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Fassungslos

Tut mir leid wegen des harten Themenwechsels, aber mir ist gerade eine Meldung über weibliche Genitalbeschneidung untergekommen. In Wien wurde eine Umfrage unter Gynäkolog/inn/en, Kinderärzt/inn/en und Hebammen durchgeführt, um deren Kenntnisse über und Erfahrungen mit „Female Genital Mutilation“ (FGM) zu erfragen. 54 Prozent der Befragten hatten schon einmal mit Betroffenen zu tun.

Was bei diesem ohnehin schon unglaublichen Thema aber so richtig fassungslos macht, ist folgender Absatz:

62 Prozent der Patientinnen hätten auf Grund ihrer Beschneidung medizinische Komplikationen zu beklagen. Dennoch gaben elf Prozent der FGM-Betroffenen gegenüber Arzt oder Hebamme an, auch ihre Tochter beschneiden lassen zu wollen.

Der ganze Artikel steht hier.

 

„Man unterstützt ja nur die armen Kinder!“

Hier ist ein (schon etwas älterer) Bericht über einen verdeckten Ermittler, der in Kambodscha versucht, Kinderbordelle auszuheben.

Wäre ich Flugbegleiterin auf einem der einschlägigen Bumsbomber nach Kambodscha oder Thailand – ich glaube, mir würde bei männlichen Einzelreisenden verdammt oft der Tomatensaft aus der Hand rutschen.

 

Iiih, wie sehen Sie denn da unten aus!

Vor kurzem trudelte folgende Pressemitteilung bei uns ein. Genießen Sie die erst mal: (Hervorhebungen von mir.)

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WEIBLICHER INTIMBEREICH: FÜR ÄSTHETISCH-PLASTISCHE CHIRURGIE KEIN TABU
Schonende und schmerzlose Eingriffe helfen bei Scheidenanomalien

Nahezu jeder Körperteil stand in den letzten Jahren im Fokus der Medienberichterstattung über die Schönheitschirurgie. Ausgenommen: Ästhetische Eingriffe im weiblichen Intimbereich. Ein Tabu, das nach Ansicht des Vorstandsmitglieds der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC) Dr. Hermann Solz nicht mehr zeitgemäß ist.

„Keiner kann sich den Leidensdruck von Frauen vorstellen, deren Genital nicht so gestaltet ist, wie es natürlich wäre“, sagt Dr. Hermann Solz, Facharzt für Plastische Chirurgie. „Dazu gehören Frauen, die beispielsweise unter angeborenen oder erworbenen Veränderungen ihrer Schamlippen oder ihres Schamhügels leiden. Solche Anomalien gehen häufig mit sehr großen seelischen und körperlichen Belastungen einher.“ Für diese Frauen ist es kaum möglich, lange zu sitzen, Fahrrad zu fahren, zu reiten oder enge Kleidung zu tragen, ohne dass Schmerzen oder unangenehme Entzündungen aufträten.

Aber auch Lifestyle bedingte Handicaps entsprechender Genitalanomalien lassen die Nachfrage nach den so genannten Intim-OPs in Deutschland aktuell empor schnellen. „Die Gründe dafür liegen u.a. in der fast schon selbstverständlichen Intimrasur bei jungen Frauen oder im gemeinsamen Sporterlebnis in öffentlichen Fitnessclubs. So kommen z.B. immer mehr Frauen mit einer Schamlippen-Asymmetrie – d.h. bei ihnen ist eine Schamlippe weitaus größer als die andere – aus ästhetischen Gründen zu mir, um einen Korrektureingriff vornehmen zu lassen“, sagt Frau Dr. Regina Wagner, Fachärztin für Plastische Chirurgie aus Hamburg. „Diese Frauen sind einfach nicht mehr bereit, durch diese Veränderungen Nachteile in Kauf zu nehmen oder sich auf Dauer mit neugierigen Blicken abzufinden.“

Bei der Verkleinerung der inneren oder äußeren Schamlippen handelt es sich um einen Eingriff, der mit Hilfe eines Skalpells, eines CO2-Lasers oder der Radiowellenchirurgie und ambulant unter örtlicher Betäubung, d.h. schmerzfrei durchgeführt wird. Die Narben sind nach der Heilphase kaum sichtbar.

