Martin Walser widmet sich mal wieder dem Deutschen an sich. Kürzlich empörte er sich noch vor der Bayerischen Kulturakademie über das stetige „Rechthabenmüssen“, den „moralischen Oberton“ und „die Heuchelei“ seiner Landsleute – nun ist er wieder auf 180.
Es sei gerechtfertigt, wenn deutsche Unternehmen Bestechungsgeld zahlten, um an Aufträge zu bekommen, sagte der Schriftsteller dem Wirtschaftsmagazin Capital. Dass Manager wie Heinrich von Pierer oder Klaus Zumwinkel an den Pranger gestellt würden, findet Walser „deutsch, deutsch bis ins Mark“.
Zum Fall Siemens meinte er: „Meine Vermutung ist, so ein Unternehmen ist derart konstruiert, dass bis zu einer gewissen Ebene alle wissen, wir müssen bestechen, aber wir müssen für den Fall des Falles die Spitze davon freihalten. Dann ist das eine sehr solide, vernünftige Konstruktion.“ Nämlich so wie früher, als die Knechte putzten, wenn der König gepupst hatte.
Und Steuerhinterziehung? Auch dufte! „Der Staat sollte sich mal überlegen, warum so etwas passiert. Es gibt ja wenige Steuerflüchtlinge vom Ausland in die Bundesrepublik, oder?“ fragt Walser völlig undeutsch. Auf der Strafbank: die Journalisten. Diese setzten in ihrer Berichterstattung bei den Lesern ein „wollüstiges Interesse“ voraus.
Denn:
„Die wissen, es freut die Leute, wenn man zuerst sagt, das ist einer der am edelsten aussehenden Wirtschaftsmenschen und schau mal da: korrupt, korrupt, Sumpf, Sumpf.“ Viele Menschen seien vom Neid befallen, wenn Manager das Hundertfache verdienten.
Neid, Wollust, Walser wird biblisch. Und grundsätzlich:
Geld sei das einzige Mittel zur Unabhängigkeit. Er selbst habe materielle Not immer gefürchtet. Und der Rest wird auch nicht immer ärmer: „Da bin ich absolut erkenntnisabweisend. Wenn es jetzt heißt, jeder achte Deutsche ist arm, und wenn der Staat nicht zuzahlte, dann müsste jeder vierte als arm bezeichnet werden – das kann ich mir nicht vorstellen.“
„Nichts ist ohne sein Gegenteil wahr“, sagte Walser zur Kulturakademie in Bayern. Das Schöne: Er darf das alles sagen. Das Blöde: Man darf’s zitieren.