Ich muss ständig an ein iPhone denken. Das macht mich wahnsinnig. Ich lege mich ins Bett, lese eine Seite, werde müde, knipse das Licht aus und muss – ehrlich – an ein iPhone denken.
Wie es wohl in Weiß aussieht? Schon einmal jemanden mit einem weißen iPhone in der Hand gesehen? Wie viel Musik geht da wohl drauf? Könnte vielleicht wirklich praktisch sein. Sieht auch toll aus. Ich habe sogar Angst, dass es Lieferengpässe gibt, dass der Vorrat nicht reicht. Dass es sich um ein limitiertes Angebot handelt.
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Ich will es nicht wollen
Das ist die reinste Qual. Ich hasse es. Ich will nicht an das bescheuerte, dumme, kleine, Scheiß-iPhone denken. Es vernebelt mir den Kopf. Es kocht mein Gehirn weich. Ich will es nicht. Ich darf es auch nicht wollen. Aber jeder hat jetzt ein flaches, buntes, multifunktionales Superbooster-Internet-und-alles-sonst-auch-mit-drin-Telefon. Man unterhält sich über iPhone-Dinge, und ich bin nicht dabei, sondern träume in der Nacht davon, verliere auch die Lust am Trinken und Reden, während andere ein Thema haben, das sie zusammenschweißt.
Ich werde neidisch, ich werde missgünstig. Ich verbringe sehr viel Zeit damit, darüber nachzudenken, welcher Neuheit ich mich noch nicht anschließen konnte. Verpasse ich gerade etwas wichtiges? Das ist, zugegebenermaßen, absolut peinlich. Ich verachte mich, weil ich auch ein neues Telefon haben will. Ich hasse es überhaupt, darüber nachzudenken, was ich HABEN will. Ausgerechnet mir passiert das jetzt, wo ich doch am liebsten jede Einkaufspassage mit Beton aufgießen will und die moderne Gesellschaft generell ablehnt. Wäre es so schlimm, ein paar Dinge einfach rückgängig zu machen. Schon aus ästhetischen Gründen wäre das nicht nur von Nachteil. Die ganze zwanghafte Moderne könnte bei der Gelegenheit überdacht werden. Rückgängig? fragen Sie sich? Ja. Weg damit! Wir haben entsetzliche Sehnsucht, einen Liebeskummer nach dem distinguierten Alten.
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Und da wären wir auch schon bei dem Stadtschloss. Am Sonntagmittag wurde in der Schaubühne mit größter Erregung darüber gestritten, ob man nun das Schloss mit seinen barocken und renaissancehaften Fassadenelementen bauen soll, das so aus unserer Zeit herausgefallen sei. Das hätte es im 19. Jahrhundert auch nicht, nicht einmal unter Philistern gegeben, dass man eine Diskussionsrunde auf Sonntag 12 Uhr legt. Haben die denn keine Manieren, keinen Anstand, keine Haltung? Auch das sollte man sich einmal überlegen! Es sei typisch deutsch, sagte jemand am Sonntag in der Schaubühne, dass man nicht einmal auf die Idee kommt, moderne Architektur auf diesem freien Platz zu versuchen. Typisch deutsch ist es, mit „typisch deutsch“ zu argumentieren.
Es wäre sicherlich reizvoll, die Welt aus Stahl und Glas und Regen um eine weitere graue Sachlichkeit zu erweitern. Damit würde man auch an das Erfolgskonzept von Walter Ulbricht mit dem Palast der Republik anknüpfen. Indes lässt sich auch am Potsdamer Platz, in Berlin-Mitte und an jedem Kaufhaus die architektonische Schönheit und moderne Einzigartigkeit bestaunen.
Raubkunst im Schloss
Aber das Publikum war ganz erhitzt, denn im Stadtschloss werden nicht nur 500.000 Milliarden Euro plus Mehrwertsteuer verpulvert, vermutlich auf Kosten des Steuerzahlers. Hier wird auch noch angeblich Raubkunst von Indianern und Afrikanern ausgestellt. Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Hermann Parzinger weiß eine Antwort: „Man kann jederzeit in die Ausstellung gehen und sich die Exponate ansehen.“
Aber die Afrikaner, so eine engagierte Dame in der ersten Reihe, können sich das eben NICHT leisten, aus Afrika anzureisen, um sich IHRE EIGENE Kultur anzuschauen. „Nichts ist perfekt!“, erwidert Parzinger und hat, wie er da den Kopf rabenartig eingezogen vor seiner sehr gründlich erarbeiteten Powerpointpräsentation (mit kleinen Animationen) krümmt und vom Publikum heftig zur Rechenschaft gezogen wird, meine ganze Sympathie.
Ja, baut dieses Schloss! Kehrt der Moderne den Rücken und baut wieder Schlösser! Verpulvert das ganze Geld für eine garantiert übertriebene Renaissance der Renaissance. Es wäre ein diskretes Augenzwinkern, eine schmale Erinnerung, eine Liebeserklärung an die Anmut des Alten, die den Passanten einigermaßen verwirren dürfte. Ihr Schritt verlangsamt sich, sie spüren, dass sie in der Gegenwart ungewohnter visueller Vornehmheit geraten sind. Hier gibt es nichts zu kaufen. Hier muss man niemanden bezahlen! Hier kann man vielleicht, wenn man Glück hat und sich Parzinger das mit seiner eigensinnigen ethnologischen Kolonialgeschichte noch einmal überlegt, auch irgendwann einmal ganz große Kunst anschauen. Und ich müsste nicht ständig darüber nachdenken, ob ich ein IPhone brauche.
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