- Lahm, Khedira, Klose und Reus treffen
- Samaras, nicht der Ministerpräsident, glich zwischenzeitlich aus
- Ein Blog aus Berlin, Danzig und Kiew
Fazit Dieses Spiel hat Joachim Löw gewonnen. Nicht ganz alleine, klar, aber fast. Scheinbar ohne Not warf der Bundestrainer drei neue Spieler in den Ring. „Es war der Tag der Veränderungen“, erklärte Löw hinterher und erwies sich dabei als das Orakel von Danzig. Weil es eben vor allem die Neuen waren, von denen die griechischen Abwehrspieler noch in ein paar Wochen albträumen werden.
Marco Reus etwa, der Mann mit dem toten Tier auf dem Kopf, wirbelte durch die griechische Abwehr wie beim Training in Mönchengladbach. Er machte das letzte deutsche Tor, das zwischenzeitliche 4:1. Es gab Reus heute.
André Schürrle, der derzeit bessere Podolski, der immer wieder nach innen zog und immer wieder schoss, und nur nicht traf, weil die Griechen dann doch noch einen Fuß dazwischen bekamen.
Und Miroslav Klose, der nicht wund lag, sondern sich wund lief. Schon nach zehn Minuten war sein Trikot so dreckig, wie es das von Mario Gomez in diesem Turnier noch nie war. Er köpfte das 3:1.
Wer vier Tore gegen die angeblich so unüberwindbare griechische Abwehrmauer schießt, muss es aushalten, nun zum großen EM-Favoriten erklärt zu werden. Auch weil viele Spieler sich noch einmal steigern konnten. Philipp Lahm etwa, der ein Costa-Rica-Tor schoss oder Sami Khedira, der seine starke Leistung mit seinem Schienbeinvolley krönte.
Löws größte Herausforderung wird es nun sein, den Kader bei Laune zu halten. Die Gomez’, Müllers und Podolskis werden sich wohl nur schwer mit der Reservistenrolle anfreunden können. Schon gegen den nächsten Gegner, Italien oder England könnten sie mit ihrer ballsicheren Spielweise wieder gebraucht werden. Das muss Löw ihnen erklären. Schafft er das, kann er sagen, ein ganzes Turnier gewonnen zu haben. Nicht nur ein Spiel.
Schluss, Aus, τέλος. Feuerwerk in Berlin, Applaus in Danzig.
89. Minute Tor für Griechenland, Salpingidis, 4:2. Boateng wird im Strafraum an die Hand geschossen. Elfmeter, den Salpingidis verwandelt. Hier brennt noch so viel an, wie in der Küche des Griechen um die Ecke nach Feierabend. Häh? Also gar nichts.
82. Minute Angela Merkel ist auch da. Und wie. The Evolution of Joy.
81. Minute Jetzt hat Löw schon dreimal gewechselt. Schade, wir hätten heute schon auch gerne mal den Gomez-Button gedrückt.
Wortmeldung des Kiewer Kollegen: „In der deutschen Botschaft in Kiew hallt ‚Ihr könnt nach Hause fahrn‘ durch den Innenhof. Eine Horde Journalisten, Diplomaten, Volunteers und Ukrainer, die für Deutschland jubeln, feuert hier die Heimat an. Jene Heimat, in die die meisten bald nach Hause fahrn müssen. Sonst noch wichtig: Funtik, das 380-Kiloschwein, schläft schon.“
80. Minute Mir tut es ja ein wenig leid um Buzz Lightyear.
Sorry, Papa, aber der muss heute sein, mein Freund! Bei der Geburt getrennt, die EM-Folge. #Papadopolous #Gergre twitter.com/HansSarpei/sta…
— Hans Sarpei (@HansSarpei) Juni 22, 2012
Jetzt erstmal durchatmen. Sammeln. Es steht 4:1, EM-Viertelfinale, ein schöner Sommerabend. Boateng kann flanken, Khedira Tore schießen, Klose wieder Tore köpfen, nach einem Fast-Standard. Und Reus. Heute gibt es Gyros mit Reus, er macht ein tolles Spiel.
