Lesezeichen
 

Noch Fragen? Irgendjemand?

  • Tore durch David Silva, Jordi Alba, Fernando Torres und Juan Mata
  • Spanien schreibt Geschichte
  • Ein Blog aus Berlin und dem Finalstadion in Kiew

Die Europameister von 2012 und die Weltmeister 2030 Foto: Claudio Villa/Getty Images

Fazit Noch Fragen? Irgendjemand? Wer auch immer in den vergangenen Tagen an dieser spanischen Mannschaft herumgekrittelt hat (wir auch ein bisschen), muss hundert Mal „Ich darf nicht schlecht über die Größten reden“ auf den Rasen kreiden! Mit diesem überragenden Finale, dem ersten Triple der Fußballhistorie, gesellt sich die spanische Mannschaft zu den Besten der Geschichte. Vielleicht ist sie sogar die Beste. Aber Superlative sind ohnehin nur für die, die es nötig haben.

Man muss dieser Mannschaft einfach nur zuschauen. Sie machte aus dem Finale das beste Spiel des Turniers, was nicht oft vorkommt. Das lag vor allem an den vier Steilpässen, drei von Xavi (2:0, 3:0 und 4:0) und einer von Iniesta (1:0), die dieses Spiel entschieden. Pässe, die mehr sind als einfach nur Balltransporte von A nach B. Sie sind Kunstwerke, zum an die Wand hängen, in den Garten stellen oder was auch immer. Vier Pässe, für die viele Fußballfans auf den Knien nach Kiew pilgern würden.

Dabei machten es die Italiener den Spaniern gar nicht so leicht. Sie kamen in der ersten Halbzeit mit ihrem schnörkellosem Spiel öfter mal vors spanische Tor, wo aber das Glück fehlte, das sie gegen die deutsche Elf noch hatten. Die Entscheidung fiel recht kurios nach gut einer Stunde: Thiago Motta sollte als Einwechsler die Aufholjagd einleiten. Das ging schief. Nach wenigen Minuten holte er sich eine Muskelverletzung, musste wieder raus, Italien konnte nicht mehr wechseln und musste die letzte halbe Stunde zu zehnt weiterspielen. Und das gegen die Spanier, die ja sowieso immer irgendwie einer mehr sind.

So endet diese EM mit dem einzigen Sieger, den sie verdient hat. Die Spanier, und das muss auch Joachim Löw zuhause auf dem Sofa in Freiburg zugeben, spielen derzeit in einer anderen Liga. Und obwohl Quervergleiche ja manchmal nur für Milchmädchen sind: Die Frage, was die Spanier mit Jogis Jungs veranstaltet hätten, bleibt besser unbeantwortet.

Nach dem Spiel Feuerwerk in Kiew, Ehrenrunde der Spanier mit dem Pott. Und mit Kindern. Unser Reporter ist ganz nah dran. Tolles Bild, Steffen!

Das ist die Dings! Torres und Tochter. Foto: Steffen Dobbert

Und er leidet mit den Verlierern.

Armer Balo. Foto: Steffen Dobbert

Iker Casillas reckt den Pokal in die Höhe. Das Bild kennt man irgendwo her. Plädiere für ein Splitscreen-Verfahren mit Live-Schaltung ins Löw´sche Wohnzimmer.

Unser Kollege Oliver Fritsch ist leicht frustriert. Er möchte in seinem Sportreporterleben auch noch mal andere Sieger sehen.

 

Weiter„Noch Fragen? Irgendjemand?“

 

Das fiel Ihnen zum Balotelli-Bild ein

Was Ihnen zur martialischen Pose von Mario Balotelli nach dessen Doppelpack gegen Deutschland einfalle, hatten wir gefragt.

Foto: Leonhard Foeger/Reuters

Am Besten hat es unserer Meinung nach Hembinho getroffen (Glückwunsch, wir benachrichtigen Sie noch persönlich!).

