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Das Afrika-Vorurteil – von den Medien gefüttert

 

Darauf schien man nur gewartet zu haben. Jedenfalls lässt die Hysterie, mit der sich die deutschen Medien auf den tragischen Tod des österreichischen Ex-Fußballers Peter Burgstaller gestürzt haben, nur schwerlich andere Schlüsse zu. Unter dem Mäntelchen der WM-Auslosung ist die zentrale Botschaft der Sport-Seiten am heutigen Montag: Man muss als Besucher Südafrikas damit rechnen, Opfer eines Verbrechens zu werden und es ist deshalb mithin unverantwortlich, in diesem Land in wenigen Jahren eine Fußball-Weltmeisterschaft auszurichten. So toll wie die in Deutschland kann sie ja nicht werden.

Dass weder die Umstände der Tat, noch der Zweck des Aufenthalts Burgstallers in Südafrika, Karten für die Auslosung hatte er jedenfalls nicht, bisher restlos geklärt sind, hält die größte seriöse Zeitung Berlins nicht davon ab, ihren Sportteil (!) mit „Tatort Südafrika“ zu überschreiben. Man weiß nur, dass er erschossen wurde, auf einem Golf- nicht einem Fußballplatz. Natürlich ist es kein haltbarer Zustand, wenn in einem Land 50 Morde pro Tag verübt werden. Die Berichterstattung der letzten Tage befeuert jedoch genauso unhaltbare Vorurteile in der „ersten“ Welt: Dass es sich bei schwarzen Afrikanern nur um halbzivilisierte Menschen handelt, die keinen Respekt vor Gesundheit und Eigentum Anderer haben und die nicht im Stande sind, eine funktionierende Gesellschaft mit verbindlichen Regeln für alle aufzubauen. Geschweige denn, eine WM auszurichten. Nicht nur, dass jeder, der schon einmal in Afrika war, vielleicht auch mal außerhalb des umzäunten Safari-Geländes und nicht in einem Bürgerkriegsland, über derart armselig-provinzielle Stereotypen nur noch wütend wird. Das eigentlich Schlimme ist, wie Personen und Institutionen, die es besser wissen müssten, unter dem Diktat des Quotenterrors immer wieder gerne auf den Zug aufspringen. Die ARD, mit öffentlichen Geldern und einem Bildungsauftrag ausgestattet, machte den traurigen Vorfall gestern zum Top-Thema während der Auslosung, unter dessen Licht ja nun die ganze Veranstaltung zu sehen wäre. Zusätzlich durfte Oliver Bierhoff noch zweimal in anderthalb Stunden erzählen, dass ihm im Hotel sein Handtäschchen mit Handy und Unterlagen geklaut wurde, weil er es unbeaufsichtigt am Frühstückstisch liegen ließ. Das macht man zwar nicht mal im Landgasthof in Donaueschingen, aber in Südafrika ist derart naives Verhalten für Delling nur ein weiterer Beweis für die allgegenwärtige Kriminalität. Fehlte eigentlich nur noch, dass Günther Netzer, seines Zeichens Urheber anachronistischer Theorien, einen Zusammenhang zwischen Bierhoffs Verlust und der Mentalität des Südfrikaners herstellte.

Es ist gerade bei einem solchen Thema oberstes journalistisches Gebot, dass man vor Aufklärung des Mordes, keine Vermutungen und erst recht keine Wertungen anstellt. Doch in diesem Fall liegen die Dinge offensichtlich anders. Es ist wohl die alte Tradition von Kolonialismus und gefühlter kultureller Überlegenheit die unterschwellig selbst in intellektuellen Kreisen noch vorhanden ist.

Diese würde auch die Weigerung zu individualisierten Betrachtungen erkären. Schnell wird aus „ein Schwarzer“ „die Schwarzen“ und aus „Südafrika“ „Afrika“. Zwar mag es dabei Übereinstimmungen geben, doch wie wirkt eine solche Berichterstattung auf jüngere oder bildungsfernere Menschen? Begreifen sie, dass in Deutschland vieles besser klappen mag als anderswo, dies aber kein Verdienst ist, wofür sie sich auf die Schulter klopfen und gelichzeitig auf andere herab gucken können? Oder darf man sich nicht wundern, wenn bei der verallgemeinerten Betrachtungsweise der Öffentlichkeit, die für viele ja auch einen Meinungskompass darstellt, Wörter wie „Asis“, provinzsprech für Menschen mit ausländischen Wurzeln (man ist ja kein Neo-Nazi), Einzug in den Wortschatz einer ganzen Generation halten und viele sich nicht vorstellen können, dass für die meisten Menschen dort genau wie hier Gewalt kein Mittel zur Durchstzung der eigenen Ziele ist?

Das Bild, das man als durch Medien informierter Deutscher, der noch nie da war, vom riesigen Afrika und vor allem seinen völlig unterschiedlichen Bewohnern hat, ist schlichtweg lächerlich, so falsch ist es. Berichte von anarchischer Armut wechseln ab mit solchen von Kindersoldaten und Flüchtlingen. Die Schönheit des Kontinents besteht nur in Flora und Fauna, wobei auch da hin und wieder der Zeigefinger gehoben wird, wenn es nur noch 1000 Elefanten in einem Nationalpark gibt, während in Deustchland fast alles ausgerottet ist und es beinahe im nationalen Notstand endet, wenn alle zehn Jahre ein Bär den weg über die Alpen findet.

Wieviel Unwissenheit und Vorurteile über Afrika existieren, wurde mir bewusst, als ich in diesem Sommer von einem Uganda-Urlaub zurückkehrte und meinen weltoffenen und intelligenten Freunden, zumeist Großstadtkids und in sebstverständlicher urbanerMultikulturalität aufgewachsen, Fotos zeigte. Ungläubiges Staunen war die häufigste Reaktion. Über Dinge wie Straßen- und Stromnetz, Schulpflicht in Uniform, Kino, Handys und die Existenz von sowas wie einer Oberschicht, die ein Leben nach europäischen Standards führt. Inklusive Konsumgeilheit und Abgrenzung nach unten.