74. Minute Tooor für Deutschland, Marco Reus, 4:1. Und wir kommen nicht hinterher. Macht mal langsamer, Jungs! Also Reus hämmert den Ball unter die Latte. Jetzt fehlt nur noch ein Merkel-Tor.
68. Minute Tooor für Deutschland, Miroslav Klose, 3:1. Freistoß Özil, Klose köpft ein wie damals gegen Saudi-Arabien, nur Jancker fehlt.
61. Minute Tooor für Deutschland, Sami Khedira, 2:1. Boateng flankt, Khedira läuft ein, hält den Schienbeinschoner hin und macht dabei fast das Tornetz kaputt. Böller in Berlin. Aufatmen. Locker machen. Geht doch.
60. Minute Bis vor ein paar Minuten musste man mit den tapferen, aber doch limitierten Griechen fast Mitleid haben. Jetzt steht es auf einmal 1:1 und im deutschen Hinterkopf arbeitet es. Jeder Konter könnte das Aus sein, jeder Konter könnte das Aus sein, jeder Konter…
Das Gegentor die richtige Strafe für den völlig sinnfreien deutschen Fangesang, den Oli Fritsch aus dem Stadion twittert.
Fan-Gesang aus der deutschen Kurve, langsam lauter werdend: „Eure Tickets haben wir bezahlt.“ Bekommt man das am TV mit? (of)
— zeitonlinesport (@zeitonlinesport) Juni 22, 2012
55. Minute Nicht zu fassen, der Ausgleich, 1:1. Schürrle verliert den Ball, Salpingidis läuft Lahm weg und Samaras, nicht der Ministerpräsident, ist schneller als Boateng.
45. Minute Es geht weiter. Bei Griechenland kommt Theofanis Gekas, der laut Uefa nur Fanis Gekas heißt. Wo ist der Theo hin? In Lodz?
Zur Beschäftigung ein Suchspiel. Finde den Torschützen!
Halbzeit Viel verdienter, wenn man das so sagen darf, kann eine Führung nicht sein. Deutschland drückt, hat Chancen für die komplette EM. Besonders Reus gefällt. Müssen wir aufpassen, dass den uns die Spanier nicht entführen und ein rotes Trikot überstülpen. Bei den Griechen geht gar nichts, außer Pflüggrätschen, die dem Danziger Platzwart einige schlaflose Nächte bereiten werden. Die Griechen werden aber erstmal trotzdem nichts ändern, dann wohl erst fünf Minuten vor Schluß das ganze Land nach vorne werfen.
Freude auch in Kiew: „Im Ausland sind die Deutschen patriotischer. Der Innenhof der deutschen Botschaft in Kiew feiert Deutschland mit Fahnenwedel, Oléolé und Handküsse für Lahm. Gestern noch enttäuschte Ukrainer singen mit.“
39. Minute Toooor für Deutschland, 1:0 Philipp Lahm macht Gedankenurlaub in Costa Rica! Zieht aus 18 Metern ab, trifft den Ball genauso gut wie Samaras, nicht der Ministerpräsident, Khediras Fuß vorhin. Schöne Flugbahn.
36. Minute: Der griechische Torwart scheint Gyrosfett an den Handschuhen zu haben. Er hällt nur Bälle fest, die ich auch festhalten würde. Oder wie die Kollegen twittern:
„Sie nennen ihn die Mauer!“ – „Warum? Ist er so unüberwindbar?“ – „Nein, er lässt jeden Ball prallen…“
— SPOX Redaktion (@spox) Juni 22, 2012
32. Minute Unser Mann im Stadion twittert. Wenn das Sarah liest.
EIL: Pass von Schweinsteiger kommt an. (of)
— zeitonlinesport (@zeitonlinesport) Juni 22, 2012
28. Minute Schnitt auf die griechische Bank. Béla Réthy sinngemäß: Da ist Gekas, der Mann im blauen Trainingsanzug. Der mit den dunklen Haaren, und der Nase und…
25. Minute Schon wieder Reus. Ein toller Kicker, wenn er nur nicht dieses tote, blonde Tier auf dem Kopf tragen würde.
24. Minute So sah es übrigens vor einigen tausend Jahren aus, wenn wenn eine motivierte Offensive auf eine massierte Defensive stieß. Bähm!.
