Als ich am Samstagvormittag kurz vor 11 Uhr einkaufen will, wird plötzlich klar, wie wenig ich mich bisher integriert habe in meiner Nachbarschaft, hier in Adler. Brot, Eier, Saft, Tomaten, Lachs, Butter, Hack, Käse, Kartoffeln, Kekse und eine Packung mit vier Büchsen Bier liegen in meinem Korb. An der Kasse hilft die Kassiererin, die zusammengeklebte Öffnung der Plastiktüte zu finden. Ich packe ein, suche meine Rubel. Dann verweigert sie mir das Bier.
Ich gehe nicht ohne mein Bier, sage ich. Sie sagt auch etwas und gibt das Viererpack nicht aus der Hand. Wir streiten uns, mein Russisch ist so gut wie ihr Englisch. Keiner der anderen Leute im Laden hilft zu übersetzen. Ich fühle mich diskriminiert. So geht das fünf Minuten, mindestens. Als die Kassiererin auf ihre Uhr schaut und endlich mein Bier über den Scanner schiebt, ohne Worte, lächeln wir beide nicht mehr. Ich zahle, ohne Worte, und gehe.
Der Mann wankt in meine Wohnung, schnappt sich meine Kamera und zieht mich über den Hausflur hinter sich her. „Keine Angst“, lallt er noch in akzentfreiem Englisch. Barfuß laufe ich bis in seine Wohnung, wo mir sein Freund zur Begrüßung die Hand entgegenstreckt.
Beide heißen Alexej, beide sind meine Nachbarn. Auf dem großen Flachbildfernseher läuft das Eishockeymatch. Auf dem Hocker davor steht eine Playstation 3, eine Packung Tomatensaft und eine fast leere Wodkaflasche. Die beiden lümmeln sich im Ehebett, rote Rosen auf dem Bettbezug. Die Tür zum Balkon steht offen. Draußen flattert eine Russlandfahne. Der eine Alexej ist dunkelhaarig und nur halb so betrunken, wie der andere, der mir jetzt eine Kaffeetasse, halbvoll mit Wodka, reicht. Er sagt, ich solle trinken.
Der dunkelhaarige Alexej, der blonde ganz betrunkene Alexej und ich freuen uns, da wir zusammen das Spiel gucken, auf gute Nachbarschaft. Wenn ich Journalist sei, sei es Zeit, das wahre Russland kennenzulernen, sagen sie. Ich solle Bilder machen. Da schlittert der Puck über die Linie. 1:1. Der blonde Alexej haut mit der flachen Hand aufs Bett. Sein Becher Tomatensaft kippt um. Er schreit: „Fucking USA“.
Der dunkelhaarige Alexej nimmt schnell meine Hand und zieht mich aus dem Zimmer über den Flur in seine Wohnung. Seine Frau Irina lacht. Der ganz betrunkene Alexej kommt hinterher. Er hat sich einen roten Bademantel umgeworfen. Er will mehr Wodka trinken, auch hier. Irina lacht nicht mehr. Sie kocht Kaffee für uns drei.
Da sitzen wir nun. Der dunkelhaarige Alexej zeigt auf die gemauerte Wand und das verlegte Laminat, beides sehr akkurat verarbeitet. Alles ist neu und chic. Er sei LKW-Fahrer, alles sei sein Werk. Ich nicke. Der ganz betrunkene Alexej arbeitet als Arzt mit Aidskranken, verdient unglaublich viel Geld, hat drei Mal die USA bereist und wenn die Russen nicht Hitler gestürzt hätten, säßen wir jetzt nicht hier, sagt er. Wir lachen viel. Nur den Kaffee verschütten wir versehentlich ein wenig.
Zurück in der Wohnung des blonden Alexej. 2:2 steht auf der Anzeigentafel im Fernseher. Ein russischer Spieler drischt den Puck in die obere Torecke. Der blonde Alexej reißt sich den Bademantel wieder vom Leib, springt aufs Bett, Fäuste in den Himmel. Doch der amerikanische Schiedsrichter erkennt das Tor nicht an. Alexej brüllt, so laut dass es die Menschen auf dem Balkon im Haus gegenüber hören. Er haut immer wieder mit der Faust aufs Bett, steht auf, geht ins Badezimmer und kommt mit einem schwarzen Gewehr mit Fadenkreuzzielvorrichtung zurück.
Er will laden, der dunkelhaarige Alexej hält das für keine gute Idee und nimmt ihn die Waffe aus der Hand. Sie kämpfen. Nach einer Weile hält der blonde Alexej sein Gewehr wieder in der Hand. Der Dunkelhaarige schüttelt den Kopf und geht zurück zu seiner Frau. Ich sage, schau auf den Fernseher, Penaltyschießen.
„Russen verlieren nicht, nie!“, erzählt mir der blonde Alexej. Dann gewinnen die USA. Er weint. Ich laufe und hole aus meinem Kühlschrank das Viererpack Bier. Wir trinken. Er erklärt mir, die Playstation 3 und den Applecomputer habe er sich erst vor einigen Wochen gekauft, nachdem seine Frau ihn mit seinem eineinhalb Jahre alten Sohn verlassen habe. In Moskau gefalle es ihr besser, sagt er. 30.000 Rubel zahlt er nun jeden Monat. Er schimpft über seine Frau. An der Wand hängen noch Fotos von den dreien. Er schimpft auch über seinen Job. Ständig würden die Leute ihm neben seinem Gehalt Schwarzgeld anbieten.
So reden wir eine ganze Weile. Bis das Bier alle ist. Ich sage, mit Hitler habe ich nichts zu tun, und inzwischen sei ich mir sicher, dass die Russen das olympische Eishockeyturnier noch gewinnen werden. Alexej sagt, das wusste er schon lange, beides. Außerdem solle ich nicht über die Verkäuferinnen unten im Laden schimpfen. Die dürfen vor 11 Uhr keinen Alkohol verkaufen.
Sie haben sich am Samstagmorgen um 2:51 Uhr die Mühe gemacht, mir in Bezug auf einen Artikel eine private E-Mail zu schicken. Im ersten Satz ihrer Nachricht bezeugen Sie, ich sei zu emotional für einen Journalisten. Sie fordern mich auf, mein Feindbild der Russen zu überdenken. Im dritten Satz behaupten Sie, Wladimir Putin sei zu recht der mächtigste Mann der Welt.
Ich habe mich über Ihre Zeilen gefreut. Anders als viele andere mir unbekannte Menschen, die mich am Wochenende kontaktierten, halten Sie mich nicht für einen „Propagandisten“, „Russenhasser“ oder „Russlandhetzer“, zumindest schreiben sie es nicht wortwörtlich und raten mir nicht, „endlich eine russische Frau in Sotschi zu finden“.
Wissen Sie, als ich am Samstagabend in den Bergen des Kaukasus wanderte, über ihre Worte grübelte, kam ich vom rechten Weg ab. Ich sah ein wolfsähnliches Tier, rannte einige Meter, erreichte einen unbeleuchteten Tunnel und blieb im Schnee stecken. Der Kalte Krieg hat nie ein Ende gefunden, dachte ich. Deshalb halten Sie mich nach einem kritischen Kommentar über Putin für einen Freund Amerikas. Das erklärt, warum OlympicMartin mich auf Twitter beschimpft, Alexje und Dimitru mir auf Facebook drohen. Darum wissen wir vom Fuck-the-EU-Telefonat.
Oben im Kaukasus hätte es passieren können, dass ich nie wieder nach Hause gefunden hätte oder Schlimmeres, eine Falle. Womöglich wäre ich noch in einem der schrecklichen Journalisten-Hotels gelandet, in denen das WLAN nicht geht. Dann kamen zwei kräftige Russen auf mich zu.
Vassili und Andre, beide in der Bergregion rund um Sotschi aufgewachsen, Anfang 20, Angestellte des IOC. Sie zeigten mir den richtigen Pfad, nahmen mich in ihre Mitte und redeten mit mir in drei Sprachen. Kein Wolf kreuzte unseren Weg. Am Ende, nachdem wir noch aufs Finale der buckelpistenabfahrenden Frauen geschaut hatten, umarmten wir uns bei der Verabschiedung.
