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Buchmesse Tag 1

 

„Beep“, „Beep“, „Beep“. Natuerlich war ich vor dem großen Tag viel zu spät ins Bett gegangen. Trotzdem war das grausam.  Mitten in der Nacht wurde ich vom lauten Schrillen meines Handyweckers hochgeschreckt. Drei Uhr in der Früh. Ich war todmüde. Beim genaueren Hinsehen stellte sich dann auch noch raus, dass es doch schon sieben Uhr morgens war, Zeit zum Aufstehen. Eine Stunde später stand ich bewegungslos wie ein Zombie am Bahnhof in Berlin und stierte schlaftrunken ins Nichts. Mit dem Zug gings nach Frankfurt. Buchmesse. Aufregung.

Ich war die letzten drei Monate in den USA gewesen, während tausende Kilometer entfernt in Deutschland mein Roman erschienen war. Eine eigenartige Situation nun zum ersten Mal an die Öffentlichkeit zu gehen. Im Zug wurde ich, vielleicht auch durch den Schlafmangel, erst mal paranoid, weil natürlich ganz bestimmt jeder Fahrgast ein Journalist war, der mich beobachtete, also quasi: Spion. In Wahrheit stiegen alle irgendwo in der Pampa aus und keine Sau interessierte sich für mich. Im Zug traf ich auf Yadé Kara, ebenfalls von Diogenes. Es war interessant und spannend, sich mit ihr zu unterhalten, immerhin kannte sie alles schon ein bisschen. Dann kamen wir mit Verspätung in Frankfurt an und rein ins Hotel hieß es und dann auch schon wieder raus aus dem Hotel, endlich ging es los.

Drohend in der Ferne der Messeturm. Jetzt kam zum ersten Mal ein wenig Nervosität auf. Denn ich hatte heute meine erste Lesung überhaupt, die „Ur-Lesung“, wie alle sagten, und ich sollte gleich mal ins Lesezelt, direkt hinter Ingrid Noll war ich dran. Irgendwie hatte ich das mit der Pünktlichkeit wohl falsch verstanden, denn ich war beim staunenden Streifzug durchs Messegelände auf einmal verloren gegangen, so dass mich alle suchten. Kaum dass ich gefunden worden war, wurde ich am Ärmel gepackt und sanft ins Lesezelt gezerrt.

„Hier, Lies!“ Ich schauderte. Der Raum war ja voller Leute! In meiner Phantasie hatte ich immer vor fuenf oder sechs Menschen gelesen, von denen ich zwei oder so auch noch kannte, und auch da war ich schon ziemlich nervös gewesen. Das hier hingegen war einfach nur der Wahsninn. Während Ingrid Nolls wunderbare Erzählstimme durch den übervollen Raum flirrte, tappte ich auf und ab und auf und ab. Ich wollte Wasser. Vielleicht mit einem Schuss Alkohol. Ja, das wars. Wasser mit Alkohol, nur ohne Wasser. Gab es aber nicht.

Dann war ich auch schon dran. Ich wurde vorgestellt, ich war auf einmal auf der Bühne, ich las. Und dann war ich fertig mit lesen und wollte munter aus dem Zelt hinausgehen, ehe man mir sagte, ich hätte erst die Hälfte der Lesezeit erreicht. Ach ja, hm. Ich nickte nur verdutzt, ich war irgendwie wie in Trance, man hätte mir in dem Moment auch sagen können, dass David Hasselhoff Uno-Generalsekretär wäre, ich hätte es geglaubt. Ich las noch mal, diesmal lief es etwas besser. Ich starrte auf meine Hand, die noch immer hin- und herzitterte, meine Stimme war teils brüchig, mein Mund trocken. Irgendwie wurde am Ende trotzdem geklatscht, naja, vielleicht aus Höflichkeit, „Wollen wir mit dem armen Kerl mal nicht so sein“ oder so.

Dann wurde es angenehm, Autogramme geben, signieren, Fotografieren lassen, viele hübsche Maedchen. Ich dachte, davon hast du immer geträumt, das kann doch gar nicht wahr sein. Vor einem jahr war ich noch der typische erfolglose Schriftsteller, kurz davor, alles aufzugeben, und nun war ich mitten im Trubel. Als der Marathon dann endlich vorbei war, ging ich mit einigen aus dem Verlag noch indisch essen. Dreimal wäre ich fast eingeschlafen, einmal schrammte mein sich im Sturzflug befindender Kopf nur haarscharf am Chicken Curry auf dem Teller vorbei. Mein Körper wollte mir damit subtil andeuten: Geh ins Bett, du Pfeife, morgen hast du ein volles Programm. Da mein Körper meinem Hirn schon immer nicht nur technisch sondern meistens auch vom Wissenvorsprung her überlegen gewesen war, sitze ich nun hier noch kurz in der Hotellobby und schreibe, ehe es jetzt gleich ins Bett geht. Naja, und ein bisschen Länderspiel schauen geht auch noch. Aber dann wirklich schlafen. Denn morgen wieder Wecker. Und Buchmesse. Und Aufregung.

P.S. Bin gerade mit meiner Zeitmaschine ins Jahr 2009 gereist, zum 6. September, um zu schauen, wie mein nächstes Buch „Spinner“ ankommt. Eigentlich ist es ja mein erstes Buch, ich schrieb es mit neunzehn. Klar hat es deshalb noch nicht ganz die Reife, allerdings ist es dafür schneller und frischer und halt jünger als Becks letzter Sommer, mit allen Vor- und Nachteilen. Leider hat das die ZEIT nicht so verstanden und dabei den Eindruck vermittelt, als wäre Spinner einfach nur eine fürchterliche Enttäuschung,  in der es bloß um Partys und entlaufene Nachbarskatzen geht. Schade, und bestechen lassen wollten die sich seltsamerweise auch nicht. Auf der anderen Seite kann man daran sehen, wie schnell alles vorbei geht. Gerade ist man noch mit dem Debüt auf der Buchmesse, alles läuft super und man schreibt enthusiastisch diesen Blog, und ein Jahr später geht es genau anders rum und man kriegt Gegenwind.

Hm, das alles raubt mit jetzt aber doch ein bisschen die Stimmung. Vielleicht sollte ich einfach nicht mehr mit dieser verdammten Time Machine reisen, sondern jetzt besser die Formel für den Vergessensauber sprechen. Damit ich mich die nächsten Tage in die Buchmesse stürzen kann. Habe in der Zukunft nämlich auch diesen Blog gelesen, natürlich weiß ich jetzt schon, was die nächsten Tage auf der Messe so alles passiert. Eine ganze Menge! O Mann, diesem Politiker signiere ich sicher nicht das Buch, und ich sollte auch nicht so viel fressen in der Diogenes-Speisekammer!!! Und was? Klinsmann versaut es bei Bayern total und Wolfsburg wird Meister? Kann nicht sein. Dass Obama gewinnt habe ich aber sehr gehofft. Aber wer ist dieser Madoff? Bzw. Finanzkrise??? Egal. Die alte Zeitmaschine schrotte ich erst mal, die sorgt eh nur für Ärger. Und nun noch der Vergessenszauber, damit ich die nächsten Tage den Blog ganz unvorbelastet schreiben kann.

Unwissenheit ist ein Segen.