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Mit Blockaden gegen den Naziaufmarsch in Bad Nenndorf

 

Protest gegen den Neonaziaufmarsch 2009

Lange Zeit gehörte das Wincklerbad zu den stolz präsentierten Sehenswürdigkeiten des Kurortes Bad Nenndorf westlich von Hannover. Seit vier Jahren aber zieht das Gebäude vor allem Neonazis in die Kleinstadt: mit ihrem geschichtsrevisionistischen „Trauermarsch“ in Bad Nenndorf gewinnt die militante Rechte an Zulauf. Mit knapp 800 Teilnehmern konnte das selbsternannte „Gedenkbündnis Bad Nenndorf“ 2009 fast doppelt soviele Neonazis in die Kleinstadt mobilisieren als im Vorjahr – für dieses Jahr werden rund 1200 Neonazis erwartet. Damit ist der „Trauermarsch“ in Niedersachsen inzwischen zum größten und bundesweit zum drittgrößten Nazievent geworden.

Das Wincklerbad in Bad Nenndorf

Um den Aufmarsch in diesem Jahr zu verhindern, ruft das überregionale Bündnis „NS-Verherrlichung stoppen!“ zu Massenblockaden am 14. August in Bad Nenndorf auf. Unterstützung erhält es dabei von bislang knapp 70 Initiativen und Gruppen, die auf die Funktion des extrem rechten Aufmarschs hinweisen. Denn seine Organisatoren haben schon früh die wachsende Bedeutung des Geschichtsrevisionismus erkannt, dessen Klammerfunktion die extreme Rechte inzwischen für einen großen Teil ihrer Aufmärsche nutzt.

Neonazis beim Aufmarsch 2009

Anders als in anderen Bundesländern kann das „Gedenkbündnis“ zudem auf organisierte Strukturen in der Region zurück greifen. Dafür sorgen Gruppierungen wie die „Kameradschaft 73“ um Dennis Bührig aus Celle, die „Bürgerinitiative für Zivilcourage Hildesheim“ um Dieter Riefling und der länderübergreifende Zusammenschluss von Neonazis aus den Regionen Schaumburg und Ostwestfalen-Lippe. Sie sorgen für einen Aufmarsch in Bad Nenndorf, der ohne nennswerte Unterstützung der NPD zu einem der Events der extremen Rechten zählt. Auch die wachsende Gewaltbereitschaft der extrem rechte Kameradschaftszene gegenüber Polizei und Medien ist inzwischen unübersehbar: noch vor dem eigentlichen Beginn kam es im vergangenen Jahr zu Steinwürfen, später warfen die Neonazis harte Gegenstände gegen die Kameras von Journalisten.

In diesem Jahr war der „Trauermarsch“ ursprünglich für Anfang August geplant, wurde aber um zwei Wochen verschoben. Der Aufmarsch befindet sich nun in bedenklich zeitlicher Nähe zum 17. August, dem Todestag des Hitler Stellvertreters Rudolf Heß. Damit wächst die Gefahr, dass die extrem rechte Veranstaltung im Kreis Schaumburg zu einer realistsichen Alternative für den Wallfahrtsort in Wunsiedel werden könnte. Schon jetzt vereint der spektrenübergreifende Aufmarsch Neonazis aus verschiedenen Bundesländern und teilweise dem europäischen Ausland in ihrem Bemühen, die Geschichte in ihrem Sinn umzudeuten. Doch auch die Proteste in dem Kurort nehmen zu und erreichten im vergangenen Jahr erstmals eine Zahl von über 1.000 Teilnehmern an einer Demonstration des Bündnisses „Bad Nenndorf ist bunt“. Auch Aktionen von antifaschistischen Gruppen wie eine Sitzblockade auf dem Platz vor dem Wincklerbad und bunter Konfettiregen vom Dach des Wincklerbads auf den Neonaziaufmarsch fanden bei dem bürgerlichen Bündnis vor Ort Anklang. Unter dem Motto „Dresden nach Bad Nenndorf holen“ ruft das überregionale Büdnis „NS-Verherrlichung stoppen!“ in diesem Jahr zu Massenblockaden in Bad Nenndorf auf. Dazu kommt eine Kundgebung mit anschließender Demonstration des Bündnisses „Bad Nenndorf ist bunt“. Unter dem Eindruck des im vergangenen Februar verhinderten „Trauermarschs“ der „Jungen Landsmannschaft Ostpreußen“ fragt das Bündnis in seinem Aufruf: „Wenn tausende GegendemonstrantInnen Dresden lahm legen konnten, welche Wirkung hätten sie dann erst auf die Lage in Bad Nenndorf?“. Eine berechtigte Frage, wie die breite Resonanz auf den Aufruf zeigt. Auch die niedersächsischen Grünen hatten bereits auf ihrem Parteitag im April eine Resolution zur Blockade von Naziaufmärschen verabschiedet. Darin rufen sie dazu auf, „den Naziaufmarsch in Bad Nenndorf durch Massenblockaden zu verhindern. Wir werden gegen den größten Naziaufmarsch in Niedersachsen mobilisieren und uns an Bündnissen gegen den Naziaufmarsch beteiligen“. Es könnte am 14. August also räumlich eng werden in der Kurstadt Bad Nenndorf mit ihren rund 10.000 Einwohnern. Ob es für die anreisenden Neonazis auch politisch so eng wird, dass der Aufmarsch nicht stattfinden kann, wird sich zeigen müssen.