Schon mein Opa, der in der DDR als bester Traktorist der Landwirtschaftlichen Produktionsgemeinschaft seines Landkreises mehrmals Russland bereisen durfte, hatte mir als Kind erzählt, wie liebenswert, spontan und gesellig viele Russen sind. Und nun, lieber Edgar O., lieber OlympicMartin, kann ich es Ihnen von Herzen auch aus eigener Erfahrung schreiben: Ich hasse gar keine Russen.
Wer die russische Regierung, also Wladimir Putin, kritisiert, meint damit nicht die Menschen, die in Russland leben. Ich dachte, das wäre klar. Übrigens interviewen wir jeden Tag einen von ihnen, Stimmen Russlands heißt die Serie, egal ob Putin-Kritiker (die größten Putin-Kritiker sind übrigens Russen) oder Putin-Anhänger. Seien Sie sicher, wir suchen in der Redaktion ein ausgewogenes Bild.
Und erlauben Sie mir noch einen kurzen Hinweis. Ich glaube, in der Olympia-Kritik und dem Stöhnen einiger Journalisten über ihre Hotels ist noch etwas durcheinandergeraten. Wenn in einem Hotelzimmer zwei Toiletten nebeneinander stehen oder das Laminat nicht gerade verlegt ist, hat das nichts mit den Menschenrechtsverletzungen der russischen Regierung zu tun. Auch über die Verantwortung des Internationalen Olympischen Komitees, das die Winterspiele an einen subtropischen Badeort vergeben hat, sagt ein falsch angebauter Lichtschalter wenig aus.
Wer das miteinander vermischt, überhöht die Lichtschalter und umgeht die Probleme in Russland: eingeschränkte Meinungs- und Demonstrationsfreiheit, Korruption, selektive Justiz, keine freien Wahlen.
Mit herzlichen Grüßen aus Sotschi, wo die Sonne scheint, die Luft voller Liebe ist und das Meer einen mit seinem Blau verzaubert,
Kurzfazit: Haben Sie diese Emotionen gesehen? Auf der einen Seite des Spielfeldes hüpften die Bayern nach dem Abpfiff herum wie junge Welpen. Auf der anderen standen die Dortmunder Arm in Arm vor ihren Fans, klatschten, wurden beklatscht und hatten feuchte Augen. Wobei: Philipp Lahm kullerten vor Freude und vor Erleichterung fast genauso viele Tränen übers Gesicht wie den Dortmundern. Und Arjen Robben. Er feierte sich ganz alleine, abseits der anderen. Sein Ego und seine Geschichte brauchte Platz. „Das ist mit nichts auf der Welt vergleichbar“, sagte Matthias Sammer, der heute mal nichts zu meckern hatte.
So ein Finale gab es in der Champions League noch nicht. Womöglich gab es sowieso nur ganz wenige Finals jemals, die so dynamisch, ausgeglichen und spannend waren. So was macht der Fußball. Deshalb drehen Millionen Menschen wegen 22 Fußballern und einem Ball durch.
Dortmund zeigte eine herausragende Leistung, besonders zu Beginn der Partie überrannten sie den Deutschen Meister. Doch der FC Bayern feiert nach zwei Jahren der CL-Enttäuschung völlig berechtigt den großen Erfolg. Guardiola wird in einigen Wochen die Besten noch besser machen müssen.
Der Mann des Spiels hätte einmal mehr Roman Weidenfeller sein können, neben Gündogan der beste unter allen guten BVB-Spielern. Wenn … ja wenn Arjen Robben, der ewige Zweite, wenige Minuten vor Schluss nicht mit seinem Tor das Spiel entschieden und die Geschichte seiner Karriere gedreht hätte.
200 bis 300 Millionen Menschen haben auf dieser Erde diese Bilder gesehen. Es war nur ein Fußballspiel, aber ein ziemlich faires, äußerst bewegendes und interessantes. Opa Jochen hätte sich daran erfreut. Der Security-Mitarbeiter, der die ZEIT-ONLINE-Redaktion bewacht, lag mir fast in den Armen.
Mit diesen Emotionen schließen wir das Liveblog, hoffen, Sie kommen mit guten Gefühlen in die Nacht und verweisen auf die Reportagen der London-Reporter, die am Sonntagmorgen folgen.
93′ Schluss in London. Aus für den BVB. Welch ein Spiel, welch ein Ende. Bayern München ist der Jahrhundert-Finalgewinner. Ich freue mich mit dem Security-Mitarbeiter. Wenn wir ausgetanzt haben, kommt noch ein kurzes Fazit.
88′ TOOOOOOOOOOOOR!!!!! ROBBEN ist doch ein MÜLLER 2:1. Welch ein Tor. Er schlängelt sich durch die halbe Abwehr des BVB und spitzelt das Ding an Weidenfeller vorbei. Hut ab!
87′ Weidenfeller, bisher wieder einmal der wichtigste Dortmunder. Jetzt pariert er gegen Schweinsteiger.
78′ Mich haut das Spiel fast vom Stuhl in der Redaktion. Aber der Kollege in London findet noch Zeit, um Freundschaften zu knüpfen. So ist Fußball. Sid heißt der Typ, der neben ihm im Stadion sitzt. Er ist Engländer, Fotograf und hasst Fußball. Ihm ist egal, wer gewinnt. Obwohl: Er war 2002 mal in Rotterdam als Dortmund da gespielt hat. Dort wurde er von BVB-Fans mit Bier beworfen und bespuckt, sagt er. Deshalb möchte er, dass Bayern gewinnt. Außerdem hat München einen Englischen Garten. So sieht es bei den beiden aus:
76′ Müller spuckt jetzt Feuerpfeile.
71′ Robben ist kein Müller, 20 Zentimeter vor der Torlinie lässt er sich das Ding von Subotic weggrätschen. Ein Teufelsspiel. Ein Teufelsspiel. Ein Teufelsspiel.
68′ 1:1 GÜNDOGAN Ich umarme gleich den Security-Mitarbeiter, sieht ein bisschen so aus wie mein Opa.
66′ Dante rammt Reus das Knie in den Bauch: Elfmeter für den BVB.
59′ 1:0 TOOOOOOOOR! Für die Roten. Mario! Oh Mann. Mandžukić nach exakter Vorarbeit von Robben, der nicht schon wieder ein Finale verlieren will.
55′ Jetzt grätschen sie hüben wie drüben. Und einige schwitzen. Der Security-Mitarbeiter, der die Redaktion bewachen soll, klärt mich auf: „Wenn ded nech ma Elfmeterschießen gibt.“
49′ Geht los wie nach dem ersten Anpfiff. Ball immer noch rund.
Noch die beiden wichtigsten Nachträge aus Hälfte eins: Erstens: Der Security-Mitarbeiter, der nachts die Redaktion schützen soll, ist Bayern-Fan und mir dennoch sympathisch. Erst hat er unwissend das Licht gelöscht und dann gesagt: „Die Dortmunder waren bisher besser.“ Jetzt guckt er mit. Zweitens: Angela Merkel hat es getan, Steuersünde hin oder her.
45′Halbzeit, was für eine. Das war Klopp-Fußball. Eine Halbzeit voller Volldampf. In den ersten zwei Dritteln der ersten Halbzeit spielte fast nur der BVB. Doch dann kamen die Bayern zu ihren Chancen. Ribéry mit Glück. Es hätte auch 2:3 stehen können. Tut es aber nicht. Was bisher bleibt: Das Jahrhundert-Finale der Champions League ist bisher schneller und spannender als die WM-Finals, an die ich mich erinnere. Irre ich mich da?
42′ Robben an die Omme des BVB-Torwarts. Neuer – Weidenfeller jetzt 6:3
30′ Weidenfeller! Weidenfeller! Er pariert allein vor Robben. Jetzt ist es langsam wie damals bei den Rittern. Geht ganz hart zur Sache.
30′ 23′ Falls Sie glauben, die von ZEIT ONLINE recherchieren nicht, schauen nur Fußball. Unser London-Reporter hat mal das wichtigste analysiert: die Schuhe der Künstler aus München: Neuer: Eineartschwarz, Alaba: Orange, Dante: Weiß, Boateng: Orange, Lahm: Schwarz, Martinez: Schwarz, Schweinsteiger: Orange, Müller: Grün, Ribery: Hellblau, Robben: Schwarz, Mandzukic: Hellblau
28′ Gelb für Dante, Ribéry hätte zuvor Rot fürs Ellenbogenschlagen bekommen können.
