Fazit Spanien hat eine titelreife Arbeitsprobe abgegeben. Technisch den Deutschen klar überlegen, taktisch auf alles vorbereitet, sehr aktiv und selbstbewusst, abwehrstark. Busquets, Alonso und Xavi waren die Herrscher des Mittelfelds, Iniesta war nur schwer zu bremsen, nicht mal von Lahm. Fast neunzig Minuten haben sie die Deutschen unter Druck gesetzt und ihr Spiel durchgesetzt, den Ball monopolisiert. Einziger Kritikpunkt: zu wenig Ertrag aus der Überlegenheit, den Ball und die Chance zur Entscheidung gegen Ende leichtsinnig hergegeben.
Deutschland zu passiv, ängstlich, nervös, defensiv. Zwar gut verteidigt, aber das Offensivspiel litt unter unpräzisen Pässen, Ballverlusten im Spielaufbau. Konter wurden in den Sand gesetzt. Ein deutlicher Leistungsabfall gegenüber den beiden vorangegangenen Spielen in der K.o.-Runde. Spanien hingegen mit einer klaren Steigerung.
Die bessere Mannschaft hat gewonnen, und dennoch war die Niederlage nicht zwingend. Ein Gegentor nach einer Ecke, zu einer Zeit, als Deutschland sich gerade vom Druck befreit zu haben schien.
Löw ist für ein sehr gutes Turnier verantwortlich, aber die Meisterprüfung Spanien muss er wiederholen (und wird es hoffentlich versuchen). Spanien hat wie vor zwei Jahren das deutsche Team in die Schranken verwiesen, da ist Löw allenfalls ein Stückchen nähergerückt.
Ein extrem faires Spiel. Keine Gelbe Karte. Über die zwei diskutablen Entscheidungen (Foul an Özil in der ersten Halbzeit? Foul an Schweinsteiger in der zweiten?) diskutiert in Deutschland niemand. Gute Verlierer. Schade halt, dass Müller gefehlt hat.
Was macht eigentlich Michael Ballack?
Endstand Deutschland – Spanien 0:1 Deutschland ist raus. Spanien gewinnt verdient. Viele Parallelen zum EM-Finale 2008.
88′ Die gute alte deutsche Brechstange ist ausgepackt, aber die Deutschen haben es verlernt, sie einzusetzen.
85′ Spanien postiert bei deutschen Angriffen die Armada vor dem Strafraum.
82′ Ob das bestraft wird? Pedro vertendelt eine Konterchance, geht ins Dribbling, statt auf den freien Torres zu spielen.
81′ Gomez für Khedira, Torres für Villa.
73′ Tor für Spanien 1:0 Puyol Eine Ecke bringt Spanien in Führung. Xavi schlägt sie, Piqué blockt Khedira, und Puyol rammt den Ball aus neun Metern rein.
72′ Iniesta setzt sich gegen Lahm durch, aber Schweinsteiger ist da.
69′ Bester Angriff der Deutschen im Spiel: Özil, Jansen und Podolski kombinieren sich auf links gut durch. Podolskis Flanke erreicht Kroos am langen Pfosten, der sich zum Vollspann aber nicht entschließen kann. Seinen Volleyschieber kann Casillas parieren. Ein Signal? Ein Mutmacher.
65′ Zwischenstand in der Löwschen Meisterprüfung: zu verhalten, muss mehr aus sich heraus kommen, aber noch im Spiel. Können seine Wechsel etwas bewirken? Ein Fach, in dem er bislang noch nicht überzeugt hat.
62′ Kroos kommt für Trochowski, der wenig Spuren hinterlassen hat.
58′ Doppelchance für Spanien: Pedro prüft Neuer, den Abpraller kann Mertesacker nicht klären, und Iniesta kann den Ball aufnahmen, dessen Querpass Villa nicht erreicht. Geht nicht mehr lange gut.
52′ Offensiver Wechsel: Jansen, eher Mittelfeldspieler, kommt für Boateng auf der linken Abwehrseite. Jansen war auch im EM-Finale ein guter Wechsel.
50′ Die Einschläge aus der zweiten Reihe von Xabi Alonso kommen näher.
47′ Pedro gegen Friedrich – ein anatomisch ungleiches, wenn nicht sogar unfaires Duell am Ball.