Seine Theorie: „Super Mario“ spannte nach dem 2:0 die Muskeln für die vor ihm liegenden Aufgaben an…

Nach dem Finale reicht es nämlich nicht mehr, nur Traumtore zu schießen.
Dann steht anderes auf der To-Do-Liste: Saurier reiten beispielsweise, Prinzessinnen retten – und dabei immer freundlich in die Kamera winken.

Foto: Robyn Beck/AFP/GettyImages

 

Was fällt Ihnen zu diesem Bild ein?

Halbfinale, Hahnenkamm – 2:0 Italien noch vor der Halbzeit. Und Mario Balotelli ließ seinem unhaltbaren Schuss eine unnachahmliche Pose folgen.

Hatte er noch was dazu zu sagen? Oder Teamkollege Claudio Marchisio? Oder Philipp zu Lahm?

Kurz: Was fällt Ihnen zu diesem Bild ein, liebe Leser?

Foto: Leonhard Foeger/Reuters

Der Verfasser des originellsten Beitrags gewinnt ein Fußball-Buch. Dessen Auswahl erfolgt völlig willkürlich. Den Rechtsweg können Sie sich daher schenken.

Nachtrag, Samstag, 14.45 Uhr: Da ist ja Einiges zusammenkommen. Viele lustige, kreative Kommentare – und leider auch viele rassistische Dummheiten, die wir umgehend gelöscht haben. Enttäuschend, peinlich, traurig, dass sich das mit der Unantastbarkeit der Menschenwürde noch immer nicht herumgesprochen hat. Ich suche jetzt mal einen Gewinner, der in einem neuen Blogbeitrag bekanntgegeben wird.

 

Deutschland – Italien 1:2

  • Deutschland scheitert im EM-Halbfinale an Italien
  • Zwei Tore durch Balotelli
  • Wie weiter?

Kein schöner Schland (Foto: Joern Pollex/Getty Images)

Fazit

Das war’s dann. Die schwarz-rot-goldenen Perücken, Hawaiiketten und Autospiegelflaggen landen wieder auf dem Dachboden, für zwei Jahre zumindest. Die deutsche Nationalelf ist ausgeschieden, wieder Halbfinale, wieder Italien, wieder kein Titel, wieder Tränen.

Und jetzt wieder viel Gerede. Woran lag es? An Löw? Am Rasen? An Waldi? Reinhold Beckmann und Mehmet Scholl, die dieses Aus erklären mussten, versuchten es in der Nacht schon einmal. Beide waren sich uneinig, und das ist noch harmlos formuliert. Beckmann stellte sofort alles infrage. Ob die Mannschaft zu selbstgefällig sei, ob es mit flachen Hierarchien nie mit dem Titel klappt, solche Sachen. Scholl war davon genervt, wurde richtig pampig. An diesem Tag wurden Fehler gemacht, klar, aber das große Ganze ist schon okay, sagte er sinngemäß. So ähnlich wird in den nächsten Tagen überall diskutiert werden. An den Stammtischen, im Büro, in der Otto-Fleck-Schneise.

Vielleicht muss Joachim Löw dieses Spiel wirklich auf seine Kappe nehmen. Wie im Viertelfinale gegen Griechenland brachte er mit Gomez, Kroos und Podolski überraschend drei Neue. Der Unterschied: Heute spielten alle schlecht. Die Gegentore fielen aber nach individuellen Fehlern. Beim ersten Tor spielte Cassano mit Hummels Brummkreisel, seine Flanke köpfte Balotelli ein. Beim zweiten Tor schätzen Podolski und Lahm einen langen italienischen Ball falsch ein, wieder traf der geschmähte Balotelli.

Löw korrigierte seine Fehler in der Halbzeitpause, zehn, fünfzehn Minuten sah es nach einem Wunder von Warschau aus. Dann wechselte Prandelli, der auch schon mal das ein oder andere Taktikseminar besucht hat. Die Italiener hätten nach Kontern daraufhin das 3:0, 4:0. 5:0, sogar das 6:0 machen können, wären sie nicht ausgerutscht oder hätten den Ball vorbeigestolpert. Es gab dann noch ein Elfmetertor, Özils einziges Turniertor. Aber das war’s.