26′ Ohhhhaaa, der ZDF-Reporter gerät in Wallung. Der FC Bayern mit seiner ersten Ecke und einem gefährlichen Kopfball. Das ist hier wie beim Fußball.
21′ Jetzt versucht es mal Bender gegen Neuer. Inzwischen fünf Ecken für den BVB. Aber es macht ja doch nichts: Der FC Bayern hat ja noch das DFB-Pokalfinale. Ich weiß, wer zu früh …
14′ Lewandowski drischt aufs Bayerntor, Kuba schon zum zweiten Mal mit einem Torschuss. Der BVB spielt die Münchner bisher an die Wand.
5′ Breaking News aus London: Schweinsteigers weinerliches Gesicht haben Sie sicher beim Aufwärmen gesehen. Der Guardian will herausrecherchiert haben: Er spielt mit schmerzstillender Spritze.
3′ Der BVB mir gefühlten 78 Prozent Ballbesitz, einem Torschuss und einer Ecke. Der Favorit strauchelt.
20:44 Jürgen Klopp sagte: „Die Sonne scheint.“ Olli Kahn sagte: „Im Finale ist alles möglich.“ Opa Jochen hätte gesagt: „Was soll das? Ruhe jetzt!“ Es geht los, Jahrhundert-Anpfiff.
20:37 Obacht, vor dem Spiel wollte ich noch ein Nickerchen machen. Aber diese Eröffnungszeremonie. Mit einem Pferd mit acht Beinen. Jetzt schießen Bayern- und Dortmund-Flitzebogenschützen aufeinander. Braveheart kam doch aus Schottland. Krieg im Öffentlich-Rechtlichen. Deeskalation sieht anders aus.
20:22 Bevor es losgeht, holen Sie sich noch schnell ein Weißbier, machen Sie es sich auf Ihrer Couch gemütlich und gestehen Sie sich ein, dass Sie nicht zu den ganz Harten gehören. Die ganz Harten heißen Kahn oder machen Sachen wie dieser Kerl auf dem Bild: Helmut Robers, der 500 Kilometer mit dem Fahrrad aus dem Münsterland bis zum Wembley-Stadion radelte. Elf Tage hat er gebraucht und ist dabei dreimal gestürzt.
19:56 Der London-Reporter Fritsch liefert die Aufstellungen, diese 22 Männer werden heute spielen und 11 von ihnen danach weinen:
19:50 Apropos Götze: Post unseres London-Reporters Spiller.
Das sind eigentlich zwei Bayern-Fans. Für das Spiel und weil doch alle Spaß haben wollen und weil sie Mario Götze toll finden, wollten sie sich „was Besonderes einfallen lassen“. Die Dinger sind selbstgenäht.
19:35 Kurzer TV-Check: Auf Sky versaut sich Harald Schmidt seinen Ruf durch schlechte Fußballerwitze. Im ZDF verklausulieren Watzke und Kahn ihre Meinungen zum Muskelfaser des Mario Götze. Auf Arte kommt ab 20.15 Uhr Auf der Suche nach dem Zarenschatz. Noch haben sie die Wahl.
19:28 @Caesar Steiner: Wir tun gar nicht erst so, als könne man beim Fußball neutral sein. Möge der Bessere gewinnen. Oder nicht der Wohlhabendere.
19:15 In Berlin hat das Herbstgruselmärchen die ganze Stadt im Griff. Der Veranstalter der Fanmeile vor dem Brandenburger Tor hatte trotz schlechter Wetterprognose auf 100.000 Besucher gehofft – bei gutem Wetter wären 250.000 erwartet worden. Eben waren allerdings erst etwas mehr als 100 Menschen da. Inzwischen wären die Partymacher „mit 30.000 bis 40.000 Besuchern glücklich“, sagte der Veranstalter unserem Hospitanten Sören Maunz. Ich habe im Regen eine Eiskugel gegessen. Ja, und von wegen einkaufen: Ich wollte nur schwarze Hosen, gelbe Socken; meine Frau zeigte mir einen Vogel. Ist Ihnen die Lust auf dieses Fußballspiel eigentlich noch geblieben oder geht’s Ihnen wie unserem Leser zerblogger (siehe Kommentare) und fast 60 Prozent der Deutschen?
Vorbemerkungen: Als mein Opa Jochen noch lebte, buddelte er an Tagen wie diesen seinen ganzen Garten um, setzte sich fünf Minuten vor Anpfiff auf seine Couch, schaltete den Fernseher ein, und wenn meine Oma dann noch was sagte, unterbrach er sie: „Na, nu ist Fußball.“ Das ganze Drumherum war ihm nichts.
Meinen Bruder hat es noch schlimmer erwischt: Er ist seit Monaten auf der Hochzeit seines guten Freundes eingeladen und konnte deshalb nicht nach London fliegen.
Das Leben ist hart. Auch für meine beiden Kollegen Christian Spiller und Oliver Fritsch. Seit Donnerstag leben sie in einer kleinen Wohnung in Chelsea. Zata, eine nette Londonerin mit polnischen Wurzeln und Tantra- und Kama-Sutra-Büchern im Regal, ist gegen Geld ausgezogen, damit die beiden Reporter zwischen ihren Wänden schlafen, leben, schreiben, twittern unter @zeitonlinesport und essen können.
Das Zeit-Online-Champions-League-Final-WG-Pressefrühstück (of und cs) twitpic.com/ct2bqd — zeitonlinesport (@zeitonlinesport) 25. Mai 2013
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Bevor Ihr Herz jetzt schon vor dem Anpfiff stehenbleibt, sagen Sie es laut: „Es ist nur ein Fußballspiel.“
Ich gehe jetzt einkaufen, Unterhosen, Schuhe, Socken. An dieser Stelle wird danach ab etwa 20 Uhr aus Berlin livegebloggt. Wenn Sie es objektiv mögen, klicken Sie lieber auf unseren Live-Ticker. Als Norddeutscher bin ich in der Tradition meines Opas gefangen. Aus Bayern mögen wir höchstens das Weißbier. Okay, und anlässlich dieser Darbietung der Münchener Philharmoniker auch die Töne aus Bayern.
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Kurzfazit: „Es gibt kein perfektes Fußballteam“, sagte der manchmal perfekt wirkende Jose Mourinho mal. Nach diesem Sieg gegen den BVB musste er erst einmal schlucken. Auch wenn es am Ende spannend und knapp war: Die Dortmunder haben die Königlichen rausgeworfen und sind ins Finale der Champions League eingezogen. Ein Satz, der nach mehr als einem Ausrufezeichen ruft.
Dieses Rückspiel war extrem temporeich, spannend und besonders in den ersten und letzten Minuten noch temporeicher. Hätte Real zu Beginn des Spiels einen der acht Torschüsse verwandelt, hätte Jürgen Klopp wahrscheinlich mehr als Feuer gespuckt. Doch der BVB hatte Glück. Danach kamen auch noch Können, Reife und gute Konter dazu. Besonders herausragend spielte Mats Hummels in der Defensive und Roman Weidenfeller als letzter Retter auf der Linie. Götze musste mit einer Muskelzerrung schon nach wenigen Minuten vom Platz, machte aber nichts.
Um diesen Erfolg kurz nach Spielende bewerten zu können, hilft auch ein Blick auf die Zahlen (siehe Grafiken unten). Gemessen in internationalen Einsätzen in der Nationalmannschaft und Champions League spielte heute ein Siebtklässler gegen den Schuldirektoren: 1.124 Einsätze (Real) gegen 420 (BVB). Noch erstaunlicher wird es bei einer Gegenüberstellung der Transferausgaben der vergangenen drei Jahre: Es haben 181 Millionen Euro gegen 44 Millionen Euro gespielt. Das alles ist das Hexenwerk des Jürgen Klopp. Der lief nach dem Spiel noch lange über den Rasen der heutigen Niederlage und bedankte sich bei den Fans. „Es gibt Borussia Dortmund nur all inclusive“, sagte er.
