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Tag 4

Meine lieben ca. zwanzig Leser, heute ist der letzte Tag der Buchmesse und auch mein letzter Blog. Ich danke David Hugendick für die Möglichkeit, hier mal ein bisschen schreiben zu dürfen und euch fürs Lesen (sowie natürlich auch für die lieben Kommentare). Ich hoffe, euch nicht zu sehr gelangweilt zu haben.

Heute also letzter Buchmessentag. Ich bin allerdings gestern bereits nach Hause gefahren. Wenigstens ein Tag Pause, bevor ich nun dann fast täglich woanders lesen werde, andere Städte, anderes Publikum, viel Zugfahren. Eine richtige Tour mit gut dreißig Lesungen. Ich freue mich sehr darauf, hoffe nur, dass mir nicht irgendwo in der Mitte die Luft ausgeht.

Ich habe den gestrigen Besuchertag jedenfalls sehr genossen, am besten war es, als eine Schulklasse da war, mitsamt Lehrer. Eine interessante Konstellation. Zum einen war es lustig, von einem Lehrer zu hören, ihm hätte das Buch gefallen, das hatte ich mir ehrlich gesagt ganz anders vorgestellt. Zum anderen fiel mir auf, wie alt ich geworden bin. Ich weiß, das ist relativ, aber zum ersten Mal ist mir wirklich der Abstand bewusst geworden, den ich zu meiner Schulzeit habe und dass mich diese jungen Leute als erwachsenen Schriftsteller begriffen haben. Einen erwachsenen Schriftsteller, der vielleicht aussieht, als könnte er mit ihnen noch ein paar Jährchen zur Schule gehen, aber immerhin. Übrigens haben mir viele Diogenes-Schriftsteller erzählt bzw. habe ich gehört, dass ihnen in punkto Politikertreffen / Signieren ganz ähnliche Missgeschicke passiert sind, u.a. auch Jakob Arjouni fast das gleiche wie mir. Das hat mich doch ein wenig aufgemuntert, wie auch die netten Worte von Yadé Kara.

Daneben wurden an diesem Tag noch viele Bücher getauscht. Auf der Messe kann man ja auch zum Stand eines anderen Verlags gehen, am besten mit Büchern des eigenen Verlags im Gepäck, und die tauscht man dann um. Also irgendwie wie beim Panini-Sammelalbum damals in der sechsten Klasse. Ein Klinsmann gegen einen Möller, jetzt eben ein Coelho gegen einen Tellkamp oder so. Ich war sehr am neuen Werk von Heinz Strunk interessiert. Ein Mitarbeiter vom Verlag, den ich hier mal nicht diskreditieren will, begleitete mich. Da wir keine Diogenes-Bücher dabei hatten, stellten wir den Leuten von Rowohlt einen Zettel aus, was sie für den Strunk als Gegenleistung bei uns tauschen könnten. Wir boten ihnen an, dass sie für zwei Strunk unseren gesamten Stand haben könnten, aber sie waren großzügig genug sich ebenfalls mit nur zwei Diogenes-Büchern zufriedenzugeben. Dann ein großer Moment, als ich den Lektor von Wolf Haas kennen lernen konnte. Das waren eigentlich die Gründe, wieso ich hier war, dachte ich. Ich habe auf dieser Messe viele Bücher signiert, um eins tut es mir wie gesagt leid, dafür jedoch wandert nun ein anderes direkt zu Wolf Haas. Also alles wieder okay.

Und dann neigte sich der Messetag langsam dem Ende entgegen. Ich schielte noch die ganze Zeit auf die Bundesligaergebnisse, kicker.de, ehe meine Zeit auf der Buchmesse dann endgültig vorbei war. Traurig machte es mich vor allem, mich erst mal von allen vom Verlag zu verabschieden, da es schon ein großer Spaß gewesen war, mit ihnen die Tage so viel rumgehangen zu haben. Das werde ich mit am meisten vermissen.