Eins noch: Gratulation, Italien. Habt einen schönen italienischen Sommer. Aber zieht Euch irgendwann wieder was über.

Weiter„Deutschland – Italien 1:2“

 

Spanien schlägt Portugal 4:2 n.E.

  • 0:0 nach 120 Minuten, es gab Elfmeterschießen
  • Bruno Alves verschießt knapp
  • Cesc Fabregas verwandelt knapp
  • Die Spanier sind noch hungrig, aber schlagbar

Rekordhalter: Casillas gewinnt sein 100. Länderspiel (von 136) (Bild: Alex Livesey/Getty)

Fazit

Am Ende waren es Zentimeter: Nachdem sowohl Xabi Alonso als auch Moutinho im Elfmeterschießen vergaben, legte sich Bruno Alves den Ball zurecht. Es stand 2:2. Der wuchtige Verteidiger lief an, zielte etwas zu genau und traf nur die Latte, der Ball sprang zurück ins Feld. Es lag nun in den Füßen von Cesc Fabregas, auch er lief an, traf nur den Pfosten – doch der Ball sprang ins Tor. Es war alles sehr knapp, an diesem EM-Halbfinaltag. „Ungerecht“, brabbelte Ronaldo daraufhin und blickte in den Nachthimmel von Donezk.

Zumindest ansatzweise kann man ihn verstehen. Die Portugiesen attackierten früh und aggressiv, unterbrachen so die Ballstaffetten der Spanier und spielten selbst mutig nach vorne. Man könnte sagen: Genau so knackt man die Spanier, wenn man sich eben nicht hinten rein stellen möchte. Das Problem: Sie kamen trotz aller Mühen ebenso selten vor das Tor wie die Spanier.

So vielversprechend der Anfang, so ernüchternd war die zweite Halbzeit. Die Spanier machten es jetzt besser, die Portugiesen wurden zunehmend müde. Hinten mussten Pepe und Alves mehr denn je Gegner und Rasen umpflügen, vorne versuchte es Ronaldo mit Raumgewinn durch Freistöße. Die meisten seiner Versuche gingen über das Tor. Nicht so das Spiel, das wurde immer flacher: Es war ein ausgeglichenes Geschiebe mit hoher Intensität, aber eben auch ein Geschiebe mit wenig Strafraumszenen. Kurz vor Ende der regulären Spielzeit hätte Ronaldo sich unsterblich machen können, doch er schob, genau, wieder drüber.

Die Verlängerung gehörte dem amtierenden Europameister: 6:0 Torschüsse, darunter große Chancen von Navas, Pedro und Iniesta. Am Ende waren die Portugiesen froh, sich ins Elfmeterschießen retten zu können. Über dessen Ausgang waren sie gar nicht froh. Was bleibt ist die Tatsache, dass die Spanier offenbar immer noch nicht satt aber dafür schlagbar sind – und Deutschland nun gleich zwei Revanchen vor der Brust hat.

Schluss, aus, vorbei! Spanien steht im EM-Finale!

Weiter„Spanien schlägt Portugal 4:2 n.E.“

 

„Was fällt Ihnen zu diesem Bild ein?“ – Gewinner steht fest

Nimm die Kamera runter! Foto: Laurence Griffiths/Getty Images

„Was fällt Ihnen zu diesem Bild ein?“ haben wir am Montag gefragt. Als 333 Antworten eingegangen waren, begann der Praktikant zu lesen. Aus seiner Shortlist hat die (virtuell) versammelte Sportredaktion ihren Favoriten gewählt *tusch*:

Frank, wir melden uns bei Ihnen. Sie bekommen wie versprochen ein Fußballbuch aus dem Verlag Die Werkstatt. Allen Teilnehmern sagen wir: Herzlichen Dank! @Holger Reinecke – Sie bekommen einen Fleißstempel für 29 Beiträge. Dranbleiben!