Der Kollege Spiller wird Klopp gleich noch zur Pressekonferenz begleiten und Morgen in seiner Reportage auch darüber berichten. Die Dortmunder warten im Champions-League-Finale nun auf die Bayern. Und ich suche Zu Hause mein BVB-Kissen und fliege in die Karpaten. An dieser Stelle geht es am Mittwochabend mit den Mannen des Uli Hoeneß in einem Live-Blog von Oliver Fritsch weiter. Treten Sie nicht in den Schnee.
96. Minute Aus, Schluss, verloren und gewonnen: Der BVB hat es spannend gemacht: 0:2 gegen Real und doch im Finale der Champions League. Freude in Berlin, kurzes Fazit kommt gleich.
90. Minute Mourinho regungslos, ein Tor trennt ihn vom Wunder. Bender verletzt raus, Santana rein.
87. Minute Klopp spuckt wieder Feuer.
87. Minute Toooor! Ramos drischt das Ding über Weidenfeller ins Netz, chancenlos! Zittern in schwarzgelb.
87. Minute Weidenfeller!
86. Minute Kehl kommt für den „angeschlagenen“ Lewandowski. Die letzten Minuten Spannung.
82. Minute Weidenfeller geschlagen: 1:0 für Real!
73. Minute Ich bin hin- und hergerissen. Seit drei Stunden habe ich diesen Link geöffnet. Es ist so niveaulos, sexistisch, so wie Fußballer halt manchmal sind. Aber da das Spiel gelaufen ist, wir gleich in den schwarzgelben Freudenhimmel fliegen werden und dann alle Wetteinsätze eingelöst werden, sei diskret auf Mario Balotelli verwiesen. Der Stürmer mit der EM-Jubelpose hat seine Freunde bei Real mit einer Sex-Option motiviert.
60. Minute Gündogan vergibt frei aus fünf Metern vor dem Torwart, das kann nicht nur Gomez. Das ist ein Tor-Chancenspiel ohne Tore.
55. Minute Die beiden besten Dortmunder bilingual beschrieben:
Au fait, j’ai les gants d’un Mur ! Le gants de WEIDENFELLER ! #RMABVB
49. Minute Lewandowski ballert an die Latte. Der BVB kontert jetzt.
46. Minute Die Mannschaften haben die Seiten gewechselt.
Manchmal fragt man sich ja, wieso das so ist. Ich weiß bis heute nicht, weshalb ich als Halbstarker kurzzeitig einen BVB-Schal um meinen Hals band. Wenn man jung ist, macht man alles mit, außer Bayern München. Läuft diese Identifikation über die Spielweise oder über so coole Typen wie Jürgen Klopp oder Andi Möller, Matthias Sammer? Sei es wie es sei. An dieser Stelle, in diesen fußballverrückten Tagen, in dieser Halbzeit bleibt mir nur noch eines zu sagen. Ich habe eine Kiste mit alten Erinnerungsstücken zu Hause stehen, Sie wissen schon, Liebesbriefe, Urkunden, CDs, etc. Und ein ganz kleines selbstgestricktes BVB-Kissen in schwarzgelb. Als ich die siebte Klasse besuchte, schenkte mir es meine Mitschülerin Maxi, einfach so. Maxi war verdammt gut in der Schule, ich nicht, also hatten wir gar nicht viel zu tun miteinander. Später kamen wir nicht zusammen und haben uns dann auseinandergelebt. Was ich damals nicht sagen konnte: Danke, Maxi, ich habe es noch.
45. Minute, Halbzeit Dortmund besteht im Feuersturm. Etwa zehn Torschüsse für Real, einen für Dortmund. Das nennt man Glück. Hummels und Weidenfeller sind die Spieler der ersten Halbzeit. Aber trotz aller Aufregung, es steht immer noch 4:1.
39. Minute Fußball ist heute kein Schach oder wie es die Kollegen formulieren:
Wenn Sergio Ramos mal ein Unternehmen aufmacht, dann wird es sicher eine Ellenbogen-Gesellschaft. #rmabvb
25. Minute Klopp spuckt Feuer, Lewandowski krümmt sich vor Schmerz, Coentrão bekommt für seinen Tritt aufs Sprunggelenk des Stürmers die Gelbe Karte. Das ist bis jetzt ein Teufelsspiel.
21. Minute Wenn ich BVB-Fan wäre, würde ich mich langsam wärmer anziehen. Mourinho schaut grimmig wie ein 3:0 und seine Spieler spielen so.
15. Minute Drei Großchancen für Real inzwischen, Ronaldo und Özil wollen heute nicht verlieren. Aber Weidenfeller, der Mann der ersten Viertelstunde.
12. Minute Mario Götze, der sein Abschiedsspiel für den BVB in London gegen Bayern geben will, humpelt vom Platz. Schluss für Heute. Großkreutz, der fanatische BVB-Fan, jetzt im Spiel. Aber was passiert da auf dem Platz…
8. Minute Vierte Ecke für Real. Aber Hummels will heute mal in allen Szenen gut aussehen und klärt.
4. Minute Real beginnt im BVB-Volldampf-Modus, Higuain kommt frei vor Weidenfeller zum Schuss, das hätte das 1:0 sein müssen. Wer wettet hier eigentlich auf Real? Und wenn ja, wie viel von was?
2. Minute Sie spielen schon. Alle mit dabei. Erste Ecke für Real, Özil schießt und kein Weißer kommt zum Ball.
20:42 Uhr Jürgen Klopp sagt: „Cool hier.“ Auf den Sound im Bernabéu könne man „schon mal abgehen“. Der Kollege Spiller hat auch einen Platz gefunden und die Aufstellung:
20:30 Uhr Bevor es los geht, kommt immer Werbung. War schon früher so. Damals, vor langer Zeit, als der BVB wirklich mal besser als Bayern München war, gab es einen Sieg in der Champions League und einen Werbespot, der beste, den ich als Semi-Fußballinteressierter je gesehen habe, den Nerv der Zeit getroffen:
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20:26 Uhr Ein großes Dankeschön an ranapithecus, den Wetter-Experten unter unseren Lesern. Wenn ich ihn richtig verstehe, liegt es an hohen Bergen und Nordwestdeutschland, ist ja klar; Hauptsache in den Karpaten schneit es morgen nicht. Aber vergessen wir meinen Urlaub und den Schnee, die Königlichen sind da. Unser Twitterreporter konnte es kaum fassen ob dieses Bildes:
Vorhin fuhr der Madrid-Bus vor. Tausende Real-Fans wedelten mit ihren Schals und riefen: „Si,se puede!“ Wörterbuch raus, BVB-Fans! (cs)
Um gleich eines klar zu stellen: Als ich in der sechsten oder siebten Klasse war, ging ich an manchen Tagen mit einem Dortmund-Schal zur Schule. Ich mochte den BVB damals, fast so sehr wie Hansa Rostock oder die Turn und Sport Gemeinschaft Gadebusch. Wenn ich heute entscheiden könnte, wer das deutsch-deutsche Champions-League-Finale gewinnt, würde Uli Hoeneß traurig sein. Aber soweit ist es noch nicht. Erst das Halbfinale: Real gegen Dortmund.
Bei einem 3:0 oder höher werden viele BVB-Schals zu Tränentrocknern. Alles andere wird ein schwarz-gelbes Fest in Madrid. Unser twitternder Reporter Christian Spiller geht davon aus und ist dabei. Als er heute mit AVE, dem spanischen ICE, von Barcelona nach Madrid fuhr, sah er Schnee. Ja, Schnee in Spanien, während wir hierzulande schon halbnackt durch die Straßen rennen. Nichts ist, wie es war. Beim Fußball auch nicht. Wieso der spanische Fußball dem deutschen nichts mehr voraus hat, hat der Kollege, der sich übrigens noch nie als BVB-Fan gefühlt hat, noch am Morgen vor seiner Reise aufgeschrieben. Weitere Lesetipps zur Einstimmung:
Stefan Osterhaus in der NZZ über Nuri Sahin, der mal so gehypt wurde wie Götze und heute gegen seinen eigentlichen Arbeitgeber spielen müsste.
