unterdurchschnittlich ab, und die Leistung der Schüler war hierzulande extrem stark an die soziale Herkunft gekoppelt. Früher habe er in Deutschland Empörung ausgelöst, sagt Schleicher, wenn er Bildungsangebote schon im Kindergarten vorschlug, inzwischen bestreite auch hierzulande niemand mehr die Notwendigkeit frühkindlicher Bildung. Auch Bildungsstandards, für die er damals plädiert hatte, gebe es heute in Deutschland, sowie regelmäßige Vergleichsarbeiten. „Heute hat sogar Nordrhein-Westfalen ein Zentralabitur„, lobt Schleicher. Und bei der Schulstruktur setze sich das Zweisäulenmodell durch.

Der Deutsche Andreas Schleicher ist in der OECD-Zentrale in Paris Chef der Bildungsstatistik und internationaler Koordinator der Pisa-Studie (Programme for International Student Assessment). Er hat 1995 das Konzept für die Studie entwickelt, die alle drei Jahre die Leistungen der 15-jährigen Schüler im Lesen, in der Mathematik und den Naturwissenschaften international vergleicht. Die OECD, übersetzt: Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, ist eine Denkfabrik der Industrieländer.

Von Ländern, die erfolgreicher in der Pisa-Studie abschnitten, könne Deutschland lernen, das Bildung Priorität genießen müsse. „Das klingt trivial“, sagt Andreas Schleicher in der ZEIT. „Aber zeigen Sie mir einen deutschen Ministerpräsidenten, der Schulpolitik zur Chefsache gemacht hat!“ Erfolgreiche Pisa-Länder wie Japan oder Finnland, sagt Schleicher, zeichneten sich auch dadurch aus, dass an den Erfolg jedes einzelnen Schülers geglaubt werde. „Dazu gehört auch“, sagt Schleicher weiter, „dass das Streben nach Leistung und Exzellenz selbstverständlich ist und gute Schüler nicht als Streber diffamiert werden.“

Kritik übt Andreas Schleicher daran, dass Deutschland das einzige Land der Welt sei, dass die Pisa-Daten nicht ins Netzt stellt. „Vielleicht“, unkt er, „fürchten einige Kultusminister um ihre Interpretationshoheit.“

Am 7. Dezember wird weltweit die vierte internationale Pisa-Studieveröffentlicht. Die Daten dafür wurden 2009 erhoben. Frühere Erhebungen fanden 2000, 2003 und 2006 statt.

 

Bildungsökonom Klaus Klemm in der ZEIT: Bildungsausgaben pro Schüler um 11 Prozent gestiegen

Die »demografische Rendite« ist bislang in Deutschlands Schulen angekommen. Das zeigen Berechnungen des Essener Bildungsökonomen Klaus Klemm, wie am 2.12. in der ZEIT zu lesen ist. Zwar stagniert der Anteil der öffentlichen Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt  (2000: 3,8 Prozent; 2008: 3,9 Prozent), aber die Zahl der Schüler sank im gleichen Zeitraum von 12,6 auf 11,8 Millionen. Dadurch stiegen die Ausgaben pro Schüler inflationsbereinigt um 11 Prozent. Im Jahr 2000 (dem Jahr der ersten Pisa-Studie) betrugen sie 4200 Euro, im Jahr 2007 (zu Preisen von 2000) 4650 Euro.

Von Ländern wie den USA, Südkorea oder Dänemark sei Deutschland aber noch weit entfernt, berichtet die ZEIT im Rahmen einer Bilanz „Zehn Jahre Pisa-Studie“. Dort machen öffentliche und private Bildungsausgaben rund sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus; hierzulande sind es knapp fünf Prozent. In die Ferne gerückt sei auch das erklärte Ziel der Bundesregierung, bis zum Jahr 2015 den Anteil der Ausgaben für Bildung und Forschung auf zehn Prozent zu steigern.

Klaus Klemm war bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2007 Professor für Bildungswissenschaften an der Universität Duisburg-Essen.

 

„P-Day“ am 7.12.: Kleine Vorab-Hilfe zum Verstehen der Pisa-Studie

Am 7.12. (Dienstag) wird die neue internationale Pisa-Studie vorgestellt. Es wird vor allem interessant sein, wie es um das deutsche Schulsystem zehn Jahre nach der ersten Pisa-Studie bestellt ist.

Zur Erinnerung: Der „Pisa-Schock“ im Jahre 2001 (basierend auf dem Pisa-Test im Jahr 2000) rührte vom schlechten Abschneiden Deutschlands:

– Die Leistungen der deutschen 15-jährigen Schüler lagen in allen drei getesteten Bereichen (Lesen, Mathematik, Naturwissenschaften) unter dem Durchschnitt der OECD-Länder

– Fast ein Viertel der deutschen 15-Jährigen konnte nicht richtig lesen und nur auf Grundschulniveau rechnen, gehörte zur sogenannten Risikogruppe

– Spitze war Deutschland nur in der Ungerechtigkeit: In kaum einem anderen Land war die Leistung der Schüler so stark an ihre soziale Herkunft gekoppelt wie hier.

Wenn am 7.12. die Ergebnisse vorliegen, sollte man also darauf achten:

– Haben sich die Leistungen der Schüler seit dem Jahr 2000 im Lesen, in der Mathematik und in den Naturwissenschaften verbessert?

– Wie stehen wir jetzt im internationalen Vergleich da?

– Ist die „Risikogruppe“ kleiner geworden?

– Ist das Schulsystem gerechter geworden? Also: 1. Ist die Leistung weniger stark an die soziale Herkunft gekoppelt als im Jahr 2000? 2. (Hängt damit zusammen) Sind vor allem die schwächeren Schüler besser geworden?

Wir sind gespannt.

 

Ex-Kultusministerin Gabriele Behler kritisiert Reformpädagogik

Die Reformpädagogik müsse endlich hart mit sich ins Gericht gehen. Das fordert die langjährige Kultusministerin von Nordrhein-Westfalen, Gabriele Behler (SPD), in einem Beitrag für die ZEIT.

Die Reformpädagogik ist jene einflussreiche Strömung in der Erziehungswissenschaft, die von der Orientierung am Kind und nicht am Stoff redet und auf die Selbsttätigkeit der Schüler baut.

Behler kritisiert den „Reflex der Reformgemeinde“ nach den im März bekannt gewordenen Missbrauchsfällen an der reformpädagogisch geführten Odenwaldschule im hessischen Ober-Hambach: sich abgrenzen von jeder Art sexueller Übergriffe, aber Rettung der Reformpädagogik. „So leicht jedoch kann man sich nicht davonstehlen“, schreibt Behler.

Behler fordert die Reformpädagogen auf, ihre Selbstgerechtigkeit und ihren missionarischen Eifer abzulegen und neu über das Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern nachzudenken. „Schüler haben das Recht, ihren Lehrer nicht zu lieben“, schreibt sie. Statt des „pädagogischen Eros“ bedürfe es eines professionellen Ethos für den Lehrerberuf.

Gabriele Behler, 59, war von 1995 bis 2002 Kultusministerin in Nordrhein-Westfalen, von 1998 an zusätzlich Ministerin für Wissenschaft und Forschung.