Als ich im Zug nach München saß, war ich ziemlich seltsam drauf. Ich las nicht, ich schrieb nicht, ich hörte nicht mal Musik. Ich dachte einfach nur nach. Ein Mensch kommt nicht oft in die Situation, einen solchen viertägigen Ausnahmezustand zu erleben. Die ersten beiden Tage waren wie ein Rausch, eine einzige Ekstase. Vier Jahre hatte ich in meiner vereinsamten Scheißwohnung schreibend an diesem Katapult gebastelt, das mich nun in das so ersehnte Rampenlicht geschossen hatte. Doch irgendwann, als der erste Rausch vorbei war, fiel mir auf, dass vor allem das ganze Ego-Zeug einfach nur Mist ist. Lächerlich. Da schreibt so ein Hanswurst ein Buch und ist dazu noch halbwegs jung – als ob das so wichtig ist. Verflucht unwichtig ist es. Das Ziel muss sein, dass über die Geschichten geredet wird, nicht über den Heini, der sie geschrieben hat. Die schönsten Momente waren, wenn Leute gekommen sind, die diese seltsame Story mit dem durchschnittlichen Lehrer und dem Wunderkind wirklich mochten. Die die Figuren liebten oder sogar an manchen Stellen traurig und berührt waren. Ein Geschenk.

Klar, ich will Frauen beeindrucken und so weiter, da kann ein nettes Foto oder ein guter Artikel manchmal nicht schaden. Trotzdem hoffe ich, dass mich die letzten Tage geschärft haben, dass ich nun klarer sehe, was wichtig ist und was nicht. Noch immer habe ich die drohenden Stimmen der Schriftsteller im Kopf, die mir von ihren Schwierigkeiten erzählt haben und wie sie sich verheizt hätten. Vergesse sie nicht!

Es war so oder so eine einzigartige, tiefe, auch surreale Erfahrung, auf der Buchmesse gewesen zu sein. Mal ein bisschen den eitlen Pfau raushängen gelassen zu haben, der sich mit seinem Federkleid schmückt. Für einmal ist das okay und ich habe Szenen erlebt, die ich in meinem Leben nicht mehr vergessen werde, über die es die nächsten Monate nachzudenken und dann vielleicht auch zu schreiben gilt. Manchmal habe ich mir gedacht, dass ich vielleicht noch sehr jung und ungefestigt für das alles war, wie ein staunender Schulbub stand ich da oft rum. Auf der anderen Seite bin ich unglaublich froh, dass ich nicht schon mit achtzehn oder neunzehn in diese Situation gekommen bin. Ich hätte es wohl nicht bewältigen können und wahrscheinlich eine echte Macke gekriegt. Das wär’s dann vielleicht gewesen, denn für einen Schriftsteller ist sein klarer, ich sag jetzt mal auch drogenfreier und wachsamer Verstand das höchste Gut.

Ich bin also sehr dankbar, dass mal so mitbekommen haben zu dürfen. Aber auch glücklich, dass es jetzt vorbei ist. Es ist halt einfach nicht das Wahre, ganz sicher nicht.

Eines jedoch hat sich tief in mir eingegraben: Gespannt irgendwo lauern, Sekunden zählen, auf die Bühne gehen, in erwartungsvolle Gesichter sehen, Herzschlag spüren, Adrenalin spüren, leichtes Zittern der Stimme, Buch aufschlagen, Mikro festhalten, vorlesen. Ich habe keine Angst davor, irgendwann mal süchtig danach zu werden.

Ich bin es schon.

 

Tag 3

(Geschrieben gestern um fünf in der Früh, vergessen es online zu bringen)

Heute hat es mich erwischt. Der Tag begann recht normal, ein Interview fiel aus, ich hatte Zeit, lungerte ein bisschen rum, hier und da gab es Termine, nichts Spektakuläres. Die meiste Zeit verbrachte ich sowieso in meinem Lieblingsort, dem geheimen Knusper-Kämmerchen am Diogenes-Stand, wo ich mich wieder mit allerlei Leckereien eindeckte. Dann war es soweit. Ich stand teilnahmslos in irgendeiner Ecke des Standes rum, ehe ich von jemand aus dem Verlag zu einer Menschenmenge geführt wurde, offenbar eine sehr wichtige Person, die mich sprechen wollte. Ich konnte nicht erkennen, wer den Massenauflauf ausgelöst hatte, zu wem ich geführt wurde. Ich dachte an einen Verleger aus England oder dergleichen, vielleicht aber auch sogar Wolf Haas (okay, das dachte ich nicht wirklich, wäre aber schön gewesen). Es war jedoch nur ein Politiker, der nicht gerade zu meinen Lieblingen zählte. Und während ich nun von allen angesehen wurde, Verlag, Bodyguards, ihm und seiner mich sympathisch anlächelnden Ehefrau, er freundlich mit mir plauderte, hatte ich ihm in meinem Schockzustand auch schon das Buch signiert, dann war wieder alles vorbei. Zack.