„Wie bei allen ästhetisch-plastischen Eingriffen sollten entsprechende Korrekturen des weiblichen Intimbereichs aber ausschließlich von Ärzten mit entsprechender Fachkompetenz und Erfahrung durchgeführt werden, damit die Funktionalität und Sensibilität des Intimbereichs nicht beeinträchtigt wird“, sagt DGÄPC Vorstandsmitglied Dr. Hermann Solz.
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Wow.

Lassen Sie uns das der Reihe nach durchgehen:
„Tabu“: Die abgegriffenste Methode, um sich interessant zu machen. Man erfindet ein Tabu, das man dann heldenhaft enttabuisieren kann.

„… nicht so gestaltet, wie es natürlich wäre“: Hallo? Wenn es an einem Menschen dran hängt, ist es natürlich. Erst wenn man mittels CO2-Lasern dran herumschnipselt, wird es unnatürlich, weil vom Menschen manipuliert.

„eine Schamlippe weitaus größer als die andere“: Definiere „weitaus“. Mädchen (und Buben) lernen bei Dr. Sommer bereits in der ersten Lektion eine der wichtigsten Grundregeln über den Menschen: Kaum einer ist perfekt symmetrisch, jeder sieht anders aus, der eine Schniedel biegt sich nach rechts, die andere Brust hängt etwas mehr nach links. NA UND? Erst wenn der Schniedel so stark gebogen ist, dass er nicht mehr reingeht, ist vermutlich Handlungsbedarf gegeben. Oder wenn eine Frau ständig auf ihre rechte Schamlippe tritt.

„Nachteile“: Welche Nachteile hat eine Frau durch ungleich große Labien? Weniger Gehalt? Kriegt im Supermarkt immer nur die abgelaufene Milch? Muss im Fitnessstudio Entschädigungszuschlag zahlen, weil die anderen Frauen sie unter der Dusche ansehen müssen? All die „Nachteile“, die hier insinuiert werden, sind zu 90 % lächerlich:

Keine enge Kleidung: Frauen tragen nicht einmal bestimmte Kleidungsstücke, nur weil die ihren Oberkörper zu lang/ihren Busen zu groß/ihre Augen zu eng beieinander stehend erscheinen lassen. Da werden sie es wohl über sich bringen, einfach keine engen Hosen anzuziehen, wenn da ständig was zwickt.

Mit anderen duschen: Ich weiß ja nicht, in welcher Position Frau Dr. Wagner duscht – aber in meinem Fitnessstudio kann ich in den seltensten Fällen überhaupt Schamlippen erkennen (auch nicht bei intimrasierten Frauen), geschweige denn, ob eine größer als die andere ist.

Das einzige Argument, das eigenartigerweise in dieser Aussendung nicht einmal angedeutet wurde, ist der Sex. Dass Frauen Angst haben könnten, wie ihr „da unten“ einem Mann gefällt. Immerhin. Abgesehen davon, dass es sogar ausgesprochene Liebhaber großer/ungleicher Labien gibt (entsprechende Links auf Anfrage) und dass es sogar Frauen gibt, die ihre Labien mit Gewichten extra in die Länge ziehen (und zwar in eine Länge, wo das Fahrradproblem wirklich langsam eines wird), ist es doch so: Die wenigsten Männer werden sich durch einen weiblichen Genitalbereich, der nicht dem Schönheitschirurgen-Ideal entspricht, irritieren lassen. Und wenn doch, dann haben sie das Problem, nicht die Frau.

Ja, natürlich gibt es „Anomalien“, die solche Beschwerden bereiten, dass sie korrigiert werden sollten. Ich vermute allerdings stark, dass die Anzahl der betroffenen Frauen um ein Vielfaches geringer ist, als die DGÄPC hier weiszumachen versucht.

In Wirklichkeit geht es doch darum, die potenziellen Unsicherheiten, die zweifellos bei manchen Frauen vorhanden sind, zu einem neuen Marktsegment zu machen, und das unter dem Deckmäntelchen, doch nur „den Leidensdruck“, die „großen seelischen und körperlichen Belastungen“ mindern zu wollen. Das ist so hinterrücks-fies, dass es sprachlos macht.