Das Neueste zur leider ernstgemeinten Aktion „Frei-BILD für alle“ steht übrigens beim Bildblog.

 

Visualisiert: Die Engländer auf Twitter

Als kurzweilige Einstimmung auf das vierte und letzte Viertelfinale zwischen England und Italien heute Abend bietet sich die Twitter-Visualisierung von Brandwatch an. Sie analysiert Tweets, die die englischen Nationalspieler betreffen und wertet anhand bestimmter Schlüsselwörter aus, ob die Stimmung diesen Spielern gegenüber positiv oder eher negativ ist. Zur Zeit sind die englischen Fans vor allem Torwart Joe Hart und Kapitän Steven Gerrard wohlgesonnen, nicht ganz so gut schaut es bei Glen Johnson und James Milner aus, der unlängst aus dem Team rutschte.

Click me, boyo!

Übrigens, ohne ein mögliches Halbfinale zwischen England und Deutschland vorwegzunehmen, gibt es das Ganze auch für die deutsche Nationalmannschaft. Hier überwiegen, wer hätte es gedacht, die positiven Tweets.

 

Nur wer seine Schönheit zeigt, wird gesehen

Olexiy ist einer der Angler. Er läuft den ganzen Tag oben ohne durch die Stadt. Er sagt, nur wer seine Schönheit zeigt, wird gesehen. Nach zwei Wochen Kiew verstehe ich das. Inzwischen schlafe ich nachts beruhigter ein, die Sache mit den Frauen in der Ukraine habe ich verarbeitet. Die Sache mit den Männern nicht.

Je länger ich hier bin, desto mehr wirkt ihre Schönheit. Viele stehen wie Olexiy nur mit Schlüpfer bekleidet auf den kilometerlangen Brücken, die den Dnjepr überspannen, ohne Sonnencreme. Modetrends sind ihnen egal. Sie angeln. Sie haben Bauch, Bart, Ecken, Kanten und fangen dicke Fische.

Ich mag es, ihnen zuzuschauen. In Berlin ist mir das noch nicht passiert. Ich bin mir sicher: Ukrainische Männer sind schöner als deutsche. Die Brisanz dieser Pauschalierung ist mir bekannt, besonders seit diesen Reaktionen, ich meine es wieder ganz subjektiv. Aber ich vermute, auch viele Frauen würden lieber mit Olexiy als mit Oliver Bierhoff einen Kaffee trinken wollen.

Thomas von Aquin hat im Mittelalter geschrieben, Schönheit sei der Glanz der Wahrheit. Ich glaube, gewisse Dinge ändern sich nie. Vielleicht ist nur etwas mehr Nacktheit dazugekommen.

Olexiy wirkt so, als ob er immer die Wahrheit sagt. Ich habe ihn nach Femen, Emanzipation und deutschen Frauen gefragt. Er ließ durchblicken, dass er deutsche Frauen und Angela Merkel mag. Und er sagte, Merkel habe die Idee mit dem Betreuungsgeld vom ukrainischen Präsidenten Janukowitsch geklaut. Das hat mich aufgewühlt. „Nicht Janukowitsch, Seehofer!“, sagte ich. Olexiy kennt Seehofer nicht.

Ich wollte Olexiys gefangene Fische in den Dnejpr schmeißen, um zu zeigen, wie unsinnig das Betreuungsgeld ist. Die Idee, Eltern mit Geld zu motivieren, ihre Kinder nicht in einen Kindergarten zu bringen, gefällt mir nicht. Er sagte: „Egal! Hauptsache die Leute bekommen Geld.“

In der Ukraine bekommen Eltern nach der Geburt ihres ersten Kindes 28.830 Griwna. Das sind etwa 2.883 Euro, 800 Euro gibt es sofort, der Rest wird auf zwölf Monate verteilt – egal, ob die Kinder in eine Kita gehen oder nicht. Was Olexiys für ukrainisches Betreuungsgeld hält, ist also so etwas wie das deutsche Kindergeld.

