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Kritikwürdig und trotzdem wichtig – ein Kommentar zum neuen Film von Günter Wallraff

 
Wallraff "undercover" gegen Rassismus © KiWi
Wallraff „undercover“ gegen Rassismus  © KiWi-Verlag

Das Positive vorweg: der Film „Schwarz auf Weiß“ kommt zu einem richtigen Zeitpunkt. Nach der Fußball-WM 2006 war das vorherrschende Grundgefühl in der Medienlandschaft und öffentlichen Wahrnehmung, dass Deutschland ein gastfreundschaftliches Land ist. Die Befürchtungen, die es im Vorfeld der WM gab, wurden nicht bestätigt. (Anderslautendes war zumindest in den Medien nicht präsent.) „Schwarz auf Weiß“ bringt dieses Gefühl zum kippen. Der Film macht ein Thema deutlich, dass altbekannt ist und sich leider in den Jahren wenig verändert hat: Rassismus und Xenophobie sind auch heute noch weit verbreitet und treten manchmal offen, manchmal unterschwellig zu Tage.

Der Zuschauer fragt sich bei der Betrachtung des Films nur, warum gerade Wallraff dieses Thema in solch einer Form öffentlich machen muss? Er ist merklich verkleidet und spielt einen somalischen Flüchtling namens Kwami Ogonno, der anscheinend gerne alleine in ostdeutschen Städten auf trostlosen Marktplatzfesten sitzt, sich Senioren- Wandergruppen anschließt und alleine in urige Kölner Kneipen geht. Dort will er dann, wie die pfundigen, rheinischen Kerle auch, mit den Frauen Ringelpietz spielen.
An jedem Ort wird Ogonno missbilligend, herabwürdigend und rassistisch behandelt. Wen wundert’s? Leider niemanden. Das wird einem recht schnell klar, betrachtet man die Auswahl der gezeigten Orte genauer. Die Besucher, die diesen Dokumentarfilm sehen – höchstwahrscheinlich eine gut bürgerliche Akademikerschicht –  können sich mit diesem Umfeld kaum identifizieren und werden sich selbst nicht berührt fühlen. Vom Gebrauchthunde-Verein, über die Dauercamper bis hin zu Cottbuser Fußball-Fans, es geht um Orte und Menschen, die den meisten Kinobesuchern wahrscheinlich eher fremd sind. Mancher Zuschauer denkt vielleicht: „Selber Schuld! Warum will der auch mit Cottbusser Fußball-Fans im gleichen Zug fahren?“ Das Fatale genau dieses Gedankens macht der Film deutlich. „Normal“ zu leben, etwa einfach mal eine Disko in Rosenheim zu besuchen, ist für Schwarze mit spürbarer Ablehnung verbunden. Es ist für viele Schwarze Deutsche kein Problem hier zu leben. Vorsicht ist aber geboten, wenn man aus seiner Enklave, wie Berlin-Kreuzberg oder Hamburg-Altona ausbricht. Deutlich wird das immer wieder – und dabei ist egal wo man lebt – auf der Wohnungssuche, wenn der Vermieter seine Schwierigkeiten mit Nicht-Weißen meist offen zur Schau stellt. Ähnliches widerfährt auch Ogonno bei einer Besichtigung in Köln auf eher unterschwellige Weise.

Kritikwürdig ist Wallraffs Film „Schwarz auf Weiß“, weil er im Grunde einen Flüchtling nachäfft. Er als Weißer spielt Karneval, die Rolle des Blackface sieht in der Tat ein wenig albern aus und degradiert eine Minderheit. Seine Erfahrung, über die Hautfarbe definiert zu werden, sich übervorsichtig verhalten und manchmal auch einen Bogen um bestimmte Menschengruppen machen zu müssen, spiegelt wieder, was viele Schwarze in Deutschland kennen. Dadurch, dass er als Weißer in diese Rolle schlüpft, wird dem Zuschauer die Hierarchisierung zwischen „Weißen“ und „Schwarzen“ auf eine zwiespältige Weise deutlich. Wallraff bedient sich einem Privileg und wechselt in die Rolle eines Opfers.

Weiße machen sich selten Gedanken über die Rolle ihrer Hautfarbe, während es bei Schwarzen gang und gäbe ist, sich immer wieder darüber bewusst zu werden, was Rassismus für ihr Leben bedeutet. Wie die Anglistin und Afrikawissenschaftlerin Susan Arndt beschreibt, werden wir nicht als Weiße oder Schwarze geboren sondern werden zu diesen gemacht. Alte rassistische Vorurteile gegenüber Schwarzen in Deutschland, treten im Film zu Tage. Ogonno wird als der „Sarotti-Mohr“ bezeichnet oder auf einer Bootsfahrt prompt als Bedienung wahrgenommen. Egal wie albern Wallraff aussieht, die Menschen um ihn reagieren reflexartig in klassisch ablehnender Manier auf seine Hautfarbe. Die Angst vor dem Fremden ist das beherrschende Bild. Manchmal übertreibt Wallraff, wenn er als ahnungsloser Ausländer überdurchschnittlich aktiv den Kontakt zu seinen Mitmenschen und die Konfrontation sucht. Aber es ist auch er, dem wohl die (weißen) Menschen im Kino Authentizität abkaufen und es ist er, der dieses Thema in breiter Form öffentlich machen kann. Ja, in diesem Fall heiligt der Zweck die Mittel. Ein Aufklärungsfilm, der die Debatte über Xenophobie und Rassismus in Deutschland anheizen soll. Was fehlt, sind Kommentare von Schwarzen Deutschen. Davon gibt es lediglich zwei, und man hätte sich ein wenig mehr davon gewünscht.