Die besten ästhetisch-plastischen Chirurgen sind die, die sich selbst um einen Großteil ihrer Jobs bringen. Und einfach sagen: „Das sieht alles völlig normal aus. Lassen Sie den Schwachsinn.“

 

Zwangshormone für schwule Araber

CNN berichtet gerade, dass in den Vereinigten Arabischen Emiraten einige Schwule, die vor einigen Tagen bei einer Party festgenommen wurde, einer zwangsweisen Hormonbehandlung unterzogen werden. Sie waren bei einer Hochzeitsfeier in Damenkleidung und mit Make-Up angetroffen worden. „Dieses Verhalten ist in unserer Gesellschaft unmoralisch“, wird ein Colonel Najm al-Sayar von Reuters zitiert, weshalb man sich dieser „Sache“ annehmen müsse.

Was soll man da noch sagen?

 

Flittchen-Nachtrag

Eine passende Ergänzung zu vorgestern: Die „Times“ schreibt just heute, am Tag 1 des neuen 24-Stunden-Trinkvergnügens in Großbritannien, über ein Gerichtsverfahren, in dem eine Frau einem Kommilitonen vorwarf, sie vergewaltigt zu haben, als sie sturzbesoffen war.

Das Gericht urteilte zugunsten des Kommilitonen, mit der Begründung „drunken consent is still consent“. („Betrunkene Zustimmung ist trotzdem Zustimmung.“)

Niemand von uns war dabei, weshalb sich hier wohl auch niemand ein Urteil über den Ausgang des Verfahrens erlauben sollte.

Ich bin nur bei der Aussage der Frau hängengeblieben, dass sie (in nüchternem Zustand) nie mit diesem Mann ins Bett gehen hätte wollen. Und frage mich: Was treibt einen Mann an, Sex mit einer Frau zu haben (bzw. haben zu wollen), von der er weiß, dass sie nicht auf ihn steht? Verzweiflung? Ein Gefühl der Macht? Letzteres wäre allerdings schon wieder ein Grenzfall.

Und jajaja, natürlich kann es auch so gewesen sein, dass sie miteinander Spaß hatten und er dachte, na!, heute will sie mal ausnahmsweise, wie nett! Nur, ist es nicht so, dass sich eine Frau, die versucht, den Mann aufzureißen, auf den sie steht (im allgemeinen!) bis zuletzt denkt: „Will er wirklich mit mir? Will er wirklich mit mir? Will er wirklich mit mir?“? Ein Mann hingegen: „Die will ja eh. Die will ja eh. Die will ja eh.“?

Irgendwie hinterlässt dieses Urteil einen blöden Nachgeschmack. Wie schreibt die „Times“? Women who are raped while drunk face losing the chance to bring their attackers to justice after a legal ruling on the eve of new licensing laws.

 

Flittchen sind selber schuld

Amnesty International Großbritannien hat eine Umfrage in Auftrag gegeben, die zeigen sollte, wie sehr eine Frau für „selbst schuld“ befunden wird, wenn sie einer Vergewaltigung zum Opfer fällt. (Oder sollte man in diesem Falle sagen, „wenn sie sich vergewaltigen lässt“?)

Ein paar Zahlen gefällig?

Die Frau hat nicht klar genug „Nein“ gesagt:
29 % der Befragten glauben, dass sie dadurch zum Teil selbst schuld an der Vergewaltigung ist („partially responsible“)
8 % glauben, dass sie dadurch gänzlich verantwortlich ist („totally responsible“)

Die Frau verhielt sich „flirtig“:
28 %: teilweise selbst schuld
6 %: komplett selbst schuld

Die Frau ist betrunken:
26 %: teilweise selbst schuld
4 %: komplett selbst schuld

Die Frau trägt sexy/offenherzige Kleidung:
20 %: teilweise selbst schuld (22 % der Männer, 17 % der Frauen)
6 %: komplett selbst schuld

Die Frau ist bekannt dafür, schon mehrere Sexualpartner gehabt zu haben:
14 %: teilweise selbst schuld
8 %: komplett selbst schuld

Die Frau geht allein durch durch eine verlassene oder gefährliche Gegend:
17 %: teilweise selbst schuld
5 %: komplett selbst schuld

Wie der „Guardian“ ergänzt, halten mehr Frauen als Männer (5 % im Vergleich zu 3 %) eine betrunkene Frau für komplett selbst schuld, wenn sie vergewaltigt wird.

Ich gehe mal kurz kotzen und frage mich danach weiter, wie die Zahlen hierzulande wohl aussehen würden.