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Kekse essen mit Christa Wolf

 

„Ey, geil!“ Vor einer Glasvitrine drängeln sich elf Schuljungen und stehen etwas umständlich im Gang herum. Der Gang zu Halle 3, die Kalenderabteilung. In den Auslagen stehen Kalender von Schiffen, Pandabären und, darum das „geil“, russische Mädchenkalender. Also mit Mädchen drauf, aber eher für Männer. Nude in Russia. Teil eins bis sieben. Träume schlafloser Schülernächte, der Albtraum der begleitenden Lehrerin: „Los, kommt schon! Wir sind hier, um echte Bücher anzugucken. Bücher! Und nicht so einen Schrott.“ „Haha“, macht ein Schüler, trottet aber dann mit seinen Kameraden der Lehrkraft hinterher. Rein ins Geschiebe.

Warm ist es, die Klimaanlagen blasen trockene Luft in die Hallen. Die zwei jungen Männer, die als Langenscheidt-Wörterbuch verkleidet Handzettel verteilen, sind nicht zu beneiden. Wer auf die Frankfurter Buchmesse geht, ohne Plan, ohne eigenes Programm, sondern nur darauf hofft, sich inspirieren zu lassen, der hat ein Problem. Es ist unübersichtlich! Überall locken Verlage mit überdimensionalen Postern ihrer Autoren: Da schaut Christa Wolf schwarz-weiß und matt auf einen herunter, ein paar Meter weiter Juli Zeh. Wer nicht weiß, wohin mit sich, kann in den dicken Broschüren nachgucken. In ihnen steht jeder Stand, jede Veranstaltung und sie riechen modrig wie ein Telefonbuch. Überall mikrofonverstärkte Stimmen. Wolfgang Clement redet am Focus-Stand über Bildung. Das Nachrichtenmagazin hat seinen Stellplatz ganz dem Thema gewidmet, dort stehen ein kleiner Hörsaal und ein paar Schulbänke. Manche sitzen sogar drauf. Davor schwadronieren Mädchen in engen roten T-Shirts und noch engeren schwarzen Hosen und versuchen Abos und Infos loszuwerden. In Lauf- und Hörweite bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung krächzt Joschka Fischer von Außenpolitik und Altersmildheit, und eine im Publikumshalbkreis sagt zu ihrem Begleiter: „Lass uns mal zu Suhrkamp, da waren die Kekse so gut.“

Vorher aber noch zu Pendo. Beim Stand ist das Gedränge nicht so groß, obschon Eva Herman ihr Arche-Noah-Prinzip dort veröffentlichte. Oder vielleicht auch deshalb. Eine Besucherin packt die Neugier: „Kommt Frau Herman auch an den Stand?“ Ihre Stimme klingt freudig aufgeregt oder aggressiv, das ist ab einer gewissen Tonlage ja nicht mehr zu unterscheiden. Die Dame am Stand schüttelt den Kopf. „Da hätten Sie gestern Kerner gucken müssen“, antwortet sie routiniert beflissen. Dann geht sie in die Mittagspause. Raus an die herrliche Oktoberluft.

P.S.: Die besten Kekse gibt’s beim ZuKlampen!-Verlag, Halle 4, Gang F, Stand 131. Falls Sie noch vorbeischauen wollen.