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Tag 4

 

Meine lieben ca. zwanzig Leser, heute ist der letzte Tag der Buchmesse und auch mein letzter Blog. Ich danke David Hugendick für die Möglichkeit, hier mal ein bisschen schreiben zu dürfen und euch fürs Lesen (sowie natürlich auch für die lieben Kommentare). Ich hoffe, euch nicht zu sehr gelangweilt zu haben.

Heute also letzter Buchmessentag. Ich bin allerdings gestern bereits nach Hause gefahren. Wenigstens ein Tag Pause, bevor ich nun dann fast täglich woanders lesen werde, andere Städte, anderes Publikum, viel Zugfahren. Eine richtige Tour mit gut dreißig Lesungen. Ich freue mich sehr darauf, hoffe nur, dass mir nicht irgendwo in der Mitte die Luft ausgeht.

Ich habe den gestrigen Besuchertag jedenfalls sehr genossen, am besten war es, als eine Schulklasse da war, mitsamt Lehrer. Eine interessante Konstellation. Zum einen war es lustig, von einem Lehrer zu hören, ihm hätte das Buch gefallen, das hatte ich mir ehrlich gesagt ganz anders vorgestellt. Zum anderen fiel mir auf, wie alt ich geworden bin. Ich weiß, das ist relativ, aber zum ersten Mal ist mir wirklich der Abstand bewusst geworden, den ich zu meiner Schulzeit habe und dass mich diese jungen Leute als erwachsenen Schriftsteller begriffen haben. Einen erwachsenen Schriftsteller, der vielleicht aussieht, als könnte er mit ihnen noch ein paar Jährchen zur Schule gehen, aber immerhin. Übrigens haben mir viele Diogenes-Schriftsteller erzählt bzw. habe ich gehört, dass ihnen in punkto Politikertreffen / Signieren ganz ähnliche Missgeschicke passiert sind, u.a. auch Jakob Arjouni fast das gleiche wie mir. Das hat mich doch ein wenig aufgemuntert, wie auch die netten Worte von Yadé Kara.

Daneben wurden an diesem Tag noch viele Bücher getauscht. Auf der Messe kann man ja auch zum Stand eines anderen Verlags gehen, am besten mit Büchern des eigenen Verlags im Gepäck, und die tauscht man dann um. Also irgendwie wie beim Panini-Sammelalbum damals in der sechsten Klasse. Ein Klinsmann gegen einen Möller, jetzt eben ein Coelho gegen einen Tellkamp oder so. Ich war sehr am neuen Werk von Heinz Strunk interessiert. Ein Mitarbeiter vom Verlag, den ich hier mal nicht diskreditieren will, begleitete mich. Da wir keine Diogenes-Bücher dabei hatten, stellten wir den Leuten von Rowohlt einen Zettel aus, was sie für den Strunk als Gegenleistung bei uns tauschen könnten. Wir boten ihnen an, dass sie für zwei Strunk unseren gesamten Stand haben könnten, aber sie waren großzügig genug sich ebenfalls mit nur zwei Diogenes-Büchern zufriedenzugeben. Dann ein großer Moment, als ich den Lektor von Wolf Haas kennen lernen konnte. Das waren eigentlich die Gründe, wieso ich hier war, dachte ich. Ich habe auf dieser Messe viele Bücher signiert, um eins tut es mir wie gesagt leid, dafür jedoch wandert nun ein anderes direkt zu Wolf Haas. Also alles wieder okay.

Und dann neigte sich der Messetag langsam dem Ende entgegen. Ich schielte noch die ganze Zeit auf die Bundesligaergebnisse, kicker.de, ehe meine Zeit auf der Buchmesse dann endgültig vorbei war. Traurig machte es mich vor allem, mich erst mal von allen vom Verlag zu verabschieden, da es schon ein großer Spaß gewesen war, mit ihnen die Tage so viel rumgehangen zu haben. Das werde ich mit am meisten vermissen.

Als ich im Zug nach München saß, war ich ziemlich seltsam drauf. Ich las nicht, ich schrieb nicht, ich hörte nicht mal Musik. Ich dachte einfach nur nach. Ein Mensch kommt nicht oft in die Situation, einen solchen viertägigen Ausnahmezustand zu erleben. Die ersten beiden Tage waren wie ein Rausch, eine einzige Ekstase. Vier Jahre hatte ich in meiner vereinsamten Scheißwohnung schreibend an diesem Katapult gebastelt, das mich nun in das so ersehnte Rampenlicht geschossen hatte. Doch irgendwann, als der erste Rausch vorbei war, fiel mir auf, dass vor allem das ganze Ego-Zeug einfach nur Mist ist. Lächerlich. Da schreibt so ein Hanswurst ein Buch und ist dazu noch halbwegs jung – als ob das so wichtig ist. Verflucht unwichtig ist es. Das Ziel muss sein, dass über die Geschichten geredet wird, nicht über den Heini, der sie geschrieben hat. Die schönsten Momente waren, wenn Leute gekommen sind, die diese seltsame Story mit dem durchschnittlichen Lehrer und dem Wunderkind wirklich mochten. Die die Figuren liebten oder sogar an manchen Stellen traurig und berührt waren. Ein Geschenk.

Klar, ich will Frauen beeindrucken und so weiter, da kann ein nettes Foto oder ein guter Artikel manchmal nicht schaden. Trotzdem hoffe ich, dass mich die letzten Tage geschärft haben, dass ich nun klarer sehe, was wichtig ist und was nicht. Noch immer habe ich die drohenden Stimmen der Schriftsteller im Kopf, die mir von ihren Schwierigkeiten erzählt haben und wie sie sich verheizt hätten. Vergesse sie nicht!

Es war so oder so eine einzigartige, tiefe, auch surreale Erfahrung, auf der Buchmesse gewesen zu sein. Mal ein bisschen den eitlen Pfau raushängen gelassen zu haben, der sich mit seinem Federkleid schmückt. Für einmal ist das okay und ich habe Szenen erlebt, die ich in meinem Leben nicht mehr vergessen werde, über die es die nächsten Monate nachzudenken und dann vielleicht auch zu schreiben gilt. Manchmal habe ich mir gedacht, dass ich vielleicht noch sehr jung und ungefestigt für das alles war, wie ein staunender Schulbub stand ich da oft rum. Auf der anderen Seite bin ich unglaublich froh, dass ich nicht schon mit achtzehn oder neunzehn in diese Situation gekommen bin. Ich hätte es wohl nicht bewältigen können und wahrscheinlich eine echte Macke gekriegt. Das wär’s dann vielleicht gewesen, denn für einen Schriftsteller ist sein klarer, ich sag jetzt mal auch drogenfreier und wachsamer Verstand das höchste Gut.

Ich bin also sehr dankbar, dass mal so mitbekommen haben zu dürfen. Aber auch glücklich, dass es jetzt vorbei ist. Es ist halt einfach nicht das Wahre, ganz sicher nicht.

Eines jedoch hat sich tief in mir eingegraben: Gespannt irgendwo lauern, Sekunden zählen, auf die Bühne gehen, in erwartungsvolle Gesichter sehen, Herzschlag spüren, Adrenalin spüren, leichtes Zittern der Stimme, Buch aufschlagen, Mikro festhalten, vorlesen. Ich habe keine Angst davor, irgendwann mal süchtig danach zu werden.

Ich bin es schon.