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Geschnitten, nicht gewonnen

 

Professor Stephan Füssel ist Leiter des Institus für Buchwissenschaft an der Universität Mainz. Klingt gut. Aber was macht man da? Wikipedia weiß Bescheid: Ein Buchwissenschaftler erfasst „das Buch in seinen kulturellen, wirtschaftlichen, medialen und technischen Eigenschaften. Neben Betriebswirtschaft integriert die Buchwissenschaft in wechselndem Umfang auch kommunikations-, kulturwissenschaftliche und historisch-philologische Forschungsinhalte. Vereinfachend kann behauptet werden, dass sich Buchwissenschaft mit allen Aspekten beschäftigt, welche mit der Produktion, der Distribution und der Rezeption geistiger Werke zusammenhängen.“ Wahre Kenner des Buchmarkts also. Und die sind zur anstehenden Buchmesse gefragt.

Stephan Füssel sagte nun der dpa, Buchpreise würden fürderhin immer wichtiger, damit Verlage die Bücher loswerden. „Der alleingelassene Kunde möchte gerne so etwas wie eine Empfehlung.“ Gleichwohl weist er darauf hin, dass es mehr deutsche Literaturpreise als Tage gäbe: 394 nämlich. Und nicht alle seien repräsentativ. Die Wirkung hänge davon ab, wie seriös es auf der Verleihung zugehe. Der Deutsche Buchpreis könne zu einer richtigen „Marke“ werden; der bayerischen Corine-Preis hingegen ergehe sich in zuviel „Glamour“ und Fernseh-Tamtam. Das sei schädlich.

Und auch der Ingeborg-Bachmann-Preis habe sich in den vergangenen Jahren zur einer „experimentellen Selbstinszenierung“ entwickelt, sagt Füssel. „Wer dort sitzt und sich vor laufender Kamera einen Schnitt in die Stirn macht, der hat dann eben Erfolge.“ Na! Dass Rainald Goetz sein Subito blutüberströmt in Klagenfurt las, ist 24 Jahre her. Den Preis hat er nicht gewonnen, und seine Bücher sind auch keine Riesenerfolge. Der Wettbewerb des Bachmann-Preises ist das Gegenteil von experimentell: Das Publikum hält bereits den Atem an, wenn ein Autor mal nicht artig auf dem Stuhl sitzt, sondern lieber steht und dann und wann Musik einspielen lässt. Sehr zum Missfallen der Juroren. In den vergangenen Jahren war Klagenfurt eins: viel brav dahin erzählter Realismus und wenig originelle Texte.

Und für die alleingelassenen Kunden noch eine Empfehlung: Lutz Seilers vierzig kilometer nacht. Lyriker und Bachmannpreis-Sieger. Ohne Blut und Rasiermesser.