23. Minute Die schönste deutsche Kombination des Turniers über Reus und Klose (?) und Reus, doch Özil schlappt völlig frei nur den Torwart an.
20. Minute Einige griechische Fans mit Stahlhelmen. Das wird man ja wohl noch tragen dürfen.
13. Minute: Gelb für Samaras, nicht der Ministerpräsident, der – motiviert bis in die Haarspitzen – schon zum dritten Mal einem Deutschen in die Hacken tritt. Dabei dachten wir, als Zwillingsbruder von Richard David Precht ist man eher pazifistisch veranlagt.
10. Minute Die deutsche Elf schon jetzt mit mehr Chancen als in der kompletten Vorrunde. Alle sehr bemüht. Vor allem Miroslav Klose. Der liegt nicht, sondern läuft sich wund.
3. Minute Samaras, nicht der Ministerpräsident, steigt Khedira auf den Fuß. Hui, ist das in Griechenland zur Begrüßung so Ouzo?
1. Minute Der Anstoß muss wiederholt werden. Die Griechen spielen, clever, jetzt schon auf Zeit.
20.44 Uhr Unser Mann im Stadion schlussfolgert scharf:
Platini, neben Merkel, erscheint auf der Stadionleinwand. Laute Pfiffe aus dem Griechen-Block. Hat er das verdient? (of)
— zeitonlinesport (@zeitonlinesport) Juni 22, 2012
20.42 Uhr Deutsche Hymne. Lange nichts mehr von Sarah Connor gehört.
20.40 Uhr Griechische Hymne, wer mitsingen will: „Σὲ γνωρίζω ἀπὸ τὴν κόψη τοῦ σπαθιοῦ τὴν τρομερή, σὲ γνωρίζω ἀπὸ τὴν ὄψη ποὺ μὲ βιὰ μετράει τὴ γῆ. Ἀπ᾿ τὰ κόκκαλα βγαλμένη τῶν Ἑλλήνων τὰ ἱερά, καὶ σὰν πρῶτα ἀνδρειωμένη, χαῖρε, ὦ χαῖρε, Ἐλευθεριά!“
20.37 Uhr Béla Réthy kommentiert. Hoffentlich regnet es nicht.
20.35 Uhr Dieses Video, das schon seit Tagen durchs Netz geistert, hat es heute sogar auf die Titelseite der papiernernen FAZ geschafft. Also ein verpixeltes Standbild davon. Ein früheres Deutsch-Griechisches Duell, dass die Hellenen für sich entscheiden konnten, obwohl Marx heftigst abseits reklamierte. Für alle Holzleser, hier die Bewegtbilder.
20.32 Uhr Die Griechen spielen mit dieser Aufstellung: Sifakis – Torossidis, Papastathopoulos, Papadopoulos, Tzavellas – Makos, Maniatis – Ninis, Katsouranis, Samaras, Salpingidis. Wer vor einer Woche mehr als, äh, vier Spieler kannte, schreie laut hier. Gibt einen Ouzo.
20.27 Uhr Bei den Griechen fehlt Herr Karagounis, der seine Mannschaft ins Viertelfinale schoss. Der hellenische Robert de Niro.
20.20 Uhr Die Bundeskanzlerin spricht durch ein orangenes ZDF-Mikrofon zu uns: „Da stehen sich zwei wirklich gute Mannschaften gegenüber.“
20.15 Uhr Totehose in Kiew, schreibt unser Reporter Steffen Dobbert aus der ukrainischen Kapitale. Er hat heute in der ganzen Stadt EM-Touristen gesucht, die nicht aus Schweden kommen, ohne Erfolg. Deshalb schaut er das Spiel nun hochoffiziell in der deutschen Botschaft in Kiew. By the way: 60 bis 70 Prozent aller Hotelbetten sind noch frei, sagte ein Mitglied des ukrainischen Tourismusverbandes. Deshalb hoffen hier alle auf Deutschland als Finalteilnehmer, weil Deutsche Gäste gute Gäste seien. Sonst noch wichtig: Funtik, das 380-Kiloschwein, hat geflüstert, das Deutschland erst in der Verlängerung siegt.