Danach saß ich minutenlang allein irgendwo rum. Ich konnte es nicht fassen. Wie schwach man doch war. Die ganze Zeit das Maul aufreißen, zu Hause, bei Freunden, aber dann in so einer Situation so schlecht reagieren. Auf der anderen Seite hatte ich nicht gewusst, zu wem ich geführt wurde, sonst hätte ich natürlich vorher gesagt, dass ich das nicht mache. Ich würde eigentlich bei klarem Verstand keinem Politiker etwas signieren, vielleicht mit drei Ausnahmen. Doch als ich da so dastand und mich alle anstarrten, war ich im Schock, paralysiert, ein Reh im Scheinwerferlicht des heraneilenden Autos. Ich hatte den Skandal nicht gepackt. Ich weiß, dass eine Charlotte Roche es gepackt hätte (unvergessen ihre Attacke auf Döpfner), ich hingegen blieb einfach nur höflich distanziert – schwach eben. Keine Eier gehabt. Alle sagten mir später tröstend, dass viele Politiker hier vorbeikommen und sich Bücher signieren lassen würden, das wäre einfach so und Literatur wäre eine neutrale Zone. „Niemand sucht sich seine Leser aus, du warst professionell“, usw. Naja. Trotzdem ärgerte ich mich. Ich war überfordert gewesen. Mir wurde dadurch jedoch eines klar: Wie schnell alles geht. Ein falsches Wort, ein Mal schlecht reagiert, schon bleibt für alle Zeit etwas zurück. Ein Foto vielleicht, oder ein Zitat, das nie mehr verschwindet, sich an einen heftet, ein Makel, der nicht mehr vergeht.

Ich will versuchen, nicht anders zu werden, als ich vorher war. Ich habe auf den bisherigen Tagen schon ein paar Schriftsteller kennengelernt, manche auch nicht ganz nüchtern, und vielleicht erzählten sie mir deshalb davon, wie sie verglüht wären und dass ich aufpassen solle. Ich kenne starke Menschen die mir sagten, sie hätten dieser riesigen Medien-Welle nicht standgehalten. Auf der Buchmesse ist mir klar geworden, dass ich ihr auch nicht standhalten kann. Scheiß auf leere, ego-verseuchende und aufgeblasene Publicity. Ich bin nicht der neue Irgendwas. Ich bin nur Benedict Wells und wichtig ist das Buch. Ich freue mich auf die Lesungen und auf Interviews mit Leuten, die meine Sachen mögen und ehrlich interessiert sind. Ich freue mich auf die Stimmen und Meinungen von Lesern. Ich will einfach nur Geschichten erzählen, deshalb bin ich hier. Und es ist ein schmaler Grat, diese Geschichten zu verkaufen und nicht sich selbst. Man muss Kompromisse eingehen und ewig lockt die Versuchung, sich selbst in den Vordergrund zu stellen. Widersetze dich ihr! In diesen Tagen, die einfach nur absurd sind, mit all der Aufmerksamkeit, fällt das zugegebenermaßen schwer. Ich weiß, dass ich gefährdet bin, wie alle, und ich will nicht, dass irgendwer oder irgendwas in den inneren Kreis vordringt, den ich um mein wirkliches Selbst gezogen habe. Mich tröstet, dass ich das heute mit dem Politikertreffen nicht tat, um irgendeinen Vorteil zu erlangen, denn den kriege ich weiß Gott nicht. Die Sache war neben ihrer lächerlichen Unwichtigkeit nämlich so verdammt uncool, dass ich fast lachen muss und ich weiß, dass jeder meiner Freunde, dem ich sie erzähle, auch lachen wird. Über mich. Den Spacko der ungeliebten Politikern die Bücher signiert, anstatt sich ihnen zu widersetzen. Ich fühle mich gerade so peinlich berührt wie damals, als ein Mädel mal meine ach so coolen CDs durchwühlte und irgendwo hinten versteckt im Regal ein altes Album von Sasha fand. (Ich hoffe durch das Beichten dieser wirklichen Jugendsünde wird mir das andere verziehen).