Olexiy sagt, Janukowitsch habe dieses Kindergeld vor einigen Monaten erhöht. Es soll helfen, dass seine Partei die Wahl im Oktober gewinnt. Angela Merkel will das deutsche Betreuungsgeld noch vor der Wahl im kommenden Jahr einführen. Ich denke, sie wird ihre Wahl verlieren – wegen des Betreuungsgeldes. Janukowitsch wird gewinnen – im Zweifel weil er das Ergebnis manipuliert. Olexiy wird das egal sein. Er sagt, den Fischen ist es gleich, wer sie fängt.

 

Dänemark gegen Deutschland 1:2

  • Deutschland steht im Viertelfinale gegen Griechenland
  • Podolski trifft zum 0:1, Krohn-Dehli gleicht aus, Bender zum 1:2
  • Portugal gewinnt 2:1 gegen die Niederlande

Man of the Match: Lukas Podolski (Bild: Eddie Keogh / Reuters)

Fazit

Bei seiner Auswechslung hat er sie wieder ausgepackt, die Gangstafaust: Lukas Podolski bedankte sich bei seinem Kapitän Philipp Lahm und machte Platz für André Schürrle. Podolskis 100. Länderspiel war eines seiner besseren in den letzten Monaten, nicht nur weil er zur Führung traf. Das war auch nötig, weil die Dänen, die unbedingt gewinnen mussten, ein unangenehmer Gegner waren. Vielleicht nicht ebenbürtig, aber kampfstark bis hin zur Unerträglichkeit. Gerade Özil und Schweinsteiger hatten sie mit teilweiser Manndeckung aus dem vergangenen Fußballjahrhundert gut im Griff – das werden vor allem die kantigen Griechen wohlwollend beobachtet haben, die im Viertelfinale warten.

Dass es in der zweiten Halbzeit noch einmal richtig spannend wurde, lag nicht nur am Ausgleich der Dänen, sondern vor allem an den zeitgleich spielenden Portugiesen: Nach dem 2:1 Führungstreffer von Ronaldo nämlich hätte ein Tor der Dänen das Aus für Deutschland bedeutet. Knapp zehn Minuten lang hoher Puls bei deutschen Spielern und Fans. Auch weil es fast so schien, als hätten die Roten tatsächlich noch etwas Dynamite in der Tasche. Dann kam Lars Bender und machte mit seinem ersten Länderspieltor zehn Minuten vor Schluss alles klar. Überhaupt, Lars Bender! Ganze 16 Minuten außenverteidigte er in seiner kurzen Profikarriere zuvor, dafür machte er seine Sache erstaunlich gut. So gut, dass Boateng bald wieder Zeit für Gina-Lisa haben könnte.

Was vom Spieltag übrig bleibt: Mit drei Siegen aus drei Spielen ist Deutschland die beste Mannschaft dieser Vorrunde. Das gab es lange nicht mehr. Im Viertelfinale warten nun die Griechen, was, zumindest politisch gesehen, eine gewisse Brisanz hat. Sportlich wohl weniger, aber wer weiß. Spätestens nach 2004 sollte die blauweißen Ergebnisminimalisten niemand unterschätzen.

Hier noch der EM-Tweet dieses Spiels, der es in seiner vollen Pracht in unseren nicht minder prächtigen Spielplan geschafft hat. Bei @LenaArnoldt vermuten wir eine frühere Ausbildung zur Physiotherapeutin:


Unser Mann in Kiew ist ebenfalls satt und zufrieden und schreibt:

Lecker Borschtsch

In der Ostukraine ist die Sonne untergegangen. Die Borschtsch ist fast fertig. Eine Köchin sagt, wenn Deutschland nicht gewonnen hätte, gäbe es nach der Suppe kein Wodka. Wenn Deutschland gar verloren hätte, hätte ich Hotdog, oder wie es in Dänemark heißt: Pölser essen gehen müssen. Danke an Joachim Löw, die deutsche Mannschaft und gute Nacht aus Kiew.