21:29 Der englische Ex-Schiedsrichter Graham Poll twittert zur Özil-Szene: Foul und Rot für Ramos, aber außerhalb.
Halbzeit 0:0 Das sieht ein bisschen aus wie das EM-Finale. Spanien drückt sein Spiel durch, die Deutschen klar unterlegen, zumindest anfangs. Zwar verdichten sie das Zentrum, sind dagegen auf den Außen löchrig. Dazu viele Ballverluste im Mittelfeld und in der Abwehr. Es sind also doch Per Mertesacker und Arne Friedrich, die da in der deutschen Innenverteidigung spielen. Wir vermuteten bereits eine Maskerade.
Das Spiel hat phasenweise Null Tempo, da beide Teams sehr vorsichtig sind, möglichst viele Spieler hinter dem Ball versammeln wollen, Konter vermeiden. Alonso und Busquets sind die Herrscher des Mittelfelds.
Offensichtlich hat Löw seinen Jungs aufgetragen, die Spanier zum Pressing zu locken. Neuer beispielsweise passt fast jeden Ball auf den sehr tief stehenden Lahm, statt, wie sonst, abzuschlagen. Das geht fast immer schief, bis auf die Aktion zum Schluss, die Özil auf den Weg schickt.
45+1′ Beste Szene der Deutschen. Sie überwinden die erste spanische Defensivreihe, Klose passt auf Özil, der in den Strafraum eindringt. Ramos läuft ihm in die Hacken, eher ungestüm als absichtlich. Zu wenig für einen Elfmeter? Özil hätte meinem Empfinden nach nicht fallen lassen müssen. Beim nächsten Mal gibt er einen.
42′ Der Freistoßtrick von Xavi war schriftlich angekündigt, den hat ja sogar Podolski durchschaut.
39′ Die deutsche Elf nach wie vor sehr ungenau, kommen aber zu längeren Ballstafetten bis in die gegnerische Hälfte. Aber noch ohne Gefahr zu verbreiten.
32′ Das nennen wir in Blankenese einen Gewaltroller, doch Trochowskis Linksschuss ist Deutschlands beste Chance. Casillas lenkt zur Ecke.
27′ Spanien dominiert weiterhin klar. Beide Teams mit Respekt voreinander, wollen hohes Tempo vermeiden. Aber die Spanier sind stilsicherer, können offensiver werden, ohne in Gefahr zu raten. Lassen sich nicht auskontern. So sah sich Klose eben im Strafraum fünf Abwehrspielern gegenüber.
20′ Was ich hier und da vor dem Spiel gehört (und gesagt) habe: Wer das erste Tor schießt, gewinnt das Spiel.
13′ Puyol, Spaniens Giftzwerg in der Abwehr, hechtet in eine Iniesta-Flanke und katapultiert den Ball mit dem Kopf in den 2. Rang.
11′ Bisher gehört das Spiel den Spaniern. Dominant im Ballbesitz. Die Deutschen stehen sehr weit hinten, greifen extrem spät an. Große Probleme im Aufbauspiel. Man kann den kalten Schweiß der jungen deutschen Elf fast riechen.
6′ Neuer wird gleich gebraucht, als Pedro den Ball auf Villa durchsteckt und zum Schuss kommt.
4′ Dachte erst, was ist das nun wieder für ein genialer Schachzug Löws? Abwehr hinter der Abwehr? Aber es war nur ein Flitzer.
1′ Spiel beginnt mit einer Neuerkerze.
Letzte Vorbemerkung: Ich gebe wenig auf Prognosen von Journalisten und anderen Wirbellosen.
Aufstellungen
Deutschland Neuer – Lahm, Mertesacker, Friedrich, Boateng – Schweinsteiger, Khedira – Trochowski, Özil, Podolski – Klose
Spanien Casillas – Ramos, Pique, Puyol, Capdevilla – Alonso, Busquets – Iniesta, Xavi, Pedro – Villa
Damit dürfte Iniesta auf Boateng treffen. Das heißt: Luft anhalten!
Live Blogs auch auf allesaussersport und von Jens Weinreich. Wo noch?
20:15 Der Sportschuhforscher @drbieber (Sneaker Story) findet, der Özil-Spot hat einen Haken.