Danach war jedenfalls ein weiteres Verlagsessen in einer rustikalen Kneipe. Nach einer Stunde Trübsinn war ich schließlich wieder auf der Höhe und es wurde ein lustiger Abend, der auf einer Party endete, die von jungen Verlagen veranstaltet wurde. Ein altes, unrenoviertes Haus, voller Schriftsteller und junger Leute. Berlin Mitte Feeling. Es war jedoch eine seltsam stumme Veranstaltung. Es herrschte kein Fluss zwischen den einzelnen Cliquen, anderes als gestern beim Frankfurter Hof, wo man dauernd mit neuen Leuten ins Gespräch kam. Hier jedoch blieb man unter sich. Einmal sah ich Sven Regener vorbeihuschen (ihr wisst schon, der, mit dem richtigen Buchmesse-Blog, der sein Zeug nicht einfach nachts so hinschmiert), ansonsten unterhielt ich mich weiterhin nur mit den Mitarbeitern des Verlags, was aber auch schön war. Und dann ging es schließlich wieder heim ins Hotel. Dort sitze ich nun, noch immer emotional angeschlagen. Es ist kein schönes Gefühl zu wissen, dass man nicht so stark ist. Einen Fehler darf jeder machen, wichtig ist nur, daraus zu lernen, und ich war heute eben einfach überfordert mit dieser Situation. Dennoch sehe ich in der Ferne, irgendwo beim Messeturm, die ersten dunklen Wolken aufziehen. Jetzt kann mir nur noch einer helfen: Wolf Haas. Ein paar Kapitel Brenner, dann müsste es wieder gehen. Quasi: Therapie.

 

Tag 2

„Die schlechteste Lesung der Buchmesse 08 und du warst dabei – Glückwunsch!“ sowie auch „Worst Reading ever, be part of it“. Das war meine Signatur für die beiden Bücher, die nach meiner Lesung im Azubistro verlost wurden, gehalten vor den jungen Auszubildenden des Buchhandels. Es war ein denkwürdiger Auftritt eines konfusen, verschlafenen Autors, der vergeblich gegen die beschissene Akustik ankämpfte. Reihenweise verließen Leute die Lesung, weil sie mich nicht verstanden. Daraufhin fing ich an wie ein Besoffener rumzubrüllen, was aber auch nicht die Taktik sein konnte. Auch wenn es Spaß machte die einst mühsam geschriebenen Worte einfach mal laut durch die Gegend zu schreien. Dann gab es zeitgleich noch eine weitere Lesung neben mir, so dass man jetzt sowohl mich als auch den anderen überhaupt nicht mehr verstand. Ich kam total aus dem Konzept, wusste gar nicht, was ich jetzt lesen sollte. Ich war am Ende, sah in die Gesichter der jungen Buchhändler, die zu Beginn noch so hoffnungsvoll gewirkt hatten und jetzt nur noch einen Geisteszustand verrieten, nämlich: „Häh?“ Beziehungsweise in der neuen Internetsprache: „WTF?“ Dann fragte ich, wie viel Zeit ich noch hätte, was, noch dreißig Minuten. Scheiße. Irgendwie ging es dann aber vorbei. Umgebracht hat mich keiner, immerhin.