Und weil Fußball ja irgendwie doch was mit Geld zu tun hat, hat unsere Infografikerin Martina Schories nach Zuarbeit von Christian Richard mal aufgezeigt, wie die vier Halbfinalisten in den vergangenen drei Jahren mit Spielertransfers gewirtschaftet haben:
Dortmunds Sonderrolle wird ebenso deutlich, wenn man die internationale Erfahrung der Mannschaften vergleicht:
Haben Sie eigentlich eine Erklärung für all dies? Besonders für den Schnee in Spanien? Dann raus damit. Sie sind eingeladen, ab 20:30 Uhr geht’s hier richtig los. Lesen und kommentieren Sie mit. Egal, ob mit oder ohne BVB-Schal. Aber bitte, erwarten Sie hier keine objektiven Berichte, dafür klicken Sie hier.
Am Ende bleibt eine Frage: Wann war der FC Barcelona, der Verein, der die vergangenen Jahre den internationalen Fußball beliebig dominiert hat, je so chancenlos gegen ein deutsches Team? Selbst sogenannte Bayern-Hasser müssen nach diesem Abend die Leistung des Münchner Teams anerkennen. Was der FC Bayern gegen Hannover, Wolfsburg oder den HSV kann, das kann er auch gegen einen Favoriten auf den Champions-League-Titel. Leider geil!
Herausragender Spieler der Partie war Thomas Müller, der mit Instinkt und Einsatz die Überlegenheit der Münchner verkörpert hat. Insgesamt spielten die Bayern von Beginn an konzentriert, taktisch diszipliniert und deshalb vor allem in der Defensive herausragend. Den Spaniern dürften sie zweidrittel des Ballbesitzes überlassen haben. Aber vor allem wenn es wichtig war, waren sie am Ball. Joachim Löw wird das interessiert verfolgt haben. Auch stark: Das Flügelspiel mit Lahm und Robben. In Barcelona werden sie sich nach diesem Halbfinale ärgern, dass sie Lahm vor Jahren nicht den Bayern weggekauft haben.
Was das Urteil nicht schmälert, aber erwähnt werden muss: Vor dem ersten Tor hat sich ein Bayernspieler beim Kopfball aufgestützt. Das zweite Tor fiel aus Abseitsposition. Und dem dritten Treffer ging ein Foul voraus.
Ansonsten: Ja, dieses Spiel konnte man nicht ohne Hoeneß-Hintergedanken verfolgen. Auch die Spieler nicht. Robben äußerte sich nach Schlusspfiff ehrlich und erschreckend: „Dieser Sieg ist auch für ihn“, sagte der Spieler und meinte seinen auf Kaution freigelassenen Präsidenten. Karl-Heinz Rummenigge ließ in einem kurzen Interview erkennen, wie sehr der Verein in den nächsten Wochen zu Hoeneß stehen werde. Er sagte, er könne sich den FC Bayern nicht ohne seinen Freund Uli Hoeneß vorstellen. Mia san Mia.
Reportage aus München kommt Morgen vom Kollegen Fritsch. Zur Nacht noch eine positive Nachricht, die die ganz ernsten Kollegen recherchiert haben:
Zum Glück läuft das Rückspiel im ZDF. Im Knast gibt’s ja kein sky.
93′ Schluss, 4:0, ja 4:0 gewinnt der FCB gegen den FCB. Die Rede ist von einem historischen Spiel. In der Redaktion fliegen Pizzastücke durch den Newsroom. Ein kleines Fazit kommt, wenn die Gefühle gebändigt sind.
87′ Ribéry geht, Shaqiri, der andere wandelnde Schrank im Spiel. Was Sie auch wissen sollten: Jordi Alba, Typ linker Verteidiger ist sauer, schmeißt vor dem Einwurf den Ball an die Nase von Robben. #Empörung #Gelbe Karte
81′ Toooooooooooooooooooor! Müller! Müller! Müüüüüüüüülllllllller! Flanke von Alaba, dann der Schlitzohrige mit dem Fuß. Ja, sie haben mich, die Bayern begeistern jetzt. 4:0!
79′ Müller, dieser Teufelskerl, ich werde emotional. Die Fans im Stadion auch:
Sprechchor: „Ein‘ Uli Hoeneß, es gibt nur einen Uli Hoeneß!“ (of)
75′ Bartra schießt aus zwei Metern in die Wolken. Merke: Der Drops ist noch nicht gelutscht. Der Keks nicht gegessen. Noch nicht Schicht im Schacht, nix Schluss im Bus, kein Ende im Gelände, die Maus noch nicht aus. Es bleibt spannend, bleiben Sie dran.
72′ 3:0! Ich nehme alles zurück: Krasser Konter der Bayern: Ribéry auf Schweinsteiger, der überlegt auf Robben, der mit dem Ball tanzt.
70′ Falls Sie es noch nicht getan haben: Drücken Sie hier. Das Spiel lässt ja Zeit für solche Drückerein. Muss auch nur einmal sein. Gomez geht jetzt vom Platz, Gustavo kommt.
63′ Wundern Sie sich an dieser Stelle bitte nicht, weshalb hier nichts Neues erscheint. Ich könnte bloggen: „Wenn Messi hustet, hat Barcelona Grippe“ (Reif) Will ich aber nicht. Kein Klassespiel, aber: Die Bayern spielen tatsächlich besser als Barcelona, das muss ich anerkennen, Opa Jochen täte sich ärgern.
49′ 2:0 für die Bayern: Ecke, Müller wieder mit dem Schlitzohr und Gomez aus einem Meter mit dem linken Latschen ins Tor!
Vor der zweiten Halbzeit: schrieb unsere Leserin Tatjana, sie sei für Bayern. Weil es doch „ein internationaler Wettbewerb ist und jeder Erfolg einer deutschen Mannschaft jedem dt. Team zugutekommt (5-Jahres-Wertung, Uefa). Aber Tatjana! Nach Ihrem Kommentar musste ich mir während der Arbeit ein Bier nehmen, eine Pizza bestellen, schnaufen und zu einem gar nicht so schlechten Fußball-Buch greifen: „Der zwölfte Mann ist eine Frau“ von Wiebke Porombka:
„Jetzt komm mir bloß noch einer mit UEFA-Wertung! Ich glaube, es geht los. UEFA-Wertung, wenn ich das schon höre. Nix mit UEFA-Wertung! s gibt wenige Dinge, die mich dermaßen aus er Fassung bringen, wie das Gerede von der UEFA-Wertung oder den „Europa-Punkten“. Und wenn es dafür goldene Euroa-Punkte gäbe, ein Europa-Punkte-Abo, Europa-Punkte auf Lebenszeit: Ich werde niemals zu Bayern München halten. Nicht gegen Barcelona, nicht gegen Kiew, nicht gegen Manchester, gegen keinen Verein der Welt. Und ich kann jeden, der das tut, nur mit einem vernichtenden Blick strafen. Was bliebt mir auch sonst übrig.
Deshalb versuche ich, besonders vernichtend zu gucken, wenn wieder ein Freund oder Kollege mir erklären will, es sei in internationalen Wettbewerben, rein rechnerisch, einfach sinnvoll, deutsche Mannschaften zu unterstützen, wegen der – sag es bitte nicht!
Natürlich verstehe ich die Begründung: Ich kann auch rechnen. Aber: Vielleicht will ich es in diesem Fall gar nicht. Vielleicht muss in den entscheidenden Fragen des Lebens Prinzipientreue über Verstand gehen? Wo kämen wir sonst hin?“
Halbzeit: Das Spiel ist konzentriert angespannt. Eine Halbzeit ohne ganz große Chancen, aber mit schönen Spielzügen. Robben und Lahm stark auf ihrer Seite. Falls Sie es verpasst haben: Messi spielt auch mit. Hoeneß freut sich. In der Redaktion werden wegen all dem selbst Norddeutsche Redakteure zu Bayern-Akzeptanten, –Tollerierer oder gar zu Fans. Und auch unser Kollege im Stadion hat Spaß:
Direkt vor mir läuft Roy Keane entlang. Und ich hab die Schienbeinschoner nicht an. Würd mir andrerseits eh nichts helfen. (of)
36′ Siebte Ecke für die Bayern. Selbst mein Opa hätte nach diesem Spielverlauf zugegeben: Der FC Bayern ist heute gut. Aber, ja Herr Aldi, diese Haltung oder Antihaltung kann ich nicht verbergen.