20:10 Blick zur Seite: Auf den Tag genau vor fünfundzwanzig Jahren war ein wichtiger Tag der deutschen Sportgeschichte. Wo warst Du, als Boris Becker erstmals Wimbledon gewann?
19:55 Nike hat ja bei der Auswahl der Testimonials, nun ja, bei dieser WM nicht so viel Glück gehabt. Jetzt versuchen sie auch noch, Özil aus dem Turnier zu nehmen. Hier die Langversion des Spots, der gerade auf der ARD zu sehen war:
Das nenne ich mal eine Korrektur, eine Korrektur des Nike-Spots vor der WM. Tausche einen Özil gegen einen Ronaldo, einen Rooney, einen Ronaldinho und einen Cannavaro. Mein Kollege hält Özil für einen Nachfahren von Hans Rosenthal.
19:40 Trochowski, Bild wusste es wieder mal vorher, kommt für den gesperrten Müller. Bei Trochowski verdrehen manche die Augen, weil er den Ball zu lange hält. Aber Löws Entscheidungen haben bei dieser WM so gesessen, dass die Skeptiker allenfalls ein wenig die Augen verdrehen. Der Mann hat sich Vertrauen erarbeitet.
Aber wie schade, dass Müller nicht dabei ist. Ach, ist der gut! Die FAZ hat ihn heute mit Beckenbauer 66 verglichen, als der 20-Jährige zum Star wurde. Sollte Deutschland weiterhin gewinnen, werden weitere historische Analogien gezogen werden. Ich hab auch schon eine parat.
Für Spanien stürmt Pedro, der formschwache Torres bleibt draußen. „Dann haben wir ja eine Chance“, sagt mir gerade mein ehemaliger spanischer Mitbewohner am Telefon.
19:15 Es ist die Demut, die Joachim Löw auszeichnet. Die Demut gegenüber der Konkurrenz, etwa der aus Spanien. Löw nennt Spanien als sein Vorbild. Wann hat es das in dieser Form gegeben, dass ein deutscher Trainer sich derart an einem ausländischen Leitbild orientiert?
Heute findet, in einer Hinsicht, Löws wichtigstes Spiel der WM statt (ein mögliches Finale eingeschlossen): Vor zwei Jahren verlor sein Team im Wiener EM-Finale gegen Spanien. Im Ergebnis knapp, 0:1, in der Spielanlage chancenlos. Den Spaniern gelang es grandios, den Ball vor den Deutschen zu verstecken. Sie spielten mit Ballack, Schweinsteiger und Frings Blindekuh. „Heiß, Schweini, heiß … jetzt wieder kalt, kälter, Ballack … warm, wärmer, Frings …, fast hättest Du ihn gehabt.“ Ein paar Szenen von damals:
Frings und Ballack sind nicht mehr, Schweini auch nicht. Mit spanischem Blindekuh ist heute nicht zu rechnen. Löw hat in den zwei zurückliegenden Jahren seine Mannschaft auf ein neues Niveau gehievt, er hat sie hispanisiert. Getrieben vom Ehrgeiz, diesem überlegenen spanischen Gegner gewachsen zu sein. Er hat seinen Leuten Spiel ohne Ball, Raumaufteilung und Ballkontrolle beigebracht, dazu taktisches Gespür und den Blick für den richtigen Moment für den Steilpass.
Auf die beiden Mittelfeldreihen wird es heute besonders ankommen. Die deutsche um Schweinsteiger, Khedira, Özil und Podolski gilt ihren Widersachern Xabi, Iniesta, Xabi Alonso und Busquets inzwischen als ebenbürtig. Vermutlich wird es darauf hinauslaufen, dass die Dominanz während des Spiels wechselt.
Bei Löws Meisterprüfung treffen die zwei besten Mannschaften des Turniers aufeinander. Die Holländer sollten es mir nachsehen, sie werden ja am Sonntag die Chance haben, dieses Urteil zu revidieren. (Ich sag übrigens Holland, weil es so ein schönes Wort ist. Das amtlich korrekte Niederlande sag ich erst, wenn die Meisjes und Jongens in Oranje ihr wunderschönes Lied ändern in „Hup, Nederlande, hup!“)
Wir bloggen ab sofort live. Und freuen uns auf Ihre Kommentare und Anregungen.