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Mit Vollkornbuch im Schrebergarten

 

Eine Frage zur Messe wurde hier noch gar nicht beantwortet: Kann man da eigentlich was essen? Man kann! Ob man sollte, ist eine andere Frage. In den Gängen zwischen den Hallen quetschen sich kleine Buden. Da gibt’s Würstchen, da drüben Eis. Woanders steht eine Frau einsam an einem Brezelstand und serviert das Backwerk mit bemerkenswerter Achtlosigkeit. Eine Schlange steht vor dem Champagner-Stand und trinkt ein Gläschen für 16 Euro. Und draußen geht’s weiter. Imbissbuden. Rindswurst im Brötchen. Schmeckt nicht, wie es klingt. Schmeckt schlimmer. Inmitten der Besucher spazieren Edmund Stoiber und Angela Merkel vorüber. Nicht die echten. Mit Gummiköpfen bahnen sie sich ihren Weg, albern herum und kaum jemand lacht. „Muss warm sein unter der Maske“, sagt eine Besucherin gestrengen Blicks. „Naja, selbst schuld“, entgegnet eine andere.

Ein paar Meter weiter auf einem großen Platz befindet sich eine Ruhezone. Im Schatten überdimensionaler Brockhaus-Bände sitzen Heerscharen von Gästen und schnaufen kurz durch, ehe sie drinnen wieder die Neuerscheinungen inspizieren, Händeschütteln oder ihr Namensschild herumzeigen. Ein ungeheueres Sprachengewirr. Chinesisch, Französisch, Deutsch, Englisch, Spanisch, Spanisch, Spanisch. Katalonien ist Ehrengast der Messe. Ein paar katalanische Journalistinnen rennen um die bunten aufgeblasenen Lexika und fragen herum, ob die Ausstellung die Kultur ihres Landes gut repräsentiere. Die wenigsten machen mit. Wollen lieber rauchen, lesen oder kauen.

Drinnen wird weiter gewuselt und gedrängelt. In Halle 3 hat Dr.Oetker einen Stand. Essen kann man da nichts, kochen lernen schon. Gegenüber steht die Vollkornbrot-Literatur von Hanser und Luchterhand. Pompöse Stände. Die kleinen Verlage hingegen stehen zum Teil auf handtuchgroßen Plätzen, ein bisschen wie ein Schrebergarten, in denen jeder seine Gewächse pflegt und sorgsam zur Schau stellt. Nur die Gartenzwerge fehlen. Autoren lesen in Nischen vor ein paar Versprengten, die unruhig ihre Hälse verdrehen, weil ja jemand bekanntes vorbei laufen könnte. Dort der Fischer, hier der Matussek und da drüben, „ist das nicht der Dingsbums, weißt schon, der Die Vermessung der Welt geschrieben hat.“

Weiter weg, im gehobenen gastronomischen Bereich des Restaurants „Aubergine“ schnarren die Gesprächsfetzen der Verleger und Agenten. „Spitzentitel“ sollen rangeschafft, „Zugpferde“ präsentiert und der „Break-Even“ erreicht werden. Englische Literatur mache ja inzwischen jeder, lieber italienische Sachen, literarische Krimis, gern auch historisch, so richtige Schmöker halt, aber mit Anspruch und kommerziell, ja klar, „man hat ja nur wenige Slots“, „hier meine Karte“. Ein kurzes Weh und Ach über die Auflagen noch, dann werden die Nudeln serviert.