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Eklat an der Freien Universität Berlin

 

Prof. Dr. Hajo Funke zählt zu den profiliertesten Rechtsextremismusexperten Deutschlands. Er erfreut sich hoher Beliebtheit in Wissenschaft und Medien, Gesellschaft und Politik. Studierende und Professoren schätzen ihn – nicht nur am Otto-Suhr-Instituts für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin. Doch geht es nach dem Willen der derzeitigen FU-Präsidentin, Ursula Lehmkuhl, soll Funke nicht länger seiner ordentlichen Professur nachgehen dürfen. Damit wäre er gezwungen, aus allen wichtigen Gremien auszuscheiden. Dies wäre praktisch der Zwangsruhestand für den populären Professor.

Ein entsprechender Antrag auf Verlängerung um ein Jahr über sein 65. Lebensjahr hinaus wurde vor den Augen des Akademischen Senat, dem höchsten gemeinschaftlichen Gremium von Studierenden, Professoren und Universitätsleitung, auf demokratisch zweifelhafte Art abgelehnt. Ein Vorgang, welcher in der jüngeren Geschichte der Freien Universität Berlin seinesgleichen sucht. Dabei ist es nicht das erste Mal, dass über den Kopf der Beteiligten hinweg Entscheidungen getroffen werden, die enorme Auswirkungen auf die thematische, personelle und methodische Ausrichtung der Politikwissenschaft an der Freien Universität haben. Angehörige der Universität reiben sich verwundert die Augen. Wie konnte es soweit kommen?

Die Vorgeschichte ist schnell erzählt: Anfang des Jahres wechselte der FU-Präsident Dieter Lenzen an die Universität Hamburg. Lenzen stand wegen seines autoritären Eintretens für die Exzellenzinitiative der Hochschule stark unter Beschuss. Neue und vor allem teure Sonderforschungsbereiche wurden ausgewiesen, während ehemalige Herzstücke der wissenschaftlichen Arbeit nicht mehr mit neuen Professoren besetzt worden. Dies betraf in der Politikwissenschaft die Ideengeschichte, Moderne Politische Theorie sowie die Kritische Theorie. Momentan führt die ehemalige Erste Vizepräsidentin Lehmkuhl die Amtsgeschäfte ihres Vorgängers. Jedoch nur solange, bis ein neuer Präsident beziehungsweise eine neue Präsidentin gewählt worden ist. Kurz vor dieser mit Spannung erwarteten Wahl macht Lehmkuhl nun in einmaliger Weise von ihrer Machtfülle Gebrauch und legte Veto gegen den artikulierten Willen der universitären Gremien ein. Über die Hintergründe wird nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen. Professor Funke ist bekannt für seine Kritik am Führungsstil der engeren Universitätsleitung. Darüber hinaus setzte er sich immer wieder für die Belange der zuletzt stark gebeutelten Studierenden ein. Dies wird ihm nun offensichtlich übel genommen. Wohlgemerkt handelt die Präsidentin gegen das eindeutige Votum des Fachbereichs Politik- und Sozialwissenschaft und gegen das Votum ihres eigenen Präsidiums. Ein fatales politisches Signal in dieser schwierigen Zeit. Damit läuft die Freie Universität Gefahr, sich einer Koryphäe in Sachen Rechtsextremismus zu entledigen. Das Präsidium war trotz Kritik an seiner Arbeit offenbar souverän genug, einer Verlängerung seiner Lehrtätigkeit zuzustimmen.

Studierendenvertreter und Lehrbeauftragte appellieren nun an die Präsidentin, ihre Entscheidung schnellstmöglich zu überdenken. Ronny Matthes vom Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) der FU Berlin erklärte, „Frau Lehmkuhl ist hiermit in aller Schärfe aufgerufen, ihre Willkürpraktiken gegen kritische Universitätsangehörige zu beenden und ihre Entscheidung bezüglich Herrn Funke zu revidieren“. Auch Funkes Kollegen haben sich bereits irritiert zu Wort gemeldet. Der Dienstagskreis, ein fachübergreifender Zusammenschluss linker Professorinnen und Professoren innerhalb des Akademischen Senats, gab zu Protokoll, das Dekanat hätte zugesagt, die Finanzierung für die Verlängerung von Hajo Funke zu übernehmen. Dies war in den vergangenen Jahren die einzige Vorbedingung des Präsidiums bei Beschlüssen über die Verlängerung von Lehraufträgen. Die von den Fachbereichen dargelegten sehr unterschiedlichen fachlichen und sachlichen Begründungen wurden stets akzeptiert.  Die Vertreter des Dienstagskreises protestieren gegen die offensichtliche Unbegründetheit der Entscheidung, die die in der Universität gesetzten demokratischen Regeln der Gleichbehandlung in erheblichem Maße verletzt. Studierendenvertreter mutmaßen, es könnte sich auch um eine politische Entscheidung handeln. Der Dienstagskreis stellt lediglich eine von vielen unterschiedlichen politischen Strömungen innerhalb des Akademischen Senats dar.