Am 22.10 ist der Welttag des Stotterns. In der Literatur ein sehr seltenes Thema. Romanhelden sind oft mit allerlei Widrigkeiten versehen: Schwindsucht, Drogensucht, dicke Füße, Magenproblemen, hartem Husten oder auch Lähmungen, aber Stottern tun sie fast nie. Es ist ja auch schwer die Ladehemmung beim Sprechen textlich darzustellen. Meistens in plumpen Konsonantenwiederholungen, ja, aber wirkt das nicht ein bisschen billig? Unlängst erschien ein Roman des Briten David Mitchell, der einen Stotterer zur Hauptfigur hat. Der dreizehnte Monat heißt das Buch und es ist nicht nur ein wunderbarer Adoleszenzroman, sondern er schildert auch mit sehr viel Witz und Einfallsreichtum, wie sich Stottern anfühlt und welche alltäglichen Probleme es einem Stotterer bereiten kann:
„Das N kam ganz normal, aber je mehr ich versuchte, den Rest mit Gewalt herauszupressen, desto enger Zog sich die Schlinge um meinen Hals. (…) Wenn Stotterer stottern, quellen ihre Augäpfel vor, sie zittern vor Anstrengung und laufen knallrot an wie zwei gleich starke Armdrücker, und ihr Mund geht auf und zu wie ein Fisch im Netz.“
Der Erzähler Jason gibt seinem Stottern einen Namen: Henker. Und der bereitet ihm arge Schwierigkeiten.
„Zwanzig Millionen Wörter beginnen auf N oder S. Abgesehen davon, dass die Russen einen Atomkrieg anfangen, ist meine größte Angst, dass Henker sein Interesse für Wörter auf J entdeckt, denn dann kann ich nicht mal mehr meinen Namen sagen. Ich müsste eine Namensänderung beantragen, aber das würde Dad nie im Leben erlauben.“
Abgesehen davon liefert der Roman die wohl schönste Beschreibung eines verbogenen Fahrrads, die ich je gelesen hab: „Das Fahrrad sah aus, als hätte Uri Geller es zu Tode gefoltert.“