Dem schließen wir uns an.

Weiter„Dänemark gegen Deutschland 1:2“

 

Der direkte Vergleich ist gar nicht so leicht

Ab Donnerstag, ab dem Viertelfinale, beginnt das K.o.-System. Da sind die Regeln einfach: Es wird solange gespielt, verlängert und geelfmetert, bis einer heult.

Bis dahin müssen wir noch ein paar mathematische Klimmzüge vollziehen. Am letzten Spieltag der Gruppenphase könnte die Tabelle Kapriolen schlagen, denn es zählte gegebenenfalls der direkte Vergleich. Das hieße, wären die Mannschaften A und B punktgleich, platzierte sich diejenige besser, die das direkte Duell gewönne.

So weit, so einfach.

Kompliziert würde es werden, wenn A, B und C punktgleich wären. Diese Konstellation ist in zwei Gruppen gar nicht unwahrscheinlich, unter anderem der deutschen. Dann gälte nämlich: Es zählten nur die drei Spiele A gegen B, A gegen C und B gegen C. Anders ausgedrückt: Aus der Tabelle würden die Spiele von D gestrichen. Schauen wir uns die möglichen Beispiele an.

Gruppe B

Verlöre Deutschland gegen Dänemark und gewönne Portugal gegen Holland, hätten Deutschland, Dänemark und Portugal je sechs Punkte. Dann würde, sorry liebe Nachbarn, Holland gestrichen. Gleichzeitig käme es auf die Höhe der deutschen Niederlage an. Klar wäre der Fall, fiele sie höher aus als mit einem Tor Unterschied (sagen wir 0:2), dann wäre Deutschland raus, denn dann hätte das DFB-Team ein negatives Torverhältnis (1:0 gegen Portugal, 0:2 gegen Dänemark, machte 1:2), die Portugiesen ein ausgeglichenes (0:1 gegen Deutschland, 3:2 gegen Dänemark, machte 3:3) und die Dänen ein positives (2:3 gegen Portugal und 2:0 gegen Deutschland, machte 4:3).

Es ginge aber noch diffiziler: Gewönnen die Dänen mit einem Tor gegen die Deutschen, hätten alle drei Mannschaften zusätzlich zur Punktgleichheit ein ausgeglichenes Torverhältnis. Dann zählten die geschossenen Tore. Dänemark wäre dabei auf jeden Fall fein raus, denn die zwei Tore aus der Portugal-Niederlage wären Gold wert. Deutschland wäre auf jeden Fall schlechter als Dänemark. Aber nicht unbedingt schlechter als Portugal. Denn verlöre die Löw-Elf 3:4, 4:5 …, hätte Deutschland mehr Tore geschossen als Portugal.

Einen Sonderfall gäbe es: Verlöre Deutschland 2:3, wäre es exakt gleich mit Portugal. Dann gälte wiederum der direkte Vergleich zwischen diesen beiden Team, und den hat Deutschland 1:0 gewonnen.

Die deutsche Gruppe B vor dem letzten Spieltag (Quelle: Wikipedia)

Zusammengefasst, Deutschland ist weiter:

  • bei einem Sieg oder einem Unentschieden gegen Dänemark,
  • bei einer Niederlage mit einem Tor Unterschied, wenn Deutschland dabei mindestens zwei Tore schösse,
  • wenn Portugal Holland nicht schlüge.

In dieser Gruppe träte der direkte Vergleich zwischen drei Teams auch in einem anderen Fall ein, nämlich wenn Deutschland und Holland gewönnen. Dann schlösse Deutschland mit 9 Punkten als Gruppensieger ab, der Rest hätte jeweils 3 Punkte. Dann striche man Deutschland aus der Tabelle. Dänemark schiede mit 3:3 Toren (1:0 gegen Holland, 2:3 gegen Portugal) in jedem Fall aus. Holland zöge als Zweiter tatsächlich noch ins Viertelfinale ein, wenn es Portugal mit mindestens zwei Toren Unterschied schlüge. Portugal flöge raus, Dänemark ebenso.

