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Der direkte Vergleich ist gar nicht so leicht

 

Ab Donnerstag, ab dem Viertelfinale, beginnt das K.o.-System. Da sind die Regeln einfach: Es wird solange gespielt, verlängert und geelfmetert, bis einer heult.

Bis dahin müssen wir noch ein paar mathematische Klimmzüge vollziehen. Am letzten Spieltag der Gruppenphase könnte die Tabelle Kapriolen schlagen, denn es zählte gegebenenfalls der direkte Vergleich. Das hieße, wären die Mannschaften A und B punktgleich, platzierte sich diejenige besser, die das direkte Duell gewönne.

So weit, so einfach.

Kompliziert würde es werden, wenn A, B und C punktgleich wären. Diese Konstellation ist in zwei Gruppen gar nicht unwahrscheinlich, unter anderem der deutschen. Dann gälte nämlich: Es zählten nur die drei Spiele A gegen B, A gegen C und B gegen C. Anders ausgedrückt: Aus der Tabelle würden die Spiele von D gestrichen. Schauen wir uns die möglichen Beispiele an.

Gruppe B

Verlöre Deutschland gegen Dänemark und gewönne Portugal gegen Holland, hätten Deutschland, Dänemark und Portugal je sechs Punkte. Dann würde, sorry liebe Nachbarn, Holland gestrichen. Gleichzeitig käme es auf die Höhe der deutschen Niederlage an. Klar wäre der Fall, fiele sie höher aus als mit einem Tor Unterschied (sagen wir 0:2), dann wäre Deutschland raus, denn dann hätte das DFB-Team ein negatives Torverhältnis (1:0 gegen Portugal, 0:2 gegen Dänemark, machte 1:2), die Portugiesen ein ausgeglichenes (0:1 gegen Deutschland, 3:2 gegen Dänemark, machte 3:3) und die Dänen ein positives (2:3 gegen Portugal und 2:0 gegen Deutschland, machte 4:3).

Es ginge aber noch diffiziler: Gewönnen die Dänen mit einem Tor gegen die Deutschen, hätten alle drei Mannschaften zusätzlich zur Punktgleichheit ein ausgeglichenes Torverhältnis. Dann zählten die geschossenen Tore. Dänemark wäre dabei auf jeden Fall fein raus, denn die zwei Tore aus der Portugal-Niederlage wären Gold wert. Deutschland wäre auf jeden Fall schlechter als Dänemark. Aber nicht unbedingt schlechter als Portugal. Denn verlöre die Löw-Elf 3:4, 4:5 …, hätte Deutschland mehr Tore geschossen als Portugal.

Einen Sonderfall gäbe es: Verlöre Deutschland 2:3, wäre es exakt gleich mit Portugal. Dann gälte wiederum der direkte Vergleich zwischen diesen beiden Team, und den hat Deutschland 1:0 gewonnen.

Die deutsche Gruppe B vor dem letzten Spieltag (Quelle: Wikipedia)

Zusammengefasst, Deutschland ist weiter:

  • bei einem Sieg oder einem Unentschieden gegen Dänemark,
  • bei einer Niederlage mit einem Tor Unterschied, wenn Deutschland dabei mindestens zwei Tore schösse,
  • wenn Portugal Holland nicht schlüge.

In dieser Gruppe träte der direkte Vergleich zwischen drei Teams auch in einem anderen Fall ein, nämlich wenn Deutschland und Holland gewönnen. Dann schlösse Deutschland mit 9 Punkten als Gruppensieger ab, der Rest hätte jeweils 3 Punkte. Dann striche man Deutschland aus der Tabelle. Dänemark schiede mit 3:3 Toren (1:0 gegen Holland, 2:3 gegen Portugal) in jedem Fall aus. Holland zöge als Zweiter tatsächlich noch ins Viertelfinale ein, wenn es Portugal mit mindestens zwei Toren Unterschied schlüge. Portugal flöge raus, Dänemark ebenso.

Gruppe C

Dass die Iren vorzeitig ausgeschieden sind, ist aus musikalischen und emotionalen Gründen sehr zu bedauern. Rein rechnerisch aber ist es begrüßenswert, denn es vereinfacht die Sache in dieser Gruppe ein wenig. Gelänge den Italienern der erste Turniersieg, hätten sie fünf Punkte. Schaffte Kroatien ein Unentschieden gegen den Weltmeister Spanien, lägen auch diese beiden Teams gleichauf in der Punktzahl. Dann würde Irland aus der Tabelle gestrichen, und es blieben drei Unentschieden übrig: Spanien gegen Italien 1:1, Italien gegen Kroatien 1:1, Spanien gegen Kroatien (?). Es käme also auf die Höhe des Unentschiedens an.

Endete auch dieses Remis 1:1 aus, wären alle drei Mannschaften im direkten Vergleich identisch. Dann nähme man Irland wieder in die Tabelle rein (eigentlich eine unwürdige Rolle für Trapattoni, so als Manövriermasse). Spanien gewann 4:0, Kroatien 3:1. Italien müsste, um ins Viertelfinale einzuziehen, also seine Gewohnheit zu 1:0-Siegen ablegen, um wenigstens einen seiner Konkurrenten zu überholen.

Einigten sich Spanien und Kroatien aber 2:2, 3:3 oder höher dann könnten die Italiener so viele Gewohnheiten ablegen wie sie wollen und von Espresso auf Filterkaffee umsteigen. Es hülfe ihnen nichts. Spanien und Kroatien begleiteten sich gegenseitig ins Viertelfinale.

Die Gruppe C vor dem letzten Spieltag (Quelle: Wikipedia)

Die Kritik am Spielmodus

Angesichts dieser Rechenspiele steigt die Kritik am direkten Vergleich (der bei Weltmeisterschaften übrigens nicht gilt): Er bestraft unter Umständen den Stärkeren (Italien könnte, je nach Höhe des möglichen Unentschiedens auf dem anderen Platz, mit einem 1:0 weiterkommen oder mit einem 6:0 ausscheiden). Und er ermöglicht im schlimmsten Fall Manipulationen – oder zumindest Nichtangriffspakte. Dann, wenn beide beteiligten Mannschaften vom Spielstand profitieren.

Die Italiener haben bei der EM vor acht Jahren schlechte Erfahrungen mit der Regel gemacht, als Dänemark und Schweden im letzten Spiel 2:2 spielen mussten, um beide eine Runde weiterzuziehen. Und prompt endete das Spiel 2:2. Die Skandinavier leugneten jedes Kalkül, geschweige denn eine Absprache. Jetzt fürchtet Italien ein Déjà-vu. Dieser Nachteil des direkten Vergleichs lässt sich jedenfalls nicht abstreiten: Er verbreitet Verdacht und Argwohn.

Ergänzungen (19:30 Uhr):

In der Gruppe C könnte es zu einem weiteren Sonderfall kommen: Gewänne Italien 3:1 gegen Irland und remisierten Spanien und Kroatien 1:1, stünden Italien und Kroatien sowohl im 3er- als auch im 2er-Vergleich (sogar ganz ohne Vergleich) exakt identisch. Dann entschiede der Uefa-Koeffizient zu Gunsten Italiens.

Vuffi Raa ergänzt richtigerweise in den Kommentaren: Der Uefa-Koeffizient kann auch heute schon zum Einsatz kommen, wenn Polen zum Beispiel 3:0 gewönne und Russland 0:0 spielte. Dann wäre Russland aufgrund des Koeffizienten Gruppensieger.