Doch keine Sekunde, um sich zu grämen. Nächster Termin, Foto, nächster Termin, Interview, Signieren, Interview, Foto, Termin, Termin, Termin. Zeit um selbst mal zu lesen (Bin gerade tief in Wolf Haas‘ Hauptwerk versunken, der Brenner, einfach genial) hatte ich keine, nicht mal fünf Minuten, immer war was los. Klingt stressig, aber, mal unter uns, ist einfach geil. Davon träumt man doch, dafür schreibt man, kein Mensch kann mir sagen, ob jemals wieder jemand an meinen Büchern so interessiert ist. Ich versuche es, so gut es geht, zu genießen, aber das kann man einfach nicht. Es ist zu schnell, alles dreht sich, ein Rausch, und in ein paar Wochen werde ich aufwachen und realisieren, was sich abgespielt hat. Bla, bla, bla – okay, ich geb’s zu. Viel wichtiger: Sandwichs. Und da gab es grandiose in einer geheimen Kammer beim Diogenesstand. Ein zauberhafter Ort voller Schnittchen, Süßigkeiten, Getränken und überhaupt allem. Werde mich da wohl morgen mal längere Zeit einsperren müssen und… Okay, nächstes Thema.

Verlagsempfang im Frankfurter Hof. Da sind dann auf einmal Suter und Noll und Kara und Widmer und Dobelli und McCarten und überhaupt alle. Auch Paulo Coelho schwebte wie ein Gott durch den Raum, kein Wunder, bei 100 Millionen verkauften Büchern, wie ich erfuhr. Überall waren Verleger aus anderen Ländern, aufregende Atmosphäre, man spürte, hier werden Geschäfte abgewickelt. Auch dieser komische 23jährige Schriftsteller mit dem Vogelnest auf dem Kopf wurde hier und da jemandem vorgestellt, aber was daraus wird, das weiß kein Mensch. Weiter ging es nun zum Autorenessen. Während die anderen in gelöster, ja fast familiärer Stimmung die Hauptspeisen bestellten, hieß es für mich: Ab zum Römer, Lesung. Ich spazierte durch die Altstadt, kam an, wurde verkabelt und rein in die Halle und ach du Scheiße, wie viel ist denn hier los. Der Raum brechend voll, hunderte Leute. Vor mir las Tilman Rammstedt, sehr komisch, damit machte er es mir natürlich auch nicht gerade leicht. Auf der anderen Seite: Beschissener als beim Azubistro konnte ich einfach nicht sein, das war nicht möglich, ein Mensch hat auch da nur ein begrenztes Potenzial. Rammstedts Lesung war dann vorbei und ich ging in die Arena. Ich werde in meinem Leben nicht mehr den Moment vergessen, als ich auf der Bühne saß und auf einmal die Lichter angingen. Wromms. Zwölf Scheinwerfer, alles weiß. Ich konnte nicht mal mehr die erste Reihe sehen, ich kam mir vor wie ein fliehender Gefangener, der nun von den Lichtkegeln des Gefängnisses gestellt wurde. Shit. Herzschlag – lieber nicht wissen. Es lief dann aber doch ganz gut, was vor allem auch an der wirklich netten Moderatorin Kathrin Fischer lag und an einem Publikum, das einfach gut drauf war. Geschleimt, klar, aber war halt einfach so.

Nach der Lesung ging es dann wieder in den Frankfurter Hof, und dort ab zur Bar. Jetzt zeigten sich Anthony McCartens geheime Talente, beziehungsweise die seines alten Kumpels, der zu uns gestoßen war. Weiß nicht, wie der Kerl das gemacht hat, aber auf einmal tauchten hübsche Frauen sowie auch Wein- und Champagnerflaschen auf, er schien da eine unerschöpfliche Quelle zu kennen. Nicht schlecht. Denn ein winziges Weinglas kostete da schon mal seine vierzehn Euros. Ich sah mich dauernd um. Es war irgendwie kurios, all diese Schriftsteller, Verleger, Journalisten – auf einem Haufen. Getuschel, Geflüster, Gelächter, die Räume barsten, auch draußen vor dem Eingang war es überfüllt. Die einen Gläser wurden umgestoßenen und fielen zu Boden, mit anderen stieß man an. Viele Besoffene, aber das ist wohl okay, wer im Glashaus sitzt… Naja. Wir hockten dann irgendwie abseits, es wurde sich unterhalten, Karten ausgetauscht, wenn man denn eine hatte, und überhaupt. Ständiges Fragen. Wer bist du, was schreibst du, woher kommst du. Mein Buch, mein Verleger, mein Drink. Daran, dauernd fotografiert zu werden, hab ich mich irgendwie gewöhnt, was für sich genommen ja schon pervers ist. Vielleicht muss man sich das einfach als ein paar verrückte und auch tolle Tage vorstellen, so kann man das vielleicht begreifen. Ich bin jetzt jedenfalls irre müde und frage mich, was für einen Mist ich hier wohl schreibe und ob das überhaupt eine Sau interessiert. Seinen Blog um diese Uhrzeit zu tippen ist auch nicht gerade klug, aber wat solls. Ich bin jedenfalls mal gespannt, wie es morgen läuft. Und lest Wolf Haas, ich selbst kann es ja momentan nicht tun!