32′ Zweites (oder drittes) Mal Handspiel im Strafraum der Münchner, Spanier, es war zum zweiten oder dritten Mal nicht der Torwart. Dieses Mal der Kleine mit den dunklen Haaren. Auch dieser Fußballkenner hat es erkannt:
25′ Ecke, Lockenkopf von Dante und dann Müller mit seinem Schlitzohr: Doppelkopfball, 1:0 für den FC Bayern. Wow, schöne heile Welt.
15′ Lahm, der wuseligste von allen Bayern schießt, Piqué hält seinen Ellenbogen zwischen Tor und Ball, und der Schiedsrichter pfeift nicht. „Es gibt Schiedsrichter, die …“ sagt Marcel Reif, der Sky-Kommentator. Eine schwere Entscheidung. Wahrscheinlich ist es das letzte Tabu in diesem Land, Marcel Reif gut zu finden.
10′ 70 Prozent Ballbesitz für Barcelona, Bayern jedoch leicht überlegen. Ansonsten: Der Platzregen hat im Mittelkreis eine Pfütze hinterlassen. Bayernfans halten ein Riesenplakat hinter dem Bayerntor in die Luft: „Schöne heile Welt“, steht da. Könnte Seehofer bezahlt haben.
2′ Robben eröffnet den Frühlingsabend mit einer Großchance aus sechs Metern, zu flach geschossen fürs Tor.
20:44 Diese 22 Männer stehen auf dem Rasen:
Aufstellung Barca: Valdés – Alves, Piqué, Bartra, Alba – Busquets, Xavi, Iniesta – Alexis Sánchez, Messi, Pedro (of)
20:40 Erstes Gebot vor dem Anpfiff: Man darf ein Fußballspiel nicht nur auf Messi reduzieren. Zweites Gebot vor dem Anpfiff: Alle Bayern-Spieler sind total fokussiert, das Thema Hoeneß spielt überhaupt keine Rolle. Drittes Gebot vor dem Anpfiff:
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Mario Götze hat früher in Bayern-Bettwäsche geschlafen. Genau wie seine Brüder Fabian und Felix. Ich habe geschluckt, als ich diese unglaubliche Nachricht heute las. Der Großvater hat es einem Reporter der AZ verraten. Man. Man.
Als mein Opa Jochen noch lebte, schmückte immer ein schelmisches Lächeln sein Gesicht, mindestens wenn er über Fußball sprach. Er verstand viel von diesem Sport, lange Jahre hatte er als Bauer gearbeitet und nach der Ernte als Libero verteidigt, damals in den Fünfzigerjahren für Traktor Dalberg.
„Eigentlich“, sagte er oft zu mir, nachdem er von seinen schönsten Toren und Gegentoren geschwärmt hatte, sei das mit dem Fußball alles nicht so schlimm: „Hauptsache die Bayern gewinnen nicht!“
Irgendwann habe ich rausgefunden, dass es andere Menschen als meinen Opa gibt, Menschen, wie Mario Götze, Uli Hoeneß, Menschen, die für den FC Bayern sind. Ich habe dafür inzwischen Verständnis. Es geht ja „eigentlich“ nur um Fußball. An Tagen wie diesen, nachdem Hoeneß verhaftet und Götze verkauft wurde, muss das in der Vorbemerkung eines Live-Blogs erwähnt werden. Also: FC Bayern gegen den FC Barcelona. Ab 20:30 Uhr stehen wir mit Oliver Fritsch, unserem twitternden Reporter im Stadion, im steten Austausch, verfolgen das Fernsehsignal und bloggen aus der Redaktion live – lesen und kommentieren Sie mit, erst Recht, wenn Sie trotz allem für den FC Bayern sind.
„Ich habe nie Medaillen gezählt“, hatte Michael Phelps vor der Eröffnungsfeier in London gesagt, und wohl niemand hatte es ihm geglaubt. Medaillen sind die Währung der Olympischen Spiele. Jeder Sportler will eine, am besten in Gold, jede Nation will ganz viele, auch Deutschland. Alle vier Jahre schreibt der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) den Sport-Verbänden deshalb in Zielvereinbarungen vor, wie viele Medaillen jeder Sportverband bitteschön gewinnen sollte. Schließlich gibt das Bundesinnenministerium (BMI) jährlich mehr als 130 Millionen Euro für den Spitzensport aus. Weil das Steuergeld ist, wollten Journalisten des WAZ-Rechercheblogs – unter anderem der ZEIT-ONLINE-Autor Daniel Drepper – wissen, wie viele Medaillen der DOSB in welcher Sportart in London verlangt. DOSB und BMI verweigerten eine Antwort. Doch gestern entschied das Verwaltungsgericht Berlin: Das Ministerium muss die Medaillenvorgaben aller Sportverbände offenlegen. Wir sind gespannt, wie groß beispielsweise die Lücke zwischen Ist und Soll bei den Schwimmern ist.
Per Zeitungsanzeige zur Medaille
Der britische Sportverband hatte schon vor Jahren einen noch besseren Plan, um an Medaillen zu kommen. Per Zeitungsanzeige suchten die Funktionäre Teilnehmer für die Olympischen Spiele. Die Mutter von Helen Glover las in ihrer Lektüre, dass große Menschen mit Sportinteresse gesucht werden. Sie dachte an ihre Tochter, die Sport studierte, sportlich und relativ erfolgreich im Mountainbike-Fahren war und sprach mit ihr darüber. Das war vor vier Jahren. Am gestrigen Mittwoch gewann Helen Glover dann die erste Goldmedaille dieser Spiele für Großbritannien, im Rudern. Obwohl sie bis 2008 noch nie ein Ruder in der Hand gehalten hatte, schaffte sie es durch maximales Training innerhalb von vier Jahren, von einer Nicht-Ruderin zur Olympiasiegerin im Zweier ohne Steuerfrau zu werden.
Die Fotos der Beachvolleyballerinnen
Die Olympischen Spiele sind ein bildstarkes Ereignis, Tausende Sportfotografen sind in London unterwegs, sie fotografieren alle Wettkämpfe, meist für ihre Bildagenturen, die eine Auswahl der Bilder vornehmen und die Bildausschnitte bestimmen. Die Medien suchen sich dann in den Datenbanken der Agenturen jene Bilder, die sie veröffentlichen. Besonders interessant sind die Fotos vom Beachvolleyball. Wir vermuten, dort gibt es mehr Sportfotografen als Sportfotografinnen. Das ist nur eine These. Über die Geschlechterverteilung in der Berufsgruppe Sportfotograf liegen uns keine Statistiken vor. Aber wer etwa bei der großen Bildagentur Getty Wettkampfbilder sucht, findet Bilder wie dieses. Bei anderen Wettkämpfen wie etwa Gewichtheben oder Schießen sind die Bildausschnitte anders gewählt. Die Kollegen von metro.us brachte das auf einen interessanten Gedanken: Was wäre, wenn alle olympischen Sportarten wie beim Beachvolleyball der Frauen fotografiert werden würden?
Best of 100 Meter Schwimmen
Einen anderen Was-Wäre-Wenn-Gedanken hatten Journalisten der New York Times: Sie lassen alle Olympiamedaillengewinner über 100 Meter Freistil gegeneinander schwimmen. Alle heißt alle. Im animierten Schwimmbecken treten etwa Mark Spitz (sieben Goldmedaillen 1972) gegen Johnny Weissmuller (erster Schwimmer, der 1928 schneller als eine Minute war) gegen den neuen Olympiasieger Nathan Adrian an. Heraus kommen Erkenntnisse wie diese: Alfréd Hajós, erster Goldmedaillengewinner im Jahr 1896, wäre heutzutage mit seiner Zeit (1:22,2) mehr als 42 Meter hinter dem Olympiasieger des Jahres 2008.
***
In der olympischen Vergangenheit war jedoch nicht in allen Disziplinen alles schlechter als es heute ist. Zum Beweis dieses Fundstück von den Spielen 1972 in München.
