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Wie Rechte den Widerstand von Sophie Scholl mißbrauchen

 

Sophie Scholl wäre sicher nicht begeistert von den rechten Anbiederungsversuchen © dpa

Sympathisanten rechter Bewegungen versuchen neuerdings nicht nur Geschichte umzuschreiben. Sie bedienen sich auch unverhohlen prominenter Symbolfiguren des Widerstands gegen den Nationalsozialismus.

Geschichtsrevisionismus ist bekanntlich kein neues Phänomen in der rechtsextremen Szene. Die Spannbreite der revisionistischen Ansichten reicht von der Leugnung des Holocaust bis hin zu modernen Dolchstoßlegenden, die die Greueltaten der Nazis in positives Licht tauchen sollen. Ein relatives Novum ist die verstärkte positive Bezugnahme auf den historischen Widerstand gegen die Nationalsozialisten. Dabei ist dieser Schritt – zumindest für Kenner der Neuen Rechten und der rechtspopulistischen Szene – durchaus konsequent. Bevor ich näher auf diesen Punkt eingehe, sei mir noch eine kurze Einlassung zum Begriff des „Rechtspopulismus“ gestattet. Leider wird Rechtspopulismus oftmals als die gesellschaftlich akzeptierte, sprich ungefährliche Variante des Rechtsextremismus gesehen. Dieser Ansicht sollte entschieden widersprochen werden! Rechtspopulismus ist und bleibt eine besondere Form des Rechtextremismus und mindestens genauso gefährlich für die demokratische Kultur in Europa. Es ist beispielsweise kein Zufall, dass „Pro NRW“ nahe stehende Internetblogs wie „Politically Incorrect“ versuchen, von sich aus dieser Bewegung das Label „Rechtspopulismus“ aufzudrücken. Überspitzter formuliert: Es wird der Versuch unternommen, das politische Koordinatensystem zugunsten rechtsextremen Gedankengutes zu verschieben. Eine Entwicklung, die zum Nachdenken anregt. Es findet in einigen rechtsextremen Diskursen im Internet eine gezielte und täuschende Ent-Tabuisierung des Begriffs „Rechtspopulismus“ statt.

In der Vergangenheit haben einige „klassische“ Neonazis – vor allem aus dem Umfeld der NPD und der DVU – in rechtspopulistische Gruppierungen wie „Pro NRW“ gewechselt. Dabei suggerieren sie, antisemitische Ressentiments und den als nicht opportun empfundenen Hitler-Kult abgelegt zu haben. Sie bedienen sich nunmehr in der Öffentlichkeit einer gesellschaftlich wie historisch weniger vorbelasteten Ausgrenzungsrhetorik. Der neue Feind ist der Islam. Prominente Beispiele sind der rechte Nazisponsor Patrik Brinkmann, der jüngst in einer wirren Inszenierung mit Bibel in der Hand durchs Ruhrgebiet reiste sowie der ehemalige Funktionär der „Deutschen Liga für Volk und Heimat“ und heutige „Pro NRW“ Vorstand Markus Beisicht. Ein weiteres Indiz für den offensichtlich oberflächlich vollzogenen Kurswechsel liefert uns vielleicht ausgerechnet Ingo Haller, Aktivist der rechtsextremen Konkurrenz. Auf  der Homepage der nordrhein-westfälischen NPD ist ein Gespräch zwischen ihm und Markus Beisicht dokumentiert: „Auf meine Frage (Ingo Haller, Anm. d. Red.), wie er denn dazu stehe, Farbige und Personen jüdischer Herkunft in seinen Reihen zu haben, erwiderte er (Markus Beisicht, Anm. d. Red.) nur: „Besser Juden und Neger als einen vom Verfassungsschutz“ und legte, ohne sich zu verabschieden, wutentbrannt den Hörer auf.“

„Pro NRW“ Aktivisten waren es auch, die im Februar diesen Jahres in Pulheim bei Köln vor dem Geschwister Scholl Gymnasium Flugblätter für die rechtsextreme Partei verteilt haben. Wenig überraschend lassen sich auf „Politically Incorrect“ die Geschehnisse auf Grundlage eines Berichts des „Pro NRW“ Jugend-Funktionärs Gereon Breuer detailgenau nachlesen. Bereits der Titel zeigt wohin die Reise gehen soll: „Bücherverbrennung an Geschw. Scholl Schule“. Es wird moniert „Schüler kamen auf die Idee, die erbeuteten pro-NRW-Jugendflugblätter in Anlehnung an die Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 auf dem Berliner Bebel-Platz anzuzünden und auf dem Bürgersteig zu verbrennen.“ Auf Internetpräsenz von „Pro NRW“ geht Breuer noch weiter: „Dass Lehrer und Schüler, die derart geschichtsvergessen sind, ausgerechnet an einer Schule anzutreffen sind, die nach den beiden führenden Köpfen der ‚Weißen Rose’ benannt ist, stellt einen Skandal sondergleichen dar. Hans und Sophie Scholl würden sich sicherlich im Grabe herumdrehen, wenn sie von den Vorfällen des heutigen Morgens wüssten. Besser zu dem extremistischen Ungeist dieser Schule würde sicher ein Pate wie Pol Pot oder Enver Hoxha passen.“