 

Buchmesse Tag 1

„Beep“, „Beep“, „Beep“. Natuerlich war ich vor dem großen Tag viel zu spät ins Bett gegangen. Trotzdem war das grausam.  Mitten in der Nacht wurde ich vom lauten Schrillen meines Handyweckers hochgeschreckt. Drei Uhr in der Früh. Ich war todmüde. Beim genaueren Hinsehen stellte sich dann auch noch raus, dass es doch schon sieben Uhr morgens war, Zeit zum Aufstehen. Eine Stunde später stand ich bewegungslos wie ein Zombie am Bahnhof in Berlin und stierte schlaftrunken ins Nichts. Mit dem Zug gings nach Frankfurt. Buchmesse. Aufregung.

Ich war die letzten drei Monate in den USA gewesen, während tausende Kilometer entfernt in Deutschland mein Roman erschienen war. Eine eigenartige Situation nun zum ersten Mal an die Öffentlichkeit zu gehen. Im Zug wurde ich, vielleicht auch durch den Schlafmangel, erst mal paranoid, weil natürlich ganz bestimmt jeder Fahrgast ein Journalist war, der mich beobachtete, also quasi: Spion. In Wahrheit stiegen alle irgendwo in der Pampa aus und keine Sau interessierte sich für mich. Im Zug traf ich auf Yadé Kara, ebenfalls von Diogenes. Es war interessant und spannend, sich mit ihr zu unterhalten, immerhin kannte sie alles schon ein bisschen. Dann kamen wir mit Verspätung in Frankfurt an und rein ins Hotel hieß es und dann auch schon wieder raus aus dem Hotel, endlich ging es los.

Drohend in der Ferne der Messeturm. Jetzt kam zum ersten Mal ein wenig Nervosität auf. Denn ich hatte heute meine erste Lesung überhaupt, die „Ur-Lesung“, wie alle sagten, und ich sollte gleich mal ins Lesezelt, direkt hinter Ingrid Noll war ich dran. Irgendwie hatte ich das mit der Pünktlichkeit wohl falsch verstanden, denn ich war beim staunenden Streifzug durchs Messegelände auf einmal verloren gegangen, so dass mich alle suchten. Kaum dass ich gefunden worden war, wurde ich am Ärmel gepackt und sanft ins Lesezelt gezerrt.

„Hier, Lies!“ Ich schauderte. Der Raum war ja voller Leute! In meiner Phantasie hatte ich immer vor fuenf oder sechs Menschen gelesen, von denen ich zwei oder so auch noch kannte, und auch da war ich schon ziemlich nervös gewesen. Das hier hingegen war einfach nur der Wahsninn. Während Ingrid Nolls wunderbare Erzählstimme durch den übervollen Raum flirrte, tappte ich auf und ab und auf und ab. Ich wollte Wasser. Vielleicht mit einem Schuss Alkohol. Ja, das wars. Wasser mit Alkohol, nur ohne Wasser. Gab es aber nicht.