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Die Eltern von Barry Murphy hätten ihre Arme und Beine gegeben, um ein Ticket für die olympischen Schwimmwettkämpfe zu bekommen. Murphy ist irischer Schwimmer, wie sehr seine Eltern ihn in London schwimmen sehen wollen würden, twitterte er. Am Wochenende schwamm er jedoch, ohne dass seine Mutter oder sein Vater dabei waren. Dabei waren im Stadion etliche Plätze nicht besetzt. Mehr als 12.000 Plätze blieben am vergangenen Sonntag bei den olympischen Wettkämpfen laut Telegraph leer. Ausgerechnet bei attraktiven Wettbewerben wie Turnen, Tennis, Basketball und Schwimmen waren ganze Zuschauerblöcke freigeblieben. Offensichtlich waren aber, entgegen einer etwas voreiligen Aussage von Großbritanniens Sportminister Jeremy Hunt, nicht die Sponsoren schuld. Vor allem Funktionäre haben von ihren Karten keinen Gebrauch gemacht. Olympioniken, die vergeblich versucht hatten, Tickets für Freunde und Familie zu besorgen, ärgerte das. Politiker und Medien sprechen in London bereits vom Ticket-Fiasko. Einerseits soll die Nachfrage nach Tickets größer sein als das Angebot. Andererseits schaffen es die Organisatoren wohl nicht, Ticketkontingente, die zurückgegeben werden, zeitnah zu verkaufen. Organisationschef Sebastian Coe reagierte auf die Kritik gelassen und kündigte an: „Wir lassen jetzt Soldaten rein.“ Die hätten es verdient, weil sie kurzfristig für die Sicherheit der Spiele in die Bresche gesprungen seien. Außerdem würden die weltweit gesendeten Fernsehbilder dann keine halbleeren Tribünen zeigen.
Stadion-Schlüssel verbummelt
Im Stadion in Wembley standen die Verantwortlichen vor dem Start des olympischen Fußballturniers vor verschlossenen Türen. Weil sie keinen Schlüssel hatten, verständigten sie die Polizei. Doch die Ermittlungen kamen zu keinem Ergebnis. Sie fanden keinen Täter. Weil die Generalschlüssel sich nicht wieder eingefunden haben, musste die Sicherheitsfirma fast alle Türschlösser austauschen. Scotland Yard stufte die Schlüsselaffäre jedoch nicht als Straftat ein.
Banksy beteiligt sich an den Spielen
Eine andere Straftat hat die britische Polizei bisher bloß im Internet entdeckt. Der unbekannte Graffiti-Künstler Banksy veröffentlichte vor dem Beginn der Spiele ein neues Straßen-Kunstwerk. Auf seiner Website zeigte er das Bild, das bisher noch niemand entdeckt hat. Vielleicht ist das auch gut so. Londons Polizei verfolgt Graffiti-Künstler, wenn sie ihre Werke im öffentlichen Raum hinterlassen, und entfernt diese. Im März wurde übrigens ein Kunstwerk von Banksy für mehr als 400.000 Pfund in London versteigert.
Kinnhaken beim Fechten
Das Auftaktwochenende des deutschen Olympiateams verlief schlechter als geplant. Im Schwimmen, wo Medaillen eingeplant waren, enttäuschte das Paar Britta Steffen und Paul Biedermann. In allen übrigen Wettkämpfen gelang keinem deutschen Athleten eine positive Überraschung. Auch der Säbelweltranglistenerste Nicolas Limbach scheiterte. Am schlimmsten erwischte es aber wohl die Florettfechterin Carolin Golubytskyi. Die 26-Jährige führte gegen Elisa di Francisca mit 8:6, als die Italienerin mit dem Florett voll durchzog und der Deutschen Meisterin mit dem Griff der Waffe einen Kinnhaken verpasste. Golubytskyi taumelte, stürzte zu Boden und musste mehrere Minuten behandelt werden. Danach kämpfte sie weiter, verlor und musste am Sonntag schon wieder nach Hause fahren. Manfred Kaspar, Sportdirektor des Deutschen Fechter-Bundes, bedauerte die Niederlage, gab aber zu: „Fechten ist eben eine Kampfsportart.“
Asyl in London:
Es gibt ja viele Menschen, die diese Olympischen Spiele mögen. In London macht es Spaß, Sportler zu sein. Der Gedanke, dass dies in zwei Wochen schon wieder vorbei ist, gefiel einem Läufer aus Sudan überhaupt nicht. Vor dem Wochenende berichteten britische Medien über einen Athleten aus dem südsudanesischem Olympiateam, der in Leeds des nachts eine Polizeiwache aufgesucht haben und um Asyl gebeten haben soll. Im Sudan herrschten in den vergangenen Jahrzehnten oft bürgerkriegsähnliche Zustände. Hunderttausende Menschen starben bei den Auseinandersetzungen zwischen dem arabischen Norden und dem seit dem vergangenen Jahr eigenständigen Süden des Landes. Es wäre verständlich, wenn ein Sportler in London auf die Idee käme, nicht zurück reisen zu wollen. Doch bevor das Asylgesuch zum Aufreger dieser Spiele wurde, dementierte am Freitag die sudanesische Botschaft offiziell in London: Es werde weder ein Mitglied des Teams vermisst, noch habe ein Sportler um politisches Asyl in England gebeten.
Der schlimmste Tweet über die Eröffnungsfeier
Eine Show wie die mehrstündige Eröffnungsfeier der Spiele kann nicht jedem gefallen. Vermutlich wollte das der Regisseur Danny Boyle auch nicht. Doch eine Reaktion, wie sie der Tory-Politiker Aidan Burley der Öffentlichkeit mitteilte, hat womöglich auch den Oscar-Gewinner Boyle überrascht. Die 34-Millionen-Euro-Darbietung sei „multikultureller Käse“ gewesen, twitterte der Konservative und fuhr fort, dass das Spektakel die linkeste Eröffnungsfeier war, die er je gesehen habe. Selbst Politiker aus Burleys Partei empörten sich im Anschluss an dessen Meinungsäußerung. Burley war im vergangenen Jahr übrigens Gast auf einer Party, die englische Medien als Nazi-Party bezeichneten.
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Olexiy ist einer der Angler. Er läuft den ganzen Tag oben ohne durch die Stadt. Er sagt, nur wer seine Schönheit zeigt, wird gesehen. Nach zwei Wochen Kiew verstehe ich das. Inzwischen schlafe ich nachts beruhigter ein, die Sache mit den Frauen in der Ukraine habe ich verarbeitet. Die Sache mit den Männern nicht.
Je länger ich hier bin, desto mehr wirkt ihre Schönheit. Viele stehen wie Olexiy nur mit Schlüpfer bekleidet auf den kilometerlangen Brücken, die den Dnjepr überspannen, ohne Sonnencreme. Modetrends sind ihnen egal. Sie angeln. Sie haben Bauch, Bart, Ecken, Kanten und fangen dicke Fische.
Ich mag es, ihnen zuzuschauen. In Berlin ist mir das noch nicht passiert. Ich bin mir sicher: Ukrainische Männer sind schöner als deutsche. Die Brisanz dieser Pauschalierung ist mir bekannt, besonders seit diesen Reaktionen, ich meine es wieder ganz subjektiv. Aber ich vermute, auch viele Frauen würden lieber mit Olexiy als mit Oliver Bierhoff einen Kaffee trinken wollen.
Thomas von Aquin hat im Mittelalter geschrieben, Schönheit sei der Glanz der Wahrheit. Ich glaube, gewisse Dinge ändern sich nie. Vielleicht ist nur etwas mehr Nacktheit dazugekommen.
Olexiy wirkt so, als ob er immer die Wahrheit sagt. Ich habe ihn nach Femen, Emanzipation und deutschen Frauen gefragt. Er ließ durchblicken, dass er deutsche Frauen und Angela Merkel mag. Und er sagte, Merkel habe die Idee mit dem Betreuungsgeld vom ukrainischen Präsidenten Janukowitsch geklaut. Das hat mich aufgewühlt. „Nicht Janukowitsch, Seehofer!“, sagte ich. Olexiy kennt Seehofer nicht.
Ich wollte Olexiys gefangene Fische in den Dnejpr schmeißen, um zu zeigen, wie unsinnig das Betreuungsgeld ist. Die Idee, Eltern mit Geld zu motivieren, ihre Kinder nicht in einen Kindergarten zu bringen, gefällt mir nicht. Er sagte: „Egal! Hauptsache die Leute bekommen Geld.“
In der Ukraine bekommen Eltern nach der Geburt ihres ersten Kindes 28.830 Griwna. Das sind etwa 2.883 Euro, 800 Euro gibt es sofort, der Rest wird auf zwölf Monate verteilt – egal, ob die Kinder in eine Kita gehen oder nicht. Was Olexiys für ukrainisches Betreuungsgeld hält, ist also so etwas wie das deutsche Kindergeld.