Nun möchte ich an dieser Stelle keinesfalls den historischen Sachverstand deutscher Gymnasiasten in Abrede stellen. Mir erscheint es jedoch vorsichtig formuliert nahe liegender, dass hier halbwegs gut gebildete Schüler schlichtweg auf die Idee kamen, ein paar „Naziflyer“ schnell und billig – jedoch alles andere als klimaneutral – zu entsorgen. Kritisiert wird bei „Politically Incorrect“ zudem, dass „heute ausgerechnet an einer Geschwister-Scholl-Schule Flugblätter auf einem Scheiterhaufen öffentlich verbrannt wurden. Dies zeige, so der Autor, „wie die von Kommunisten dominierte ‚antifaschistische’ Bewegung das Andenken ihrer vorgeblichen Vorbilder pervertiert.“ Aber selbst auf „Politically Incorrect“ bleibt nicht alles unwidersprochen. Die Kritik an der Bücherverbrennung der Nazis geht einigen Kommentatoren dann doch zu weit: „Gegen eine zünftige Koranverbrennung kann man nichts einzuwenden haben.“

Islamophobe Hetze für die Mitte der Gesellschaft

Nun darf man sich nach Lektüre des Artikels die Frage stellen, wer pervertiert hier eigentlich wen? Eine zentrale Rolle in dieser Frage spielen die Geschwister Scholl, genauer gesagt Susanne Zeller-Hirzel. Zeller-Hirzel bezeichnet sich selbst als eine der letzten noch lebenden Mitglieder der Widerstandsbewegung „Weiße Rose“. Dieser Einschätzung kann zunächst nicht widersprochen werden. Historiker sehen Zeller-Hirzels Einbindung in die Widerstandsbewegung aber eher als sekundär. Was auch ihre relativ geringe Haftstrafe von sechs Monaten erklärt. Im Internet propagiert Zeller-Hirzel neben ihrer bewegten Biographie auch gerne den Umstand, Mitglied der rechtspopulistischen und christlich-fundamentalistischen „Bürgerbewegung Pax Europa“ zu sein. Dieser Verein pflegt enge Beziehungen zum islamophoben Internetblog „Politically Incorrect“ sowie der rechtsextremen Partei „Pro NRW“. Außerdem gab Zeller-Hirzel schon im Jahr 2002 der national-konservativen Wochenzeitung „Junge Freiheit“ ein Interview in dem sie klar rechtspopulistische und vaterländische Positionen einnimmt. Die „Junge Freiheit“ wird regelmäßig von Rechtsextremismus-Experten kritisiert und soll der rassistischen Denkschule der „Neuen Rechten“ nahe stehen. Auf „Politically Incorrect“ finden sich neben zahlreichen auf die Geschwister Scholl Bezug nehmenden Artikeln auch Videos, die zu vermeintlich subversiven Flugblattaktionen aufrufen. Diese sollen in Stil und Inhalt den Aktionsformen der „Weißen Rose“ ähneln. Unter dem Motto „Projekt Weiße Rose Flugblatt VII“ wird in einem martialisch anmutenden Propagandafilm das Bild eines neonazistischen Islamofaschismus gezeichnet, den es selbstverständlich zu bekämpfen gelte. „Sei an der Frontlinie einer Bewegung“ lautet die wenig pazifistische Aufforderung an die vermutlich meist jungen Adressaten dieses braunen Propagandafilms.

Jüngst hat der ehemalige Pressesprecher der CSU München und heutige „Politically Incorrect“ Autor Michael Stürzenberger unter seinem Pseudonym „byzanz“ in Berlin eine Rede zu Ehren des Rechtspopulisten Geert Wilders gehalten. Auch Stürzenberger wollte sich im Zuge seiner rassistischen Äußerungen die Bezugnahme zu den Geschwistern Scholl nicht nehmen lassen. „Politically Incorrect“ berichtet: „Eine sehr emotionale Rede hielt byzanz von der PI-Gruppe München, der an die Geschwister Scholl erinnerte und die letzte Überlebende des Geschwister-Scholl-Bundes Weiße Rose, Susanne Zeller-Hirzel erwähnte, die den Fanatismus des Islam mit dem des Nationalsozialismus auf eine Stufe stellt. Er zog auch den Bogen über Charlie Chaplin, der in seinem Film ‚Der große Diktator’ Adolf Hitler als gefährlichen Tyrannen dargestellt hat und damals dafür in den USA angefeindet wurde[..]. Und so wie es der Weißen Rose und Charlie Chaplin damals erging, geht es den Islamkritikern heute.“ Die Geschwister Scholl dürften sich angesichts solcher Äußerungen in Zukunft wohl noch öfter Im Grabe umdrehen.