Dann war ich auch schon dran. Ich wurde vorgestellt, ich war auf einmal auf der Bühne, ich las. Und dann war ich fertig mit lesen und wollte munter aus dem Zelt hinausgehen, ehe man mir sagte, ich hätte erst die Hälfte der Lesezeit erreicht. Ach ja, hm. Ich nickte nur verdutzt, ich war irgendwie wie in Trance, man hätte mir in dem Moment auch sagen können, dass David Hasselhoff Uno-Generalsekretär wäre, ich hätte es geglaubt. Ich las noch mal, diesmal lief es etwas besser. Ich starrte auf meine Hand, die noch immer hin- und herzitterte, meine Stimme war teils brüchig, mein Mund trocken. Irgendwie wurde am Ende trotzdem geklatscht, naja, vielleicht aus Höflichkeit, „Wollen wir mit dem armen Kerl mal nicht so sein“ oder so.

Dann wurde es angenehm, Autogramme geben, signieren, Fotografieren lassen, viele hübsche Maedchen. Ich dachte, davon hast du immer geträumt, das kann doch gar nicht wahr sein. Vor einem jahr war ich noch der typische erfolglose Schriftsteller, kurz davor, alles aufzugeben, und nun war ich mitten im Trubel. Als der Marathon dann endlich vorbei war, ging ich mit einigen aus dem Verlag noch indisch essen. Dreimal wäre ich fast eingeschlafen, einmal schrammte mein sich im Sturzflug befindender Kopf nur haarscharf am Chicken Curry auf dem Teller vorbei. Mein Körper wollte mir damit subtil andeuten: Geh ins Bett, du Pfeife, morgen hast du ein volles Programm. Da mein Körper meinem Hirn schon immer nicht nur technisch sondern meistens auch vom Wissenvorsprung her überlegen gewesen war, sitze ich nun hier noch kurz in der Hotellobby und schreibe, ehe es jetzt gleich ins Bett geht. Naja, und ein bisschen Länderspiel schauen geht auch noch. Aber dann wirklich schlafen. Denn morgen wieder Wecker. Und Buchmesse. Und Aufregung.

P.S. Bin gerade mit meiner Zeitmaschine ins Jahr 2009 gereist, zum 6. September, um zu schauen, wie mein nächstes Buch „Spinner“ ankommt. Eigentlich ist es ja mein erstes Buch, ich schrieb es mit neunzehn. Klar hat es deshalb noch nicht ganz die Reife, allerdings ist es dafür schneller und frischer und halt jünger als Becks letzter Sommer, mit allen Vor- und Nachteilen. Leider hat das die ZEIT nicht so verstanden und dabei den Eindruck vermittelt, als wäre Spinner einfach nur eine fürchterliche Enttäuschung,  in der es bloß um Partys und entlaufene Nachbarskatzen geht. Schade, und bestechen lassen wollten die sich seltsamerweise auch nicht. Auf der anderen Seite kann man daran sehen, wie schnell alles vorbei geht. Gerade ist man noch mit dem Debüt auf der Buchmesse, alles läuft super und man schreibt enthusiastisch diesen Blog, und ein Jahr später geht es genau anders rum und man kriegt Gegenwind.

Hm, das alles raubt mit jetzt aber doch ein bisschen die Stimmung. Vielleicht sollte ich einfach nicht mehr mit dieser verdammten Time Machine reisen, sondern jetzt besser die Formel für den Vergessensauber sprechen. Damit ich mich die nächsten Tage in die Buchmesse stürzen kann. Habe in der Zukunft nämlich auch diesen Blog gelesen, natürlich weiß ich jetzt schon, was die nächsten Tage auf der Messe so alles passiert. Eine ganze Menge! O Mann, diesem Politiker signiere ich sicher nicht das Buch, und ich sollte auch nicht so viel fressen in der Diogenes-Speisekammer!!! Und was? Klinsmann versaut es bei Bayern total und Wolfsburg wird Meister? Kann nicht sein. Dass Obama gewinnt habe ich aber sehr gehofft. Aber wer ist dieser Madoff? Bzw. Finanzkrise??? Egal. Die alte Zeitmaschine schrotte ich erst mal, die sorgt eh nur für Ärger. Und nun noch der Vergessenszauber, damit ich die nächsten Tage den Blog ganz unvorbelastet schreiben kann.

Unwissenheit ist ein Segen.