Olexiy sagt, Janukowitsch habe dieses Kindergeld vor einigen Monaten erhöht. Es soll helfen, dass seine Partei die Wahl im Oktober gewinnt. Angela Merkel will das deutsche Betreuungsgeld noch vor der Wahl im kommenden Jahr einführen. Ich denke, sie wird ihre Wahl verlieren – wegen des Betreuungsgeldes. Janukowitsch wird gewinnen – im Zweifel weil er das Ergebnis manipuliert. Olexiy wird das egal sein. Er sagt, den Fischen ist es gleich, wer sie fängt.
Seit knapp einer Woche lebe ich in Kiew. Ich denke ab und an an Blochin. Oleh Blochin ist ein Mann, wie ihn sich viele Frauen in der Ukraine wünschen. Das sagte mir eine Kollegin von einer Kiewer Zeitung. Er ist stur, grob, dominant, maulfaul und erfolgreich. Auch in deutschsprachigen Artikeln kann man Bewunderung für Blochin lesen. Ich glaube, wenn man bei Journalisten und Frauen gut ankommen will, muss man ein wenig wie Oleh Blochin sein.
Neben Blochin gibt es nur zwei Themen, die mich nachts nicht schlafen lassen. Die U-Bahn und die Frauen. Über beides darf man nicht schreiben, sagte mir ein erfahrener Kollege. Über U-Bahn- oder Taxifahrten schreiben nur Reporter, denen sonst nichts einfällt. Und wer als deutscher Mann etwas über die Frauen in Kiew schreibt, steht für den Leser auf der Schwelle zum Bordell.
Ich habe in dieser Stadt noch kein Bordell gesehen, auch nicht danach gesucht. Ich halte von solchen Geschäften nicht viel. Mir ist etwas anderes aufgefallen. Die Frauen in Kiew sehen schöner aus als die Frauen in Deutschland. In keinem anderen Land habe ich jemals so viele auffallend gutausehende Frauen gesehen wie hier.
Die Brisanz dieser Pauschalisierung ist mir bekannt, ich meine sie ganz subjektiv und ich beziehe mich nur auf das erste äußere Erscheinungsbild. Ich glaube, ich bin kein Macho. Ich möchte niemanden auf sein Äußeres reduzieren. Aber diese Beine, dieser Gang. Nirgends zuvor habe ich so viele ansehnliche High Heels und Miniröcke entdeckt wie auf Kiews Straßen.
Alle Kollegen, die ich bisher traf, sehen das genauso. Einige sind schockiert. Sie kommen nicht damit klar, dass so viele Frauen in Kiew so gut aussehen. Sie reden auch darüber, wenn sie unter sich sind. Einer sagte, weil die ukrainischen Frauen die Männer so verwirren, werden sie die EM entscheiden.
Wieso das so ist, habe ich die Kollegin von der Kiewer Zeitung gefragt. Sie sagte, wegen der Vereinigten Staaten von Amerika. Als es die UdSSR noch gab, sollten die Frauen in der Ukraine nicht sexy aussehen, das passte nicht zum Kommunismus. Sie wollten es aber. Sie wollten so aussehen wie die Frauen in den Musikvideos, die sie aus den USA kannten. Aber damals gab es in der Ukraine noch keine Miniröcke und High Heels. Dann zerbrach die UDSSR, und die Ukrainerinnen konnten alles kaufen, was die Frauen in den Musikvideos trugen. Es gab nur ein Problem: Niemand hatte den Ukrainerinnen gesagt, dass die meisten Amerikanerinnen sich nicht jeden Tag wie in den Musikvideos kleiden.
Das klang logisch, wird von mir und vielen anderen Männern aber nicht als Problem wahrgenommen. Nebenbei, so die Kollegin, sei es auch ein Zeichen der Emanzipation, wenn sich die ukrainischen Frauen sehr feminin kleiden. Darüber denke ich noch nach.
Vor dem ersten Spiel der ukrainischen Nationalmannschaft wollte ich unbedingt zum öffentlichen Training von Oleh Blochin gehen. Ich wollte den Mann, den so viele mögen, live sehen. Ich habe es nicht geschafft. Ich bin mit der U-Bahn sechs Stationen in die falsche Richtung gefahren. Erst als es zu spät war, konnte ich mit einigen Kollegen sprechen, die es geschafft hatten. Sie waren begeistert, von Blochin, noch viel mehr von seiner Tochter.
Irina Blochina ist eine junge Sängerin, der Trainer hatte sie mit zum Pressetermin genommen. Sie trug ein kurzes gelbes Kleid und High Heels. Die Journalisten fotografierten sie und ließen sich mit ihr fotografieren. Danach sind viele positive Artikel über das ukrainische Nationalteam erschienen.
In Moskau erstarrte Boris Gelfand, als die Schach-Weltmeisterschaft vor wenigen Tagen entschieden wurde. Wie unser Reporter Ulrich Stock bloggte, bekam der Herausforderer rote Flecken vor Aufregung. Am Schachbrett war mehr Anspannung als vorm Elfmeterschießen mit Arjen Robben. Kann man das steigern? Geht noch mehr Drama? Wollen wir mal sehen.
In einigen Stunden wird die Europameisterschaft 2012 angepfiffen. Fußball! Auf vielen Titelseiten, Werbebroschüren, Busplakaten ist es das wichtigste Thema. Einige sagen EM, andere Euro, alle meinen das Spiel mit dem Ball und den Ausnahmezustand, der eintritt, wenn EM (oder WM) ist.
Oliver Fritsch ist unser Mann im Koffer von Joachim Löw. Gemeinsam mit der ZEIT-Reporterin Anna Kemper wird er im DFB-Trainingslager in Danzig unwissenden Nationalspielern das korrekte Hinterlaufen erklären. Und ich, ich sitze wegen dieses fußballgeschuldeten Ausnahmezustands vier Wochen in Kiew, schaue auf etwas Lautes und will verstehen, was die EM mit der Ukraine und die Ukraine mit der EM macht.
Gemeinsam haben wir als EM-Team von ZEIT ONLINE was vor. In der Gesprächsserie „EM-Schnack“ wollen wir mit unterschiedlichen Persönlichkeiten abwechselnd und täglich über ihre EM-Abende sprechen – vom ukrainischen Stabhochspringer Sergej Bubka über den polnisch-deutschen Boxer Darius Michalczewski bis hin zum reichsten Mann Polens.
Für unser EM-Tweet-Projekt suchen wir zu jedem Spiel die beste Spielzusammenfassung in 140 Zeichen. Schicken Sie uns Ihren #emtweet und verfolgen Sie unsere Gedanken auf @zeitonlinesport. Wenn Sie uns auf Twitter folgen, verpassen Sie zudem auch so gut wie keine Bewegung unserer Reporter vor Ort.
Während des Turniers wird jede EM-Mannschaft zusätzlich von jeweils einem ZEIT-ONLINE-Redakteur oder -Autor begleitet, unseren EM-Paten. Die Patentanten und -onkels haben ihre Teams bereits vorgestellt. In Anschluss an die EM-Spiele verfassen sie ihren persönlichen Spielbericht.
Und: Alle Spiele und Tore gibt es in unserem Live-Ticker, die wichtigsten Partien bloggen wir an Ort und Stelle, hier also, hoffentlich gewohnt unterhaltsam live.
Falls es Ihnen nach der Protzerei noch nicht aufgefallen ist: Gemeinsam haben wir in etwa so viel Fußballsachverstand wie die Trainerlegenden Lobanowskyj, Rehhagel und Basler zusammen. Dank der Übersetzungshilfen von Daria Ignatenko vielleicht gar etwas mehr. Um dem unmittelbarer gerecht zu werden, wird dieses Sportblog für einen Monat zum EM-Blog des ZEIT-ONLINE-Sportteams.
Wir wollen diesen Kanal nutzen, um Momente zu teilen, etwa aus dem Speisesaal des deutschen Teamhotels oder aus Kiews U-Bahn. Vielleicht posten wir hier Kurzweiliges, vielleicht schlechte Witze aus dem Redaktionsalltag, vielleicht den allerbesten EM-Tweet. Wollen wir mal sehen …