Gruppe C

Dass die Iren vorzeitig ausgeschieden sind, ist aus musikalischen und emotionalen Gründen sehr zu bedauern. Rein rechnerisch aber ist es begrüßenswert, denn es vereinfacht die Sache in dieser Gruppe ein wenig. Gelänge den Italienern der erste Turniersieg, hätten sie fünf Punkte. Schaffte Kroatien ein Unentschieden gegen den Weltmeister Spanien, lägen auch diese beiden Teams gleichauf in der Punktzahl. Dann würde Irland aus der Tabelle gestrichen, und es blieben drei Unentschieden übrig: Spanien gegen Italien 1:1, Italien gegen Kroatien 1:1, Spanien gegen Kroatien (?). Es käme also auf die Höhe des Unentschiedens an.

Endete auch dieses Remis 1:1 aus, wären alle drei Mannschaften im direkten Vergleich identisch. Dann nähme man Irland wieder in die Tabelle rein (eigentlich eine unwürdige Rolle für Trapattoni, so als Manövriermasse). Spanien gewann 4:0, Kroatien 3:1. Italien müsste, um ins Viertelfinale einzuziehen, also seine Gewohnheit zu 1:0-Siegen ablegen, um wenigstens einen seiner Konkurrenten zu überholen.

Einigten sich Spanien und Kroatien aber 2:2, 3:3 oder höher dann könnten die Italiener so viele Gewohnheiten ablegen wie sie wollen und von Espresso auf Filterkaffee umsteigen. Es hülfe ihnen nichts. Spanien und Kroatien begleiteten sich gegenseitig ins Viertelfinale.

Die Gruppe C vor dem letzten Spieltag (Quelle: Wikipedia)

Die Kritik am Spielmodus

Angesichts dieser Rechenspiele steigt die Kritik am direkten Vergleich (der bei Weltmeisterschaften übrigens nicht gilt): Er bestraft unter Umständen den Stärkeren (Italien könnte, je nach Höhe des möglichen Unentschiedens auf dem anderen Platz, mit einem 1:0 weiterkommen oder mit einem 6:0 ausscheiden). Und er ermöglicht im schlimmsten Fall Manipulationen – oder zumindest Nichtangriffspakte. Dann, wenn beide beteiligten Mannschaften vom Spielstand profitieren.

Die Italiener haben bei der EM vor acht Jahren schlechte Erfahrungen mit der Regel gemacht, als Dänemark und Schweden im letzten Spiel 2:2 spielen mussten, um beide eine Runde weiterzuziehen. Und prompt endete das Spiel 2:2. Die Skandinavier leugneten jedes Kalkül, geschweige denn eine Absprache. Jetzt fürchtet Italien ein Déjà-vu. Dieser Nachteil des direkten Vergleichs lässt sich jedenfalls nicht abstreiten: Er verbreitet Verdacht und Argwohn.

Ergänzungen (19:30 Uhr):

In der Gruppe C könnte es zu einem weiteren Sonderfall kommen: Gewänne Italien 3:1 gegen Irland und remisierten Spanien und Kroatien 1:1, stünden Italien und Kroatien sowohl im 3er- als auch im 2er-Vergleich (sogar ganz ohne Vergleich) exakt identisch. Dann entschiede der Uefa-Koeffizient zu Gunsten Italiens.

Vuffi Raa ergänzt richtigerweise in den Kommentaren: Der Uefa-Koeffizient kann auch heute schon zum Einsatz kommen, wenn Polen zum Beispiel 3:0 gewönne und Russland 0:0 spielte. Dann wäre Russland aufgrund des Koeffizienten Gruppensieger.