20.08 Uhr Unser Mann im Stadion ist Oliver Fritsch, er twittert auf diesem Kanal. Und fürchtet sich ein wenig vor dem portugiesischem Trainer.
Gestern Fernando Santos auf der PK erlebt. Typ Bösewicht in einem Spaghetti-Western. (of)
— zeitonlinesport (@zeitonlinesport) Juni 22, 2012
19.55 Uhr Müller-Hohenstein und Kahn reden wieder über Sport. Wer schon vom Hinschauen seekrank wird oder andere Beschwerden spürt, kann sich mit unserer Leseliste ablenken:
Oliver Fritsch hat sich mit Hansi Flick unterhalten. Wer gerne Kullern auf Spielfelder malt, wird bei der taktischen Vorschau der Spielverlagerer glücklich. Die Süddeutsche Zeitung schreibt unter dem Singleparty-Titel „Schlüssel sucht Schloss“ über Mesut Özil. Und: Wer sich ein wenig mehr Gedanken machen will, liest unseren Text über den nicht ganz ungefährlichen Schland-Patriotismus.
19.38 Uhr Auf Usedom fragt Katrin Müller-Hohenstein Oliver Kahn, ob die Mannschaft irgendwann explodiert. Ich habe das heute auch schon mal irgendwo gelesen und frage mich, wer denn die Sauerei nachher wieder wegmachen soll?
19.32 Uhr Die deutsche Aufstellung ist inzwischen bestätigt: Neuer – Boateng, Hummels, Badstuber, Lahm – Schweinsteiger, Khedira – Reus, Özil, Schürrle – Klose.
Vorbemerkungen:
Als ich heute zu meiner Physiotherapeutin humpelte, das Knie, schallte Udo Jürgens Klamotte „Griechischer Wein“ aus einem Balkonfenster über der Praxis. Am Balkon flatterten zwei große Deutschland-Fahnen. Schön, fand ich. Endlich einer, der das Turnier verstanden hat. Der mit Nationen und ihren Symbolen so locker herumjongliert wie sonst nur Mesut Özil mit seinem Kaugummi. Zwar werden auch wir, die für einen Kalauer selbst unsere Kollegen verkaufen, heute nicht um den einen oder anderen Euro-Witz herumkommen. Das ganze Politikgedöns, mit der dieses Viertelfinale um die Ecke kommt, ist dann aber doch ein bischen dicke.
Kümmern wir uns da lieber ums Sportliche. Nein, ein Spiel für die Ewigkeit ist heute nicht zu erwarten. Was vor allem an den Griechen liegen dürfte. Die Bayern-Spieler der Nationalelf werden sich an das Spiel gegen den FC Chelsea erinnert fühlen. Der hatte damals im Champions-League-Finale den Big Ben mitgebracht und quer vors eigene Tor gestellt. Die Griechen haben den Parthenon der Akropolis dabei, der zwar schon seit tausenden von Jahren entspannt vor sich hinbröckelt, aber immer noch erstaunlich mächtig daherkommt. Trotzdem kein Grund zur Sorge, es braucht ja immer noch Tore um weiter zu kommen: Chelsea hatte Didier Drogba, Griechenland nur Theofanis Gekas.
Joachim Löw überrascht derweil mit der Ankündigung, die zweite Offensivreihe spielen lassen zu wollen. Klose für Gomez, Reus für Müller und Schürrle für Podolski. Entweder, dem Bundestrainer scheint das doch alles nicht so gefallen zu haben, was er in der Vorrunde gesehen hat. Oder aber, Löw denkt sich, gegen die armen (Brüller!) Griechen kann man mal was probieren. Stichwort Freilos. Bevor wir uns ausmalen, was bei derlei Lässigkeit alles schief gehen könnte, betäuben wir uns lieber mit Udo Jürgens Ode an den Imiglykos. Und jetzt alle!